Ein Publizitätskonzept: Marktteilnehmer- und Marktfunktionsschutz als Parameter einer konzeptionellen Integration von Publizitätspflichten börsennotierter Unternehmen [1 ed.] 9783428534968, 9783428134960

Vertrauensverlust an den Kapitalmärkten? Publizitätspflichten werden ihrem Regelungsauftrag - dem Schutz des wirtschaftl

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Ein Publizitätskonzept: Marktteilnehmer- und Marktfunktionsschutz als Parameter einer konzeptionellen Integration von Publizitätspflichten börsennotierter Unternehmen [1 ed.]
 9783428534968, 9783428134960

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Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Band 45

Ein Publizitätskonzept Marktteilnehmer- und Marktfunktionsschutz als Parameter einer konzeptionellen Integration von Publizitätspflichten börsennotierter Unternehmen

Von

Kai Werner

Duncker & Humblot · Berlin

KAI WERNER

Ein Publizitätskonzept

Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Herausgegeben von Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Hamburg Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., Freiburg Professor Dr. Gerald Spindler, Göttingen

Band 45

Ein Publizitätskonzept Marktteilnehmer- und Marktfunktionsschutz als Parameter einer konzeptionellen Integration von Publizitätspflichten börsennotierter Unternehmen

Von

Kai Werner

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg hat diese Arbeit im Jahre 2010 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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© 2011 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Process Media Consult GmbH, Darmstadt Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1614-7626 ISBN 978-3-428-13496-0 (Print) ISBN 978-3-428-53496-8 (E-Book) ISBN 978-3-428-83496-9 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

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Vorwort Vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2010 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg als Dissertation angenommen. Gesetzgebung, Rechtsprechung und Schrifttum konnten bis Dezember 2009 ACHTUNGREberücksichtigt werden. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater und Lehrer, Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M. (Univ. of Chicago). Er hat mich mit seiner grundlegenden Arbeit zur Unternehmenspublizität schon während meiner Studienzeit in Freiburg stark geprägt und für das Thema begeistert. Professor Dr. Uwe Blaurock, der meine Faszination für das Gesellschaftsrecht weckte, danke ich für die Erstellung des Zweitgutachtens. Tief verbunden bin ich zudem Professor James D. Cox, Duke University School of Law, der mir während meines LL.M.-Studiums die US-amerikanische und internationale Perspektive der securities regulation an seinem Lehrstuhl so anschaulich und ACHTUNGRElebendig nahe brachte. Der Konrad-Adenauer-Stiftung (Begabtenförderung) danke ich für die großzügige ideelle und materielle Förderung meiner Studien- und Promotionszeit. Ihre anregenden und aufregenden Gedankenimpulse gaben immer wieder Anstoß zu spannendem gesellschaftspolitischem Engagement. Stets war mir eine sorgenfreie und breit gefächerte wissenschaftliche Arbeit möglich. Widmen möchte ich diese Arbeit in Liebe und Dankbarkeit meiner Großmutter, Mathilde Werner (1910 – 2010). .

Bad Homburg, im August 2010

Kai Werner

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Inhaltsbersicht A. Einführung und Abgrenzung des Untersuchungsbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 I. Einführende Gedanken zur Pflichtpublizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 II. Abgrenzung des Untersuchungsbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 III. Der Marktbezug als wesentliches Kriterium jeder Publizitätspflicht . . . . . . . . . . . . 36 B. Publizitätspflichten aus ökonomischer Sicht und die Rolle des Rechts . . . . . . . . . . 68 I. Die Bedeutung der US-amerikanischen Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 II. Definitionen und einführende Grundgedanken zur Markteffizienz . . . . . . . . . . . . . . 72 III. Zur Kritik am Konzept hoheitlicher Publizitätspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 IV. Folgen für die rechtliche Systematisierung hoheitlicher Publizitätspflichten . . . . . . 148 C. Das Informationsmodell im Unternehmensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 I. Das Informationsmodell und seine Vorzüge gegenüber materieller Regulierung . . . 192 II. Vordringen des Informationsmodells im Europäischen Wirtschaftsrecht . . . . . . . . . 194 D. Das Publizitätskonzept am organisierten Kapitalmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 I. Überblick über den sekundärrechtlichen Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 II. Publizitätspflichten im geltenden nationalen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 E. Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376

Verzeichnis der zitierten EU-Rechtsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388

Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431

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Inhaltsverzeichnis A. Einführung und Abgrenzung des Untersuchungsbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 I. Einführende Gedanken zur Pflichtpublizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 1. Bisherige Systematisierungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 2. Hier gewählter Systematisierungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 3. Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 II. Abgrenzung des Untersuchungsbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 1. Unternehmensrecht: Das Unternehmen am Markt als Regelungsgegenstand . . . . 30 2. Bezugspunkt Pflichtpublizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 a) Definition Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 b) Begrenzung auf Pflichtpublizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 c) Begrenzung auf inhaltliche Ausgestaltung der Informationsordnung . . . . . . . 34 3. Bezugspunkt organisierter Börsenhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 a) Systematisierungsansätze des Kapitalmarktrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 b) Gesellschaftsrechtliches Leitbild der börsennotierten Aktiengesellschaft . . . . 35 III. Der Marktbezug als wesentliches Kriterium jeder Publizitätspflicht . . . . . . . . . . . . 36 1. Historische Entwicklung marktbezogener Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 2. Gründe für die kapitalmarktrechtliche Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 3. Entwicklungslinien des Kapitalmarktrechts in Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 4. Definition Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 5. Ziele des Kapitalmarktrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 a) Funktionsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 aa) Institutionelle Funktionsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 bb) Operationale Funktionsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 cc) Allokative Funktionsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 dd) Informationelle Funktionsfähigkeit als Grundvoraussetzung . . . . . . . . . . . 50 ee) Liquidität und Stabilität als Folgen der Markteffizienz . . . . . . . . . . . . . . . 51

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Inhaltsverzeichnis b) Anlegerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 aa) Anlegerschutz als individueller oder institutioneller Schutz . . . . . . . . . . . 52 bb) Folgerungen für die Funktionsdogmatik der Publizität . . . . . . . . . . . . . . . 55 cc) Inhaltliche Ausprägung des Anlegerschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 c) Weitere Regelungsziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 d) Corporate Governance mittels Kapitalmarktrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 6. Systematisierung der Kapitalmärkte als Ausgangspunkt des Konzepts . . . . . . . . 61 a) Primär- und Sekundärmärkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 b) Marktorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 aa) Organisierte und nicht organisierte Märkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 bb) Geregelte Märkte i.S.d. Art. 4 Nr. 14 MiFID . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 cc) Terminologie aus deutscher Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 dd) Auswirkungen auf das „Prinzip konzentrischer Marktkreise“ . . . . . . . . . . 65 ee) Erstreckung der „Marktkreise“ auf marktbezogenes Unternehmensrecht . 66

B. Publizitätspflichten aus ökonomischer Sicht und die Rolle des Rechts . . . . . . . . . . 68 I. Die Bedeutung der US-amerikanischen Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 II. Definitionen und einführende Grundgedanken zur Markteffizienz . . . . . . . . . . . . . . 72 1. Informationelles Marktversagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 2. Informationelle Effizienz des Marktes: Die Efficient Capital Market Hypothesis

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III. Zur Kritik am Konzept hoheitlicher Publizitätspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 1. Empirische Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 a) Event-/case-studies nach Einführung der Securities Laws . . . . . . . . . . . . . . . . 79 b) Empirische Messung der Informationseffizienz: Performance Studies . . . . . . 82 c) Empirische Ereignisforschung in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 d) Umfragestudien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 aa) Umfragen zu den Auswirkungen von Publizität und zur Corporate Governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 bb) Umfragen zur Wettbewerbssensitivität von Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . 88 cc) Folgerungen aus den Umfragestudien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91

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2. Ökonomische Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 a) Wirtschaftstheoretische Grundgedanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 aa) Von der neoklassischen Mikroökonomie zum Neuen Institutionalismus . . 92 bb) Transaktionskostenökonomik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 cc) Informationsökonomik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 dd) Beispiele verschiedener Stufen der Marktentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . 98 (1) Der russische Kapitalmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 (2) Der US-amerikanische Kapitalmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 (3) Der deutsche Kapitalmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 ee) Notwendigkeit der Bestimmung des „richtigen Maßes“ an Publizität . . . . 102 b) Marktendogene Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 aa) Agency Cost-Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 bb) Signal-Theorie und unravelling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 cc) Screening und individualvertragliche Absicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 dd) Die Efficient Capital Market Hypothesis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 c) Notwendigkeit unterstützender staatlicher Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 aa) Widerlegung der Annahme marktendogener Publizität . . . . . . . . . . . . . . . 107 bb) Gegenmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 d) Konzeptionell-theoretische Bedenken gegen Pflichtpublizität . . . . . . . . . . . . . 115 aa) Mandatory Disclosure and Path Dependency . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 bb) Mandatory Disclosure and Issuer Choice . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 cc) Mandatory Disclosure in a World of Complexity . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 dd) Behavioral Law and Economics . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 (1) Anomalienforschung und Erklärungsversuche exzessiver Volatilität . 122 (2) Noise trading durch rationale Spezialisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 (3) Folgerungen für den Fortgang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 e) Die neue Rechtfertigungsebene: Betonung der Governance-Funktionen und Abkehr von der kapitalmarktrechtlichen investor protection . . . . . . . . . . . . . . 129 f) Abkehr vom Effizienzgedanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 g) Die Auswirkungen der Finanzkrise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 3. Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138

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IV. Folgen für die rechtliche Systematisierung hoheitlicher Publizitätspflichten . . . . . . 148 1. Funktionen der Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 a) Individualschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 b) Marktfunktionsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 c) Corporate Governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 2. Kriterien für die Ausgestaltung der Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 a) Der Primärgrundsatz der Wesentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 b) Werthaltigkeit und Nutzbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 c) Einheitlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 d) Zusammenfassung im Grundsatz der Adressatenorientierung . . . . . . . . . . . . . 161 e) Gemeinsamer Grundsatz der Gleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 f) Die Rolle des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 3. Informationspflichtige und Adressaten hoheitlicher Publizitätspflichten . . . . . . . 169 a) Unternehmen am Markt als Verpflichtete der Offenlegung . . . . . . . . . . . . . . . 169 b) Adressaten der Publizitätspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 aa) Verständnishorizont der Anleger als primäre Adressaten . . . . . . . . . . . . . 171 bb) Weitere Adressatengruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 cc) Die Entwicklung informationellen Anlegerschutzes aus dem verbandsrechtlichen Informationssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 (1) Unabhängigkeit beider Positionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 (2) Ersetzung verbandsrechtlicher Kontrolle durch informierten Marktentscheid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 (3) Abstimmung zweier komplementärer, sich ergänzender Rechtsgebiete 189 dd) Folgerungen für den Fortgang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 C. Das Informationsmodell im Unternehmensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 I. Das Informationsmodell und seine Vorzüge gegenüber materieller Regulierung . . . 192 1. Bedeutung des Begriffs „Informationsmodell“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 2. Weiterer Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 II. Vordringen des Informationsmodells im Europäischen Wirtschaftsrecht . . . . . . . . . 194 1. Ausgangspunkt Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 a) Konzeptionelle Grundlagen des Europäischen Kapitalmarktrechts . . . . . . . . . 195 b) Informationsmodell und „Wettbewerb der Rechtsordnungen“ . . . . . . . . . . . . . 198

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c) Mittelbare Wirkung des Informationsmodells im interessenpluralen Ansatz . . 199 d) Voranschreitendes systematisch-konzeptionelles Verständnis der Publizität . . 201 2. Primärrechtliche Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 a) Wirtschaftsverfassungsrechtliche Grundgedanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 b) Die primärrechtliche Liberalisierung des Kapitalverkehrs . . . . . . . . . . . . . . . . 206 aa) Europäisches Unternehmensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 bb) Ermächtigungsgrundlagen – Verankerung der Publizität in den Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 cc) Grundsätzliche Bedeutung des Art. 5 EUV für das Informationsmodell . . 211 c) Verbandsrechtlicher und marktbezogener Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 d) Ergänzungs- und Ersetzungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 aa) Gegenüberstellung der Auffassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 bb) Streitpunkt: Verhaltenssteuerung durch Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 cc) Nutzung der Kritik für die Ausgestaltung des Publizitätskonzepts . . . . . . 216 dd) Schwächen des Informationsmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 ee) Vorzüge bei integriertem Verständnis eines ganzheitlichen Publizitätskonzepts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 e) Informationsnormen als integrierter Bestandteil des Regelungsregimes . . . . . 221 3. Der EuGH als „Motor des Informationsmodells“ – exemplarische Würdigung des primärrechtlichen Spannungsverhältnisses ausgewählter Publizitätspflichten . . . 222 a) Cassis de Dijon – Begründung des Transparenzgebots im Übermaßverbot . . . 223 b) Centros und Überseering – Übertragung von Cassis auf das Gesellschaftsrecht 223 c) Inspire Art – Das informationelle Schutzkonzept des europäischen Rechts . . 224 d) Daihatsu und Axel Springer – Berücksichtigung des grundfreiheitlichen Spannungsverhältnisses und Bedürfnis nach Ausgleich der beteiligten Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 aa) Marktpublizität und das weite Verständnis des „Dritten“ . . . . . . . . . . . . . 228 bb) Bestätigung allgemeiner, unbegrenzter Publizität im Axel Springer-Urteil 230 cc) Verhältnismäßigkeit der Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 e) Festigung des differenzierten Offenlegungssystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 f) Publizität und Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 g) Systematische Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . 240 aa) Das primärrechtliche Informationsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 bb) Entgegenstehende Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242

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Inhaltsverzeichnis 4. Tendenz der Gesetzgebung: Suche nach Alternativen zu materiell zwingendem Recht – Übersicht am Beispiel des Kapitalschutzes für GmbH und AG . . . . . . . 247 a) MoMiG und SPE/SE – Der Kapitalschutz gerät zunehmend unter Druck . . . . 248 b) Der Kapitalschutz als Bestandteil eines integrierten Informationsmodells . . . 252 c) Folgerungen für die Systematisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255

D. Das Publizitätskonzept am organisierten Kapitalmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 I. Überblick über den sekundärrechtlichen Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 1. Ermächtigungsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 2. Ursprünge des Publizitätskonzepts in den gesellschaftsrechtlichen Richtlinien . . 260 3. Besondere Ausprägung in den kapitalmarktrechtlichen Richtlinien . . . . . . . . . . . 262 4. Die Richtlinienvorgaben als „Mindestschutzniveau“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 II. Publizitätspflichten im geltenden nationalen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 1. Adressatenkreis von Publizitätspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 2. Publizität am Primärmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 3. Publizitätspflichten der laufenden Marktteilnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 a) Die handelsrechtliche Rechnungslegungspublizität/Jahresabschlusspublizität . 276 aa) Das traditionelle Bilanzrecht des HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 bb) Die Öffnung zur kapitalmarktorientierten Informationsbilanz: Zunehmende Transparenz und Vergleichbarkeit durch Annäherung der Rechnungslegung an IFRS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 (1) Auswirkungen auf kapitalmarktferne Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . 283 (2) Auswirkungen bei Inanspruchnahme des Kapitalmarkts . . . . . . . . . . . 286 cc) Das Nebeneinander von HGB und IAS/IFRS-Bilanz in Deutschland . . . . 292 dd) Folgerungen für den Fortgang der Untersuchung, Ausblick . . . . . . . . . . . 295 b) Die kapitalmarktrechtliche periodische Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 aa) Sinn und Zweck periodischer Publizität, europarechtliche Grundlagen . . 299 bb) Bestätigung eines „abgestuften Konzepts“ der Publizität . . . . . . . . . . . . . 302 cc) Ausgestaltung der kapitalmarktrechtlichen Regelpublizität . . . . . . . . . . . . 303 (1) Jahresabschlusspublizität/Jahresfinanzbericht nach § 37v WpHG . . . 303 (2) Halbjahresfinanzbericht nach § 37w WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 (3) Zwischenmitteilung der Geschäftsführung nach § 37x WpHG . . . . . . 305 (4) Quartalsfinanzberichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 (5) Vorschriften der Börsenordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306

Inhaltsverzeichnis

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(6) Bevorzugte Information einzelner Marktteilnehmer . . . . . . . . . . . . . . 307 c) Die kapitalmarktrechtliche anlassbezogene Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 aa) Ad hoc-Publizität nach § 15 WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 (1) Sinn und Zweck der Ad hoc-Publizität, europarechtliche Grundlagen. 308 (2) Ausgestaltung der Ad hoc-Publizität und ihre Stellung im Gesamtkonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 (a) Abgrenzung von Ad hoc-Publizität und Rechnungslegung . . . . . . 311 (b) Ad hoc-Publizität bei Rechnungslegung im Konzern . . . . . . . . . . 314 (3) Ausnahmen von der Ad hoc-Pflicht bestätigen ein integriertes Konzept 315 (4) Rückwirkung der marktorientierten Pflicht auf das Unternehmen . . . 315 bb) Directors Dealings nach § 15a WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 cc) Die kapitalmarktrechtliche Beteiligungspublizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 (1) Überblick über die §§ 21 ff. WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 (2) Bestimmung eines „marktorientierten Maßes“ an Transparenz . . . . . . 319 (3) Abgrenzung zur Ad hoc-Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 d) Unterrichtungspflichten nach §§ 30a, 30b, 30e WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 e) Publizität der Hauptversammlung, insb. Auskunftsrecht nach § 131 AktG . . . 330 aa) Hauptversammlungsbezogene Informationen und Publizität . . . . . . . . . . . 330 bb) Herkömmliches Verständnis des § 131 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 cc) Konzeptionelles Verständnis des § 131 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 dd) Abstimmungsbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 f) Zusätzliche branchenspezifische Publizitätsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 g) Die Erklärung zum Deutschen Corporate Governance Kodex nach § 161 AktG 338 aa) Gegenstand der Erklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 bb) Adressaten der Erklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 cc) Beispiel: Die Debatte zur Angemessenheit der Vorstandsbezüge . . . . . . . 344 dd) Probleme bei der rechtssystematischen Einordnung des DCGK . . . . . . . . 349 ee) Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 4. Das formelle Konzept der Unternehmenspublizität nach EHUG und TUG . . . . . 354 a) Bedeutung eines formell einheitlichen Publizitätsregimes . . . . . . . . . . . . . . . . 354 b) Europarechtliche Grundlagen formeller Unternehmenspublizität . . . . . . . . . . 356 c) Die Ausgestaltung des formellen Offenlegungsregimes in Deutschland . . . . . 357 aa) Art und Weise der Offenlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 bb) Exkurs: Internetseiten der Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362

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Inhaltsverzeichnis cc) Speicherung und zentrale Abrufbarkeit im Unternehmensregister . . . . . . 365 dd) Zusammenschau, Fazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 ee) Übermittlung und Hinterlegung bei der Bundesanstalt . . . . . . . . . . . . . . . 369 5. § 10 WpPG: Abrundung des Konzepts und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370

E. Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 Verzeichnis der zitierten EU-Rechtsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431

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Abkürzungsverzeichnis a.A. aaO. Abl. Abs. AcP ADHGB a.E. AEUV a.F. AG AktG Art./Artt. BaFin BAnz BayObLG BB BFuP BGBl. BGH BörsG BörsO BörsZulVO BR-Drs. BReg BT-Drs. BVerfG BVerfGE bzw. DAI DAV DB DBW ders. dies. DNotZ DStR EBOR EG EGV EMRK

anderer Ansicht am angegebenen Ort Amtsblatt Absatz Archiv für zivilistische Praxis Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch von 1861 am Ende Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, konsolidierte Fassung, ABl. C-115/47 vom 9. 5. 2008 alte Fassung Aktiengesellschaft/Die Aktiengesellschaft Aktiengesetz Artikel Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bundesanzeiger Bayerisches Oberstes Landesgericht Betriebs-Berater Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Börsengesetz Börsenordnung Börsenzulassungsverordnung Drucksachen des Deutschen Bundesrates Bundesregierung Drucksachen des Deutschen Bundestages Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts beziehungsweise Deutsches Aktieninstitut Deutscher Anwaltverein Der Betrieb Die Betriebswirtschaft derselbe dieselbe/dieselben Deutsche Notar-Zeitschrift Deutsches Steuerrecht European Business Law Review Europäische Gemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Europäische Konvention für Menschenrechte

18 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

EU EuG EuGH EUV EuZW EWIV FAZ FS FWB GA GAAP GG ggü. GK GmbH GmbHG GmbHR GoB GuV Hdb. HGB h.M. Hrsg. IAS IASB IASC i. d. F. i. d. R. IFRS i.S.d. i.S.v. i.V.m. JA JBl. JZ KG Kö-Ko KoR Mü-Ko m.w.N. n.F. NJW NZG OLG ORDO RabelsZ RegE

Abkürzungsverzeichnis Europäische Union Europäisches Gericht erster Instanz Europäischer Gerichtshof Vertrag über die Europäische Union, konsolidierte Fassung, ABl. C-115/13 vom 9.5.2008. Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Europäische Wirtschafts- und Interessenvereinigung Frankfurter Allgemeine Zeitung Festschrift Frankfurter Wertpapierbörse Generalanwalt Generally Accepted Accouting Principles Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland gegenüber Großkommentar Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung Gewinn- und Verlustrechnung Handbuch Handelsgesetzbuch herrschende Meinung Herausgeber International Accounting Standards International Accounting Standards Board International Accounting Standards Committee in der Fassung in der Regel International Financial Reporting Standards im Sinne des im Sinne von in Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter Juristische Blätter Juristenzeitung Kommanditgesellschaft Kölner Kommentar Zeitschrift für internationale und kapitalmarktorientierte Rechnungslegung Münchener Kommentar mit weiteren Nachweisen neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Oberlandesgericht Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Regierungsentwurf

Abkürzungsverzeichnis 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

RIW Rs. S. SA SE SEA SEC Slg. s. o. str. st. Rspr. s.u. SZW u. a. VAG vgl. VerkProspG VerkProspVO VGR VO WM WPg WpHG WuR z. B. ZBB ZEuP ZfB Zfbf ZfSR ZGR ZHR ZIP ZSR

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Recht der Internationalen Wirtschaft Rechtssache Seite Securities Act Societas Europae Securities Exchange Act Securities Exchange Commission Sammlung siehe oben strittig/streitig ständige Rechtssprechung siehe unten Schweizerische Zeitschrift für Wirtschafts- und Finanzmarktrecht unter anderem Versicherungsaufsichtsgesetz vergleiche Verkaufsprospektgesetz Verordnung über die Wertpapier-Verkaufsprospekte Gesellschaftsrechtliche Vereinigung Verordnung Wertpapiermitteilungen Die Wirtschaftsprüfung Gesetz über den Wertpapierhandel Wirtschaft und Recht zum Beispiel Zeitschrift für Bank- und Börsenrecht Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Betriebswirtschaft Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung Zeitschrift für Schweizer Recht Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für schweizerisches Recht

Die Zitierweise und Abkürzungen englischsprachiger periodicals, Gerichtsentscheidungen und Rechtsnormen entspricht Harvard Law Review Association, The Bluebook, A Uniform System of Citation, 18. Aufl., Cambrigde, MA 2005. Die angegebenen Internetseiten sind auf dem Stand vom 30. November 2009.

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A. Einführung und Abgrenzung des Untersuchungsbereichs „Der Reingewinn ist der Teil der Bilanz, den der Vorstand beim besten Willen nicht mehr vor den Aktionären verstecken kann.“ Carl Fürstenberg1

I. Einführende Gedanken zur Pflichtpublizität Publizität und Information sind zentrale Voraussetzungen für die Funktionsfähigkeit von Kapitalmärkten.2 Publizitätspflichten erfreuen sich daher – im Kapitalmarktrecht und angrenzenden Rechtsgebieten – wachsender Bedeutung.3 Sie scheinen jedoch auf einen ersten Blick sehr detailorientiert und wenig aufeinander abgestimmt zu sein. Es ergibt sich das Bild eines Flickenteppichs, der durch ständig neue Regelungen ergänzt und erweitert wird. Ziel dieser Arbeit ist es, die Vielzahl unterschiedlicher Publizitätspflichten, welche ein Unternehmen bei der Inanspruchnahme eines organisierten Kapitalmarktes treffen, systembildend zu betrachten und in eine gliedernde Ordnung zu bringen. Dazu werden die Eckpunkte eines einheitlichen, in sich schlüssigen und kohärenten Konzepts der Unternehmenspublizität im Recht herausgearbeitet, welche die dogmatischen Grundlagen und somit den rechtlichen Rahmen des Regelungsinstruments Publizität verdeutlichen. Damit ist es möglich, die verschiedenen Publizitätspflichten als sinnganze Einheit zu verstehen, die strikt an den Informationsbedürfnissen ihrer Adressaten orientiert ist, diese mit den entgegenstehenden Interessen aller anderen Marktteilnehmer in Ausgleich bringt, und im Rahmen dieser konzeptionellen Begrenzung als Regelungsinstrument verstanden werden kann, das in besonderem Einklang mit den europarechtlichen und verfassungsrechtlichen Vorgaben liegt. Die Zielsetzung geht folglich darüber hinaus, Publizität als besonders marktkonforme Lösung im Recht nachzuweisen und weitere Einsatzmöglichkeiten zu propagieren. Vielmehr sollen auch Grenzen der Publizität aufgezeigt und anhand kritischer 1

Zitiert nach Fink (Hrsg.), Zitate, S. 67; vgl. Hüttche, StuB 2009, 409: „Gewinn ist nach Fürstenberg das, was der Vorstand nicht mehr vor den Aktionären verstecken kann“. 2 v. Caemmerer, Publizitätsgespräch, S. 141, 157. 3 Schwark, Anlegerschutz, S. 364 (Forderung eines eigenständigen informationsorientierten kapitalmarktrechtlichen Ordnungssystems als Grundvoraussetzung des Anlegerschutzes).

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A. Einführung und Abgrenzung des Untersuchungsbereichs

Stimmen hinterfragt werden, inwieweit die Publizität in ihrer heutigen Ausgestaltung ihren Funktionen noch optimal gerecht werden kann. Dazu gilt es einerseits, das „richtige Maß“ an Transparenz äußerst differenzierend zu bestimmen und zu definieren, welche Bereiche des Unternehmensrechts sinnvollerweise mit marktorientierten Mitteln zu regeln sind. Vor allem aber soll aufgezeigt werden, dass – obwohl die einzelne Publizitätspflicht immer dem Ausgleich konkreter Informationsasymmetrien zu dienen bestimmt ist – sämtliche Pflichten als Einheit zu verstehen sind, die in ihrer Gesamtheit alle am Marktgeschehen beteiligten Adressaten in die Lage versetzen sollen, eine informierte Entscheidung zu treffen. Nur wenn alle Pflichten im Gesamtzusammenhang gesehen werden, kann eine das Marktgeschehen unnötig belastende Doppelregulierung vermieden und die Publizität ihren Vorzügen gerecht werden. 1. Bisherige Systematisierungsansätze Offenlegungspflichten sind seit jeher Bestandteil unserer Wirtschaftsrechtsordnung.4 Verschiedene Publizitätspflichten finden sich heute in fast allen Bereichen des Wirtschaftsrechts, und ständig treten neue hinzu. Daher verwundert es zunächst, dass es eine schlüssige und umfassende Theorie der Publizität bislang nicht zu geben scheint.5 Es liegen eine Reihe umfassender Monographien zum Thema Unternehmenspublizität vor.6 Diese beschränkten sich zunächst auf Untersuchungen von Publizitätsnormen einzelner Sachgebiete, etwa die aktienrechtliche Publizität oder die Publizität des Handelsregisters.7 In den 1970er und 1980er Jahren wurde der Anlegerschutzgedanke als Grundprinzip der Unternehmenspublizität, vor allem aus kapitalmarktrechtlicher Sicht, herausgearbeitet.8 Druey ergänzte diese Entwicklung mit grundlegenden Überlegungen zu gegenläufigen Geheimhaltungsinteressen der Unternehmen aus persönlichkeitsrechtlicher Sicht.9 Ab 1989 schließlich wurde die Publizität als ein dem gesamten Wirtschaftsrecht zugrunde liegendes Prinzip herausgearbeitet und auf sämtliche Bereiche des Rechts erstreckt, welche an die Inanspruchnahme des Marktes durch ein Unternehmen anknüpfen.10 Auf diesen Grundgedanken der Unternehmenspublizität aufbauend wurde die Vielzahl vorhandener hoheitlicher Publizitätspflichten in den letzten Jahren zunehmend systematisiert und zueinander in Bezug gesetzt. 4

Merkt, Unternehmenspublizität, S. 29 – 129. Merkt, Informationsmodell, S. 24, 54. 6 Meier-Schatz, Unternehmenspublizität; Merkt, Unternehmenspublizität. 7 Merkt, Unternehmenspublizität, S. 4 ff. m.w.N., u. a. Canaris, Vertrauenshaftung, S. 151 ff. 8 Grundlegend Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 162 ff., 304 ff., 382 ff.; Schwark, Anlegerschutz, S. 171 ff.; Assmann, Prospekthaftung. 9 Druey, Geheimsphäre des Unternehmens; grundlegend auch ders., Information. 10 Zunächst auf die Rechnungslegung begrenzt, den übertragbaren Grundgedanken aber betonend Meier-Schatz, Wirtschaftsrecht und Unternehmenspublizität; sodann grundlegend Merkt, Unternehmenspublizität. 5

I. Einführende Gedanken zur Pflichtpublizität 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Eine Reihe von Arbeiten beschränkt sich dabei wiederum auf die Analyse einzelner Rechtsgebiete und unterzieht beispielsweise die Offenlegungspflichten der laufenden Marktteilnahme am Kapitalmarkt einer ordnenden Betrachtung.11 Andere Arbeiten betonen den Zusammenhang der Publizitätspflichten aller Rechtsgebiete, und beziehen so sämtliche Vorschriften des Aktien-, Kapitalmarkt- und Bilanzrechts in die Analyse der Aktionärsinformation in der börsennotierten Aktiengesellschaft ein.12 Als überfassendes Ziel all dieser Arbeiten kann es gesehen werden, aus den gemeinsamen Grundgedanken und Entwicklungslinien der Gesetzgebung und Rechtsprechung einen allgemeingültigen Tatbestand der Unternehmensinformation im Recht herauszuarbeiten, oder, gewissermaßen als Vorstufe, die Voraussetzungen und Grenzen eines „Prinzips der Publizität“ zu erarbeiten.13 Dieser systematische Gedanke wird in der neuesten Literatur zunehmend vernachlässigt, wenn unter dem Stichwort „Informationsmodell“ nach einem generellen Vorrang von Informationsnormen im Recht gesucht wird.14 Wird diese Debatte jedoch auf die konzeptionellen Grundgedanken der Publizität zurückgeführt, zeigt sich auch hier, dass Publizitätspflichten erst im systematischen Zusammenhang und bei Integration in ein Gesamtkonzept ihren Vorzügen als Regelungsinstrument gerecht werden. Vorliegende Arbeit erweitert folglich die Kernthese des Informationsmodells – dass das Unternehmensrecht in Deutschland und Europa zunehmend und primär informationsorientiert ist –15 um die Erkenntnis, dass ein verstärktes Bedürfnis nach Integration der einzelnen Pflichten besteht.

2. Hier gewählter Systematisierungsansatz Dabei wird ein exemplarischer Ansatz gewählt. Es wird anerkannt, dass dem europäischen Recht – und zwar sowohl dem Kapitalmarktrecht als auch dem Gesellschaftsrecht und angrenzender Rechtsgebiete – ein differenziertes und rechtsaktübergreifendes System von Informationsregeln zu Grunde liegt, das in der Literatur umfassend herausgearbeitet wurde.16 Bei der Suche nach einem ganzheitlichen Konzept der Unternehmenspublizität wird bewusst auf diese vorhandenen Systematisierungsgedanken zurückgegriffen, so dass nicht der Anspruch einer vollständigen und umfassenden Darstellung sämtlicher in Bezug zueinander stehenden Offenlegungsvorschriften aller Rechtsgebiete entsteht. Vielmehr sollen anhand der exemplarischen 11

Pavlova, Anlassbezogene Informationspflichten. Zetsche, Aktionärsinformation. 13 Unter dieser Überschrift Rittner, Gutachten, S. 42 f.; dazu Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 289. 14 Grohmann, Informationsmodell. 15 Ebd., S. 365; vgl. im Gegensatz aber das differenzierende Verständnis bei Merkt, Informationsmodell, S. 24. 16 Monographisch etwa Elster, Europäisches Kapitalmarktrecht; Heinze, Europäisches Kapitalmarktrecht; Weber, Kapitalmarktrecht; Grohmann, Informationsmodell; Zetsche, Aktionärsinformation. 12

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A. Einführung und Abgrenzung des Untersuchungsbereichs

Darstellung einzelner Vorschriften und Probleme die vielfältigen Wechselwirkungen von Informationsvorschriften am Markt verdeutlicht werden. Dabei sollen sie vornehmlich untereinander in einem intern aufeinander abgestimmten Konzept betrachtet werden, ohne dabei ihre externe Integration in den gesamten Regelungsrahmen des Unternehmensrechts, insbesondere die Abstimmung mit materiellen Ge- und Verbotsnormen, zu vernachlässigen. Die Ergänzung der hoheitlichen Pflichtpublizität durch ergänzende freiwillige Offenlegung soll demgegenüber weitestgehend ausgeblendet bleiben.17 Ausgangspunkt der Darstellung bildet die kapitalmarktrechtliche Perspektive. Dies erscheint sinnvoll, weil das zu entwickelnde integrierte Konzept am Beispiel des regulierten Markts der Börsen dargestellt wird und dem Kapitalmarktrecht in diesem Marktsegment definitionsgemäß eine besondere Bedeutung zukommt. Die Herangehensweise erscheint aber auch insofern besonders geeignet, als der Gedanke einer indirekten oder mittelbaren Regulierung durch Informations- und Offenlegungspflichten seinen Ursprung vor allem im Kapitalmarktrecht hat,18 und in diesem Bereich als besonders ausgeprägt erscheint. Vor allem aber erscheint eine Darstellung und Definition des Begriffes Kapitalmarktrecht vor Einstieg in die eigentliche Untersuchung als methodisch geboten, da das hier angeregte marktorientierte Verständnis der Publizität untrennbar mit dem Kapitalmarkt verbunden ist, an dem die Investitionsentscheidung getroffen und damit die durch die Publizität vermittelte Information umgesetzt wird. Markt und Publizität bedingen sich nach diesem Verständnis somit gegenseitig. Gewissermaßen werden die Zielkonzeptionen der Publizität damit auch der dualistischen Zielkonzeption des Kapitalmarktrechts – Marktteilnehmer- und Marktfunktionsschutz – gleichzusetzen sein. Aus diesem Grunde wird der theoretische Teil dieser Arbeit, der sich der Funktionsweise hoheitlicher Offenlegungspflichten aus ökonomischer Sicht nähert, zunächst aus der disclosure philosophy des USamerikanischen Kapitalmarktrechts herausgearbeitet. Hierbei wird auch deutlich, dass neuere gesellschaftsrechtliche Begründungsansätze, welche die governanceFunktionen der Publizität als alternative Rechtfertigung des Publizitätskonzepts der USA heranführen, allenfalls ergänzend zu diesem marktorientierten Modell hinzutreten können (Betonung des Anlegerschutzgedankens). Erst aus diesen Grundgedanken heraus wird dann in die Debatte zum „Informationsmodell“ aus europäischer Sicht eingeführt und damit der Gedanke weiter auf andere Rechtsgebiete und andere Märkte übertragen. Die Einführung über das Kapitalmarktrecht soll daher ausdrücklich nicht den Eindruck erwecken, Publizität sei ein ausschließlich kapitalmarktrechtliches (i.S.d. herkömmlichen Definition) Regelungsinstrument. Es ist aber ein marktorientiertes Regelungskonzept, das bei Inanspruchnahme des organisierten Kapitalmarktes wesentlich an dessen Informationsbedürfnissen ausgerichtet ist. Auch nichtkapitalmarktrechtliche Vorschriften können folglich durchaus Bestandteil dieses 17

Gewissermaßen lassen sich die Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex als freiwillige Publizität einordnen. Da die Erklärung nach § 161 AktG jedoch verpflichtend ist, wird diese hier mit erfasst. 18 Merkt, Anleger- und Gläubigerschutz, S. 61, 95.

I. Einführende Gedanken zur Pflichtpublizität 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Konzepts sein, wenn sie an den Informationsbedürfnissen des Marktes orientiert sind. Dies wird, mit teilweise abweichenden Ergebnissen, exemplarisch für die Publizität der Rechnungslegung (§ 325 HGB), der Hauptversammlung (§ 131 AktG), sowie der Corporate Governance (§161 AktG) zu zeigen sein. Wird Publizität daher als „kapitalmarktrechtlicher Steuerungsmechanismus“ bezeichnet,19 so sind beispielsweise auch verbandsrechtliche Vorschriften erfasst, die aber über Marktmechanismen vermittelt werden. Richtigerweise wäre daher von Publizität als „marktrechtlichem“ Mittel zu sprechen,20 dessen sich der Gesetzgeber durchaus auch zur Steuerung im Bereich des klassischen Unternehmensinnenrechts bedient, wie noch näher gezeigt werden soll. Damit wird die Befürchtung einer zunehmenden Substitution des Gesellschaftsrechts durch Verwendung kapitalmarktrechtlicher Mechanismen21 (Publizität) verständlich, die als Systembruch erscheint. An diesem Punkt setzt das hier aus ökonomischer Sicht herauszuarbeitende, funktionsdogmatisch begründete Publizitätskonzept an, das zentral an der Funktionsfähigkeit der Märkte ausgerichtet ist. Diese, so wird sich zeigen, ist nur zu gewährleisten, wenn Verbands- und Kapitalmarktrecht untereinander abgestimmt und ihre gemeinsamen Funktionsmechanismen im Gesamtzusammenhang optimiert werden.22 Bei der Betrachtung des Informationsmodells tritt sodann die weitere Frage hinzu, welche anderen Märkte neben dem Kapitalmarkt durch eine Offenlegungspflicht beeinflusst werden und wie sich hier die unterschiedlichen Interessenlagen in Ausgleich bringen lassen. Diese „Fernwirkungen“ der Publizität erweisen sich als äußerst vielfältig und unterstreichen das Bedürfnis, sämtliche ein Unternehmen treffende Publizitätspflichten als ganzheitliche Einheit zu betrachten. Die hier gewählte Fragestellung weist auf diese Wechselwirkungen hin, legt aber durch die Konzentration auf am regulierten Markt notierte Unternehmen den Schwerpunkt der Untersuchung auf die spezielle Informationslage, die bei dieser intensivsten Form der Inanspruchnahme des Kapitalmarktes besteht. Werden neuere Entwicklungen insbesondere im Recht kapitalmarktferner GmbH dargestellt, so hat dies vor allem den Grund, dass die zunehmende Verwendung von Informationsnormen auch außerhalb effizienter Marktsegmente erhebliche und zu überdenkende Auswirkungen auf die Dogmatik einer Publizität hat, die hier funktionell-zweckorientiert und nicht als Ziel per se verstanden wird.

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So etwa Wiedemann, Gesellschaftsrecht, S. 487. Zu den Vorteilen, hier das gesamte Unternehmensrecht zu betrachten, und dieses nur grob in markt- und verbandsbezogene Regelungen zu unterteilen, sogleich, A.II.1. Publizität kann dann als marktbezogenes Mittel auch in seinen Rückwirkungen auf das Verbandsrecht untersucht werden. 21 Etwa Wiedemann, Gesellschaftsrecht, S. 487, unter dem dargestellten, strikt zwischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht (und den dazugehörigen Regelungsmechanismen) trennenden Verständnis. 22 Grundlegend Assmann, in: GK-AktG, Einl., Rn. 347 ff. 20

26 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

A. Einführung und Abgrenzung des Untersuchungsbereichs

Der Begriff „Informationsmodell“ kann generell definiert werden als die zunehmende Substitution unmittelbarer Regulierung in Gestalt von Ge- und Verbotsnormen durch mittelbare Regulierung in Gestalt von Information beziehungsweise Informationspflichten.23 Publizität und öffentliche Transparenz werden dabei in der heutigen Debatte vielfach als „grundsätzlich überlegene“ Lösung gesehen, mit der Folge, dass es nur die Menge an öffentlich verfügbaren Informationen zu vermehren gilt, um ein Allheilmittel im modernen Handels-, Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht gefunden zu haben.24 Ziel dieser Arbeit ist es, einem dergestalt verstandenen Informationsmodell die Notwendigkeit einer differenzierenden Betrachtungsweise entgegenzuhalten. Gesucht wird folglich nicht nach der Bestätigung eines generellen Vorrangs von Informationsnormen im Recht, sondern nach einem grundlegenden Konzept, das der gezielten Verwendung solcher Normen zugrunde liegt. Nach der im Folgenden zu untersuchenden These dieser Arbeit kann die Publizität ihren Zielen und Ansprüchen nur dann gerecht werden, wenn die einzelnen Normen in einem Gesamtzusammenhang gesehen und untereinander sowie im Wechselspiel mit anderen Regelungsmechanismen abgestimmt werden. Erst in dieser Integration, in diesem Gesamtkonzept, entwickelt die Publizität überhaupt ihre Funktionsfähigkeit. Insofern kann die Arbeit als Beitrag zu der Suche nach einer übergreifenden Dogmatik25 oder allgemeinen Theorie der Unternehmenspublizität26 gesehen werden. Der hier gewählte Ansatz versucht dabei aber nicht, eine eigene umfassende Theorie oder einen allgemeingültigen Tatbestand der Unternehmenspublizität herauszuarbeiten, was den Rahmen der Arbeit weit überschreiten würde. Vielmehr wird auf vorhandene Systematisierungsansätze zurückgegriffen. Aus diesen heraus wird die Publizität in ihrer heutigen Ausprägung am organisierten Kapitalmarkt auf ihre wissenschaftlichen Grundgedanken zurückgeführt. Exemplarisch soll dazu anhand einzelner Vorschriften nachgewiesen werden, in welchen Bereichen und aus welchen Gründen ACHTUNGREInformationsnormen im Recht ihre Wirksamkeit entfalten, und weshalb sie deshalb bei einem abgestimmten Einsatz in bestimmten Fällen einer materiell-rechtlichen Regulierung durchaus überlegen sein können. Die Wechsel- und Fernwirkungen der Offenlegung erweisen sich dabei als so vielfältig, dass oft nur am Rande auf Probleme und Abstimmungsbedarf hingewiesen werden kann, und konkrete Lösungsvorschläge nur exemplarisch an Einzelfällen, die für die Systembildung besonders wichtig sind, erarbeitet werden können. Der Ansatz der Arbeit ist dennoch so weit gewählt, weil nur eine ganzheitliche Betrachtung die Funktion von Offenlegungsvorschriften überhaupt zu ergreifen vermag. 23

Merkt, Informationsmodell, S. 24. Schön, Geheimnisschutz, S. 1, 2. 25 Verstanden nach Larenz, Methodenlehre (6. Aufl. 1991 des Larenz/Canaris), S. 210 als „Reihe in sich zusammenhängender ,Lehren über das, was geltendes Recht ist, die als solche mitgeteilt, tradiert und zur Grundlage weiterer Überlegungen im Hinblick auf die Lösung konkreter Rechtsfragen genommen werden können“, und so „eine Stabilisierungsfunktion ausüben“. 26 Dieser Ordnungsgedanke wird herausgearbeitet bei Merkt, Unternehmenspublizität, S. 229 ff. 24

I. Einführende Gedanken zur Pflichtpublizität 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Sollen nun im Folgenden verschiedene Publizitätsnormen auf ihre innere wie auch äußere Kohärenz in einem Gesamtkonzept hin untersucht werden, so ist zunächst eine gewisse Systematisierung erforderlich. Systematisierung wird hier im Sinne einer gliedernden Ordnung verstanden, die es ermöglicht, über die äußere Einteilung zu den inneren Begründungszusammenhängen vorzudringen.27 Dazu gilt es, die verschiedenen Regelungsmechanismen, die in ganz unterschiedlichen Vorschriften und Gesetzen zu finden sind, in Beziehung zueinander zu setzen, sie aufeinander abzustimmen und sodann als Ganzes in einer einheitlichen Anordnung zu betrachten.28 Eine solche Systematisierung und prinzipienmäßige Durchdringung von Publizitätsnormen ist aus unterschiedlichen Ansätzen heraus vielfach erfolgt,29 so dass gerade die kapitalmarktrechtlichen Informationstatbestände heute als wissenschaftlich aufgearbeitet bezeichnet werden können.30 Auffällig ist jedoch, dass bei all den Versuchen einer Synthese die Inkohärenzen, die der Grundkonzeption eines solchen Systems widersprechen, in den neueren Untersuchungen allenfalls am Rande erwähnt werden. Gerade die Abstimmung der einzelnen Publizitätspflichten untereinander (innere Kohärenz) und gegenüber anderen Regelungsmethodiken (äußere Kohärenz) gewährleistet aber nach der hier vertretenen These deren Funktionsfähigkeit und kann somit die Vorzugswürdigkeit eines Publizitätsregimes begründen. Mithin sollen die verschiedenen Publizitätspflichten hier vor allem auf ihre Stimmigkeit im Gesamtzusammenhang hin untersucht werden.31 Über eine solche am Methodischen und Systematischen orientierte wissenschaftliche Betrachtung soll es gelingen, die grundlegenden Ordnungsmuster und materiell konsistenten Wertungsprinzipien aufzuzeigen.32 Das Publizitätskonzept baut folglich auf einem System33 der Publizitätspflichten auf, geht aber mit dem Schritt einer kohärenten und adressatenorientierten IntegraACHTUNGREtion nochmals über ein solches hinaus. Es unterscheidet sich vom InformationsACHTUNGREmodell34 der hier erläuterten Prägung35 und von einem Rechtsprinzip oder Rechts27

Canaris, Systemdenken, m.w.N., Bydlinski, System und Prinzipien, S. 1 – 116 m.w.N. Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 233, der für das deutsche Vertragsrecht ein einheitliches Publizitätsregime aber verneint, und im Anschluss ein solches in Ansätzen entwickelt. 29 Grundlegend schon Merkt, Unternehmenspublizität; vgl. die Ansätze in fast allen neueren Untersuchungen, z. B. Pavlova, S. 25 (Suche nach einem einheitlichen und geordneten System der anlassbezogenen Informationspflichten), Zetsche, S. 7 (Suche nach einem Gesamtsystem von Informations- und Publizitätsvorschriften). 30 So schon Fleischer, Informationspflichten, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hrsg.), S. 171. 31 Grundmann, Systembildung, S. 1. 32 Mülbert, WM 2001, 2085, 2086. 33 Ein solches ist heute umfassend herausgearbeitet, vgl. Assmann, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), § 15 WpHG, Rn. 2 ff. 34 Die Kritik am Informationsmodell besteht vor allem darin, dass dieses zu stark generalisiert und eine differenzierende Abwägung im Einzelfall (hier: „Stufenmodell“) nicht vornimmt, vgl. unten, Teil C. 28

28 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

A. Einführung und Abgrenzung des Untersuchungsbereichs

grundsatz der Publizität36 insofern, als Offenlegung und Transparenz nicht als generell vorrangige Werte in sich, die es um ihrer selbst willen zu erreichen gilt, sondern als Regelungsmittel zur Verfolgung übergeordneter Rechtsprinzipien und Ziele verstanden werden. Insofern ließe sich von einem Regelungsprinzip37 sprechen. Integriert das Publizitätskonzept dieses Regelungsprinzip nun intern und extern mit anderen Regelungsmechanismen, so kann der Publizität in dieser konkreten, sämtliche Interessen in Ausgleich bringenden und die Grenzen der Publizität klar definierenden Ausgestaltung tatsächlich eine Art „Vorrangcharakter“ zukommen. Das Publizitätskonzept baut auf Marktmechanismen auf, setzt diesen aber eigene Wertungen und Maßstäbe entgegen und kann somit als hoheitlich festgelegter und optimierter Ordnungsrahmen des Marktgeschehens verstanden werden. Es integriert und unterstützt die verschiedenen hoheitlichen Regelungsmittel in ihrem Zusammenspiel, kann diese aber nicht umfassend im Sinne eines Alternativmodells38 ersetzen. 3. Aufbau der Arbeit Diese einführenden Gedanken verdeutlichen bereits, dass das Publizitätskonzept zentral auf ökonomischen Erwägungen aufbaut. Es ergänzt, unterstützt und optimiert Marktmechanismen, setzt diesen dann jedoch eine eigene rechtliche Perspektive entgegen. Insbesondere die grundfreiheitliche Kritik am Informationsmodell wird verdeutlichen, dass das „richtige Maß“ an Transparenz und somit die Ausgestaltung des rechtlichen Rahmens zentral von der Entwicklungsstufe des jeweiligen Marktsegments und damit im Kern von dessen Effizienz abhängt. Soll hier ein ganzheitliches, nach verschiedenen Marktsegmenten oder Marktkreisen abgestuftes und differenzierendes Konzept entwickelt werden, dessen Informationspflichten sich am Maßstab der Verhältnismäßigkeit messen lassen, so ist dieses daher zunächst aus ökonomi35

Wie gesehen beginnen sich erste differenzierende Ansätze herauszubilden. Diese Differenzierungen (gerade im Bereich der KMU) werden von den Kritikern des Informationsmodells allerdings kaum wahrgenommen. Der Konzeptgedanke versucht, diese Polarisierung um Begrifflichkeiten zu vermeiden. Auch Schön anerkennt im Ergebnis ein Bedürfnis nach umfassender Transparenz für organisierte Märkte, dazu unten, Teil C. 36 Zur Publizität als Rechtsgrundsatz/Rechtsprinzip, vgl. unten, C.II.1.d). Betont man das Zusammenspiel mit anderen Prinzipien (wechselseitige Verstärkung und Beschränkung), wird sich im materiellen Recht ein solches Prinzip durchaus festmachen lassen. Die Stärke des Konzeptgedankens liegt dann aber darin, dass dieses hoheitlich festgesetzte Grenzen aufzeigt. Über diese hinausgehend ist zusätzliche verpflichtende Transparenz unnötig belastend, gleichheitswidrig und gar kontraproduktiv. 37 Riesenhuber, in: Hopt (Hrsg.), Kapitalmarktgesetzgebung, S. 23, 57 (solches ist allgemein anerkannt). 38 Es wird sich zeigen, dass von einem Ersetzungsmodell dergestalt auszugehen ist, dass eine neue Regelung durch Publizität nicht dazu führen darf, dass die zuvor bestehende materielle Regulierung in diesem Bereich bestehen bleibt, da dies zu parallellaufender Doppelregulierung (bei häufigem Wechsel der Regelungsmethodik: Hyperregulierung) führen würde. Damit ist aber keine vollständige Ersetzung jeglichen materiellen Rechts angestrebt. Dieses behält seine Legitimation und ist mit der Publizität in Ausgleich zu bringen (Integration).

I. Einführende Gedanken zur Pflichtpublizität 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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scher Perspektive heraus zu entwickeln. Im Rahmen einer funktionsdogmatischen Analyse der Publizität werden in die Funktionsweise der Publizität eingeführt, wesentliche Funktionsmerkmale der Pflichtpublizität aufgezeigt und daraus die Rolle des Staates differenzierend herausgearbeitet. Die Bestimmung der Adressaten und ein Ausgleich von deren oftmals divergierenden Informationsbedürfnissen werden dann zur Leitlinie eines adressaten- und marktorientierten Konzepts der Unternehmenspublizität. Wird dieses anschließend im europäischen Primärrecht verankert, so wird sich zeigen, dass Publizität der Wirtschaftsverfassung immer dann eher entspricht als materiell zwingendes Recht, wenn konkrete Informationsasymmetrien der Adressaten ausgeglichen werden, so dass diese, gegebenenfalls vermittelt über den Marktmechanismus, ihre eigenen Schutzinteressen wahrnehmen können. Dies gibt der Binnenmarktbezug des europäischen Rechts vor, dem damit eine besondere Affinität zum marktbezogenen Regelungsmittel der Publizität nachgewiesen werden kann. Ökonomische Betrachtung und europäisches Primärrecht geben somit die Leitlinien des (binnen-/kapital-/marktorientieren) Publizitätskonzepts vor. Dieses wird zunächst aus markt- und effizienzorientierter Sicht entwickelt und anschließend um umfassende Gerechtigkeitserwägungen ergänzt. Sowohl die ökonomische als auch die rechtliche Perspektive geben dabei vor, das Konzept strikt am Marktfunktions- und Anlegerschutzgedanken auszurichten und differenzierend auf die Informationsbedürfnisse der Adressaten abzustimmen. Bei richtiger Ausgestaltung kann das markt- und wettbewerbsorientierte Konzept mithin für sich in Anspruch nehmen, zugleich die aus Gerechtigkeits- und Individualschutzgesichtspunkten vorzugswürdige Lösung zu sein. Sollte die hier vorgeschlagene umfassende Integration zu einem Gesamtkonzept gelingen, wäre eine hinreichende Informationsbasis des Marktes bei minimalem Eingriff in die Handlungsfreiheit der betroffenen Marktteilnehmer gewährleistet. In einem letzten Schritt skizziert die Arbeit ein solch konzeptionelles Verständnis der einzelnen Publizitätspflichten am Beispiel des regulierten Markts der Börsen. Diese werden in ihrem Zusammenspiel als Sinnganzes zusammengefügt, wobei die systematisch besonders relevanten Normen § 325 HGB, § 131 AktG und § 161 AktG exemplarisch vertieft werden. Die spezifisch kapitalmarktrechtlichen Pflichten, vor allem des WpHG und WpPG, bauen nach dem hier angeregten Verständnis auf diesem Gerüst auf. Sie fügen sich jedoch dergestalt in das anleger- und marktschutzorientierte Konzept ein, dass eine überblicksartige Darstellung ausreichend ACHTUNGREerscheint, um dieses umfassend abzurunden. Deutlich werden dabei zahlreiche ACHTUNGREInkohärenzen und Abstimmungsbedarf, auf die nur am Rande hingewiesen werden kann.

30 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

A. Einführung und Abgrenzung des Untersuchungsbereichs

II. Abgrenzung des Untersuchungsbereichs 1. Unternehmensrecht: Das Unternehmen am Markt als Regelungsgegenstand Eine funktionsanalytische Systematisierung der verschiedenen Publizitätspflichten bringt, wie bereits mehrfach angedeutet, die Notwendigkeit eines (auch die verschiedenen Rechtsgebiete übergreifenden) integrierten Verständnisses der einzelnen Normen. Daher erscheint es angebracht, die Betrachtung auf das gesamte Unternehmensrecht zu erstrecken. Der Begriff des Unternehmensrechts beginnt sich zunehmend für denjenigen Überschneidungsbereich von Rechtsnormen zu etablieren, die für das Zusammenwirken von Kapitalgebern, Managern und Arbeitnehmern in der abgegrenzten Einheit Unternehmen zur Verfügung stehen.39 Er verdeutlicht in besonderem Maße, dass die untersuchten Regelungen nicht von den Rechtsformen des Gesellschaftsrechts abhängig sind, sondern dass ein Systemverständnis anzuregen ist, nach dem alle am Marktgeschehen teilnehmenden Gesellschaftsformen,40 abgestuft nach Größe/Intensität der Marktteilnahme, erfasst sind.41 Der Begriff „Wirtschaftsrecht“42 wird hier dagegen mangels juristischer Trennschärfe weitestgehend vermieden, bildet aber tendenziell den am wenigsten eingegrenzten Oberbegriff, in welchen auch in erheblichem Maße politische und soziale, und damit das inhaltliche Ergebnis vorwegnehmende Gerechtigkeitsvorstellungen mit einfließen.43 Aus europäischer Perspektive pflegt man die dargestellten Probleme systematisch dem Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht zuzuordnen, wobei diese Abgrenzung missverständlich ist. Die Abgrenzung zwischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht geht im Wesentlichen auf die organisationsökonomische Unterscheidung zwischen dem Unternehmen in seinem Bestand („firm“) und das Handeln am Markt („market“) zurück.44 Nach dieser funktionalen Betrachtung umfasst das Gesellschaftsrecht neben dem Organisationsrecht vor allem die Regeln der Kapitalausstattung und Unternehmenskommunikation. Davon zu unterscheiden ist das Kapitalmarktrecht, welches als Marktverfassungsrecht Reglungen zur Marktorganisation,

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Hueck/Windblichler, § 1, Rn. 10. So insbesondere EuGH, Rs. C-364/92 (SAT/Eurocontrol), Slg. 1994, I-43; EuGH, Rs. ACHTUNGREC41/90 (Hoefner, Elser/Macotron GmbH), Slg. 1991, I-19979: Unternehmensbegriff umfasst jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung. 41 Raiser, in: FS Schwark, S. 59, 65; Darstellung der gegenteiligen Auffassung (noch kein eigenes Rechtsgebiet gegenüber dem Handels- und Gesellschaftsrecht), ebd., S. 60. 42 Etwa Meier-Schatz, Wirtschaftsrecht und Unternehmenspublizität. 43 Raiser, in: FS Schwark, S. 59, 76 f. 44 Grundlegend Jensen/Meckling, 3 J. Fin. 305 ff.; Coase, The Firm; Übersicht bei Richter/ Furobotn, Neue Institutionenökonomik (3. Aufl. 2003), S. 10 f. 40

II. Abgrenzung des Untersuchungsbereichs 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Marktverhalten und Marktaufsicht vorsieht.45 Treffender erscheint es hingegen, die beiden Bereiche in Anlehnung an Grundmann unter dem weit auszulegenden Oberbegriff „Europäisches Gesellschaftsrecht“ als funktionale Einheit zu verstehen: Dessen Kernbestand bilden (1) das Gesellschaftsorganisationsrecht mit dem Europäischen Bilanzrecht als wichtigstem Regelungskomplex und (2) das Europäische Kapitalmarktrecht als „strukturell unlösbare Einheit“.46 Diese werden von weiteren, das Unternehmen in seiner Stellung am Markt betreffenden Rechtsgebieten ergänzt.47 Fasst man das Unternehmen als Netzwerk interner und externer Vertragsbeziehungen auf, welche aus informationeller Perspektive in einem Gesamtkonzept integriert betrachtet werden sollen, so unterscheidet sich dieser weite Begriff des Gesellschaftsrechts nicht mehr von dem oben gewählten Begriff des Unternehmensrechts. „Europäisch“ ist dieses Recht immer dann, wenn es auf europäischer Regelungsebene gesetzt ist. Daneben treten die nationalen Rechte, die einerseits Richtlinien umsetzen, andererseits über den europarechtlich vorgegebenen Rahmen hinausgehen.48 Jeweils ergibt sich dabei ein gesonderter Abstimmungsbedarf zwischen zentral vorgegebenem und dezentral gesetztem Recht.49 Damit wird ein Informationskonzept zu Grunde gelegt, das prinzipiell sämtliche unternehmensrechtliche Fragen – von Corporate Governance über Mindestkapital, bis hin zur traditionellen Registerpublizität – umfasst und in einem integrierten Gesamtsystem zusammenfügt. Die einzelnen Normen sind dabei auf den ersten Blick einer Vielzahl von Rechtsgebieten zuzuordnen, lassen sich dann aber in ihrem Zusammenwirken als einheitliches, normatives Gerüst verstehen: Es ergibt sich das Bild eines integrierten Konzepts, das auf einen informierten Marktentscheid auf Grundlage umfassender Information abzielt. Bei der Weite des Untersuchungsbereichs können freilich nur Einzelfragen exemplarisch vertieft werden. Diese sind aber bewusst so gewählt, dass die Vielfältigkeit der Wechselwirkungen deutlich wird, in welche eine einzelne Offenlegungspflicht eingebettet ist. Diese Weite der Betrachtung ermöglicht es, Verbindungslinien zwischen den Rechtsgebieten zu ziehen. Publizitätspflichten, die kapitalmarktrechtliche Gebote auf der Tatbestandsseite mit einem verbandsrechtlichen Verlust von Mitgliedschaftsrechten sanktionieren, werden dann zu „Kopplungsvorschriften“, welche die Brücke

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Vgl. Mülbert, WM 2001, 2085, 2087. Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 6. 47 Etwa: Steuer- und Insolvenzrecht, Verbraucherschutzrecht. 48 Grundmann, ebd., Rn. 19, bezieht aufgrund des Abstimmungsbedarfs auch das nationale Recht in ein „Europäisches Gesellschaftsrecht der Rechtswirklichkeit“ ein. Diese ganzheitliche Betrachtung ist zwar wichtig, aber missverständlich, weil nationales Recht nicht immer europäisch vorgegeben ist. 49 Unmittelbare Geltung hat zunächst die Verordnung. Bei der Umsetzung der Richtlinien ist auf eine informationelle Integration mit diesem Rahmen zu achten. Ein gesonderter Abstimmungsbedarf ergibt sich dann, wenn der nationale Gesetzgeber über die Vorgaben der Richtlinie noch hinausgeht. 46

32 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

A. Einführung und Abgrenzung des Untersuchungsbereichs

zwischen den Rechtsgebieten schlagen.50 Schon hier sei aber angemerkt, dass diese bei der funktionsanalytischen und zweckorientierten Betrachtung der Publizität durchaus ihre eigenständige Bedeutung behalten und gerade darin Grenzen der Publizität sichtbar werden.51 2. Bezugspunkt Pflichtpublizität a) Definition Publizität Der Begriff „Publizität“ ist mehrdeutig52 und daher schwer zu definieren. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass er im deutschen Recht nicht vorkommt. Hier wird vornehmlich von „Offenlegung“53, „Übermittlung und Bekanntmachung“54, oder auch „Veröffentlichung“55 gesprochen. Letztlich ist dies darauf zurückzuführen, dass es an einer allgemeingültigen Theorie der Publizität bislang fehlt.56 Für den hiesigen Zweck genügt es, Publizität als überindividuelle Information zu verstehen, die im Gegensatz zu individuellen Informations- und Aufklärungspflichten an die Öffentlichkeit bzw. das Publikum als Ganzes gerichtet ist (so auch das lateinische publicus = öffentlich, dem Volk gehörend),57 und mithin auf einen unbestimmten, offenen und nicht abgegrenzten Adressatenkreis abzielt.58 „Information“ wird hier, ohne die ökonomische Analyse vorwegzunehmen, als zweckorientiertes Wissen verstanden, wobei der Zweck in der Handlungs- und Entscheidungsvorbereitung oder in der Entscheidungsverbesserung liegt.59 Die Relevanz für eine Investitionsentscheidung von Eigen- und Fremdkapitalgebern steht bei diesem pragmatischen Verständnis damit im Mittelpunkt.60 Publizitätspflichten dienen somit der Übermittlung von

50 Etwa §§ 21 ff. WpHG. Der Begriff ist angelehnt an Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 IV I, S. 154. 51 So durchzieht etwa der Gedanke einer Ersetzung materiellen Gesellschaftsrechts durch kapitalmarktrechtliche Corporate Governance-Mechanismen die ganze Arbeit und zeigt am Ende auf, dass gerade in dem Bedürfnis eines zwingenden Ausgleichs pluraler gesellschaftsrechtlicher Interessen die Grenzen der Publizität liegen. 52 Er bezeichnet sowohl den Vorgang der Offenlegung als auch das Resultat des „Öffentlichseins“. 53 § 325 HGB (Jahresabschlusspublizität). 54 §§ 10 f. HGB (Registerpublizität). 55 §§ 15, 26 WpHG (kapitalmarktrechtliche Publizität). 56 Ausführliche Darstellung bei Merkt, Unternehmenspublizität, S. 4, 6 ff. m.w.N. 57 Stowasser, Lateinisch-Deutsches Schulwörterbuch, publicus. 58 Vgl. Merkt, Unternehmenspublizität, S. 7 (auch zum teilweise engeren Verständnis in der Rechtswissenschaft). 59 Wittmann, Unternehmung, S. 14; Gemünden, in: Wittmann (Hrsg.), HWB, Spalte 1725; zu den unterschiedlichen in der Ökonomik verwendeten Informationsbegriffen Hopf, Informationen, S. 7 ff. 60 Fülbier, Ad-hoc-Publizität, S. 108.

II. Abgrenzung des Untersuchungsbereichs 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Information zum Ausgleich von Informationsasymmetrien und sind ein denkbares Mittel zur Förderung gezielter (nicht umfassender)61 Transparenz am Markt.62 b) Begrenzung auf Pflichtpublizität In einer liberalen Wirtschaftsordnung stellt sich zunächst die Frage nach der Notwendigkeit verpflichtender Publizität. Hier wird sich zeigen, dass eine Reihe marktendogener Anreize zu freiwilliger Offenlegung bestehen, welche diese Notwendigkeit in Frage stellen. Im Rahmen der ökonomischen Betrachtung wird aber verdeutlicht, dass das Bedürfnis einer den privaten Informationsfluss unterstützenden und lenkenden hoheitlichen Regulierung aus verschiedenen Gründen nicht von der Hand zu weisen sein dürfte. Die Frage der konkreten Abstimmung des hoheitlich festgelegten Regelungsgerüsts mit der freiwilligen Publizität muss hier ausgeblendet bleiben. Daher kann nur am Rande erwähnt werden, dass diese zu dem hier darzustellenden Konzept ergänzend hinzutreten wird und es auch von großer Bedeutung ist, den Unternehmen die Möglichkeit zusätzlicher Reputationsgewinne zu belassen. Das Recht verfolgt insofern eine ganzheitliche Steuerungsstrategie.63 Hier werden freiwillige Offenlegungsmechanismen jedoch nur bei der ökonomischen funktionsanalytischen Betrachtung einbezogen, sofern diese erforderlich sind, um sich der Frage nach der konkreten Ausgestaltung des hoheitlich festgelegten Pflichtenkatalogs zu nähern. Dieser soll sodann aber dem Gegenmodell materieller Ge- und Verbotsnormen gegenübergestellt werden.64 Ebenso vom Untersuchungsbereich ausgenommen sind Informationen, die nichtöffentlich nur einzelnen Marktteilnehmern bekannt gemacht werden. So besteht etwa beim Erwerb von Unternehmensbeteiligungen aus unternehmerischen Zielen ein umfassendes Informationsbedürfnis, dem die „Due Diligence“ Rechnung trägt.65 Diese tritt mit dem hier untersuchten hoheitlichen Pflichtenkatalog in Konflikt, weil der

61 Zur Anreizfunktion von Informationsasymmetrien, unten, B.II.2. (ECMH), B.III.2.a)cc) (Informationsökonomie). 62 Merkt, Unternehmenspublizität, S. 8; zum Transparenzbegriff und anderen Mitteln, ebd., S. 13. 63 Hier greifen hoheitliche Regulierung, hoheitlich regulierte Selbstregulierung und gesellschaftliche Selbstregulierung ineinander. Der hier untersuchte Pflichtenkatalog ist hoheitlich festgelegt, ohne den Preisbildungs-/Marktmechanismus in seinem Kern anzutasten, vgl. Bumke, in: Hopt (Hrsg.) S. 107, 128. 64 Zu den Vorteilen eines solchen „Informationsmodells“ gegenüber materieller Regulierung, unten, Teil C., sowie überblicksartig Grundmann, in: FS Lutter, S. 61, 66 f. 65 Beim Erwerb von Unternehmen oder Unternehmensbeteiligungen besteht ein unternehmerisches Interesse, keine Renditeerwartung. Risiken lassen sich nicht „hinwegdiversifizieren“. Ob und in welchem Umfang dies den Zugang zu nicht-öffentlicher Unternehmensinformation rechtfertigt, und welche zusätzlichen Schutzbedürfnisse für die anderen Marktteilnehmer daraus resultieren, ist stark umstritten, vgl. Schweitzer, in: FS Hopt, S. 263, 264, Fn. 3 mit umfassenden Nachweisen.

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A. Einführung und Abgrenzung des Untersuchungsbereichs

ACHTUNGREGesellschafterwechsel bei der börsennotierten AG über den Markt stattfindet und damit die direkte Gefahr einer Benachteiligung der anderen Marktteilnehmer besteht. c) Begrenzung auf inhaltliche Ausgestaltung der Informationsordnung Publizitätspflichten werden hier als Mittel verstanden, mit dem die hinreichende Informationsversorgung aller Marktteilnehmer sichergestellt wird,66 welche wiederum Grundvoraussetzung eines funktionierenden Marktgeschehens ist.67 Publizitätsregeln erzielen ihre Wirkung aber nur dann, wenn sie effektiv kontrolliert und durchgesetzt werden.68 Neben die Frage, welche Informationen offenzulegen sind, und in welcher Form dies zu geschehen hat (Informationsbereitstellungsregeln oder „Primärpflichten“) tritt somit die Frage der effektiven Durchsetzung dieser Verpflichtungen. Zu diesen flankierenden „Sekundärpflichten“, welche die Verlässlichkeit der Informationsbereitstellung und des Informationsinhalts gewährleisten sollen,69 zählen Haftungsnormen, Prüfungs- und Kontrollmechanismen und solche Regeln, welche die Bindung des Offenlegungspflichtigen an die betreffenden Daten vorsehen.70 Auch diese Sekundärebene („Kontrollordnung“)71 soll hier weitestgehend ausgeblendet bleiben, ohne nochmals zu betonen: Die effektive und umfassende Durchsetzung des hier darzustellenden Publizitätskonzepts ist aus Effektivitäts-, Gleichheits- und Gerechtigkeitsgründen elementarer Bestandteil jedes Informationsmodells,72 muss hier aber hypothetisch vorausgesetzt werden. Am Rande fließen Haftungsfragen nur in zweierlei Hinsicht ein. Erstens setzt das Verständnis einer Rechtsfolgendogmatik der Publizität73 einen kurzen Blick auf den individualschützenden Charakter von Offenlegungspflichten voraus. Zweitens wird sich zeigen, dass auch die inhaltliche Ausgestaltung des Offenlegungsregimes entgegenstehende Interessen der Offenlegungspflichtigen in Ausgleich zu bringen hat. Diese kommen ihren Pflichten sehr viel umfassender nach, wenn das Konzept bereits in der inhaltlichen Ausgestaltung ihre entgegenstehenden Interessen berücksichtigt. Dabei wird auch von Interesse sein, wie die Offenlegungsordnung unternehmensinterne Informationsmechanismen beeinflussen kann (Stichwort: Compliance).74 66

Hüffer, § 22 Anh., § 21 WpHG (7. Aufl. 2006), Rn. 1. Aus kapitalmarktrechtlicher Sicht Schwark, Anlegerschutz, S. 364. 68 Schwark, Anlegerschutz, S. 211 f. 69 Grundmann, ZIP 2004, 2401, 2406. 70 Grohmann, Informationsmodell, S. 58. 71 Umfassender Überblick bei Bumke, in: Hopt (Hrsg.), S. 107, 130 ff. 72 Grundmann, in: FS Lutter, S. 61, 67. 73 Dazu grundlegend Merkt, Unternehmenspublizität. 74 Neben die Marktkontrolle tritt dann eine unternehmensinterne Kontrolle. Publizitätspflichten können dabei Organisation und Verfahren erheblich beeinflussen, und somit letztlich zu einer Selbststeuerung im Unternehmen beitragen, vgl. unten, B.III.2.e) (GovernanceFunktionen der Publizität), B.IV.2.a) (Compliance). 67

II. Abgrenzung des Untersuchungsbereichs 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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3. Bezugspunkt organisierter Börsenhandel a) Systematisierungsansätze des Kapitalmarktrechts Wie bereits angedeutet, soll der Schwerpunkt der Untersuchung auf dem regulierten Markt der Börsen liegen, da hier neben den besten Funktionsbedingungen auch das am weitesten ausgeprägte Regime an Publizitätspflichten zu finden ist. Auf diese Abgrenzung nach Marktsegmenten wird bei der kapitalmarktrechtlichen Betrachtung einzugehen sein. Es wurde jedoch bereits deutlich, dass die vertikale konzeptionelle Integration auch einen fließenden Übergang zwischen den Segmenten zu gewährleisten hat, so dass in Teil C umfassend auf Kritik an der Pflichtpublizität aus Sicht weniger entwickelter Märkte eingegangen wird, welche auch für den hier angeregten Systematisierungsansatz fruchtbar gemacht werden kann. Der kapitalmarktrechtliche Systematisierungsansatz wird zudem auf horizontaler Ebene (innerhalb des Marktsegments) eine zeitliche Einteilung vornehmen, die es ermöglicht, den Blick auf die Publizitätspflichten der laufenden Marktteilnahme (regelmäßig und anlassbezogen) zu konzentrieren. Damit wird die Prospektpublizität nur überblicksartig als Ansatz der Systematisierung erwähnt.75 Auch bei Problemen des Übernahmerechts wird allenfalls am Rande auf Abstimmungsbedarf verwiesen. b) Gesellschaftsrechtliches Leitbild der börsennotierten Aktiengesellschaft Die systematisierende Betrachtung der Unternehmenspublizität hat es sich zur Aufgabe gemacht, ein Grundgerüst aufzuzeigen, in welchem auch handels- und gesellschaftsrechtliche (vor allem: bilanzrechtliche) Pflichten Berücksichtigung finden und welches mithin über das Kapitalmarktrecht hinaus auch das Organisationsrecht umfasst. Allein der Marktbezug einer Regelung soll als Kriterium herausgearbeitet werden. Diese Weite der Betrachtung erfordert es, die Untersuchung auch hinsichtlich der Gesellschaftsform auf das Leitbild der börsennotierten/kapitalmarktorientierten Aktiengesellschaft zu konzentrieren. Auch hierbei wird es im Hinblick auf ein zu entwickelndes Gesamtsystem jedoch erforderlich sein, spezifische Probleme kleinerer GmbH zu erörtern, um eine reibungslose Integration der Pflichten zu ermöglichen. Dabei wird sich zeigen, dass gerade für kleine und mittelgroße Unternehmen ein erhebliches Bedürfnis nach Zugang zu den europäischen Kapitalmärkten besteht,76 das Informationsregime deren Bedürfnisse aber nicht hinreichend berücksichtigt. Auch auf solche, beispielsweise grundrechtliche Spannungslagen wird das Konzept abzustimmen sein; auch die Entwicklung des GmbH-Rechts wirkt auf die Dog75 Da die Prospektpflicht das von Anfang an bestehende „Informationsgerüst“ vorgibt, wird es dem Publizitätskonzept als „Ausgangsgrundlage“ überblicksartig vorangestellt, unten, D.II.2. 76 Hopt/Baum, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 286, 306 m.w.N.; Elster, S. 5.

36 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

A. Einführung und Abgrenzung des Untersuchungsbereichs

matik der Publizität ein. Wenn hier somit sogleich die Kapitalmarktorientierung als wesentliches Unterscheidungskriterium dargestellt wird, das die Ausgestaltung des Publizitätskonzepts entscheidend prägt, so ist dabei stets zu beachten, dass es das marktorientierte und funktionsbezogene Verständnis der Publizität vorgibt, diese als rechtsformübergreifendes Regelungsmittel zu verstehen.77 Ist dann von einem „Sonderrecht für die börsennotierte AG“ die Rede, so kommt dem Aktienrecht lediglich Modellcharakter zu. Gemeint ist eigentlich ein Sonderrecht für all diejenigen Gesellschaften, die an einem hinreichend entwickelten und effizienten Markt notiert sind (Sonderrecht für die börsennotierte Gesellschaft).

III. Der Marktbezug als wesentliches Kriterium jeder Publizitätspflicht Nachdem nun der Untersuchungsbereich umrissen ist, gilt es die systematischen Grundlagen der Publizität herauszuarbeiten. Aus funktionsdogmatischer Sicht bietet sich dafür die marktrechtliche Perspektive des Kapitalmarktrechts an.

1. Historische Entwicklung marktbezogener Publizität Vorab erscheint es jedoch unentbehrlich, einen knappen Überblick über die historische Entwicklung des Rechts der Aktiengesellschaft zu geben, prägt diese Rechtsform doch als „Idealtypus“ der Kapitalgesellschaft auch das Geschehen am Kapitalmarkt in besonderem Maße.78 Dabei wird deutlich, dass die Geschichte der Publizität aufs engste mit der Entwicklung von Publikumsgesellschaften mit gestreutem Anteilsbesitz im 18. und 19. Jahrhundert und den daraus resultierenden Informationsbedürfnissen verbunden ist.79 Nicht vernachlässigt werden darf darüber hinaus aber auch hier das Recht der GmbH, da diese Rechtsform vor allem für kleinere und mittlere, aber auch einige große Unternehmen in Deutschland als attraktive Alternative zur Aktiengesellschaft besteht. So kann es als eine der wesentlichen Bestrebungen des Gesetzgebers im 20. Jahrhunderts gesehen werden, die „Flucht aus der Rechtsform der Aktiengesellschaft“ zu verhindern, sei diese doch als Publikumsgesellschaft mit börsengängigen Anteilen und einer bewährten, durch zwingende Vorschriften ausbalancierten Verfassung die bestgeeignete Rechtsform für die Risikokapitalversorgung und Streuung größerer Unternehmen.80 Erreicht werden sollte dies entweder 77 Auch der rechtsformbezogene Ansatz des Gesellschaftsrechts schließt es freilich nicht aus, rechtsfortbildend rechtsformübergreifende Regelungen herauszuarbeiten, vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 3 II 2. 78 Hervorragender Überblick bei K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 26 II. 79 Zur historischen Entwicklung der Publizität siehe Merkt, Unternehmenspublizität, S. 29 ff. 80 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 26 II 1 c) unter Verweis auf das AG-Forum 1980, AG 1981, 1 ff.

III. Der Marktbezug als wesentliches Kriterium jeder Publizitätspflicht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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(1) durch ein Dreistufenmodell, das „private“, „offene“ und „große AG“ unter einem Dach, aber mit abgestufter Regelungsintensität, vereint,81 (2) durch die Öffnung der Kapitalmärkte für andere Gesellschaftsformen, oder (3), so wie letztendlich erfolgt, unter Beibehaltung der AG als Einheitsrechtsform, wobei stärker zwischen „geschlossenen“ und Publikumsgesellschaften zu unterscheiden ist, die AG stärker auf Anlegerinteressen ausgerichtet wird, und ein Abbau der Überregulierung des inneren Aktienrechts zu erfolgen hat. Diese drei Gesichtspunkte – Ausgleich des systematischen Spannungsverhältnisses von geschlossener und kapitalmarktorientierter AG und dessen Abstimmung auf das Recht der GmbH, Ausrichtung des gesamten Aktienrechts auf die Interessen von Anlegeraktionären und Deregulierung – geben somit das Grundgerüst für die weitere Debatte vor. Bereits vorab kann dabei festgestellt werden, dass dadurch die Rechtsform der AG, nicht zuletzt auch aufgrund ihrer Akzeptanz an den internationalen Kapitalmärkten, heute wieder zunehmend an Bedeutung gewinnt.82 Das Recht der Aktiengesellschaft lässt sich nur aus dem historischen Bedürfnis nach Schutz von Anlegern und Rechtsverkehr bei der Gewinnung von Risikokapital in der Industrialisierung (v. a. Eisenbahngesellschaften) verstehen. Hier hatte sich zunächst ein Oktroi- und Konzessionssystem herausgebildet,83 das aber spätestens seit der Aktienrechtsnovelle von 1870 und dem anschließenden Reformgesetz von 188484 als unpassend empfunden und durch ein liberaleres Konzept der Normativbestimmungen, der Gründerhaftung, der Publizität und der Kontrolle durch den Aufsichtsrat ersetzt wurde.85 Dieser Übergang zum Normativsystem ist, verbunden mit einer Ausweitung der Handelsregisterpublizität, als der Durchbruch aktienrechtlicher Publizität als alternatives Regelungsinstrument zu verstehen:86 Laufende Marktkontrolle wurde erstmals umfassend als der staatlichen Kontrolle durch Konzessionierung überlegen anerkannt und konnte diese, freilich flankiert durch verschiedenste Normativbestimmungen, Zug um Zug87 ersetzen.88 Diese Entwicklung hat sich ins moderne Recht fortgesetzt.89 Bei der ersten umfassenden90 Neukodifikation des Aktienrechts

81 Zum Stufenmodell und seine Ausprägung im heutigen Recht, Assmann, GK-AktG, Einl., Rn. 489 ff. 82 Escher-Weingart, Reform durch Deregulierung, S. 23. 83 Zum Unterschied Merkt, Unternehmenspublizität, S. 53 ff. 84 Dazu Assmann, in: GK-AktG, Einl., Rn. 80 ff. 85 Assmann, in: GK-AktG, Einl., Rn. 94 ff. 86 Merkt, Unternehmenspublizität, S. 56, 59 ff. m.w.N. 87 Dies ist eine Absage an die laissez-faire-Doktrin klassischer Prägung. Es ändern sich nur die Instrumente der Regulierung. Publizität tritt ergänzend zu Normativbestimmungen, Merkt, ebd., S. 72. 88 Anschaulich Wiedemann, Gesellschaftsrecht, S. 576: „Veröffentlichung [diente] als Ersatz für staatliche Aufsicht über Publikumsunternehmen.“. 89 Insofern kann die Überwindung des Konzessionssystems als „Geburtsstunde der modernen Entwicklung im Gesellschaftsrecht“ verstanden werden, Merkt, Selbstkontrolle, S. 715.

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A. Einführung und Abgrenzung des Untersuchungsbereichs

1965 standen rechtspolitisch die Erleichterung gestreuten Aktienbesitzes, die Stärkung des Einflusses der Hauptversammlung, die Stärkung des Individual- und Minderheitenschutzes der Aktionäre, die Verschärfung der Rechenschafts- und Publizitätsvorschriften sowie die Einführung eines kodifizierten Konzernrechts im Mittelpunkt.91 Seitdem ist das Aktienrecht in permanenter Reform,92 wobei hier nur zwei große Leitlinien von Interesse sein sollen: Erstens der zunehmende Einfluss des Kapitalmarktrechts, dessen Publizitätspflichten sich zunächst völlig unabhängig von der aktienrechtlichen Regelung entwickelt haben,93 und zweitens der zunehmende Einfluss des Rechts der Europäischen Union.94 Auf letzteren wird an gegebener Stelle einzugehen sein, wobei aber schon hier festgestellt werden kann, dass die dargestellte zunehmende Liberalisierung auch auf europäischer Ebene vorangetrieben wird, wenn auch unter dem modernen Begriff der „Deregulierung“95. Auch die Hinwendung des Denkens zum Geschehen an den internationalen Kapitalmärkten,96 von ACHTUNGREwelcher heute nahezu alle wesentlichen rechtstatsächlichen und rechtspolitischen Impulse für Aktienrechtswirklichkeit und Aktienrecht herrühren, liegt in historischer Tradition: Seit Anbeginn „hinkt“ die Aktiengesetzgebung der wirtschaftlichen Entwicklung hinterher. Das gesamte Aktienwesen ist ein Produkt des Wirtschaftslebens, welches durch das Marktgeschehen ständig vorangetrieben und weiterentwickelt wird.97 Auf solche Einflüsse des Kapitalmarktrechts ist auch die nachfolgend zu erörternde Frage zurückzuführen, inwieweit Schutzprobleme des Gesellschaftsrechts, insbesondere solche des Anleger- und Minderheitenschutzes, kapitalmarktrechtlich gelöst und gesellschaftsrechtliche Schutzinstrumente entlastet werden können. Es wird sich zeigen, dass der Steuerungsmechanismus des Marktes als gemeinsamer Grundgedanke aller Publizitätsnormen sämtliche Aspekte des Unternehmensrechts verbindet und mithin als systembildend herausgearbeitet werden kann. Letztlich 90 Das HGB von 1897 brachte keine grundlegenden Neuerungen, Assmann, GK-AktG, Einl., Rn. 114 f. 91 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 26 II 2 g. 92 Der Begriff der „Aktienrechtsreform in Permanenz“ geht zurück auf Zöllner, AG 1994, 336. 93 Ausführlich Merkt, Unternehmenspublizität, S. 92 ff.; Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 6 bezeichnet das Kapitalmarktrecht heute neben dem Gesellschaftsorganisationsrecht als Kernbestand des Gesellschaftsrechts. 94 Der Vertrag von Lissabon ersetzt die Zweispurigkeit von „Europäischer Gemeinschaft“ und „Europäischer Union“ unter Verschmelzung der Union auf die Gemeinschaft unter dem gemeinsamen Organisationsnamen „Europäische Union“. Diese ist damit Rechtsnachfolgerin der Gemeinschaft, Art. 1 EUV. Vor Inkrafttreten der Verträge wurde bezweifelt und kritisiert, dass damit eine terminologische Anpassung auch in allen Teilbereichen („Unionsprivatrecht“/ Unions-Kapitalmarktrecht“) einhergehen soll, Müller-Graff, GPR 2008, 105. Diese Arbeit folgt jedoch bereits durchgängig der durch Art. 2 Abs. 2 Lissabon-Vertrag vorgegebenen neuen Terminologie. 95 Vgl. etwa die Vorschläge der SLIM-Arbeitsgruppe, unten, C.II.2.d)dd) m.w.N. 96 Vgl. KOM(2005) 685 endg.; bei der Deutschen Börse AG kamen im Jahr 2007 nur 18 % der Aktionäre aus Deutschland, vgl. http://deutsche-boerse.com/. 97 Anschaulich K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 26 II 1 a, e.

III. Der Marktbezug als wesentliches Kriterium jeder Publizitätspflicht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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ist dies auf die Einflüsse europäischen Rechts zurückzuführen, welches einen marktorientierten informationellen Regelungsrahmen vorgibt, innerhalb dessen die Grenzlinien zwischen den Rechtsgebieten zunehmend verschwimmen.98 So entsteht heute das Bild eines europarechtlich vorgegeben Mindestschutzniveaus durch Publizität (Sicherstellung der Information über alle entscheidungsrelevanten Umstände im Informationsmodell), das durch materielle Vorschriften auf nationaler Ebene nur ergänzt wird99 und diese in ihrer Bedeutung mithin nach und nach verdrängt.100 2. Gründe für die kapitalmarktrechtliche Perspektive Bevor die auf die Kapitalmärkte einwirkenden Publizitätspflichten in ihrem Zusammenwirken dargestellt und systembildend betrachtet werden können, erscheint es zunächst notwendig, einen Überblick über das Kapitalmarktrecht in Deutschland und Europa zu geben. Bereits eingangs wurde darauf hingewiesen, dass die Suche nach einem kohärenten, adressaten-orientierten Gesamtkonzept der Publizität sich nicht auf diese kapitalmarktrechtliche Perspektive beschränken kann, sondern auch die Offenlegungspflichten der angrenzenden Rechtsgebiete wie dem Handels-, Aktien- und Bilanzrecht einbeziehen muss, die erhebliche Auswirkungen auf die kapitalmarktorientierte Aktiengesellschaft haben.101 Dennoch bietet sich ein vertiefter Einstieg über die kapitalmarktrechtliche Perspektive aus mehreren Gründen an. Erstens wird so eine Definition und weitere Systematisierung der Kapitalmärkte ermöglicht. Wie noch zu zeigen ist, hat sich der vertriebs-/marktbezogene Anlegerschutz in Deutschland nicht rechtsformunabhängig verselbstständigt,102 sondern ist rechtsformgebunden und marktsegmentspezifisch ausgestaltet.103 Eine Abgrenzung der einschlägigen Marktsegmente dient mithin dazu, die Publizitätspflichten bereits in eine erste systematische Ordnung zu bringen. Zweitens ist ein Großteil der zu untersuchenden Informationsnormen dem Kapitalmarktrecht zuzuordnen,104 so dass ein grundlegendes Verständnis hier unumgänglich ist. Vor allem aber erscheint das Kapitalmarktrecht besonders geeignet, um den Marktbezug als wesentliches Kriterium herauszuarbeiten, das dem Informationsmodell moderner Prägung und aller unternehmensrechtlicher Regulierung durch Pflichtpublizität zu Grunde liegt. Wie später noch, auch aus US-amerikanischer Perspektive, verdeutlicht werden soll, erfolgt die Verhaltenssteuerung durch Publizität mittelbar über Märkte, vor allem den Kapitalmarkt.105 Dieser gibt damit die Parameter vor, anhand derer ein Pu98

Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 6 ff. Vgl. etwa Grohmann, Informationsmodell, S. 57. 100 Vgl. dazu exemplarisch die Ausführungen zum Kapitalschutz, unten D.II.3.a)bb)(2). 101 Überblick bei Hommelhoff, ZGR 2000, 748 ff.; sowie Merkt, Unternehmenspublizität, S. 131 ff. 102 Dies ist etwa bei den securities regulation der USA oder in Frankreich der Fall. 103 Assmann, in: GK-AktG, 4. Aufl., Bd. 1, Einl., Rn. 375. 104 Merkt, Anleger- und Gläubigerschutz, S. 61, 95. 105 Vgl. Merkt, Anleger- und Gläubigerschutz, S. 61, 89. 99

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A. Einführung und Abgrenzung des Untersuchungsbereichs

blizitätskonzept auszugestalten ist. Viertens schließlich lässt sich nur über die historische Entwicklung des Kapitalmarktrechts als eigenständiges Rechtsgebiet das Problem mangelnder konzeptioneller Abstimmung der Publizitätspflichten überhaupt verstehen. Diese entstammen einem „Mischsystem“ verschiedener Gesetze, die fallweise und zum Teil ohne inneren Zusammenhang entwickelt wurden.106 Dies ist letztlich der Grund für das Fehlen eines von vornherein einheitlichen, umfassenden und marktbezogenen Regelungskonzepts, das damit erst – wie das Kapitalmarktrecht selbst – zu einem Sinnganzen zusammengefügt werden muss. Hat es sich diese Arbeit zur Aufgabe gemacht, die Publizität auf ihre konzeptionellen Grundlagen zurückzuführen, und anhand dieser Grundlagen kritisch zu hinterfragen, hat die Untersuchung mithin notwendigerweise mit einem Überblick über Aufgaben und Stand des Kapitalmarktrechts zu beginnen. 3. Entwicklungslinien des Kapitalmarktrechts in Europa Das deutsche Kapitalmarktrecht ist maßgeblich durch europäische Rechtsetzung geprägt.107 Bereits im Segr-Bericht von 1966 werden Motive und Leitlinien für die Entwicklung eines Gemeinschafts-Kapitalmarktrechts108 formuliert, das durch eine gemeinschaftsweite Rechtsangleichung erreicht werden soll.109 Bereits im Jahre 1985 wurde dieses Konzept jedoch als zu schwerfällig erkannt, und nach Maßgabe der Einheitlichen Europäischen Akte zugunsten des Prinzips der Herkunftslandzuständigkeit und der gegenseitigen Anerkennung aufgegeben.110 Mindestharmonisierung ist nunmehr das Mittel zur Erreichung des übergeordneten Ziels eines gemeinsamen Binnenmarkts,111 wobei Unterschiede zwischen den nationalen Märkten zu respektieren sind, sofern sie sich nicht nachteilig auf die Kohärenz des Binnenmarkts

106 Hopt, ZHR 141 (1977), S. 389, 431 spricht von einem „Mischsystem, das nicht ohne Wildwuchs Elemente der verschiedenen Regelungsphilosophien in sich aufgenommen hat“. 107 Mehr als 80 % der kapitalmarktrechtlichen nationalen Vorschriften basieren inzwischen auf Entscheidungen des europäischen Gesetzgebers, wobei die Tendenz steigend ist, vgl. schon Hopt, in: FS BGH, S. 497, 501. 108 Heute wohl „Unions-Kapitalmarktrecht“, vgl. oben, Fn. 94 (zu Art. 2 Abs. 2 des Vertrags von Lissabon). 109 Kommission der EWG, Segr-Bericht, S. 47 ff.; vgl. Assmann, ORDO 44 (1993), S. 87, 90. 110 Kommission, Weißbuch, KOM (85) 310 endg.; näher zu den aktuellen Grundprinzipien des Finanzmarktrechts Elster, S. 211; Moloney, S. 339. 111 Assmann, AG 1993, 549, 552; Binder/Broichhausen, ZBB 2006, 85, 86, Fn. 13; Kommission, Vorschlag für eine Transparenzrichtlinie, KOM (2003) 138 endg., 4.1.1. (Anlegerschutz und Markteffizienz im Kontext integrierter europäischer Kapitalmärkte setzen ein hohes Maß – jedoch keine vollständige – Harmonisierung voraus); ausführlich zum Konzept der Mindestharmonisierung und wechselseitigen Anerkennung Müller-Graff, EuR 24 (1989), S. 107, 109 ff.; str.; a.A. Spindler, in: Holzborn (Hrsg.), Einl. WpPG, Rn. 19 m.w.N. (Prinzip der gegenseitigen Anerkennung sei aufgegeben; es wird eine zusammenhängende Regulierung verfolgt).

III. Der Marktbezug als wesentliches Kriterium jeder Publizitätspflicht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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auswirken.112 Der EuGH anerkennt dies.113 Nicht angestrebt wird damit zum einen die Durchsetzung eines bestimmten einheitlichen Kapitalmarktmodells in ganz Europa, zum anderen aber auch kein Wettbewerb der Institutionen (competition of legal regimes).114 Ihren Höhepunkt fand die Entwicklung europäischen Kapitalmarktrechts in den Jahren 1999 – 2005 mit dem Aktionsplan Finanzdienstleistungen (FSAP)115, der dem Kapitalmarktrecht ebenso dynamische wie tiefgreifende Umwälzungen beschert hat.116 Seitdem zeichnet sich eine Ruhephase ab. Nach Diskussion der im Grünbuch zur Finanzdienstleistungspolitik (2005 – 2010)117 angeregten Leitlinien betont die Kommission in ihrem Weißbuch zur Finanzdienstleistungspolitik für die Jahre 2005 – 2010 die Ziele der verbesserten Durchsetzung und konsistenteren Anwendung bestehender Vorschriften.118 Damit wird deutlich, dass – trotz der erstmaligen europaweit umfassenden Regulierung nach dem FSAP – ein integrierter europäischer Kapitalmarkt nach wie vor ein Desiderat ist.119 Gleichzeitig bietet die „Ruhephase“ jedoch Zeit und Anstoß, den Bereich der Kapitalmarktpublizität systematisch zu ordnen und dogmatisch zu durchdringen – durchzieht doch das Ziel leistungsfähiger und EU-weit harmonisierter Publizitätsvorschriften alle dargestellten Entwicklungen wie ein roter Faden.120 Dem liegt die Erkenntnis zu Grunde, dass Publizität und Information schlichtweg zentrale Bedingungen für die Funktionsfähigkeit eines Kapitalmarktes sind.121

112

Erwägungsgrund (36), vorletzter Spiegelstrich, der Transparenzrichtlinie. Freilich einzelfallbezogen, vgl. etwa EuGH, Rs. C-42/95 (Siemens/Nold), Slg. 1996, ACHTUNGREI6017, 6034 ff. (Bezugsrechtsauschluss nach Art. 29 Abs. 4 der 2. RL Mindestregel nach Sinn und Zweck der Norm). 114 Assmann, in: Vitzthum/Pena (Hrsg.), S. 251, 252. 115 Financial Services Action Plan (FSAP), KOM(1999) 232 endg. vom 11. 5. 2005, abrufbar unter: www.ec.europa.eu/internal_market/finances/actionplan/index_de.pdf; dazu Seitz, BKR 2002, 340. 116 Die Umsetzung und die ökonomischen Auswirkungen des Aktionsplans sind Gegenstand umfassender Untersuchungen, Kommission, FSAP Evaluation v. 24. 1. 2007, sowie Kommission, FSAP Evaluierung v. 7. 7. 2009. 117 Kommission, Grünbuch zur Finanzdienstleistungspolitik (2005 – 2010), KOM (2005) 177 endg., S. 3, 5 und 10. 118 Kommission, Weißbuch zur Finanzdienstleistungspolitik für die Jahre 2005 – 2010, KOM (2005) 629 endg. 119 Mülbert, WM 01, 2085, 2094 (Schaffung eines integrierten europäischen Kapitalmarkts vorrangiges Regelungsziel). Es wird vertreten, dieses Ziel sei mit dem FSAP erreicht, Hellgardt, in: FS Hopt, S. 397 f. Bei näherer Betrachtung zeigt sich aber noch immer erheblicher Integrationsbedarf, unten, Teil D. Deutlich wird mit dem FSAP jedenfalls ein koordinierter und integrierter Ansatz, Hübner, in: Dauses (Hrsg.), Hdb., E.IV., Rn. 65. 120 So schon Kommission der EWG, Segr-Bericht, S. 31; vgl. Ausschuss der Weisen, Lamfalussy-Bericht, Kap. II; dazu Seitz, BKR 2002, 340 ff. 121 v. Caemmerer, in: Publizitätsgespräch, S. 141, 157. Die Reformen während der Finanzkrise verdeutlichen die Notwendigkeit eines konzeptionellen Neuanfangs, leisten diesen aber nicht, vgl. unten, B.III.2.g). 113

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A. Einführung und Abgrenzung des Untersuchungsbereichs

4. Definition Kapitalmarktrecht Auf deutscher wie auf europäischer Ebene fehlt es an einer klaren Definition des Begriffes „Kapitalmarktrecht“. Nähert man sich aber dessen Inhalt und Grenzen, treten auch diejenigen Grundsätze hervor, die für das Verständnis von Publizität als marktbezogenem Regelungsinstrument prägend sind. Letztlich beginnen die Probleme einer Definition beim Begriff des Kapitalmarktes selbst, der zu den „unpräzisesten und erklärungsbedürftigsten Wörtern der Fach- und Alltagssprache“122 gezählt wird. Daher erfolgt eine Annäherung am besten über eine offene Inhaltsbeschreibung, und nicht über eine abschließende Definition. Als grundlegend kann die Herausbildung eines eigenen Rechtsgebietes neben dem Aktien- und Börsenrecht durch Hopt bezeichnet werden. Kapitalmarktrecht kann danach als die „Gesamtheit der Grundsätze123 und Normen gelten, die sich mit dem öffentlichen Vertrieb und Umlauf von Unternehmensbeteiligungen und verbrieften bzw. öffentlich registrierten Geldforderungstiteln – kurz fungiblen Kapitalmarktpapieren – befassen, um den Individualschutz der Kapitalanleger und den Funktionenschutz von Kapitalmarkt und Wirtschaft zu gewährleisten“.124 Aus diesem Definitionsversuch haben sich heute verschiedene enge Betrachtungsweisen herausgebildet, die den Begriff alle über die Funktionsstruktur des Marktes abzugrenzen versuchen. So ließe sich Kapitalmarktrecht als reines Transaktionsrecht verstehen, welches die Beziehungen der Marktteilnehmer untereinander, also das Gegenüber der beiden Marktseiten (Emittent und Anleger im Primärmarkt, Verhältnis der Anleger untereinander im Sekundärmarkt) regelt.125 Ähnlich, aber die rein privatrechtliche Betrachtung um ein öffentlich-rechtliches Element ergänzend, grenzt Kümpel Kapitalmarktrecht als eigenständiges Rechtsgebiet gegenüber dem Bankrecht ab als „die Gesamtheit der Normen, Geschäftsbedingungen und Standards, mit denen die Organisation der Kapitalmärkte und der auf sie bezogenen Tätigkeiten sowie das marktbezogene Verhalten der Marktteilnehmer geregelt werden sollen“.126 Nach einer weiten Betrachtungsweise hingegen umfasst das Kapitalmarktrecht im Sinne eines Marktverfassungsrechts alle Normen, die den Kapitalmarkt mittelbar oder unmittelbar beeinflussen. Es beinhaltet die Gesamtheit der Normen und Grundsätze, welche die Organisation der Kapitalmärkte, die auf sie bezogenen Tätigkeiten 122

Kümpel, Kapitalmarktrecht, S. 34 m.w.N. Dazu zählt auch die gesetzgeberische Entscheidung, nicht einzugreifen, oder vor einer im Einzelfall zweckmäßigeren Selbstregelung der Betroffenen bis auf weiteres zurückzustehen. Dazu eingehend Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 148 – 168. 124 Hopt, ZHR 141 (1977), 398, 431, der mit den Begriffen „öffentlicher Vertrieb“, „Umlauf“ und „Fungibilität“ kapitalmarktrechtlich einheitliche Regelungsansätze geschaffen hat, vgl. Huser, Fn. 51. 125 Weber, in: Dauses (Hrsg.), Hdb. (Stand 2006), F. III., Rn. 6; anschaulich Fleischer, Gutachten F, S. F39, F94. 126 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 1.6; ders., in: Kümpel/Hammen/Ekkenga (Hrsg.), Kapitalmarktrecht, Kz. 050, Lfg. 2/00, S. 4. 123

III. Der Marktbezug als wesentliches Kriterium jeder Publizitätspflicht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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und das marktbezogene Verhalten der Marktteilnehmer betreffen.127 Darunter werden insbesondere auch das Bank-, Börsen- und Versicherungsrecht als andere Teilsektoren der Finanzmärkte, aber auch gesellschafts-, aufsichts- und steuerrechtliche Regelungen mit entferntem Bezug zum Kapitalmarkt erfasst. Eine allzu enge Betrachtungsweise ist abzulehnen. Zwar erleichtert sie die wechselseitige Übertragung von Wertungen und Ergebnissen und damit letztlich die Herausbildung eines inneren Systems.128 Sie verkennt aber die vielfältigen Verflechtungen mit anderen, den Kapitalmarkt wesentlich beeinflussenden Rechtsmaterien, wie beispielsweise dem Gesellschaftsrecht oder dem allgemeinen Zivilrecht. Zum anderen ist eine Aufteilung in einen privatrechtlichen und einen öffentlich-rechtlichen Teil „funktional unvertretbar“129. Die Trennung funktional und sachlogisch zusammenhängender Regelungen ist folglich zu vermeiden. Die weite Betrachtungsweise aber umfasst Bereiche, die so wenige Gemeinsamkeiten aufweisen, dass ein zusammenfassender Oberbegriff wenig sinnvoll erscheint. Mit Hilfe vermittelnder Ansichten wird teilweise versucht, bestimmte Bereiche, die einen besonders engen funktionalen Bezug zum Kapitalmarktrecht i.e.S. aufweisen, mit in die Definition einzubeziehen. Daran ließe sich kritisieren, dass dabei nach dem jeweiligen Schwerpunkt der Betrachtungsweise das Ergebnis unterschiedlich ausfallen kann.130 Diese Kritik hat jedoch eine zu klare und starre Abgrenzung im Blick. Es erscheint im Regelfall, insbesondere zum Zwecke dieser Arbeit, ausreichend, ein offenes und flexibles Verständnis anzuregen. Daher soll hier folgende, in gewissem Maße auch zwischen den beiden Extremen „vermittlende“Ansicht, empfohlen werden: Um eine wissenschaftliche Systematisierung überhaupt zu ermöglichen, wird vom engen Kapitalmarktbegriff im Sinne Hopts ausgegangen. Dieser ist dann aber im Sinne eines modernen Verständnisses des Kapitalmarktrechts wie folgt zu aktualisieren: Das WpHG vereint erstmals die wesentlichen kapitalmarktbezogenen Regelungsmaterien in einem Gesetz und ist daher schon früh als „Grundgesetz des deutschen Kapitalmarktrechts“131, sowie als „Keimzelle und Kernstück eines sich zum eigenständigen Rechtsgebiet132 entwickelnden Kapitalmarktrechts“133 bezeichnet wor127

Seidel, in: FS Lukes, S. 575, 585 (zum europäischen Kapitalmarktrecht). Weber, Kapitalmarktrecht, S. 5 f. 129 Hopt, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung, S. 307, 315. 130 Grundmann, ZSR 1996, 103, 122. 131 Hopt, ZHR 159 (1995), 135, 163. 132 Rechtssystematisch lässt sich die Verselbstständigung eines Rechtsgebietes dann annehmen, wenn ein Regelungsbereich von der Praxis als ein in sich geschlossener Lebensbereich angesehen wird, Kümpel, Rn. 8.2.; dies ist beim Kapitalmarktrecht spätestens seit Erlass des WpHG der Fall, das erstmals auf breiter Ebene versucht, den Kapitalmarkt als solchen zu regeln, und nicht nur einzelne Anlagearten oder Marktteilnehmer zum Gegenstand hat, Assmann, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), WpHG, Einl., Rn. 1. 133 Assmann/Schneider, in: dies. (Hrsg.) WpHG, Vorwort, 1. Aufl. (1995), S. V. 128

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A. Einführung und Abgrenzung des Untersuchungsbereichs

den.134 Als Anhaltspunkt einer zeitgemäßen Definition könnte daher § 1 WpHG dienen, nach welchem das Gesetz Anwendung findet auf „die Erbringung von Wertpapierdienstleistungen und Wertpapiernebendienstleistungen, den börslichen und außerbörslichen Handel mit Finanzinstrumenten, den Abschluss von Finanztermingeschäften, auf Finanzanalysen sowie auf Veränderungen der Stimmrechtsanteile von Aktionären an börsennotierten Gesellschaften“135. Damit sind zunächst sowohl die Primärmärkte (Emissionsmärkte) als auch die Sekundärmärkte erfasst. Damit wird aber auch das Börsenrecht organisatorischer Bestandteil und tragende Säule136 des Kapitalmarktrechts, welches die Börse als Kapitalmarktinstitution mit umfasst.137 Ebenso ist das Aufsichtsrecht Bestandteil des Kapitalmarktrechts. Erfasst werden auch die Finanzanalysten, die insbesondre im Hinblick auf den Individualschutz eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen.138 Zugleich grenzt die produkt- oder leistungsbezogene Betrachtung des WpHG das Kapitalmarktrecht i.e.S. von den anderen Teilbereichen der Finanzmärkte139 ab, welche von der weiten Definition noch umfasst waren (Geld-, Devisen-, Versicherungsmärkte, etc.). Dies ermöglicht es auch, eine Abgrenzung nach der zeitlichen Dauer der Anlage zu vermeiden.140 Zudem verdeutlicht die Marktbezogenheit des WpHG die Problematik, welche eine inhaltliche scharfe Abgrenzung im Sinne einer ausschließenden Definition mit sich bringt. Kapitalmarktrecht hat, vereinfacht gesprochen, „den Kapitalmarkt“ 134

Dabei sei vorab gewarnt, das „Kapitalmarktrecht“ auf die Regelungen des WpHG zu begrenzen. Die klare Zuordnung zu einzelnen Rechtsquellen ist bei der hier gewählten Betrachtung nicht möglich und zum Scheitern verurteilt. Vielmehr müssen die jeweiligen Rechtsquellen aus scheinbar ganz unterschiedlichen Rechtsgebieten nach Sinn und Zweck in ihrem Funktionszusammenhang auf eine Zugehörigkeit zum Kapitalmarktrecht betrachtet werden. Das WpHG kann dann sozusagen als „Kernstück“ in einem größeren Gerüst verstanden werden, mit dem der Gesetzgeber den Finanzplatz gegenüber den freien Kräften des Marktes zu regulieren sucht. Dazu Steuer, in: FS Kümpel, S. 519, 521 f., 539. 135 § 1 Abs. 1 WpHG (Anwendungsbereich). 136 Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 76. 137 Schwark, Anlegerschutz, S. 256: „Die Börse ist, wirtschaftlich betrachtet, eine Kapitalmarktinstitution, die den Anlegern die Liquidation der Anlage ermöglicht, den Emittenten als Verkaufsmarkt dient und gesamtwirtschaftlich gesehen ein Indikator für die Kapitalmarktlage und – in eingeschränktem Umfang – die Einschätzung der wirtschaftlichen Lage der Unternehmen ist“. 138 Fleischer, Gutachten F, S. 42 ff.; vgl. zudem unten, B.IV.3.a)aa) (zum Adressaten von Informationspflichten). 139 Finanzmärkte sind zu definieren als diejenigen Märkte, an denen sich Angebote nach Geld und geldwerten Titeln treffen, Hasewinkel, S. 9. Wichtigste Teilmärkte sind die Kapital-, Geld-, Devisen- und Derivatemärkte. 140 Häufig wird im Sinne einer negativen Abgrenzung versucht, kurzfristige Anlagen dem Geldmarkt zuzuordnen, und den Kapitalmarkt i.e.S. auf längerfristige Anlagen zu begrenzen, Übersicht bei Elster, Europäisches Kapitalmarktrecht, S. 1. Diese Abgrenzung führt aber insbesondere dann zu Schwierigkeiten, wenn nach einem modernen kapitalmarktrechtlichen Verständnis der Anleger vor allem in seiner Rolle als Investor gesehen wird, der auch von kurzfristigen Kursschwankungen profitieren will. Eine Abgrenzung nach der Haltedauer erscheint daher wenig sinnvoll, Ekkenga, Anlegerschutz, S. 15.

III. Der Marktbezug als wesentliches Kriterium jeder Publizitätspflicht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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zum Gegenstand.141 Es hat sich aus zunächst rechtsform- und institutionsbezogenen Regelungen wie dem Aktien-, Börsen- und Bankrecht zu einem eigenständigen (rechtsformübergreifenden) Rechtsgebiet mit eigenen Wertungsmaßstäben und Regelungsperspektiven entwickelt, welches primär auf den Schutz funktionsfähiger Kapitalmärkte abzielt.142 Es ist Teil des Handelsrechts im weiteren Sinne, insoweit es den Verkehr fungibler Kapitalmarktpapiere regelt143 und für Emittenten und Vertriebsmittler Unternehmensverhaltensnormen setzt.144 Zugleich ist es genuines Wirtschaftsrecht, da das Funktionieren des Kapitalmarktes und dessen Strukturen im Mittelpunkt stehen.145 Diese funktionsbezogene oder schutzgutbezogene Betrachtungsweise146 grenzt es zum einen von anderen (rechtsformbezogenen) Rechtsgebieten, wie dem Gesellschaftsrecht, ab.147 Zum anderen verdeutlicht sie aber, wie stark verflochten das Kapitalmarktrecht mit diesen Rechtsgebieten ist,148 aus denen heraus es sich schließlich entwickelt hat.149 Die weiten Schnittbereiche dürfen dabei aber nicht im Sinne eines Zielkonfliktes oder Rangverhältnisses verstanden werden. Vielmehr erfordert eine zeitgemäße Betrachtung die Einbeziehung der Wechselwirkungen mit allen Rechtsgebieten, die einen Bezug zum Kapitalmarkt aufweisen150 im Sinne einer 141

Kümpel, Wertpapierhandelsgesetz, 2. Aufl. 2006, S. 29. Zu dieser marktbezogenen Abgrenzung Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 8.33; ders., WpHG, S. 29; zur dualistischen Zielkonzeption des Kapitalmarktrechts sogleich; Hopt, ZHR 141 (1977) 389, 431, geht in der ziel-/funktionsorientierten Betrachtungsweise so weit, dass er vorschlägt: „Kapitalmarktrecht ist eine Aufgabe und kein Rechtsgebiet in statu nascendi mehr.“. 143 Das Kriterium der Fungibilität (Handelbarkeit der Wertpapiere) ist als Grundvoraussetzung massenhafter, institutionalisierter Märkte ein weiterer der zahlreichen Abgrenzungsversuche von Kapital- und Geldmarkt. Individuell verhandelbare Finanzprodukte wie Swaps können demnach dem Geldmarkt zugeordnet werden, Elster, Europäisches Kapitalmarktrecht, S. 2. Klare Abgrenzungen bietet auch dieses nicht. Es kann aber bereits an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass der massenhafte Vertrieb eines Produktes Grundvoraussetzung des Handels an einem organisierten Markt und auch der Funktionsfähigkeit von Publizitätsnormen ist. 144 So grundlegend Hopt, ZHR 141 (1977) 389, 432. 145 Ebd., S. 433. 146 Ein Rechtsgebiet von seinen Zielen her zu definieren mag zunächst erstaunen, ist aber durchaus üblich. So für das Bankrecht in einen institutionellen und einen funktionalen Begriff unterscheidend Claussen, § 1, Rn. 1. 147 Kümpel, Wertpapierhandelsgesetz, 2. Aufl. 2006, S. 23. 148 So war es durchaus üblich, fehlendes Kapitalmarktrecht durch allgemeines Zivilrecht oder durch Gesellschaftsrecht zu substituieren, Hopt, ZHR 141 (1977), 389, 400 ff. 149 Anlegerschutz wurde vor der Herausbildung eines eigenständigen Kapitalmarktrechts lange mit Mitteln des allgemeinen Zivilrechts, die Abwicklung der Geschäfte durch das Wertpapierrecht, und andere Bereiche durch das Bank-, Börsen- und Gesellschaftsrecht geregelt, Lenenbach, § 1, Rn. 1.1. 150 Insofern ist auch heute noch die Aussage zutreffend, das Kapitalmarktrecht sei ein „Mischsystem, das nicht ohne Wildwuchs Elemente der verschiedensten Regelungsphilosophien in sich aufgenommen“ habe, Hopt, ZHR 141 (1977), 389, 431. Die verschiedenartigen Einflüsse sind dem Rechtsgebiet folglich seit Anbeginn immanent. Dies soll aber nicht daran hindern, eine wissenschaftliche Systematisierung anzustreben. 142

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A. Einführung und Abgrenzung des Untersuchungsbereichs

Abstimmung und unterstützenden Ergänzung. Dies ermöglicht auch, tradierte Rechtsbegriffe und Institutionen unter der kapitalmarktrechtlichen Zielsetzung vollkommen neu auszurichten.151 Insofern wirkt das Kapitalmarktrecht in erheblichem Maße modifizierend auf andere Rechtsgebiete ein, was erheblichen Abstimmungsbedarf zur Folge hat.152 An dieser Schnittstelle setzt die Frage, welchen Gesellschaften der Zugang zur Börse gewährt werden soll (nur AG, oder auch GmbH? / Bedürfnis nach neuen Gesellschaftsformen oder Finanzierungsinstrumentarien?)153 ebenso an, wie die hier vertieft analysierte Problematik, ob Schutzprobleme des Gesellschaftsrechts (Anlegerund Minderheitenschutz, Gläubigerschutz) ebenso kapitalmarktrechtlich gelöst und zwingende gesellschaftsrechtliche Schutzmechanismen dadurch entlastet werden können.154 Dazu war zunächst das Gesellschaftsrecht kapitalmarkttauglich, das heißt den Anforderungen der internationalen Kapitalmärkte Rechnung tragend, zu gestalten.155 Nunmehr gilt es aber vornehmlich, der Rechtswirklichkeit – immer stärkeres Einwirken der beiden Rechtsgebiete aufeinander – gerecht zu werden: Einerseits können die Interessen, Rechte und Pflichten von Aktionären nicht unabhängig von deren Anlegerinteressen am Kapitalmarkt betrachtet werden.156 Andererseits wird eine Beschränkung auf die kapitalmarktrechtliche Perspektive den traditionell gesellschaftsrechtlichen Interessen nicht gerecht. Zeichnet sich daher eine zunehmende Verschiedenbehandlung börsennotierter und nicht börsennotierter Gesellschaften ab,157 so ist darauf zu achten, dass beide Interessenlagen in Ausgleich gebracht werden und auch das Gesellschaftsrecht als eigenständige Rechtsmaterie nicht vernachlässigt wird. Eine systembildende Betrachtung hat mithin einerseits die Abstimmung gesellschafts- und kapitalmarktrechtlicher Schutzmechanismen zu beachten, andererseits aber auch Unterschiede zwischen den Gesellschaftsformen zu berücksichtigen. Speziell für die Publizität wird sich hier abzeichnen, dass deren Funktionsweise erheblich von der Effizienz des betreffenden Marktsegments abhängt und gerade die Abstufung von börsennotierter zu nicht börsennotierter Gesellschaft einen fundamental unterschiedlichen Regelungsbedarf zur Folge haben kann. Diesem muss jedoch innerhalb des abgestuften Gesamtkonzepts Rechnung getragen werden.

151 152

Assmann, in: Assmann/Schütze (Hrsg.), § 1, Rn. 1, 22. Fleischer, in: FS Zöllner, S. 363 f. (Herausbildung eines Sonderrechts für börsennotierte

AG). 153

Assmann, in: GK AktG, Einl., Rn. 470 ff., 493 ff. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 1 II 3 m.w.N. 155 Zur Erreichung dieses Ziels Schiessl, AG 99, 442, 451 f. (deutsches Aktienrecht international „attraktiv“). 156 Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 143 ff. 157 Dazu eingehend K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 26 IV 1 c. 154

III. Der Marktbezug als wesentliches Kriterium jeder Publizitätspflicht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Kapitalmarktrecht ist Marktverfassungsrecht158. Als solches umfasst es zunächst marktorganisationsrechtliche Elemente wie die Struktur der Börse als Veranstalter des Börsenhandels (geregelt vor allem im BörsG), sowie der Marktteilnehmer und der gehandelten Produkte, welche in verschiedenen Gesetzen geregelt sind (Teilnehmer- und Produktbezogenheit). Zugleich ist es aber Marktverhaltensrecht, das sowohl transaktionsbezogene als auch allgemeine Verhaltensregeln159 aufstellt (Markt-/Handelsbezogenheit vor allem des WpHG).160 Hierzu gehören insbesondere die kapitalmarktrechtlichen Publizitätspflichten. Drittens ist es schließlich auch Aufsichtsrecht. Dieser verfahrensbezogene Teil soll im Folgenden aber weitestgehend ausgeklammert bleiben, so dass unter „Kapitalmarktrecht“ nur der materiellrechtliche Teil dieses Rechtsgebietes verstanden wird. Organisationsnormen sollen nur insoweit erwähnt werden, als sie für das Verständnis der Marktsegmente erforderlich sind. Damit erfolgt im Wesentlichen eine Eingrenzung auf die Transaktionsregeln der Primär- und Sekundärmärkte. Als Marktrecht hat Kapitalmarktrecht schließlich in besonderem Maße die freien Kräfte und die Dynamik des Marktes zu berücksichtigen.161 Insofern kann es als unterstützendes und ergänzendes „Gerüst“ oder als Rahmen eines marktgeprägten Finanzplatzes verstanden werden, welcher Emittenten und Anlegern die notwendige Orientierung und Sicherheit bietet.162 Die Regelungen müssen aber für Entwicklungen des Marktes offen sein und diese fördern, um die Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes im internationalen Vergleich zu gewährleisten. Die vorgeschlagene flexible Betrachtungsweise geht folglich von den Handelsvorgängen des Kapitalmarkts und den dort gehandelten Produkten aus. Es baut gewissermaßen auf das vorgegebene rechtliche und tatsächliche Umfeld auf, und bezieht dessen Einwirkungen mit in die Betrachtung ein. So berücksichtigt es etwa durch die ACHTUNGREPraxis entwickelte kapitalmarktrechtliche Standards163 wie Verhaltenskodexe oder unverbindliche Empfehlungen (soft law)164 und anerkennt die Einflüsse einer Selbst158

So als Oberbegriff bei Mülbert, WM 2001, 2085, 2087. Transaktionsunabhängige Informationsregelungen stellen insbesondere die Pflichten nach §§ 15, 21 ff. WpHG dar, Hirte/Heinrich, Kö-Ko WpHG, Einl., Rn. 5. 160 Angelehnt an Hopt, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung, S. 307, 315, der aber unter „Verfassung“ nur das hier zuerst genannte strukturelle Element (Marktverfassung) versteht, und dann die Vorschriften betreffend die Transaktionen als eigenständiges, die Emittenten, Anleger und Finanzintermediäre betreffendes Element sieht. 161 In der Abstimmung der Regulierungen auf die freien Kräfte des Marktes wird einer der Schwerpunkte dieser Arbeit liegen. Im Folgenden wird noch zu untersuchen sein, inwiefern Märkte auch ohne staatliche Regulierung funktionsfähig sind, woraus dann die Aufgaben des Gesetzgebers abzuleiten und zu beschränken sind. 162 Steuer, in: FS Kümpel, S. 519, 539. 163 Der Begriff geht zurück auf Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 8.34 ff., der darunter insbesondere norminterpretierende Verlautbarungen von Verwaltungsbehörden und sonstigen Institutionen und Gremien versteht, die keine eigenständige gesetzliche Geltungskraft, aber in der Praxis große Auswirkung haben. 164 Lutter, ZGR 2000, 1, 18. 159

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regulierung durch den Markt. Alle diese Regeln haben aber gemeinsam, dass sie einen effizienten und funktionsfähigen Kapitalmarkt zum Ziel haben. 5. Ziele des Kapitalmarktrechts Soll das Beispiel des organisierten Kapitalmarkts hier genutzt werden, um Beiträge zur Entwicklung einer Dogmatik der Publizität zu liefern, so gilt es zunächst, Ziele und Aufgaben des Kapitalmarktrechts herauszuarbeiten. Diese lassen sich dann als allgemeine Funktionsprinzipien eines Marktrechts auf die Publizität übertragen. Hier kann als gefestigte Auffassung gelten, dass das Kapitalmarktrecht eine dualistische Zielkonzeption hat.165 Neben das ursprünglich166 sozialpolitisch motivierte Ziel des Individualschutzes tritt das wirtschaftspolitische Ziel des Funktionsschutzes.167 a) Funktionsschutz Die volkswirtschaftliche Bedeutung effizienter und funktionsfähiger Kapitalmärkte ist nicht zu unterschätzen.168 Aus ökonomischer Perspektive gesehen werden hier längerfristige Finanzierungsmittel, vereinfacht gesprochen Geld, der Bildung von Sachkapital zugeführt, also als Investitionen der Wirtschaft nutzbar gemacht.169 Dies ermöglicht es Unternehmen, sich durch die Emission von Eigen- und Fremdkapitaltiteln am Kapitalmarkt zu finanzieren, was auch zu einer Abkehr von der in Deutschland traditionell bankdominierten (und -kontrollierten)170 Fremdfinanzierung geführt hat.171 Dennoch steht die Bedeutung der kapitalmarktorientierten Unter-

165

Meier-Schatz, ZSR 108 (1989) 433, 436, Fn. 15. Heute wird Anlegerschutz zumeist nicht mehr als sozialstaatlich motivierter Verbraucherschutz, sondern als Grundvoraussetzung für die Funktionsfähigkeit von Märkten verstanden, dazu sogleich. 167 Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 334 ff., ders., Gutachten, S. 44 ff.; Sehr anschaulich drückt diesen Dualismus auch Art. 1 des Schweizer Börsengesetzes (BEHG) aus: „Dieses Gesetz regelt die Voraussetzungen für die Errichtung und den Betrieb von Börsen sowie für den gewerbsmässigen Handel mit Effekten, um für den Anleger Transparenz und Gleichbehandlung sicherzustellen. Es schafft den Rahmen, um die Funktionsfähigkeit der Effektenmärkte zu gewährleisten.“; für das US-amerikanische Recht vgl. Sec. 2 (a) (10) Securities Act of 1933. 168 Hopt, ZGR 2000, 779 ff. (erhebliche Einflüsse der Wertpapiermärkte auf Unternehmen und ihre Regulierung). 169 Lenenbach, § 1, Rn. 1.7. 170 Zur Rolle der Hausbank im Rahmen der Corporate Governance, vgl. Baum, in: Hopt (Hrsg.), S. 1, 16 (zunehmende Ersetzung der Kontrollfunktion der Banken durch marktorientiertes Regelungskonzept). 171 Merkt, AG 2003, 126, 127; Fleischer, ZIP 2006, 451, 453; aus ökonomischer Sicht Rudolph, S. 1 ff.; Drukarczyk, Finanzierung, S. 304, 310 (Anstieg der Eigenkapitalquote deutscher Unternehmen von 17 auf 22,5 % von 1997 – 2005; ähnliche Ergebnisse für Fremdkapitaltitel am Kapitalmarkt); Hopt, ZGR 2000, 779, 806. 166

III. Der Marktbezug als wesentliches Kriterium jeder Publizitätspflicht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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nehmensfinanzierung weit hinter der Ausprägung in den USA zurück.172 Aus europäischer Perspektive haben dabei vor allem kleine und mittlere Unternehmen Schwierigkeiten im Zugang zu geeigneten Finanzierungsquellen – ein entscheidendes Hemmnis für Wachstum und Innovation.173 Zahlreiche Studien belegen einen Zusammenhang zwischen Kapitalmarkteffizienz und Wirtschaftswachstum.174 So kommen in Europa, bedingt durch den globalisierten Wettbewerb, vermehrt auch Effizienzüberlegungen bei der Ausgestaltung des Regelungssystems zum Tragen.175 Neben den Unternehmen nutzt die öffentliche Hand die Möglichkeit einer Finanzierung über den Kapitalmarkt. Außerdem erfolgt eine zunehmende Ausrichtung der Altersvorsorge auf den Kapitalmarkt,176 worin die Verknüpfung zum Individualschutzbedürfnis unerfahrener „Laien“ besonders deutlich wird, bei denen oftmals ein erheblicher Anteil ihres Vermögens auf dem Spiel steht.177 Dabei lässt sich diskutieren, ob die Verbesserung der Eigenkapitalausstattung der Unternehmen und die Beteiligung breiter Bevölkerungsschichten am Produktivvermögen eigenständige Zielgrößen oder nur erwünschte Folge funktionsfähiger Märkte sind.178 Jedenfalls ist die Leistungsfähigkeit der auf den Kapitalmarkt bezogenen Einrichtungen und Ablaufmechanismen im öffentlichen Interesse179 zu gewährleisten und ständig zu verbessern.180 Die Funktionsfähigkeit eines Kapitalmarktes, und damit die Regelungsaufgabe des Kapitalmarktrechts, lässt sich anhand dreier Teilaspekte beurteilen, die es zu optimieren gilt.181 aa) Institutionelle Funktionsfähigkeit Die institutionelle Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts verlangt das Vorliegen der Grundvoraussetzungen für einen funktionierenden Markt. Zunächst bedeutet das die Gewährleistung eines ungehinderten Zugangs zum Markt und Ausgangs von dem Markt für Emittenten und Anleger. Des Weiteren müssen verkehrsfähige, 172

Nach Heintges, Bilanzkultur, S. 69, werden in den USA ca. 60 % des gesamten Eigenund Fremdkapitals über den Kapitalmarkt finanziert, in Deutschland lediglich 30 %. Ein umfassender Vergleich verschiedener Märkte und Börsen findet sich bei Hopt/Baum, in: Hopt/ Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 286, 289 ff. Danach haben Deutschland und Europa kaum einen Anteil an der weltweiten Börsenkapitalisierung und dem Kapitalmarkt kommt nur eine marginale (aber wachsende) Bedeutung im Rahmen der Finanzierung zu. Deshalb erscheine eine intensivere Nutzung der Aktie für die deutsche Wirtschaft dringend geboten, ebd., S. 306 m.w.N. 173 Hopt/Baum, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 286, 306 m.w.N. 174 Nachweise bei Kommission, Grünbuch zur Finanzdienstleistungspolitik, KOM (2005) 177, S. 4. 175 Assmann, in: Vitzthum/Pena (Hrsg.), S. 251, 255. 176 Buck-Heeb, § 1, Rn. 2. 177 Hellwig, in: Hopt (Hrsg.), S. 379, 380; LaPorta et al., 52 J. Fin. 1131. 178 Für ersteres Kübler, Aktie, S. 390; vgl. Lenenbach, § 1, Rn. 1.37. 179 Dazu Kümpel, Rn. 8.178 f. 180 Assmann, in: Assmann/Schütze (Hrsg.), Handbuch, § 1, Rn. 23. 181 Kübler, AG 1977, 85, 89.

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also standardisierte Anlageformen zur Verfügung stehen, und die Liquidität (Aufnahmefähigkeit) des Marktes muss gewährleistet sein. Dies erfordert ein vielfältiges Angebot (Marktbreite) ebenso wie eine Vielzahl an Investoren und ein hohes Volumen des angelegten Kapitals (Markttiefe).182 bb) Operationale Funktionsfähigkeit Niedrige Transaktionskosten tragen zu höheren Renditen und damit zu einer erhöhten Akzeptanz des Marktes bei.183 Daher unterstützt das Kapitalmarktrecht die operationale Funktionsfähigkeit des Marktes durch weitreichende Publizitätspflichten. Auf diese Weise können die Kosten privater Informationsbeschaffung, die Kosten der Anlagevermittlung und somit die Kosten der Kapitalbeschaffung während der Marktteilnahme generell, minimiert werden. cc) Allokative Funktionsfähigkeit Unter allokativer Funktionsfähigkeit ist die Steuerungseffizienz eines Marktes zu verstehen. Das Kapitalmarktrecht hat sicherzustellen, dass das anlagefähige Kapital volkswirtschaftlich möglichst sinnvoll ausgenutzt wird.184 Dazu muss es dorthin fließen, wo der dringendste Bedarf an Investitionsmitteln besteht, und bei ausreichender Sicherheit die höchste Rendite zu erwarten ist.185 Diese ex-ante Prognose ist dem Anleger nur bei einem hohen Maß an (aktuellen und zukunftsbezogenen) Informationen und Markttransparenz möglich.186 Die allokative Effizienz ist in erster Linie durch den Primärmarkt zu gewährleisten, wobei der Sekundärmarkt aber entscheidend für die Preisfindung und spätere Handelbarkeit ist.187 dd) Informationelle Funktionsfähigkeit als Grundvoraussetzung Der kardinalen Bedeutung von Informationen für die allokative Effizienz von Kapitalmärkten wird teils durch Abgrenzung einer vierten Dimension der Markteffizienz, der sog. informationellen Effizienz, Rechnung getragen. Diese ist dann erreicht, wenn neue Informationen so effektiv vom Markt verarbeitet werden, dass einzelne Marktteilnehmer Wissensvorsprünge nicht mehr ausbeuten können. Allokative Effizienz setzt demgegenüber zusätzlich voraus, dass der Markt zutreffend auf neue In-

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Assmann, in: Assmann/Schütze (Hrsg.), Handbuch, § 1, Rn. 26. Kümpel, Rn. 8.197 ff. 184 Allgemein zur Allokationseffizienz Schäfer/Ott, Lehrbuch, S. 1 ff. 185 Assmann, in: Assmann/Schütze (Hrsg.), Handbuch, § 1, Rn. 24. 186 Assmann, GK-AktG, Einl., Rn. 358. 187 Huser, S. 12, Fn. 86, betont die Rolle des Sekundärmarktes als Stimmungs-(Nachfrage) und Konditionenbarometer (Renditeniveau) für den Primärmarkt, und verdeutlicht damit zugleich die enge Verflochtenheit und Wechselbezüglichkeit von Emissions- und Sekundärmarkt. 183

III. Der Marktbezug als wesentliches Kriterium jeder Publizitätspflicht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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formationen reagiert.188 Nach dem hier zu Grunde gelegten Verständnis ist Publizität eines der Mittel und somit Grundvoraussetzung zur Erreichung von Markteffizienz. Daher soll darauf, auch unter Berücksichtigung der Frage, ob vollständige Informationseffizienz als Ziel oder „Idealzustand“ anstrebenswert erscheint,189 später bei der ökonomischen Betrachtung gesondert eingegangen werden. ee) Liquidität und Stabilität als Folgen der Markteffizienz Funktionsfähige Märkte zeichnen sich zudem durch Liquidität aus. Ein Markt ist liquide, wenn zu jeder Zeit und in jeder Größenordnung Geschäfte getätigt werden können, ohne dass dies einen wesentlichen Effekt auf den Preis hat.190 Marktbreite und Markttiefe können folglich als Indikatoren der Markteffizienz herangezogen werden. Mit dem Kriterium der Stabilität ist die Genauigkeit oder Effizienz der Preisbildung angesprochen. Eine exzessive Volatilität der Kurse führt zu zeitweiliger Über- oder Unterbewertung des Wertes eines Anlageinstrumentes, was durch Spezialisten oder Spekulanten auf Kosten unerfahrener Marktteilnehmer ausgenutzt werden kann, und so zu Vertrauensverlust führen kann.191 b) Anlegerschutz Untrennbar mit dem Ziel funktionsfähiger Märkte verbunden ist der Anlegerschutz. Es lässt sich historisch, ökonomisch und rechtsvergleichend belegen, dass sich das eine Ziel nicht ohne das andere erreichen lässt, und umgekehrt.192 Denn ein Investor wird sein anlagefähiges Kapital nur dann zur Verfügung stellen, wenn er genügend Vertrauen in die Integrität, Fairness und Stabilität der Märkte hat.193 Auf der anderen Seite wird mit dem guten Funktionieren von Börse und Kapitalmarkt der beste Anlegerschutz erzielt, weshalb auch von zwei Seiten derselben Medaille gesprochen wird.194 Anleger- und Funktionsschutz sind somit die beiden Grundprinzipien jeder entwickelten Kapitalmarktrechtsordnung,195 und werden auch vom euro-

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So neuerdings die Abgrenzung bei Klöhn, in: Langenbucher (Hrsg.), § 6, Rn. 6 f. m.w.N. So wohl Klöhn, ebd., Rn. 6; vgl. aber zum „richtigen Maß“ an Transparenz, unten, B.II.2., B.III.2.a)cc). 190 Klöhn, in: Langenbucher (Hrsg.), § 6 Rn. 11 m.w.N. 191 Harris, S. 316. 192 Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 334 f. 193 Lenenbach, § 1, Rn. 1.40, der allerdings den Anlegerschutz nicht als eigenständige Kategorie auffasst, sondern ihn so eng mit der allokativen Funktionsfähigkeit verwoben sieht, dass er ihn mit darunter einordnet. 194 Hopt, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung, S. 307, 318. 195 Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 334 ff.; Merkt, Unternehmenspublizität, S. 301 ff.; ACHTUNGREAkerlof, 84 Q.J.Econ. 488. 189

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A. Einführung und Abgrenzung des Untersuchungsbereichs

päischen Gesetzgeber als gleichwertig anerkannte Ziele verfolgt.196 Als Rechtsprinzipien ziehen sie sich durch die gesamte Regelung der Unternehmenspublizität.197 aa) Anlegerschutz als individueller oder institutioneller Schutz Diese dualistische Ziel- oder Funktionskonzeption ist heute unbestritten198 und in der Literatur umfassend aufgearbeitet.199 Von aktuellem Interesse sind jedoch zunehmende Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der konkreten Ausprägungen des Anlegerschutzprinzips. Dabei zeichnet sich die Tendenz ab, dieses weniger als sozialpolitisch motivierten Verbraucherschutz, sondern immer mehr als Mittel zur Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte zu verstehen.200 Zum Teil wird aus diesem Begründungsansatz dann der Schluss gezogen, Individualansprüche ganz zu verneinen.201 Auch wenn hier die Rechtsfolgenebene ausgeblendet bleiben soll, erscheint eine kurze Stellungnahme doch grundlegend für das konzeptionelle Verständnis kapitalmarktorientierter Publizitätsnormen. In einem ersten Schritt sind zwei Dimensionen des Anlegerschutzes zu unterscheiden: eine individuelle und eine institutionelle. Unter individuellem Anlegerschutz wird primär die Gewährung von (zivilrechtlichen)202 Schadensersatzansprüchen (daher z. T. auch „korrigierender Anlegerschutz“)203 für den einzelnen Anleger verstanden.204 Dieser stand entwicklungsgeschichtlich ganz im Mittelpunkt: Über den zunächst rein gesellschaftsrechtlich konzipierten Schutz hinaus sollten Privaten, die zur Finanzierung eines Unternehmens beitragen, zusätzliche Schutzpositionen eingeräumt werden.205 Diese treten mithin zunächst flankierend neben den verbandsrechtlichen Schutz, um spezifische Anlegerrisiken auszuräumen.206

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Etwa Erwägungsgrund (10) der Prospektrichtlinie: Anlegerschutz und Markteffizienz. Merkt, Unternehmenspublizität, S. 314 ff. 198 Ebd., S. 296. 199 Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 288 ff., 333 ff.; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 8.388 ff.; Assmann, Handbuch, § 1, Rn. 22; Kübler, AG 1977, 85, 87 ff. 200 Vgl. Brellochs, Publizität, S. 14 ff.; ausführliche Darstellung bei Assmann, ZBB 1989, 49 ff. 201 Anschaulich Buck-Heeb, § 1, Rn. 13; str., a.A. Hirte/Heinrich, Kö-Ko WpHG, Einl., Rn. 13 (Schutz des individuellen Anlegers in jedem Fall erforderlich für die Funktionsfähigkeit des Marktes). 202 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 8.388. 203 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 57 IV unter Darstellung verschiedener Anlegerschutzkonzepte. 204 Dieser ist vorwiegend durch die Rechtsprechung ausgeprägt und umfasst u. a. Ansprüche aus Amtspflichtverletzung, Prospekthaftung und zivilrechtlicher Prospekthaftung. Überblick bei Buck-Heeb, § 1, Rn. 14 ff. 205 Schwark, Anlegerschutz, S. 6, Fn. 17. 206 Ausführlich Merkt, Unternehmenspublizität, S. 298 f. 197

III. Der Marktbezug als wesentliches Kriterium jeder Publizitätspflicht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Daneben hatte das Kapitalmarktrecht aber schon früh einen überindividuellen oder institutionellen Schutz im Blick, das heißt die Vertrauensbildung bei der Gesamtheit des Anlegerpublikums.207 Durch das Vertrauen des Einzelnen in die gute Ordnung der Kapitalmärkte208 soll erreicht werden, dass die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts insgesamt gestärkt und informationsbedingtes Marktversagen durch eine Marktabwanderung der Anleger verhindert werden. Diese Unterscheidung von individuellem Anlegerschutz und Publikumsschutz als Teil des Funktionsschutzes ist in der juristischen209 und ökonomischen210 Literatur anerkannt und liegt auch den europäischen Richtlinien zugrunde.211 Neben die ursprünglich sozialpolitische Rechtfertigung, nach der die Rechtsordnung die Voraussetzungen dafür schaffen soll, dass Privatanleger Vorsorge für ihre Bedürfnisse (vor allem Altersvorsorge) treffen,212 traten folglich schon bald gesellschaftspolitische (Ausgleich oder Streuung des Eigentums an Produktionsmitteln), wachstumspolitische (Stimulierung der Investitionstätigkeit), wettbewerbspolitische (Steigerung der Konkurrenz um Risikokapital), wirtschaftspolitische (Verbesserung der Eigenkapitalausstattung von Unternehmen) und wohlfahrtspolitische Zwecke (Allokationseffizienz).213 Im Zentrum stand dabei nicht der einzelne Anleger, der ohnehin als „Millionär“ nicht schutzwürdig sei, sondern der kapitalmarktrechtliche Funktionenschutz.214 Anlegerschutz ist nach diesem Verständnis folglich ein Teilaspekt des Funktionsschutzes und stellt lediglich einen Rechtsreflex dar.215 Daraus wird nun teilweise der Schluss gezogen, dass Normen, die mit Bußgeldern oder strafrechtlichen Sanktionen bewährt sind, das Ziel des Anlegerschutzes verfolgen können, ohne dem einzelnen Anleger dabei einen individuellen Schadensersatzanspruch zu gewähren. Eine Norm kann folglich dem Anlegerschutz zu dienen bestimmt sein, ohne dabei Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB zu sein.216 Andererseits ließe sich umgekehrt argumentieren, dass ein Anspruch zu gewähren ist, 207 Assmann, in: Assmann/Schütze (Hrsg.), Handbuch, § 1 Rn. 63; vgl. §§ 39 Abs. 1 Nr. 3, 40 Abs. 2 S. 1, 42 BörsG („Publikum“); Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 8.388 spricht von „Anlegerschaft“. 208 So Schwark, in: FS Stimpel, S. 1087, 1092 (spezifisch kapitalmarktrechtliche Aufgabe). 209 Hopt, Kapitalanlegerschutz, 51; Assmann, ZBB 1989, 49, 56; Merkt, Unternehmenspublizität, 304. 210 Koch/Schmidt, BFuP 1981, 231, 233. 211 Lutter, ZGR 2000, 1, 6 (die doppelte Zielsetzung herausarbeitend); vgl. Erwägungsgründe (1) – (6) der Prospektrichtlinie; Erwägungsgründe (4) – (6) der Insiderrichtlinie; nunmehr auch Erwägungsgründe (2), (12) der Marktmissbrauchsrichtlinie: Vertrauen der Öffentlichkeit in die Märkte. 212 Kübler, AG 1977, 85, 87. 213 Assmann, ZBB 1989, 49, 52 m.w.N. 214 Ebd., S. 61, Fn. 145; vgl. auch Wiedemann, BB 1975, 1591, 1597 (kein „Anlegerschutz für Millionäre“), kritisch dazu aber Hopt, Gutachten G, S. G 45. 215 Caspari, in: Grundmann (Hrsg.), S. 7, 8 m.w.N. 216 Anschaulich Buck-Heeb, § 1, Rn. 13.

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selbst wenn die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes eigentliches Ziel der Regulierung ist. Der Schutz des individuellen Anlegers ist eben erforderlich, um das kollektive Vertrauen in den Markt zu gewährleisten.217 Eine monofunktionale Betrachtungsweise ersetzt mithin den Individualschutz durch den Kollektivschutz. Mit der Erkenntnis, dass nicht jeder Anleger dem Leitbild des unerfahrenen Verbrauchers entspricht, wird argumentiert, dass institutionelle Investoren, wohlhabende Spekulanten oder juristische Personen schlichtweg nicht schutzbedürftig seien.218 Zudem hat Kapitalmarktrecht im Gegensatz zum Aktienrecht nicht nur die aktuellen Anleger, sondern ebenso die künftigen, potentiellen Investoren, ggf. sogar die Allgemeinheit im Blick.219 Auch auf sie zielt der Schutz ab, ohne ihnen im Einzelfall Ansprüche zu gewähren.220 Diese Reduktion auf den Kollektivschutz greift jedoch zu kurz. Individueller Anlegerschutz ist auch in dem dargestellten mittelbaren Verständnis als eigenständige Zielgröße zu sehen, die es anzustreben gilt (weiter Anlegerschutzbegriff).221 Wie hier aus ökonomischer Sicht hergeleitet werden soll, ist bei Transaktionen am Kapitalmarkt regelmäßig von Macht- und Informationsasymmetrien auszugehen, die zu einer potentiellen Gefährdung des Anlegervermögens führen, und daher auszugleichen sind.222 Es handelt sich hierbei aber um ein typisches Schutzbedürfnis eines Großteils der Anleger,223 welches nicht immer sozialstaatlich als spezifischer Verbraucherschutz gerechtfertigt werden kann.224 Im Gegenteil steht heute wie gesehen sogar die wirtschaftspolitisch-funktionale Betrachtung im Mittelpunkt.225 Anleger217

Hirte/Heinrich, Kö-Ko WpHG, Einl., Rn. 13 (Hervorhebung im Original). Prägnant schon Wiedemann, BB 1975, 1591, 1597. Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 79 ff. schlägt eine Unterteilung in verschiedene Anlegergruppen (private und institutionelle Investoren) vor. 219 Hirte/Heinrich, Kö-Ko WpHG, Einl., Rn. 4. 220 Der Anleger, der sich entscheidet nicht zu kaufen, ist ebenso schutzwürdig wie der spätere Aktionär. Sein Vertrauen in die Integrität des Marktes muss aber der kollektive Anlegerschutz gewährleisten. 221 Anschaulich Caspari, in: Grundmann (Hrsg.), S. 7. 222 Vgl. auch Brellochs, Publizität, S. 16. 223 Kalss, in: Armbrüster (Hrsg.), S. 65, 68. 224 Merkt, Unternehmenspublizität, S. 305. 225 Prägnant und anschaulich beschreibt der EuGH die Bedeutung Vertrauensschutzes schon 1995 in seinem Alpine-Investment-Urteil, in dem er ein Verbot des sog. Cold-Calling und die damit verbundene Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit aus Gründen des Vertrauens der Anleger in die nationalen Finanzmärkte rechtfertigte: „Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Finanzmärkte eine bedeutende Rolle bei der Kapitalbeschaffung für die Wirtschaftsteilnehmer spielen und dass ihr ordnungsgemäßes Funktionieren angesichts der spekulativen Natur und der Komplexität der Warenterminverträge weitgehend von dem Vertrauen abhängt, das sie bei den Kapitalanlegern genießen“, EuGH, Urteil vom 10. 5. 1995, Rs. C-384/93 (Alpine Investment), Slg. 1995, I-1167 (Verbot des Cold Callings und die damit verbundene Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit ist durch das Erfordernis des Vertrauens der Kapitalanleger in die nationalen Finanzmärkte gerechtfertigt). Das Urteil interessiert hier vor allem in der Klarheit, mit welcher der Funktionsschutz des Marktes aus dem überindividuellen Ver218

III. Der Marktbezug als wesentliches Kriterium jeder Publizitätspflicht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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schutz wird damit zum Bestandteil eines umfassenden Marktrechts.226 Damit behält er aber seine eigenständige Bedeutung als eine der Säulen des Funktionsdualismus von Kapitalmarktrecht und Publizität, welcher am Marktprozess als gemeinsamem Bezugspunkt anknüpft: Zum Schutz der Funktionsfähigkeit des Marktes insgesamt tritt der Individualschutz als Beschränkung individueller Risiken hinzu. Beide Funktionen stehen funktional in untrennbarer Wechselwirkung und sind bei der Ausgestaltung der Informationshaftung in Ausgleich zu bringen.227 Eine Vernachlässigung des Anlegerschutzgedankens kann dabei die Funktionsfähigkeit/Effizienz des Marktes ebenso beeinträchtigen, wie überzogene Schutzansprüche.228 Nur in einem aufeinander abgestimmten Zusammenspiel lässt sich folglich die optimale Wirkung erzielen.229 .

bb) Folgerungen für die Funktionsdogmatik der Publizität Was folgt daraus für das konzeptionelle Verständnis der hier untersuchten Publizitätsnormen? Diese dienen bei marktorientierter Betrachtung zunächst dem kollektiven Anlegerschutz. Sie sind das zentrale Instrument zur Gewährleistung der ACHTUNGREFunktionsfähigkeit der Kapitalmärkte.230 Gelingt es nicht, Informationsasymmetrien zwischen Anleger- und Nachfragerseite auszuräumen, kommt es zu Misstrauen, Marktabwanderung und informationellem Marktversagen.231 Die ökonomische Betrachtung wird zeigen, dass nach der modernen Kapitalmarkttheorie gar nicht davon ausgegangen werden kann, dass jeder Einzelne jede Information wahrnimmt und selbstständig verarbeitet. Er wird vielmehr über den Preisbildungsmechanismus geschützt.232 Informationsnormen liegen daher im öffentlichen Interesse; der einzelne Anleger wird nur im Sinne eines typischen Rechtsreflexes geschützt.233 Dies

trauensschutz hergeleitet wird. (Ausführlicher und theoretisch begründet erfolgt die Herleitung in den Schlussanträgen in derselben Sache von Generalanwalt Jacobs, Slg. 1995, I-1144, Tz. 68 ff.) Deutlich wird aber auch, dass der Vertrauensschutz trotz des spekulativen Risikos und der zunehmenden Komplexität der Anlageprodukte gewährleistet werden kann, und gerade aus diesen Gründen sogar in besonderem Maße auf kollektiver Ebene gewährleistet werden muss. Selbst wenn später aus ökonomischer Sicht davon ausgegangen wird, dass der Einzelne eine offengelegte Information, beispielsweise wegen deren Komplexität, gar nicht verstehen und verarbeiten kann, so wird die Publizitätspflicht folglich dennoch nicht hinfällig, sondern trägt zur Steigerung des kollektiven Vertrauens der Anleger in die Märkte und zu deren Effizienz bei. 226 Aktuell Brellochs, Publizität, S. 18. 227 Ausführlich Merkt, Unternehmenspublizität, S. 308. 228 Assmann, Prospekthaftung, S. 24. 229 Merkt, Unternehmenspublizität, S. 306. 230 Merkt, Unternehmenspublizität, S. 306. 231 Assmann, Kapitalmarktrecht, S. 278 f. 232 Black, 48 U.C.L.A. L. Rev. 781 (2001). 233 Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann (Hrsg.), KMG, § 15, Rn. 196.

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schließt nicht aus, verbraucherschutzrechtliche Elemente im Verhältnis zwischen Anleger und Intermediär zu berücksichtigen.234 Daneben kommt Publizitätsnormen aber nach dem weiten Anlegerschutzbegriff235 zugleich eine bedeutende Rolle bei Erreichung des Individualschutzziels zu.236 Das Prinzip der informierten Transaktionsentscheidung, nach welchem der Anleger durch die Gewährleistung möglichst vollständiger und richtiger Information in die Lage versetzt werden soll, die Risiken einer Anlage einschätzen und eine wohlüberlegte Anlageentscheidung treffen zu können,237 zählt zu den Leitprinzipien eines modernen, anlegerschutzorientierten Kapitalmarktrechts. Es dient sogar primär dem individuellen Anlegerschutz,238 der als unabhängige und eigenständige Leitgröße neben dem (marktbezogenen) Vertrauenskollektivschutz steht.239 Trifft die Rechtsordnung daher institutionelle Vorkehrungen, um eine hinreichende Informationsversorgung des Anlegerpublikums sicherzustellen und insoweit das Wissensgefälle zwischen den Marktgegenseiten einzuebnen, wird sie zugleich auch individualschützend tätig. Neuere empirische Untersuchungen, nach denen anlegerschützende Vorschriften und ihre wirksame Durchsetzung wesentliche Voraussetzung für entwickelte und liquide Kapitalmärkte seien, unterstützen diese Erkenntnis.240 Einzelheiten, vor allem die Richtung der Ursächlichkeit, sind dabei allerdings noch unklar und umstritten. Diese Doppelfunktionalität (Anlegerschutzbegriff erfasst sowohl Individualschutz als auch den Schutz des Anlegerpublikums) trifft noch keine Aussage über die konkreten Folgen von Pflichtverletzungen. Der Schutzgesetzcharakter einer Norm ist im spezifischen Einzelfall zu bestimmen und richtet sich nach dem Willen des Gesetzgebers.241 Inwieweit dabei von vertrauensindividual- oder vertrauenskollektivschützender Wirkung auszugehen ist, kann und soll hier nicht erörtert werden.242 Üblicherweise werden Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Publizitätspflichten wie § 15 WpHG verneint,243 was vor dem Hintergrund, dass schützenswerte ACHTUNGREIndividualinteressen der Anleger durch §§ 37b, c WpHG abgesichert sind,244 durch234

Merkt, Unternehmenspublizität, S. 421. Brellochs, Publizität, S. 15. 236 Merkt, Unternehmenspublizität, S. 308. 237 Fleischer, Gutachten F, S. F25, F27. 238 Hopt/Voigt, S. 9, 13 m.w.N. 239 Fleischer, in: Schulte-Nölke/Schulze, S. 171, 173. 240 LaPorta et al., 52 J.Fin. 1131 (1997); dies., 106 J.Pol.Econ. 1113 (1998); dies., 55 J. Fin. 1 (2000). 241 Sprau, in: Palandt, BGB, § 823, Rn. 141 m.w.N. zur höchstrichterlichen Rechtsprechung. 242 Überblick über die Diskussion bei Sethe, Anlegerschutz, S. 747 ff., insb. S. 758 ff. 243 Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, KMG, § 15 WpHG, Rn. 195 ff. m.w.N. 244 Ebd., Rn. 199, unter ausdrücklicher Voraussetzung, dass eine effektive Durchsetzung durch eine Bundesoberbehörde (BaFin) sichergestellt ist; vgl. BGH, WM 1991, 2090, 2092. Nach überwiegender Auffassung ist damit das ursprüngliche Konzept, zivilrechtlichen Schadensersatz generell zu versagen (§ 15 WpHG kein Schutzgesetz, daher keine Schadensersatz235

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aus angemessen erscheint.245 Dahinter steht der Gedanke, dass die Verletzung einer Publizitätspflicht nicht eine ungeahnte Vielzahl von Schadensersatzansprüchen nach sich ziehen soll, welche die Emittenten unverhältnismäßig belasten und letztlich vom Markt verdrängen würden.246 (Ausgleich von Funktions- und Individualschutzfunktion). Ferner bestehen Bedenken, dass die Informationen unspezifischer werden könnten, um einer möglichen Haftung zu entgehen. An dieser Stelle sei aus juristischer Sicht davor gewarnt, die nachfolgende Betrachtung auf ökonomische Marktmodelle zu begrenzen und individuellen Anlegerschutz generell hintan zu stellen. Gerade vor dem Hintergrund einer voranschreitenden Ersetzung materiell zwingenden Gesellschaftsrechts durch Publizität (Informationsmodell)247 sind die konzeptionellen Grundlagen des Anlegerschutzes erneut ACHTUNGREeinzelfallbezogen kritisch zu hinterfragen, um ein hinreichendes Schutzniveau zu gewährleisten. Ansonsten ist auch die vertrauensbildende Funktion beim einzelnen Anleger gefährdet.248 Dabei ist zu beachten, dass die durch Publizität erreichte Schutzintensität je nach Entwicklungsstufe des Marktes höchst unterschiedlich ausfallen kann. cc) Inhaltliche Ausprägung des Anlegerschutzes Trotz der untrennbaren Verflechtung von Anleger- und Funktionsschutz lassen sich mithin inhaltliche Unterschiede der beiden Regelungsziele ausmachen. Dabei geht auch die Unterscheidung verschiedener Ausprägungen des Anlegerschutzprinzips wesentlich auf Hopt zurück, der eine Reihe von Risiken ausmacht, denen der Anleger ausgesetzt ist.249 In seiner Rolle als Anleger sieht dieser sich zunächst dem Risiko der Substanzerhaltung (Verminderung oder Verlust der Anlagesumme) ausgesetzt. Im Vorfeld steht die sachgerechte Anlageentscheidung im Mittelpunkt, so dass ein eigenständiges Opportunitätsrisiko (Auswahlrisiko) abgegrenzt werden kann.250 Abwicklungs- und Verwaltungsrisiko resultieren aus der Abhängigkeit, die der Einsatz Dritter mit sich bringt. Als besondere Ausprägung lässt sich an dieser Stelle ein Interessenvertretungsrisiko differenzieren, das aus der Mitwirkung Dritter ansprüche, vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum WpHG, BTDrucks. 12/7918, S. 102) aufgegeben. Stattdessen hat der Gesetzgeber im Rahmen des 4. FMFG ein eigenständiges kapitalmarktrechtliches Schadensersatzregime geschaffen (§§ 37 b, c WpHG). Dies ändert jedoch nichts an der fehlenden Schutzgesetzqualität des § 15 WpHG, Geibel/Schäfer, ebd., Rn. 197 unter Verweis auf die Neuformulierung des § 15 Abs. 6 WpHG. 245 Ausführliche Begründung bei Eichner, Insiderrecht, S. 35 ff. (mit dem Hinweis, dass auch das 10-Punkte-Programm der Bundesregierung zur Verbesserung von Unternehmensintegrität und Anlegerschutz die Gewährung von Individualansprüchen nicht einmal erwägt). 246 RegE WpHG, BT-Drucks. 12/6679, S. 33; str., a.A. Gehrt, S. 195 ff., 200 ff. (Drittschutz § 15 WpHG). 247 Dazu unten, Teil C. 248 Vogel, in: Assmann/Schneider, § 20a WpHG, Rn. 22. 249 Klassische Abgrenzung nach Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 82 ff., 337 ff.; nur geringfügig abweichend Assmann, in: Hopt/Wiedemann, GK-AktG, Einl., Rn. 367 ff. 250 Schwark, Anlegerschutz, S. 10 („Interesse einer sachgerechten Anlegeentscheidung“).

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A. Einführung und Abgrenzung des Untersuchungsbereichs

an der Anlageentscheidung selbst resultiert (Beratung oder Übernahme der Vermögensverwaltung). Zudem treffen den Anleger bei der Anlageentscheidung ein Informations-251 und ein Konditionenrisiko. Diese Risiken sollen bei der weiteren Betrachtung im Blick behalten werden und, im Hinblick auf Assmanns Systematisierung all dieser Risiken als Teilrisiken eines umfassenden Informationsrisikos,252 immer wieder insbesondere der Frage ausgesetzt sein, in welchem Maße Informationsnormen geeignet sind, sie zu beseitigen oder einzugrenzen.253 In enger Wechselbeziehung zur Funktionsfähigkeit des Marktes stehen schließlich Ertrags- und Liquidationsinteresse des Anlegers,254 der seine Investition nur in der begründeten Erwartung einer Rendite und bei Möglichkeit der Wiederveräußerung an einem Markt tätigen wird. Ziel des Anlegerschutzes ist es demnach nicht, den Anleger seiner selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Anlageentscheidung zu entheben, und ihn somit gewissermaßen zu entmündigen. Ebenso wenig darf das jeder Kapitalanlage immanente Risiko nicht zugunsten des Anlegers im Sinne einer späteren ex post-Korrektur künstlich verschoben werden. Vielmehr ist die Einschätzbarkeit des Risikos durch den Investor ex ante zu gewährleisten, was durch hinreichende und tatsächliche Informationen erfolgt.255 Dabei ist das Anlageverhalten privater Investoren zu berücksichtigen, das oftmals widersprüchlich und nicht voll durchdacht erscheint. Hopt verweist diesbezüglich auf eine 1963 durchgeführte Studie des DIVO-Instituts, nach welcher „46 % nur gekauft hatten, 24 % weder gekauft noch verkauft hatten, nur 23 % gekauft und verkauft und 6 % nur verkauft hatten. Das erstaunliche dieser Umfrage ist, dass insgesamt 70 % vier Jahre lang ohne Rücksicht auf Hausse oder Baisse nicht verkauft haben und dass 24 % völlig inaktiv waren.“256 Eine solche Strategie kann bei Berücksichtigung von Transaktionskosten und bei Annahme schwacher Informationseffizienz des 251 Hopt, Gutachten G, S. G 15 ff., G 34 ff., sowie ders., Kapitalanlegerschutz, S. 53 f., 82 ff. grenzt ein eigenständiges Informationsrisiko bei der Anlageentscheidung ab, welches stark dem hier aufgenommenen Auswahl- oder Opportunitätsrisiko bei der Anlageentscheidung ähnelt. Zu Assmanns abweichendem Verständnis, sogleich. 252 Assmann, in: Hopt/Wiedemann, GK-AktG, Einl., Rn. 373 ff. versteht alle aufgeführten Risiken als Teil eines umfassenden Informationsrisikos, das sich auf die Wahrnehmung der einzelnen Risiken selbst wie auch die Einschätzung der Qualität der Informationen zu einer sachgemäßen Beurteilung der Risiken (gewissermaßen als Oberbegriff) beziehe. 253 Insofern sollen hier Informationsdefizite als grundsätzliches Problem verstanden werden. Informationsnormen sind dann möglicherweise ein Mittel zur Eindämmung der erwähnten Risiken. Das Risiko sachgerechter und richtiger Information wird somit zum (alle anderen Risiken umfassenden) Oberbegriff i.S. Assmanns, insofern, als sich alle benannten Risiken durch umfassende Information eindämmen lassen. 254 Ein eigenständiges Liquidationsrisiko tritt hinzu, wenn kein funktionsfähiger Sekundärmarkt zur Weiterveräußerung zur Verfügung steht, Assmann, in: Hopt/Wiedemann, GKAktG, Einl., Rn. 371. Letztlich lassen sich alle Risiken auch im Sinne des Zieles verstehen, einen funktionsfähigen Markt zu gewährleisten. Die Veräußerbarkeit der Anlage ist dann Teil der sachgerechten Investitionsentscheidung; vgl. Huser, Anlegerschutz, S. 9. 255 Hopt, WuR 38 (1986), 101, 125. 256 Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 91.

III. Der Marktbezug als wesentliches Kriterium jeder Publizitätspflicht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Marktes257 durchaus rational begründbar sein. Sie verdeutlicht jedoch schon hier, dass informationeller Anlegerschutz nicht ausschließlich von der Umsetzung offengelegter Informationen durch den Einzelnen und einer eigenverantwortlichen Wahrnehmung seiner Rechte ausgehen kann, sondern dass ein fairer Preisbildungsmechanismus über den Markt als notwendiges Bindeglied erscheint. Ansonsten wären gerade private Eigenkapitalgeber benachteiligt, die im Vergleich zu institutionellen Investoren als loyaler gegenüber den Unternehmen einzustufen sind, da sie in der Regel langfristige Strategien verfolgen und bei Kursverlusten nicht sofort verkaufen.258 c) Weitere Regelungsziele Vereinzelt wird vertreten, das Kapitalmarktrecht verfolge neben Funktions- und Anlegerschutz weitere Regelungsziele, etwa die Schaffung eines „level playing field“ in Europa, die Gewährleistung internationaler Konkurrenzfähigkeit der europäischen Kapitalmärkte, der Schutz der Vertraulichkeitssphäre von Unternehmen, oder die Gewährleistung von Chancengleichheit unter den Anlegern.259 Bei näherer Betrachtung wird aber deutlich, dass es sich hierbei stets um die Betonung von Einzelaspekten handelt, die für sich genommen eine Regelung nicht zu legitimieren vermögen.260 Daher sollen sie hier nicht als gesonderte Regelungsziele, sondern als Regulierungskonzepte oder allgemeine Rechtsprinzipien verstanden werden. So hat das kapitalmarktrechtliche Gleichbehandlungsprinzip den Grundgedanken der Chancengleichheit auf einem fairen Markt ebenso herausgearbeitet, wie versucht wird, das besondere Bedürfnis des Kleinanlegers vor Betrug und Marktverzerrungen zu berücksichtigen.261 Die Betrachtungsweisen (etwa die Frage: Ist auch Spekulanten Schutz zu gewähren, da jeder Kapitalanlage ein spekulatives Element immanent ist, oder ist der Schutz auf unerfahrene Kleinanleger zu begrenzen?)262 haben erheblich dazu beigetragen, das Leitbild des zu schützenden Anlegers zu konkretisieren und dessen Schutz zu optimieren. Im Kern geht es aber auch hier darum, Anleger- und Funktionsschutz in Ausgleich zu bringen und somit zu maximieren. d) Corporate Governance mittels Kapitalmarktrechts Die funktionsanalytische Betrachtung wird zeigen, dass Publizität heute vielfach genutzt wird, um über den verhaltenssteuernden Druck des Kapitalmarktes gezielt die 257 Danach kann auf Basis technischer Analysen im Mittel keine höhere Rendite erzielt werden, als mit einer buy and hold-Strategie, vgl. unten, B.III.1.b). 258 Oehler/Mesel, Die Bank 1990, 560, 563 f. 259 Eichner, Ad hoc-Publizität, S. 32 ff. m.w.N. (aus insiderrechtlicher Sicht). 260 So zu Recht auch Eichner, ebd., mit ausführlicher Begründung und weiteren Nachweisen. 261 Dazu monographisch Mehringer, Gleichbehandlungsprinzip. 262 Wirz, S. 51 (Schutz sämtlicher Marktteilnehmer); a.A. Rohr S. 26 (Schutz von Kleinanlegern).

60 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

A. Einführung und Abgrenzung des Untersuchungsbereichs

Corporate Governance von Unternehmen zu beeinflussen.263 Einerseits bietet sie die informationelle Grundlage der internen Unternehmensüberwachung und Kontrolle, andererseits ermöglicht sie eine externe Kontrolle unternehmerischer Entscheidungen durch den Markt.264 Diese Verwendung eines „kapitalmarktrechtlichen“ Regelungsinstruments verleitet dazu, die Grenzen zwischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht aufzuheben, und die Verbesserung von Corporate Governance-Mechanismen als „drittes Ziel“ des Kapitalmarktrechts einzuordnen (und so die hohe ACHTUNGRERegelungsdichte in diesem Bereich zu rechtfertigen).265 Dies widerspricht der hier verfolgten Definition. Daher ist zu differenzieren: (1) Trotz der zunehmend engen wechselseitigen Verflechtung aller Bereiche des Unternehmensrechts soll an der Unterscheidung verschiedener Rechtsgebiete festgehalten werden. (2) Corporate Governance ist im Schnittfeld zwischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht anzuordnen.266 Sie wirkt in beide Rechtsgebiete hinein,267 und wird durch beide beeinflusst,268 was die Notwendigkeit einer integrierten Betrachtung verdeutlicht. (3) Im Folgenden soll die Publizität als marktrechtliches Institut herausgearbeitet werden, das gewissermaßen die „Klammer“ um die einzelnen Bereiche des Unternehmensrechts schließt und weit in diese hineinreicht. (4) Die dualistische Zielkonzeption des Kapitalmarktrechts schließt mithin nicht aus, dass das Mittel der Publizität weitere (unternehmensrechtliche) Ziele verfolgt. Die Einführung in marktrechtliche Mechanismen anhand des Beispiels Kapitalmarktrecht darf nicht dazu führen, Publizität auf diese kapitalmarktrechtliche Perspektive zu beschränken. (5) Es wird im Verlauf der Arbeit zu hinterfragen sein, inwieweit sich durch eine bessere Abstimmung und Integration der Rechtsgebiete Inkonsistenzen und Reibungsverluste vermeiden lassen. So könnte ein „Sonderrecht für die börsennotierte AG“ sämtliche Aspekte marktsegmentspezifisch ausgestalten und in Ausgleich bringen.269

263

Siehe unten, B.III.2.e). Zur Unterscheidung von interner und externer Corporate Governance, unten, D.II.3.g); sowie Hopt, ZGR 2000, 779, 783. 265 Etwa Hellgardt, in: FS Hopt, S. 397, 407 ff. mit umfassender Herleitung aus dem USRecht. Nicht deutlich wird dabei, ob der Anlegerschutz als eigenständiges Regelungsziel aufgegeben wird. 266 High Level Group, Ch. II.3, S. 34. 267 Unternehmensintern und extern, beispielsweise durch Förderung des Anlegerschutzes. 268 Durch Kapitalmarktrecht werden viele interne Governance-Mechanismen erst ermöglicht, unten, B.II.3.e). 269 Diese Beschränkung der Publizität auf den Kapitalmarkt griffe allerdings, wie zu zeigen sein wird, zu kurz. Zu den Auswirkungen für alle Unternehmen, siehe unten, B.III.2.e), sowie Teil C.; näher sogleich. 264

III. Der Marktbezug als wesentliches Kriterium jeder Publizitätspflicht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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6. Systematisierung der Kapitalmärkte als Ausgangspunkt des Konzepts Neben Funktionsdogmatik und Zielen des Kapitalmarktrechts erscheinen auch die Systematisierungsansätze dieses Rechtsgebietes äußerst aufschlussreich für eine prinzipienmäßige Durchdringung der Publizität. Dieser liegen nach dem hier angeregten Verständnis als marktbezogenes Regelungsinstitut dieselben Strukturen zu Grunde, die auch in der Marktordnung widergespiegelt sind, so dass letztere gewissermaßen den äußeren strukturellen Rahmen des Publizitätskonzepts vorgibt. a) Primär- und Sekundärmärkte Eine Systematisierung270 der Kapitalmärkte muss zunächst zwischen Primärmärkten und Sekundärmärkten differenzieren.271 Primärmärkte sind solche, an denen ein Wertpapier erstmals platziert wird.272 Bei einem öffentlichen Angebot (§ 2 Nr. 4 WpPG) oder Zulassung zu einem organisierten Markt muss nach § 3 Abs. 1 WpPG ein Prospekt veröffentlicht werden, welcher das Publikum umfassend informieren soll.273 Diese Publizitätspflicht knüpft mithin an die erstmalige Inanspruchnahme des Marktes an und gewährleistet in diesem Fall ein „Grundgerüst“ an Informationen. An den Sekundärmärkten werden demgegenüber die Wertpapiere an einen Zweiterwerber oder an weitere Erwerber weiterveräußert.274 Die besondere Bedeutung der Sekundärmärkte erwächst aus ihrer Funktion, die mit der Erstplatzierung erworbene Anlage wieder veräußerlich und liquidierbar werden zu lassen.275 Je mehr Wertpapiere an einem Sekundärmarkt gehandelt werden, desto höher ist die Liquidität der betreffenden Titel, und desto effizienter ist der Markt, einen Preis abzubilden, der dem tatsächlichen Wert entspricht.276 Primär- und Sekundärmärkte sind folglich untrennbar miteinander verbunden. Für die Betrachtung der Publizitätsvorschriften folgt daraus, dass die Offenlegungspflichten des Primärmarkts in besonderem Maße auf ihre Kohärenz mit denen des Sekundärmarktes hin betrachtet werden müssen, und umgekehrt.277 Die Pflichten des Sekundärmarkts setzten die Markteintritts270 Grundlegend zum Systemdenken Canaris, Systemdenken. Ziel rechtswissenschaftlicher Arbeit muss es danach sein, nach inneren und äußeren Zusammenhängen zu suchen, gemeinsame Prinzipien herauszuarbeiten, und Systemlücken sowie systemfremde Normen aufzuzeigen. 271 Buck-Heeb, § 1, Rn. 68. 272 Kümpel, Rn. 8.174. 273 Siehe §§ 5 ff. WpPG. 274 Lenenbach, § 1, Rn. 1.13. 275 Ebd. 276 Ebd.; zur ökonomischen Betrachtung sogleich. 277 Hopt, ZHR 141 (1977), 389, 425 sieht die rechtliche Bedeutung der Unterscheidung zwischen Primär- und Sekundärmärkten in den unterschiedlichen Regelungsproblemen. Danach gehe es im Primärmarkt hauptsächlich um die Information über Emittent und Titel, wohingegen der Sekundärmarkt die Durchführung und Abwicklung der Wertpapiergeschäfte

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A. Einführung und Abgrenzung des Untersuchungsbereichs

publizität somit gewissermaßen fort und gewährleisten ein hinreichendes Maß an Informationen während der laufenden Marktteilnahme. Unterzieht man diese Marktteilnahmepublizität einer weiteren Systematisierung, so lassen sich Vorschriften der (emittenten- oder wertpapierbezogenen) Regelpublizität von anlassbezogenen Publizitätspflichten unterscheiden.278 Diese Vorschriften weisen funktionale Unterschiede auf, die zu vertiefen sein werden,279 ergänzen sich jedoch in der Zusammenschau letztendlich zu einem schlüssigen, abgestimmten Konzept. b) Marktorganisation aa) Organisierte und nicht organisierte Märkte Des Weiteren ist zwischen organisierten und nicht organisierten Märkten zu unterscheiden.280 Vor allem die Sekundärmärkte weisen erhebliche Unterschiede in Organisationsgrad und Regelungsdichte auf.281 Kennzeichnend für einen hohen Organisationsgrad sind dabei insbesondere die Standardisierung der Handelsobjekte, die vereinfachte Rechtsübertragung, die örtliche und zeitliche Konzentration des Handels, die Offenlegung des Marktgeschehens, und die Verpflichtung der Emittenten der gehandelten Titel zu umfassender Publizität.282 Ein erhöhter Organisationsgrad trägt somit zu schnellen, kosteneffizienten, sicheren und jederzeit umsetzbaren im Blick habe. Dem ist grundsätzlich zuzustimmen, kann aber unter dem Gesichtspunkt der Publizitätsvorschriften so nicht gefolgt werden. Vielmehr soll hier eine Betrachtung angeregt werden, die gerade auch die Wechselwirkungen und Gemeinsamkeiten von Primär- und Sekundärmärkten betrachtet. Die Zulassungsfolgepflichten betreffen gerade auch Informationen über Emittent und Titel. In den USA ist mit Einführung des „integrated disclosure systems“ für „well-known seasoned issuers“ vorbildlich gezeigt worden, wie am Markt bekannte (Sekundärmarkt-)Informationen bei Neuplatzierungen gezielt genutzt werden können. Daher soll hier bereits frühzeitig die enge Verflechtung zwischen Primär- und Sekundärmärkten betont werden. 278 Statt vieler Brellochs, S. 51 ff., 59 ff. 279 Dazu unten, B.IV.2. So kann Regelpublizität aufgrund der Vergleichbarkeit und Vorhersehbarkeit besser verarbeitet werden, anlassbezogene Pflichten sind dagegen aktueller; zum Konzept, unten, Teil D. 280 Vgl. § 2 Abs. 5 WpHG, sowie § 2 Nr. 16 WpPG: „Organisierter Markt im Sinne dieses Gesetzes ist ein im Inland, in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum betriebenes oder verwaltetes, durch staatliche Stellen genehmigtes, geregeltes und überwachtes multilaterales System, das die Interessen einer Vielzahl von Personen am Kauf und Verkauf von dort zum Handel zugelassenen Finanzinstrumenten innerhalb des Systems und nach festgelegten Bestimmungen in einer Weise zusammenbringt oder das Zusammenbringen fördert, die zu einem Vertrag über den Kauf dieser Finanzinstrumente führt.“ Die Definition des organisierten Marktes entspricht derjenigen des geregelten Marktes („regulated market“) im europäischen Recht, vgl. Art. 4 Nr. 14 MiFID, ABl. L 145 vom 30. 4. 2004, S. 1, Grunewald, S. 7. Eine Übersicht der geregelten Märkte der EU findet sich im Amtsblatt, Informationsnummer 2005/C 300/05, ABl. C 300 vom 30. 11. 2005, S. 23. 281 Lenenbach, § 1, Rn. 1.15. 282 Franke/Hax, S. 58 f.

III. Der Marktbezug als wesentliches Kriterium jeder Publizitätspflicht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Geschäften bei und ist zugleich durch eine hohe Transparenz des Marktes gekennzeichnet, was nicht zuletzt auch dem Anlegerschutz förderlich ist. Eine hohe Regelungsdichte bringt aber zugleich die Gefahr einer Überregulierung mit sich, welche sich dann nachteilig auf die Effizienz des Marktes auswirken würde.283 bb) Geregelte Märkte i.S.d. Art. 4 Nr. 14 MiFID Durch Umsetzung284 der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente285 nebst Durchführungsrichtlinie286 und Durchführungsverordnung287 hat die Infrastruktur des Kapitalmarkts zum 1. November 2007 tiefgreifende Veränderungen erfahren.288 Die Marktplätze für Finanzinstrumente werden nunmehr in Börsen (§ 2 Abs. 1 BörsG), multilaterale Handelssysteme (MTFs, § 2 Abs. 5 WpHG), sowie systematische Internalisierer (§ 2 Abs. 10 WpHG) unterteilt.289 Die Börsen weisen als wesentliches Strukturelement des organisierten Kapitalmarkts noch immer den höchsten ACHTUNGREOrganisationsgrad auf.290 Insbesondere gewährleistet die Börsenzulassung die Erfüllung eines strengen Publizitätsregimes. Zwar unterliegen nunmehr auch die alternativen Handelssysteme291, namentlich multilaterale Handelssysteme nach §§ 31f – 31h WpHG und die systematischen Internalisierer gem. §§ 32 – 32d WpHG als organisierte außerbörsliche Märkte einer umfassenden Vor- und Nachhandelstransparenz.292 Im Hinblick auf die Markttransparenz unterscheiden sich die Elektronischen Handelssysteme allerdings, bedingt durch ihren wesentlich geringeren Organisationsgrad, erheblich von den Börsen. Sie seien daher im Folgenden ausgeklammert und die Betrachtung auf den regulierten Markt der Börsen293 beschränkt. Damit fallen auch 283

Lenenbach, § 1, Rn. 1.15. Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (RiL 2004/39/ EG, MiFID) und der Durchführungsrichtlinie (RiL 2006/73/EG) der Kommission (Finanzmarkt-Richtlinie-Umsetzungsgesetz, FRUG) vom 16. 7. 2007, BGBl. I 2007 vom 19. 7. 2007, S. 1330; dazu Holzborn/Israel, NJW 2008, 791 ff.; Spindler/Kasten, WM 2006, 1749 ff. 285 Richtlinie 2004/39/EG (MiFID), zuletzt geändert durch Richtlinie 2007/44/EG. 286 Richtlinie 2006/73/EG (MiFID-DRL). 287 Verordnung (EG) Nr. 1287/2006 (MiFID-DVO). 288 Zu den Änderungen durch FRUG/MiFID im deutschen Recht Holzborn/Israel, NJW 2008, 791, zur Grundkonzeption Fleischer, BKR 2006, 389, 393 ff. m.w.N.; zur Wettbewerbsfähigkeit der konventionellen Börsen auch nach neuem Recht Gomber/Hirschberg, AG 2006, 777. 289 Aufgehoben sind damit die Bestimmungen über elektronische Handelssysteme und börsenähnliche Einrichtungen (§§ 58 ff. BörsG a.F.), vgl. Spindler/Kasten, WM 2006, 1749, 1753 ff. 290 Lenenbach, § 1, Rn. 1.16 ff. 291 Alternative Handelssysteme (Alternative Trading Systems/ATS), stellen eine privatrechtlich organisierte, kostengünstige und schnelle Alternative zum klassischen Börsenhandel dar; dazu Lenenbach, § 1, Rn. 1.22. 292 Gleiches gilt für den Freiverkehr, § 48 BörsG. 293 Die Zulassung und Einbeziehung in den regulierten Markt erfolgt nach §§ 22 ff. BörsG. 284

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A. Einführung und Abgrenzung des Untersuchungsbereichs

der nicht organisierte außerbörsliche Handel294 und der „Graue Kapitalmarkt“295 nicht mehr in den durch diese Arbeit behandelten Bereich.296 Es soll jedoch im Auge behalten werden, dass durch die Einführung harmonisierter Regelungen durch die MiFID ein „Level Playing Field“ für den Wertpapierhandel in Europa geschaffen wurde,297 welches den Wettbewerb der Handelsplätze untereinander erheblich stärkt.298 Somit besteht zum einen die Gefahr, dass sich Kapitalanbieter wie -nachfrager bei nachteiliger Regulierung auf alternative Handelsplätze zurückziehen. Andererseits ist es aber dadurch möglich, den Regelungsrahmen am geregelten Markt spezifisch auf die Bedürfnisse der dortigen Adressatengruppe auszurichten, da für die anderen Marktteilnehmer weniger strikt regulierte Marktsegmente zur Verfügung stehen.299 cc) Terminologie aus deutscher Sicht Terminologisch ist seit der Neuorganisation der Märkte Vorsicht geboten. Das deutsche Recht spricht nunmehr vom regulierten (§ 32 BörsG) oder organisierten 294 Der außerbörsliche Handel zwischen institutionellen Anlegern/Interbankenhandel fällt, solange er nicht regelmäßig und standardisiert stattfindet, nicht unter die Organisationsregelungen der §§ 22 ff. WpHG, und kann somit als nicht organisierter Handel eingestuft werden. Er wird häufig auch als OTC-Handel bezeichnet („over the counter“). Die genauen Abgrenzungskriterien sind noch unklar, Gomber/Hirschbach, AG 2006, 777, 780; Spindler/Kasten, WM 2006, 1749, 1755. 295 Am nicht organisierten grauen Kapitalmarkt werden vor allem Anteile an Publikumspersonengesellschaften gehandelt, zum Beispiel Grundstücks- und Schiffsbeteiligungen in Form der GmbH & Co. KG, Grunewald, S. 7. 296 Die Erstplatzierung von Aktien erfolgt im Regelfall außerhalb der Börse durch ein Bankenkonsortium, welches die Stücke vor der Weiterveräußerung am Sekundärmarkt zunächst übernimmt. Auch der Primärmarkt stellt folglich, wie OTC-Handel und grauer Kapitalmarkt, einen nicht organisierten Markt dar. Die mit der Prospektpflicht nach § 3 Abs. 1 WpPG greifenden Publizitätspflichten sollen aber im Hinblick auf ihre Wechselwirkungen mit den Zulassungsfolgepflichten an gegebener Stelle mit berücksichtigt werden. 297 Ziele der MiFID sind neben der Schaffung eines „Level Playing Field“ zudem eine Stärkung des Anlegerschutzes und der Marktintegrität, Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie über Wertpapierdienstleistungen, KOM 2002 (625) vom 19. 11. 2001, S. 6; vgl. Erwägungsgründe (44), (71) MiFID. 298 Die MiFID erhöhte den Wettbewerb der Ausführungsmechanismen auf nationaler Ebene sowie auch im Europäischen Binnenmarkt. Besonders in Märkten wie Frankreich, Italien oder Spanien führte der Wegfall der Möglichkeit, auf nationaler Ebene einen Börsenzwang oder Börsenvorrang zu statuieren, zu einer erheblichen Veränderung der Marktstruktur. Dazu Gomber/Hirschberg, AG 2006, 777, 779, 782. 299 Diese Ausdifferenzierung könnte dann dazu führen, dass die verschiedenen Systeme mit unterschiedlicher Regelungsdichte in einen Wettbewerb zueinander treten, in welchem sich ein optimaler Ausgleich der Interessen herauskristallisieren wird; vgl. Vollmer, in: FS Lukes, S. 609, 611, 617 (Möglichkeiten der Deregulierung durch Marktsegmentierung und daraus folgend ein Wettbewerb der Marktsegmente). Ob ein solcher Wettbewerb allerdings wahrscheinlich ist, und ob es letztendlich gesamtwirtschaftlich („wohlfahrtsökonomisch“) überhaupt hinzunehmen wäre, ein Segment wie den geregelten Markt durch Abwanderung des Kapitals funktionsunfähig werden zu lassen, wird noch näher zu hinterfragen sein.

III. Der Marktbezug als wesentliches Kriterium jeder Publizitätspflicht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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(§ 2 Abs. 5 WpHG, § 2 Nr. 16 WpPG) Markt, wobei der regulierte Markt als Zusammenfassung des ehemaligen amtlichen und geregelten Marktes zu verstehen ist, und somit kein eigenes Marktsegment darstellt.300 Vielmehr werden die beiden Begriffe „regulierter“ und „organisierter“ Markt „aus gesetzgeberischer Bequemlichkeit“ parallel verwendet.301 Davon zu unterscheiden ist der geregelte Markt als Handelsplatz im europäischen Recht, der nach Art. 2 Nr. 8 MiFID-DVO von MTFs und systematischen Internalisierern abgegrenzt wird. Geregelte Märkte bedürfen als solche einer Zulassung, Art. 36 MiFID. Die wesentlichen Regeln des europäischen Kapitalmarktrechts gelten nur für die geregelten Märkte, Art. 1 Abs. 1 Prospektrichtlinie, Art. 1 Abs. 1 Transparenzrichtlinie, Art. 9 Abs. 1 Marktmissbrauchsrichtlinie, Art. 1 Abs. 1 Übernahmerichtlinie. Dadurch ergibt sich für die geregelten Märkte ein ganz unterschiedliches Regelungsregime („Sonderrecht“).302 Mit der thematischen Begrenzung auf den regulierten Markt der Börsen im deutschen Recht einher geht folglich auf europäischer Ebene eine Begrenzung auf die geregelten Märkte im Sinne der europäischen Terminologie. Ausgeklammert bleiben MTFs und systematische Internalisierer. dd) Auswirkungen auf das „Prinzip konzentrischer Marktkreise“ Durch die MiFID ist das „Prinzip konzentrischer Marktkreise“ als Kriterium der Systematisierung damit stark relativiert worden.303 Dieses Prinzip besagt im Kern, dass Regelungsbedürfnis und Regelungsdichte (und damit auch Publizitätspflichten) vom äußersten zum innersten Marktkreis hin steigen.304 Mit der europarechtlichen Ausdehnung des kapitalmarktrechtlichen Publizitätssystems auf den geregelten Markt i.S.v. Art. 4 Nr. 14 MiFID konzentriert sich der Blick nunmehr auf das „Sonderrecht“ eines einheitlichen Marktsegments, innerhalb dessen keine weitere Abstufung erfolgt.305 Aus deutscher Sicht bedeutet dies, dass am regulierten Markt der ACHTUNGREBörsen (organisierter Markt i.S.d. § 2 Abs. 5 WpHG) einheitlich das höchste Publizitätsniveau erreicht ist. Diesem Marktsegment kommt folglich ein gewisser „Modellcharakter“ für die rechtliche Ausgestaltung der Publizität zu,306 weshalb es als Ansatzpunkt einer umfassenden Systematisierung von Publizitätsvorschriften besonders geeignet erscheint.

300

Begr. RegE FRUG, BT-Drucks. 14/4028, S. 100. Klöhn, in: Langenbucher (Hrsg.), § 6, Rn. 25. 302 Zur Herausbildung eines „Sonderrechts der börsennotierten AG“ vgl. Fleischer, ZIP 06, 451, 454. 303 Übersichtliche Darstellung bei Brellochs, Publizität, S. 41 ff. 304 Im Einzelnen Merkt, Unternehmenspublizität, S. 141 m.w.N. (unterscheidet 2001 fünf Marktkreise). 305 Vgl. im Einzelnen Brellochs, Publizität, S. 44. 306 Brellochs, Publizität, S. 51 m.w.N. 301

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A. Einführung und Abgrenzung des Untersuchungsbereichs

ee) Erstreckung der „Marktkreise“ auf marktbezogenes Unternehmensrecht Geht die Betrachtung jedoch über den regulierten Markt in die anderen Segmente hinaus, erlangt das Bild konzentrischer Marktkreise seine vormalige Bedeutung. Hier offenbart sich sogar ein nach der Intensität der Marktteilnahme abgestuftes System der Publizität,307 das noch weit über das Kapitalmarktrecht hinaus reicht, und das gesamte Unternehmensrecht durchzieht. Deshalb sind in eine systembildende Betrachtung, welche die konzeptionellen Grundlagen der Pflichtpublizität verdeutlichen will, zumindest am Rande auch die Perspektive der GmbH und der nicht börsennotierten AG einzubeziehen. Im Ergebnis wird sich zeigen, dass sowohl die Sondervorschriften für börsennotierte AG (§ 3 Abs. 2 AktG), kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaft (§ 264d HGB) – denn diese Abgrenzungen entsprechen der Inanspruchnahme eines organisierten Marktes – aber auch die im HGB vorgesehenen größenabhängigen Befreiungen und Erleichterungen (vgl. § 267 HGB) sich auf diesen Systematisierungsgedanken eines abgestuften Konzepts zurückführen lassen. Erst wenn dieser gemeinsame Bezugspunkt herausgearbeitet ist, kann auf Details der internen konzeptionellen Abstimmung eingegangen werden. Werden im Folgenden hoheitliche Publizitätspflichten einer funktionsorientierten Analyse unterzogen, so werden damit vor allem zwei Erweiterungen deutlich. Erstens wird sich zeigen, dass Publizität bei der börsennotierten Gesellschaft weit über den kapitalmarktrechtlichen Grundgedanken hinaus in das konstituierende Gesellschafts- und Aktienrecht hineinreicht. Auch wenn Offenlegungspflichten formell an die Inanspruchnahme eines bestimmten Marktsegments anknüpfen, so wirken sie doch umfassend in andere Rechtsgebiete hinein. Die Folge ist, dass die für Börsengesellschaften zusätzlich geltenden Regeln und Grundsätze auch das Aktienrecht erheblich modifizieren und damit auch hier segmentierend wirken: Es bildet sich, spätestens seit 1998,308 ein eigenes Recht der börsennotierten Aktiengesellschaft heraus, bei dem über den Regelungsmechanismus des Marktes in die gesellschaftsrechtlichen Rechtsbeziehungen eingegriffen wird. Dabei entstehen erhebliche Differenzen in der Schutzintensität, je nachdem welches Marktsegment in Anspruch genommen wird.309 Zweitens wird aber deutlich, dass Publizität keinesfalls als Besonderheit der börsennotierten Aktiengesellschaft auf diese begrenzt werden kann. Im Gegenteil prägt die Verwendung von Informationsnormen das gesamte europäische (Gesellschafts-)Recht. Diese beiden Entwicklungslinien erfordern eine höchst differenzierte Betrachtung. Einerseits unterscheiden sich die Auswirkungen von Publizitätsnormen 307

Der Grundgedanke folgt insofern Merkt, Unternehmenspublizität. Das 3. FMFG hat das Aktienrecht zu den Finanzmärkten geöffnet, Hommelhoff, ZGR 2000, 748, 775. Seitdem verdrängen z. B. bei Börsennotierung die §§ 21 ff. WpHG die §§ 20 f. AktG, Schwark, KMR, Einl. WpHG, Rn. 6. 309 Lutter, in: FS Zöllner, S. 363, 372, 374 (umfassender Minderheitenschutz durch Marktmechanismen nur bei börsennotierter AG; für andere Gesellschaftsformen ist Schutz durch Gesellschaftsrecht erforderlich). 308

III. Der Marktbezug als wesentliches Kriterium jeder Publizitätspflicht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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erheblich nach Form und Größe der Gesellschaft, andererseits wirken sie weit über ihre eigentlichen Zielsetzungen hinaus in das konstituierende Gesellschaftsrecht hinein. Die hier vorgeschlagene Lösung wird ersterem Problem dadurch gerecht, dass eine ganzheitliche Betrachtung eines abgestuft modifizierten Gesamtkonzepts aller Publizitätsnormen angeregt wird. Das Voranschreiten des Informationsmodells im gesamten Unternehmensrecht erfordert es hier, bei kleinen und mittleren Unternehmen verstärkt zu hinterfragen, inwieweit Pflichtpublizität ihren Vorzügen als Regelungsmittel wirklich gerecht wird. Bei der äußeren Integration dieses vertikal abgestuften Konzepts in den materiellen Regelungsrahmen ist sodann aber erneut nach der Intensität der Marktteilnahme zu differenzieren. Hier wird sich, so die Prognose, langfristig ein auf das Publizitätskonzept abgestimmtes und nach Marktsegmenten differenzierendes Gesellschaftsrecht herausbilden (Stichwort: Sonderrecht für die börsennotierte AG,310 das die Möglichkeit einer Ersetzung zwingenden Rechts durch Publizität in weit umfassenderem Maße wahrnimmt, als bei anderen Gesellschaftsformen). Ein konzeptionelles Verständnis des informationellen Rahmens kann hier fließende Übergänge und eine bestmögliche ganzheitliche Integration des Regelungsrahmens ermöglichen.

310 Die zunehmende Ausdifferenzierung eines europäischen Sonderrechts für Gesellschaften an der Börse und andere „offene“ Publikumsgesellschaften, das gegenüber großen „geschlossenen“ und kleinen „geschlossenen“ Gesellschaften zu differenzieren ist, geht auf den Gedanken zurück, dass bei ersteren für Aktionäre und Gläubiger ein besonderes Schutzbedürfnis besteht, wodurch sich eine Deregulierung/Abbau von Normen verbietet, Hopt, ZIP 1998, 96, 101.

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B. Publizitätspflichten aus ökonomischer Sicht1 und die Rolle des Rechts I. Die Bedeutung der US-amerikanischen Entwicklung Im Gegensatz zu den USA wird die Publizitätsdebatte in Deutschland zumeist fernab von ihren wirtschaftswissenschaftlich-konzeptionellen Grundlagen geführt.2 Dies ist zum einen deshalb erstaunlich, weil in den USA seit 1933/34 ein umfassendes, sehr weit entwickeltes kapitalmarktrechtliches Publizitätskonzept verfolgt wird, das von Anfang an Fragen der Ökonomie und Effizienz in den Mittelpunkt der Untersuchungen stellt.3 Zum anderen verpflichtet die zunehmende Internationalisierung der weltweiten Kapitalmärkte zumindest, sich auch in Europa dieser Dimension nicht zu verschließen4. Unabhängig davon zu sehen ist die (normative) Frage, inwieweit sich der rechtliche Rahmen letztlich von Effizienzkriterien leiten lässt und lassen darf.5 Auch diese wird sich aber nur beantworten lassen, wenn zumindest ansatzweise Klarheit über die Funktionsweise und Effektivität von Publizitätsnormen besteht. Diesen Grundlagen wird daher zunächst aus analytischer Perspektive6 nachgegangen. Dabei wird sich zeigen, dass die Rechtsentwicklung im Bereich der Publizität hauptsächlich durch die Bedürfnisse der Märkte vorangetrieben wird und der europäische Harmonisierungsansatz heute ökonomische Erwägungen ganz entscheidend berücksichtigt.7 Umso wichtiger erscheint es daher später, in einem zweiten normativen

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Die ökonomische Analyse des Rechts geht zurück auf Posner, Economic Analysis of Law. Vgl. die ausführlichen Darstellungen zum deutschen Recht bei Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 93 ff. für das Vertragsrecht, sowie Merkt, Unternehmenspublizität, S. 191 ff. speziell auch zum Kapitalmarktrecht; vgl. auch die Beiträge bei Fleischer/Zimmer (Hrsg.), Effizienz. 3 „Publicity is justly commended as a remedy for social and industrial diseases. Sunlight is said to be the best of disinfectants; electric light the most efficient policeman.“, Brandeis, Other Peoples Money, S. 62 (1914). 4 Zur Rezeption US-amerikanischen Rechts in Deutschland und Europa von Hein, Rezeption. 5 Dazu unten, v. a. B.IV., sowie Teil C.; aufschlussreich wiederum die Beiträge in Fleischer/ Zimmer (Hrsg.), Effizienz m.w.N. (vor allem Gerechtigkeits- und Individualschutzgedanken beachtend). 6 Meier-Schatz, Wirtschaftsrecht, S. 153 unterscheidet in Anlehnung an Benston, Accounting, S. 88 drei Perspektiven zur Betrachtung von Publizitätsnormen: eine normative, technische und die analytische. 7 Zuletzt Kommission, FSAP Evaluierung v. 7. 7. 2009 (zweiteilige ökonomische Evaluierung des Aktionsplans Finanzdienstleistungen, bestehend aus einer Untersuchung der allge2

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Schritt die nun darzustellenden ökonomischen mit den juristischen Aspekten in angemessenen Ausgleich zu bringen.8 Interessant ist bei der ökonomischen Debatte festzustellen, dass sie in den USA im Schwerpunkt über die Notwendigkeit einer „mandatory disclosure“ geführt wird. Gegenmodell ist der freie Markt, der von selbst dafür sorgt, dass ausreichend Informationen zur Verfügung stehen. Aus deutscher und europäischer Sicht wird zumeist danach gefragt, inwieweit materielle Regulierung durch Pflichtpublizität ersetzt werden kann.9 Die Frage nach einem Verzicht auf jegliche Regulierung ist dabei bei der nachfolgenden Analyse immer im Auge zu behalten, kann doch freiwillige Publizität – wenn auch hier weitestgehend ausgeklammert – ein Publizitätssystem in vielerlei Hinsicht ergänzen, unterstützen und stellenweise vielleicht sogar ersetzen.10 Zudem können aus den Grundgedanken zur Frage warum Publizitätspflichten notwendig sind, Rückschlüsse gezogen werden wie ein Publizitätskonzept auszugestalten ist, um seine Wirksamkeit zu optimieren.11 Denn nur wenn es den anvisierten Funktionen gerecht wird, steht es als alternatives Regulierungsmittel/-modell zur Debatte. Der fundamentalen Bedeutung der US-amerikanischen Kapitalmärkte und damit auch der US securities regulation in einer internationalisierten Welt Rechnung tragend, sollen zunächst die Regelungen der USA und die dort schwerpunktmäßig entwickelten Theorieansätze kurz vorgestellt werden.12 Dies erscheint auch darum von besonderem Interesse, weil die USA auf lange Erfahrungen mit einer ganzheitlichen, spezifisch kapitalmarktrechtlich ausgeprägten Regulierung zurückblicken können,13 wohingegen sich dieser Aspekt in Europa erst aus den unterschiedlichsten Rechtsgebieten heraus entwickeln musste.14 Folge dieser historischen Entwicklung ist, dass meinen wirtschaftlichen Auswirkungen für den Finanzdienstleistungssektor und einer Befragung betroffener Unternehmen zur Einschätzung der Kosten). 8 Dazu unten, B.II.4. (Rolle des Rechts), sowie Teil C. (umfassender Interessenausgleich aller Marktteilnehmer). 9 Merkt, 1 ECFR 3, 13 (2004); vgl. einführend zum Verhältnis von Selbstregulierung und staatlicher Regulierung Michaels, Privatautonomie, S. 580; Ausweitung aufs Unternehmensrecht bei Merkt, Selbstkontrolle, S. 715. 10 Merkt, RabelsZ 64 (2000), 517 ff.; mit vielfältigen neuen Anregungen Romano, 21 Oxford Rev. Econ. Pol. 212 ff. (2005); ausführlich zu Vor- und Nachteilen freiwilliger Publizität, Ogus, Regulation; zur freiwilligen Ergänzung der externen Rechnungslegung Wagenhofer/Ewert, Externe Rechnungslegung, S. 279 ff. 11 Beide Fragen basieren im Kern auf der Frage nach Effektivität, Meier-Schatz, Wirtschaftsrecht, S. 155, 157. 12 Rechtsvergleichend zum US-amerikanischen Kapitalmarktrecht Wiemann, Unternehmenspublizität. Eine übersichtliche Darstellung der ökonomischen Debatte findet sich zudem bei Schröder, Unternehmenspublizität. 13 Dies erklärt sich aus der Gesetzgebungskompetenz des Bundes, die sich nicht auf das Gesellschaftsrecht erstreckt, vgl. Merkt, Unternehmenspublizität, S. 117. 14 Zu den Einflüssen der Rechtsgebiete bei Herausbildung des Kapitalmarktrechts, siehe oben, A.III.4.

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B. Publizitätspflichten aus ökonomischer Sicht und die Rolle des Rechts

Publizität in den USA von vornherein kapitalmarktrechtlich als Anlegerschutzinstrument konzipiert ist, wohingegen die europäische und deutsche Finanzpublizität gesellschaftsrechtlich als Rechnungslegungspublizität konzipiert ist und zunächst nur gewissermaßen akzessorisch durch das Kapitalmarktrecht ergänzt wird.15 Bei der Einführung in die Funktionen von Publizität steht so die (kapital-)marktrechtliche Perspektive zunächst weiter im Mittelpunkt: Pflichtpublizität will zuallererst informieren (strukturelle Informationsungleichgewichte ausgleichen).16 Mit dieser Informationsfunktion sind zugleich eine verbesserte Stellung der individuellen Adressaten (Schutzfunktion) und eine gesteigerte Kapitalmarkteffizienz verbunden.17 Erreicht wird zudem die Vertrauenssteigerung des Einzelnen in den Markt, welche mit den vorgenannten Funktionen zwar eng verbunden, nicht aber identisch ist.18 Bei dieser marktrechtlichen Betrachtung steht der Adressat ganz im Mittelpunkt des Interesses: Einerseits als individueller Entscheidungsträger, der auf informierter Basis seine eigenen Interessen wahrnimmt, sogleich aber auch als Teil eines kollektiven Reaktionsmechanismus, bei dem der Markt als Ganzes die Information verarbeitet. Aus diesen Grundgedanken zur Markteffizienz wird sodann herausgearbeitet, wie Publizität heute nicht mehr allein als (kapital-)marktrechtliches und adressatenorientiertes Steuerungsinstrument verwendet wird, sondern gezielt auf Rückkoppelungseffekte beim publizitätspflichtigen Unternehmen selbst hinwirken soll: Publizität kommt Kontrollfunktion über das Management zu, die regelmäßig in einer Verhaltenssteuerung, und somit in der gezielten Einflussnahme auf unternehmerische Entscheidungen mündet.19 Dabei wird zu hinterfragen sein, wie weit sich Publizität – deren Funktion vom individuellen oder kollektiven Reaktionsmechanismus des Marktes abhängt – vom markt- und adressatenorientierten Regelungskonzept entfernen (und unternehmensinterne, interessenpluralistische Governance-Entscheidungen lenken) kann, ohne ihre Funktionsfähigkeit (sowie ihre Markt- und Marktteilnehmer schützende Legitimationsgrundlage) zu verlieren. Zuvor sind jedoch die konzeptionellen Grundlagen der Publizität zu betrachten, wie angekündigt am Beispiel der USA. Fasst man die Entwicklung in den USA in den wesentlichen Schritten zusammen, so erkennt man, dass die nach der Großen Depression und dem Marktzusammenbruch im Oktober 1929 getroffene20 Grundsatzentscheidung für ein Informationsmodell die 15

Merkt, Unternehmenspublizität, S. 129. Zur Rechnungslegung als Grundlage des Informationskonzeptes am Kapitalmarkt und der Notwendigkeit einer noch umfassenderen konzeptionellen Einbeziehung, unten, D.II.3.a). 16 Die Darstellung ist angelehnt an Meier-Schatz, Wirtschaftsrecht, S. 105 ff., 143 ff.; im Einzelnen sogleich. 17 Grundlegend zur dualistischen Zielkonzeption des Kapitalmarktrechts, oben, A.III.5. 18 Negativ formuliert: Vertrauenssteigerung ist auch möglich, wenn ein Effizienzgewinn i.E. dennoch ausbleibt. 19 Anschaulich wiederum Meier-Schatz, Wirtschaftsrecht, S. 106 ff., 146 ff. 20 Erinnert sei an die Euphorie und das Spekulationsfieber im Zusammenhang mit heute berüchtigten Betrugsfällen, wie verwässerten Gesellschaftsanteilen an Landparzellen in Flo-

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gesamte Gesetzgebung durchzieht.21 Der Federal Securities Act of 1933 verlangt die umfassende Offenlegung wesentlicher Unternehmensdaten während des Registrierungsprozesses und durch Veröffentlichung eines Prospektes. Auf Publizität setzt auch die Securities and Exchange Commission (SEC)22 bei der Durchsetzung der ACHTUNGREBestimmungen des Securities Exchange Act of 1934. Diese Gesetzgebung verfolgt gezielt eine „philosophy of full disclosure“23 als „remedy for social and industrial diseases“.24 In den 1970er Jahren wurde vermehrt Kritik an dieser Praxis laut.25 Die SEC, so die Kernaussage, überschreite ihre Kompetenzen, indem sie inhaltliche Ergebnisse mit dem Mittel der Publizität erziele. In der Tat stand oftmals nicht die Information des Publikums im Mittelpunkt, sondern die abschreckende Wirkung, die mit der Offenlegung einherging.26 Mit der Offenlegungspflicht wurde eine Verbotswirkung erzielt.27 Dennoch wurde weiterhin auf das Mittel der Information gesetzt. Als einschneidendes Ereignis ist in dieser Entwicklung die Einführung des integrated disclosure systems im Jahre 1982 zu sehen,28 da dieses die Menge an Informationen am Markt in starkem Maße reduziert und systematisiert hat. Bestimmte Emittenten dürfen danach bei Neuemissionen auf die laufende Publizität Bezug nehmen. Nach Aussage der efficient capital market hypothesis schlägt sich eine Information bei öffentlichem Bekanntwerden im Marktpreis nieder. Eine Wiederholung ACHTUNGREbereits bekannter Daten hat demnach keinen zusätzlichen Informationsgehalt und verursacht nur unnötige Kosten, da die Information bereits durch Spezialisten ausgewertet und verarbeitet ist.29 Trotz immer wieder auftauchender Kritik30 hielt der Ge-

rida, die sog. Lateinamerika-Bonds (insb. Peru-Bonds), u. a.; dazu Schröder, Unternehmenspublizität, S. 79 f. 21 Cox/Hillman/Langevoort, S. 3 ff. 22 Diese überwacht die Publizität, vgl. Merkt, Selbstkontrolle, S. 715 f. m.w.N. zu den Aufgaben der SEC. 23 Dieses konzeptionelle Verständnis wird besonders deutlich in SEC v. Capital Gains Research Bureau Inc., 375 U.S. 180 (1963): „A fundamental purpose common to these statutes [the securities laws of 1933/34] was to substitute a philosophy of full disclosure for the philosophy of caveat emptor“; dazu Loss/Seligman, S. 25 ff. 24 Anschaulich stellt dieser berühmt gewordene Satz von Brandeis, S. 92, die idealtypische Funktionsweise von Publizitätsnormen dar: „Publicity is justly commended as a remedy for social and industrial diseases. Sunlight is said to be the best of disinfectants; electric light the most efficient policeman.“ 25 Advisory Committee on Corporate Disclosure, 1974, S. 318; zitiert nach Merkt, Informationsmodell, Fn. 15. 26 Merkt, Informationsmodell, S. 29. 27 Merkt, Unternehmenspublizität, S. 120. 28 Securities Act Release No. 6383: Adoption of Integrated Disclosure System, 24 SEC Dock. 1262, SEC 1982. 29 Dazu sogleich; grundlegend Stigler, J. Bus. 37, 117 (1964); Benston, Acc. Rev. 44, 515 (1969). 30 Coffee, Va. L. Rev. 70, 737 (1984) (freiwillige Publizität ebenso wirksam); ebenso Kripke, SEC and Corporate Disclosure, S. 119 (1981); aus heutiger Sicht insb. kritisch Romano,

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B. Publizitätspflichten aus ökonomischer Sicht und die Rolle des Rechts

setzgeber an dem Leitbild einer mandatory disclosure fest. Im Jahre 2002 wurde erstmals im Interesse des Anlegerschutzes über ein reines Publizitätskonzept hinausgegangen und mit dem Sarbanes-Oxley Act (SOX) zwingende prozessuale und materielle Regulierungen eingeführt. Auch diese sollen aber vor allem Richtigkeit und Vollständigkeit der Informationen sicherstellen.31 An der Grundsatzentscheidung für ACHTUNGREPublizität ändert sich somit nichts.32 Die USA haben weiterhin das weltweit wohl strengste und am weitesten ausdifferenzierte System normativer Unternehmenspublizität.33 Die Menge an zu veröffentlichenden Informationen ist heute so umfangreich wie nie zuvor, und die SEC erlässt auch weiterhin regelmäßig neue Pflichten.34

II. Definitionen und einführende Grundgedanken zur Markteffizienz 1. Informationelles Marktversagen35 Offenlegungspflichten basieren auf dem Grundgedanken effizienter Märkte. ACHTUNGREAkerlof geht dabei von der Gefahr eines Marktversagens aufgrund von Informationsasymmetrien aus: Solange ein potentieller Käufer Gut und Schlecht nicht differenzieren kann und somit nicht von der Qualität eines Produktes überzeugt ist, wird er diese Unsicherheiten mit Preisabschlägen bestrafen. Der Verkäufer vergleichsweise guter Produkte kann den von ihm angestrebten Wert nicht erzielen, und zieht sich vom Markt zurück (adverse selection).36 Dieses Phänomen ist heute als zentraler Fall des Marktversagens anerkannt,37 und erlangt auf Märkten für Vertrauensgüter, bei denen als Gegenleistung für das zur Verfügung gestellte Kapital lediglich das Versprechen zukünftiger Renditen gegeben wird,38 besondere Bedeutung. Weitere denk107 Yale L. J. 2359 (1998) (Vorrang eines Wettbewerbs der Regelungssysteme); Fox, 85 Va. L. Rev. 1335, 1415 (1999). 31 Marsch-Barner, in: Marsch-Barner/Schäfer (Hrsg.), § 2, Rn. 89 ff. (zum Bestätigungsvermerk von CEO und CFO, zur Einführung eines internen Kontrollsystems und weitere Regelungen des SOX m.w.N.). 32 Cox/Hillman/Langevoort, Securities Regulation, S. 3 ff., 9 ff. 33 Merkt, Unternehmenspublizität, S. 114. 34 Paredes, 81 Wash. U.L.Q. 417 (2003), Fn. 21: Der Umfang eines Form 10-K untersuchter Unternehmen erweiterte sich allein 2001 im Durchschnitt um 36 %. 35 Neben dem markttheoretischen Ansatz lässt sich die Notwendigkeit von Pflichtpublizität aus institutioneller Sicht v. a. aus Gründen des Vertrauensschutzes (confidence in the market) begründen. Daneben tritt sodann der Individualschutz, vgl. Schröder, S. 83 ff. Hier soll zunächst nur ein einführendes Beispiel gegeben werden. 36 Akerlof, 84 Q. J. Econ. 488, 489 (1970); zur späteren Einbeziehung gesellschaftlicher und ökonomischer Institutionen durch Spence und Stiglitz, vgl. Löfgren/Persson/Weilbull, 104 Scan. J. Econ. 195 ff. (2002). 37 Assmann, Prospekthaftung, S. 282 f. 38 Fleischer, Gutachten F, S. F 23.

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bare Gründe für Marktversagen – nach Berle und Means39 neben Informationsasymmetrien zu systematisieren in Monopolmacht und negative oder positive externe Effekte40 – können aus ökonomischer Sicht zwingende gesetzliche Regelungen möglicherweise ebenso rechtfertigen, wie Gründe des Gläubigerschutzes.41 Im Kern ist zwingendes (Aktien-)Recht jeweils deshalb erforderlich, weil die Gesetzmäßigkeiten kollektiven Verhaltens eine rationale Apathie der Aktionäre zur Folge haben:42 Ein Tätigwerden im Rahmen der principal-agent-Beziehung „rentiert“ sich bei Auseinanderfallen von Eigentum und Kontrolle für den Einzelnen ebenso wenig, wie bei Mehrheits-Minderheits-Konflikten in deutschen Aktiengesellschaften43. Der kapitalmarktrechtliche Ansatz versucht hier, über die Möglichkeit von Kauf und Verkauf auf einem funktionsfähigen Markt (sog. „Abstimmung mit Füßen“/Wallstreet-Rule)44 eine Handlungsalternative zu gewähren. Bevor aber gefragt werden kann, inwieweit diese Marktmechanismen („exit“ statt „voice“) aktienrechtliche Regulierung wirklich ersetzen können („exit“ als „voice“),45 ist die Funktionsfähigkeit der – den Schutz vermittelnden – Kapitalmärkte zu gewährleisten. Auch hier besteht das erläuterte Risiko, dass Kapitalmärkte ohne Regulierung nicht das erforderliche Maß an Informationen generieren und aus informationellen Gründen versagen. Zunächst seien daher die anderen Formen des Marktversagens als Rechtfertigung zwingenden Rechts noch ausgeklammert und der Blick auf die Notwendigkeit zwingenden Anlegerschutzes aufgrund des informationellen Risikos beschränkt. Der Gefahr informationellen Marktversagens wirken Kräfte entgegen, die klassiACHTUNGREscherweise unter dem Phänomen der Signalwirkung zusammengefasst werden.46 Sollte es in Akerlofs Modell dem Verkäufer gelingen, die Qualität seines Produktes zu garantieren, wird der Markt Vertrauen fassen. Nach der Signal-Theorie wird er folglich, sofern sich damit im Ergebnis ein ökonomischer Vorteil erzielen lässt, Kosten eingehen 39

Berle/Means, Modern Corporation, dazu etwa Behrens, in: FS Drobnig, S. 491, 495. Bei negativen externen Effekten werden Kosten auf Dritte abgewälzt, die weder an der Entscheidung beteiligt sind, noch von dieser profitieren. Positive externe Effekte nutzen hingegen Dritten, ohne diesen Kosten aufzubürden; vgl. dazu noch Fritsch/Wein/Ewers, 3. Aufl., S. 91 ff. 41 Etwa Bak/Bigus, ZBB 2006, 430, 440. Die Betonung des Anlegerschutzgedankens geht auf das grundlegende duale Verständnis des Kapitalmarktrechts (und auch der Publizität) ACHTUNGREzurück. Im weiteren Verlauf der Arbeit soll aber auch gefragt werden, inwieweit Publizität ACHTUNGREmaterielle Regelungen generell ersetzen kann. Dabei ist z. B. zu beachten, dass (Zwangs-/ DeACHTUNGRElikts-)Gläubiger möglicherweise durch Effizienz nicht ebenso effektiv schützt sind. 42 Dazu Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 90 ff. mit umfassenden Nachweisen. 43 Übt der Anteilseigner aufgrund der Größe seiner Beteiligung hinreichende Kontrolle aus, oder ist er direkt an der Unternehmensleitung beteiligt, treten Mehrheits-Minderheits-Konflikte an die Stelle der Principal-Agent-Konflikte. Dies ist in Deutschland (noch) fast die Regel, ebd., Rn. 92. 44 Grundlegend Hirschman, Exit, Voice and Loyalty. 45 Dazu unten, C.II.2.d). 46 Spence, 87 Q. J. Econ. 355 (1973); so systematisierend auch Merkt, Unternehmenspublizität, S. 213 ff. m.w.N. 40

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B. Publizitätspflichten aus ökonomischer Sicht und die Rolle des Rechts

und beispielsweise ihm bekannte Informationen offen legen, um die Asymmetrien auszugleichen und somit einen funktionsfähigen Markt zu schaffen.47 Zentrale Frage der ökonomischen Untersuchungen ist es, inwieweit diese marktendogenen Mechanismen ausreichen um die Funktionsfähigkeit des Marktes in informationeller Hinsicht zu gewährleisten, oder an welchen Stellen und in welchem Umfang unterstützendes staatliches Eingreifen notwendig, und damit aus ökonomischer Sicht gerechtfertigt ist.48 Bei der Suche nach dem optimalen informationellen Umfeld ist dabei im Rahmen einer Kosten-Nutzen-Analyse sicherzustellen, dass die Grenzkosten den proportionalen Nutzen einer zusätzlichen Information nicht überschreiten.49 Dabei sei der Blick von vornherein auf den gesamten Markt gerichtet, und nicht auf das einzelne Unternehmen begrenzt. So belegen zahlreiche neuere Studien, dass die Kapitalkosten von Unternehmen hauptsächlich von einem systematischen Risiko ACHTUNGREabhängen, welches nicht durch eine Diversifizierung eliminiert werden kann.50 ACHTUNGREEntscheidende Bedeutung kommt daher aus ökonomischer Sicht der Effizienz des gesamten Marktes, und nicht nur der korrekten Bewertung eines einzelnen Unternehmens zu, da nur ein hinreichend effizienter Markt die nötigen Diversifikationsmöglichkeiten mit sich bringt.51 Diese Effizienz ist aber durch ein hinreichendes Informationsniveau zu gewährleisten, weshalb die Bedeutung von Information nicht „hinwegdiversifiziert“ werden kann, und auch der unternehmensspezifischen Information des einzelnen Unternehmens (vor allem zur Verringerung der Unsicherheit über dessen zukünftige Entwicklung, sog. estimation risk)52 erhebliche Bedeutung zuzusprechen ist.53 Unterstützt wird diese Überlegung durch Feststellung einer Interdependenz der Unternehmenspublizität verschiedener Unternehmen. Danach hängen die Kapitalkosten eines Unternehmens entscheidend von der Publizität der anderen Unternehmen am Markt ab. Umfassende Publizität aller Unternehmen führt nach neoklassischen Erkenntnissen dann im Ergebnis zu mehr Effizienz, und damit zu einem breiteren und tieferen Markt mit niedrigeren Kapitalkosten.54 47 Spence, Signaling in Retrospect and the Informational Structure of Markets, Price Lecture, Dec. 8, 2001. 48 Wein, in: Grundmann (Hrsg.), S. 80. 49 Frey/Kirchgässner, Demokratische Wirtschaftspolitik, 2. Aufl. 1994, S. 364 ff., (neoklassische Fragestellung). 50 Easley/OHara, 59 J.Fin. 1553 – 1583 (2004); Hofmann, zfbf Sonderheft 55/06, S. 109 – 146; jüngst Lambert/Leuz/Verrecchia, 45 (2) J. Acc. Res. 385 (2007). 51 Freilich setzt die Gesamteffizienz des Marktes die Informationsgewährung durch das einzelne Unternehmen voraus, geht aber darüber hinaus, indem sie nur durch eine Offenlegung aller sichergestellt werden kann. 52 Dazu aufschlussreich Lambert/Leuz/Verrecchia, 45 (2) J. Acc. Res. 385 (2007). 53 Easley/OHara, 59 J.Fin. 1553, 1572 stellen eine Senkung der Eigenkapitalkosten durch die Veröffentlichung unternehmenspezifischer Information fest; Hofmann, zfbf Sonderheft 55/ 06, S. 109, 111 ff. erweitert dieses Modell dann auf eine Gesamtabbildung des Marktes mit den erwähnten Diversifikationsmöglichkeiten. 54 Hofmann, zfbf Sonderheft 55/06, S. 109, 135 m.w.N., dessen Modell aber letztlich eine hinreichende Alternative zur Gewährleistung der Markteffizienz nicht aufzuzeigen vermag.

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2. Informationelle Effizienz des Marktes: Die Efficient Capital Market Hypothesis Bevor die Frage einer staatlichen Regulierung oder der Legitimität eines Eingreifens in diese Marktmechanismen gestellt werden kann, muss zunächst untersucht werden, wie die Kapitalmärkte auf Informationen reagieren, welche Folgen mithin das Bekanntwerden einer wesentlichen Information auf den Preis eines Produktes hat. Die aus dieser Betrachtung gezogenen grundlegenden Erkenntnisse über die Funktionsweise von Publizität sollen anschließend für die Überlegungen zu einem staatlichen, institutionellen Eingreifen in Form von Publizitätspflichten, oder, sollten diese sich nicht als ausreichend erweisen, auch eine weitergehende materielle Regulierung fruchtbar gemacht werden. Die Grundlage einer Untersuchung über Informationen am Markt bildet noch immer die Markteffizienzhypothese (efficient capital market hypothesis – ECMH).55 Diese soll daher hier als Ausgangspunkt und zugleich Zielvorstellung der nachfolgenden Ansätze zunächst kurz vorgestellt werden.56 Kapitalmärkte können nach Fama als effizient definiert werden, wenn sie zu jedem Zeitpunkt alle vorhandenen Informationen vollständig reflektieren.57 Die Hypothese geht mithin davon aus, dass der Markt sofort so reagiert, als ob sämtliche Informationen sofort allen Marktteilnehmern kostenlos zur Verfügung ständen, selbst wenn diese im Einzelfall gar keine Kenntnis haben.58 Es ist hierbei von vornherein einschränkend zu sagen, dass Effizienz in diesem Sinne einen Idealtypus im Sinne Euckens59 darstellt, der nur als Definitionsgrundlage genutzt wird und im weiteren Verlauf ständig an reale Marktbedingungen anzupassen ist. Traditionell werden eine schwache, mittlere und starke Form der Markteffizienz unterschieden. Die „schwache Form“ untersucht dabei die Möglichkeit, aus einer Analyse vergangener Börsenkurse auf zukünftige Entwicklungen zu schließen. Dabei wurde kein oder nur ein sehr geringer Zusammenhang zwischen bisherigen und zukünftigen Kursen gefunden (random walk).60 Für die Publizität hat dieses ACHTUNGREModell allerdings keine Bedeutung.61 Allenfalls der Nachweis, dass allein aus einer Vergangenheitsanalyse sicher der zukünftige Kurs bestimmt werden kann,62 würde Publizität überflüssig machen. Aus den Überlegungen ließen sich weiter Rück55

Dazu Cox/Hillman/Langevoort, Securities Regulation, S. 105. Die ECMH kann auch als Modell marktendogener Informationsproduktion verstanden werden, dazu unten, B.III.2.b)dd). Hier soll sie die Bedeutung von Effizienz und Möglichkeiten zu deren Verbesserung verdeutlichen. 57 Fama, 25 J. Fin. 383 (1970). 58 Gilson/Kraakman, 70 Va. L. Rev. 549, 552 (Hervorhebung im Original). 59 Eucken, Grundlagen (1939); dazu Neumann/Klein, Kredit und Kapital, S. 165, 169. 60 Fama, 25 J. Fin. 383, 389 – 396 (1970). 61 Meier-Schatz, Unternehmenspublizität, S. 204 f. 62 Ansätze eines empirischen Nachweises für das deutsche Recht bei Kopp, Erwerb eigener Aktien, S. 105 f. Auch hier werden aber allenfalls Auswirkungen einer Vergangenheitsanalyse festgestellt, eine sichere Prognose lässt sich nicht treffen. 56

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B. Publizitätspflichten aus ökonomischer Sicht und die Rolle des Rechts

schlüsse auf die Bedeutung einer Analyse materieller vergangenheitsbezogener Informationen im Gegensatz zu einer Prognosepublizität ziehen, was jedoch über die Aussage der Hypothese hinausginge.63 Die Untersuchungen der „mittleren“ Form lenken zum ersten Mal den Blick auf die öffentlich bekannten Informationen, die von Interesse für Investoren sind, und untersuchen wie lange es dauert, bis der Marktpreis auf eine öffentlich bekannte Information reagiert.64 Dabei wird „Effizienz“ oder ein „korrekter“ Preis über die sofortige Umsetzung der Information durch den Markt erreicht. Ein Zusammenhang zwischen vergangenen und aktuellen Kursen ist ausgeschlossen, da sich das informationelle Umfeld ständig ändert.65 Die „starke Form“ der Effizienzhypothese sieht demgegenüber alle Information, ob öffentlich bekannt oder nicht, im Preis widergespiegelt.66 Ein Nachweis dieser Annahme ließ sich aber nicht führen. Phänomene wie Insiderhandel belegen zudem, dass es durchaus Möglichkeiten gibt, Informationsgefälle auszunutzen und dem Markt gegenüber im Vorteil zu sein.67 Die Einsicht, die für den Fortgang der Untersuchung von größerer Bedeutung sein wird, ist aber, dass Ineffizienz von Märkten und mangelnde Transparenz durch ihre Anreizwirkung durchaus von Bedeutung für ein Funktionieren der Märkte sind, da ohne Informationsvorsprünge auch Arbitragegewinne nicht möglich sind.68 Ein Markt mit vollständiger Information ist folglich ebenso funktionsunfähig wie ein Markt ohne ausreichende Information. Ein mittleres Maß an Transparenz scheint die größte Effizienz zu bieten – das so genannte „Effizienzparadox“69. Ist dieses Maß an Information erreicht, führt folglich auch zusätzliche Publizität nicht zu mehr Effizienz. Es gilt folglich, das „richtige Maß“ öffentlich bekannter Information zu ermitteln, und gleichzeitig eine Übervorteilung aufgrund privater Information zu verhindern.70 Die meisten Erkenntnisse für den Fortgang der Untersuchung sind demnach in der „mittleren Form“ der Hypothese zu finden, welche daher einer näheren Betrachtung unterzogen werden soll. Problematisch an der Effizienzhypothese dieser „mittleren Form“ ist die Weite der Definition. Ein vollkommen effizienter Markt (fundamentally efficient market), definiert als ein Markt, in dem der Börsenpreis den Wert des Kapi63

So ließen sich die Ergebnisse insoweit umdeuten, dass eine Analyse vergangenheitsbezogener Informationen (Bilanzen) erhebliche Rückschlüsse auf die zukünftige Entwicklung eines Unternehmens zulassen. Die hier erwähnte „schwache Form“ hat aber nur eine Untersuchung der vergangenen Börsenkurse zum Gegenstand. 64 Fama, 25 J. Fin. 383, 404 – 409 (1970). 65 Cox/Hillman/Langevoort, Securities Regulation, S. 106. 66 Fama, 25 J. Fin. 383, 409 – 413 (1970). 67 Baesel/Stein, 14 J. Fin. & Quantitative Analysis 553 (1981). 68 Grossman/Stiglitz, 70 Am. Econ. Rev. 393 – 408 (1980). 69 Grossman/Stiglitz, 70 Am. Econ. Rev. 393 (1980); Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation, Vol. 1, 275. 70 Dieser Aufgabe wird das Kapitalmarktrecht mit den Regelungen zum Insiderhandel, §§ 13 ff. WpHG, gerecht.

II. Definitionen und einführende Grundgedanken zur Markteffizienz 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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talmarktproduktes vollständig widerspiegelt, würde den Nachweis eines „richtigen“ oder „korrekten“ Wertes erfordern, was aber weder empirisch noch theoretisch möglich ist.71 Empirisch ließ sich im Gegenteil eine hohe Volatilität der Börsenkurse feststellen.72 Diese schlagen in der Regel erst übermäßig nach oben (short-term momentum)73 wie nach unten aus, bevor sie sich nach dieser Periode der Überreaktion des Marktes nach und nach stabilisieren.74 Der Beweis ist daher nach einer relativen Markteffizienz zu führen – inwieweit ein Markt also auf bestimmte Informationen reagiert (informationelle Effizienz).75 Der effiziente Preis in diesem Markt ist in Bezug auf eine ganz bestimmte Information definiert. Es ist derjenige Preis, der erreicht wäre, wenn jeder Marktteilnehmer diese Information zur Verfügung hätte.76 Es ist folglich kein „perfekter“ oder „korrekter“ Preis, als er den Fundamentalwert eines Unternehmens eins zu eins widerspiegeln würde. Vielmehr wird akzeptiert, dass Marktteilnehmer verschiedene Einschätzungen und Prognosen zu Grunde legen, was besonders bei der Bewertung sog. soft information auf der Hand liegt. Wenn daher in der Folge von einem effizienten Preis gesprochen wird, so ist dieser als ein relativ effizienter Preis in diesem Sinne zu verstehen: ein kollektives Urteil aller Investoren, das sich aus optimistischen wie pessimistischen Anschauungen zusammensetzt (Heterogenität der Erwartungsbildung),77 und somit die „bestmögliche“ Bewertung eines Produktes in diesem Moment darstellt.78 Ein solcher Preis kann überbewertet wie auch unterbewertet sein, womit die Möglichkeit von Arbitragegewinnen und somit der Anreiz zur Suche nach zusätzlichen Informationen bleibt. Öffentlich bekannte, kursrelevante Information schlagen sich aber unmittelbar im Preis nieder, so dass sie nicht mehr dergestalt ausgewertet werden können, dass mithilfe eines Algorithmus eine sichere Vorhersage der Preisentwicklung und damit Handelsgewinne möglich wären.79 Bei informationeller Effizienz ist es mithin auf legalem 71 Fama, 46 J. Fin. 1575 (1991); versucht wurde dieser Nachweis vornehmlich in den 1980er Jahren, als etwa Roll, 74 Am. Econ. Rev. 861 (1984) im Preis von gefrorenem Orangensaftkonzentrat auf dem Futures-Markt sämtliche Informationen der US-Wettervorhersage und noch weitere Informationen widergespiegelt sah. Danach hätte der Wetterdienst durch eine Berücksichtigung der Marktpreise seine Vorhersage verbessern können (!). 72 Campbell/Shiller, 1 Rev. Fin. Stud. 195 (1988). 73 Short-term momentum bedeutet, dass die Kursbewegung zunächst übermäßig in eine Richtung verläuft. Abnormale Renditen lassen sich aber kaum erzielen, da Ausmaß und Richtung des Effektes (Ausschlagen nach oben oder unten) nicht vorhersagbar sind, und dieser sich im Zeitverlauf ändert, Fama, 49 J. Fin. 283 (1998). 74 Bernard/Thomas, 27 J. Acct. Res. 1 (1989). 75 Gilson/Kraakman, 70 Va. L. Rev. 549, 560 (1984). 76 Beaver, 1981 Acct. Rev. 23 (1981). 77 Fama geht noch von einer Homogenität der Erwartungsbildung (rationale Entscheidung aufgrund sämtlicher objektiv vorhandener Information ohne Transaktionskosten) aus. Spekulativ bedingte Umsätze werden erst später in das Modell einbezogen, siehe Verrecchia, 34 J. Fin. 957, 959 (1979). 78 Kraakman, 88 Colum. L. Rev. 891, 898 – 901 (1988). 79 Der Marktpreis ist hinsichtlich dieser Information „effizient“ i.S.d. Hypothese, Reder, Chicago School, S. 416.

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B. Publizitätspflichten aus ökonomischer Sicht und die Rolle des Rechts

Weg nicht möglich, eine höhere Rendite zu erzielen, ohne zugleich ein höheres Risiko einzugehen.80

III. Zur Kritik am Konzept hoheitlicher Publizitätspflichten Das US-amerikanische Konzept normativer Publizitätsvorschriften basiert wesentlich auf der Annahme einer effizienten Verarbeitung der offengelegten Informationen durch den Markt.81 Werden dem Anleger nur hinreichend Informationen zur Verfügung gestellt, so das Argument, wird dieser sich selbst schützen können und weitere staatliche Intervention ist entbehrlich.82 Damit kann das System als Modifikation des Grundsatzes caveat emptor verstanden werden, in welchem dem Anleger ein umfassendes Netz an Informationen zur Verfügung steht, auf dessen Grundlage er seine freie Entscheidung treffen kann, ohne dass ein weitergehendes staatliches ACHTUNGREEingreifen erforderlich wäre.83 Um Erkenntnisse aus einer rechtsvergleichenden ACHTUNGREBetrachtung zu ziehen, müssen jedoch auch die kritischen Stimmen in den USA beleuchtet werden, die dem Konzept des mandatory disclosure system von Anfang an ablehnend gegenüberstanden. Entgegen Justice Brandeis Auffassung, der in der Offenlegung die „remedy for [all] social and industrial diseases“ sah84, wurde es als unzureichend gesehen, um Investoren und Markt zu schützen. Die Kritik fußte dabei vor allem auf zwei Argumenten: Entweder seien private Investoren nicht in der Lage, die komplizierten Bilanzen zu lesen und zu verstehen, oder sie seien dermaßen durch die Möglichkeit spekulativer Profite getrieben, dass sie jegliche Risiken und ihr Wissen um die Funktion der Kapitalmärkte ignorierten.85 Logische Folge ist der Ruf nach mehr staatlicher Regulierung in Form von Verbotsnormen (material or merit regulation) oder Regelungen gegen Marktmissbrauch und Betrug. Dabei ist zu betonen, dass auch das US-amerikanische Kapitalmarktrecht zwingende Rechtsnormen kennt86 und nicht allein auf Publizitätsnormen baut. Vielmehr ist eine Analyse im Einzelfall erforderlich, in welcher Konstellation und zu welchem Zweck Publizitätsnormen geeignet sind ihr Ziel zu erreichen und inwiefern sie durch Vorschriften zwingenden Rechts zu ergänzen sind. Andererseits ist keinerlei Eingriff des Staates zu rechtfertigen, wenn die Anreize freiwilliger Publizität genügen, um die aufgezeigten 80

Malkiel, 17 J. Econ. Persp. 59, 60 (2003). Cox/Hillmann/Langevoort, S. 105. 82 Anschaulich Paredes, 81 Wash. U.L.Q. 417 (2003). 83 Vgl. Grundfest, Securities Regulation, S. 412. 84 Brandeis, Other Peoples Money, S. 62. 85 Douglas, 23 Yale L. Rev. (N.S.) 521 (1934). Ersterem könnte durch eine effiziente Informationsverarbeitung durch den Markt entgegengewirkt werden, zweiteres spricht das grundlegendere Problem irrationalen Handelns an. Zu den Ansätzen der Behavioral Law and Economics, siehe unten, B.III.2.d)dd). 86 Zu systematisieren als „antifraud and insider trading prohibitions“, Grundfest, Securities Regulation, S. 414. 81

III. Zur Kritik am Konzept hoheitlicher Publizitätspflichten 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Informationsasymmetrien zu beseitigen.87 Im Ergebnis geht es folglich auch hier darum, die einzelnen Mechanismen im Zusammenspiel zu optimieren. Auch auf die deutsche Sicht lassen sich diese Bedenken übertragen. So begründet Hopt ein Bedürfnis nach Anlegerschutz damit, dass (1) eine ex-post Überprüfung der Qualität eines verbrieften Rechts nicht möglich ist, (2) keine Bereitschaft seitens der Anleger bestehe, sich um die Voraussetzungen für eine voll durchdachte Anlageentscheidung zu kümmern, sowie (3) der Anleger ohnehin nicht in der Lage sei, aus den bekannten Informationen die richtigen Rückschlüsse zu ziehen.88 Diesen in der Sozialschutzperspektive begründeten Bedenken soll mit dem funktionsorientierten Anlegerschutz aber gerade begegnet werden:89 eine effiziente Kursbildung würde das Informationsrisiko des Individualanlegers beseitigen, da jede (bei mittelstrenger Effizienz: offengelegte) Information unmittelbar durch professionelle Arbitrageure ausgenutzt wird und der Preis damit an die neue Information angepasst ist. 1. Empirische Untersuchungen a) Event-/case-studies nach Einführung der Securities Laws Eine erste Generation von Wissenschaftlern begann 30 Jahre nach Einführung des Publizitätsregimes in den USA, die Auswirkungen der Securities Laws empirisch zu untersuchen. Ein kapitalmarkrechtlich orientierter Ansatz versucht dabei, die Wirkung der Publizitätspflichten im Preisbildungsprozess von Aktien nachzuvollziehen.90 Stigler ging dabei von der Hypothese aus, dass unerwartete Kursschwankungen, vor allem Kursverluste überbewerteter Neuemissionen, durch das verbesserte ACHTUNGREinformationelle Umfeld nach Inkrafttreten der neuen Gesetze geringer ausfallen müssten als zuvor.91 Für einige Jahre gelang dieser Nachweis, für andere nicht. Eine deutliche Verbesserung des Anlegerschutzes konnte folglich nicht bestätigt werden. Allein eine durchgängige Verringerung der Varianz der Kursverluste ließ sich feststellen, was aber auf andere Umstände zurückgeführt wurde. Der positive Einfluss der umfassenden Publizitätspflichten auf die Qualität der Anlagen konnte folglich nicht bestätigt werden.92 Benston unternahm im Jahre 1973 eine ähnliche Analyse im Hinblick auf den Wohlfahrtseffekt der neuen Gesetze.93 In einem Vergleich von Unternehmen, die schon zuvor freiwillig publiziert hatten, und solchen, die erst nach 1933 mit der Of87

Schäfer/Ott, Unternehmenspublizität, S. 218. Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 88, 90, 89; ähnlich Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 110. 89 Zur Markteffizienz als Bezugspunkt des Anlegerschutzes Assmann, ZBB 1989, 49, 61. 90 Systematik bei Merkt, Unternehmenspublizität, S. 191; zur Methodik Ferrell/Saha, Discussion Paper, S. 5. 91 Stigler, 37 J. Bus. 117 (1964). 92 Ebd., S. 124. 93 Benston, 63 Am. Econ. Rev. 132 (1973). 88

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B. Publizitätspflichten aus ökonomischer Sicht und die Rolle des Rechts

fenlegung begannen, ließ sich nachweisen, dass die Kosten der Pflichtpublizität nicht durch einen entsprechenden Nutzen für die Anleger kompensiert wurden (Nullhypothese). Demnach existierten bereits zuvor genügend Anreize für Unternehmen, Informationen in einem angemessenen Umfang offen zu legen, so dass kein Wohlfahrtseffekt nachgewiesen werden konnte.94 (Dennoch könnte die Einführung der Pflichtpublizität zu einer sozial wünschenswerten Verlagerung der Kosten geführt haben, ohne das informationelle Umfeld und damit den Kurs beeinflusst zu haben.)95 1981 schließlich ging Jarrell auf Kritik an Stiglers Ansatz ein,96 und modifizierte diesen hinsichtlich der Methode, des Untersuchungsmodells und des Untersuchungszeitraums, was aber nicht zu bedeutenden neuen Einsichten führte. Für das Jahr 1935 stellte er allerdings eine erhebliche Verbesserung des informationellen Umfeldes fest, konnte diese aber für die darauffolgenden fünf Jahre nicht bestätigen. Eine deutlich verminderte Varianz wird auch hier bestätigt.97 Offen bleibt allerdings, ob diese auf eine Verminderung des Informationsrisikos oder auf ein Abwandern besonders riskanter Emissionen auf den Grauen Kapitalmarkt zurückzuführen sind.98 Jarell bewertet diese Reduzierung des Risikos jedenfalls als positiv.99 Ingram und Chewning untersuchten den Einfluss der Pflichtpublizität auf den Zeitpunkt der Offenlegung, ob mithin (negative) Informationen zurückgehalten werden konnten, die nun am Markt schneller bekannt sind. Eine Verbesserung ließ sich aber auch hier kaum feststellen.100 Zum selben Ergebnis kam Chow bei seiner Untersuchung der Vorteile für Kreditgeber: Die Einführung der Securities Laws hatte keine bedeutende Auswirkung.101 Allein im Bereich der allokativen Effizienz gelang es Schulte empirisch eine Verbesserung festzustellen.102 Auf große Resonanz stieß schließlich eine Untersuchung Simons, der Stiglers A odell um die Erkenntnisse der Arbitrage Pricing Theory ergänzte, und zwischen CHTUNGREM ACHTUNGREverschiedenen Handelsplätzen sowie nach Erstemissionen und Kapitalerhöhungen 94

Benston, 44 Acct. Rev. 515 (1969). Gilson/Kraakman, 70 Va.L.Rev. 559, 636 (socially beneficial reallocation of rents w/o influence on price). Publizitätspflichten können damit im öffentlichen Interesse gerechtfertigt sein, auch ohne dass sich konkrete Einflüsse auf den Börsenkurs feststellen lassen, vgl. grundlegend: Phillips/Zecher, Public Interest (1981). 96 Dazu Feldhoff, Rechnungslegung, S. 166 ff. 97 Jarell, 24 J. Law. Econ. 613 (1981). 98 Merkt, Unternehmenspublizität, S. 194, der darin eine negative Wirkung sieht, weil so die Diversifikation von Risiken in unterschiedlichen Marktsegmenten nicht mehr möglich sei. Jedenfalls wären die riskanten Emissionen aber aus dem regulierten Marktsegment verdrängt, was zumindest vertrauenssteigernde Wirkung haben dürfte. 99 Jarell, 24 J. Law. Econ. 613 (1981) geht wohl tatsächlich von einem Abwandern der riskanten Emissionen in andere Marktsegmente aus, betont dabei aber die Vorteile für das untersuchte Marktsegment. 100 Ingram/Chewning, 58 Acc. Rev. 562 – 580 (1983). 101 Chow, 58 Acc. Rev. 485 – 520 (1983). 102 Schulte, 13 J. Corp. L. 535, 548 (1988). 95

III. Zur Kritik am Konzept hoheitlicher Publizitätspflichten 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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A ifferenzierte.103 Kleinere Börsen können demnach nach 1934 erheblich weniger unCHTUNGREd erwartete Renditen verzeichnen, wohingegen das Ergebnis für die New York Stock Exchange unverändert blieb. Auch hier wird eine geringere Varianz der unerwarteten Renditen festgestellt. Eine Verbesserung der informationellen Effizienz konnte folglich auch hier nicht nachgewiesen werden oder war jedenfalls auf kleinere Handelsplätze beschränkt. Allein das Risiko für Investoren, auch aufgrund möglicherweise verbesserter Corporate Governance,104 könnte durch die geringere Varianz vermindert sein. Die verschiedenen empirischen Untersuchungen zeigen mögliche Folgen der A inführung umfassender Pflichtpublizität auf, ohne diese aber wissenschaftlich einCHTUNGREE deutig nachzuweisen. Der genaue empirische Nachweis der volkswirtschaftlichen Kosten und des daraus resultierenden Nutzens für die Anleger wird sich kaum führen lassen. Insbesondere erscheint eine geldwerte Messung der Verbesserung des Anlegervertrauens in die Kapitalmärkte als unmöglich.105 Zudem kann die Preisbildung am Markt nur über Modelle nachvollzogen werden, so dass ein Ergebnis immer auch auf Fehler oder mangelnde Eignung eines Modells zurückgeführt werden kann.106 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die empirischen Untersuchungen die wissenschaftliche Diskussion erheblich geprägt haben,107 und oft als unterstützende Argumente für die eine oder andere Meinung angeführt werden. Meist wird aber aus gutem Grunde ihre Eignung zum Nachweis der Wirksamkeit von Publizitätsnormen generell verneint, weil die Auswirkungen zu vielfältig und oftmals gar nicht quantifizierbar seien.108 Die SEC ging daher auch nie auf die Kritik unterschiedlicher Art ein, und betont seit jeher: „The disclosure system is sound and does not need radical reform or renovation“.109 Für das Ergebnis der Untersuchung sind die begrenzten Möglichkeiten empirischer Forschung aber im Auge zu behalten.110 103

Simon, 79 Am. Econ. Rev. 295 – 318 (1989). Fox, in: Hopt (Hrsg.), Corporate Governance, S. 710, kommt zu dem Schluss, dass eine Reduzierung des Risikos in der Entwicklung der Börsenpreise (geringere Volatilität) die Bereitschaft der Unternehmensleiter erhöht, erfolgsabhängige Vergütungen zu akzeptieren. Dies hat dann eine Verbesserung der Unternehmensführung zur Folge. Unter dem Gesichtspunkt der Corporate Governance ließe sich folglich argumentieren, dass diese die Pflichtpublizität zu rechtfertigen vermag. Eine aktuelle Studie zu Staatsanleihen mit bemerkenswerten Erkenntnissen findet sich bei Choi/Gulati, 80 Tul. L. Rev. 1023 (2006). 105 Posner/Scott, Economics, S. 379. 106 Weit verbreitet sind etwa das Capital Asset Pricing Model (CAPM), wonach risikoaverse Anleger eine umso höhere Rendite fordern, je größer das nicht diversifizierbare Risiko eines Wertpapiers ist, vgl. etwa Drukarczyk, Theorie; Brealey/Myers, Principles. Das Drei-FaktorModell dagegen weist weitere Faktoren nach, die neben dem Beta-Wert abnormale Renditen („Marktanomalien“) erklären könnten: (1) die Unternehmensgröße, sowie (2) das Verhältnis von Marktwert zu Buchwert des Eigenkapitals, vgl. Fama/French, 48 J. Fin. 3 (1993), str. 107 Detaillierte Übersicht bei Fox, 85 Va. L. Rev. 1335, 1369 – 1394 (1999). 108 Langevoort, 140 U. Pa. L. Rev. 851, 853 (1992); Gilson/Kraakman, 70 Va. L. Rev. 549, 641 (1984). 109 SEC, Report of the Advisory Committee; SEC, Wheat Report. 104

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b) Empirische Messung der Informationseffizienz: Performance Studies Neuere Ereignisstudien versuchen zumeist, die Informationseffizienz der Kapitalmärkte zu belegen, da diese impliziert, dass ein uninformierter Anleger (da er den Markt ohnehin nicht schlagen kann) auch keinem Informationsrisiko ausgesetzt ist.111 Regelmäßig wird dazu der Kurs eines Wertpapiers mit einem breitem Marktindex verglichen, wobei außergewöhnliche Kursbewegungen nur 5 bis 10 Minuten nach Bekanntwerden einer neuen Information zu beobachten sind. Danach lassen sich aufgrund dieser Information keine Gewinne mehr erzielen. Auch die Offenlegung von Jahresabschlüssen wird regelmäßig recht genau vom Kapitalmarkt antizipiert und vorab im Preis verarbeitet.112 Für Deutschland lässt sich eine informationelle Effizienz, vor allem hinsichtlich positiver Meldungen, in ähnlicher Weise darstellen.113 Des Weiteren lässt sich empirisch messen, inwieweit professionelle Marktteilnehmer (Investmentfonds) höhere Renditen erzielen, als der Gesamtmarkt. Dies sollte nur möglich sein, wenn die Fondsmanager aufgrund von Ineffizienzen des Marktes Informationsvorteile ausnutzen können. Schon 1968 stellte aber Jensen fest, dass Portfolio-Manager durchweg eine mit einem breit gestreuten Index verglichen negative Rendite erzielen,114 was durch neuere Studien bestätigt wird.115 Gewinnbringendes Handeln aufgrund öffentlich bekannter Information ist mithin nicht möglich.116 Investoren könnten ebenso Dart-Pfeile werfen.117 Auch in Europa erzielen aktiv verwaltete Fonds nach Bereinigung von Verwaltungs- und Transaktionskosten regelmäßig keine besseren Renditen, als Index-Fonds.118

110 So aus deutscher Sicht Merkt, Unternehmenspublizität, S. 197 m.w.N., sowie MeierSchatz, Unternehmenspublizität, S. 204 m.w.N. 111 Vgl. Bak/Bigus, ZBB 2006, 430, 435 (mit umfassenden neueren empirischen Nachweisen). 112 Umfassende Nachweise bei Brealey/Myers, Principles, S. 361. 113 Vgl. Schmidt/May, ZfB 63 (1993), 61 ff. m.w.N. (Auswirkungen von Pressemeldungen auf Börsenkurs). 114 Jensen, 28 J. Fin. 389 (1968), unter Anwendung des CAPM. 115 Vgl. etwa Carhart, 52 J. Fin. 57 (1997); Ferson/Schadt, 51 J. Fin. 425 (1996); Malkiel, 50 J. Fin. 549 (1995). 116 Freilich schließt dies nicht aus, dass einige der Fonds den Markt schlagen, vgl. Brealey/ Myers, Principles, 361. 117 Öffentlich bekannt geworden sind die dargestellten Studien durch ein vom Wall Street Journal veranstalteten Kontest: Vier Wertpapieranalysten mussten ihre Empfehlungen abgeben. Danach wurde mit Dart-Pfeilen auf den Börsenteil der Zeitung geworfen, um Wertpapiere für ein Vergleichsportfolio auszuwählen. Das Portfolio der Analysten schnitt im Vergleichszeitraum schlechter ab. Darstellung nach Stout, 87 Mich.L.Rev. 475 (1988). 118 Heda/Heine/Oltmanns, AG 2001, 109, 114 unter Verweis auf eine Studie der Credit Suisse Asset Management (nur 2 – 10 % der Fondsmanager schlagen den Referenzindex). Diesen 2 – 10 % gelingt es jedoch.

III. Zur Kritik am Konzept hoheitlicher Publizitätspflichten 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Allerdings sei bereits hier darauf hingewiesen, dass die Übertragung dieser Ergebnisse auf Deutschland umstritten ist. Hier bestehen noch weitergehende Zweifel an der Effizienz.119 So erzielt Löffler120 1999 erstaunliche übermäßige Renditen, inACHTUNGREdem er Ergebnisschätzungen von Aktienanalyseinstituten auswertet. Auch in DeutschACHTUNGREland deutet aber einiges darauf hin, dass der Markt mit der Zeit (und mit Ausweitung der Publizität) zunehmend effizienter wird.121 c) Empirische Ereignisforschung in Deutschland Auch im Übrigen ist die Entwicklung der kapitalmarktorientierten empirischen Forschung in Deutschland eng mit den dargestellten US-amerikanischen Ereignisstudien („event studies“) verbunden. Im Rahmen einer zunehmenden Kapitalmarktorientierung steht hier die Frage nach der optimalen Ausgestaltung der Rechnungslegung und deren Informationsgehalt im Mittelpunkt. Empirische Rechnungslegungsforschung lässt sich dabei zunächst grob in deskriptiv-vergleichende und wirkungsorientierte Studien unterscheiden, wobei letztere aus Sicht der Unternehmen oder der Adressaten durchgeführt werden.122 Hier von besonderem Interesse ist die Frage nach der Entscheidungsnützlichkeit123 einer neuen Information für die Marktteilnehmer.124 Interessant ist dabei festzustellen, dass dem Jahresabschluss eine direkte Informationsbedeutung allenfalls für kleine Unternehmen zugemessen wird. Bei größeren Unternehmen hingegen sind Marktaktivitäten zumeist schon vor Veröffentlichung zu beobachten, so dass dem geprüften Jahresabschluss allenfalls eine Bedeutung für Verlässlichkeit, Einheitlichkeit, und den Detaillierungsgrad der Information zukommt („Informationshygienefunktion“).125 Dagegen werden der zeitnäheren unterjährigen Regelpublizität und den Ad hoc- Meldungen durchweg umfassende Marktreaktionen attestiert, wobei die Ergebnisse aber in den Details und der Begründung erheblich divergieren. Hinzu tritt, dass längerfristig angelegte Untersuchungen von DAX-Unternehmen zeigen, dass eine neue Information am Markt zwar durchschnittlich innerhalb eines Tages im Börsenpreis reflektiert ist, langfristig aber dennoch auch nach der Veröffentlichung erhebliche abnormale Renditen erzielt werden können (sog.

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Merkt, Unternehmenspublizität, S. 392 (schwache Variante der Effizienzhypothese für dt. Markt noch 2001). 120 Löffler, zfbf 51 (1999), 128. 121 Klein, Aktien-Analyse, S. 263 (Informationseffizienz v. a. in den letzten Jahren, schwächer aber 1975 – 1990). 122 Coenenberg/Haller, Externe Rechnungslegung, in: FS Witte, S. 557, 562. 123 Coenenberg, Jahresabschluss, S. 1233 unterscheidet die Prognose-, Entscheidungs- und Bewertungsrelevanz einer Information am Kapitalmarkt. 124 Umfassende Darstellung, auch unter Beachtung der US-amerikanischen Sicht bei Mölls/ Strauß, KoR 07, 79; umfassende Übersicht über die Forschung zum Konzernabschluss bei Bonse, Informationsgehalt, S. 82 ff. 125 Coenenberg, Jahresabschluss, S. 1236; vgl. Mölls/Strauß, KoR 07, 79, 85.

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B. Publizitätspflichten aus ökonomischer Sicht und die Rolle des Rechts

post-earnings announcement drift).126 Dies widerspricht den Annahmen eines informationseffizienten Kapitalmarkts. Hinzu tritt die Feststellung weiterer nicht erklärbarer Verhaltensanomalien. Problematisch an diesen Untersuchungen ist jedoch, dass sich abnormale Renditen regelmäßig nach Veröffentlichung der Forschungsergebnisse nicht mehr erzielen lassen und diese mithin nicht verifizierbar sind.127 Im Ergebnis ist folglich auch hier Vorsicht geboten, vorschnell Rückschlüsse auf die Qualität der Rechnungslegung, ihre Auswirkungen auf die Entscheidungsfindung, und somit indirekt auf die Wohlfahrtsfunktion der Pflichtpublizität in ihrer jetzigen Ausgestaltung zu ziehen.128 Dennoch haben die empirischen Untersuchungen das Problembewusstsein in einigen Bereichen erheblich gestärkt. Von großem Interesse für den Fortgang der Untersuchung sind hier die Feststellungen von offenbar irrationalem Verhalten, die bislang mangelnde Differenzierung nach Größe und Tätigkeitsbereich der Unternehmen, sowie Unterschiede in der Entscheidungsrelevanz einer Information je nach Adressatenkreis einer Information. Kommt eine Studie zu dem Schluss, dass der Jahresabschluss für Kleinanleger eine erhebliche Bedeutung besitzt, institutionelle Anleger hingegen größtenteils Informationen nutzen, die sie vorab erlangt haben,129 so drängen sich die Fragen der Gleichbehandlung und Gerechtigkeit, aber auch des Vertrauensschutzes von Individualanlegern bei der jetzigen Ausgestaltung der Publizität auf. Auch das Bedürfnis der Adressaten nach umfassender zeitnaher Information außerhalb des Jahresabschlusses, und somit außerhalb des zentralen Informationsregimes, wird im weiteren Verlauf von großem Interesse sein. d) Umfragestudien aa) Umfragen zu den Auswirkungen von Publizität und zur Corporate Governance In der Erkenntnis, dass sich die konkreten Auswirkungen eines veränderten informationellen Umfeldes am Markt nicht mit Sicherheit bestimmen lassen und damit konkrete Rückschlüsse aus den event studies (kapitalmarktrechtlicher Forschungsansatz)130 gering waren, begannen in den 1990er Jahren mehrere Untersuchungen, groß126

Beaver, The Accounting Review 2002, 454. Bak/Bigus, ZBB 06, 430, 437 (Spezialisten könnten die Ergebisse in ihr Handeln einbeziehen, so dass nicht zwingend auf Fehler in der Untersuchung geschlossen werden kann). 128 So auch Mölls/Strauß, KoR 07, 79, 92. 129 Cready/Mynatt, The Accounting Review 1991, S. 303 ff. Zu beachten ist, dass diese Untersuchung noch in großem Umfang eine selective disclosure zu Grunde gelegt hat, die in diesem Maße mit der Regulation Fair Disclosure, SEC Release 33 – 7881 (2000), weitestgehend unterbunden wurde. In Deutschland ist die Vorabinformation professioneller Marktteilnehmer gem. §§ 14 Abs. 1 Nr. 1 und 2, 15 WpHG untersagt. Dennoch erscheinen die Unterschiede im Zugang und in der Verarbeitung einer Information bis heute erheblich. 130 Im Gegensatz zum empirisch-kapitalmarktrechtlichen Ansatz sind die Umfragestudien systematisch einem verhaltenswissenschaftlichen Ansatz zuzuordnen, vgl. zur Systematik Coenenberg, S. 76. 127

III. Zur Kritik am Konzept hoheitlicher Publizitätspflichten 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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flächig angelegte Umfragen unter den Marktteilnehmern durchzuführen.131 Dabei wurden die publizitätspflichtigen Unternehmen – die als Marktteilnehmer selbst die Auswirkungen der Publizität am besten beurteilen können sollten – zum einen nach ihrer Einschätzung der Folgen einer bestimmten Offenlegung und zum anderen nach ihrer daraus resultierenden Offenlegungspraxis befragt. Gegenstand der Untersuchungen war zumeist die über die gesetzlich vorgeschriebene Pflichtpublizität hinausgehende freiwillige Publizität und die dabei erfolgenden Kosten-Nutzen-Analysen der Unternehmen.132 In Deutschland wurden empirisch umfassende Befragungen vor allem ab dem Jahr 2000133 über die Folgen der Umstellung auf internationale Rechnungslegungsstandards bei mittelständischen Unternehmen durchgeführt.134 Die Ergebnisse divergieren gewaltig.135 In den folgenden Jahren konzentrierten sich verschiedene Regressionsanalysen, Umfrage- und Ereignisstudien136 auf kapitalmarktorientierte Unternehmen, die den Konzernabschluss zwingend nach IFRS erstellen mussten.137 Auffällig ist hierbei die Einheitlichkeit, mit welcher die Finanzvorstände von im Prime Standard der Deutschen Börse notierten Unternehmen die höhere Transparenz und Vergleichbarkeit gegenüber der Rechnungslegung nach HGB lobten, sowie die Deutlichkeit und Sicherheit, mit der diese vor allem auf die detaillierten Angaben im Anhang, die Segmentberichterstattung und die Ergänzung um einen Eigenkapitalspiegel zurückgeführt wurden.138 Auch das Kosten-Nutzen-

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Gray/Radebaugh/Roberts, 21 J.Int.Bus.Stud. 597 (1990); Clarkson/Kao/Richardson, 11 Cont.Acc.Res. 423 (1994); vgl. Ruhnke, Rechnungslegung, S. 44 m.w.N. 132 Darstellung aus wettbewerbsrechtlicher Sicht bei Link, in: Schön (Hrsg.), Wettbewerbsschutz, S. 529, 532. 133 Die meisten der befragten Unternehmen hatten ihren Abschluss in den Jahren 1998 – 2000 erstmals nach IAS/IFRS oder US-GAAP erstellt, Köhler/Marten/Schlereth/Crampton, BB 2003, 2615. Die genannten Untersuchungen aus deutscher Sicht beschränkten sich zunächst auf mittelständische Unternehmen. 134 BDI/Ernst & Young AG, Rechnungslegung im Umbruch, 2005 (abrufbar unter www.bdionline.de); DIHK/PwC, International Financial Reporting Standards (IFRS) in mittelständischen Unternehmen, 2005, S. 28 (abrufbar unter www.dihk.de); von Keitz/Stibi, KoR 2004, 423, 427. Eine umfassende Übersicht findet sich bei Göbel/Kormaier, KoR 2007, 519, 521 f. Untersucht wurden auch kapitalmarktorientierte Unternehmen. 135 Jahnke/Wielenberg/Schumacher, KoR 2007, 365 ff. kommen zum entgegengesetzten Ergebnis wie die Studie von Keitz/Stibi, KoR 2004, 423 ff. 136 Burger/Ulbrich, KoR 2004, 235 ff. m.w.N.; zu den Unterschieden der empirischen Ansätze mit umfassenden Nachweisen Haller/Ernstberger/Froschhammer, KoR 09, 267 f. (Während Regressionsanalysen Auswirkungen der Umstellung auf die Rechnungslegung, Liquidität, Kapitalkosten oder Analysteneinschätzungen untersuchen, stellen Umfragestudien auf Ansichten der Unternehmen und Ereignisstudien auf die Kapitalmarktreaktion ab). 137 Die IAS-VO sieht für kapitalmarktorientierte Unternehmen die zwingende Anwendung von IFRS im Konzernabschluss ab dem Jahr 2005 bzw. 2007 vor; dazu unten, D.II.3.a); vgl. die umfassende Auswertung der empirischen Studien zur Rechungslegung im Konzern bei Bonse, Informationsgehalt. 138 Köhler/Marten/Schlereth/Crampton, BB 2003, 2615, 2616: (stark) erhöhte Transparenz und Vergleichbarkeit (über 80 % Zustimmung); vor allem durch detaillierte Angaben im An-

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Verhältnis konnte sehr genau eingeschätzt werden.139 Inhaltlich wurde einheitlich eine Erhöhung des Eigenkapitals festgestellt, ansonsten divergieren aber auch hier Feststellungen zu den Umstellungsergebnissen.140 Neben den Unternehmen selbst wurden Kapitalmarktexperten anerkannter Berufsverbände141 befragt,142 die mit ähnlich großer Einheitlichkeit die Auswirkungen auf Eigen- und Fremdkapitalgeber beziffern konnten. Leuz/Verrechia bestätigen diese Einschätzung eines höheren Transparenzniveaus, indem sie eine Senkung der Kapitalkosten zumindest dann nachweisen, wenn Unternehmen die den IFRS inhärenten Ermessensspielräume tatsächlich mit dem Ziel der Erhöhung ihrer Publizitätsqualität vornehmen.143 Ferner konnten geringere Kapitalkosten in Ländern mit hohem Niveau institutionellen Anlegerschutzes festgestellt werden.144 Transparenz hängt somit entscheidend vom gesamten institutionellen Umfeld und damit verbunden von der konkreten Anwendung und Abstimmung eines bestimmten Rechnungslegungssystems ab. Ergänzend eröffnet der höhere Bekanntheitsgrad der IFRS Zugang zu ausländischem Kapital.145 Auch zur Bedeutung der Corporate Governance wurden Umfragen durchgeführt, wobei erst die Akzeptanz des Kodex seitens der Unternehmen, später die Selbstregulierung durch den Kapitalmarkt mittels Kurszu- und -abschlägen empirisch untersucht wurden.146 § 161 AktG zählt als neuartige Form mittelbarer Regulierung147 ACHTUNGREfreilich nicht zur Pflichtpublizität im herkömmlichen Sinne, ist aber hier wegen seiner möglichen Eignung zur Verbesserung der Transparenz148 und des Vertrauens mittels hang (84,1 % Zustimmung), aufgrund der Segmentberichterstattung (55,7 % Zustimmung), des Eigenkapitalspiegels (45,5 % Zustimmung) und anderer. 139 Köhler/Marten/Schlereth/Crampton, BB 2003, 2615, 2621: Nur 10 % der Befragungsteilnehmer gaben den Nutzen der Umstellung geringer als die Kosten an; 63,6 % gaben an, die Umstellung werde langfristig durch die Aktionäre honoriert, 65,9 % stimmten positiven Auswirkungen seitens der Fremdkapitalgeber zu. 140 Überblick bei Haller/Ernstberger/Froschhammer, KoR 09, 267, 268 ff., 278. Bonse, Informationsgehalt, weist empirisch umfassend nach, dass der HGB-Konzernabschluss möglicherweise einen ebenso hohen Informationsgehalt für Eigenkapitalgeber aufweist, wie ein Abschluss nach anderen Rechnungslegungsstandards. 141 Mitglieder der Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management. 142 Marten/Schlereth/Crampton/Köhler, BB 2002, 2007. Diese Umfrage bezog sich allerdings ausschließlich auf nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen. Auch hier wurde die Segmentberichterstattung als wichtigster Faktor für verbesserte Transparenz und Vergleichbarkeit (innerhalb Deutschlands: 58 %, international: 88,2 %) genannt, und eine stärkere Anlegerorientierung festgestellt, ebd., S. 2009 f. 143 Leuz/Verrechia, 38 J. Acc. Res. 91 (2000). In Übergangsphasen können freilich höhere Kosten anfallen. Zum Zusammenhang von Transparenz und Kapitalkosten aus neoklassischer Sicht, siehe oben, B.II.1. a.E. 144 Bushman/Piotroski, 42 J. Acc. Econ. 107, 140 (2006). 145 Covrig/DeFond/Hung, 45 J. Acc. Res. 41, 69 (2007). 146 Nowak/Rott/Mahr, ZGR 2005, 252, 253 m.w.N. 147 So Ulmer, ZHR 166 (2002), 150. 148 Zum Transparenzgedanken des DCGK, vgl. Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, Rn. 1201 ff.

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verlässlicher Information149 als denkbare Alternative der Regulierung von besonderem Interesse. Allerdings ergeben auch diese Untersuchungen kein einheitliches Bild. Während die Befragungen und Ereignisstudien zum Teil eine Bereitschaft seitens der Anleger feststellten, eine Befolgung der Kodex-Empfehlungen mit Preisaufschlägen bis zu 20 % zu honorieren,150 stellten andere Studien keinerlei Beeinflussung des Börsenkurses und somit auch keine Vertrauenssteigerung seitens der Marktteilnehmer fest.151 Die Studien sind hier dennoch von großem Interesse, da sie eine Abschätzung von Informationsbedürfnis und Regulierungsbedarf ermöglichen, und zudem für Bereiche sensibilisieren, in denen eine freiwillige Offenlegung durch den Markt trotz „comply or explain“ nicht erreicht wird.152 Schließlich verdeutlichen die Untersuchungen Unterschiede des kontinentaleuropäischen zum anglo-amerikanischen Rechtsraum, wonach sich aufgrund einer systembedingt anderen Ausprägung des Anlegerschutzes eine 1:1 Übernahme von in den USA bewährten Standards oftmals verbietet.153 So ist Investorenschutz durch den Druck des Marktes in den USA ACHTUNGREtraditionell höher, wo institutionelle Investoren von sich aus Offenlegung in vielen Bereichen fordern.154 Die empirischen Untersuchungen sind hier in ihren Aussagen oft auf Teilangaben oder Details begrenzt, und schwer verallgemeinerungsfähig oder vergleichbar. So lassen sich die entgegengesetzten Ergebnisse der beiden erwähnten Studien dadurch erklären, dass sich erstere auf Fragen zum Aufsichtsrat beschränkte, wohingegen die zweite zentral die Qualität der Finanzberichterstattung untersuchte.155 Beide Studien zeigen aber in Bezug auf die untersuchten Einzelangaben recht deutlich auf, hinsichtlich welcher Informationen – vor allem aus Gründen des Anlegerschutzes – ein die Marktkräfte unterstützender staatlicher Regelungsbe-

149 Ulmer, ZHR 166 (2002), 150, 168 (Vertrauensschutz), 177 (Verbesserung der Transparenz). 150 McKinsey, Global Investor Opinion Survey 1999/2000, sowie 2002 (abrufbar unter: www.mckinsey.de/governance) (80 % der Investoren sind bereit, 20 % mehr für gute Corporate Governance zu bezahlen); dazu Ulmer, ZHR 166 (2002), 150, 168 m.w.N. 151 Nowak/Roth/Maar, ZGR 05, 252, 265 ff., 279 mit umfassenden Nachweisen weiterer Studien. 152 So sind Unternehmen regelmäßig nicht bereit, Managergehälter offenzulegen, was einen Handlungsbedarf des Gesetzgebers zur Gewährleistung von Investorenschutz indiziert, Nowak/ Roth/Maar, ZGR 05, 252, 279 m.w.N. 153 Zu den unterschiedlichen Ausprägungen des Anlegerschutzes im deutschen Corporate Governance Kodex und im US-Modell, siehe Merkt, AG 03, 126, 127 ff.; speziell zum Kapitalmarktrecht Assmann, FS Kümpel, S. 1, 2 ff. 154 Zu den „Codes of Best Practice“ US-amerikanischer institutioneller Anleger (CalPERS, TIAA-CREF) und deren Einfluss auf die Corporate Governance Nowak/Roth/Maar, ZGR 05, 252, 255. Freilich haben diese Codes auch eine nicht zu unterschätzende Auswirkung auf die Kapitalmärkte in Deutschland und Europa. 155 So auch die Schlussfolgerung der McKinsey-Studie, Nowak/Roth/Maar, ZGR 05, 252, 262, Fn. 49 m.w.N.

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darf besteht.156 Da zu erwarten ist, dass die Corporate Governance Debatte die Entwicklung internationaler Kapitalmarktstandards in immer stärkerem Ausmaß prägen wird,157 ist diese Perspektive hier mit zu beachten. Zumindest in neuester Zeit zeichnet sich dabei recht deutlich eine Übersättigung des Marktes mit Informationen zur Corporate Governance ab, was darauf hindeutet, dass der Kodex zu umfassende Empfehlungen gibt.158 Schließlich wird auf europäischer Ebene eine Vielzahl von Befragungen der Marktteilnehmer durchgeführt, welche bei einer Auflistung wichtiger empirischer Untersuchungen nicht fehlen dürfen. Diese lassen sich in ex ante-Untersuchungen im Vorfeld einer neuen Regulierung und solche hinsichtlich der späteren Akzeptanz seitens der Marktteilnehmer unterteilen.159 bb) Umfragen zur Wettbewerbssensitivität von Publizität Von unmittelbarem Interesse für den Fortgang der Untersuchung ist ferner eine 2005 an der Frankfurter Wertpapierbörse durchgeführte Umfrage, bei der die dort notierten Unternehmen zu ihrer Einschätzung der Wettbewerbswirkungen von Pflichtpublikationen befragt wurden, wobei die Bewertung auf die Jahresabschluss- und Lageberichtspublizität beschränkt blieb.160 Die Befragung ist einer Reihe ähnlicher Erhebungen zur Wettbewerbsrelevanz hoheitlicher Publizitätspflichten zuzuordnen,161 und soll hier die vielfältigen Wechsel- und Fernwirkungen der Publizität verdeutlichen, auf die später aus theoretischer Sicht noch näher einzugehen sein wird. Daher sollen hier die empirischen Ergebnisse kurz vorgestellt werden. In einem ersten Teil der Untersuchung wurden die Unternehmen über Wettbewerbsnachteile durch Pflichtangaben (competitive disadvantage), in einem zweiten Teil über ihre eigene Nutzung von Pflichtveröffentlichungen anderer Unternehmen zur Wettbewerbsana156 Ergibt sich hinlänglicher Investorenschutz nicht schon durch den Druck des Kapitalmarktes, ist staatliches Eingreifen (beispielsweise durch die Wertpapieraufsichtsbehörden) mittels Anlegerschutzvorschriften gefordert, Baums, Bericht, 2001, S. 47 ff., Rn. 4. 157 Zur wachsenden Bedeutung der kapitalmarktrechtlichen Perspektive in Europa Spahlinger/Wegen, Rn. 1500; zur traditionellen Unterscheidung der Corporate Governance Modelle gegenüber den USA Merkt, AG 03, 126. 158 Kötzle/Grüning, KoR 2009, S. 33, 39 weisen zuletzt darauf hin, dass dies der einzige Bereich ist, in dem die Nachfrage nach mehr Informationen hinter dem tatsächlichen Stand der Offenlegung zurückbleibt. 159 Siehe beispielsweise die Konsultations- und Bewertungsrunden zur Aktionärsrechterichtlinie, abrufbar unter: http://europa.eu.int/comm/internal_market/company/shareholders/ index_de.htm; vgl. zuletzt die umfassende Evaluierung der ökonomischen Auswirkungen des FSAP, Kommission, FSAP Evaluierung. Teil 1 (CRA Int.) zu den allgemeinen Auswirkungen, Teil 2 (Europe Economics) speziell zu Implementierungskosten. 160 Link, in: Schön (Hrsg.), Wettbewerbsschutz, S. 529 ff. 161 Chang, Finance India, S. 557 ff. (Finanzpublizität und Wettbewerb); Edwards/Smith, 28 Brit. Acc. Rev. 155 ff. (1996); Leuz, in: Leuz/Pfaff/Hopwood (Hrsg.), S. 164 ff. (beide zur Segmentberichterstattung).

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lyse befragt. Generell kann dabei festgestellt werden, dass in der Veröffentlichungspflicht „kein allzu großes Problem“162 gesehen wird. Allenfalls kleine Unternehmen mit niedrigem Umsatz und geringer Diversifikation stellten überhaupt eine Problematik fest, wenn auch keine große.163 Dies entspricht dem Ergebnis einer umfassenden Befragung börsennotierter Unternehmen in 2009,164 sowie verschiedener Befragungen nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen über deren Einschätzung von indirekten Kosten durch Wettbewerbsnachteile. Letztere sahen die Offenlegung von Umsatzzahlen, Herstellungskosten und ähnlichen Leistungskennziffern durchweg als unbedenklich an; allenfalls bei zukunftsgerichteten, strategisch relevanten Informationen wurden Bedenken geäußert.165 Einheitlich werden die Art der Wettbewerbsnachteile166 und das Schädigungspotential bestimmter Informationen167 bewertet. Diese Angaben fordern geradezu heraus, die als kritisch bewerteten Angaben „Preisnachteile durch Bekanntwerden von Margen“, „geographische/regionale Segmentierung“ und „Aufmerksamkeit von staatlichen Stellen“168 unter marktorientierter Betrachtungsweise auf ihren Informationsgehalt für den Empfänger zu überprüfen. Hier muss das staatliche oder politische169 Interesse gegebenenfalls zurückstehen.170 Ebenso ließe sich erwägen, ob durch eine sachliche anstelle der örtlichen ACHTUNGREAufgliederung derselbe Informationsgehalt für die am Kapitalmarkt Beteiligten bei gleichzeitig geringerer Belastung für die Unternehmen erreicht werden kann. Ebenso deutlich wie die Wettbewerbsnachteile benannt werden, sagen die Publizitätspflichtigen, dass durch die Abstraktheit und Zusammenfassung der Darstellung die Offenbarung zu sensibler Information vermieden werden kann und in der Praxis auch vermieden wird.171 Diese Aussage verwundert in besonderem Maße, da auch mehrere Untersuchungen zur Segmentberichterstattung ergeben haben, dass diese gezielt so gestaltet wird, dass Wettbewerbsnachteile vermieden werden können, etwa 162

So Link, in: Schön (Hrsg.), Wettbewerbsschutz, S. 529, 542. Auf einer Skala von 1 (Kein Problem) bis 5 (Großes Problem) erfolgte nur eine Nennung von 26 bei Ziffer 4 (3,8 %), der Rest stufte das Problemausmaß auf Stufen 1 – 3 ein. 164 Kötzle/Grüning, KoR 2009, S. 33, 43. 165 Göbel/Kormaier, KoR 2007, 519, 525 unter Verweis auf über 30 Studien. 166 Als besondere Gefahren werden negative Presse (!), politische Einflüsse (!), Druck von Lieferanten und Abnehmern, die Offenlegung von Verlusten und Risiken, sowie das Bekanntwerden von Geschäftschancen und lukrativen Märkten genannt, ebd., S. 545. 167 Als besonders schädigend werden Informationen zu Managergehältern, der Risikobericht, zukunftsgerichtete Angaben, sowie die Segmentberichtserstattung genannt, ebd., S. 551. 168 Diese wurden von einer überwältigenden Mehrheit der Unternehmen als problematisch eingestuft, Edwards/Smith, 28 Brit. Acc. Rev. 155 ff. (zur Segmentberichterstattung und Bereitschaft zu freiwilliger Publizität). 169 Politische Einflüsse, gesellschaftlicher Druck und negative Presse stellen besonders für größere Unternehmen ein Problem dar, Link, in: Schön (Hrsg.), Wettbewerbsschutz, S. 529, 547. 170 Es wird zu zeigen sein, dass der Staat nicht Marktteilnehmer und somit nicht Adressat der Publizität ist. 171 Ebd., S. 553; kritisch Kötzle/Grüning, KoR 2009, S. 33, 43 (unnötig, da keine Wettbewerbsnachteile). 163

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durch den Zuschnitt der Segmente172 oder durch ein Zurückbehalten oder verschleiertes Darstellen besonders informativer Zahlen.173 Andererseits zeigte sich auf Märkten mit gesicherter Wettbewerbsposition, etwa aufgrund von Patentschutz oder wegen hoher Eintrittsbarrieren, eine weitaus größere Bereitschaft zur Offenlegung umfangreicher Informationen.174 Diese Ergebnisse legen den Schluss nahe, dass die eigentliche Problematik in mangelndem Wettbewerbsschutz, etwa durch Patent- oder Kartellrecht liegt. Hier scheinen Publizitätspflichten ihren Zweck nicht zu erreichen. Ein effektiver wettbewerbsrechtlicher Schutz läge folglich im Interesse des gesamten Marktes: Die Unternehmen müssten dann die Informationen nicht verschleiern oder gezielt verfälschen, um Wettbewerber in die Irre zu führen, womit letztlich der besseren Information aller Marktteilnehmer gedient wäre. Schließlich führten die Befragungen der Unternehmen zu dem Ergebnis, dass die eigenen Nutzungsmöglichkeiten der Pflichtangaben im Rahmen einer Wettbewerbsanalyse viel höher eingeschätzt werden, als die Gefahr, die sich aus den eigenen Veröffentlichungen für das Unternehmen ergibt.175 Daraus lässt sich auf eine unterschiedliche Wahrnehmung der Skalen oder auf eine Unterschätzung der Gefahren schließen, was letztlich beides auf eine mangelnde Sensibilisierung für die Wettbewerbsproblematik bei den Unternehmen hindeutet.176 Auf der anderen Seite ließe sich aus den Ergebnissen der Untersuchung ebenso der Schluss ziehen, dass das Problem einer competitive disadvantage aufgrund von Pflichtpublizität für die Betroffenen wirklich geringer ist, als zunächst angenommen.177 Im Rahmen der freiwilligen Publizität hat eine Untersuchung sogar ergeben, dass zurückbehaltene, wettbewerbsrelevante Informationen von der Konkurrenz im Rahmen der Wettbewerbsanalyse ohnehin aufgedeckt werden, unabhängig von einer Veröffentlichung.178 Mittlerweile hat sich in der Praxis eine umfassende Competitive Intelligence herausgebildet, die konkurrenzbezogene Informationen systematisch und regelmäßig auswertet und daraus Rückschlüsse auf das eigene Verhalten und komparative Wettbewerbsvorteile zieht.179 172

Edwards/Smith, 28 Brit. Acc. Rev. 155 ff. (1996) (zur freiwilligen Publizität). Leuz, in: Leuz/Pfaff/Hopwood (Hrsg.), S. 164 ff. 174 Re-Jin/Baruch/Nan, 42 J. Acc. Res. 319 (2004) (umfangreiche Offenlegung von Biotech-Firmen nach Eingreifen des Patentschutzes); Leuz, in: Leuz/Pfaff/Hopwood (Hrsg.), S. 164 ff. (Bereitschaft zur Offenlegung bei hohen Eintrittsbarrieren bestimmter Märkte). 175 Link, in: Schön (Hrsg.), Wettbewerbsschutz, S. 529, 557. 176 So im Ergebnis Link, in: Schön (Hrsg.), Wettbewerbsschutz, S. 529, 558. 177 So die Gesamtbewertung aus Sicht der Befragten: „kein allzu großes Problem“, ebd., S. 542. 178 Chang, Finance India, S. 557 ff. (2002). 179 Competitive Intelligence bezeichnet den legalen und ethisch vertretbaren Prozess der Analyse, Evaluation, Verteilung und Aufbewahrung von Informationen über die Aktivitäten der Wettbewerber zum Zweck der Erklärung, Prognose und Beeinflussung von Aktionen und Reaktionen der Konkurrenz. Sie geht über die bloße systematische Konkurrenzanalyse hinaus, da zusätzlich der Informationsfluss aus dem eigenen Unternehmen gezielt gesteuert wird (Counterintelligence) und zugleich eine interne Analyse des eigenen Unternehmens im Hinblick auf komparative Konkurrenzvorteile erfolgt, Hoffjan, BB 2003, 1494, 1495 m.w.N. 173

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Im Mittelpunkt steht dabei auch hier stets die Jahresabschlussanalyse, da diese kostengünstig möglich ist, systematisch aufgearbeitete und leicht vergleichbare Daten über einen längeren Zeitraum hinweg bietet, relativ schwer zu verfälschen ist und einen guten Einblick in die finanzielle Lage (Kapitalflussrechnung, Eigenkapitalspiegel) des Konkurrenten bietet. Besonders bei kleinen, wenig diversifizierten Unternehmen werden dabei Finanzierungsstruktur und Durchhaltevermögen deutlich,180 wonach die eigene strategische Positionierung im Wettbewerb ausgerichtet werden kann. cc) Folgerungen aus den Umfragestudien Aus diesen Untersuchungen konkrete Rückschlüsse für den Fortgang dieser Arbeit zu ziehen fällt schwer. Die Ergebnisse lassen sich scheinbar in die eine wie in die andere Richtung interpretieren. Von Nutzen ist allerdings die Erkenntnis, dass durch die direkte Befragung der Marktteilnehmer recht deutlich wird, welche Informationen für diese von Nutzen sind. Ein Großteil der Probleme ließe sich hier (zumindest für größere, diversifizierte Gesellschaften) mit einer abstrakten oder stärker zusammengefassten Darstellung lösen, die gegebenenfalls für den Kapitalmarkt immer noch von ausreichendem Informationsgehalt ist. Die Erleichterungen für kleine und mittelgroße Kapitalgesellschaften schränken die Möglichkeiten der Konkurrenzanalyse erheblich ein,181 so dass hier durch die Ausgestaltung des abgestuften Offenlegungsregimes effektiver Schutz gewährleistet werden kann. Deutlich wurde dies für die Segmentberichterstattung, der für die Abschätzung der Rendite-Risiko-Struktur eines Konzerns überragende Kapitalmarktrelevanz zukommt,182 von kleinen Gesellschaften aber als sehr wettbewerbssensitiv empfunden wird. Dagegen ist eine Umstellung der Rechnungslegung von HGB auf IFRS oder US-GAAP im Rahmen der Konkurrenzanalyse fast bedeutungslos.183 Auch dies deutet darauf hin, dass die Unternehmen ihre Konkurrenz recht genau einschätzen können, unabhängig von der Ausgestaltung der Offenlegung. Damit wären die wettbewerbsbezogenen Nachteile, verglichen mit den eigenen Auswertungsmöglichkeiten der Konkurrenz, gering. Die Untersuchungen sensibilisierten aber für das Problem einer Verzerrung oder Umgehung der Offenlegung, wenn massive Wettbewerbsnachteile zu befürchten sind. Hier besteht ein verstärktes Bedürfnis nach Abstimmung der Informationen auch mit anderen Rechtsgebieten. Schließlich wurden Grenzen deutlich, in welchen Bereichen Publizitätspflichten unwirksam oder sogar kontraproduktiv sein können184 und deshalb durch anderweitige Regulierung ergänzt und auf diese in den vielfältigen Wechsel180 Hoffian, BB 2003, 1494 f. (umfassende Auswertung weiterer empirischer Untersuchungen). 181 Effing, Jahresabschlussbasierte Konkurrenzanalyse, S. 20; vgl. §§ 326, 327 HGB, dazu unten, B.III.4.b). 182 Vgl. Coenenberg, Jahresabschlussanalyse, 838 ff. 183 Effing, Jahresabschlussbasierte Konkurrenzanalyse, S. 243 – 247 (dort auch zu freiwilliger Publizität). 184 Wenn diese bewusst umgangen oder die Informationen verschleiert werden, s. o.

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wirkungen abgestimmt werden müssen. Weitere Erhebungen empfehlen sich folglich, bevor eine unreflektierte Ausweitung der Publizitätspflichten erfolgt. 2. Ökonomische Theorie Auf einer grundlegenderen Ebene als die empirische Forschung hat sich die Ökonomie der Publizität auf theoretischer Ebene zu nähern versucht. Hier sollen mit Hilfe systemologischer bzw. modelltheoretischer Überlegungen die Auswirkungen staatlich auferlegter Publizitätspflichten nachgewiesen und erklärt werden.185 a) Wirtschaftstheoretische Grundgedanken aa) Von der neoklassischen Mikroökonomie zum Neuen Institutionalismus Lange Zeit wurden die Probleme der Gewinnung, Verarbeitung und Nutzung von Information von den ökonomischen Theorien ausgeblendet. So ging die neoklassische Mikroökonomie von einem Idealmodell „vollständiger Konkurrenz“ aus, in dem rationale Akteure ihre Entscheidungen bei vollständiger und kostenloser Information treffen.186 Die Vernachlässigung von Transaktionskosten und institutionellen Nebenbedingungen wie systematisch unvollkommener Information und beschränkter Rationalität187 wurde aber bald als nachteilig empfunden,188 und das Modell unter der Bezeichnung „Neuer Institutionalismus“189 oder „Neue Institutionenökonomik“190 (Institutional Choice), um diesen Gesichtspunkt erweitert. Grundansatz ist dabei, die Folgen eines bestimmten institutionellen Umfelds (Staat; Gesellschaft und Markt) stärker zu berücksichtigen (institutions matter).191 Dabei kommt den Annahmen des Individualismus besondere Bedeutung zu. Normativer Individualismus bedeutet, dass die einzelnen Mitglieder einer Gruppe (Markt, Gesellschaft, Staat) selbst am besten bestimmen können, was gut für sie ist; Unwissenheit und Unerfahrenheit modelltheoretisch ausgeschlossen.192 Der methodologische Individualismus unterstellt nun für die einzelnen Akteure in einer Gruppe, dass diese (1) ihren eigenen 185

Merkt, Unternehmenspublizität, S. 207. Schäfer/Ott, S. 5. 187 Dazu Kirchner, in: FS Immenga, S. 607, 611. 188 Grundlegend Coase, 3 J. Law Econ. 1 (1960), abgedruckt in: Assmann/Kirchner/ Schanze, S. 129 ff. 189 Aus ökonomischer Sicht Schäfer/Ott, S. 4. 190 So aus rechtswissenschaftlicher Sicht Merkt, Unternehmenspublizität, S. 208 mit Verweis auf Williamson, Markets, S. 1; ausführlich zur Entwicklung Richter, EBORL 6 (2005), S. 161 ff. 191 Grundlegend Richter/Furubotn, S. 2 f.; Schäfer/Ott, S. 4; Richter, EBORL 6 (2005), S. 161 ff. 192 Schäfer/Ott, S. 3. 186

III. Zur Kritik am Konzept hoheitlicher Publizitätspflichten 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Nutzen oder privaten Vorteil verfolgen und sich (2) nicht von moralischen Kategorien oder Pflichtbewusstsein leiten lassen. Die institutionelle Betrachtung baut folglich auf individuell-rational und egoistisch handelnden Personen auf (REMM-Hypothese der rational choice theory).193 Die entscheidenden Einsichten lassen sich wie folgt zusammenfassen:194 Eine übergreifende Institution, wie die Gesellschaft als Ganzes, besteht aus verschiedenen Individuen mit unterschiedlichen Präferenzen. Diese handeln eingeschränkt rational zu ihrem eigenen Vorteil (Annahme eingeschränkter ACHTUNGRERationalität/bounded rationality), und zwar auch opportunistisch195 zum Nachteil der anderen.196 Das Recht gerät dadurch in den Konflikt, dass es zum einen der begrenzten Rationalität Rechnung tragen, mithin die Möglichkeit individueller Vorteile gewährleisten muss, dabei aber zugleich das Marktgeschehen vor den Gefahren opportunistischen Verhaltens auf Kosten der anderen Marktteilnehmer zu schützen hat.197 Geht man nun davon aus, dass der Einzelne unter mehreren Entscheidungsalternativen diejenige wählen wird, von der er sich den größten persönlichen Nutzen verspricht, so spielt eine erhebliche Rolle, welche Informationen dem Individuum bei der Entscheidung zu welchen Kosten im gegebenen institutionellen Umfeld zur Verfügung stehen.198 Dabei gehen die Annahmen zur Modellfigur des homo oeconomicus noch von einer umfassenden Rationalität im Sinne einer optimalen Informationsaufnahme- und -verarbeitungskapazität aus.199 Dies hat zur Folge, dass die Anlageentscheidung des Einzelnen allein von seinem institutionellen (und vor allem informa193

Richter/Furubotn, S. 4; begriffsprägend Brunner/Meckling, 3 JMCB 70, 71 (1977): „Resourceful, Evaluating, Maximizing Man“; zur Hypothese des rational-egoistischen Menschen (dt.: REM-Hypothese), Schäfer/Ott, S. 58. 194 Angelehnt an Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 133. 195 Dieses opportunistisch-eigennützige Verhalten (self-interest with guile) kann über gesetzes- und vertragstreues Handeln zum eigenen Vorteil, wie noch von der Neoklassik angenommen, hinausgehen. Der Neue Institutionalismus erkennt diese Gefahr schäbig-eigennützigen Verhaltens auch unter Inkaufnahme eines Regelbruchs zum eigenen Vorteil, und kann ihr so entgegenwirken, Schäfer/Ott, Lehrbuch S. 109. 196 Grundlegend Williamson, Ökonomische Institutionen des Kapitalismus, S. 54, 73 ff. 197 Zu einem ähnlichen Problem im Vertragsrecht allgemein siehe Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 144. 198 Richter/Furubotn, S. 4; anschaulich mit besonderem Blick auf Informations- und damit Transaktionskosten zu den Aspekten der Informationsökonomik Merkt, Unternehmenspublizität, S. 209. 199 Rationalität muss der Ausgangspunkt einer Untersuchung menschlichen Verhaltens sein, Paredes, 81 Wash. U.L.Q. 417, 435 (2003): „Rationality [is] the assumption that individuals are able to consider all relevant factors in making choices and that they have unlimited computational capabilities.“ Paredes verweist sodann auf Simon, A Behavioral Model of Rational Choice, 65 Q. J. Econ. 99 (1955), der den economic man beschreibt als: „[He] is assumed to have knowledge of the relevant aspects of his environment which, if not absolutely complete, is at least impressivley clear and voluminous. He is assumed to have a well-organized and stable system of preferences, and a skill in computation that enables him to calculate for the alternative courses of action that are available to him, which of these will permit him to reach the highest attainable point on his preference scale.“

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tionellen) Umfeld abhängt, und dass folglich mehr verfügbare Informationen zu einer besseren Entscheidung führen würden.200 Es sei jedoch bereits angedeutet, dass dieses Grundmodell aufgrund begrenzter kognitiver Fähigkeiten später noch genauer einzuschränken und zu modifizieren ist. Dann wird sich zeigen, dass ein Mehr an Informationen am Markt allein nicht ausreicht, sondern dass unter anderem die Darbietung und Aufarbeitung der Informationen eine erhebliche Rolle spielen.201 bb) Transaktionskostenökonomik Der Kostenansatz des Neuen Institutionalismus betont die Bedeutung der Transaktionskosten für das institutionelle Umfeld. Hauptzweck und Hauptwirkung der ökonomischen Institutionen des Kapitalismus liegt danach in der Einsparung von Transaktionskosten.202 Das institutionelle Umfeld wird sich folglich so entwickeln, dass in jeder Situation die geringsten Kosten anfallen. Im Vertragsrecht werden gewöhnlich Such- und Informationskosten vor Vertragsschluss, Verhandlungs- und Entscheidungskosten bei Abschluss des Vertrages, sowie anschließende Überwachungsund Durchsetzungskosten unterschieden.203 Auf den dezentralen Kapitalmarkt lässt sich dies im Wesentlichen übertragen. Hier soll primär eine Untersuchung des informationellen Umfeldes am Markt erfolgen, weshalb der Kostenaspekt nicht gesondert vertieft und nur an gegebener Stelle einfließen soll. Für die Informationsversorgung des Marktes ist aber schon hier die Tendenz festzuhalten, dass grundsätzlich die günstigste Form der Informationsbeschaffung vorzugswürdig ist – soll doch nach den Prinzipien der Wohlfahrtsökonomik primär der gesellschaftliche Nutzen maximiert werden (Kriterium der Effizienz). Es ist mithin zu gewährleisten, dass unter mehreren Alternativen diejenige gewählt wird, die mit den geringsten Kosten für die Beteiligten verbunden ist, um eine optimale Funktionsfähigkeit des Marktes sicherzustellen. Das institutionelle Umfeld hat damit dafür zu sorgen, dass die Reibungsverluste beim Marktgeschehen möglichst gering bleiben.204 Die ökonomische Analyse des Rechts205 folgert daraus, die Infor200 Paredes, 81 Wash. U.L.Q. 417, 435 (2003); die Suchkostentheorie schränkt dies insofern ein, als mit best. Grenzkosten keine Aufnahme neuer Information mehr erfolgt, vgl. Simon, Behavorial Economics, S. 221. 201 Dazu unten, B.III.2.d)dd) (Simon); so im Ansatz auch Schmolke, ZBB 2007, 454, 460. 202 Williamson, Ökonomische Institutionen des Kapitalismus, S. 1, 19; dazu Richter, EBORL 6 (2005), 161, 164. 203 Richter/Furobotn, Neue Institutionenökonomik, S. 51. 204 So Williamson, Ökonomische Institutionen des Kapitalismus, S. 1, 21. 205 Die Ökonomische Analyse des Rechts wird zumeist als derselben Theorienfamilie zugehörig gesehen, wie die Neue Institutionenökonomik, welche die Institutionen von Staat und Gesellschaft beschreibt, analysiert und auf ihre Allokationseffizienz beurteilt, Schäfer/Ott, Lehrbuch, S. 4. Die Gegenauffassung Williamsons betont jedoch als grundlegende Unterschiede, dass die ökonomische Analyse der Chicago School allein auf Stiglers Suchkostentheorie zurückgehe, während die Neue Institutionenökonomik zudem an die asymmetrische Informationsverteilung und das Informationsparadoxon Arrows anknüpfe, Nachweise bei

III. Zur Kritik am Konzept hoheitlicher Publizitätspflichten 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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mationsverantwortlichkeit über den rechtlichen Rahmen dem cheapest-cost-avoider aufzubürden.206 Dies sind wegen ihres Zugangs und der besonderen Fachkunde regelmäßig die Unternehmen selbst. cc) Informationsökonomik Der kardinalen Bedeutung von Information Rechnung tragend, beschäftigt sie die Informationsökonomik (economics of information)207 vornehmlich mit den Einflüssen des informationellen Umfelds auf die Marktprozesse.208 Informationsökonomik lässt sich folglich als derjenige Teilbereich der Neuen Institutionenökonomik verstehen, der sich mit dem Verhalten der Akteure bei asymmetrischer Information befasst.209 Die Problematik aus rechtlicher Sicht liegt dabei primär in Folgendem: Informationen sind zweckorientiertes Wissen. Ihre Beschaffung ist mit hohen Suchkosten verbunden, deren Grenznutzen für den Einzelnen schnell erreicht ist. Um die Funktionsfähigkeit des Marktes und eine ausreichende Informationsversorgung zu gewährleisten, kann es als Aufgabe eines staatlichen Regelungsrahmens gesehen werden, Anreize für die Herstellung produktiver Informationen zu schaffen und die Kosten der Informationsbeschaffung und -verbreitung möglichst gering zu halten. Ein privates Ausnutzen gesamtwirtschaftlich gesehen unproduktiver Information ist zu vermeiden.210 Sofern dies, zumeist wegen opportunistischen Verhaltens, nicht durch markteigene Mechanismen gewährleistet erscheint, hat der Staat vertrauensschützend einzugreifen und ein informationelles Optimum am Markt unterstützend zu gewährleisten. Dem Vertrauensschutz durch das Recht kommt dabei eine so herausragende Bedeutung zu, weil in Folge des Vertrauens Informationskosten, vor allem in Form von Kontrollkosten, eingespart und so Reibungsverluste minimiert werden können.211 Grundlegend für ein Problemverständnis in der Informationsökonomie sind die Überlegungen von Hayeks. Dieser stellte in seinen Abhandlungen über die Verwertung von Wissen in der Gesellschaft212 die begrenzte Zugänglichkeit von InformatioFleischer, Informationsasymmetrie, S. 146; Überblick auf neuestem Stand bei Shavell, Foundations of Ecomomic Analysis; grundlegend Posner, Economic Analysis; Übersicht bei Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn. 46 ff. m.w.N. 206 Posner, Economic Analysis, S. 111. 207 So zuerst der Titel bei Stigler, 69 J. Pol. Econ. 213 (1961). 208 Ausführliche Darstellung bei Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 94 ff. 209 Merkt, Unternehmenspublizität, S. 212. 210 Schäfer/Ott, Lehrbuch, S. 499 ff. („Unwissenheit, Vertrauen, Opportunismus und Allokationseffizienz“) mit ausführlicher Herleitung und anschaulichen Beispielen zu den hier nur skizzenhaft dargestellten Ergebnissen. 211 Vgl. zur optimalen Allokationseffizienz und der damit verbundenen Minimierung der Opportunitätskosten durch Senkung der Transaktionskosten das Coase-Theorem, Darstellung bei Schäfer/Ott, Lehrbuch, S. 102 ff. 212 von Hayek, in: ders. (Hrsg.), Individualismus, S. 49, 65.

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nen für den Einzelnen fest. Da ein allgemeines Marktgleichgewicht aber trotzdem ACHTUNGREzustande komme, sei von einer „kollektiven Vernunft“ auszugehen, die sich daraus ergebe, dass ein effektiver Preismechanismus die erforderlichen Informationen gewissermaßen als Signal an den Markt weiterleite oder „kommuniziere“.213 Dem Einzelnen braucht folglich die konkrete Information gar nicht bekannt zu sein, vielmehr genüge das Handeln Einzelner und die Übermittlung von deren Erkenntnissen durch den Preis in einem effizienten Markt. Die Ausnutzung von Wissensvorsprüngen im marktwirtschaftlichen Wettbewerb ist dabei Grundvoraussetzung für eine zeitnahe Verbreitung entscheidungsrelevanter Marktinformationen (Prozess der Meinungsbildung durch Wettbewerb/Wettbewerb als Entdeckungsverfahren)214, und somit für die Funktionsfähigkeit des Marktes schlechthin.215 Nach diesem Konzept handelt der Einzelne auf Grundlage begrenzter Information (eingeschränkte Aufnahme-, Verarbeitungs- und Übertragungsmöglichkeit) und in Unwissen über die zukünftige Entwicklung der äußeren Umstände und dem Handeln der anderen Individuen, sog. ACHTUNGREPrinzip konstitutionellen Wissensmangels.216 Sämtliches Wissen ist aber niemals an zentraler Stelle gebündelt. Diese Annahmen werden durch die Überlegungen der Marktprozesstheorie weiter unterstützt. Unter dem Ansatz des methodologischen Individualismus betont Kirzner die Bedeutung unternehmerischer Leistungsanreize für ein effizientes Marktgeschehen, welche durch das Wissen um Informationsasymmetrien verursacht seien. Nur wenn der einzelne findige Unternehmer seinen Wissensvorsprung auch gewinnbringend ausnutzen könne, böten sich Anreize, nach neuen Informationen zu suchen.217 Ein gewisses Maß an Intransparenz und die daraus folgenden individuellen Wettbewerbsvorteile sind folglich notwendig, um Anreize zu unternehmerischem Handeln (Suche nach Arbitragegewinnen) zu bieten.218 Unter dem Gesichtspunkt der TransACHTUNGREaktionskostenminimierung kann folglich umfassende unverzügliche Publizität nicht mehr gefordert werden, denn ein vollkommen informationseffizienter Markt nähme die Möglichkeit der Ausnutzung von Informationsvorsprüngen.219 Folge ACHTUNGREdaraus ist, dass der Preisbildungsprozess seine Signalfunktion bei vollständiger Transparenz ebenso verliert wie bei Intransparenz, welche durch prohibitiv hohe

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von Hayek, ebd., S. 49, 76, 115; vgl. ders., 35 Am. Econ. Rev. 519, 521 ff. (1945). von Hayek, in: ders. (Hrsg.), New Studies, S. 179. 215 von Hayek, in: ders. (Hrsg.), Individualismus, S. 49, 139, 114: Als anschauliches Beispiel erläutert v. Hayek die gesteigerte Nachfrage wegen Knappheit eines Rohstoffs. Wenn einige Marktteilnehmer ihr Handeln dementsprechend ausrichten, werde sich im Preis niederschlagen, wo der dringendste Bedarf bei nutzbringendster Verwertung bestehe. Der Einzelne müsse dann gar nicht wissen, worin die eigentliche Ursache der Entwicklung liegt. 216 von Hayek, in: ders. (Hrsg.), Freiburger Studien, S. 171. 217 Kirzner, Unternehmer und Marktdynamik, S. 22, 172. 218 So im Ergebnis auch Grundmann/Kerber/Weatherhill, S. 13 ff. 219 Moxter, Publizitätsvorschriften. 214

III. Zur Kritik am Konzept hoheitlicher Publizitätspflichten 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Such- und Transaktionskosten zu einem Marktversagen führen würde.220 Die allokative Funktion des Marktes und seine Informationseffizienz sind folglich nur bei einem richtigen Mischverhältnis von Transparenz und Intransparenz gewährleistet. Daraus ergibt sich (1) für einen Katalog hoheitlicher Publizitätspflichten, dass auch der Staat unmöglich umfassend die Informationsbedürfnisse der einzelnen Marktteilnehmer vorab festlegen kann. Neben der Pflichtpublizität müssen folglich immer zusätzliche Anreize für eine Arbitragetätigkeit bestehen. Bei (2) der Frage nach der Vorzugswürdigkeit materieller Regulierung wird aber deutlich, dass hoheitlich zwingende Regelungen das wertschöpfende Wettbewerbsverfahren in noch viel stärkerem Maße einschränken als Informationsregeln. So lassen sich ökonomisch sehr viel höhere durchschnittliche Renditen an solchen Märkten feststellen, an denen Verbraucherschutz über kapitalmarktrechtliche Informationsregeln gewährleistet wird. Zwingende Anlegerschutzregeln im Aktienrecht scheinen dagegen ein effizientes Marktgeschehen zu verhindern.221 Dem Staat fehlt schlicht diejenige Information, die er zur Ausgestaltung einer Lösung benötigen würde. Folge ist, dass die Wirtschaftspraxis die rechtspolitischen Parameter vorgibt und die Gesetzgebung hinter den Problemen der Aktienwirklichkeit „hinterherhinkt“.222 Da es aber dennoch als Aufgabe des (Gesellschafts-)Rechts gesehen werden kann, der „Privatautonomie Raum und Grenzen zuzuweisen“,223 bleibt es bei dem Bedürfnis, eine rechtliche Rahmenordnung zu gewährleisten. Diese kann aber nur dann informationell ausgestaltet sein, wenn zunächst die informationelle Effizienz des Marktes garantiert ist.224 Mit anderen Worten muss der Kapitalmarkt eine inhaltlich vorzugswürdige Lösung erkennen und über den Preisbildungsmechanismus sicherstellen, dass diese sich gegenüber der gesamtwirtschaftlich schlechteren Lösung durchsetzt. (3) Mit der effizienten Preisbildung wäre zugleich Individualgerechtigkeit erreicht, da der Einzelne zu einem „fairen“ Preis kontrahieren kann, ohne dabei sämtliche Informationen selbst auswerten zu müssen. (4) Im Ergebnis bleibt es dabei, dass zunächst das Maß der Effizienz eines Marktes bestimmt werden muss, bevor Schlüsse über die Ausgestaltung der Pflichtpublizität – als ein die Funktionsfähigkeit des Marktmechanismus unterstützendes und optimierendes Rahmengerüst – gezogen werden können. Hier soll im Folgenden gezeigt werden, dass eine solche Effizienz theoretisch möglich und in der „halbstrengen“ Form für die USA auch gewährleistet erscheint. Im Gegensatz

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Auf die Frage nach dem richtigen Maß an Transparenz wird bei der efficient capital market hypothesis zurückzukommen sein. Anschaulich Merkt, Unternehmenspublizität, S. 211. 221 LaPorta/Lopez-de-Silanes/Shleifer/Vishny, 57 J. Fin. 1147 ff. (2002). 222 So anschaulich K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3.A., S. 775. 223 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. A., § 5 III 3, S. 119: (Unausweichliche Aufgabe des Gesellschaftsrechts). 224 Das erfoderliche Maß an Effizienz ist aber stark von der Art der Information abhängig. So ist wahrscheinlich, dass der Markt feste Satzungsinformationen (Angaben zur gesellschaftsrechtlichen Gestaltung) besser verwertet, als unvorhersehbares und kaum vergleichbares Insiderwissen, vgl. unten, B.III.2.f).

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zur noch vor 10 Jahren vorherrschenden Meinung,225 für den deutschen Kapitalmarkt sei allenfalls die „schwache Form“ denkbar, soll allerdings gezeigt werden, dass das europarechtlich vorgegebene Gerüst hoheitlicher Publizitätspflichten zu einem weitestgehenden Ausgleich von Informationsasymmetrien geführt hat, und die europäischen geregelten Märkte damit heute als informationseffizient gelten können. Es soll damit ein Verständnis voranschreitender Marktentwicklung angeregt werden: während die europäischen Märkte zunächst noch stark dem Konzept materieller Regulierung verfallen waren, erübrigen sich diese Regelungen mit voranschreitender Entwicklung der Märkte zunehmend. Dies ist im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass Pflichtpublizität ein Grundgerüst an öffentlich bekannten Informationen gewährleistet, die in den Preis einfließen können. Steigt aber mit dem Maß an Pflichtpublizität auch die Effizienz – und damit das Schutzniveau für den einzelnen Anleger, so erscheinen die Offenlegungspflichten gerechtfertigt, um die Marktfunktionsfähigkeit zu gewährleisten. Diese Förderung von Markteffizienz durch Pflichtpublizität ist auch empirisch belegbar.226 dd) Beispiele verschiedener Stufen der Marktentwicklung (1) Der russische Kapitalmarkt Anschauliches Beispiel für den Zusammenhang zwischen Marktentwicklung und Publizität ist der russische Kapitalmarkt. Dieser war in den Jahren von 1990 bis 1994 durch eine Reihe von Präsidialdekreten immer wieder notdürftig nachgebessert worden227, wurde dann aber im April 1996 nach einer Reihe von Finanzskandalen228 mit dem „Federal Law on the Securities Market (FLSM)“229 umfassend reguliert, wobei die vereinzelt eingeführten Publizitätspflichten erstmals zu einem Sinnganzen zusammengeführt wurden. Heute besteht mit den Artikeln 22 und 30 FLSM eine vorbildliche und klare Regelung sowohl der Primär- wie auch der Sekundärmarktpublizität, die nach der Ergänzung einer Vorschrift zu Insiderhandel und Marktmanipulation230 in jeder Hinsicht den heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen entspricht.

225 Merkt, Unternehmenspublizität, 293; Meier-Schatz, Unternehmenspublizität, 210; Kopp, Erwerb eigener Aktien, 105. 226 Stein, Harmonization, S. 273 verweist darauf, dass 1969 (vor dem europäischen Informationsmodell) in den USA Jahresabschlüsse nicht nur schneller publiziert, sondern auch inhaltlich sehr viel aussagekräftiger seien. 227 White, 37 J.Transnatl Law 125, 127 (1998 – 1999). 228 Zu der „Pyramidenstruktur“ im MMM-Skandal siehe Bernhard, 13 Intl Fin.L.Rev 11 (1994). Die staatliche Schließung des größten russischen Investmentfonds „MMM“, des Aluminiumherstellers „KRAZ“, sowie des Ölproduzenten „Komineft“ wird im Wesentlichen auf ein leicht zu manipulierendes Aktionärsregister, vor allem aber auf mangelnde Transparenz zurückgeführt, White, a.a.O., S. 142. 229 Fed. Law No. 39-FZ of April 22, 1996, abrufbar unter www.micex.com/4investors. 230 Seit der Ergänzung der „Vorschrift zu Marktmanipulation und Insidertrading“ im Oktober 2003 wird Russland von den Rating Agenturen S&P, Moodys und Fitch als „Investment

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Mit dem „Federal Financial Markets Service“ (FFMS) besteht zudem eine einheitliche mächtige Regulierungsbehörde mit weitreichenden Normsetzungs- und Überprüfungsbefugnissen. Die Auswirkungen dieses Modells sind bis heute nicht wissenschaftlich erfasst. Erhoffte man sich von der Regulierung 1996 noch Vertrauenszuwachs der Anleger und somit den erfolgreichen Wandel zur Marktwirtschaft,231 wurde diese Entwicklung durch die Finanzkrise 1998 abrupt gestoppt. Dem russischen Staat war es nicht gelungen, den Transformationsprozess mit einem kohärenten Programm einzuleiten. Bei großer Rechtsunsicherheit führte die rasante und größtenteils intransparente Privatisierungswelle der 90er Jahre zu einem überproportionalen Wachstum und massiven Kapitalzuflüssen, vor allem aus Europa.232 Im Zuge der Asienkrise ACHTUNGREverlor der russische Aktienmarkt dann Mitte 1998 schlagartig vier Fünftel seines Wertes.233 Sollen die Auswirkungen der Einführung eines kohärenten Publizitätskonzeptes in Russland gemessen werden, muss dieser Krisenfaktor zunächst bereinigt werden. Zusätzlich wird die Analyse dadurch erschwert, dass die Meinungen der Fachleute zu den Folgen der Reformen sehr unterschiedlich sind. Größtenteils wird der Markt noch immer als intransparent bewertet, das Misstrauen der Bevölkerung ist nicht zuletzt wegen steigender staatlicher Intervention, aber auch wegen privater Bereicherung Einzelner, groß.234 Noch im Mai 2007 sind 21 % der privaten Anteilseigner auf dem russischen Markt unbekannt.235 Andererseits scheint die Finanzkrise

Grade“ eingestuft. Siehe dazu auch die Selbstdarstellung des FFMS unter http://www.fcsm.ru/ eng/investors, zuletzt geprüft am 18. Dez. 2007. 231 White, 37 Colum. J. Transntl. L. 125, 160 (1998 – 1999). 232 Der Anteil der Privatproduktion am BIP stieg in den Jahren von 1991 bis 1998 von 5 % auf 70 %. Im Wesentlichen auf internationale Investitionen zurückzuführen ist der Anstieg des russischen Aktienindex im Jahre 1996 um 142 %, und von Jan. bis Aug. 1997 nochmals um 184 %, vgl. European Bank for Reconstruction and Development (EBRD), Transition Report, London 1999, S. 12. 233 Herr, Die Finanzkrise in Russland im Gefolge der Asienkrise, in: Internationale Finanzpolitik, Aus Politik und Zeitgeschichte B 37 – 38/2000, Bundeszentrale für politische Bildung, S. 30 (2000); vgl. Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), 69. Jahresbericht, Basel 1999, S. 43 (mit weiterer Analyse des Zusammenhangs zu den zeitgleich einbrechenden Rohstoffpreisen); im Rahmen des Kursverfalls hat sich nach EBRD-Angaben der Anteil der in Armut lebenden Personen in Russland um 10 % erhöht, EBRD, Transition Report, London 1999, S. 19. 234 Mehr Transparenz durch den Kapitalmarkt: Russische Beteiligungsgesellschaft erhält Rating von S&P, in: Neue Zürcher Zeitung vom 22. September 2007, abrufbar unter www.nzz.ch/nachrichten/wirtschaft/boersen_und_maerkte/mehr_transparenz_durch_den_Kapitalmarkt_1.558944.html; in Gesprächen mit Fachleuten lässt sich durchweg Misstrauen gegenüber dem Kapitalmarkt feststellen, was hauptsächlich mit der weiten Verbreitung von Insiderhandel und mangelnder Transparenz begründet wurde. 235 Studie von Standard & Poors, in: The Institutional Investor – MICEX Stock Exchange Guide to Investing in Russian Stocks and Bonds, Moskau, Mai 2007, abrufbar unter www.micex.com/4investors, 18. Dez. 2007.

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überwunden, der gesetzliche Rahmen wird als stabilisierend gelobt.236 Auf dem Papier ist er es jedenfalls. Es besteht ein umfassendes, kohärentes Konzept untereinander abgestimmter Publizitätspflichten, welche, nicht zuletzt aufgrund internationaler Einflüsse (v. a. OECD237 und EU/TACIS-Programm)238 strikt am Individualschutz orientiert sind und vor allem an einer Verbesserung der Corporate Governance ansetzen.239 Der Zugang zu ausländischen Investitionen wäre ohne die Öffnung hin zur Publizität und die laufende Verbesserung des Systems an Offenlegungspflichten nicht denkbar gewesen. Die russischen Märkte waren nicht organisiert, intransparent und ineffizient. Es haben sich keine Informationsverarbeitungsmechanismen herausgebildet, die „von sich aus“ zu Effizienz geführt hätten. Pflichtpublizität kann daher als notwendig bezeichnet werden, um die Effizienz von Märkten mit einem geringen Entwicklungsgrad zu ermöglichen. Wird Pflichtpublizität somit sogleich aus theoretischer Sicht als überflüssig kritisiert, so ist zu beachten, dass effizienzsteigernde marktendogene Mechanismen erst ab einem bestimmtem Organisationsgrad einsetzen. Pflichtpublizität kann insbesondere die Informationseffizienz von Märkten einer geringen Entwicklungsstufe erheblich fördern.240 Hierbei kommt ihr eine Katalysatorwirkung dergestalt zu, dass sie Marktschutz und Anlegervertrauen kontinuierlich steigert und somit zur Entwicklung von hoch organisierten Märkten beiträgt.241 (2) Der US-amerikanische Kapitalmarkt Es ist zweifelhaft, ob Publizitätspflichten sich auf hoch entwickelten Märkten, etwa dem der USA, ebenso wohlfahrtsteigernd auswirken. Vielmehr scheint der Zusammenhang zwischen dem Organisationsgrad eines Marktes und dessen Effizienz als ökonomisch belegt: Je höher organisiert ein Markt ist, desto weniger steigern Publizitätspflichten dessen informationelle Effizienz.242 Im hiesigen Zusammenhang ist allerdings zu beachten, dass auf den entwickelten Märkten jeweils schon ein sehr hohes Niveau an Publizitätspflichten besteht, so dass nur die Auswirkungen einer zusätzlich zu diesem System eingeführten Vorschrift gemessen werden können. Deut236 Dan Jacobowitz (Deutsche Bank) bezeichnet die Finanzkrise in Russland als „überwunden“, Veranstaltung des dialog e.V. „Rendite? Rubel? Russland? Der russische Finanzmarkt im Aufwind“ am 10. 11. 06 in Chemnitz. 237 Speziell zur kapitalmarktrechtlichen Publizität: Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD), General Principles of Company Law for Transition Economies, 24 J.Corp.L. 190, 286 (1998 – 1999). 238 Technical Assistance to the Commonwealth of Independent States (TACIS), nähere Informationen dazu unter: http://ec.europa.eu/external_relations/ceeca/tacis/. 239 Vgl. zur Publizität das kürzlich eingeführte Kapitel 7 des Corporate Governance Codes, Russian Code of Corporate Conduct vom 5. April 2002, abrufbar unter http://www.fcsm.ru/ eng/. 240 Merkt, Unternehmenspublizität, S. 392. 241 Ebd., S. 393. 242 Pellens, Publizität, S. 1590.

III. Zur Kritik am Konzept hoheitlicher Publizitätspflichten 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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lich wird, dass zusätzlicher Publizität auf hoch organisierten Märkten geringere ACHTUNGREBedeutung und wohlfahrtssteigernde Funktion zukommen als auf Märkten mit geringem Entwicklungsgrad. Dennoch ist auch der US-amerikanische Markt nicht vollkommen effizient i.S.d. starken Form, sondern allenfalls hinsichtlich öffentlich ACHTUNGREbekannter Information.243 Hier kann ein hoheitliches Konzept, sobald die effiziente Verbreitung einer einmal offengelegten Information sichergestellt ist, die Publizitätspflichten konsolidieren und je nach Stufe der Marktentwicklung sich überschneidende Pflichten zurücknehmen – so wie mit Einführung des integrated disclosure system erfolgt. Die Abschaffung von Publizität birgt hingegen die Gefahr, in eine niedrigere Entwicklungsstufe zurückzufallen. Ziel des Konzeptes muss es sein, die sachgerechte Information im jeweiligen Stadium der Marktentwicklung sicherzustellen. (3) Der deutsche Kapitalmarkt Welche Stufe der Marktentwicklung kann nun dem deutschen Markt attestiert werden? Diese Frage lässt sich zunächst – anders als nach dem Konzept der USA244 – auf den hier allein interessierenden regulierten Markt der Börsen beschränken. Hier zeigt sich, dass sich die Effizienz seit Anfang der 90er Jahre von der „schwachen“245 zur „halbstrengen Form“ entwickelt hat.246 Unter Beachtung von Transaktionskosten lassen sich keine Überrenditen erzielen, wenn eine Information offengelegt wurde, so dass der schlecht informierte Anleger keine Übervorteilung mehr befürchten muss.247 Diese Effizienzsteigerung soll nachfolgend auf die wesentlich auf den FSAP zurückgehende Verbesserung der Transparenz zurückgeführt werden. Damit befände sich der europäische Markt heute an einem Punkt der Konsolidierung, an dem die verschiedenen Publizitätspflichten zu einem ganzheitlichen, aufeinander abgestimmten Konzept zusammenzufügen sind. Doppelpublizität, vorab zur möglichst schnellen Verbreitung einer Information erforderlich, kann reduziert und das Gesamtkonzept auf ein Minimum integriert werden. Andererseits sind zusätzliche Transparenz- und Effizienzsteigerungen denkbar, wenn bislang nicht berücksichtigte Informationen in das Konzept aufgenommen werden.

243

Das Phänomen des Insiderhandels widerlegt die starke Effizienzhypothese, vgl. oben,

B.II.2. 244

SA und SEA knüpfen an das public offering einer security an. Da der Begriff der security äußerst weit gefasst ist, sind auch Bereiche erfasst, die hierzulande dem „Grauen Kapitalmarkt“ zuzuordnen wären, Schröder, S. 54. 245 So die damals herrschende Meinung, vgl. Merkt, Unternehmenspublizität, S. 392. 246 Bak/Bigus, ZBB 2006, 430, 440 mit umfassenden Nachweisen. 247 Vgl. Seeger, Insiderhandel, S. 32.

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B. Publizitätspflichten aus ökonomischer Sicht und die Rolle des Rechts

ee) Notwendigkeit der Bestimmung des „richtigen Maßes“ an Publizität Die Bestimmung dieses „richtigen Maßes an Offenlegungspflichten“ kann als Kernproblem moderner, kapitalmarktbezogener Regulierung gesehen werden.248 Da die Verifizierbarkeit der dargestellten Thesen aber empirisch kaum möglich war, erscheint es notwendig, sich der Funktionsweise von Publizität auf einer theoretisch-analytischen Ebene zu nähern. Hier tritt der dargestellten Auffassung, welche eine unterstützende staatliche Regulierung insofern rechtfertigt, als sie notwendig ist, um die Funktionsfähigkeit des Marktes herzustellen und dauerhaft zu gewährleisten, die Gegenmeinung entgegen, wonach der Markt durch bestimmte Anreizwirkungen von sich aus für ein hinreichendes Maß an Transparenz sorgen wird. b) Marktendogene Transparenz Es lassen sich zahlreiche Argumente anführen warum für Unternehmen hinreichende Anreize bestehen, den Markt mit Informationen zu versorgen. Zentral ist hier die Annahme, dass im Akerlofschen Modell informationellen Marktversagens beide Seiten Kenntnis von der Informationsasymmetrie haben. Somit kann dem Phänomen bewusst entgegengewirkt werden.249 aa) Agency Cost-Ansatz Nach dem Agency Cost-Ansatz divergieren die Interessen von Geschäftsführung (agent) und Aktionären (principal). Die Gefahr eigennützigen, nicht kontrollierbaren Handelns auf Grundlage versteckter Information durch die Geschäftsführung, die dabei nicht dem unternehmerischen Risiko der Aktionäre ausgesetzt ist (moralisches Risiko/moral hazard) wird sich in Preisabschlägen (agency costs) niederschlagen.250 Da es aber im Eigeninteresse der Geschäftsführung liegt diese zu vermeiden, wird sie von sich aus zur Offenlegung bereit sein.251 Zudem wird man sich auf Kontrollmechanismen wie den Einsatz unabhängiger Abschlussprüfer, erfolgsabhängige Vergütung, Budgetbeschränkungen oder formelle Kontrollsysteme einigen (monitoring).252 Dies ist auch gesamtwirtschaftlich sinnvoll, da die Kosten einer Offenlegung geprüfter Daten durch die Geschäftsführung regelmäßig geringer sind als eine Beschaffung ve-

248 Kürzlich ist die Frage nach dem richtigen Maß an Transparenz wieder zum Risikobegrenzungsgesetz entfacht. Prägnant Weber-Rey, DStR 2008, 1967 (Diskussion im Wesentlichen auf diese Grundfrage zurückführend). 249 Grundlegend Hirshleifer/Riley, Analytics of Uncertainty and Information, S. 295 – 329; dies., 17 J. Econ. Lit. 1375 (1979); Rasmussen, Games and Information. 250 Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S. 163 ff. 251 Easterbrook/Fischel, 70 Va. L. Rev. 669, 682 (1984). 252 Jensen/Meckling, 3 J. Fin. Econ. 317 (1976).

III. Zur Kritik am Konzept hoheitlicher Publizitätspflichten 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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CHTUNGRErA iACHTUNGREfizierter Informationen durch die Aktionäre.253 Dem moral hazard kann aber jedenfalls, so wie bei der adverse selection, nur durch verifizierbare Information entgegengewirkt werden.254 Unter Gesichtspunkten der Corporate Governance ließe sich ferner an eine vertragliche Kopplung der Interessen von Unternehmensführung und Aktionären denken. Befürworter erfolgsabhängiger Vergütung betonen die Anreizwirkung für die Geschäftsführung zum Handeln im Interesse der Gesellschaft.255 Zum anderen signalisiert das Bestehen solcher Vereinbarungen dem Markt Verlässlichkeit und Vertrauenswürdigkeit.256 So geht die Theorie der Corporate Governance generell davon aus, dass die Kontrolle durch den Markt schlechte unternehmerische Entscheidungen minimiert und zu besserem und effektiverem Management führt.257 Der Kapitalmarkt entwickelt sich damit zu einem externen Kontrollmechanismus, der verbandsrechtliche Überwachungsinstrumente ergänzen und stellenweise sogar ersetzen kann.258 Eine ähnliche Signalwirkung und damit verbunden eine Senkung der agency costs kann durch das Versprechen erreicht werden, regelmäßig Dividenden auszuschütten, da damit gewährleistet scheint, dass das Unternehmen zum Kapitalmarkt zurückkehrt.259 Schließlich kann auch der agent persönlich Anreize zur Offenlegung haben. Aus Angst vor feindlichen Übernahmen, der Gefahr abgesetzt zu werden, oder um auf dem Markt für Führungskräfte wettbewerbsfähig zu bleiben, werden die Geschäftsführer im besten Interesse der Gesellschaft handeln.260 bb) Signal-Theorie und unravelling Im Wesentlichen lässt sich das Phänomen freiwilliger Publizität durch eine einfache Kosten-Nutzen-Analyse erklären. Investoren werden ihre Gelder nicht zur Verfügung stellen, wenn die Geschäftsführung nicht ein gewisses Maß an Informationen 253

Ebd., S. 305. Grossmann, 24 J. Law. Econ. 461 (1981) unter Berücksichtigung des unravelling result, dazu sogleich. 255 Str.; insbesondere können durch eine Orientierung an kurzfristigen Gewinnen falsche Anreize gesetzt werden, wodurch langfristig am Unternehmen beteiligte Investoren benachteiligt werden. Neuere verhaltensökonomische Untersuchungen deuten sogar darauf hin, dass die Leistungsfähigkeit nicht proportional zur Höhe der Boni steigt. Vielmehr besteht bei zu hohen Zahlungen die Gefahr, die eigentlichen Aufgaben zu vernachlässigen und das Handeln allein im Hinblick auf mögliche Boni auszurichten, Ariely et al., 76 Rev. Econ. Stud. 451 (2009). 256 Cox/Hillman/Langevoort, Securities Regulation, S. 251. 257 Langevoort, 146 U. Pa. L. Rev. 101 (1997). 258 Assmann, in: FS Kümpel (2001), S. 1; zur Bedeutung des Kapitalmarktrechts für die Corporate Governance der Unternehmen einführend auch Kalss/Oppitz/Zollner, Kapitalmarktrecht, Bd. 1 (2005) § 1, Rn. 17. 259 Easterbrook, 74 Am. Econ. Rev. 650 (1984). 260 Ross, Disclosure Regulation, S. 177 ff. (Vorschlag eines „incentive-signaling system“ als kostengüstige Alternative zur Pflichtpublizität). 254

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B. Publizitätspflichten aus ökonomischer Sicht und die Rolle des Rechts

im Sinne einer Rechenschaft zur Verfügung stellt.261 Aufgrund der begrenzten Mittel am Markt werden verschiedene Unternehmen in den Wettbewerb zueinander treten, um das Vertrauen der Anleger und damit die vorhandenen Gelder für sich zu gewinnen.262 Solange die Kosten der Offenlegung durch die Vorteile der Finanzierung über den Kapitalmarkt gerechtfertigt sind, wird die Geschäftsführung dem Markt die erforderlichen Informationen zur Verfügung stellen.263 Die Signal-Theorie geht nun davon aus, dass Unternehmen so viel positive Informationen wie möglich veröffentlichen werden, um die Investoren zu überzeugen. Dabei werden aber auch schlechte Informationen offen gelegt: zum einen, weil sonst zukünftige Positivmeldungen weniger gewichtet würden, zum anderen, weil der Markt aus ausbleibenden Meldungen negative Schlüsse ziehen und die Lage noch schlechter bewerten könnte, als sie eigentlich ist (unravelling).264 Zwingende Publizitätspflichten würden hier zu Ineffizienzen führen, da sie nur zusätzliche Offenlegung vorschreiben, die wirtschaftlich nicht gerechtfertigt ist. Noch weiter gehend ließe sich argumentieren, dass jedes staatliche Eingreifen Ineffizienzen zur Folge hätte, da es dem Markt die Möglichkeit nimmt, im Wege des Wettbewerbs das optimale Maß an Publizität zu finden.265 Zweifelhaft an dieser Ansicht ist vor allem, dass eine ökonomisch-quantifizierende Bewertung der positiven Folgen von Publizität, etwa eines Reputationsgewinnes, kaum möglich ist.266 Zudem werden an einer effektiven Kontrolle durch den Markt in Bezug auf die langfristigen Folgen einer Entscheidung Zweifel gehegt, was zur Gefahr kurzfristig orientierten Handelns führt.267 Schließlich scheint die Signal-Theorie nicht hinreichend gegen Reputationsschädigungen des gesamten Marktes vorzubeugen, wenn einzelne Geschäftsleiter den Markt missbrauchen, mit dem Wissen selbst in Zukunft nicht mehr auf ihn angewiesen zu sein. Andererseits zeigten die empirischen Untersuchungen, dass die Unternehmen in den USA vor Erlass der securities laws bereits umfassend publiziert haben und sich die staatlichen einheitlichen ACHTUNGREPflichten folglich nicht zwingend mit einem Bedürfnis des Marktes rechtfertigen lassen.268 Auch für den europäischen Markt lässt sich diese freiwillige Publizität feststellen.269

261

Kripke, The SEC and Corporate Disclosure, S. 119. Beaver, Financial Reporting, S. 13. 263 Easterbrook/Fischel, 70 Va. L. Rev. 669, 682 (1984). 264 Spence, 87 Q. J. Econ. 355 (1973); ausführlich Hirshleifer/Riley, Analytics, S. 295 – 329. 265 Kitch, 61 Brooklyn L.Rev. 763, 885 f. (1995). (Gesetzliche Bilanzierungsregeln verhindern den Wettbewerb des Marktes, im Wege des Experimentierens die besten Regeln zu entwickeln.) 266 Meier-Schatz, Unternehmenspublizität, S. 298. 267 Jensen/Meckling, 3 J. Fin. Econ. 305 (1976). Verpflichtende Offenlegung könnte diese Marktkontrolle gezielt unterstützen, Kübler, in: FS Zöllner, S. 321, 332. 268 Easterbrook/Fischel, 70 Va. L. Rev. 669, 682 ff. (1984). 269 Meier-Schatz, Unternehmenspublizität, S. 168. 262

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cc) Screening und individualvertragliche Absicherung Unter Screening werden Mechanismen zur Beseitigung des informationellen Problems verstanden, wenn die Informationsbeschaffung von der unwissenden Marktseite ausgeht.270 Zu denken ist primär an den Einsatz unabhängiger Rating-Agenturen und Wertpapieranalysten.271 Diese lassen sich als gesellschaftliche Institutionen verstehen, die Informationsdefiziten am Markt gezielt entgegenwirken indem sie aus starken Reputations- und berufsethischen Gründen heraus für eine Verarbeitung und Offenlegung der erforderlichen Informationen sorgen.272 Oftmals haben institutionelle Investoren zudem eine so starke Marktstellung, dass sie aufgrund ihrer Verhandlungsposition den Zugang zu Informationen und deren Verifizierung vertraglich absichern können. Diese Investoren können selbst am besten und effizientesten bestimmen, welche Informationen sie benötigen; staatliche Publizitätspflichten werden überflüssig.273 Problematisch bleibt bei diesem Ansatz aber die Versorgung der kleineren Marktteilnehmer mit den spezifisch für sie notwendigen Informationen, und zwar bevor diese Informationen zu ihren Lasten ausgebeutet worden sind. Stellenweise ließe sich an individualvertragliche und gesetzliche Garantien oder die Einteilung verschiedener angebotener Verträge in Risikoklassen (self selection) denken,274 was jedoch am Kapitalmarkt regelmäßig am Erfordernis der Einheitlichkeit und Fungibilität der Wertpapiere scheitern dürfte. Hoheitliche Publizitätspflichten können hier der Notwendigkeit einer standardisierten Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen ebenso Rechnung tragen, wie der Tatsache, dass eine individualvertragliche Informationsbeschaffung aufgrund der Anonymität des Einzelnen in einer sich ständig verändernden Beteiligungsstruktur regelmäßig mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden ist.275 dd) Die Efficient Capital Market Hypothesis Folgt man dem Markteffizienzansatz in seiner Reinform, dass zu jedem Zeitpunkt sämtliche objektiv verfügbaren Informationen im Marktpreis verarbeitet sind, erübrigen sich Publizitätspflichten. Denn diese „starke“ Form geht davon aus, dass die Information sofort, beispielsweise durch Insider ausgenutzt, am Markt vorhanden ist und eine Veröffentlichung daher so spät kommt, dass die anderen Marktteilnehmer

270

Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 123 f. Beispiel bei Vogel, Anlegerschutz, S. 24. Die Abgrenzung hat für die Folgerungen keine Bedeutung. 272 Schäfer/Ott, Lehrbuch, S. 506. 273 Kripke, The SEC and Corporate Disclosure, S. 121 – 123. 274 Darstellung bei Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 124 – 129. 275 Fülbier, Ad-hoc, S. 207; Merkt, Unternehmenspublizität, S. 374; Noack, Unternehmenspublizität, S. 47 f. 271

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daraus keine Konsequenzen für ihr Handeln mehr ziehen können.276 Sie „konsumieren“ gewissermaßen zum festgelegten Preis. Doch auch bei „mittelstrenger“ Effizienz erübrigen sich Publizitätspflichten. Da sämtliche öffentlich zugänglichen Informationen im Preis verarbeitet sind, kann aus der Analyse offengelegter Unternehmensdaten kein Nutzen mehr gezogen werden. Daraus wird gefolgert, dass die Offenlegung nach diesem Modell an sich überflüssig und hinfällig wird,277 was für den US-amerikanischen Markt mit seinem hohen Informationsniveau und bei einer großen Anzahl an Anlegern und Analysten, welche die zugänglichen Informationen auch tatsächlich lesen und verarbeiten, auch hinreichend belegt sei.278 Relativierend wird allerdings zu beachten sein, dass andere Studien Nachweise für Informationen liefern, die bei Veröffentlichung noch nicht im Preis verarbeitet waren.279 Eine Offenlegung ist demnach durchaus sinnvoll, allerdings müsste der zusätzliche Wert dieser Offenlegung durch die Kosten gerechtfertigt sein.280 Ein allgemeingültiger Nachweis hinreichender Publizität durch den Markt selbst scheint durch die mittlere Form der Hypothese nicht gelungen. Andererseits deuten die Untersuchungen darauf hin, dass bei hinreichender Offenlegung durchaus Suchanreize bestehen, diese Informationen noch besser und genauer zu verarbeiten. Offenlegung ist somit nicht überflüssig, sondern Grundvoraussetzung informationeller Effizienz am Markt. Damit wird deutlich, warum nicht alle Informationen bei ihrer Offenlegung bereits im Preis verarbeitet sind: Je mehr Marktteilnehmer Kenntnis von der Information erlangen und diese verarbeiten, desto effizienter wird der Markt. Diese Effizienz muss aber gewährleistet sein, ob durch marktendogene Mechanismen oder staatliche Offenlegungspflichten. Die Hypothese soll daher hier nicht als Nachweis verstanden werden, dass jeder Kapitalmarkt zugleich auch effizient ist. Vielmehr soll sie als Grundlage dienen, Schlüsse über die Möglichkeit einer Verbesserung der informationellen Effizienz eines Marktes zu ziehen, etwa durch Veröffentlichung an zentraler Stelle oder in einheitlichem, leicht zu verarbeitenden Format. Ist dann ein hinreichendes Maß an Informationen gegeben, so hier die Interpretation der Hypothese, wird sich eine Markteffizienz einstellen, welche diese Informationen auch im Preis verarbeitet. Eine andere Frage ist dann, ob sich in einer gewissermaßen „letzten Stufe“ der Marktentwicklung ein solches Maß an – auch institutioneller – Effizienz einstellt, dass sogar Publizitätspflichten überflüssig werden. Von Interesse ist in diesem Zusammenhang abschließend ein grundlegender Ansatz von Gilson und Kraakman, welche die Effizienz in Bezug auf die Kosten einer 276

Feldhoff, Rechnungslegung, S. 80 f. Meier-Schatz, Unternehmenspublizität, S. 205 f. 278 Merkt, Unternehmenspublizität, S. 216 mit Nachweisen auf Studien, die für Deutschland eher die schwache Form, für die USA hingegen die halbstarke Form belegen. 279 Insbesondere gilt das für Bilanzveröffentlichungen, Merkt, Unternehmenspublizität, S. 217 mit Verweis auf Ou/Penman, 11 J.Acc.Econ 327 (1989). 280 Feldhoff, Rechnungslegung, S. 81 f. 277

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Information untersuchen und interpretieren.281 Drei Faktoren scheinen dabei von besonderem Gewicht zu sein: die Beschaffungs-, Verarbeitungs- und die Verifizierungskosten einer Information. Das Maß an Markteffizienz wird nach dieser Untersuchung wesentlich durch diese drei Kostenpunkte bestimmt. Ein „effizienter Markt“ weist demnach eine weite Verbreitung und Möglichkeit der Verarbeitung einer Information zu einem möglichst geringen Preis auf. Steht die Information dagegen nur einem kleinen Kreis von Spezialisten zur Verfügung, sind viel mehr Kosten und Zeit erforderlich, bis sie im Preis reflektiert ist. Eine staatliche Regulierung könnte hier helfen, eine Information schneller und effektiver zu verbreiten, und durch diese Kollektivierung Kosten und Zeit reduzieren. Fraglich bleibt aber auch hier, ob ein ähnliches Ergebnis ebenso durch eine Selbstregulierung des Marktes erreicht werden kann.282 c) Notwendigkeit unterstützender staatlicher Regulierung Fasst man die oben angestellten Überlegungen zusammen, so lässt sich feststellen, dass für die Geschäftsführung eines Unternehmens zahlreiche Anreize bestehen,283 ehrlich und umfassend Informationen offen zu legen. Alle haben gemeinsam, dass sie auf dem Grundgedanken beruhen, auch in Zukunft die Möglichkeit einer Finanzierung über den Kapitalmarkt zu haben.284 Diesen Anreizen stehen jedoch bedeutende direkte und indirekte Kosten gegenüber, weshalb der These, ein Markt werde von sich aus (aus den unterschiedlichsten Begründungen) genug Informationen produzieren, in der ökonomischen Theorie schon früh widersprochen wurde. aa) Widerlegung der Annahme marktendogener Publizität Bei einer Betrachtung unter reinen Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten wären zunächst die Kosten der Publizität zu berücksichtigen. Die Untersuchung Gilsons und Kraakmans betonte dabei wie gesehen die Bedeutung der Beschaffungs-, Verarbeitungs- und die Verifizierungskosten einer Information für einen effizienten Markt.285 Die Problematik einer rein effizienzorientierten Betrachtung liegt aber schon darin, dass sich die direkten Kosten einer Information, besonders aber auch die Folgen einer Veröffentlichung und deren Auswirkung auf den Marktpreis

281

Gilson/Kraakman, 70 Va. L Rev. 549, 593, 597 (1984). Die Untersuchung spricht insbesondere die disziplinierende Wirkung auf Investmentbanken und Wirtschaftsprüfer an, die an einem guten Ruf interessiert seien, Gilson/Kraakman, ebd. 283 Grob lassen sich die zwei Gruppen Agency-Ansatz und Signalling unterscheiden. Markteffizienz ist nach hier vertretener Auffassung kein eigener Ansatz, sondern eine bloße Zielvorstellung, die zu einem gewissen Grad vom Markt erreicht wird, durch staatliches Eingreifen aber erheblich verbessert werden kann. 284 Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation, Vol. 1, S. 285. 285 Gilson/Kraakman, 70 Va. L Rev. 549, 593, 597 (1984). 282

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kaum determinieren lassen.286 So wäre nach der Signal-Theorie ein messbarer Nachweis erforderlich, inwiefern durch die zusätzlichen Kosten ein Reputationsgewinn eingetreten ist, was kaum quantifizierbar und vergleichbar ist.287 Die Überlegungen zielen daher nicht auf endgültige fixe Werte, sondern vielmehr auf eine Reduzierung der Kosten und deren Folgen allgemein ab. So lassen sich die genannten Kosten, insbesondere diejenigen der Verifizierung einer Information, durch Regeln gegen Betrug erheblich senken.288 Regelungen gegen Fehlverhalten setzen aber auf einer grundsätzlichen Ebene voraus, dass überhaupt Informationen offengelegt werden. Ob dies in hinreichendem Maße durch eine Selbstregulierung des Marktes gewährleistet ist, soll hier aber gerade untersucht werden. Zunächst kann dabei, wie unter dem Schlagwort „Behavioral Law and Economics“ noch ausführlich zu untersuchen sein wird, eine Veränderung des Börsenkurses nicht immer auf rein rationale Entscheidungen der Anleger zurückgeführt werden. Vielmehr verhalten sich die Marktteilnehmer oft irrational und unbegründet. Im Nachhinein wird sich kaum feststellen lassen, ob eine erfolgreiche Anlageentscheidung auf wahre Kenntnis des Marktes oder aber lediglich auf Spekulation und Glück zurückzuführen ist. Die begrenzten Informationsverarbeitungskapazitäten des Einzelnen289 haben zudem oftmals Fehlentscheidungen zur Folge, welche später aus verschiedenen psychologischen Gründen290 oder Kostengründen291 nicht mehr korrigiert werden (können).292 Legt man zudem, wie hier geschehen, das Leitbild der Effizienzhypothese (wenn auch ggf. in relativierter Form) zugrunde, so wird der einzelne Anleger immer mehr zum nicht mitbestimmenden Konsumenten einer vom Kapitalmarkt verarbeiteten Information, die sich im Preis widerspiegelt. Er wird im Marktmechanismus, vereinfacht gesprochen, zum passiven „price taker“.293 Fairness am Markt wird durch

286

Goshen/Parchomovsky, 55 Duke L. J. 711 (2006) (Pflichtpublizität v. a. im Interesse der Intermediäre, deren Informationskosten, v. a. Verifizierungskosten, gesenkt werden. 287 Spremann, ZfB 58 (1988) 613, 631. 288 Easterbrook/Fischel, 70 Va. L. Rev. 669, 677 (1984). 289 Siehe dazu auch die Erkenntnisse der Repräsentativitätsheuristik, unten, B.III.2.d)dd)(1) m.w.N. 290 Psychologisch ist nachgewiesen, dass Anleger Werte höher bewerten, die sich in ihrem Portfolio befinden, als solche, die sie noch nicht erworben haben. Der Verkauf wird somit unwahrscheinlicher; vgl. unten, B.III.2.d)dd)(1). 291 Übertragbar wäre die path dependency-Argumentation, unten, B.III.2.d)aa): Die mit einem späteren Wechsel und einer Korrektur fehlerhafter Entscheidungen verbundenen Kosten übersteigen oftmals den damit verbundenen Nutzen, so dass an einer nicht optimalen Lage festgehalten wird. 292 Fritsch/Wein/Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S. 272 – 294. 293 Nach dieser Überlegung haben die „price makers“ (institutionelle Investoren, Marktanalysten, usw.) den alleinigen Einfluss auf den Preisbildungsprozess. Individualentschei-

III. Zur Kritik am Konzept hoheitlicher Publizitätspflichten 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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einen gerechten Preis erreicht, der sich durch eine Gesamtschau der Erwartungen aller am Kapitalmarkt Beteiligten einpendelt, auf den der Kleinanleger aber durch seine Einzelentscheidung keinen (oder jedenfalls einen zu vernachlässigenden) Einfluss hat. Letztendlich lohnen sich die Kosten nicht, den Markt zu analysieren, alle Informationen zu verifizieren und schließlich zu verarbeiten, wenn nur ein geringer Wert investiert werden soll. Die Konsequenz dieser Überlegung wäre eine Masse an unbegründeten und nicht begründbaren Entscheidungen. Die Problematik dieses Ergebnisses für das Kapitalmarktrecht liegt in der Aufgabe, trotzdem einen effizienten Preisbildungsmechanismus zu gewährleisten, ohne dass dies auf Kosten der unwissenden Individualanleger geschieht. Gerade die freiwillige Publizität bietet im Gegensatz zur Pflichtpublizität die Gefahr, dass sie sich als private Kommunikation auch ausschließlich an ausgewählte Investoren, oftmals institutionelle Anleger und Analysten, wenden kann, was zu einer zusätzlichen Asymmetrie in der Informationsverteilung führt.294 Eine die Funktionsfähigkeit des Marktes sicherstellende Basisinformation aller kann folglich auch trotz freiwilliger Offenlegung bezweifelt werden. Zudem sprechen vielfältige Gründe gegen die Anreizwirkungen zur freiwilligen Offenlegung von Unternehmensdaten. Zunächst ist nicht bewiesen, dass der Markt auf Zurückbehalten von Informationen mit Preisabschlägen reagiert. Im Gegenteil stellen Studien sogar erhöhte Eigenkapitalkosten bei freiwilliger Offenlegung fest,295 was zwar auf die Komplexität und die vielfältigen Wechselwirkungen des Marktgeschehens zurückgeführt wird, die Unternehmen aber dennoch von einer Offenlegung abhalten wird.296 Auch lassen sich für das Gegenmodell zahlreiche Beispiele der Geschichte anführen, namentlich die Euphorie der Anleger während der „South Sea Bubble“ für Investitionen in die bereits erwähnten „undertakings of great importance, but nobody to know what it is“297. Es ist fraglich, ob eine solche Entwicklung bei der heutigen Aufklärung der Anleger und der Dominanz und Verhandlungsmacht institutioneller Investoren wieder möglich wäre.298 Andererseits sind auch die Folgen der zunehmenden Institutionalisierung der Kapitalmärkte, insbesondere aufgrund möglicher Interessenkonflikte und Handlungsbeschränkungen der institutionellen Investoren, durchaus umstritten.299 Am Rande sei hier nochmals betont, dass unterstützende staatliche Offenlegungspflichten auch nur punktuell in kritischen Fällen eingreifen können, so die US-amerikanische Regelung zu blank dungen können vernachlässigt werden und schlagen sich nicht durch den Marktmechanismus preisbildend nieder. 294 Wagenhofer/Ewert, Externe Unternehmensrechnung, Kap. 7, 8 m.w.N. 295 Leuz/Verreccia, 38 J. Acc. Res. 91 – 124 m.w.N. 296 Hofmann, zfbf Sonderheft 55/06, S. 109, 111 f. m.w.N. 297 Zu der euphorischen Nachfrage nach diesen Werten Melville, The South Sea Bubble, S. 97. 298 Kripke, The SEC and Corporate Disclosure, S. 121 – 123. 299 Zur Pflicht einer Diversifizierung nach der Portfolio-Theorie, siehe unten, B.III. 2.d)dd)(2) m.w.N.

110 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

B. Publizitätspflichten aus ökonomischer Sicht und die Rolle des Rechts

check companies, die zusätzlichen Beschränkungen und Verpflichtungen unterliegen.300 Die Möglichkeit privater Gewinne durch Insidergeschäfte ist ein in seiner Bedeutung gar nicht zu unterschätzender Anreiz, Informationsvorsprünge auszunutzen. Erinnert sei an die aufsehenerregende Schrift von Manne, der Insiderhandel aus Effizienzerwägungen gar für erforderlich hielt.301 Es sprengt den Untersuchungsbereich dieser Arbeit, die Bedeutung von Normen gegen Insiderhandel im Einzelnen zu erörtern. Es ist aber festzuhalten, dass Studien durchgängig eine überproportionale Gewinnspanne feststellen, wenn Personen mit Insiderwissen zu privaten Zwecken handeln – auch wenn diese meinen, nicht auf Grundlage ihres Insiderwissens gehandelt zu haben.302 Bei bewusster Verzögerung der Offenlegung einer Information nur für kürzeste Zeit sind durch opportunistisches Verhalten enorme private Gewinne möglich.303 Ebenso bestehen im Rahmen eines Management-Buyout, oder wenn ein feindliches Übernahmeangebot im Raum steht, erhebliche Anreize zu Kursmanipulationen.304 Mit ähnlicher Argumentation ließe sich auch der Agency-Ansatz hinterfragen. Auch hier sind durch das bewusste Ausnutzen von Informationen Vorteile denkbar, welche die agency costs um ein Vielfaches übersteigen.305 Von Interesse in diesem Zusammenhang erscheint eine Studie über eine Reihe von Betrugsfällen in den USA, welche das Verschleiern oder Verzögern schlechter Nachrichten fast durchweg auf das eigene Interesse an der Erhaltung des Jobs zurückführen konnte.306 Bei einer Kopplung des Einkommens von Führungskräften an den Unternehmensgewinn wären die Anreize zur Verzerrung der Daten noch verstärkt. Die durch diese Anreize entstehende Unsicherheit über den Wahrheitsgehalt jeder offengelegten Information begründet zumindest Zweifel an den oben genannten Theorien. Sobald Probleme privater, nicht verifizierbarer Informationen berücksichtigt werden, scheint die Markteffizienz nicht mehr gewährleistet zu sein.307 Publizitätspflichten können hier verhindern, dass bestimmte Informationen schlichtweg verschwiegen werden. Die erwähnte Studie stellte Betrugsfälle in Form von Nichtoffenlegung schlechter Nachrichten

300 Rule 419 Securities Act, abgedruckt bei Cox/Hillman/Langevoort, Statutes and Forms, S. 123 ff. 301 Manne, Insider Trading, S. 47 ff.; anschaulich dazu Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 189 f. 302 Cox, 64 Wash. U. L. Q. 475, 493 (1986). 303 Ebd. 304 Coffee, 70 Va. L. Rev. 717, 738 ff. (1984); zur Übertragung auf Deutschland, vgl. Schröder, S. 111. 305 Jensen/Meckling, 3 J. Fin. Econ. 317 (1976). 306 Arlen/Carney, 1992 U. Ill. L. Rev. 691, 701 (1992) (Schwerpunkt auf Bilanzinformationen, vor allem Gewinnrückgängen). 307 So vor allem auch die spieltheoretischen Erkenntnisse, Baird, Game Theory, S. 196.

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fast ausschließlich in kleineren Unternehmen fest, die nicht unter die Offenlegungspflichten fielen.308 Des Weiteren ist zu beachten, dass neuere Ansätze der Behavioral Law and Economics das Modell rationalen Handelns am Kapitalmarkt generell hinterfragen.309 Dieser Ansatz, der am Grundverständnis ökonomischer Theorien rührt, wird noch ausführlich zu beleuchten sein. Hier sei vorweggenommen, dass nach humanpsychologischen Erkenntnissen Verhaltensanomalien bekannt sind, die sich auf selektive Wahrnehmung von Informationen, Verfügbarkeits- und Repräsentativitätsheuristiken, sowie auf Phänomene wie Kontrast-, Anchoring-, Mental Accounting und sog. Primat- und Primingeffekte zurückführen lassen.310 Diese Studien sind für das Kapitalmarktrecht primär auf Kapitalanleger ausgerichtet, lassen sich aber ohne weiteres auf die Seite der Kapitalnachfrager übertragen.311 So wäre durchaus denkbar, dass ein Geschäftsleiter, der scheinbar böswillig Informationsasymmetrien ausbeutet, in Wahrheit durch psychologische oder institutionelle Einflüsse und Vorurteile geprägt ist, die bedingen, dass die Vorteile und Risiken einer Unternehmung falsch wahrgenommen und eingeschätzt, und daher fehlerhaft wiedergeben werden.312 Als Beispiel sei hier die Selbstüberschätzung (overconfidence) genannt, die leicht zu einem ins Positive verzerrte Bild führen kann.313 Oft sind aber auch die Ziele und Absichten innerhalb eines Unternehmens ganz anders als erwartet, etwa wenn eine Ausrichtung an anderen Zielen als der Profitmaximierung erfolgt, zunächst Zwischenziele angestrebt werden, oder Einzelne ihr Handeln an individuellen Maßstäben ausrichten.314 Das Festlegen klarer Leitlinien erleichtert hier in einem ersten Schritt, dass die relevanten Informationen im Unternehmen überhaupt zusammengestellt werden (Selbstinformation).315 Diese Funktion kommt vor allem dem Jahresabschluss zu, bei dem die Information dem Offenlegungspflichtigen zunächst noch gar nicht vorliegt, was aus ökonomischer Sicht zu einer fundamental anderen Bewertung führt, als wenn dem Insider die Information bereits zur Verfügung steht und er nur zu deren Offenlegung angehalten werden muss.316 Vernachlässigt werden häufig auch die indirekten Kosten einer Offenlegung, die zudem besonders schwer in ihren genauen Folgen abzuschätzen und zu quantifizieren 308

Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation, Vol. 1, S. 287. Fleischer, in: FS Immenga, S. 575, 583 ff. 310 Unten, III.2.d)dd); zu einzelnen Effekten u. Heuristiken Heinrich/Hirte, Kö-Ko WpHG, Einl., Rn. 24 m.w.N. 311 Breuer/Perst/Stotz, ÖBA 2005, 153, 156 ff. 312 Langevoort, 146 U. Pa. L. Rev. 101, 133 (1997). 313 Weinstein, 39 J. Personality & Soc. Psychol. 806 (1980). 314 Zu Zweifeln an der „utility function of the firm“, einführend Simon, Behavioral Economics, S. 223. 315 Zur Unterscheidung solcher Informationen, die bereits vorliegen, und solcher, die erst intern festgestellt und gefunden werden müssen, vgl. Fishman/Hagerty, Mandatory Disclosure, S. 607. 316 Fishman/Hagerty, Mandatory Disclosure, S. 607. 309

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B. Publizitätspflichten aus ökonomischer Sicht und die Rolle des Rechts

sind. Zurückzukommen sein wird auf Wettbewerbsnachteile, die dadurch entstehen, dass auch Konkurrenten Kenntnis von der Information erlangen; oder das Risiko verklagt zu werden, wenn falsche oder irreführende Nachrichten veröffentlicht wurden.317 Hier bleiben die Durchsetzung von Publizitätspflichten und die Rechtsfolgen einer Verletzung ausgeklammert. Es sei jedoch angemerkt, dass auf Rechtsfolgenebene insbesondere auch die Negativauswirkung zu hoher Kosten oder eines zu hohen Risikos beachtet werden müssen. Dies wird bei der Veröffentlichung zukunftsgerichteter Information besonders relevant, die mit besonderen Unsicherheiten verbunden, aber auch von besonderer Bedeutung für die Informationseffizienz und die Allokationseffizienz des Marktes sind, und heute bei einer Bewertung eines Unternehmens in immer stärkerem Maße genutzt werden.318 Die außergewöhnliche Effizienzsteigerung durch Prognosen ist für die USA nach Einführung der MD&A anschaulich ACHTUNGREnachgewiesen worden, deren Erfolg aber maßgeblich auf die Abgrenzung sog. Safe harbor-Regelungen zurückzuführen ist.319 Die Schwierigkeit einer genauen Abschätzung dieser indirekten Kosten führt dazu, dass an dieser Stelle nicht mehr getan werden kann, als darauf hinzuweisen, dass sie – wie alle sog. third party effects oder externalities320 – als guter Grund aufgeführt werden können, mit der Offenlegung einer Information zögerlich zu sein. Legt man die Annahme zugrunde, dass für ein Unternehmen Anreize bestehen, eine Information so lange zurückzuhalten, bis alle Kosten durch eine Gesamtschau aller wirtschaftlichen Auswirkungen zu rechtfertigen sind, so führen diese Überlegungen zu dem Ergebnis, dass die genannten Theorien für eine von sich aus funktionsfähige marktendogene Publizität erheblich zu begrenzen sind. Die Signal-Theorie basierte auf der Annahme, dass der Markt bei einer unterlassenen Veröffentlichung „das schlimmste“ erwarten werde, und daher ein Unternehmen die schlechten Nachrichten ebenso offenlegen werde, wie die guten. Schweigen kann nun aber genauso bedeuten, dass eine durchaus positive Information oder Entwicklung vorliegt, die nur ein Konkurrent nicht erfahren soll, oder die noch nicht so weit gediehen ist, dass sich eine Fehlprognose mit dem damit verbundenen Haftungsrisiko sicher ausschließen lässt. Dies hat zur Folge, dass dem Schweigen keine klare Signalwirkung zugespro317

Kitch, 61 Brooklyn L. Rev. 763 (1995). So gaben S&P im Januar bekannt, dass sie die Aktie der Deutschen Bank AG allein aufgrund geringerer Gewinnprognosen für 2009 herabstufen, FAZ vom 16. 1. 2009, S. 12; generell zur Bedeutung zukunftsgerichteter Informationen Merkt, Unternehmenspublizität, S. 455 ff.; zum „Dividendenmodell“, nach welchem der Wert eines Unternehmens anhand der zukünftig ausschüttbaren Dividenden bestimmt wird (unabhängig davon, ob diese ausgeschüttet oder reinvestiert werden), vgl. Brealey/Myers/Allen, Corporate Finance, 8. A., 2006, S. 61 ff.; zur zunehmenden Bedeutung sog. soft-information in den USA, Schröder, Unternehmenspublizität, S. 31 ff. 319 Fox/Morck/Durnev, 102 Mich. L. Rev. 331 (2003) („better market performance and more informed prices after the enhanced forward-looking MD&A disclosure requirements“); Schwarcz, 2004 U. Ill. L. Rev. 1, 10 („Sarbanes-Oxley Act significantly improved financial reporting of off-balance sheet arrangements“). 320 Dazu Schröder, S. 109. 318

III. Zur Kritik am Konzept hoheitlicher Publizitätspflichten 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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chen werden kann und somit die Signal-Theorie zumindest in ihrer Reinform als widerlegt gelten kann.321 Trotz der gespaltenen Ergebnisse und den unterschiedlichen Einschätzungen der empirischen Untersuchungen322 lässt sich wohl annehmen, dass diese dieses Ergebnis größtenteils bestätigen. So wird durchgängig festgestellt, dass gute Nachrichten regelmäßig schneller veröffentlicht werden als schlechte,323 was meist auf sog. proprietary costs zurückzuführen ist, also die wirtschaftlich nachteiligen Auswirkungen schlechter Nachrichten auf die Kosten der Finanzierung.324 Auch dies widerspräche den Annahmen der Signaltheorie. Mit der Kritik an den genannten theoretischen Ansätzen sind deren im Kern zu haltenden Erkenntnisse, aber auch die jeweiligen Schwachstellen deutlich geworden. Damit steht aber noch aus, Gegenmodelle zu entwickeln, warum ein staatliches ergänzendes Eingreifen in die marktendogenen Publizitätsmechanismen gerechtfertigt erscheint. bb) Gegenmodelle Die ökonomischen Modelle erweitern hier nun die verengte Betrachtung aus dem Blickwinkel des Unternehmers um das Marktumfeld, und setzen bei der Frage an, wie viele Informationen der Markt von sich aus generieren würde. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass sich in einem Modell begrenzter Ressourcen unter den verschiedenen Marktteilnehmern ein, freilich durch das Marginalprinzip begrenzter,325 Wettbewerb um den Zugang zu den vorhandenen Informationen herausbilden wird, da jeder Einzelne einen Vorteil durch deren Ausbeutung für sich erlangen will.326 Fama und Laffer sehen die Folgen dieser Wettbewerbsbestrebungen in einer Überproduktion an Informationen. Diese bringt vor allem eine enorme Ressourcenverschwendung mit sich, weil sich jeder Teilnehmer des Wettbewerbs selbst um die Information bemühen muss, dabei aber nur der schnellste diese Information gewissermaßen auf Kosten der anderen ausnutzen kann (scarce good theory). Konsequente Folge wäre ein Verbot jeglicher Publizität oder aber die Pflicht, Informationen schnellstmöglich offen zu legen, um so die Suchkosten für den Einzelnen zu reduzieren. Die Theorie 321 So auch die herrschende Meinung in der ökonomischen Wissenschaft, Nachweise bei Hirte/Heinrich, Kö-Ko WpHG, Einl. Rn. 18 ff. in enger Anlehnung an Merkt, Unternehmenspublizität, S. 212 ff.; vgl. Schröder, S. 111. 322 Dazu Merkt, Unternehmenspublizität, S. 197. 323 Cooper/Keim, 2 J. Acc. Publ. Pol.189, 195 (1983); SEC, Report of the Advisory Committee (1977). 324 Vereccia, 5 J. Acc. Econ. 179, 182 (1983). 325 Nach dem Marginalprinzip ist es dem (rational handelnden) Einzelnen nicht möglich, ausreichende Informationen über alle Angebote am Markt zu bekommen. Er wird folglich stichprobenartig nach Informationen suchen, bis sich ein so umfassendes Bild ergibt, dass der Nutzen des letzten Suchschritts (Grenznutzen) dessen Kosten (Grenzkosten der Suche) entspricht, Stigler, 69 J. Pol. Econ. 213 (1961). 326 Fama/Laffer, 44 J. Bus. 289, 298 (1971); Hirshleifer, 61 Am. Econ. Rev. 561 (1971).

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B. Publizitätspflichten aus ökonomischer Sicht und die Rolle des Rechts

bietet folglich eine gesamtwirtschaftliche und volkswirtschaftliche Rechtfertigung umfassender Publizitätspflichten.327 Die wesentliche Schwäche dieser Theorie des Marktversagens wegen einer Überproduktion an Information liegt in der Annahme, Informationen seien private Güter, welche der Einzelne unter Ausschluss aller anderen für sich ausbeuten kann. Vielmehr können Informationen auch als öffentliche Güter328 verstanden werden, die der dafür zahlende Einzelne nicht für sich verbrauchen kann, sondern die, sind sie einmal bekannt, kostenlos weitergegeben werden können, und so allen Marktteilnehmern zu Gute kommen (Nichtrivalität329 und Nichtexklusivität330 des Nutzens einer Investition nach der sog. public good theory).331 Dies hätte die Unterproduktion von Informationen zur Folge, weil die zwingenden free riding-Effekte der anderen ein eigenes ACHTUNGREAktivwerden im Rahmen eines Wettbewerbs um Informationen weniger rentabel machen.332 Weder Konkurrenten des Unternehmens noch die anderen Investoren am Kapitalmarkt ließen sich von der kostenlosen Nutzung ausschließen, so dass letztlich kein Anleger mehr einen Anreiz haben wird Suchkosten einzugehen und die Unternehmen Informationen nicht mehr gewinnbringend vermarkten können.333 Konsequenz wäre auch hier der Ruf nach staatlichen Informationspflichten, um informationellem Marktversagen entgegenzuwirken. Vorsicht vor voreiligen Schlüssen ist allerdings auch hier geboten, da es erheblich von der Effizienz eines Marktes abhängt, wie schnell Profite gezogen, aber auch wie lange eine Information genutzt werden kann, bis sie vollständig im Marktpreis reflektiert ist. Bis dahin wären immer noch Suchanreize gegeben, um einen Wettbewerbsvorteil durch die Nutzung von am Markt noch nicht vollständig bekannten Nachrichten zu erzielen.334 Ein markteigener Effekt könnte schließlich die relativen Kosten der Informationsbeschaffung senken, wenn Rating-Agenturen sich im Rahmen von large scale economies allein auf die Suche und Analyse von Informationen spezialisieren.335 Voraussetzung dafür wäre, dass eine große Anzahl von Abnehmern bereit ist, für diese verarbeiteten Informationen zu zahlen. Zum anderen eröffnet dieser Ansatz die Gefahr einer Monopolbildung und der daraus folgenden Ausnutzung der Informationen, was 327 Merkt, Unternehmenspublizität, S. 218 m.w.N. (kritisch zu den Annahmen und unter Auflistung der Defizite). 328 Allgemein zum öffentlichen Gut, vgl. Schäfer/Ott, S. 559 ff. 329 Nichtrivalität besteht, wenn die Grenzkosten einen weiteren Konsumenten mit dem Konsum des Guts zu versorgen, gleich Null sind, Hirte/Heinrich, Kö-Ko WpHG, Einl., Rn. 23. 330 Nichtexklusivität bedeutet, dass andere nicht von der Nutzung des Gutes ausgeschlossen werden können, ebd. 331 Zur public good theory: Coffee, 70 Va.L.Rev. 717, 723 ff. (1984); Arrow, Economic Welfare S. 141, 152; Meier-Schatz, Unternehmenspublizität, S. 166 f., 170 ff. m.w.N. 332 Wein, in: Grundmann (Hrsg.), Party Autonomy, S. 80, 82. 333 Easterbrook/Fischel, 70 Va. L. Rev. 669, 685 (1984). 334 Grossman/Stiglitz, 70 Am. Econ. Rev. 383 (1980); Hirshleifer, 63 Am. Econ. Rev. 561 (1971). (Es werden so lange Informationen generiert, wie solche ausgenutzt werden können.) 335 Wein, in: Grundmann (Hrsg.), Party Autonomy, S. 80, 82.

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wiederum staatlich zu verhindern wäre. Die Probleme wären folglich nur um eine Ebene verschoben. Als zusätzliche und grundlegende Problematik käme hier aber hinzu, dass die Informationen aus der Sphäre des Unternehmens stammen, und die Rating-Agenturen somit neben mangelnden Kontrollmöglichkeiten auch erheblich höheren Kosten der Informationsbeschaffung und -verifizierung ausgesetzt sind. Die beiden Ansätze der Über- und der Unterproduktion von Informationen gehen davon aus, dass der Markt von sich aus nicht zu einem optimalen Maß an Informationen gelangt.336 Auch wenn zunächst verblüfft, dass die Argumentationen genau entgegengesetzt verlaufen, so überzeugt doch, dass beide Modelle auch andere Marktteilnehmer am Kapitalmarkt und Konkurrenten in die Überlegungen einbeziehen.337 Damit erscheint zumindest überzeugend dargelegt, dass die vorhergehenden Modelle diese Dimension verkannt haben, und somit ein Markt in der Realität offensichtlich nicht von sich aus ein hinreichendes Maß an Publizität gewährleisten kann.338 Nach diesen Erwägungen wäre ein staatliches Eingreifen gerechtfertigt. Die anderen Theorien sind aber nicht widerlegt, und müssen in ihren Auswirkungen beachtet und nutzbar gemacht werden. Es erscheint indes geboten, die Grenzen dieser marktendogenen Mechanismen zu erkennen, durch welche nicht gewährleistet erscheint, dass sie auf Dauer von sich aus die Informationsversorgung des Marktes sicherstellen können.339 d) Konzeptionell-theoretische Bedenken gegen Pflichtpublizität aa) Mandatory Disclosure and Path Dependency Da die Szenarien des Marktversagens möglich, aber keinesfalls zwingend erscheinen, hat sich ein Path Dependency-Ansatz herausgebildet, der das US-amerikanische System hoheitlich auferlegter Publizitätspflichten von Grund auf als nicht im öffentlichen Interesse liegend kritisiert. Die Vertreter dieses Ansatzes gehen davon aus, dass das erläuterte Konzept umfassender Publizitätspflichten nicht aus Überlegungen des Individual- und Funktionsschutzes heraus als optimal entwickelt wurde, sondern auf den Einfluss mächtiger Interessengruppen und Lobbyismus zurückzuführen ist. Die positiven Auswirkungen auf den Markt seien nur willkommene Nebeneffekte.340 Damit verliert das System aber unter evolutionstheoretischer Sicht seine Legitimation, da nicht mehr davon ausgegangen werden kann, dass es für die Marktbedürfnisse optimiert ist, sondern vielmehr aus bloßer „Pfadabhängigkeit“341 im gewohnten Maße

336 337 338 339 340 341

Coffee, 70 Va. L. Rev. 717 (1984). Merkt, Unternehmenspublizität, S. 219. Ausführliche Darstellung bei Meier-Schatz, Unternehmenspublizität, S. 161 ff. Wein, in: Grundmann (Hrsg.), Party Autonomy, S. 80, 91. Peltzman, 19 J. L. & Econ. 211 (1976). So Richter/Furobotn, Neue Institutionenökonomik, S. 33.

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B. Publizitätspflichten aus ökonomischer Sicht und die Rolle des Rechts

und ohne Möglichkeit der Anpassung bestehen bleibt.342 Überzeugend an diesem Ansatz erscheint die Einsicht, dass ein reines Publizitätsregime nicht für optimale Marktbedingungen sorgen kann. In der Tat ist in den USA, verstärkt durch die Krise um Enron und Worldcom, ein Bedürfnis nach mehr materieller (Rahmen-)Regulierung und unterstützenden Regeln gegen Betrug in bestimmten Bereichen deutlich geworden.343 Daraus lässt sich jedoch gerade nicht eine „Versteinerung“ des Rechts in seinen bestehenden Bahnen, sondern vielmehr die Einsicht ableiten, dass Publizitätsregeln immer noch die sinnvollste Lösung sind, wenn es gelingt sie auf einen Anwendungsbereich zu begrenzen, in dem sie ihre Wirkung voll entfalten können. Zu ACHTUNGREdifferenzieren ist demzufolge zwischen dem großen Bereich, in dem Publizität immer noch die optimale Lösung ist, und solchen, die besser durch Verbots- und Gebotsnormen zu regeln oder dem freien Spiel der Marktkräfte zu überlassen sind. Für den Pfadabhängigkeits-Ansatz spricht aus ökonomischer Sicht, dass ein Publizitätsregime für einflussreiche Großunternehmen im Kosten-Nutzen-Verhältnis mit viel weniger Aufwand verbunden ist, als für kleine Unternehmen. Banken, Wirtschaftsprüfer und Rating-Agenturen haben ein Interesse, den status quo aufrecht zu erhalten, auf den sie sich spezialisiert haben, und über den sie unliebsamer Konkurrenz den Markteintritt erheblich erschweren können.344 Dieser Wettbewerbsvorteil lässt sich auch für die beratenden Anwaltskanzleien feststellen.345 Die Überlegungen erschweren folglich das Argument, die securities laws hätten sich allein aufgrund ihrer evolutionären Überlegenheit durchgesetzt. Vielmehr könnten sie sich lediglich zum allgemein akzeptierten Standard herausgebildet haben, von dem sich eine Abkehr für den Einzelnen Marktteilnehmer nicht lohnt, weil damit so hohe Folgekosten verbunden wären, dass der Systemwechsel für den Einzelnen unmöglich rentabel sein könnte.346 Andererseits unterliegt die Pfadabhängigkeits-Hypothese einem Zirkelschluss: Angenommen das Publizitätsregime lässt sich wirklich als reine Interessengruppen-Gesetzgebung verwerfen, so würden sich in einem Gegenmodell, ob stärker reguliert oder freier am Markt, ebensolche Strukturen und Standards herausbilden, die eine Anpassung an das im jeweiligen Zeitpunkt denkbare Optimum verhindern würden. Damit verliert aber über die Zeit jedes System seine ökonomische Legitimation, und der Vorschlag einer Alternative zum status quo ist gescheitert.

bb) Mandatory Disclosure and Issuer Choice Noch weitergehend wird den Publizitätsregelungen teilweise jegliche Funktionsfähigkeit abgesprochen. Ein im Wesentlichen von Romano und Fox entwickelter An342 343 344 345 346

Roe, 109 Harv. L. Rev. 641 (1996). Cox/Hillman/Langevoort, Securities Regulation, S. 10. Manne, Economic Aspects, S. 23, 31, 38. Easterbrook/Fischel, 70 Va. L. Rev. 669, 671 (1984). Roe, 109 Harvard Law Rev. 641 (1996).

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satz verwirft die gesamte Kapitalmarktgesetzgebung des letzten Jahrhunderts mit der Begründung, sie gehe auf eine Überschätzung der Gefahr des Marktversagens zurück, und sei folglich abzuschaffen.347 Bevorzugt wird demgegenüber von Romano ein Marktansatz, der durch einen Wettbewerb der Systeme ein besseres und differenzierteres Maß an Publizität je nach den Präferenzen der Marktteilnehmer gewährleisten könne (issuer choice). In einer globalisierten Welt, einem effizienten vernetzten informationellen Umfeld und dem damit verbundenen Zugang von Unternehmen und Anlegern zu den weltweiten Märkten könnten sich verschiedene regulatorische Alternativen herausbilden, die dann zueinander in den Wettbewerb um ein optimales Umfeld für Investitionen treten. Damit einher geht eine Diversifizierung mit unterschiedlichen Informationsniveaus, von denen sich diejenigen durchsetzen, nach denen ein Bedürfnis besteht. Damit sei für alle Marktteilnehmer das beste Angebot gewährleistet. Der Wettbewerb wäre nach Romano zwischen Bundesstaaten und Handelsplätzen denkbar, die alle um Investoren werben, und somit gewissermaßen maßgeschneiderte Lösungen anbieten könnten. Diese spezialisierten und differenzierten Lösungen würden für jedermann den freien Zugang zu Kapital bei besten Konditionen gewährleisten.348 Das am Beispiel der USA herausgearbeitete Modell ließe sich in einer globalisierten Welt auf einen internationalen Wettbewerb übertragen. Fox wählt einen demgegenüber eher zurückhaltenden Ansatz, nach dem es nicht im freien Ermessen der Unternehmensleitung liegen soll, welches regulatorische Regime für eine Kapitalaufnahme gewählt wird, und widerspricht der Möglichkeit eines Systemwettbewerbs zwischen Staaten grundlegend. Vielmehr weise ein Unternehmen den engsten Bezug zu seinem Herkunftsstaat auf, in welchem dann auch das Kapital genutzt werde.349 Dessen regulatorisches Umfeld sei anzuwenden, wohingegen der Ort des Handelsplatzes (der Kapitalaufnahme) vergleichsweise weniger betroffen sei (home state regulation).350 Unabhängig davon, ob man der Schlussfolgerung Fox Kritik zustimmt oder nicht, so zeigt sie doch, dass sich das von Romano vorgeschlagene Modell der issuers choice, so einfach und überzeugend es auch klingen mag, in dieser Radikalität nicht aufrechterhalten lässt. Zunächst erscheint höchst unwahrscheinlich, dass eine größere Auswahl an Angeboten zu einer besseren Offenlegung führt.351 Vielmehr werden hier zusätzliche Unsicherheiten und informationelle Probleme geschaffen, da jeder Marktteilnehmer zu jedem Zeitpunkt über alle Konditionen an allen Märkten informiert sein müsste. Das Modell setzt, mit anderen Worten, vollkommene Infor347

Romano, 107 Yale L. J. 2359 (1998); Fox, 95 Mich. L. Rev. 2498 (1997). Romano, ebd. 349 Bei der Unternehmensgründung besteht freilich die Wahl zwischen verschiedenen Orten und verschiedenen regulatorischen Regimes; diesem unterliegt dann jede zukünftige Kapitalaufnahme, unabhängig wo sie stattfindet. 350 Fox, 95 Mich. L. Rev. 2498 (1997). 351 Cox, 99 Colum. L. Rev, 1200 (1999): US-Märkte zeichnen sich durch besondere Vertrauenswürdigkeit aus. Daher sei nicht zu empfehlen, sie dem Wettbewerb mit anderen Rechnungslegungsstandards (IAS) auszusetzen. 348

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mationseffizienz voraus, anstatt sie zu beweisen. Diese Effizienz ist aber trotz zunehmender weltweiter Vernetzung der Informationstechnologien wie gesehen eher unwahrscheinlich, und wird zudem von einer Masse grundverschiedener Voraussetzungen, Standards und Formate noch erschwert. Einige der Vertreter des vorgeschlagenen Systems geben auch offen zu, dass es nicht auf einen Schutz der Anleger ausgerichtet ist, sondern allein nach den Annahmen der Kapitalmarkt-Effizienzhypothese auf mehr Markteffizienz abzielt.352 Zudem wird sogar der Wohlfahrtsaspekt verneint, da die gesteigerte Effizienz nicht zwingend auch Vorteile für die Gemeinschaft habe, und die sozialen Einbußen eines diversifizierten Systems die vereinzelten Vorteile bei weitem übersteigen würden.353 Außerdem blendet das Modell externe Faktoren wie Monopolstellungen aus,354 und die Folge eines race to the bottom mit erheblichen Einbußen für das Informationsniveau am Markt erscheint als die wahrscheinlichere Folge.355 Die Überlegungen zum Wettbewerb der Regelgeber lässt sich auf einen Wettbewerb verschiedener Handelsplattformen übertragen,356 was zudem zusätzliche Schwierigkeiten für eine Überwachung und Kontrolle mit sich brächte,357 die bei einheitlich vorgeschriebenen Standards und Schemata erheblich einfacher erscheint. Der issuer choice-Ansatz ist daher abzulehnen, weil auch er das Problem informationellen Marktversagens nicht zu lösen in der Lage ist, sondern die Effizienz vielmehr voraussetzt. Der Ansatz zeigt aber auf, dass die zunehmende technische Vernetzung und Internationalisierung der Märkte dazu führen, dass ein Wettbewerb erleichtert, und mit steigender informationeller Effizienz der Märkte auch wahrscheinlich wird. Darauf wird sich ein regulatorisches Modell einzustellen haben. Es kann aber nicht überzeugen, dies auf Kosten der Kleinanleger dem Markt zu überlassen. cc) Mandatory Disclosure in a World of Complexity Als diesem Modell eines freien Marktes diametral gegenübergestellt kann ein Ansatz von Schwarcz verstanden werden, der auch das Konzept der Markteffizienz und der Publizität grundlegend in Frage stellt, aber argumentiert, dass in einer Welt zunehmender Komplexität so komplizierte Finanzprodukte angeboten werden, dass der Markt diese nicht mehr verstehen und somit trotz Transparenz nicht mehr bewerten könne. Damit verliert aber die Publizität ihre Legitimation, da die offengelegten Informationen nicht in die Entscheidungsprozesse eingehen können.358 Vereinfacht dargestellt versagt der Markt aus einer Informationsasymmetrie heraus, weil er

352

Fox, 85 Va. L. Rev. 1335, 1415 (1999). Ebd., S. 1338. 354 Cox, 99 Colum. L. Rev. 1200, 1230 (1995). 355 Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation, Vol. 1, S. 284. 356 Choi/Guzman, 71 S. Cal. L. Rev. 903 (1998). 357 Zu Rechtsanwendungsproblemen und insb. Kosten, vgl. Cox, 55 Law & Contemp. Probs. 157, 159 (1992). 358 Schwarcz, 2004 U. Ill. L. Rev. 1 (2004). 353

III. Zur Kritik am Konzept hoheitlicher Publizitätspflichten 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Gut und Schlecht nicht unterscheiden kann.359 Hier liegen nun aber alle Informationen offen, allein seien moderne Finanztransaktionen so kompliziert, dass auch hoch spezialisierte Investoren diese nicht nachvollziehen können. Oftmals seien sie sogar so kompliziert, dass diejenigen sie nicht mehr nachvollziehen können, die sie ursprünglich ausgedacht haben.360 Ein korrekter Preis kann sich folglich nicht herausbilden, unabhängig welches Maß an Informationen bereitsteht. Konsequenz dieses Modells wäre strikte staatliche Regulierung, die aber wiederum die Freiheit eingrenzen würde, neue Finanzmarktprodukte zu entwickeln. Daher lässt sich eine Lösung nur über die Verbesserung der Corporate Governance eines Unternehmens finden: Die Unternehmensleiter müssen frei von Interessenkonflikten sein, da die Investoren darauf angewiesen seien, deren unternehmerischen Entscheidungen (begrenzt durch die business judgment rule) gewissermaßen blind zu vertrauen.361 Bedenken kommen zuerst an der Qualität dieser unternehmerischen Entscheidung auf, denn wenn die Strukturen so Komplex sind, dass niemand sie versteht, so scheitern wohlmöglich auch die Unternehmensleiter. Ferner erscheint eine Offenlegung angebracht, da somit zumindest das Risiko deutlich wird, ein höchst komplexes Produkt überhaupt zu erwerben. Denkbar wären auch einfacher verständliche Offenlegungsstandards, welche eine Zusammenfassung in einfach verständlicher Form fordern. Dann wären Preisabschläge durch den Markt auf einer – zumindest in gewisser Weise – über die Risiken informierten Basis möglich. Wird dennoch bewusst spekuliert, läge dies im Risikobereich des Einzelnen. Der Ansatz lässt sich aus seinem Umfeld im Bereich der structured finance362 heraus verstehen, bei dem Unternehmenswerte gezielt ausgegliedert werden, sog. securitization. Es scheint überzeugend, dass die Publizität hier trotz hoch spezialisierter Adressaten363 an ihre Grenzen stößt. Auch bei den sogleich näher zu behandelnden irrationalen Abweichungen wird sich zeigen, dass diese mit der Komplexität der ACHTUNGRESituation zunehmend stärker werden.364 Auch Spezialisten handeln damit bei komACHTUNGREplexen Produkten eher impulsiv und verarbeiten weniger Informationen bei ihren Investitionsentscheidungen. So hat CalPERS365 jüngst über 1 Mrd. US-Dollar mit strukturierten Investmentprodukten verloren, die auf Grundlage hervorragender Ratings angeschafft wurden. Eine weitergehende eigene Prüfung der Zusammensetzung 359

Akerlof, 84 Q. J. Eco. 488, 500 (1970). Schwarcz, 2004 U. Ill. L. Rev. 1, 7 (2004). 361 Ebd., S. 23. 362 Dazu Schwarcz, Structured Finance. 363 Zur securitization durch Special Purpose Entities (SPEs) und den Schwierigkeiten bei deren Bewertung durch Rating-Agenturen als Ursache der Finanzmarktkrise, vgl. Schön/Cortez, IRZ 2009, 11, 13 ff. m.w.N. 364 Kreps, Bounded Rationality, S. 172. 365 California Public Employees Retirement System (CalPERS). Der Pensionsfond für Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes von Kalifornien verwaltete 2008 173 Mrd. US-Dollar. Er ist vor allem für seine Focus Lists und Market Initiatives im Bereich der Corporate Governance bekannt; vgl. www.calpers-governance.org. 360

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B. Publizitätspflichten aus ökonomischer Sicht und die Rolle des Rechts

der fraglichen Zweckgesellschaften fand nicht statt, da diese „undurchsichtig“ gewesen seien.366 Dennoch bietet dies kein Argument, Publizitätspflichten generell zu verwerfen, sondern veranschaulicht nur, in welchen Bereichen ein unterstützendes ACHTUNGREmaterielles Eingreifen (Warnungen, in bestimmten Segmenten und je nach Anlegerschaft auch Verbote) erforderlich erscheint. Zudem wird deutlich, dass ein Publizitätskonzept nur funktioniert, wenn auch allgemein verständliche und überprüfbare „harte“ Daten zur Verfügung stehen.367 dd) Behavioral Law and Economics Neuere Ansätze der wirtschaftswissenschaftlichen Untersuchungen hinterfragen zunehmend grundlegend die modelltheoretische Annahme eines rationalen Anlegers und die darauf basierende efficient capital market hypothesis.368 Diese lassen sich in der US-amerikanischen Kapitalmarkt-Debatte unter dem Oberbegriff „Behavioral Finance“369 zusammenfassen und werden in Europa,370 neuerdings auch zunehmend unter spezifisch kapitalmarktrechtlicher Sicht,371 vom Forschungsprogramm der „Behavioral Law and Economics“ erfasst.372 Diese Schule geht aus (human-)psychologischer und verhaltenswissenschaftlicher Sicht davon aus, dass Individuen, aus sich heraus oder unter dem Einfluss von Institutionen, oftmals irrational handeln, und diese nicht erklärbaren Verhaltensabweichungen das Entstehen eines effizienten Marktes verhindern.373 Es ist zu beobachten, dass eine Entscheidungsfindung oftmals nicht auf rein rationalen Kriterien beruht, sei es durch Voreingenommenheit des An366 CalPERS erhob im Juli 2009 vor den California Superior Court in San Francisco Klage gegen die führenden Rating-Agenturen, da nur diese und die Emittenten selbst über die Zusammensetzung der Finanzprodukte informiert gewesen seien, und eine eigene Prüfung daher nicht möglich gewesen sei, vgl. Wayne, Calpers Sues Over Ratings of Securities, NY Times vom 15. 7. 09. Die Klage verdeutlicht, in welchem Ausmaß sich auch hoch professionelle Investoren allein auf gute Bewertungen der Rating-Agenturen verlassen haben. 367 Darauf wird insbesondere bei der Ausgestaltung der Jahresabschlusspublizität zurückzukommen sein. 368 Überblick bei Korobkin/Ulen, 88 Cal. L. Rev. 1051 (2000) m.w.N.; Choi/Pritchard, 56 Stan.L.Rev. 1 (2003). 369 Ausführliche Herleitung bei Klöhn, Behavioral Finance, S. 80 ff., der die „Behavioral Law and Economics“ als rechtswissenschaftliche Behandlung oder Perspektive der „Behavioral Finance“ herausarbeitet, ebd., S. 136 ff. 370 Auch in Deutschland ist mittlerweile die Tendenz zum Begriff der „behavioral finance“ festzustellen, siehe nur die Reihe „Behavioral Finance“ der FAZ, erschienen vom 20. 11. 2008 – 11. 12. 2008. 371 Zur Anwendbarkeit des Ansatzes im Kapitalmarktrecht Fleischer, in: FS Immenga, S. 575, 583 ff.; Breuer/Perst/Stotz, ÖBA 2005, 153, 156 ff. (beschränkte Rationalität von Kapitalgebern und -nehmern). 372 Ausführliche Darstellung bei Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 65 ff.; vgl. den jüngst erschienenen Sammelband: Engel (Hrsg.), Recht und Verhalten (2007), sowie Schön, in: FS Canaris, 1191, 1209 (2007). 373 Gilson/Kraakman, 28 J. Corp. Law 715 (2002 – 2003).

III. Zur Kritik am Konzept hoheitlicher Publizitätspflichten 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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legers, durch veraltete Information, Fehlinterpretationen oder durch reine Spekulation.374 Diese irrationalen Anleger können durch ihr „noise trading“, welches meist auf beschränkte Informationsverarbeitungskapazitäten in komplexen Entscheidungssituationen zurückgeführt wird,375 das Marktgeschehen erheblich beeinflussen.376 Gleiches lässt sich für die Kapitalgeber nachweisen.377 Damit erfolgt eine Abkehr von der klassischen Chicago School der Law and Economics,378 deren Annahmen alle auf rein rationalem Verhalten im Sinne einer persönlichen Gewinnmaximierung (rational choice) beruhen.379 Das Modell des Homo Oeconomicus380 greift aber in der Reinform insofern zu kurz, als es individuelle Präferenzen und Probleme der Informationsverarbeitung bewusst ausklammert.381 So kritisierte Simon, dass bedingt durch Transaktionskosten und unvollkommene Voraussicht des Einzelnen, dieser nicht in der Lage sei, alle entscheidungsrelevanten Informationen zu bekommen (access to information) und auszuwerten (computational capacity), das sog. Phänomen begrenzter Rationalität (bounded rationality).382 Diese Begrenzung der kognitiven Fähigkeiten hat zur Folge, dass der Entscheidungsmecha374

Langevoort, Taming the Animal Spirits of the Stock Market: A Behavioral Approach to Securities Regulation, 97 Nw. U. L. Rev. 135 (2002), also published in: Armour/McCahery, After Enron, 65 (2006). 375 Anschaulich Schäfer/Ott, S. 65: Ein Schimpanse wird eine Banane einem Geldschein gegenüber präferieren, mit dem er viele Bananen kaufen könnte. Es verwundert nicht, dass sich Menschen in vielfach komplexeren Situationen ähnlich verhalten, wenn sie diese nicht mehr überblicken. 376 Shleifer, Inefficient Markets, S. 23 (2002); Langevoort, 140 U. Pa. L. Rev. 851, 866 ff. (1992) m.w.N. 377 Breuer/Perst/Stotz, ÖBA 2005, 153, 156. 378 Zur Abgrenzung des Neuen Institutionalismus von der ursprünglichen Ökonomischen Schule des Rechts, s. o., B.III.2.a)aa). Die Chicago School of Law and Economics ist als derjenige Teil der Chicago School of Economics zu verstehen, der die (zumeist kritisch gesehenen) Auswirkungen des rechtlichen Umfelds als Eingriffe in die Marktprozesse analysiert. Eine genaue Abgrenzung ist, nicht zuletzt aufgrund der engen personellen Verflechtungen, kaum möglich, Kitch, Chicago School, S. 227. Im Gegensatz zur Chicago School steht die Harvard School zwingenden staatlichen Regulierungsmechanismen weit weniger kritisch gegenüber. Zum Schulenstreit innerhalb des US-Gesellschafts- und Kapitalmarktrechts, Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn. 46 ff. 379 Grundlegend Posner, Economic Analysis, S. 1 f.: „Economics is the science of rational choice in a world – our world – in which resources are limited in relation to human wants. The task of economics, so defined, is to explore the implications of assuming that man is a rational maximizer of his ends in life, his satisfactions – what we shall call his self-interest.“; auf neuestem Diskussionsstand Shavell, Economic Analysis (2006). 380 Kirchgässner, Homo Oeconomicus, 1991; Überblick bei Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 65 ff. 381 Ein positives Modell menschlichen Verhaltens ist aber unentbehrlich. Aufgrund seiner Leistungsfähigkeit (und mangels Alternativvorschlages) ist das Modell des Homo Oeconomicus daher nicht aufzugeben, sondern um die Erkenntnisse der kognitionspsychologischen Forschung zu ergänzen und anzupassen, Eidenmüller, JZ 2005, 216. 382 Simon, 65 Q.J.Econ. 99 (1955); ders. Models of Man; dazu Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 112.

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nismus des Einzelnen zwingendermaßen nicht perfekt ist. Anstelle der unmöglichen Optimierung der Nutzenfunktion (optimization) wird er sich folglich mit einem hinreichend guten Ergebnis begnügen (satisficing). Die Wahl zwischen diesen beiden Entscheidungsstrategien hängt zentral davon ab, welcher Aufwand mit der Erreichung eines bestimmten Entscheidungsniveaus verbunden und zu dessen Verbesserung notwendig wäre.383 Damit gehen die Behavioral Law and Economics über die Annahme begrenzter Rationalität im Sinne des Neuen Institutionalismus nochmals hinaus, da hier nicht nur von einem individuell-rational opportunistischen Verhalten des Einzelnen ausgegangen wird, sondern im Extremfall jegliche rationale Begründbarkeit, zum einen auf Grund begrenzter Information, zum anderen aber eben auch auf Grund begrenzter Informationsverarbeitungskapazitäten, verneint wird.384 (1) Anomalienforschung und Erklärungsversuche exzessiver Volatilität Die kapitalmarktrechtliche empirische Forschung hat, die These unterstützend, festgestellt, dass keine lineare Beziehung zwischen dem systemimmanenten Risiko und dem Marktpreis einer Kapitalanlage besteht.385 Neuere Untersuchungen, insbesondere der empirischen psychologischen Forschung,386 bezweifeln das ökonomische Verhaltensmodell schlechthin und weisen nach, dass Abweichungen vom Rationalverhalten in stets gleichförmiger und systematischer Weise auftreten und damit einen nicht zu vernachlässigenden Einfluss haben.387 Festgestellt wurden eine erhöhte Volatilität im frühen Januar, verminderte Erträge während der Wochenenden oder sogar entscheidende Einflüsse der familiären Situation, des Geschlechts oder des Wetters.388 Diese Auflistung sozialer/gesellschaftlicher und psychologischer Einflüsse ließe sich beliebig fortsetzen.389 Als wichtigste Beobachtungen sind festzuhalten: Investoren tendieren dazu, ihre Fähigkeiten der Bewertung von Aktien zu hoch einzuschätzen (overconfidence bias)390, besonders wenn sie im Nachhinein das Ergebnis kennen (hindsight bias).391 Eine vergleichende Beurteilung aus ex ante-Situation ist dann nicht mehr möglich. Die Repräsentativitätsheuristik weist zudem auf verein383 Paredes, 81 Wash. U. L. Q. 417, 439 (Begrenzt rationaler Mensch wiegt bei der Wahl einer konkreten Entscheidungsstrategie die Güte des Ergebnisses mit dem zu dessen Erreichung erforderlichen Aufwand ab). 384 Ebd., S. 434. 385 Fama, 25 J. Fin. 383 (1970). 386 Tversky/Kahnemann, 59 J. Bus. 251 (1986). 387 Thaler, Quasi Rational Economics, 1991; dazu Rabin, 36 J. Econ. Lit. 11 (1998). 388 Barberis/Thaler, Survey. 389 Hervorragender Überblick aus kapitalmarktrechtlicher Sicht bei Fleischer, in: FS Immenga, S. 575, 577, 583; Hirshleifer, 56 J. Fin. 1533 (2001); Klöhn, Behavioral Finance, S. 80 ff., 94 ff. 390 Positiver Nachweis in über 200 Studien bei Jolls, 51 Vand. L. Rev. 1653, 1659, Fn. 22 (1998). 391 Begründet durch Fischhoff, Reflections on Historical Judgement.

III. Zur Kritik am Konzept hoheitlicher Publizitätspflichten 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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fachte Modelle hin, aus denen voreilig Schlüsse gezogen werden, weil gewöhnliche und häufig auftretende Umstände zu Grunde gelegt werden, die das Gesamtbild aller Umstände aber nicht abzubilden in der Lage sind. Informationen, die aufgrund der Komplexität nicht in das Modell einbezogen und verarbeitet werden können, werden ausgeblendet (Szenariodenken).392 Das äußere Umfeld und die Darbietung der Information spielen dabei eine erhebliche Rolle (framing). Der Nutzer wird zudem den kognitiven Aufwand einer Transformation vermeiden und die Information im angebotenen Format (unter Einsparung von Informationsverarbeitungskosten) nutzen (concreteness principle). Dabei lässt sich feststellen, dass die Adressaten eher geneigt sind, ihre Entscheidungsstrategie393 an die vorhandenen Informationen anzupassen, als die Informationen in das erforderliche Format zu transformieren.394 Einfacher verständliche Informationen, und zwar auch nur anschaulicher dargestellte, werden dabei gegenüber komplizierteren Formaten eindeutig bevorzugt.395 Allerdings werden auch die komplizierten Faktoren in die Entscheidung einbezogen, wenn sie nur vergleichbar mit den anderen dargeboten werden.396 In besonderem Maße werden neue und sich häufig wiederholende Informationen im Vergleich zu solchen überbewertet, die bekannt, bereits verdrängt, oder weil man sie nur einmal gehört hat, vernachlässigt werden (availability bias).397 Dabei werden Wahrscheinlichkeiten systematisch falsch eingeschätzt, indem Risiken mit geringer Wahrscheinlichkeit überbewertet und Risiken mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit unterschätzt werden. Die Verankerungsheuristik (anchoring) hat festgestellt, dass Anleger dazu tendieren sich einen Fixpunkt zur Orientierung zu suchen und sich von diesem Wert dann erheblich bei der Kauf- oder Verkaufsentscheidung leiten lassen. Empirisch nachgewiesen ist der Einfluss des Einstiegskurses als „Ankerwert“, aber auch externer und völlig zusammenhangloser Werte, von denen sich die Anleger leiten lassen.398 Verstärkt wird diese Anomalie durch unterschiedliches Risikoverhalten bei drohenden Verlusten oder möglichen Gewinnen. So sind Anleger viel eher bereit dazu hohe Risiken einzugehen, um Verluste zu vermeiden, als um Gewinne zu erzielen.399 Einen Börsengewinn werden sie somit eher unter Aufgabe weiterer Gewinnmöglichkeiten realisieren (Risikoaversion), wohingegen bei Verlusten dazu tendiert wird, unter dem Risiko

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Dawes, Rational Choice, S. 99. Darstellung verschiedener Entscheidungsstrategien und Möglichkeiten zu deren Optimierung bei Paredes, 81 Wash. U.L.Q. 417, 439 (2003). 394 Slovic, 12 Oregon Res. Inst. Chron. 10 (1972). 395 Tversky/Kahnemann, 211 Science 453 ff. (1981). 396 So die Evaluierbarkeitshypothese bei Hsee, 67 Organ. Beh. & Human Decision Process 247, 249 (1996). 397 Tversky/Kahnemann, 185 Science 1124; Tversky/Kahnemann/Slovic, Judgment and Uncertainty. 398 Anschauliche Beispiele bei James Montier in der Reihe „Behavioral finance“ der FAZ vom 10. 12. 2008. 399 Tversky/Kahnemann, 46 Econometrica, 263 ff. (1979). 393

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weiterer Verluste auf Erholung der Kurse zu hoffen (Risikofreude/reflection effect).400 Schließlich werden regelmäßig solche Aktien, die sich im eigenen Portfolio befinden, gegenüber solchen überbewertet, die erworben werden sollen (endowment effect).401 Die Entscheidung ist dann nicht mehr an rein zukünftigen Kosten orientiert, sondern durch die Entscheidungen der Vergangenheit vorbelastet. Besonders starke Einflüsse werden den unbegründeten Ratschlägen Dritter, aufkommenden Modeerscheinungen und dem Verhalten anderer zugeschrieben. Besonders das „Herdenverhalten“ (herding) – oft Ratschlägen von Analysten folgend, die demselben Herdenverhalten unterliegen –402 führt leicht zu einer übermäßigen Marktreaktion, die sich auf Grundlage der „efficient market hypothesis“ nicht begründen ließe.403 Diese irrationalen Verhaltensmuster von Gruppen ließen sich zur Erklärung der oben festgestellten übermäßigen Volatilität heranziehen. Die Überbewertung eigener Fähigkeiten führt zu einer nicht erklärbar starken oder auch schwachen Reaktion des Marktes auf veröffentlichte Informationen.404 Die Systematisierung der genannten Phänomene ist für die Untersuchung von so besonderer Bedeutung, weil hier nicht von Irrationalitäten Einzelner auszugehen ist, von denen der Markt als Ganzes nicht berührt wird.405 Vielmehr führen systemimmanente Schwächen406 zu einer Verfälschung des Preises in großem Maße. (2) Noise trading durch rationale Spezialisten Das „noise trading“ lässt sich nicht nur auf das Verhalten von irrationalen Individuen, sondern ebenso auf professionelle Investoren zurückführen. Institutionelle Anleger scheinen sogar die treibende Kraft der Fehlinterpretationen, und damit auch der Fehler bei der Preisbildung zu sein.407 Nach dieser Erklärung führt die Möglichkeit eines Arbitragegewinns professioneller Investoren nicht automatisch zu deren Kaufentscheidung. Vielmehr unterliegen auch professionelle Marktteilnehmer den erläuterten Fehleinschätzungen und Wahrnehmungsdefiziten. Zudem ist, auch bei Wissensvorsprüngen, auf die Gefahr eines Handelns gegen den Markt hinzuweisen. Denn selbst wenn eine korrekte, vom Marktpreis abweichende Einschätzung getroffen werden kann, steht keinesfalls fest, dass der Markt sich dem „richtigen“ Preis anpassen wird. Vielmehr könnte eine Anpassung des Marktpreises lange Zeit unterblei-

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Tversky/Kahnemann, 106 Q. J. Econ. 1039 (1991). Beispiele aus Hirshleifer, 56 J. Fin. 1533 (2001). 402 Analysten sind oftmals überoptimistisch, nicht gewillt Fehlprognosen zu korrigieren, und können demselben „Herdenverhalten“ unterliegen wie Privatanleger, Fleischer, in: FS Immenga, S. 575, 577. 403 Shiller, Market Volatility, S. 379 – 400. 404 Lev/deVilliers, 47 Stan. L. Rev. 7, 12 – 22 (1994). 405 So aber noch Ulen, in: Grundmann (Hrsg.), Party Autonomy, S. 106, Fn. 15 m.w.N. 406 Thaler, Quasi Rational Economics (Systematische und gleichförmige Abweichungen von der eigentlich rationalen Entscheidung haben massive Auswirkungen auf den Börsenkurs). 407 Gilson/Kraakman, 28 J. Corp. L. 715, 739 (2002 – 2003). 401

III. Zur Kritik am Konzept hoheitlicher Publizitätspflichten 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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ben oder auch gar nicht erfolgen.408 Damit besteht aber ein rationaler Anreiz, den Fundamentalwert zu vernachlässigen und sich an dem durch Angebot und Nachfrage gebildeten spekulativen Preis zu orientieren. Ist der Einfluss von Spekulanten zu groß, können Arbitrageure nur noch (v. a. kurzfristige) Kursgewinne erzielen, indem sie „mit dem Strom schwimmen“.409 Sie kaufen folglich diejenigen Papiere, denen die noise trader positiv gegenüberstehen.410 Dadurch verstärken sich Spekulationsblasen und eine effiziente Preisbildung kann411 ausbleiben. Außerdem unterliegen professionelle Anleger oftmals regulatorischen Begrenzungen, wie der Pflicht einer Diversifikation nach der sog. Portfolio-Theorie, deren Auswirkungen im Übrigen aber umstritten sind.412 Das Ausschöpfen jeglichen Arbitragegewinns könnte schließlich auch aufgrund von Interessendivergenzen (Stichwort: agency) und mangelnder Anreizwirkungen wegen zu hoher Grenzkosten unterbleiben.413 (3) Folgerungen für den Fortgang der Untersuchung An dieser Stelle bleibt festzuhalten, dass die Erkenntnisse der behavioral finance die Debatte um die Markteffizienz erheblich beeinflusst haben. Unterschiedliche Wahrnehmungen und Einschätzungen können zu Ineffizienzen der Preisbildung führen, wenn nach dem „richtigen“ Preis im Sinne einer tatsächlichen Bewertung des Unternehmens gesucht wird. Preisbildung am Markt orientiert sich oft nicht an einem „Fundamentalwert“, sondern ist eine kollektive Einschätzung zukünftiger Entwicklungen, die auch bei einem hohen Maß an Transparenz euphorische Anlagestimmungen verstärken und somit gesamtwirtschaftlich zu einem erheblichen Abweichen von Marktpreis und Fundamentalwert eines Unternehmens führen kann.

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Ebd. Vgl. Bak/Bigus, ZBB 06, 430, 436 mit umfassenden Nachweisen. 410 Folglich wird keine eigene Einschätzung vorgenommen, sondern es wird gefragt, zu welchem Ergebnis die allgemeine Meinung am Markt kommen wird; aus spieltheoretischer Sicht Keynes, General Theory, 158 („baby faces“: Gewinne erzielen kann nur, wer das Handeln der anderen richtig antizipiert und einkalkuliert). 411 Anderer Auffassung mit umfassender Begründung Romano, 107 Yale L. J. 2359 ff. 412 Die Portfolio-Theorie besagt, dass allein eine Diversifizierung des Portfolios zur Maximierung des Gewinnes führt, auch wenn bekannt werdende Informationen überhaupt nicht in das Handeln im Sinne einer rationalen Entscheidung eingehen. Selbst wenn die Diversifizierung des Portfolios das informationelle Bedürfnis der Anleger senken kann, so kann die Theorie doch Publizitätspflichten nicht komplett ersetzen, weil das Risiko des Marktversagens oder einer generell negativen Marktentwicklung nicht zu diversifizieren ist. (Außer durch eine denkbare Diversifizierung auf verschiedene Märkte unter Inkaufnahme des Marktversagens des betreffenden Segments.) Außerdem bietet die Portfoliodiversifizierung keine Lösungen gegen Probleme wie überhöhte Managergehälter, exzessive Courtagen von Intermediären wie Emissionskonsortien, oder Betrug; ausführlich Sharpe, Portfolio Theory; speziell zum sog. Capital Asset Pricing Model Brealey/Myers, Principles, S. 186. 413 Shleifer/Summers, 4 J. Econ. Persp. 19, 23 (1990). 409

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B. Publizitätspflichten aus ökonomischer Sicht und die Rolle des Rechts

Trotz einer Vielzahl von Erklärungsmodellen lassen sich die strukturellen Kräfte und Irrationalitäten, die zu einer Verfälschung des Preises und dem noise trading führen, kaum erklären oder auch nur identifizieren.414 Die Phänomene sind situationsabhängig und selten verallgemeinerungsfähig,415 und bieten folglich keine Lösungsalternativen gegenüber dem rationalen Modell, an dem daher, wenn auch in relativierter Form, festzuhalten ist.416 Hierbei ist wichtig, die Einsichten der Behavioral Law and Economics bei einer Untersuchung von Markteffizienz stets modifizierend zu berücksichtigen und in das rationale Modell einzubeziehen, verweisen sie doch auf ein grundlegendes Problem des Kapitalmarktrechts schlechthin: die Frage nach dem Bedürfnis eines unterstützenden paternalistischen Eingreifens durch den Staat. Als anschauliches Beispiel aus den Anfängen einer Kapitalmarktregulierung lässt sich hier die Gesetzgebung des Bubble Act von 1720 anführen. Diese wurde nötig, nachdem „undertakings of great importance, but nobody to know what it is“ einen nicht rational begründbaren Kaufrausch ausgelöst hatten, was später zum Marktzusammenbruch und dem Verlust vieler Spareinlagen und somit auch dem Anlegervertrauen führte.417 Es erscheint jedoch nicht möglich, den hier aufgezeigten Irrationalitäten mit rationalen Gegenstrategien oder Institutionen, die schließlich denselben Irrationalitäten unterliegen könnten,418 entgegenzuwirken. Teils wird so der Ruf nach stärkerem (materiellen) Anlegerschutz oder einer besseren Aufklärung von Anlegern laut. Unterstützt werden kann die Forderung, wenn sie, wie nunmehr zunehmend durch die SEC in Form von investor education programs vorangetrieben,419 auf die Aufklärung über die Funktionsweise und Risiken von Kapitalmärkten abzielt (town hall meetings etc.)420. Ähnliche, primär auf Aufklärung der Anleger ausgerichtete Programme werden von der deutschen Rechtswissenschaft ebenso vorgeschlagen421 wie von der Kommission, die in ihrem „Grünbuch über Finanzdienstleistungen für Privatkunden 414

Langevoort, 97 Nw. U. L. Rev. 135 (2002). Hillman, 85 Cornell L. Rev. 717 (2000). 416 A.A. freilich Simon, Models of Man; Grundmann/Kerber/Weatherhill, S. 13; die herrschende Meinung geht mit unterschiedlicher Begründung davon aus, dass im Kern an der Rationalitätshypothese festzuhalten ist, da sie entweder nicht falsifiziert werden könne (v. Hayek), oder aber als Grundannahme und Kern der Wirtschaftswissenschaften, die brauchbare Prognosen ermöglicht, im Konsens der Wissenschaftler aufrecht erhalten werde (Friedman, Machlup), Schäfer/Ott, Lehrbuch, S. 63 ff. m.w.N. 417 Dazu: Melville, The South Sea Bubble, S. 97. 418 Letztlich kann nicht gewährleistet werden, dass die staatlichen Institutionen (Richter, Behörden) nicht denselben Verhaltensanomalien unterliegen, C. Sunstein, Behavioral Law and Economics, Cambridge 2000. 419 Eine umfassende Darstellung der investor education programs der SEC findet sich bei Fanto, 49 Case W. Res.L.Rev. 105, 107, 156 – 179 (mit Forderung nach weiteren Initiativen). 420 Die town hall meetings des ehemaligen SEC-Vorsitzenden Levitt erlangten in den USA eine besonders umfassende Aufmerksamkeit, siehe Fanto, 49 Case W. Res.L.Rev. 105, 107, 156 ff. 421 Fleischer, Gutachten F, S. 30 f. 415

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im Binnenmarkt“ neben einer Verbesserung des informationellen Umfelds vor allem die Entwicklung einer „finanziellen Allgemeinbildung“ der Verbraucher vorantreibt.422 Es kann mithin als zentrale Aufgabe des (europäischen) Gesetzgebers gesehen werden, auch außerhalb des wissenschaftlichen Diskurses über die Grenzen der Transparenz aufzuklären.423 Vor einer übereilten Einbeziehung der verhaltensökonomischen Erkenntnisse in den materiellrechtlichen Regulierungsrahmen ist hingegen zu warnen.424 Die Erkenntnisse sind noch so unsicher, dass ein Eingreifen des Gesetzgebers die Gefahr eines übermäßigen Paternalismus bei erheblicher Unsicherheit über die tatsächlichen Auswirkungen der Regulierung mit sich bringen würde. Ein vermittelnder Ansatz schlägt daher vor, die Erkenntnisse der Behavioral Finance erst ex post auf Rechtsprechungsebene, aber noch nicht bei der Gesetzgebung anzuwenden.425 Diese Verschiebung der eigentlichen Problematik auf die ex post – Ebene verkennt die Bedeutung eines funktionierenden und vorab determinierten Regelungsrahmens für den Vertrauensschutz. Der Vorschlag verdeutlicht aber, wie behutsam der Gesetzgeber bei der Integration vorgehen muss, und wie begrenzt die konkreten Rückschlüsse sind, die aus der neueren Forschung gezogen werden können. Radikaler sind die Rückschlüsse und Konsequenzen, die in den USA gefordert werden. Teilweise wird hier vorgeschlagen, dass der Einzelanleger generell davon abgehalten werden sollte, am Geschehen der Kapitalmärkte beteiligt zu sein.426 Ein neuerer Ansatz will Investoren einem staatlichen Test unterziehen, ob sie die Fähigkeiten aufweisen, am Kapitalmarkt aktiv sein zu dürfen427 – ein Ansatz der zum einen an den Kosten scheitert, darüber hinaus aber auch als übermäßiger Paternalismus massiv in die Privatautonomie eingreifen und der sozialpolitisch wünschenswerten Beteiligung breiter Bevölkerungsschichten am Produktivvermögen entgegenwirken würde.428 Noch deutlicher wird der Konflikt, wenn beispielsweise auf eine Studie hin, dass Männer bei der Geldanlage eher risikobereit sind, eine geschlechterspezifische Unterscheidung des Regelungsrahmens diskutiert wird.429 Gerade das Beispiel der Betrugsfälle während der „South Sea Bubble“430 verdeutlicht aber folgenden Unterschied: Kapitalmarktregulierung soll und kann nicht verhindern, dass Anleger irrational handeln 422 Kommission, Grünbuch Finanzdienstleistungen für Privatkunden, KOM(2007), 226 endg., sub. 4.3., (38), (39). 423 So auch Wüstemann/Bischof/Koch, in: Hopt (Hrsg.), Kapitalmarktgesetzgebung, S. 1, 18, Ziff. 10. 424 Fleischer, FS Immenga, S. 575, 586 (Allenfalls behutsame Integration empirisch erhärteter Verhaltensmuster). 425 Van Aaken, Rational Choice, S. 108. 426 Hu, 78 Tex. L. Rev. 777 (2000). 427 Choi, 88 Cal. L. Rev. 279 (2000); zur Marktbezogenheit dieses Ansatzes, aber im Ergebnis auch ablehnend Prentice, 51 Duke L. J. 1397 (2002). 428 Vgl. dazu abermals die Ziele des Kapitalmarktrechts, oben, A.III.5.a). 429 Ulen, in: Grundmann (Hrsg.), Party Autonomy, S. 106 m.w.N., im Ergebnis eine Ungleichbehandlung freilich ablehnend, womit die männlichen Teilnehmer aber dem höheren Risiko ausgesetzt bleiben. 430 Dazu Melville, The South Sea Bubble, S. 97 ff.

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oder spekulative und risikoreiche Geschäfte abschließen. Es kann aber dafür Sorge tragen, dass genügend verlässliche Informationen zur Verfügung stehen, so dass die Anleger nicht Opfer betrügerischer Machenschaften werden. Dermaßen verstandener Anlegerschutz durch Publizität ist der Kern des Gladstoneschen Gedankens, der in der New Deal-Gesetzgebung Roosevelts übernommen wurde.431 Das Kapitalmarktrecht kann zudem, und muss es in noch viel stärkerem Maße als bisher, Anleger vorab immer wieder über die Funktionsweise und Risiken von Kapitalmärkten aufklären. Möglich ist dies über die Aufsichtsbehörden (England),432 erfolgt in Deutschland aber hauptsächlich, wenn auch nur in begrenztem Umfang, über die Wertpapierdienstleistungsunternehmen.433 Will man die Beschränkungen paternalistischer Bevormundung vermeiden, so bleibt nur, die Grenzen der Publizität zu betonen, und die noch in den Anfängen befindlichen Erkenntnisse der Behavioral Law and Economics behutsam in den Regelungsrahmen einzubeziehen: Das Wissen um eine Information am Markt vermag nicht, irrationales Handeln zu verhindern. Die sozialpolitisch und verfassungsrechtlich noch weiter zu begründende Konsequenz daraus wäre, so der Grundgedanke der Publizität, dass dem verständigen Anleger die Freiheit gelassen wird, einen Narren aus sich zu machen.434 Er hat dabei in Kenntnis der Risiken aber auch die Möglichkeit, seine Privatautonomie im eigenen Interesse wohlüberlegt und vernünftig ausüben zu können. Der Gesetzgeber verhindert durch Gewährleistung einer gewissen Mindestinformation im Rahmen der Pflichtpublizität lediglich, dass andere einen Narren aus ihm machen.435 Dies lässt dem Markt die Freiheit, Verhaltensanomalien zu entwickeln, die noch nicht erklärt werden können, gegebenenfalls aber durchaus – wenn auch nicht auf den ersten Blick – rationalen Gründen folgen. So erklärt Keynes das oben erwähnte Herdenverhalten (herding) von Finanzanalysten schon 1936 nicht als Ausdruck begrenzter Rationalität, sondern als bewusst strategisch motiviert: „Wordly wisdom teaches that it is better for reputation to fail conventionally than to succeed unconventionally.“436. Ähnlich können saisonale Effekte, etwa aus steuerrechtlichen437 oder portfolio-balancing-Gründen,438 rational erklärt werden. 431

Seligman, 9 J.Corp.L. 1, Fn. 185 (1983) zitiert Gladstone: „Publicity is all that necessary. Show up the roguery and it is harmless“. Die Gladstoneschen Reformen gelten als Vorbilder der New Deal-Gesetzgebung. 432 Sec. 4 des britischen Financial Services and Markets Act überträgt den Aufsichtsbehörden die Aufgabe der Aufklärung des breiten Anlegerpublikums um das Wissen über die Funktionsweise und Risiken der Märkte. 433 Vgl. §§ 31 ff. WpHG; zu Defiziten, wenn der Einzelne die Information nicht versteht, unten, B.IV.3.b)aa). 434 Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation, S. 32; vgl. Caspari, in: Grundmann (Hrsg.), S. 7, 9, Fn. 16. 435 Ebd.; Formulierung angelehnt an Canadian Royal Commission, Report on Price ACHTUNGRESpreads, Quebec 1935. 436 Keynes, General Theory, S. 158. 437 Thaler, 1 J. Econ. Persp. 197 (1987) erklärt den Januareffekt (turn-of-the-year effect) mit einer Abschreibungsmöglichkeit von Kursverlusten im US-Einkommensteuerrecht. Danach

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Die eigentliche Schwierigkeit für den Gesetzgeber besteht nun in der Abwägung, wie viel Freiheit dem Markt zu belassen ist und in welchen Bereichen der Schutz durch Publizität nicht ausreicht, um einen hinreichenden Vertrauensschutz der Anleger zu gewährleisten. Es zeichnet sich jedoch schon hier ab, dass eine pauschale Antwort auf diese Frage nicht zu formulieren ist, und dass es erheblich von der konkreten Regelungssituation im Einzelfall abhängt, ob das Mittel der Offenlegung ausreichend und zu empfehlen ist. Es wurde jedoch deutlich, dass die Abweichungen von einem informationseffizienten Preis so gering oder schwer zu prognostizieren sind, dass ein lukratives Ausnutzen einer einmal offengelegten Information nicht möglich ist. Eine Übervorteilung einzelner Anleger erscheint folglich hinsichtlich vom Offenlegungsregime erfasster Informationen auch hier ausgeschlossen. Schwieriger erscheint es, das Auftreten kurzfristiger Spekulationsblasen und deren „Platzen“ (mit den verbundenen Vertrauensverlusten) zu verhindern. Auch hier scheinen allgemein verständliche, „harte“ Zahlen mit möglichst geringem Manipulationspotential am besten zu gewährleisten, dass Fehlbewertungen möglichst gering ausfallen und zeitweilig euphorische Anlagestimmungen auf eine rationale Entscheidungsgrundlage zurückgeführt werden. Über die langfristige Marktentwicklung hinausgehende Gewinne sind spekulativ und risikobehaftet. Der Gesetzgeber kann aber eine faire Entscheidungsgrundlage gewährleisten, ohne die Erwartungsbildung oder das zulässige Maß spekulativer Gewinne zu beeinflussen. e) Die neue Rechtfertigungsebene: Betonung der Governance-Funktionen und Abkehr von der kapitalmarktrechtlichen investor protection Es ist bereits mehrfach eingeflossen, dass sich die Frage nach der Notwendigkeit hoheitlicher Eingriffe in die Marktmechanismen in die größere Debatte um Unternehmensfinanzierung (corporate finance) und Unternehmensführung (corporate governance) einfügt.439 Auffällig in der neueren US-amerikanischen Literatur ist jedoch eine deutlich zunehmende Betonung des Corporate Governance-Gedankens, dem sich auch die europäische Debatte nicht mehr verschließen kann.440 Dies ist darauf zurückzuführen, dass mit dem Sarbanes Oxley Act 2002 das (Bundes-)Kapitalmarkt-

müssen Verluste am Jahresende realisiert werden. Anschließend werden die Papiere (im Januar) zurückgekauft. Fraglich bleibt, ob der Januareffekt in anderen Ländern, wo diese Möglichkeit nicht besteht, auf Einflüsse (Direktinvestitionen) von US-Investoren oder die internationale Verflechtung der Finanzmärkte generell zurückzuführen ist. 438 Die portfolio-rebalancing-Hypothese vermutet, dass Fondsmanager zum Jahresende negativ bewertete Aktien aus ihrem Portfolio verkaufen, um den Rechenschaftsbericht zu schönen. Danach werden die Papiere (im Januar) wieder gekauft; empirischer Nachweis bei Porter/Powell/Weaver, 5 Rev. Fin. Econ. 19 ff. (1996). 439 Hellwig, in: Hopt (Hrsg.), S. 379, 380. 440 Hopt, in: Grundmann (Hrsg.), Party Autonomy, S. 246, 260; Hellgardt, in: FS Hopt, S. 397, 408 m.w.N.

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recht erstmalig in wichtige Bereiche der corporate governance vorgedrungen ist,441 wenn auch nach hier vertretener Auffassung mit der klaren Zielsetzung des Anlegerschutzes. Im Wesentlichen wurden bislang drei sog. „governance functions of disclosure“442 herausgearbeitet, welche heute – neben der Preisbildungsfunktion – als eigenständige Rechtfertigung hoheitlich auferlegter Publizitätspflichten angeführt werden.443 Dieser kommen danach eine Durchsetzungs-, eine Informations- sowie eine Steuerungsfunktion zu.444 Die Durchsetzungsfunktion (enforcement function) erlangt ihre Bedeutung durch verschiedene agency-Probleme. Offenlegung wird hier genutzt, um Verhaltenspflichten wie fiduciary duties, Insiderhandelsverbote oder Minderheitenrechte445 durchzusetzen. Die Information ist dabei gewissermaßen Grundvoraussetzung für eine aktive Verhaltenskontrolle und die Wahrnehmung von Aktionärsrechten, welche vor allem durch institutionelle Investoren erfolgen.446 Erst wenn einer Verhaltenspflicht Kursrelevanz zukommt, was aber keineswegs zwingend ist,447 erfolgt zusätzlich eine Kontrolle durch den Kapitalmarkt.448 Bei der Informationsfunktion (educating/encouraging function) steht die Versorgung von Kapitalmarkt und Gesellschaftern mit solchen Informationen im Mittelpunkt, welche diese als Grundlage für ihre informierte Entscheidung benötigen.449 Eine aktive Aktionärsdemokratie wird erst dadurch ermöglicht, dass alle entscheidungserheblichen Umstände bekannt sind. Gerade umfassende Information kann allerdings dazu führen, dass eine aktive Beteiligung an den Entscheidungsprozessen nicht mehr für nötig befunden wird,450 so dass das Argument einer Förderung aktiver Wahrnehmung von Aktionärsrechten ambivalent bewertet wird. Im Rahmen der Steuerungsfunktion (legislative function) kann Pflichtpublizität schließlich verhaltenssteuernden Druck auf Unternehmen ausüben.451 Dabei wird die Gefahr eines Reputations- und damit verbundenen Kursverlustes gezielt genutzt, um Verhaltensstandards durchzusetzen, welche über das gesetzlich festgelegte Maß 441 Cox/Hillman/Langevoort, S. 10 m.w.N. zur historischen Entwicklung der securities laws bis zu SOX 2002. 442 Kraakman, in: Ferrarini/Hopt/Winter/Wymeersch (Hrsg.), S. 95, 97 ff.; insb. auch Fox, Required Disclosure. 443 Hopt, in: Grundmann u. a. (Hrsg.), Party Autonomy, S. 246, 260. 444 Enforcement, eduative and legislative function. Deutsche Begriffe nach Merkt, Informationsmodell, S. 24, 50. 445 Weitere Beispiele bei Kraakman, in: Ferrarini/Hopt/Winter/Wymeersch (Hrsg.), S. 95, 97 f. 446 Fox, 109 Col. L. Rev. 237, 256. 447 Merkt, Informationsmodell, S. 24, 50 (Regelverstöße, die keinen Einfluss auf den Kurs haben, wirken aufgrund ihrer „Prangerwirkung“ dennoch verhaltenssteuernd). 448 Fox, 109 Col. L. Rev. 237, 260. 449 Kraakman, in: Ferrarini/Hopt/Winter/Wymeersch (Hrsg.), S. 95, 98. 450 Pound, 29 J. Fin. Econ. 241. 451 Merkt, Informationsmodell, S. 24, 51; vg. Moxter, Publizitätsvorschriften, S. 98 ff.

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hinausgehen. Beispiel solcher „soft norms“ sind Corporate Governance Kodizes. Die Pflicht zur Bekanntgabe, in welchem Ausmaß diese befolgt werden, sei ein „powerful regulatory tool in company law“.452 Aus dieser Funktionsvielfalt ist zunächst zu schließen, dass Pflichtpublizität auch dann ihre Berechtigung haben kann, wenn die event studies eine Kursrelevanz nicht feststellen können. Auch nicht kurserhebliche Informationen sind in ihren Auswirkungen zu berücksichtigen. Der Publizität können neben der Preisbildungsfunktion weitere eigenständige Ziele zugesprochen werden, die für sich eine Offenlegungspflicht rechtfertigen.453 Dieser Begründungsstrang knüpft nicht an die Inanspruchnahme des Kapitalmarktes an, oder setzt einen solchen auch nur voraus. Vielmehr lässt sich aus der gesellschaftsrechtlichen Dimension der Corporate Governance ein öffentliches Interesse an Pflichtpublizität für alle Gesellschaften ableiten.454 Deshalb ist es wichtig, auch die Publizitätspflichten kapitalmarktferner Gesellschaften in das Gesamtkonzept einzubeziehen und dieses stufenweise auf ihre Bedürfnisse abzustimmen. Bei alledem sind aber die Grenzen von Publizitätspflichten zu beachten, insbesondere wenn keine direkte Rückkopplung über den Markt erfolgt. Inwieweit Publizität eine materielle Regulierung vollständig ersetzen kann, ist an dieser Stelle noch nicht beantwortet.455 Viele der angestellten ökonomischen Erwägungen werden sich aber auf den Streit um die optimale Corporate Governance übertragen lassen.456 Auffällig an den Corporate Governance-Ansätzen ist, dass diese oftmals die Governance-Funktionen als eigenständige Säule neben die Funktionsfähigkeit der Märkte (Zugang zu Kapital bei geringen Kosten, Effizienz, Liquidität, …) stellen, dabei den Anlegerschutz – in Abkehr von der ursprünglichen Konzeption457 – aber explizit ausnehmen.458 Dieser sei vom Schutzzweck der Publizität nicht (mehr) er452

High Level Group, Report, Kap. II.3, Ziff. 33. Merkt, Informationsmodell, S. 24, 51. Zu der Frage, ob hierzu bestehende Pflichten schlicht „umfunktioniert“ werden können, oder ob vielmehr andere, neue Informationen in das Konzept integriert werden, unten, D.II.3.h). 454 Fox, 109 Col. L. Rev. 237, 268 (allerdings noch das gleiche Maß für alle Gesellschaften fordernd); Kraakman, in: Ferrarini/Hopt/Winter/Wymeersch (Hrsg.), S. 95, 102 differenziert nach der Anzahl der Aktionäre. 455 Zum Ersetzungs-/Ergänzungsansatz des Informationsmodells, unten, C.II.2.d). 456 Vgl. Spindler, AG 1998, 53. Auch bei der Debatte um die optimale Corporate Governance stehen sich in den USA zwei Schulen gegenüber, deren Argumentation auffällig parallel zu den oben angestellten Erwägungen zur Notwendigkeit von Publizitätspflichten verläuft. Während die auf Markt- und Wettbewerbskräfte vertrauende neoklassische Chicago School an einer Regulierung des Gesellschaftsrechts durch die Einzelstaaten festhalten will, wird von den Institutionalisten die Notwendigkeit einer strengeren bundesstaatlichen Regulierung betont. 457 Vgl. SEC v. Capital Gains Research Bureau Inc., 375 U.S. 180 (1983): „A common purpose to these statutes [Securities Acts] was to substitute a philosophy of full disclosure for the philosophy of caveat emptor“, vgl. Cox/Hillman/Langevoort, S. 4: „paternalism toward investors [by] disclosure regulations“. 458 Fox, 109 Col. L. Rev. 237, 239: „The more modern understanding [is] that the primary way that mandatory disclosure increases social welfare is by enhancing economic efficiency through better corporate governance and increased liquidity, not by investor protection.“ 453

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fasst, da die (US-)Märkte hinreichend effizient seien, bereits ein für Einzelanleger mehr als ausreichendes Maß an Informationen bereitstellen würden und diese sich ohnehin nur durch ein diversifiziertes Portfolio oder entsprechende auf sie abgestimmte Produkte schützen könnten.459 Deutlich wird für die rechtliche Perspektive, welche hier anhand der dualistischen Zielkonzeption des Kapitalmarktrechts herausgearbeitet wurde, dass die Zielrichtungen der verschiedenen Ansätze durchaus ambivalent sind. Daher ist in jedem konkreten Fall erneut zu hinterfragen, inwieweit alle angestrebten Schutzzwecke wirklich umfassend erreicht werden und ob sich unter unterschiedlichen Zielsetzungen verwendete Offenlegungspflichten nicht gegenseitig beeinträchtigen. Eine klare Trennung der einzelnen Funktionen ist dabei nicht möglich. Deutlich wird aber auch, dass ab einem bestimmten Maß an Information und Effizienz zusätzliche Offenlegung nicht zwingend im herkömmlichen Sinne460 anlegerschützend wirken muss, und dennoch gerechtfertigt sein kann. Diesen Abstimmungsschwierigkeiten soll im Folgenden weiter nachgegangen werden. Zumindest für die europäischen Märkte wird aber davon auszugehen sein, dass sie (noch) nicht hinreichend effizient sind, um sämtliche Risiken (für den Einzelnen, aber auch für den Handel mit Aktien generell) zu beseitigen.461 Folge ist, dass in denjenigen Fällen, in welchen eine durch Transparenz gezielt bewirkte Verhaltenssteuerung des Managements materielle (gläubiger- oder minderheitenschützende) Regelungen ersetzen soll, in einem zweiten Schritt zu fragen ist, ob durch den mittelbaren Druck des Marktes wirklich alle Interessen hinreichend geschützt werden. Anders gewendet: Diente Publizität zunächst dem Ausgleich von Informationsasymmetrien, um eine informierte Entscheidung zu ermöglichen, wird hier auf die disziplinierende Wirkung der bloßen Existenz einer Information vertraut, ohne dass Entscheidungsrechte oder Reaktionsmöglichkeiten eines Adressaten bestehen.462 Damit ist fraglich, ob auch diejenigen Adressaten (z. B. Arbeitnehmer, langfristig gebundene Gläubiger) hinreichend geschützt sind, die nicht unmittelbar463 (wie Anlegeraktionäre durch Exit) auf Publizität reagieren können. Die Betonung des Governance-Gedankens von Offenlegungspflichten hat zur Folge, dass der Normzweck der Kontrolle des Unternehmens ganz in den Mittelpunkt der Betrachtung von Publizitätspflichten rückt. Besonders deutlich wird dies bei der Jahresabschlusspublizität nach § 325 HGB, welche die Unterlagen neben der Prüfung durch die Gesellschafter und deren Organe sowie durch den Abschlussprüfer auch der

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Fox, 109 Col. L. Rev. 237, 253 f.; a.A. (überzeugend) Bebchuk, 93 Va. L. Rev. 675, 722. Freilich wird der Anleger indirekt durch eine verbesserte Corporate Governance geschützt. 461 Vgl. Kübler, in: FS Zöllner, S. 321, 326 (v. a. noch Gefahr des Vertrauensverlustes in Marktfunktionstätigkeit). 462 Zur Entscheidungsfreiheit als „Zweite Säule“ im Informationsmodell, Grundmann, in: FS Lutter, S. 61, 80. 463 Unmittelbare Reaktionsmöglichkeiten bestehen aber ggf. auf anderen Märkten, etwa dem Warenmarkt. 460

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Allgemeinheit zugänglich macht.464 Jedem Interessierten465 wird damit die Möglichkeit gegeben, sich nach einheitlichen Kriterien über die Lage und Entwicklung der Gesellschaft zu informieren. Dies übt erheblichen Druck auf die Unternehmensführung und deren Entscheidungen aus und fördert damit die Seriosität sowie eine Selbstkontrolle der Gesellschaften.466 Daneben tritt der Kontrollmechanismus des Kapitalmarktes für große börsennotierte Kapitalgesellschaften. Letzterer stellt folglich nur eine der Dimensionen einer Regulierung mittels Publizitätsnormen dar. Der Grundsatz der Publizität hat neben dem Markt als Ganzem auch zentral die Verhaltenssteuerung der Publizitätspflichtigen selbst im Blick. Gerade deshalb ist es von so großer Bedeutung, sie nicht nur als kapitalmarktrechtliches Institut zu verstehen, welches zwingend Marktreaktionen der Adressaten (Anleger) voraussetzt. Auch kleine, kapitalmarktferne Unternehmen sind in die konzeptionelle Betrachtung einzubeziehen, da auch ihr Verhalten gesteuert wird. Schlägt aber somit der Governance-Gedanke der Publizität die Brücke von einer marktorientierten Regelung in den unternehmensinternen Bereich eines interessenpluralen Gesellschaftsrechts, so werden sich Grenzen zeigen, ob dieser mittelbare Druck zwingenden Schutz umfassend ersetzen kann. f) Abkehr vom Effizienzgedanken Wenn im Folgenden hinterfragt wird, inwieweit Informationspflichten inhaltlich bindende, gesellschaftsrechtliche Reglungen ersetzen können (Informationsmodell), so ist modifizierend zu den bislang dargestellten Ergebnissen zu beachten, dass auch die Verarbeitungsmechanismen je nach Art der Information erheblich variieren können. Ein hohes Maß an Informationseffizienz ist Grundvoraussetzung für die zeitgerechte Verarbeitung von Ad hoc-Meldungen, kann jedoch bei gesellschaftsrechtlichen Regelungen, wie etwa der Bewertung einer Satzung durch den Kapitalmarkt, von untergeordneter Bedeutung sein. So weist Macey darauf hin, dass zwingender Anlegerschutz ökonomisch nicht allein damit gerechtfertigt werden kann, dass der Kapitalmarkt mangels Effizienz nicht in der Lage ist, Informationsrisiken zu beseitigen. Vielmehr sei nachweisbar, dass sogar ein ineffizienter Markt in der Lage sei, Abweichungen in Satzungsbestimmungen mit Kursabschlägen zu bestrafen, da die Satzungen an zentraler Stelle öffentlich zugänglich, leicht beschaffbar und interpretierbar seinen.467 Der eigentliche Unterschied liegt jedoch darin begründet, dass Satzungsvorschriften (im Gegensatz zur laufenden Publizität) dauerhaft unveränderte, feste Rechtsfakten darstellen.468 Die Verarbeitung einer Insiderinformation im Preis erfordert schlicht eine viel stärkere Effizienz als die Auswertung vorab erwarteter regelmäßiger Geschäftsergebnisse. Noch einfacher erscheint schließlich die Be464

Hierzu Fehrenbacher, Mü-Ko, § 325 HGB, Rn. 4. Damit zählt die Allgemeinheit noch nicht zwingend zu den Adressaten der Publizität, vgl. unten, B.IV.3.b)bb). 466 Fehrenbacher, Mü-Ko, § 325 HGB, Rn. 4. 467 Vgl. Macey, 18 J. Corp. L. 185 ff. (1993). 468 Vgl. Bak/Bigus, ZBB 2006, 430, 440 m.w.N. 465

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B. Publizitätspflichten aus ökonomischer Sicht und die Rolle des Rechts

wertung fester gesellschaftsrechtlicher Strukturen und Rahmenbedingungen, vor allem weil diese ohnehin in der Regel mit einem hohen Maß an Formalität und Publizität verbunden sind. Selbst wenn die vollständige informationelle Effizienz eines Marktsegmentes somit verneint wird, heißt dies nicht, dass der Markt nicht in der Lage ist, ein Informationsrisiko bezüglich dauerhafter und fester Fakten zu bewerten.469 Grundlegende gesellschaftsrechtliche Entscheidungen erscheinen vielmehr sogar eher mittels Marktmechanismen bewertbar zu sein, als aktuelle Veränderungen des unternehmerischen Umfelds. g) Die Auswirkungen der Finanzkrise Die Einflüsse der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen auf das Publizitätsverhalten sind bislang unzureichend berücksichtigt worden. Dabei sind es wohl die Marktzusammenbrüche selbst, die das Bedürfnis hoheitlich zwingender Pflichtpublizität am besten verdeutlichen.470 Die Finanzkrise 2009 hat zudem in erschreckendem Ausmaß gezeigt, dass auch die Ausgestaltung der Pflichtpublizität nicht abstrakt und losgelöst vom wirtschaftlichen Umfeld analysiert werden kann. Ausgangspunkt der Überlegungen ist die erneut wachsende Kritik an der Anwendung von internationalen Rechnungslegungsstandards (IFRS) in Deutschland. Deren Qualität und Aussagekraft sei mangelhaft, der informationelle Mehrwert stehe in keinem Kosten-Nutzen-Verhältnis471 und die Vergleichbarkeit sei gefährdet, da einige EU-Staaten bereits mit dem Gedanken spielten, die verpflichtende Anwendung außer Kraft zu setzen.472 Einer der Gründe ist, dass der Bewertung eines Fair Value in Krisenzeiten vielfach weniger Aussagekraft zukommt, da ein verlässlicher Zeitwert ohne funktionierenden aktiven Markt zwischen Dritten kaum zu bestimmen ist.473 Eine krisenbedingte Änderung einzelner Regelungen, wie beispielsweise die unter Aufgabe des due process eingeräumte Möglichkeit zur Umqualifizierung einzelner Finanzinstrumente nach IAS 39474 und IFRS 7,475 kann hier den Markt zwar kurzfristig beruhigen. Langfristig 469

Für eine differenzierte Betrachtung somit auch Bak/Bigus, ZBB 06, 430, 439. Nach ECMH wären Marktzusammenbrüche (17. Jh.: tulip craze in Holland; 1929; 1987: an einem Montag fallen die Kurse der NYSE ohne entsprechende Nachrichten um 20 – 25 %) nicht möglich, Schröder, S. 100. 471 Vgl. Zwirner, IFRS-Bilanzierungspraxis, S. 7 f. mit umfassenden Nachweisen. 472 Zwirner, DB 09, 353 unter Verweis auf einen Artikel von Hall/Eaglesham, in: Financial Times v. 3. 11. 08. 473 Gilgenberg/Weiss, KoR 2009, 182 („Zeitwertfalle“ könnte Mitschuld an Krise haben); Zwirner, DB 2009, 353; generell kritisch zu IFRS aus Sicht mittelständischer Unternehmen Wolz/Janssen, WPg 2009, 593, 600 ff. 474 Zur geplanten Reform der Bewertung von Finanzinstrumenten auf nunmehr umfassender konzeptioneller Grundlage bis 2012, IASB, Press Release, 14. 7. 09 (exposure draft), abrufbar: www.iasb.org ! news ! press rel.; die EU hat die Umsetzung des ersten Schrittes am 13. 11. 2009 bereits vorerst ausgesetzt; http://ec.europa.eu/internal_market/accounting/ias/ ias_39_carve-out_en.htm; kritisch dazu unten, D.II.3.a)bb)(2); D.II.3.a)dd). 470

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erschweren die Wahlmöglichkeiten allerdings die Vergleichbarkeit und somit die Aussagekraft der Bilanzanalyse, womit die Gefahr eines weiteren Vertrauensverlustes seitens der Adressaten einhergeht.476 Die Finanzmarktkrise beeinflusst jedoch nicht nur die Bilanzierungsregeln, sondern auch deren Umsetzung seitens der Unternehmen. Eine neuere empirische Untersuchung der im Rahmen des Konzernlageberichts erforderlichen477 Prognoseberichterstattung der DAX 30-Konzerne in 2006 – 2008,478 kommt zu dem Ergebnis, dass deren Umfang und Präzision479 während der Weltwirtschaftskrise stark zurückgegangen sind. Ohne hier die Anforderungen an die Lageberichterstattung im Detail vorwegzunehmen, kann pauschal gesagt werden, dass dieser eine erhebliche Bedeutung für die Vermittlung zukunftsorientierter Information zukommt, welche Voraussetzung für die Vertrauensbildung und eine fundierte eigenständige Entscheidungsfindung an den Kapitalmärkten ist.480 Diese Informationen sind für private wie institutionelle Investoren auf nationaler und internationaler Ebene äußerst relevant.481 Erst 2004 (BilReG, DRS 15)482 sollten Informationsfunktion und Vergleichbarkeit483 des Jahresabschlusses erneut gestärkt werden, indem eine Pflicht zur Beurteilung und Erläuterung der voraussichtlichen Entwicklung mit ihren wesentlichen Chancen und Risiken in § 315 Abs. 1 Nr. 5 HGB aufgenommen wurde. Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass die Qualität der Prognoseberichterstattung in Deutschland seit jeher äußerst mangelhaft ist.484 Vor allem unter475 Vgl. Verordnung (EG) Nr. 1004/2008 der Kommission vom 15. 10. 2008 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1725/2003 betreffend die Übernahme bestimmter internationaler Rechnungslegungsstandards in Übereinstimmung mit der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf International Accounting Standard (IAS) 39 und International Financial Reporting Standard (IFRS) 7, ABl. EU Nr. L 275, S. 37; dazu Schildbach, DStR 2008, 2383 f.; zu den Rechnungslegungsstandards, unten, D.II.3.a)bb). 476 Anschaulich zu Auswirkungen der Rechungslegung auf die Krise, Gilgenberg/Weiss, KoR 2009, 182, 186. 477 Vgl. § 315 Abs. 1 Satz 5 HGB; zuletzt geändert durch BilReG; zur Erweiterung der (Konzern-)Lageberichterstattung (jedoch ohne Auswirkung auf den Prognosebericht) durch das BilMoG, vgl. Strieder, BB 2009, 1002 ff. 478 Ruhwedel/Sellhorn/Lerchenmüller, DB 2009, 1305 ff. 479 „Umfang“ bezeichnet dabei nicht die Textlänge, sondern die Anzahl der Kennzahlen inkl. Erläuterungen. „Präzision“ misst die Konkretheit, nicht die (ex post-)Übereinstimmung mit der tatsächlichen Entwicklung. 480 Ruhwedel/Sellhorn/Lerchenmüller, DB 2009, 1305. 481 Schmidt/Wulbrand, KoR 2007, 417. 482 Zur Verbesserung der Lageberichterstattung durch das Bilanzrechtsreformgesetz vom 4. 12. 2004, BGBl. I 2004, S. 3166 (BilReG) und DRS 15, vgl. Schmidt/Wulbrand, KoR 2007, 417. Der Deutsche Standardisierungsrat (DSR) konkretisiert im Rahmen seines Auftrags aus § 342 Abs. 1 Nr. 1 HGB die inhaltliche und formale Ausgestaltung des Konzernlageberichts durch den Deutschen Rechnungslegungsstandard (DRS) 15. 483 Zum bes. Erfordernis einheitlicher Standards bei der Prognoseberichterstattung, aber auch der notwendigen Freiheit zu unternehmensindividueller Ausgestaltung, vgl. Bechtel/ KösACHTUNGREter/Steenken, in: FS Leffson, S. 205, 208. 484 Quick/Reus, KoR 09, 18 ff.; Schmidt/Wulbrand, KoR 07, 417, 418 m.w.N. (seit 2004 kaum Verbesserung); Bechtel/Köster/Steenken, in: FS Leffson (1976), S. 205, 208.

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nehmensspezifische, quantitative/präzise und langfristige485 Prognosen werden zurückgehalten, was auf die Wettbewerbssensitivität solcher Angaben und die Angst vor einer Verfehlung von nachträglich überprüfbaren festen Zielwerten (und den damit verbundenen Druck seitens der Anleger)486 zurückgeführt wird.487 Aufgrund fehlenden Erklärungsgehalts – die zugrunde liegenden wertrelevanten Daten werden in der Regel nicht veröffentlicht – ist es daher nicht möglich, die Prognosen in die Entscheidungsfindung einzubeziehen.488 Diese Mängel sind vor dem Hintergrund, dass die Kapitalmarktrelevanz von Managementprognosen heute trotz eingeschränkter Überprüfbarkeit489 nicht mehr zu leugnen sein dürfte,490 für sich allein genommen schon erschreckend. 2008 ging aber die Qualität der Prognoseberichterstattung unter ausdrücklichem Verweis auf die Unsicherheiten an den Finanzmärkten nochmals erheblich zurück. Die Konzerne sahen sich außerstande, fundierte Voraussagen für die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung zu treffen.491 Da die Berichte einem relativ konstanten und einheitlichen Aufbau folgen,492 lässt sich das Absinken der Qualität, insbesondere das Ausbleiben quantitativer Prognosen, mit ziemlicher Sicherheit auf bewusste Entscheidungen zurückführen.493 Dies verwundert, da in der gegenwärtig schwierigen Finanzierungssituation ein erhebliches Eigeninteresse der Unternehmen bestehen müsste, den Markt schnell und umfassend mit verlässlichen Informationen zu versorgen und so das Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit zu stärken.494 Es entspricht jedoch institutionen-ökonomischen Analysen, die den Anreiz belegen, in 485

Schon 1976 wird ein Vorhersagezeitraum von mind. zwei Jahren für erforderlich gehalten, ebd., S. 209. 486 Bei einer empirischen Befragung zur Art und Weise der Finanzkommunikation gaben 42 % der Unternehmen an, das strittigste Thema für ihre Hauptversammlung (HV) 2009 seien nicht erreichte Prognosen. Die Verfehlung bietet damit mehr Potential für Kritik als ein negativer Ausblick auf das kommende Geschäftsjahr (33 %), das Ausbleiben einer Dividende (33 %) oder unerwartete operative Ergebnisse (25 %), aber deutlich weniger, als eine negative Entwicklung des Aktienkurses (67 %, Mehrfachnennungen möglich); Deter/Gremmler, AGReport 2009, R296. Der in der Krise zunehmende konkrete Widerstand auf Hauptversammlungen lässt sich damit als spürbarer Grund für eine gesteigerte Zurückhaltung hinsichtlich der Prognosen feststellen. 487 Ruhwedel/Sellhorn/Lerchenmüller, DB 2009, 1305, 1305 f.; Quick/Reus, KoR 2009, 18, 32. 488 Schmidt/Wulbrand, KoR 2007, 417, 418. 489 Willkürfreiheit ist aber zu gewährleisten; vgl. Wagenhofer/Ewert, Externe Unternehmensrechnung, S. 370. 490 Ruhwedel/Sellhorn/Lerchenmüller, DB 2009, 1305, Fn. 1 m.w.N.; vgl. Hirst/Koonce/ Venkataraman, 12/12/08 Acct. Horizons, 315, 317 (umfassend zur US-amerikanischen Literatur), Pechtl, zfbf 52 (2000), 141 (empirisch). 491 Im Einzelnen Ruhwedel/Sellhorn/Lerchenmüller, DB 2009, 1305 ff. m.w.N. (Unternehmen sehen von quantitativen Prognosen ab und wollen zum Teil ganz auf Prognosen verzichten). 492 Damit ist eine zumindest strukturell einheitliche und vergleichbare Darstellung möglich. 493 Ruhwedel/Sellhorn/Lerchenmüller, DB 2009, 1305, 1313. 494 Friederich/Enders, Stbg 2009, 218 warnen daher vor einem Abweichen von der sonst üblichen Praxis.

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Krisenzeiten verstärkt die tatsächliche Unternehmensentwicklung zu verschleiern.495 Schweigen kommt schließlich keine eindeutige Signalfunktion zu.496 Der Deutsche Standardisierungsrat reagierte mit einem „Hinweis zur Prognoseberichterstattung gemäß DRS 15 – Lageberichterstattung“, in welchem er einen vollständigen Verzicht auf den Prognosebericht und qualitative Trendaussagen für nicht vertretbar hält.497 Diese Entwicklung verdeutlicht, (1) dass Unternehmen die Krise gezielt nutzen, um Publizitätspflichten zu umgehen. Gesetzesverstöße werden dabei aber weitestgehend vermieden.498 Klare gesetzliche Vorgaben können hier das Publizitätsverhalten äußerst effektiv steuern. Dabei ist verstärkt darauf zu achten, gegenläufige Interessen der Unternehmen (Wettbewerbsnachteile, Folgen einer Zielverfehlung) schon bei der Ausgestaltung der Publizitätsnormen zu berücksichtigen. Bewertungswahlrechte und Ermessensspielräume bei der verbalen Ausgestaltung in Anhang und Lagebericht499 bieten den Unternehmen die Möglichkeit, im Rahmen des Rechts auf Krisen zu reagieren. (2) Im gegenwärtigen wirtschaftlichen Umfeld scheinen verlässliche Prognosen nur schwer möglich. Da zentrale Ansatz- und Bewertungsfragen der IFRS aber auf Prognosen beruhen,500 droht die Glaubwürdigkeit der Rechnungslegung und Publizität insgesamt beeinträchtigt zu werden. (3) Eine krisenbedingte Reduktion der Offenlegungspflichten birgt die Gefahr eines weiteren Vertrauensverlustes und erschwert die rationale Entscheidungsfindung am Markt. Es wird suggeriert, dass den Unternehmen auch intern eine fundierte Planung nicht möglich ist, was zudem eine Erhöhung der Risikoprämien zur Folge haben dürfte.501 Gerade in wirtschaftlich unsicheren Zeiten darf auf die staatliche Gewährleistung entscheidungs- und wertorientierter Berichterstattung nicht verzichtet werden. (4) Die Krisenanfälligkeit der Rechnungslegung verdeutlicht erneut Grenzen der Aussagekraft einzelner DaACHTUNGREten.502 Die Adressaten sind hierüber verstärkt aufzuklären, insbesondere bei Prognosen, die sich nicht in klaren Zahlenwerten festlegen lassen und die oftmals im Hinblick auf die

495 Leuz, Rechnungslegung, S. 56 ff. (Gläubigerschutz rechtfertigt Ausschüttungsbeschränkungen). Werner, zfbf 42 (1990), 1014 ff. (Lageberichte in den Jahren vor einer Geschäftsaufgabe deutlich kleinvolumiger). 496 Pechtl, zfbf 52 (2000), 141 ff., 145, 157: Schweigen ist i. d. R. als Warnsignal zu interpretieren. Oft werden Unsicherheiten oder Negativprognosen aber auch gezielt genutzt, um durch spätere Korretur Reputationsgewinne (Beweis eigener Leistungsfähigkeit in schwierigem Umfeld) zu erzielen. 497 DSR, „Hinweis zur Prognoseberichterstattung gemäß DRS 15 – Lageberichterstattung“ vom 27. 3. 2009, abrufbar unter http://www.drsc.de. 498 Quick/Reus, KoR 09, 18, 32. 499 Zu Gestaltungsmöglichkeiten (bei Wahrung der Bilanzkontinuität), Friederich/Enders, Stbg 2009, 218 ff. 500 So die Aktivierung von Entwicklungskosten, Bewertung von Forderungen, Rückstellungen, Geschäfts- und Firmenwert; vgl. Ruhwedel/Sellhorn/Lerchenmüller, DB 2009, 1305, 1313. 501 Ruhwedel/Sellhorn/Lerchenmüller, DB 2009, 1305 (Eindruck eines „planerischen Blindflugs“). 502 Zwirner, DB 2009, 353, 356.

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Unternehmenspolitik gestaltet werden.503 Dennoch stellen auch unsichere Prognosen einen wesentlichen, abstimmungsbedürftigen Bestandteil des „Gesamt-Mix“ an Informationen dar, denen bei einheitlich festgelegter formaler Gestaltung erheblicher Aussagegehalt zukommen kann. Gleichzeitig ist aber aufgrund der aufgezeigten Unsicherheiten vor einer umfassenden Substitution materiellen Schutzes ACHTUNGREallein durch Marktmechanismen504 zu warnen. 3. Zusammenfassung der Ergebnisse Der Betrachter bleibt vor einem Konglomerat an möglichen und abhängig von den begleitenden Umständen auch wahrscheinlichen Szenarien zurück. Hier sollen die wesentlichen ökonomischen Erkenntnisse für die weitere Untersuchung zusammengefasst werden, wobei das Problembewusstsein und die verschiedenen Lösungsvorschläge im weiteren Verlauf an gegebener Stelle immer wieder einfließen sollen. Wie zu sehen sein wird, lassen sich die meisten Fragen auf die grundsätzliche Überzeugung von der Funktionsfähigkeit der Märkte zurückführen. Zunächst bleibt festzuhalten, dass verschiedene Kräfte nachgewiesen sind, die einerseits die informationelle Versorgung des Marktes anregen, denen aber andererseits erhebliche Gegenwirkungen gegenüberstehen, die zu Unvollkommenheiten des informationellen Gleichgewichts führen. Über den Umfang der daraus folgenden Notwendigkeit staatlichen Eingreifens herrscht aber Uneinigkeit. Mit Sicherheit lässt sich nunmehr jedoch feststellen, dass die eingangs dargestellten Ziele kapitalmarktrechtlicher Regulierung, namentlich Funktions- und Individualschutz, auch aus ökonomischer Sicht als Notwendigkeit begründet werden können (law matters). So wies eine vielbeachtete länderübergreifende ökonometrische505 Studie von LaPorta et al. eine Korrelation zwischen der Ausprägung des staatlichen Anlegerschutzes und der Entwicklung des betreffenden Kapitalmarktes in Breite und Tiefe nach,506 die kurz darauf bestätigt und um das Element der Liquidität ergänzt wurde.507 Marktschützend und -fördernd wirken sich Publizitätspflichten somit 503 Anschaulich Bechtel/Köster/Steenken, in: FS Leffson, S. 205, 208 ff. (Aufklärung über „Schwankungsbreite“). 504 Die Überlegungen zum Informationsmodell, unten, Teil C., werden aber zeigen, dass eine Substitution vielfach möglich und erforderlich ist (und auch erfolgt). Insofern gilt es, die Grenzen der Publizität herauszuarbeiten. 505 Dabei wird versucht, die Intensität anlegerschützender Normen quantitativ anhand verschiedener Variablen zu messen, wozu eine Kodierung des Rechts erforderlich ist. Auch wenn in Einzelfällen Bedenken hinsichtlich dieser Methode geäußert werden (willkürliche Auswahl der Kriterien/Kodierungsfehler), ist heute der Untersuchungsansatz im Grundsatz anerkannt, vgl. Siems/Lele, ZHR 173 (2009), S. 119 f., 126 m.w.N. 506 LaPorta/Lopez-de-Silanes/Shleifer, 58 J.Fin.Econ. 2 (2000); LaPorta/Lopez-de-Silanes/ Shleifer/Vishny, Investor Protection: Origins, Consequesces, Reform, abrufbar unter: http:// www1.worldbank.org/finance/html/investorprotection.html. 507 Black, 48 U.C.L.A. L. Rev.781 (2001).

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durch eine Steigerung des Vertrauens der Anleger zum einen dadurch aus, dass sie der Gefahr eines informationellen Marktversagens entgegenwirken und damit im öffentlichen Interesse gerechtfertigt sind,508 zum anderen aber auch dadurch, dass sie helfen die Geschäftsabläufe effizienter zu machen und die Transaktionskosten zu ACHTUNGREsenken, und somit zu akkurateren und verlässlicheren Preisen,509 sowie zu einer Wohlstandsmehrung allgemein beitragen.510 Modelle zu Grenzkosten der Informationsbeschaffung511 haben gezeigt, dass die Kosten bei Offenlegung an zentralem Ort vernachlässigbar sind, wohingegen dezentrale Offenlegung signifikante Beschaffungs-, Verbreitungs- und Verarbeitungskosten zur Folge hat. Bei Informationsmonopolen (Insiderwissen) sind sie gar sehr oder unendlich hoch.512 Zugleich verdeutlichten die ökonometrischen Untersuchungen, dass die Entwicklung eines Kapitalmarktes entscheidend von der Qualität des Anlegerschutzes, weniger jedoch von dessen absoluter Intensität abhängt. Ziel muss folglich kein maximaler, sondern ein optimaler Aktionärsschutz sein, der auch die Interessen der anderen Stakeholder berücksichtigt.513 Die moderne Ökonomie lässt aber auch ganz konkrete Schlüsse zu, in welcher Weise ein unterstützendes staatliches Eingreifen zu erfolgen hat, und welche Vorteile dieses mit sich bringt. Zunächst ist dazu als grundlegende systematische Feststellung die von Nowotny herausgearbeitete „funktionsanalytische Betrachtungsweise“ der modernen Ökonomie festzuhalten.514 Danach hat die Information der Marktteilnehmer funktionsorientiert zu erfolgen, und zwar ausgerichtet an einem konkreten Ziel, mit dem jeweils zweckmäßigsten Mittel und interessengerecht abgestimmt auf das individuelle Informationsbedürfnis des jeweiligen Empfängers. Diese funktionale Betrachtung ist auch in der rechtswissenschaftlichen Dogmatik der Kapitalmarktpublizität vorherrschend.515 Offenlegungspflichten dienen somit dem Abbau konkreter Informationsasymmetrien;516 sie müssen eine bestimmte Entscheidung erleichtern oder diese wenigstens günstiger machen.517 508

Seligman, The Transformation of Wall Street (zum public interest approach). Gilson/Kraakman, 70 Va. L. Rev. 549, 593 (1984). 510 So auch das parallele Ergebnis zu Publizität im Verbraucherschutzrecht bei Fleischer, ZEuP 2000, 772, 778. 511 Neumann/Klein, Kredit und Kapital 1982, 165, 171. 512 Danach verhindern Publizitätspflichten in einem informationseffizienten Markt ein Marktversagen nur hinsichtlich solcher Informationen, die nicht öffentlich bekannt gemacht werden. Hinsichtlich ansonsten dezentral offengelegter Information lassen sich aber in erheblichem Maße Transaktionskosten einsparen. 513 So auch Siems/Lele, ZHR 173 (2009), 119, 140 in Begründung ihrer teils abweichenden Ergebnisse (festgestellt wird eine quantitative Zunahme anlegerschützender Normen in Europa, nicht deren Optimierung). 514 Nowotny, Rechnungslegung, S. 218. 515 Merkt, Unternehmenspublizität, S. 224 m.w.N.; die funktionale Betrachtung sieht in der Publizität ein zugleich individual- wie auch institutionenschützendes Institut (sog. dualistische Zielkonzeption). 516 Schoon v. Smith et al., 953 A.2d 196, 2008 WL 375826 (Del. Supr. 2008) verneint das Klagerecht eines directors, der nicht Aktionär ist, mit der Begründung, die umfassende Pu509

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Daraus folgt aber auch, dass ein einfaches Mehr an Information nach dem Motto: „disclosure, again disclosure, and still more disclosure“518 nicht zwingend zu einer unter Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten gerechtfertigten Verbesserung der informationellen Lage am Markt und damit zu dessen Allokationseffizienz beitragen muss. Andererseits lässt sich für die schwache bis halbstrenge Form der Markteffizienz feststellen, dass nur über einen Zwang zur Offenlegung aller öffentlich bekannten und nicht bekannten Informationen die Effizienz des Marktes aufgrund hinreichender Informationsgewährleistung sichergestellt werden kann.519 Somit rechtfertigt die systematische Unvollkommenheit der Informationslage am Markt und die daraus folgende latente Gefahr des Marktversagens ein staatliches Eingreifen.520 Durch ein solches ließen sich im Wege funktionsorientierter Informationssteuerung qualitative und quantitative Informationsstandards etablieren, die das richtige Maß an Information für den jeweiligen Marktteilnehmer gewährleisten.521 Die Regulierung hat jedoch strikt bedürfnisorientiert nach einer umfassenden Analyse des Einzelfalls zu erfolgen.522 Eine übermäßige Information ist zu vermeiden.523 Dabei haben die Abstimmung der Pflichten untereinander, die Beachtung ihrer Wechselwirkungen und die damit verbundene Suche nach der richtigen „Mischung“ an Information524 eine besondere Bedeutung. Nur Informationen, die im Zusammenhang auch sinnvoll verwendet werden können, sollten offengelegt werden. Verstärkt sind zudem die mittelbaren Auswirkungen und Schutzzwecke zu beachten, die eine zusätzliche Offenlegungspflicht oder die Abschaffung einer solchen mit sich bringt.525 Die Aufgabe dieses überindividuellen, einen marktschützenden Regelungsrahmen bildenden Informationsregimes besteht nun zunächst darin, Hindernisse natürblizität ermögliche es den Aktionären etwaige Ansprüche der Gesellschaft ebenso effektiv durchzusetzen, wie ein director, ebd., Fn. 47; vgl. zu den Informationsgrundlagen Seinfeld v. Verizon Communications, Inc., 909 A.2d 117, 121 (Del. Supr. 2006). 517 Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 187 weist zu Recht darauf hin, dass sich unter dem Gesichtspunkt der Transaktionskostenminimierung keine schrankenlose Aufklärungspflicht herleiten lässt. Vielmehr stehen hinter dieser unmittelbaren Zielsetzung meist mittelbare Schutzzwecke. 518 Loss/Seligman, Securities Regulation, S. 29: „Then, too, there is the recurrent theme throughout [the federal securities laws] of disclosure, again disclosure, and still more disclosure. Substantive regulation has ist limits. But ,the truth shall make you free.“. 519 So auch Pavlova, S. 38. 520 Assmann, Prospekthaftung, S. 287 ff. 521 Zur Notwendigkeit einer rechtlichen Absicherung der Informationsqualität Ekkenga, Anlegerschutz, S. 431 f. 522 Wein, in: Grundmann (Hrsg.), Party Autonomy, S. 80, 92. 523 Siehe gegen Loss/Seligman, S. 29 („disclosure, disclosure, and even more disclosure“) und Brandeis, S. 63 („electric light is the most efficient policeman“) vor allem Paredes, 83 Wash. U. L. Q. 417 (2003): Blinded by the light: Information Overload and its consequences for Securities Regulation. 524 Posner, 86 Va. L. Rev. 1781, 1786 (Negativauswirkungen bei Verletzung der compliance): (1) the mix of information matters; (2) the most useful information should be disclosed. 525 Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 187.

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licher marktendogener Mechanismen zu beseitigen, um für positive Transparenz im Sinne eines ungehinderten Zuganges aller Marktteilnehmer (informational parity) zu sorgen.526 Sodann hat es die Ausnutzung privilegierter Informationen zu verhindern (Insiderverbot): Wenn gewährleistet ist, dass alle Marktteilnehmer auf Grundlage von Informationen handeln, die durch Recherche zugänglich sind, werden Missbrauch verhindert und optimale Anreize gegeben, erlaubte Wissensvorsprünge aufzubauen.527 Drittens sind falsche Informationen zu verbieten und im Falle ihres Auftretens unverzüglich zu berichtigen (negative Transparenz).528 Kern dieser Wahrheitspflicht im europäischen Recht ist das Verbot der Marktmanipulation nach der Marktmissbrauchsrichtlinie.529 Schließlich sind Anreize zur zusätzlichen Veröffentlichung weiterer Informationen im Rahmen einer freiwilligen Publizität zu geben.530 Hierin wird deutlich, dass Pflichtpublizität natürliche Marktmechanismen lediglich unterstützt und fördert. Auf diesen Marktbezug ist die Funktionsbestimmung Publizität aber auch zu begrenzen.531 Als sachnotwendiges, wesensimmanentes Korrelat der Marktteilnahme ist sie gezielt auf die spezifischen Bedürfnisse der Marktteilnehmer auszurichten. Dabei sind die marktexternen Einflüsse und deren Auswirkungen jedoch nicht zu vernachlässigen.532 Es wurde deutlich, dass der Nutzer einer Information in viel stärkerem Maße als bisher im Mittelpunkt einer Untersuchung stehen sollte.533 Im Hinblick auf die Informationsadressaten nimmt die ökonomische Theorie dabei in ihrer Reinform in Kauf, dass die Überlegungen rein effizienzorientiert den Individualanleger ausblenden. Die Preisbildung erfolgt auf Ebene professioneller Marktteilnehmer, der Einfluss des Einzelnen hat eine zu vernachlässigende Größe. Privatanleger können allenfalls zum vorgegebenen Preis mithandeln, wobei ihnen eine Informationsbeschaffung und gewinnbringende Analyse nicht möglich ist. Das Kapitalmarktrecht reagiert darauf mit der Herausbildung einer funktionalen Zweiteilung des Informationsregimes: Während die Informationspflichten primär auf einen Kreis professioneller Investoren, Finanzintermediäre und Emittenten ausgerichtet sind, erfolgt die Anlageentscheidung des Individualanlegers nach diesem Konzept erst nach einer Beratung und in Abstimmung mit Intermediären.534 Das überindividuelle marktbezogene Informationskon526

Vogel, Anlegerschutz, S. 30. Hansen, 2002 U.Pa.J.Intl.Econ.L. 241, 260 (2002). 528 Reich, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung, S. 481, 496. 529 Ausführlich zum Erfordernis wahrheitsgetreuer Information und die Ziele der Marktmissbrauchsrichtlinie Vogel, Anlegerschutz, S. 74 ff. 530 Ähnlich Magat, Information Regulation, S. 308 f. 531 Merkt, Unternehmenspublizität, S. 226 f. 532 So beispielsweise die erwähnten Kosten einer Preisgabe von Informationen an Konkurrenten und die daraus resultierenden Offenlegungsbarrieren. Zu dieser Kritik Schön, 2006 J. Corp. L. Stud., S. 259 – 298 (2006). 533 Zu diesem Schluss kommt auch Paredes, 81 Wash. U.L.Q. 417, 477. 534 Ebenso Mülbert, WM 2001, 2085, 2090, 2095 m.w.N. 527

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zept wird für den Anleger so durch die Intermediation gewissermaßen individualisiert und damit erst nutzbar gemacht.535 Dadurch kommt den Verhaltensregeln für Marktintermediäre, §§ 31 ff. WpHG, eine besondere Bedeutung für die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des Marktes auch insoweit zu, als sich die Probleme informationellen Ungleichgewichts auf das zusätzlich zwischengeschaltete Verhältnis zwischen Anleger und Intermediär übertragen lassen,536 auf dieser Ebene aber andererseits auch ergänzend eigene marktunterstützende Interessen bestehen (repeat players), die eine Verbesserung des Informationsniveaus auf einem ansonsten anonymen Markt zur Folge haben können.537 Aus rechtlicher Sicht wird jedoch zu zeigen sein, dass ein Konzept, welches sich allein auf die Kontrolle und den Schutz durch professionelle Marktteilnehmer verlässt, vielfach zu kurz greift. Zunächst unterliegen diese denselben Markt- und Rationalitätsunvollkommenheiten wie die anderen Marktteilnehmer.538 Eine umfassende Informationsauswertung erscheint auch durch sie nicht gewährleistet.539 Vor allem die Überlegungen zur eingeschränkten Rationalität deuten darauf hin, dass dem Gesetzgeber bei der unterstützenden Regulierung des Informationsflusses eine Rolle vor allem hinsichtlich der Verarbeitbarkeit und effektiven Nutzbarkeit (processability) von Informationen im Gegensatz zur bloßen Gewährleistung der Verfügbarkeit (availability) bestimmter Informationen zukommt.540 Daher ist es wichtig, den einzelnen Adressaten in den Fokus der Diskussion zu setzen und den noch festzulegenden Informationsinhalt aus Gründen des Vertrauensschutzes verstärkt auf diesen abzustimmen. Für Individualanleger erlangt dabei die Informationsformatierung541 eine besondere Bedeutung, insbesondere in Form einer auch für Privatanleger verständlichen, übersichtlichen, leicht vergleichbaren Darstellung. Die Verhaltensökonomik verdeutlicht, dass diesem formellen Aspekt der Publizität, dem Wie und Wo der ACHTUNGREDarstellung, bisher viel zu wenig Bedeutung zugemessen wurde. Gerade diese beeinflusst aber die Informationsnutzung und damit die Entscheidungsergebnisse des begrenzten Marktakteurs erheblich. Denkbare und in anderen Bereichen bewährte ACHTUNGRERezeptions- und Verarbeitungshilfen sind erläuternde Beispiele, Darstellung in

535 Der Aufteilung in ein individuelles und überindividuelles Informationsregime folgt auch Vogel, S. 31. 536 Zu zusätzlichen agency-Problemen u. ä. auf dieser Ebene, vgl. Hirte/Heinrich, Kö-Ko WpHG, Einl., Rn. 30 ff. 537 Black, 48 UCLA L.Rev. 781, 788 (2001). 538 Zum Ausgleich der durch behavioral finance verursachten Defizite durch Finanzanalysten Scharfstein/Stein, 80 Am.Econ.Rev. 465 (1990). Die Anfälligkeit professioneller Marktteilnehmer für Irrationalitäten lässt Zweifel aufkommen, ob diese eine hinreichende Information und den Schutz des Marktes gewährleisten können. 539 BGH NJW 2008, 3700: „Eine Bank muss nicht jede negative Berichterstattung […] kennen.“ 540 Paredes, 81 Wash. U. L. Q. 417, 439. 541 So der Begriff bei Schmolke, ZBB 2007, 454, 459.

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ACHTUNGRETabellenform, Frage- und Antwortschemata oder die Veröffentlichung von Vergleichszahlen.542 Die ökonomische Theorie, insbesondere in den Überlegungen zur begrenzten Rationalität, konzentriert den Blick auf die Ermöglichung einer informierten Entscheidung durch den Investor als (Haupt-)Zielsetzung des Kapitalmarktrechts.543 Aus ökonomischer Sicht wird aber deutlich, dass Publizität zudem das Vertrauen der Anleger fördert, Marktversagen verhindert, und beispielsweise agency costs erheblich senken kann. Pflichtpublizität bei Insidergeschäften oder Managergehältern sind prägnante Beispiele des corporate shamings, bei dem die disziplinierende Wirkung der Offenlegung gezielt zur Verhaltenssteuerung eingesetzt wird.544 Mag dies auch dem Grundverständnis von Publizität widersprechen, so sind diese Auswirkungen bei der Regulierung doch zu beachten. Gerade bei einer Betrachtung des Anlegervertrauens wird deutlich, dass eine effizientere Anlageentscheidung nicht zwingend das Anlegervertrauen fördert. Besser kann dies beispielsweise durch effektivere Durchsetzung und Kontrolle der Publizitätsvorschriften oder durch eine verstärkte Aufklärung der Anleger erreicht werden. Die Funktionsfähigkeit des Marktes hängt von dieser Sicherung des Anlegervertrauens ebenso ab, wie von der Markteffizienz. Deutlich wird der Zielkonflikt bei der Eindämmung der selective disclosure545 durch die SEC in Regulation FD (2000)546 : Schlechtere Informationsverbreitung und damit geringere Informationseffizienz werden bewusst zu Gunsten eines gleichberechtigten Zugangs der Individualanleger (full and fair disclosure) in Kauf genommen.547 Spricht aus reinen Effizienzgedanken folglich viel für eine Straffung und sogar Eindämmung der Publizität in bestimmten Bereichen (Stichwort: information overload), so läuft diese einseitige Betrachtung die Gefahr, Nachteile zu verkennen, die anderenorts auftreten können.548 Für den Gesetzgeber folgt daraus zum einen, dass die wissenschaftlichen Grundlagen einer Regulierung viel stärker aufbereitet werden 542 Am Beispiel von Mutual Funds Expense Dislosures Cox/Payne, 63 Wash. U. L. Q. 907, 935 (2005). 543 Prägnant für das US-amerikanische Recht Paredes, 81 Wash. U. L. Q. 417, 462. 544 Lowenstein, 96 Colum. L. Rev. 1335, 1342 (1996). 545 Wesentlicher Inhalt der Regulation FD ist das Verbot selektiver Informationsweitergabe durch die Emittenten an Wertpapieranalysten und andere professionelle Marktteilnehmer, um Insiderhandel zu verhindern und den gleichberechtigten Zugang zu Informationen zu gewährleisten; ausführlich Steinberg, Securities Law, S. 288 – 296. 546 SEC, Securities Act Release No. 33-7881 vom 15. 8. 2000; abgedruckt bei Cox/Hillman/ Langevoort, S. 908. 547 SEC, Securities Act Release No. 33-7881: „We have become increasingly concerned about the selective disclosure […] to institutional investors and securities analysts. [Reg. FD] targets at the practice by establishing new requirements for full and fair disclosure [to the general public].“ (Damit nicht: schnellstmöglich im Preis). 548 Der eigentliche Vorteil der SOX-Gesetzgebung in den USA wird nach verbreiteter Auffassung nicht in der inhaltlichen Ausgestaltung gesehen, sondern allein darin, dass der Gesetzgeber überhaupt tätig wird, und so das nach außen hin das Anlegervertrauen stärkt, Frankel, Regulation and Investors Trust, 1, 3.

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B. Publizitätspflichten aus ökonomischer Sicht und die Rolle des Rechts

müssen, um mehr Klarheit über die verschiedenen Auswirkungen der Publizität, gerade im Hinblick auf Anlegervertrauen, zu bekommen. Zum anderen deutet vieles darauf hin, dass eine konzeptionelle Neuregelung im Gesamtzusammenhang aller Rechtsgebiete gegenüber vereinzelten Verbesserungen der Transparenz zu bevorzugen ist, um Nebenauswirkungen („Fernwirkungen“) zu vermeiden. Somit ist festzuhalten: Eine Marktwirtschaft nutzt und produziert mehr Informationen als jede andere Wirtschaftsform.549 Da die optimale Informationsversorgung des Marktes aus sich heraus aber nicht gewährleistet ist, hat der Staat die Aufgabe, durch unterstützende Publizitätspflichten die informationellen Probleme ziel- und zweckorientiert auszugleichen, was einzelfallorientiert zu erfolgen hat und bedingt durch die verschiedenen informationellen Bedürfnisse der Marktteilnehmer unterschiedlich ausfallen kann (funktionale Betrachtungsweise). Dabei ist jedoch die Wirkung der Pflichten im Gesamtzusammenhang nicht zu vernachlässigen. Das informationsorientierte Regelungskonzept wird nach neueren Erkenntnissen der „Behavioral Law and Economics“ vor die zusätzliche Schwierigkeit gestellt, dass bislang unbekannte Probleme bei der Informationsverarbeitung des Einzelnen bestehen, die zum Teil nur schwer zu systematisieren sind. Dies wäre aber Voraussetzung, um ihnen entgegenzuwirken.550 Diese Phänomene scheinen erhebliche Einflüsse auf das Marktgeschehen zu haben, eine radikale und vollständige Abkehr vom Leitbild des rationalen Anlegers aber dennoch nicht zu rechtfertigen. Als Leitlinie der Überlegungen lässt sich feststellen, dass ein Mehr an Information keinesfalls immer hilfreich ist, besonders für kleinere Anleger. Die Repräsentativitätsheuristik, die davon ausgeht, dass Fehlschlüsse meist auf vereinfachten Modellen beruhen, welche das gesamte Netz äußerer Umstände gar nicht zu erfassen in der Lage sind, legt vielmehr den Schluss nahe, dass vermehrt eine Aufklärung der Anleger zu erfolgen hat, wie in einer Situation begrenzter Information die vorhandenen Kenntnisse optimal genutzt und umgesetzt und die Risiken richtig eingeschätzt werden können. Für ein materielles staatliches Eingreifen ergibt sich insofern eine Problematik, als eine systemische Beseitigung von Irrationalitäten einen bevormundenden Eingriff in die Privatautonomie des Einzelnen mit sich bringen würde. Dieser muss die Freiheit haben, irrational zu handeln.551 Staatliche Verbote sind folglich auch nach dieser Argumentation auf flankierende Regeln (Betrugsverbote, Wahrheitspflicht) zu begrenzen. Dennoch ist zu erkennen, dass auch hoheitliche Publizitätspflichten einen Eingriff in das freie Marktgeschehen darstellen. Sie können aber nach den Grundsätzen des minimal paternalism552 ein rechtliches „Grundgerüst“ oder Ausgangspunkt gewährleisten, auf das 549

So schon eingangs von Hayek, 35 Am. Econ. Rev. 519 (1945). Ulen, in: Grundmann (Hrsg.), Party Autonomy, S. 106, 128. 551 Ulen, in: Grundmann (Hrsg.), Party Autonomy, S. 106, 129. 552 Differenzierung nach Sunstein/Thaler, 70 U.Chi.L.Rev. 1159, 1188 ff. (2003), die in ihrem Paternalismus-Konzept des libertarian paternalism oder minimal paternalism hoheitliche Eingriffe nicht generell verwerfen, die kapitalmarktrechtlichen Offenlegungspflichten aber insofern vorziehen, als sie einen möglichst geringfügigen Eingriff in die freiheitliche Entscheidung des Individuums darstellen. 550

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die Marktmechanismen abgestimmt werden und auf welches sie aufbauen können, und welches das Marktgeschehen deshalb im Ergebnis vergleichsweise wenig belastet. Zudem bringt ein auf Pflichtpublizität basierendes System einige grundlegende ökonomisch begründbare Vorteile mit sich, welche wesensimmanent den Schutz auch irrationaler Anleger zur Folge haben. Je effizienter ein Markt ist, desto größer ist der damit einhergehende Schutzreflex für den Einzelnen, der dann nicht mehr zum Vorteil anderer ausgebeutet werden kann. An erster Stelle zu nennen ist hier der Vorteil der Standardisierung und Systematisierung von Informationen durch verbindlich normierte Festsetzungen. Einheitlich dargestellte, nach festgelegtem Zeitplan zu veröffentlichende Informationen erhöhen die Vergleichbarkeit zwischen verschiedenen Unternehmen und stellen sicher, dass eine Information zeitnah und für den Anleger an bekannter Stelle zugänglich ist. Damit einher geht eine erhebliche Kostensenkung, da das Unternehmen als cheapest cost avoider die Information günstig und schnell produziert und für die Marktgegenseite die Suchkosten, aber auch die Verifizierungs- und Zertifizierungskosten durch einheitliche Aufarbeitung und Zugänglichkeit der Daten, kurz durch Kolletivisierungseffekte,553 erheblich gesenkt werden.554 Das Verschweigen einer Information, auch für kurze Zeit, wird ebenso erschwert wie die bei Gewährleistung umfassenden Ermessens zu befürchtende übermäßig positive Darstellung des eigenen Unternehmens.555 Zweitens ergibt sich die Möglichkeit der Begrenzung von Informationen am Markt, und die damit einhergehende Konzentration auf das Wesentliche. Die Untersuchungen haben gezeigt, dass ein einfaches Mehr an Informationen nicht immer hilfreich ist, und gerade bei Kleinanlegern mit begrenzten Informationsverarbeitungskapazitäten zu Verzerrungen führen kann. Wenn die Kosten nicht durch einen zusätzlichen Gewinn auf Seiten des Empfängers der Information ausgeglichen werden, hat die Veröffentlichungspflicht zu unterbleiben.556 Diese Erkenntnis schließt nicht zwingend aus, dass einem Unternehmen die Möglichkeit belassen wird, sein zusätzliches, ergänzendes Informationsangebot an den Adressaten heranzutragen.557 Diese Information ist jedoch auf die staatlich abgegrenzte (Mindest-)Information abzustimmen, sie ist getrennt zu halten und auch als solche deutlich erkennbar zu machen. Drittens bieten hoheitliche Publizitätspflichten die Möglichkeit der Differenzierung. So kann das „richtige Maß“ an Informationen je nach der Effizienz eines be553 Coffee, 70 Va.L.Rev. 717, 722 (1984) („Collectivization through mandatory disclosure minimizes the social waste that would otherwise result from misallocation of economic resources to this pursuit.“). 554 Dies bei der heutigen Effizienz als Hauptzweck der Publizität sehend Fox, 109 Col. L. Rev. 237, 268 (2009). 555 Fishman/Hagerty, Mandatory Disclosure, S. 607. 556 Merkt, in: Grundmann/Kerber/Weatherhill (Hrsg.), S. 230, 245. 557 Druey, Information, S. 87.

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stimmten Marktes angepasst werden. Große, bekannte Unternehmen, die von sich aus offenlegen, können weniger strikten Pflichten unterworfen werden, als risikoreiche Neuemissionen. Der issuer choice-Ansatz überzeugte vor allem durch die Herausbildung unterschiedlicher, optimierter Informationsstandards im Rahmen eines Wettbewerbs der Systeme.558 Verwiesen wurde auf effiziente Handelsplätze wie die NYSE, die schon vor der Einführung der Securities Acts vertraglich ein ebenso umfassendes Maß an Offenlegung verlangte.559 Dieses Ergebnis kann Pflichtpublizität nun auch für weniger effiziente Märkte erreichen, durch welche sonst die Gefahr eines Wohlstandsverlusts und eine Gefährdung der Anlegerinteressen ausginge, ohne dabei den Börsen die Möglichkeit nehmen zu müssen, Handelssegmente mit spezielleren und zusätzlichen besonderen Anforderungen einzuführen. Marktsegmente, die bereits von sich aus weitestgehend informationseffizient sind, können erleichterten Pflichten unterliegen, wie es in den USA rechtsvergleichend vorbildlich demonstriert wird. Im Rahmen eines Integrated Disclosure System haben Well-Known Seasoned Issuers (WKSIs) dort durch Herausbildung eines einheitlichen Basic Information Package die Möglichkeit, bei Neuemissionen auf ihre bereits regelmäßig offengelegten Daten zu verweisen,560 und können die Erleichterungen einer shelf-registration nach Rule 415561 mit nachträglicher Ergänzung eines zunächst unvollständigen, sog. „immergrünen“ Prospekts562 in Anspruch nehmen.563 Während der distribution period kann der Informationsfluss danach sogar begrenzt werden, um eine sichere Platzierung durch verminderte Preisschwankungen zu gewährleisten, womit explizit der effektiven Kapitalaufnahme ein Vorrang gegenüber der umfassenden Information des Marktes eingeräumt wird.564 Aus ähnlichen Gründen kann sogar eine gewisse Manipulation des Marktpreises im Rahmen von Stabilisierungsmaßnahmen gerechtfertigt sein.565 Für kleinere Unternehmen gewährt die SEC angepasste Ausnahmen von dem 558

Romano, 107 Yale L. J. 2359 (1998). Mahoney/Mei, Contractual Disclosure, S. 3 („almost no evidence“ für umfassendere Offenlegung nach 1934). 560 Securities Acts Rules 163 ff., abgedruckt in: Cox/Hillman/Langevoort, Statutes, S. 85 bieten eine Ausnahme zum Verbot der Sec. 5 (c) Securities Act, wenn u. a. kein registration statement nach Reg. S-K eingereicht wurde. 561 Securities Acts Rules, Rule 415, abgedruckt in: Cox/Hillman/Langevoort, Statutes and Forms, S. 121. 562 Rule 415(a)(3) zum Securities Act verweist auf die Möglichkeit eines amendments nach Item 512 der Regulation S-K, wonach ein „fundamental change“ zum ursprünglichen registration statement im Nachhinein ergänzend offengelegt werden muss. 563 Cox/Hillmann/Langevoort, S. 161 – 166 mit ausführlichen Erläuterungen und Definitionen. 564 Grundlegender Gedanke dabei ist, dass der erneute Bedarf an Kapital negative Signalwirkungen an den Markt sendet, die dieser mit Preisabschlägen bestraft. Rule 415 erlaubt im Rahmen der shelf-registration daher bewusst eine Verzögerung des Informationsflusses, um eine sichere Kapitalaufnahme zu gewährleisten. Siehe dazu Cox, Can Disclosure be a Bad Thing?, in: Cox/Hillman/Langevoort, S. 201 f. 565 Zu den Voraussetzungen eines stabilizing im US-amerikanischen Recht: Rule 104, Reg. M, Cox/Hillman/Langevoort, Statutes, S. 756. 559

III. Zur Kritik am Konzept hoheitlicher Publizitätspflichten 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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strengen Offenlegungsregime.566 Schließlich kann auf die unterschiedlichen Schutzbedürfnisse verschiedener Kapitalgeber, beispielsweise durch Ausnahmen für priACHTUNGREvate placements, reagiert werden.567 Übertragen lässt sich dieser Gedankengang auf die Seite der Informationsempfänger. Der investor regulation-Ansatz Chois wurde kritisiert,568 da nach diesem weite Teile des Anlegerpublikums von der Teilnahme am Markt ausgeschlossen wären. Der Ansatz lässt sich allerdings insofern weiterentwickeln, als darin auch die Unterstützung einer Differenzierung in verschiedene Marktsegmente, beispielsweise die Schaffung neuer Segmente mit strengeren Zulassungsvoraussetzungen an die Kapitalgeber, gesehen werden kann. Dies kann hier nicht weiter verfolgt werden, da das zu untersuchende Segment des regulierten Marktes jedenfalls für Privatanleger zugänglich sein muss. Es muss aber im Auge behalten werden, dass unterschiedliche Marktsegmente auch unterschiedliche informationelle Bedürfnisse haben, die bei der Ausgestaltung von Publizitätspflichten zu berücksichtigen sind.569 Diese sind im konkreten Einzelfall auf die spezifischen Bedürfnisse der beteiligten Marktteilnehmer abzustimmen. Anzuregen wäre segmentintern ferner eine noch stärkere Ausdifferenzierung der Informationsdarstellung nach Adressatengruppen (tiered-disclosure approach)570. Hier ließen sich die Möglichkeiten eines vereinfachten Informationsregimes zur Erleichterung einer Informationsverarbeitung durch den Einzelnen selbst571 von einer verstärkten Abstimmung der Anlageberatung nach Anlegerprofilen durch die Intermediäre unterscheiden. Ein allein an Spezialisten orientiertes Informationskonzept ist aber aufgrund des damit verbundenen Vertrauensverlustes der Privatanleger ebenso abzulehnen wie ein einheitliches Konzept auf allgemeinem, auch für den Einzelnen verständlichem Niveau. Letzteres gewährleistet keine effiziente Preisbildung und bietet zudem die Gefahr, dass starke Marktteilnehmer vertraglich zusätzliche Informationen verlangen können, die dann zu Lasten des Marktes ausgebeutet werden. Hoheitlich festgelegte Publizitätspflichten bieten neben diesen Differenzierungsmöglichkeiten den Vorteil, dass sie flexibel ausgestaltet und den Marktbedürfnissen der jeweiligen Situation angepasst werden können. Es erscheint möglich und empfehlenswert, sie auf die markteigenen Mechanismen weitestgehend abzustimmen und so zusätzliche freiwillige Publizität anzuregen. Verifizierbarkeit und Vergleichbarkeit 566

Hazen, Treatise, 5. Aufl., 2005, Jan. 2008 Pocket Part, § 1.2 (2008). Manne, in: ders. (Hrsg.), Wall Street in Transition, S. 23, 47 (1974) (Die meisten regulatorischen und Offenlegungskosten einer Börsenplatzierung ließen sich durch ein private placement vermeiden.) 568 Siehe oben, B.III.2.d)dd)(3); Choi, 88 Cal. L. Rev. 279 (2000) (Anleger, nicht der Markt sollten reguliert werden). 569 Merkt, 1 ECFR 3, 31 (2004). 570 Dazu Paredes, 81 Wash. U.L.Q. 417, 461. 571 Für den Privatanleger verständliche Form, ähnlich einem vereinfachten Verkaufsprospekt. 567

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erscheinen vor allem bei historischen Informationen der Rechnungslegung und festen Zahlenwerten gegeben. Prognosen und unternehmensspezifische Ergänzungen bleiben hingegen besser als zusätzliche Möglichkeiten dem Markt überlassen, und sind durch Anreize wie Haftungsfreistellungen572, aber auch durch eine gewisse Strukturierung573 zu fördern. Dazu bedarf es einer mit weitgehenden Befugnissen ausgestatteten Aufsichtsbehörde, die auf die Bedürfnisse des Marktes schnell, flexibel und verlässlich reagieren kann. Hier wird die Rolle der Publizitätspflichten im Schnittfeld zwischen paternalistischer Kontrolle und einem regulierungsfreien Raum deutlich,574 deren Übergänge fließend sind und somit – strikt funktionsorientiert – einer bedarfsgerechten Anpassung im Einzelfall bedürfen. Schließlich ist zu beachten, dass Publizitätspflichten nicht nur die Durchsetzung durch öffentliche Stellen, sondern besonders auch die Kontrolle durch Private, beispielsweise Aktionärsvereinigungen, erleichtern.575 Die Überprüfung einer Information ist oft erst möglich wenn bekannt ist, dass diese nach einheitlichem Standard an zugänglicher Stelle zusammengestellt ist.576 Abschließend lässt sich durch die erhöhte Effizienz ein ökonomisch begründbarer Vorteil der Offenlegungsvorschriften für die Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte bei einem zugleich gewährleisteten sehr hohen Niveau des Anlegerschutzes feststellen. Die beiden grundlegenden Ziele des Kapitalmarktrechts erscheinen sowohl bei einer erdrückenden paternalistischen Begrenzung wie auch bei vollkommener Freiheit des Marktes nicht gewährleistet.

IV. Folgen für die rechtliche Systematisierung hoheitlicher Publizitätspflichten Die ökonomischen Erkenntnisse zur Funktionsweise von Publizitätspflichten lassen nun auch ganz konkrete Schlüsse für deren rechtliche Ausgestaltung zu. 1. Funktionen der Publizität Zunächst bestätigte sich, dass Publizitätspflichten ein geeignetes Mittel sein können, um den rechtlichen Anforderungen gerecht zu werden. Markt- und Individual572 Vergleiche den safe-harbor im US-amerikanischen Recht, wo nach Item 303 (c) Reg. K (MD&A) bei der Einschätzung von Risiken ein gewisses Maß an „puffery“ zulässig ist. 573 Die MD&A ist im US-amerikanischen Recht strikt strukturiert. Allein die Auflistung in Item 303 Reg S-K nimmt mehrere Seiten in Anspruch, vgl. Cox/Hillman/Langevoort, Statutes and Rules, S. 645 – 651 (Item 303). 574 Dazu grundlegend Merkt, in: Grundmann/Kerber/Weatherhill (Hrsg.), S. 230, 232. 575 Hopt, in: FS Canaris, S. 105, 109. 576 Anderenfalls könnte sich das Unternehmen auf Nichtwissen berufen, was schwer nachweisbar wäre.

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schutz konnten dabei als Zieldualismus des Kapitalmarktrechts herausgearbeitet werden. Die strukturelle Einheitlichkeit des Informationsproblems verschiedener Märkte ermöglicht es nun, die kapitalmarktrechtliche Funktionsanalyse auf Publizitätsnormen verschiedener Rechtsgebiete zu übertragen.577 a) Individualschutz Informationsnormen kommt zunächst Individualschutzfunktion zu.578 Sie haben sich zentral im Verbraucherschutzrecht entwickelt, aus welchem sich der Gedanke übertragen lässt.579 Im Kern geht es darum, Wissensasymmetrien der schlechter informierten Marktseite abzubauen. Publizität kommt zunächst eine Informationsfunktion zu, welche die hinreichende Informationsversorgung aller Marktteilnehmer sicherstellt.580 Diese Informationsversorgung ist aber nur dann wirksam, wenn der Publizität auch verhaltenssteuernde Funktion zukommt. Publizität dient dabei der Vorbereitung einer eigenverantwortlichen Anlageentscheidung (Fremdsteuerungsfunktion) ebenso wie der Selbstkontrolle durch den Informationspflichtigen (Selbststeuerungsfunktion).581 Letztere Dimension ist von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Publizitätspflichten werden gezielt genutzt, um das Verhalten des Offenlegungspflichtigen zu beeinflussen. Der Anleger wird somit geschützt, ohne selbst reagieren zu müssen. Die Governance-Funktionen der Publizität haben dies besonders verdeutlicht. Für die Bestimmung des Adressaten der Publizität bedeutet dies, dass auch das Unternehmen selbst in den Blick gerät.582 Mittels Publizität kann somit beeinflusst werden, welche Daten durch ein Unternehmen intern als entscheidungserheblich bewertet werden. Dies kann erheblichen Einfluss auf die Selbstinformation der Unternehmensleitung haben, die aufgrund einer Offenlegungspflicht die Informationen überhaupt erst erhebt oder sicherstellt und damit auch auswerten kann. Für den unternehmerischen Umweltschutz, der freilich erst nach und nach in die externe Rechnungslegung integriert wird,583 ist eindrucksvoll belegt, wie wichtig ein solches internes Problembe-

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Merkt, Unternehmenspublizität, S. 313 (Informationsasymmetrien in allen Formen von Austauschgeschäften). 578 Zur Übertragung des kapitalmarktrechtlichen Gedankens Merkt, Unternehmenspublizität, S. 296 ff.; zur Bedeutung anlegerschützender Normen, insb. Publizität, vgl. erneut Bebchuk, 93 Va. L. Rev. 675 ff., 722 (2005). 579 Kübler, AG 1977, 85, 87. 580 Meier-Schatz, Unternehmenspublizität, S. 105. 581 Merkt, Unternehmenspublizität, S. 338 ff. 582 Grundmann, in: FS Lutter, S. 61, 70. 583 Die Verordnung Nr. 1836/93/EWG des Rates über die freiwillige Beteiligung gewerblicher Unternehmen an einem Gemeinschaftssystem für das Umweltmanagement und die Umweltbetriebsprüfung vom 29. Juni 1993, Abl. Nr. L 168 vom 10. Juli 1993, S. 1 (EG-Umwelt-Audit-VO) führt mit dem Umwelt-Audit einen ersten Schritt zur externen umweltorientierten Rechenschaftslegung ein. Daneben hat sie die Implementierung betrieblicher Umweltmanagementsysteme zum Ziel, die vor allem als interne Informationsgrundlage dienen, um

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B. Publizitätspflichten aus ökonomischer Sicht und die Rolle des Rechts

wusstsein für die Beeinflussung des Handelns ist.584 Gesellschaftlicher Druck, kombiniert mit intern optimierten Entscheidungsgrundlagen, kann das Handeln hier gegebenenfalls viel effektiver beeinflussen, als zwingende hoheitliche Verbote, da die Unternehmen im Eigeninteresse nach innovativen Lösungen suchen werden und diese auf ihre spezifischen Bedürfnisse und Fähigkeiten hin optimieren können.585 Andererseits belegt das Beispiel der Managementgehälter, dass gegenläufige Interessen diesen Steuerungsmechanismus erheblich beeinträchtigen können und die Funktion daher in ihrem Ausmaß begrenzt ist. Mit diesen Mechanismen kommt der Publizität schließlich eine Risikosenkungsfunktion zu. Die einzelnen oben dargestellten586 Risiken lassen sich informationell minimieren.587 b) Marktfunktionsschutz Neben der Individualschutzfunktion lässt sich auch der Gedanke des Funktionsschutzes auf die Publizität übertragen, die damit zum Mittel eines umfassenden Marktschutzes wird.588 Sie gewährleistet hinreichende Informationsversorgung als Grundvoraussetzung eines wirksamen Marktmechanismus (institutionelle Funktionsfähigkeit), minimiert die Transaktionskosten (operationale Funktionsfähigkeit), führt zu einer optimalen Allokation des Kapitals und sichert die Preisbildungsfunktion der Märkte. Zugleich fördert die Transparenz das Vertrauen der Kapitalanleger in das Unternehmen und den Markt als Ganzes.589 c) Corporate Governance Es konnte herausgearbeitet werden, dass die Governance-Funktionen der Publizität eine eigenständige Zielgröße und Rechtfertigungsebene der Offenlegungspflichten neben dem Preisbildungsmechanismus darstellen. Andererseits ist auch die verhaltenssteuernde Funktion marktvermittelt, und lässt sich somit kaum aus Individualund Marktfunktionsschutzfunktion lösen. Für das hier darzustellende Konzept ergibt sich daraus einerseits die Notwendigkeit, sämtliche (auch unternehmensinterne) Umweltschutzaspekte bei der Entscheidungsfindung berücksichtigen zu können, Förschle, in: FS Budde, S. 181 ff. 584 Kloepfer, DB 1993, 1125, 1129 (Nachweise vor allem auch dazu, dass der informationsgesteuerte faktische Zwang in der Informationsgesellschaft viel effektiver sein kann, als hoheitlich zwingendes Recht). 585 Zu weiteren Vorteilen informationellen Umweltschutzes vgl. Förschle, in: FS Budde, S. 181, 183. 586 Siehe oben, A.III.5.b)cc) (Anlegerrisiken nach Hopt). 587 Im Einzelnen Merkt, Unternehmenspublizität, S. 341 ff. 588 Merkt, Unternehmenspublizität, S. 345 ff.; die Möglichkeit der Übertragung ist heute umfassend anerkannt, Grohmann, Informationsmodell, S. 74 ff. (Nachweis für das Europäische Gesellschaftsrecht). 589 Mit umfassenden Nachweisen Merkt, Unternehmenspublizität, S. 345 ff.

IV. Folgen für die rechtliche Systematisierung hoheitlicher Publizitätspflichten 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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„Fernwirkungen“ der Publizität zu berücksichtigen,590 andererseits aber auch die Grenzen informationeller Steuerung aufzuzeigen, sofern diese nicht mehr über die dargestellten Funktionsmechanismen des Marktes gewährleistet erscheint, worauf exemplarisch anhand § 161 AktG einzugehen sein wird. Insofern fügt sich der Governance-Gedanke in das hier zugrunde gelegte Konzept ein, nach dem eine umfassende Information der Adressaten eine optimale Steuerung durch den Markt ermöglicht, wobei sämtliche marktvermittelte Bereiche des Unternehmensrechts erfasst sind. Diese Dimension der Corporate Governance ist aber von der dualistischen Zielkonzeption der Publizität bereits erfasst, und lässt sich systematisch letztlich als Bestandteil der Individualschutzfunktion verstehen.591 2. Kriterien für die Ausgestaltung der Publizität Aus den ökonomischen Überlegungen lassen sich ferner Grundkriterien herausarbeiten, deren Gewährleistung für die Funktionsfähigkeit von Publizitätsvorschriften als unerlässlich erscheint. An diesen inhaltlichen Anforderungen ist ein Informationskonzept auszurichten.592 Besondere Bedeutung erlangt diese konzeptionelle Ausgestaltung dadurch, dass Unternehmen ihr Publizitätsverhalten heute fast ausschließlich an dem gesetzlichen (und anderweitig, z. B. in Börsenordnungen) normierten Niveau ausrichten.593 Die hier angestellten Überlegungen, wenn auch von einer ökonomischen Analyse ausgehend, sollen zudem in noch stärkerem Maße als bisher die Bedeutung einer eigenständigen rechtswissenschaftlichen Betrachtung aufzeigen, die mit eigenen normativen Wertungen und Maßstäben zu durchaus anderen als den rein effizienz- und wertorientierten Ergebnissen594 kommen kann und muss.595 Der rechtlichen Ordnung kommt hier insbesondere die Aufgabe zu, die Funktionsweise der Informationsnor-

590 Dient die Information der unternehmensinternen Kontrolle, so ist beispielsweise an eine effektive Abstimmung mit gesellschafts- und aktienrechtlichen Entscheidungsmechanismen (Klagemöglichkeiten) etc. zu denken. 591 Siehe soeben, B.IV.1.a); so auch Grohmann, Informationsmodell, S. 67 ff. 592 Druey, Information, S. 243 ff. spricht von „Qualitäten der Information“; wie hier („inhaltliche Anforderungen“) Fleischer, ZEuP 2000, 772, 785 ff. (zu vertragsschlussbezogenen Informationspflichten) und Merkt, Unternehmenspublizität, S. 447. 593 Kötzle/Grüning, KoR 2009, 33, 37 (allenfalls große Unternehmen publizieren zusätzlich). 594 Vgl. die Betrachtung von Information als reines Wirtschaftsgut aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht bei Pething, in: Fiedler/Ullrich (Hrsg.), S. 1. Wie bereits aufgezeigt wurde, beachten aber auch die ökonomischen Überlegungen in zunehmendem Maße die enge Verflechtung von Effizienz und rechtlichen Zielsetzungen. 595 Zum heftigen Widerspruch in der deutschen Rechtswissenschaft, die Effizienz im Sinne einer Maximierung der gesellschaftlichen Wohlfahrt zum alleinigen oder primär maßgeblichen Kriterium zu machen, vgl. etwa die Übersicht bei Eidenmüller, Effizienz, S. 169 ff. (unter umfassender Darstellung auch der Gegenargumente).

152 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

B. Publizitätspflichten aus ökonomischer Sicht und die Rolle des Rechts

men am Markt im Sinne ihrer eigenen Kriterien und Gerechtigkeitsvorstellungen für den Einzelnen nutzbar zu machen.596 Die deutschsprachige rechtswissenschaftliche Forschung kann diesbezüglich auf umfassende Systematisierungen zurückgreifen. Verwiesen werden soll insbesondere auf Druey, der die „Qualität“ einer Information grundlegend, vor allem auch aus soziologischer Perspektive, aus deren Richtigkeit, Vollständigkeit, Sicherheit, Klarheit, Schlüssigkeit, Aufnehmbarkeit und Nützlichkeit/Zeitgerechtigkeit ableitet.597 Da Information aber kein Wert an sich, sondern allenfalls eine Wert-Chance sei,598 habe das Recht den Informationsgehalt nach diesen Kriterien zu gewährleisten. Ist die inhaltliche Qualität dagegen nicht sichergestellt – so insbesondere bei Falsch-, Überinformation und Problemen der Informationsverarbeitung,599 – sei die Offenlegung als kontraproduktiv zu unterbinden.600 In der Entwicklung eines Tatbestandes der Unternehmenspublizität arbeitet Merkt die Merkmale der Adressatenorientierung, Wesentlichkeit, der Werthaltigkeit, Klarheit und Vollständigkeit, sowie der Einheitlichkeit von Informationen heraus.601 Andere Darstellungen nehmen die mit Warnhinweisen versehene Zukunftsbezogenheit und die Investorengleichbehandlung auf.602 Meier-Schatz schließlich bemisst die Wirksamkeit staatlicher Publizitätspflichten an der Entscheidungsrelevanz, Verständlichkeit und Gebrauch der betreffenden Information.603 Letztere Kriterien verdeutlichen hier im systematisierenden Zusammenhang nochmals, dass neben der Relevanz einer Information für den Markt gerade auch die Verarbeitung und effektive Umsetzung durch die Adressaten zu gewährleisten ist. Letztlich kann eine Information nur bei Vermittlung eines möglichst exakten Bildes entscheidungsrelevant für die Adressaten sein.604 Die einschlägigen Merkmale sollen an dieser Stelle kurz zusammengefasst werden, bilden sie doch die Grundlage der weiteren kritischen Betrachtung der Publizität. Dabei wird sich zeigen, dass die einzelnen Charakteristiken auf die einheitliche Zielsetzung einer Optimierung der Nutzbarkeit zurückführen, die vor allem durch eine

596

Druey, Information, S. 113. Ebd., S. 243 ff. 598 Ebd., insb. S. 73 f. 599 Druey, Information, S. 66 ff. 600 Ebd., S. 66, 243 ff. 601 Merkt, Unternehmenspublizität, S. 447 ff. 602 Baums, Corporate Disclosure, S. 11 ff.; ausführliche Darstellung und Diskussion bei Zetsche, Aktionärsinformation, S. 223, der von „deskriptiven Merkmalen“ spricht. Dieser Terminologie soll hier aber nicht gefolgt werden, da der hier gewählte Ansatz von theoretischen Überlegungen zur Funktionsweise von Publizität, und nicht von einer Betrachtung der einzelnen Publizitätstatbestände ausgeht. 603 Meier-Schatz, Unternehmenspublizität, S. 181 ff., 190. 604 Daher Prognosen im Rahmen der Buchführung ausklammernd Leffson, GoB, S. 69 f. 597

IV. Folgen für die rechtliche Systematisierung hoheitlicher Publizitätspflichten 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Betrachtung der jeweiligen Information in ihrem konkreten Umfeld, insbesondere im Hinblick auf den Adressaten, erreicht werden kann. a) Der Primärgrundsatz der Wesentlichkeit An erster Stelle ist hier der Grundsatz der Wesentlichkeit der offengelegten Informationen für den Empfänger zu nennen. Er steht im Mittelpunkt der gezielten Informationsvermittlung und beinhaltet zum einen, dass dem Adressaten umfassend alle für ihn relevanten Informationen zur Verfügung gestellt werden müssen (Vollständigkeit der Informationsinhalte), zum anderen aber auch, dass all diejenigen Informationen unterbleiben, auf die dieses Kriterium nicht zutrifft (quantitative Grenze der Informationsverbreitung).605 Die Adressaten- und Marktbezogenheit ersteren Aspekts wird besonders daran deutlich, dass die berechtigten Interessen des Emittenten im Rahmen des § 15 Abs. 1 S. 2 WpHG allenfalls als Ausnahme berücksichtigt werden können.606 Der zweite Aspekt der Überinformation ist unter den Gesichtspunkten des unnötigen zusätzlichen Aufwands für alle Marktteilnehmer und der Gefahr zusätzlicher Fehleinschätzungen bereits ausführlich diskutiert worden.607 Druey weist dabei vor allem auf die Einflüsse moderner Technologien hin.608 Es ist zu bedenken, dass heute eine Vielzahl von Informationen relativ kostengünstig zur Verfügung gehalten werden können, was leicht zu einer Überproduktion und damit zum Qualitätsproblem werden kann. Zudem ist rechtlich klar vorab zu determinieren, welche Information wesentlich ist, weil es der spezifische Nachteil eines Informationsungleichgewichts ist, dass der Nichtwissende mangels Kenntnis der Information nicht nach dieser fragen oder sie aus eigener Initiative abrufen oder gar suchen kann.609 Schon hieraus wird deutlich, dass das Kriterium der Wesentlichkeit eng mit einer Bündelung aller wesentlichen Informationen an zentralem Ort verbunden ist. Interessant erscheint es, an dieser Stelle einen rechtsvergleichenden Blick auf die Abgrenzung des materiality-Kriteriums im US-amerikanischen Recht zu werfen. Der Supreme Court hielt im Fall TSC Industries einen Umstand für wesentlich (material) „if there is a substantial likelihood that a reasonable investor would consider it important in deciding how to vote.“610 Damit verwarf das Gericht ausdrücklich unter Verweis auf eine mögliche Informationsüberflutung der Märkte die Interpretation des „might find it important“: „Some information is of so dubious significance that insistence of its disclosure may accomplish more harm than good.“611 Erforderlich ist folglich auch hier eine Bewertung im Einzelfall, mit der Tendenz, auch die 605 606 607 608 609 610 611

Ekkenga, ZGR 1999, 165, 201; Merkt, Unternehmenspublizität, S. 453. Ausführlich Merkt, Unternehmenspublizität, S. 454 f. Druey, Unternehmensinterne Informationsversorgung. Druey, Information, S. 68 ff. Druey, Information, S. 118. TSC Industries, Inc. v. Northway, Inc., 426 U.S. 438, 449 (1976). Ebd., S. 449.

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B. Publizitätspflichten aus ökonomischer Sicht und die Rolle des Rechts

negativen Auswirkungen von übermäßigen Offenlegungspflichten zu betonen. In Deutschland wird die Debatte um das richtige Maß an Information vor allem im Rahmen der Ad hoc-Publizität, § 15 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG (Eignung zu erheblicher Kursbeeinflussung) geführt, so dass auf die Ausführungen zu dieser Vorschrift verwiesen werden kann.612 Hier entscheidet der Emittent letztendlich, welche Informationen für den Markt und die Adressaten wichtig sind. Bei anderen Vorschriften, etwa §§ 21 ff. WpHG, legt der Gesetzgeber von vornherein verbindlich fest, welche Schwellen als wesentlich anzusehen sind.613 Im Kern geht es immer darum, ob der Anleger mit der Information eine andere oder zumindest besser begründete Entscheidung trifft als ohne diese.614 In der Praxis erweist es sich als äußerst schwierig, die Grenzen der Wesentlichkeit zu bestimmen. In der Regel werden Wirtschaftlichkeitserwägungen herangezogen und danach gefragt, ob die Kosten der Informationsbereitstellung durch den zusätzlichen Nutzen für die Entscheidungsfindung gerechtfertigt erscheinen.615 Eine solche Quantifizierung erweist sich aber als kaum möglich, da weder der Adressatenkreis und dessen subjektive Bewertungen, noch sämtliche Folgekosten wie beispielsweise Wettbewerbsnachteile klar bestimmt werden können. Zudem geht das Recht wie gesehen in seinen Zielsetzungen weit über die Wirtschaftlichkeitserwägungen hinaus. Mangels Alternativen hat sich die ökonomische Betrachtung in der Praxis dennoch als praktikabler Ausgangspunkt erwiesen.616 So lassen sich komplexe und unpraktikable Regelungen auf ein Minimum reduzieren. Im Ergebnis wird sich aber zeigen, dass die genaue Abgrenzung immer einer Ermessensentscheidung im Einzelfall gleich kommt,617 die verschiedene Interessen im konkreten Kontext in Ausgleich bringt. Entscheidungsrelevant sind ebenso solche Informationen, die Prognosen ermöglichen, wie solche, denen vergangenheitsbezogene Rechenschaftsfunktion zukommt, mithilfe derer Erwartungen korrigiert oder bestätigt werden können.618 Traditionell liegt der Schwerpunkt der Offenlegung auf der Rechnungslegung. Deren Daten sind als Vergleichswerte und Grundlagen jeder Prognose von nicht zu unterschätzender Bedeutung (sog. indirekte Prognosekraft).619 Dennoch wird auch die Bedeutung

612

Ekkenga, ZGR 1999, 165 ff.; monographisch Büche, Ad hoc-Publizität; sowie die zahlreichen Kommentierungen zu §§ 13, 15 WpHG. 613 Unter dem Aspekt der Wesentlichkeit allein ließe sich diese Pauschalisierung kritisieren; zu den Vorteilen einer solchen Festlegung von Schwellenwerten (im Gegensatz einer wertenden Einzelfallbetrachtung) aus Gründen der Rechtssicherheit, Vorhersehbarkeit und Einheitlichkeit/Vergleichbarkeit, sogleich. 614 Bieker, Ökonomische Analyse, S. 64. 615 Wolz/Janssen, WPg 2009, 593, 598. 616 Federmann, Bilanzierung, 11. A., S. 170. 617 Vgl. Lüdenbach/Hoffmann, BFuP 2004, 612; IASB, RK.44. 618 IASB, RK.26 (Relevanz, wenn einer Information entweder Prognose- oder Kontrollfunktion zukommt). 619 Krönert, Grundsätze, S. 52.

IV. Folgen für die rechtliche Systematisierung hoheitlicher Publizitätspflichten 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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zukunftsgerichteter Informationen (soft-information) zunehmend anerkannt.620 Auch hier sind aber klare, marktorientierte Kriterien zu fordern, nach denen die Bewertung zu erfolgen hat und die objektiv nachvollziehbar und kontrollierbar sind.621 Diese sind durch Haftungsfreistellungen in Form von safe harbor rules zu flankieren.622 Beachtung verdienen zudem die diskutierten verhaltenspsychologischen Erkenntnisse zur Überbewertung der eigenen Lage und Fähigkeiten, sowie zur vorwiegend positiven Darstellung der eigenen Person. Gerade weil Prognosen schwer zu bewerten und zu kontrollieren sind, ist auf die Gefahr einer Fehlbewertung durch Privatanleger hinzuweisen. Diese lässt sich aber wie gesehen durch Warnhinweise und eine verbesserte Aufklärung begrenzen, so dass eine zu befürwortende zunehmende Zukunftsbezogenheit der Information durchaus als Unterpunkt der Frage gesehen werden kann, welche Information als wesentlich anzuerkennen und somit zu veröffentlichen ist.623 Trotz ihrer Kapitalmarktrelevanz sind aber auch Prognosen nur ein Bestandteil der informationellen Versorgung des Marktes, die mit dem parallel bestehenden Bedürfnis nach Verlässlichkeit und Überprüfbarkeit in Ausgleich zu bringen sind.624 Jeder Informationsvermittlung kommt damit entweder Prognose- oder Kontrollfunktion zu, wobei die Gewichtung im Hinblick auf die jeweils dominierende Adressatengruppe zu erfolgen hat. Die kapitalmarktorientierte Betrachtung vernachlässigt häufig, dass der Publizität neben einer Dispositions- und Kontrollfunktion auch erhebliche Bedeutung für Führungsentscheidungen der publizitätspflichtigen Unternehmen selbst zukommt. Der Prozess der Informationsfindung und -darstellung beeinflusst in erheblichem Maße die eigene Einschätzung der Geschäftsführung und damit deren Handeln.625 Klare Leitlinien der Publizität tragen somit auch intern dazu bei, den Unternehmen eine bessere Entscheidungsgrundlage zu bieten und Fehleinschätzungen (overconfidence) zu vermeiden. Im Rahmen der Harmonisierung der Rechnungslegung zeigt sich dabei eine voranschreitende wechselseitige Durchdringung oder Konvergenz626 von inter-

620

Ausführlich Merkt, Unternehmenspublizität, S. 455 ff. Wolz/Janssen, WPg 2009, 593, 599 m.w.N. 622 Zu Möglichkeiten der Überprüfung von Vorhersagen (auch rechtsvergleichend) Bechtel/ Köster/Steenken, in: FS Leffson, S. 205, 212 ff. Zumindest Willkürfreiheit kann durch hoheitliche Standards minimiert werden. 623 Auf die Ebene eines eigenen charakteristischen Merkmals erhebt sie Baums, Corporate Disclosure, S. 11. 624 Bilanztheoretisch sind (so für die Fair-Value-Bilanzierung nachgewiesen) Verlässlichkeit und Relevanz negativ korreliert, d. h. ein geringeres Maß an Verlässlichkeit kann durch gesteigerte Relevanz kompensiert werden, Wolz/Janssen, WPg 2009, 593, 599 m.w.N. Die mit Prognosen verbundenen Unsicherheiten, vgl. oben, B.III.2.g) (Krise), verdeutlichen aber, dass ein Mindestmaß objektiv nachprüfbarer Information stets notwendig ist. 625 Kropff, in: FS Claussen, S. 659, 666 (auch zur gesellschaftsrechtlichen Bedeutung des Konzernabschlusses). 626 Schaier, BFuP 60 (2008), 122 ff. m.w.N. (zur traditionellen Unterscheidung und Gründen der Annäherung). 621

156 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

B. Publizitätspflichten aus ökonomischer Sicht und die Rolle des Rechts

nem und externem Rechnungswesen.627 Mit anderen Worten kommt Publizität nicht nur (externe) Zahlungsbemessungs- und Informationsfunktion zu628, sondern sie beeinflusst auch zunehmend die interne Rechnungslegung und hat damit im Rahmen der Unternehmensführung Einfluss auf Planungs-, Kontroll- und Dokumentationsprozesse.629 Damit ist zu beachten, dass Publizitätspflichten (wie alle Legalitätspflichten) als Mindest-Pflichtenprogramm630 Standards für organisatorische Vorkehrungen setzen, welche die Emittenten treffen müssen, um ihren Offenlegungspflichten nachzukommen (Organisationspflichten im Rahmen der Compliance). Regelmäßig führt dies zu internen Melde- und Überwachungssystemen, der Einrichtung zuständiger Stellen und einer organisatorischen Effektuierung des Offenlegungsprozesses.631 Verbindliche Verhaltensmaßstäbe beginnen sich aber erst langsam herauszubilden.632 b) Werthaltigkeit und Nutzbarkeit Die Abgrenzung der Wesentlichkeit allein reicht allerdings nach dem Besprochenen nicht aus. Daneben ist ein Bedürfnis zu erkennen, die Werthaltigkeit einer Information und ihre effektive Nutzbarkeit von staatlicher Seite zu gewährleisten.633 Unter Werthaltigkeit soll dabei hier die inhaltliche Bedeutung für den Empfänger, unter Nutzbarkeit die formelle Darstellung im Rahmen des Informationsvorgangs verstanden werden. Die Werthaltigkeit lässt sich an der Aktualität, sowie der Richtigkeit und Vollständigkeit messen, wohingegen die Nutzbarkeit einer Information entscheidend von ihrer Klarheit und Zugänglichkeit abhängt. Diese Sekundärgrundsätze operationalisieren die zentrale Wesentlichkeitsanforderung und stehen mithin zu dieser in untrennbarem Zusammenhang.634

627 Einführend Günther/Zurwehme, BFuP 60 (2008), 101 ff. Damit gehen die Einflüsse auf die interne Entscheidungsfindung über die ökonomischen Governance-Funktionen der Publizität nochmals hinaus. 628 Dazu Coenenberg, Jahresabschlussanalyse, S. 9 ff. 629 Zu Planungs-, Kontroll- und Dokumentationsfunktion, vgl. Günther/Zurwehme, BFuP 60 (2008), 101, 115. 630 So anschaulich Immenga, in: FS Schwark, S. 199, 202 (dort allerdings zur aktienrechtlichen Compliance). 631 Umfassend zur Compliance und deren Auswirkungen auf die Publizität Lebherz, Emittenten-Compliance. 632 Vgl. etwa Fleischer, ZIP 09, 1397 zur Frage, inwieweit sich Geschäftsleiter auf Auskünfte Dritter verlassen dürfen (ausgeprägte reliance-Vorschriften in den USA, Ansätze für Vertrauensgrundsatz auch in Deutschland). 633 Mit leicht abweichender Systematisierung Merkt, Unternehmenspublizität, S. 459 ff.; Pavlova, S. 270 ff. grenzt aus Sicht der Publizitätsvorschriften der laufenden Marktteilnahme die einzelnen Elemente der Richtigkeit, Verständlichkeit, Vergleichbarkeit, Aktualität und Zugänglichkeit ab. 634 Wolz/Janssen, WPg 2009, 593, 600.

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Die Werthaltigkeit wird zunächst einmal durch die Aktualität der Offenlegung bestimmt.635 Dies versteht sich aus den oben angestellten ökonomischen Überlegungen zur Förderung der Informationseffizienz, wonach der Wert einer Information mit zunehmender Zeit sinkt.636 Andererseits wurde deutlich, dass gewisse Anreize zu Informationsvorsprüngen bestehen bleiben müssen, um den Wettbewerbsprozess nicht zu beeinträchtigen. Im Ergebnis einer Kosten-Nutzen-Analyse lässt sich zudem feststellen, dass eine Steigerung der Aktualität durch die dadurch erfolgende Marktwertsteigerung eines Unternehmens umfassend gerechtfertigt ist.637 Im Ergebnis hat, sobald die Entscheidung für die Offenlegung einmal gefallen ist, diese möglichst zeitnah zu erfolgen. Die Vorteile, auf zukünftige Entwicklungen bereits in Prognosen hinzuweisen und so dem Empfänger eine noch bessere Vorbereitung und Umsetzbarkeit zu ermöglichen, wurden soeben unter „Werthaltigkeit“ diskutiert. Die Aktualität erscheint im deutschen Recht gewährleistet durch kurze Offenlegungsfristen der Publizitätsvorschriften mit strengen Ausnahmemöglichkeiten.638 Mit der jüngsten Verkürzung der Offenlegungsfristen im Rahmen des TUG unterstützt der Gesetzgeber zunehmend diese Einsicht.639 Folge ist, dass eventuelle gegenläufige Interessen der Emittenten am regulierten Markt nur bedingt berücksichtigt werden können, was bei dieser umfassendsten Inanspruchnahme des Marktes aber durch ein Bedürfnis der schnellstmöglichen Information gerechtfertigt erscheint. Die Richtigkeitsgewähr einer Information ist von ähnlicher Bedeutung für die Werthaltigkeit. Der Grundsatz der Objektivität der Rechnungslegung erfordert hier etwa, dass Schätzungen willkürfrei, realitätsnah und nach persönlicher Überzeugung erfolgen,640 dass Informationen objektiv nachvollziehbar sind und dass sie nicht darauf abzielen, bestimmte Entscheidungen auszulösen (Neutralitätsgebot).641 Der Grundsatz der Richtigkeit bezweckt, Fehlsteuerungen des Marktes durch Falschinformation zu vermeiden. Hier wird Drueys grundlegendes Verständnis, dass Information kein Wert an sich sei, besonders deutlich: Ist eine Information falsch, kann sie sogar einen negativen Wert für den Empfänger und den Markt als Ganzes haben.642 An zentraler Stelle sind folglich die Zuverlässigkeit und Kontrolle der Informationsquelle (Sicherheit)643 sowie der Informationsvermittlung und -verarbeitung zu gewährleisten. 635

Anschaulich, mit Verweis auf die ökonomische Begründung, Merkt, Unternehmenspublizität, S. 459 ff. 636 Bott/Schleef, ZBB 98, 330, 332. 637 Auch hier wird auf die ausführliche Darstellung bei Merkt, Unternehmenspublizität, S. 459 ff. verwiesen. 638 So etwa im Rahmen des § 15 Abs. 1 Satz 3 WpHG (Aufschub einer Ad hoc-Meldung). 639 Begr. RegE TUG BT-Drucks 16/2498, S. 28; dazu Bosse, DB 2007, 39, 41. 640 Coenenberg, Jahresabschluss, S. 38. 641 Wolz/Janssen, WPg 2009, 593, 596 m.w.N. 642 Druey, Information, S. 66 f. 643 Unter Sicherheit versteht Druey, die Sicherung des Vertrauens auf die Verlässlichkeit einer Information, ebd.

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B. Publizitätspflichten aus ökonomischer Sicht und die Rolle des Rechts

Als Unterpunkt der Richtigkeitsgewähr lässt sich die Forderung nach Vollständigkeit verstehen. Denn auch eine inhaltlich richtige Information kann irreführend sein, wenn sie im falschen Kontext gegeben wird. Verbote, wie dasjenige des § 20a WpHG und Sanktionierungen auf Rechtsfolgenseite allein reichen demnach nicht aus. Vielmehr sind positive Offenlegungspflichten fallgruppenorientiert festzulegen, wobei auch auf die Genauigkeit und Differenziertheit der Information zu achten ist.644 Der Grundsatz der Vollständigkeit ist freilich durch den zentralen Primärgrundsatz der Wesentlichkeit begrenzt. Wie gesehen sind nur solche Informationen vollständig zu veröffentlichen, die wesentlich für die Entscheidungsfindung sind.645 Zur Gewährleistung einer effektiven Nutzbarkeit einer offengelegten Information ist von Bedeutung, dass diese klar und verständlich ist. Sie muss in sich schlüssig sein und in ihrem Kontext vom Empfänger richtig aufgenommen werden können. Diese Aufnehmbarkeit bezieht sich vor allem auf den Vorgang der Informationsvermittlung und -verarbeitung.646 Die Klarheit gewährleistet dabei, dass die Information den Empfänger mit möglichst geringen inhaltlichen Reibungsverlusten erreicht,647 von ihm mit möglichst wenig Aufwand umgesetzt werden und in seine Entscheidung einfließen kann. Die Klarheit ist somit Grundvoraussetzung eines Konzeptes, das die Adressatenorientierung und freie Selbstbestimmung der Marktteilnehmer betont.648 Daher ist zu fordern, dass Informationen in einem für den jeweiligen Adressatenkreis649 möglichst allgemein leicht verständlichen und verarbeitbarem Format offengelegt werden.650 Es ist zu beachten, dass auch nicht professionelle Marktteilnehmer die Information in einem für sie verständlichen, möglicherweise modifizierten, Format nutzen müssen. Die SEC regt hier, insbesondere bei der MD&A, die verstärkte Verwendung von Diagrammen, graphischen Darstellungen und Tabellen an, welche zudem, bei einheitlicher Ausgestaltung, die Vergleichbarkeit erleichtern sollen.651 Die Erweiterung der auf Form 8-K aufzunehmenden Daten erfolgt zudem mit der ausdrücklichen Zielsetzung, wesentliche Informationen an prominenter Stelle hervorzuheben, damit diese leichter und schneller gefunden und verarbeitet werden können.652 644 Gasser, in: FS Druey, S. 727, 731, 747 (allgemeine theoretische Ausführungen zu Informationsqualität). 645 Siehe oben, B.IV.2.a) (Wesentlichkeit); vgl. IASB, RK.38 (freilich stark aus informationsökonomischer Sicht). 646 Druey, Information, S. 246. 647 Ebd., Information, S. 245. 648 Pavlova, S. 271 m.w.N. 649 Zu denken ist an die Möglichkeit eines geteilten Informationsregimes, welches allgemein verständliche Zusammenfassungen liefert. 650 Paredes, 81 Wash. U.L.Q. 417, 485 (2003). 651 Securities Act Release No. 33-8144 vom 4. November 2002, 67 Fed. Reg. 68,054 (Tabellenform in MD&A); Securities Act Release No. 33-8090 vom 12. April 2002, 77 SEC Docket 1072 (Tabellenform in Form 8-K); Securities Act Release No. 33-8098 vom 10. Mai 2002, 77 SEC Docket 1631 (Bilanzierungsformat in MD&A). 652 Diese Hervorhebung wesentlicher Daten steht nur scheinbar im Widerspruch zu der sogleich geforderten Einheitlichkeit und Abrufbarkeit an zentralem Ort: Es ist bei letzterer

IV. Folgen für die rechtliche Systematisierung hoheitlicher Publizitätspflichten 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Die Initiative liegt folglich zugleich in einer Reihe von Bemühungen zur Förderung einer real-time disclosure.653 Die Forderung nach Klarheit und Verständlichkeit darf freilich nicht dazu führen, dass wesentliche Informationen nicht veröffentlicht werden, nur weil Einzelne diese schwer verstehen.654 Vielmehr wird das Leitbild eines verständigen Adressaten zu Grunde gelegt. Publizität hat dann in der Ausgestaltung der Darstellungsweise zu beachten, dass dieser die Informationen möglichst einfach und einheitlich auswerten kann und nicht in die Irre geführt wird. Im Zweifel sind inhaltliche Erläuterungen zu geben.655 Die leichte und allgemeine Zugänglichkeit einer Information ist weitere Voraussetzung für deren effektive Nutzbarkeit und Verbreitung. Ein effizienter Markt würde jede Information sofort im Preis widerspiegeln. Soll hingegen auch der Einzelne sie nachvollziehen können oder bestehen Zweifel an der vollkommenen Effizienz, hängt es in erheblichem Maße von der formellen Publizität – der Art und Weise der Übermittlung – ab, wie das Publikum eine Information nutzen kann.656 Das Internet gewährleistet hier umfassende Zugangsmöglichkeiten, die bei der heutigen Internationalisierung der Märkte auch Investoren aus dem Ausland zunehmend anziehen.657 Verhaltensökonomisch hat sich jedoch gezeigt, dass Fehleinschätzungen häufig dadurch auftreten, dass Nachrichten wiederholt oder an besonders prominentem Ort veröffentlicht werden. Die Finanzpresse verarbeitet heute die vorhandenen Informationen umfassend, wodurch diese multipliziert und in verschiedensten Formen und Auswirkungen dargestellt werden.658 Dies beschleunigt die Verbreitung, erhöht aber zugleich die Gefahr von Fehlentwicklungen. Ebenso birgt das Internet die Gefahr, dass wichtige Informationen in der Menge an Daten übersehen werden, oder andere immer wieder an bevorzugter Stelle auftauchen. Daher ist auf eine Bündelung an zentralem Ort hinzuwirken, an dem alle einmal als wesentlich eingestuften Informationen dauerhaft zusammengestellt, und in ihrer ursprünglichen Form dargestellt werden. Folge daraus ist, andere Orte der Veröffentlichung weitestgehend zu unterbinden, oder zumindest zu einem Verweis auf die ursprüngliche Offenlegung zu zwingen, auf die dann leicht zurückgegriffen werden kann. Unnötige Suchkosten können somit reduziert und verwirrende Doppelveröffentlichungen vermieden werden.659

freilich darauf zu achten, dass kein unüberschaubares und verwirrendes „Übermaß“ an Informationen gefordert wird, sondern diese vorab im Rahmen der Wesentlichkeit begrenzt werden. 653 Paredes, 81 Wash. U.L.Q. 417, 477 (2003). 654 ISAB, RK 25. 655 Moxter, in: FS Leffson, S. 93; Leffson, Grundsätze, S. 208 f. 656 Als formelle Publizität soll hier in Anlehnung an Noack, AG 2003, 537, 538 die Art und das Wie einer Übermittlung und Verbreitung verstanden werden. Zur Bedeutung dieses Aspekts, Hopt, ZGR 1980, 225, 251. 657 Wymeersch, ZGR 2001, 294, 301. 658 Paredes, 81 Wash. U.L.Q. 417, 426. 659 So wird § 10 WpPG, der auch auf verbesserte Zugänglichkeit abzielte, schlicht überflüssig, unten, D.II.5.

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B. Publizitätspflichten aus ökonomischer Sicht und die Rolle des Rechts

EHUG und TUG gewährleisten den effektiven Zugang der breiten Öffentlichkeit an zentralem Ort und sorgen dafür, dass die historischen Daten eines Unternehmens über längeren Zeitraum zur Verfügung stehen.660 Sie werden daher zum Ausgangspunkt genommen, um die Notwendigkeit einer zentralen Speicherung sämtlicher Publizität herauszuarbeiten. Aus formeller Sicht wird sich dabei zeigen, dass das marktorientierte Publizitätskonzept heute zentral auf der Nutzung des Unternehmensregisters als Vorstufe eines EU-weiten Datennetzes aufbaut. c) Einheitlichkeit Eng mit dem Grundsatz der Werthaltigkeit und effektiven Nutzbarkeit für den Adressaten verbunden ist die Einheitlichkeit der Information. Sie ist weitere Grundvoraussetzung dafür, dass Marktdaten verglichen und dadurch erst effektiv genutzt werden können.661 Zudem senkt sie Informationskosten und erhöht die Markteffizienz.662 Seitens der offenlegungspflichtigen Unternehmen tritt hinzu, dass Wettbewerbsnachteile minimiert werden können, wenn alle die gleichen Informationen in einheitlichem Format offenlegen müssen.663 Hinzuwirken ist sowohl auf eine innere Einheitlichkeit der Publikationen eines einzelnen Unternehmens über einen längeren Zeitraum (Stetigkeit) als auch auf die äußere Einheitlichkeit zwischen verschiedenen Unternehmen.664 So erleichtern einheitliche finanzielle Daten der Rechnungslegung zum einen die Beobachtung eines einzelnen Unternehmens über einen längeren Zeitraum hinweg (consistency), zum anderen den Vergleich zwischen verschiedenen Unternehmen (comparability).665 Wahlrechte und Wechsel von Darstellungsmethoden, wenn auch als elementarer Bestandteil ordnungsgemäßer Buchführung unentbehrlich,666 sind folglich möglichst begrenzt zu halten.667 Verhaltensökonomisch hat sich gezeigt, dass gerade komplizierte und schwer verständliche Informationen besser in die Entscheidungsfindung einbezogen werden, wenn eine vergleichende Bewertung ermöglicht wird. Anderenfalls würden die Daten schlicht ausgeblendet werden.668 Sind Abweichungen von Standards (z. B. Wechsel der Bilanzierungsmethode) 660 Begr. Reg-E TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 62; zur formellen Publizität nach EHUG und TUG, unten, D.II.4. 661 Ekkenga, Anlegerschutz, S. 75. 662 Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, S. 587; Easterbrook/Fischel, 70 Va. L. Rev. 669, 700 (1984). 663 Third party effects können eine erhebliche Abneigung ggü. Transparenz zur Folge haben, so dass Daten z. T. gezielt verschleiert werden, vgl. oben, B.III.2.c), sowie Easterbrook/Fischel, 70 Va. L. Rev. 669, 701 (1984). 664 Unterscheidung nach Merkt, Unternehmenspublizität, S. 463 ff. 665 Paredes, 81 Wash. U.L.Q. 417, 449. 666 Kruse, in: FS Leffson, S. 67 (Zulässigkeit aus Gesetz und Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung). 667 Wagenhofer, Internationale Rechnungslegungsstandards, S. 612. 668 Hsee, 67 Org. Beh. 247, 249 (1996).

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erforderlich, um den Aussagegehalt einer Information zu erhöhen,669 ist über deutliche Hinweise darauf hinzuwirken, dass diese dennoch in die Entscheidungsfindung einfließen kann.670 Die Einheitlichkeit erlangt im Rahmen kapitalmarktrechtlicher Publizität besondere Bedeutung, da hier der Vergleich mehrerer (Parallel-)Investments ständig erforderlich ist.671 Ein europäischer Markt erhöht nochmals das Bedürfnis nach Einheitlichkeit aufgrund seiner Größe und da hier äußerst unterschiedliche Traditionen aufeinander stoßen, weshalb verschiedene Standards die Adressaten in besonderem Maß überfordern würden.672 So wirken Börsenregeln673, aber auch technische Notwendigkeiten, besonders auf eine Standardisierung hin. Diese dient schließlich wie gesehen auch den Unternehmen selbst durch verbesserte interne Planungs- und Kontrollmöglichkeiten.674 Andererseits wurde bereits deutlich, dass eine hoheitliche Standardisierung auch Nachteile mit sich bringt. Es ist insbesondere darauf zu achten, dass für Unternehmen mit unterschiedlichen Informationsbedürfnissen hinreichend differenzierte Informationsregimes zur Verfügung stehen, und dem Markt weite Mitspracherechte eingeräumt werden, um eine flexible, wirtschaftsgerechte Regulierung zu gewährleisten. Private standard setting boards bieten hier eine anzuregende Alternative, welche zudem den Vorteil mit sich bringt, dass über nationale Grenzen hinaus Einheitlichkeit und Vergleichbarkeit gewährleistet werden können.675 Schließlich erscheint wichtig, Unternehmen eine differenzierte Informationspreisgabepolitik zu ermöglichen, wobei allerdings eine grundlegende Vergleichsbasis zu gewährleisten ist. d) Zusammenfassung im Grundsatz der Adressatenorientierung An dieser Stelle kann festgehalten werden, dass Pflichtpublizität die Wesentlichkeit, die Werthaltigkeit (Aktualität, Richtigkeit) und Nutzbarkeit (Klarheit, Zugänglichkeit), sowie die Einheitlichkeit offenzulegender Informationen besonders gewährleisten kann und muss. Ferner wird deutlich, dass sich die verschieden anmutenden Grundsätze größtenteils gegenseitig beeinflussen. Insbesondere die Forderung weitgehender und generalisierender Einheitlichkeit scheint dem Ziel einer Begrenzung auf das im Einzelfall wesentliche Maß zu widersprechen. Ein solch absolutes Verständnis der hier aufgezeigten Grundsätze greift allerdings zu kurz. Diese sind vielmehr als relative, in Wechselwirkung stehende Kriterien oder 669 In solchen Fällen sollte vom Stetigkeitsgrundsatz abgewichen werden, Baetge/Kirsch/ Thiele, Bilanzen, 119. 670 BaFin, Emittentenleitfaden, S. 49 f. 671 Zetsche, Aktionärsinformation, S. 243. 672 Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 242. 673 Vgl. die Musterformate für Quartalsberichte gem. § 63 Abs. 6 BörsO FWB. 674 Wolz/Janssen, WPg 2009, 593, 597 (Begrenzung der Manipulationsmöglichkeiten durch das Management). 675 Merkt, Unternehmenspublizität, S. 465 m.w.N.

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B. Publizitätspflichten aus ökonomischer Sicht und die Rolle des Rechts

Maßstäbe zu verstehen, die zur Bewertung einer konkreten Offenlegungsvorschrift heranzuziehen sind. Die Erkenntnis dieser Relationalität der einzelnen Grundsätze führt nun aber dazu, dass weiter ein gemeinsamer Oberbegriff im Sinne einer deskriptiven, systematisierenden Ordnung fehlt.676 Ein solches gemeinsames, alle Kriterien verbindendes Element kann aber in der Adressatenorientierung gesehen werden.677 Insofern verkennt die Auffassung, dass Information am Markt zwingend systemlos sein müsse, weil sie „fleckenförmig“ und für den jeweiligen Einzelfall konzipiert sei,678 den systematischen Zusammenhang der einzelnen, sich gegenseitig beeinflussenden Informationspflichten: Im Gesamtkonzept können sie dergestalt untereinander abgestimmt werden, dass sie in ihrem Zusammenwirken sämtlichen aufgezeigten Grundsätzen gerecht werden und somit dem Empfänger eine optimale Entscheidungsgrundlage bieten. Die Erkenntnis, dass Publizität marktorientiert an den Bedürfnissen der jeweiligen Adressaten auszurichten ist, ist bereits mehrfach eingeflossen. Bei der Betrachtung der einzelnen Grundsätze der Publizität wurde nun aber deutlich, dass diese Markt- und Adressatenbezogenheit auch als Oberbegriff oder grundlegendes Ziel verstanden werden kann, auf welches die einzelnen Elemente abzustimmen sind. So mögen für Individualanleger andere Inhalte wesentlich und andere Darstellungsformate nützlich sein, als für internationalen Spezialisten. Was der Einzelne versteht, ist für den Spezialisten banal. Dieser benötigt aber Fachinformationen, die ersteren nur verwirren.679 Zudem kann ein Interessenausgleich mit der Marktgegenseite oft dermaßen erfolgen, dass eines oder einige der Elemente in bestimmten Situationen weniger gewichtet werden. So lässt sich die Möglichkeit, eine als wesentlich eingestufte Information nur verzögert offen legen zu müssen, als Ausgleich berechtigter Interessen erklären: schon mit geringen Einbußen an Aktualität können die Interessen des Unternehmens gewahrt bleiben, ohne dass auf die Offenlegung an sich verzichtet werden muss.680 Im Ergebnis muss das Publizitätsregime dafür sorgen, dass im Einzelfall das konkrete Informationsbedürfnis insofern erfüllt ist, als jedes Einzelelement in hinreichendem Maße befriedigt, und somit das relative Optimum an Information gewährleistet ist. Dies kann aber erst durch eine Abstimmung auf den Adressaten (Adressatenorientierung) bei ganzheitlicher Betrachtung im jeweiligen informationellen Kontext (Marktorientierung/Einbeziehung des kontextuellen Bezugs) gesche-

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Gasser, in: FS Druey, S. 727, 745. Am Beispiel der Abschlusspublizität umfassend erläutert bei Merkt, Unternehmenspublizität. S. 448 ff. 678 So grundlegend Druey, Information, S. 124, 140. 679 Merkt, Unternehmenspublizität, S. 448 verweist hier auf das oben erläuterte Beispiel, dass umfangreiche und komplizierte, für den professionellen Marktteilnehmer aber wesentliche Daten für den Einzelnen verwirrend und sogar kontraproduktiv sein können, da dieser das Wesentliche sodann übersieht, Kübler, AG 1977, 85, 90. 680 Die Länge der Frist lässt sich dann als Feinjustierung eines wertenden Interessenausgleichs verstehen. 677

IV. Folgen für die rechtliche Systematisierung hoheitlicher Publizitätspflichten 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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hen.681 Insofern ist ein Verständnis wichtig, dass eine marktbezogene Information niemals um ihrer selbst willen produziert wird. Vielmehr ist sie immer zielführend im Hinblick auf einen konkreten Publizitätszweck auszugestalten.682 Dem rechtlichen Rahmen kommt dann in einem zweiten Schritt die wesentliche systematisierende Koordinierungsfunktion der einzelnen Teilinformationen zu. Das Recht bleibt folglich nicht bei der „fleckenförmigen“ Ausgestaltung stehen, sondern fügt zunächst noch vereinzelt stehende Informationen zu einem am Adressaten orientierten Gesamtsystem zusammen. Die eingangs erörterte Problematik, dass das Recht sämtliche Informationen in ihrer Gesamtheit ohnehin niemals erfassen könne, und somit notwendigerweise lückenhaft sei,683 steht folglich einer Vorstellung nicht entgegen, nach der das Recht den Rahmen und die koordinierenden Leitlinien festlegt. Erst nach einer inneren Abstimmung in diesem Rahmen, der die einzelnen Informationen gewissermaßen zusammenhält und das Grundgerüst der Information am Markt bietet, kann eine Abstimmung mit anderen Instituten, wie beispielsweise der Möglichkeit ergänzender freiwilliger Offenlegung, erfolgen. Die Zielsetzungen des hoheitlichen Offenlegungsregimes und dessen Bedeutung laufen somit letztlich in der Ausrichtung auf die Adressaten zusammen. Dies unterstützt den ursprünglichen ökonomischen Ausgangspunkt, nach dem der Markt die besonders bedeutsame, weil auf die Situation des Adressaten Bezug nehmende Information, von sich aus am wenigsten liefert.684 e) Gemeinsamer Grundsatz der Gleichbehandlung Als weiterer umfassender, übergeordneter Grundsatz lässt sich schließlich ein allgemeines kapitalmarktrechtliches Gleichbehandlungsprinzip herausarbeiten, welches in den Publizitätsvorschriften eine besondere Ausprägung erfährt.685 Zunächst einmal ergibt sich dieser Grundsatz unmittelbar aus der Natur einer Offenlegungsvorschrift an sich. Diese ist, wie gesehen, Mittel zur Information des gesamten Marktes. Eine einmal bekannte Information lässt sich nicht auf einen bestimmten Adressaten-

681 Gasser, in: FS Druey, S. 727, 745 fordert eine Auseinandersetzung mit allen involvierten Akteuren, insb. also auch den Sendern/Unternehmen. Richtig daran ist, dass selbstverständlich auch die Interessen der Publizitätspflichtigen in die Betrachtung einbezogen werden müssen. Im Ergebnis rechtfertigt aber deren Inanspruchnahme des Kapitalmarkts, die Publizität auf das Informationsbedürfnis der Adressaten abzustimmen. 682 Köndgen, in: FS Druey, S. 791, 793. 683 Druey, Information, S. 29: „Neben der Information in Rechtsform wird es notwendigerweise immer noch Information geben, die nicht in Rechtsform gekleidet ist. […] [Diese] begrenzte Erfassbarkeit [des Rechts muss] den Verzicht auf das System und dies Schwächung seines Geltungsanspruchs bedeuten.“ (Hervorhebung im Original). 684 von Hayek, in: ders. (Hrsg.), Individualismus, S. 77, 80 f. 685 Monographische Darstellung bei Mehringer, Gleichbehandlungsprinzip, m.w.N. und umfassender Herleitung.

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B. Publizitätspflichten aus ökonomischer Sicht und die Rolle des Rechts

kreis beschränken, sondern kann von jedem Marktteilnehmer genutzt werden.686 Für diese wird mittels Publizität ein egalitäres Informationsniveau geschaffen.687 Dies ist Ausfluss der ökonomischen Analyse, wonach ungleiche Informationsverteilung möglichst auszugleichen ist, um eine Investitionsentscheidung zu ermöglichen. Die Vertreter eines allgemeinen Gleichbehandlungsprinzips gehen allerdings noch einen Schritt weiter. Danach erfordere die Chancengleichheit über den Anlegerkollektivschutz hinaus, dass jegliche Ungleichbehandlung oder Differenzierung zwischen Anlegern unterbleibt – mit der Folge, dass beispielsweise eine Information auch für Individualanleger immer verständlich sein müsse.688 Die Herstellung einer Bereichsöffentlichkeit über elektronische Nachrichtensysteme wäre nach dieser Ansicht als Verstoß gegen die umfassende Informationsgleichbehandlung zwischen Anlegern unzulässig.689 Diese Auslegung widerspricht der herkömmlichen Auffassung des Gesetzgebers690 und weiter Teile der Lehre,691 die eine Bereichsöffentlichkeit als ausreichend erachten. So sei gewährleistet, dass die Informationen hinreichend schnell in den Börsenkurs einfließen, und auf diese Weise auch Einzelanlegern zugutekommen.692 Eine detaillierte Diskussion der Problematik überschreitet den Untersuchungsbereich dieser Arbeit. Allerdings lässt sich nach den bisherigen Ausführungen durchaus bezweifeln, dass eine absolute Einebnung jeglicher eigener Suchanreize für professionelle Marktteilnehmer in dieser Radikalität zu unterstützen ist. Zudem hat der Grundsatz der Adressatenorientierung gezeigt, dass unterschiedliche Informationsbedürfnisse auch unterschiedliche Mittel verlangen. Insofern ist dem Individualanleger mit einer Verbesserung der Effizienz und einer verständlichen Aufarbeitung durch Finanzanalysten und Intermediäre wohl besser geholfen, als durch eine generelle Vereinfachung des informationellen Umfelds. Der Staat gewährleistet durch sein festgelegtes Publizitätsregime nach diesem Verständnis ein Mindestmaß an Chancengleichheit, das markteigene Mechanismen (unravelling) ergänzt und optimiert, nicht aber ersetzt.693 Dem steht nicht entgegen, aus Vertrauens- und Individualschutzgründen auf eine bestmögliche Gleichbehandlung (etwa durch vermehrte Nutzung des Internets für

686 Damit ist nicht gesagt, dass bei der Ausgestaltung der Publizitätsvorschrift diese nicht auf bestimmte Adressaten besonders abgestimmt sind. Es lässt sich nur nicht vermeiden, dass auch andere Marktteilnehmer diese Information verarbeiten und nutzen. 687 Bachmann, in: FS Schwark, S. 331. 688 Mehringer, Gleichbehandlungsprinzip, S. 170 ff. m.w.N. 689 Möllers, ZBB 2003, 390, 393 f. m.w.N. 690 RegE 2. FMFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 46. 691 Statt vieler Kümpel/Assmann, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), 3. Aufl., § 15 WpHG, Rn. 221. 692 Zimmer, in: Schwark, KMK, § 15 WpHG, Rn. 145. 693 Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 299 ff.; Heinze, S. 278 ff., 364 („ein vergleichbares Maß an Informationen als Ausgangsbasis“).

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Veröffentlichungen)694 hinzuwirken. Anschauliches Beispiel ist ferner die Regelung der USA, wo mit der Regulation Fair Disclosure im Jahre 2000695 umfassend auf eine Gleichbehandlung professioneller Marktteilnehmer mit dem Rest des Marktes dergestalt hingewirkt wurde, dass ein ungleiches Zugänglichmachen einer Information unverzüglich durch eine public disclosure in Form eines Form 8-K auszugleichen ist.696 Die Unterschiede werden folglich dem Markt als Ganzem schnellstmöglich offen gelegt. Dabei bestehen für registered public offerings umfassende Ausnahmen,697 und es soll keinesfalls eine Vereinfachung auf ein solches Niveau erfolgen, dass wirklich jeder es verstehen kann.698 Insofern lässt sich auch diese Regelung so interpretieren, dass auf eine Gleichbehandlung aller Investoren so weit wie möglich hinzuwirken ist, ohne dabei aber generell auf eine Finanzintermediation zu verzichten oder Grundeinsichten der Markteffizienz zu verkennen.699 In diesem Sinne lässt sich auch die neuere deutsche und europäische Gesetzgebung700 verstehen. Insbesondere die Pflicht, Insiderinformationen unverzüglich zu veröffentlichen (§§ 14, 15 WpHG), verdeutlicht den Zusammenhang von umfassender Information und Gleichbehandlung aller Marktteilnehmer.701 Eine Darstellung, inwieweit darüber hinaus gehende freiwillige Publizität oder auch nur selektive Offenlegung an einzelne Marktteilnehmer möglich und erforderlich ist, erfolgt hier nicht. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass die neuere Literatur aus dem Prinzip informationeller Gleichbehandlung einen ungeschriebenen Anspruch auf Information herleitet, der über §§ 14, 15 WpHG (erfasst werden auch nicht kurserhebliche Informationen), § 131 Abs. 4 AktG (umfassender Auskunftsanspruch auch außerhalb der Hauptversammlung) und die Empfehlungen des DCGK702 hinausgeht und den Vorstand teils zu aktiver Offenlegung verpflichten will.703 Eine solche Pflicht (zusätzliche generelle Publizitätspflicht?) widerspricht 694

§ 5 Satz 1 Nr. 2 WpAIV (zusätzliche Veröffentlichung auf Internetseite) wie auch § 3a Abs. 2 Nr. 1 WpAIV („Medienbündel“) wurden aus Gleichheitsgesichtspunkten eingeführt, Bachmann, in: FS Schwark, S. 331, 335. 695 17 C.F.R. §§ 243.100 – 243.103, abgedruckt bei Cox/Hillman/Langevoort, Statutes and Rules, S. 773 ff. 696 Rules 100 (a), 101 (e), abgedruckt ebd. 697 Rule 100 b (2) (iv), abgedruckt ebd. 698 Choi, 35 U. C. Davies L. Rev. 533 (2002). 699 SEC, Securities Act Release No. 33-7881 v. 15. Aug. 2000, abgedruckt bei Cox/Hillman/ Langevoort, S. 908. 700 WpPG und Prospektrichtlinie lehnen eine Sonderbehandlung einzelner Anleger ab und fordern gleiche Wettbewerbsbedingungen i.S.v. gleichen Informationen für alle Marktteilnehmer, Ekkenga, BB 2005, 561, 561 f. Nicht gefordert wird, unterschiedliche Aufarbeitung oder Darstellung (vereinfachter Prospekt!) zu verbieten. 701 Vgl. Schön, RabelsZ 64 (2000), 1, 26. 702 Ziff. 6.3. Satz 2 DCGK empfiehlt die Publizität selektiv gegebener Information, schreibt sie aber nicht vor. 703 Verse, S. 386 ff., 514 ff.; für „anlassbezogene“ Informationen auch Zetsche, S. 308 f., 351 f.; einschränkend Mehringer, S. 183 (nicht über das Gesetz hinausgehend). Überblicksartig Bachmann, in: FS Schwark, S. 331, 345 f., auch unter Darstellung der Gegenauffassung; vgl. unten, D.II.3.e): de lege lata keine Publizität bei § 131 AktG.

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B. Publizitätspflichten aus ökonomischer Sicht und die Rolle des Rechts

der herausgearbeiteten Notwendigkeit konzeptioneller Begrenzung auf wesentliche Informationen, verdeutlicht jedoch die Intensität, mit welcher umfassende, bald schrankenlose Offenlegung gefordert wird. Der kapitalmarktrechtliche Grundsatz informationeller Anlegergleichbehandlung kann folglich insoweit bestätigt werden, als darauf hinzuwirken ist, dass diejenigen Informationen, die in das konzeptionelle Pflichtenprogramm einbezogen sind (hoheitlich festgeschriebene, marktorientierte Publizität), allen Marktteilnehmern möglichst zeitgleich in einem verständlichen Format zur Verfügung stehen. Eine Einebnung unterschiedlicher Informationswege und -formate ist damit aber im Interesse einer adressatengerechten Darstellung keineswegs zwingend verbunden. Vielmehr ist im Sinne der oben genannten Grundsätze zu gewährleisten, dass die wesentlichen Informationen für den Empfänger zeitnah und richtig, klar und zugänglich in einheitlichem Format dargestellt werden, so dass die Adressaten sie im jeweiligen informationellen Umfeld unter gleichen Bedingungen optimal nutzen können. Dem entspricht, dass sowohl § 30a Abs. 1 Nr. 1 WpHG als auch § 53 a AktG als relative Gleichbehandlungsgebote formuliert sind und somit „sachliche Gründe“ berücksichtigen.704 Wird im Folgenden die Analyse auf das gesamte Gesellschaftsrecht erstreckt, so wird eine weitere Dimension des Gleichbehandlungsgrundsatzes deutlich. Soweit Publizitätspflichten der effektiven Wahrnehmung von Mitwirkungsrechten der Aktionäre dienen (Durchsetzungs- und Informationsfunktion der Publizität), dürfen die an aktiver Mitwirkung interessierten Aktionäre nicht informationell besser oder schlechter gestellt werden, als solche Aktionäre, die an der Aktie nur als einer Form der Geldanlage interessiert sind.705 Es wird sich zeigen, dass eine Abgrenzung der Interessenlagen hier ohnehin meist kaum möglich ist. Schließlich ist zu beachten, dass der kapitalmarktrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz im Sinne einer Chancengleichheit im Rahmen der Informationsvermittlung besonders ausgeprägt ist.706 Dieses „Prinzip informationeller Gleichbehandlung“ – in § 30a Abs. 1 Nr. 1 WpHG, der auf die Transparenzrichtlinie zurückgeht, gesetzlich verankert707 – ist Bestandteil eines allgemeinen, gesellschaftsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes, der in § 53a AktG seine Ausprägung gefunden hat.708 Diese sind jedoch nicht gleichzustellen.709 Später wird ein zwingendes Grundkapital auch damit gerechtfertigt werden, dass es dem Minderheitenschutz diene, indem 704 „Unter gleichen Voraussetzungen“. Damit lassen sie eine sachlich gerechtfertigte Ungleichbehandlung zu; im WpHG kann dabei das Interesse des Marktes berücksichtigt werden, Bachmann, in: FS Schwark, S. 331, 339. 705 Schön, RabelsZ 64 (2000), 1, 25 f. 706 § 15 Abs. 5 S. 1 WpPG; Ekkenga/Maas, in: Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Kz. 55, Rn. 144. 707 Bachmann, in: FS Schwark, S. 331, 332. 708 Dazu ausführlich zuletzt Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, S. 509 ff. 709 Wienecke, in: Grundmann (Hrsg.), Anleger- und Funktionsschutz, S. 37, 53, 55.

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es eine statistische Beteiligungsquote festlege (vgl. § 8 Abs. 4 AktG), welche widerum Grundlage für den Einfluss auf Abstimmungsergebnisse (§ 134 Abs. 1 Satz 1 AktG), die Berechnung der Dividende (§ 60 Abs. 1 AktG) und die Bemessung des Liquidationsanteils (§ 271 Abs. 2 AktG) sei, und somit den Grundsatz verbandsinterner Gleichbehandlung konkretisiere.710 Soll Minderheitenschutz aber allein durch Publizität gewährleistet werden, ist zu beachten, dass informationelle Gleichbehandlung nicht per se ein gleichwertiges Niveau materiellen Schutzes zur Folge hat.711 Informationelle Chancengleichheit der Anleger (Ziel: Individual- und Marktfunktionsschutz durch Ausgleich struktureller Marktungleichgewichte) stellt mithin eine eigenständige Zielgröße neben dem mitgliedschaftlichen Anspruch auf Gleichbehandlung dar.712 Sofern letzterer informationelle Ausprägung erfährt – so etwa in § 131 Abs. 4 AktG – wird er aber in das darzustellende Informationskonzept einzubeziehen sein.713 f) Die Rolle des Staates Damit stehen die inhaltlichen Grundsätze und Grundwertungen hoheitlicher Publizitätsgebote fest. Soll nun die Rolle des Staates näher konkretisiert werden, so besteht die Gefahr eines wirtschaftpolitisch-ideologischen Streits. Verfechter einer freien Wettbewerbsordnung werden für eine individualistisch ausgerichtete Marktwirtschaft eintreten und jegliches staatliche Eingreifen mit Skepsis betrachten.714 Die Brauchbarkeit der neoklassischen Theorie wurde aber im Rahmen der theoretischen und empirischen Marktanalyse deutlich: Im Kern geht es auch bei der rechtlichen Ausgestaltung darum, funktionsfähige Kapitalmärkte bei größtmöglichem Individualschutz zu gewährleisten, was bei einer Politik des Laissez-faire im Sinne des klassischen Liberalismus zumindest äußerst fragwürdig erscheint.715 Es stellt sich mithin die Frage, wie eine staatliche Rahmenordnung auszugestalten ist. Ist der Wettbewerb 710 Ekkenga/Bayer, in: Lutter (Hrsg.), Kapital, S. 342, 345 (ausführliche Herleitung); vgl. unten, C.II.4.a). 711 Zu den Unterschieden im Einzelnen Verse, S. 9 f.; zum Minderheitenschutz ebd., S. 171, 308 ff. 712 Verse, S. 78 (gesellschaftsrechtliches Prinzip), S. 9 f., 509 ff. (spezielles informationelles Gebot). 713 Dazu anschaulich Bachmann, in: FS Schwark, S. 331, 332. 714 Schöner Überblick über die Chicago-Schule bei Noppeney, Chicago-Schule, S. 50 f. m.w.N. Kernaussagen sind (1) das Festhalten an der neoklassischen Preistheorie zur Erklärung wirtschaftlichen Verhaltens, sowie (2) das Vertrauen in die Allokationseffizienz freier Märkte. Kennzeichnend ist damit ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber jeglicher Form staatlichen Interventionismus und eine Befürwortung weitestgehender Deregulation, vgl. Reder, Chicago School, S. 413, 416 f. Dies gilt auch für den sog. „political economic“-Zweig, welcher staatliche Eingriffe als marktendogene Ergebnisse eines natürlichen (free choice-) politisch-ökonomischen Prozesses sieht (im Gegensatz zu marktexogener staatlicher Verfälschung effizienter Marktkräfte, welche ebenso unvollkommen (imperfect) und nicht wohlstandsfördernd ist), grundlegend Stigler, Public Policy. 715 Vgl. zu den Unterschieden von klassischem Liberalismus, Paläoliberalismus, Neoliberalismus und Ordoliberalismus, Noppeney, Chicago-Schule, S. 12 m.w.N.

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B. Publizitätspflichten aus ökonomischer Sicht und die Rolle des Rechts

als Ziel staatlichen Eingreifens (neoliberaler Effizienzansatz) oder als Ordnungsinstrument zu verstehen, welches außerökonomischen Kriterien dient (ordoliberaler Ansatz der sozialen Marktwirtschaft)?716 Hier genügt es, die Notwendigkeit einer staatlichen, die Marktmechanismen optimierenden717 Rahmenordnung zu erkennen. Wie im Folgenden näher gezeigt werden soll, kann Publizität dabei vielerorts ermöglichen, ordnungspolitische Gerechtigkeitsvorstellungen durchzusetzen und gleichzeitig einen wohlstandsfördernden Wettbewerb zu erhalten. Hoheitliche Publizitätspflichten sind in diesem Sinne als „Rahmenordnung“ oder „Gerüst “ zu verstehen, innerhalb dessen wirtschaftliche Tätigkeit stattfindet. Sie bieten diejenige informationelle Grundlage, auf welcher der schutzbedürftige Einzelne am Marktgeschehen teilnimmt. Auf materielle Eingriffe oder Marktzugangsschranken kann weitestgehend verzichtet werden, ohne dabei zur ungehemmten Eigenlenkung mittels Markt und Wettbewerb zurückzukehren. Vielmehr werden gezielt Selbstregulierungsprozesse ins Recht eingebaut, mit deren Hilfe der Markt selbst zu einem inhaltlichen Ergebnis kommen kann.718 Der Staat zieht sich dabei auf die Gewährleistung der soeben herausgearbeiteten Standards oder Grundsätze zurück. Über die normative Bestimmtheit des Konzepts wird vorab klar festgelegt, welche Informationen in welchem Format zur Verfügung zu stellen sind. Dem Regime hoheitlicher Offenlegungspflichten kommt damit vor allem eine abstimmende, die Grundsätze in wertenden Ausgleich bringende Funktion zu. Gewährleistet wird ein umfassendes Gesamtkonzept, welches die Offenlegungspflichten in ihren vielfältigen Wechselwirkungen (Interdependenz) untereinander abstimmt und damit in ihrer Wirkung optimiert. Wird im Folgenden herausgearbeitet, dass Publizität in diesem Sinne der liberalen Konzeption des Gesellschaftsrechts eher entspricht als zwingende materielle Eingriffe, so ist zu beachten, dass dieses Argument bei einer ergebnisorientiert-verhaltenssteuernden Verwendung der Publizität stark eingeschränkt ist. Sollen inhaltlich vorgegebene Ergebnisse durch Publizität „erzwungen“ werden, so ist im Kern nur eine Verlagerung der interventionistischen Staatslenkung der Wirtschaft vom unternehmensinternen zum externen/marktbezogenen Bereich erfolgt. Meier-Schatz erklärt diese Verrechtlichung des Marktgeschehens durch Publizität:719 Wird diese (im Rahmen ihrer Governance-Funktion) verwendet, um breitere gesellschaftspolitische Ziele zu verfolgen, so nimmt der Staat damit gezielt Einfluss auf das Verhalten der Unternehmer und Verbraucher. Publizität lenkt Managemententscheidungen des Unternehmens somit durch externen Druck in vorgegebene Bahnen. Funktionsanalytisch ist hier nach der Effektivität dieser Regelungsmethodik zu fragen (Gewährleis716

Vgl. Eucken, Grundsätze, S. 26 ff.; Überblick bei Ptak, Vom Ordoliberalismus zur Sozialen Marktwirtschaft. 717 Der Marktmechanismus soll ausdrücklich nicht ersetzt, sondern im Kern erhalten und optimiert werden. 718 Meier-Schatz, Wirtschaftsrecht, S. 49. 719 Anschaulich Meier-Schatz, Wirtschaftsrecht, S. 65, 95

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tung eines hinreichenden Schutzniveaus?). Systematisch wird aber deutlich, dass im Kern eine „Umgehung“ materieller Vorgaben unter dem Anschein der Liberalität erfolgen soll. Die aktuelle Debatte zu Vorstandsbezügen zeigt, dass der Gesetzgeber bei einem Versagen der Marktkontrolle durchaus bereit ist, auch zu inhaltlichen Vorgaben vorzustoßen, und sich damit über den Markt hinwegsetzt. 3. Informationspflichtige und Adressaten hoheitlicher Publizitätspflichten a) Unternehmen am Markt als Verpflichtete der Offenlegung Unmittelbar aus Effizienzüberlegungen (cheapest-cost-avoider, Vermeidung der Verdopplung von Informationsanstrengungen) ergibt sich, die Informationspflichten den Unternehmen aufzuerlegen, die den Markt in Anspruch nehmen. Das hier zu Grunde gelegte Konzept abgestufter Offenlegungsanforderungen basiert dabei auf dem Gedanken, dass Publizität als „Korrelat der Marktteilnahme“ gerechtfertigt ist. Große, den Markt umfassend in Anspruch nehmende Unternehmen unterliegen weitergehenden Offenlegungspflichten als kleinere, deren wirtschaftlicher Aufbau und Struktur mit einer erheblich geringeren Informationsdichte transparent gemacht werden kann.720 Bei umfassender Inanspruchnahme des Marktes werden die Kosten oder Offenlegung auf eine Vielzahl von Transaktionen verteilt und somit schneller amortisiert.721 Kleinere Unternehmen haben demgegenüber legitime Geheimhaltungsinteressen und wären bei undifferenzierter Behandlung ungleich stärkeren Nachteilen, zum Beispiel im Wettbewerb, ausgesetzt, so dass umfassende Transparenz sich für sie als Marktzugangsschranke darstellen würde.722 Daraus folgt, dass die Anforderungen mit der Intensität der Marktteilnahme zu steigen haben, beispielsweise durch rechtsform- oder größenabhängige Abstufungen der Publizitätspflichten.723 So kann eine unverhältnismäßige Belastung einzelner Marktteilnehmer vermieden werden, was im Ergebnis der Funktionsfähigkeit des Marktes dient.724 Wie die Differenzierung im Einzelnen zu erfolgen hat, ist letztlich eine Frage des Ausgleichs von Bedürfnissen des Individual- und Institutionsschutzes. b) Adressaten der Publizitätspflichten Die Schwierigkeit der Ausgestaltung von Publizitätsnormen ist zu einem großen Teil auf die Unsicherheit zurückzuführen, wer Adressat hoheitlicher Publizitäts-

720 721 722 723 724

Anschaulich Apelt, Publizität, S. 99 (für die Rechnungslegungspublizität). Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 580. Vgl. Assmann, AG 1993, 549, 562. Kommission, Aktionsplan, KOM (2003), 284 endg., S. 10, 11. Grohmann, Informationsmodell, S. 78.

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B. Publizitätspflichten aus ökonomischer Sicht und die Rolle des Rechts

pflichten ist und welche Anforderungen an ihn gestellt werden dürfen.725 Die Frage kann auf das Grundverständnis der Publizität als an einen unbestimmten Adressatenkreis gerichtete Information zurückgeführt werden. Eine zumindest ansatzweise „Adressatenkonkretisierung“ ist aber Voraussetzung jeder Adressatenorientierung.726 Die Leitlinien dazu haben sich im Kapitalmarktmarktrecht anhand der Frage herausgebildet, wer Adressat des Emissionsprospekts ist.727 Dies ist darauf zurückzuführen, dass der kapitalmarktrechtliche Anlegerschutz in seiner individuellen wie institutionellen Ausprägung auf dem Konzept eines Abbaus von Informationsasymmetrien beruht. Informationeller Anlegerschutz wird dadurch erreicht, dass dem Anleger sämtliche für seine Investitionsentscheidung notwendigen Informationen zur Verfügung gestellt werden und er auf deren Grundlage eine selbstbestimmte, eigenverantwortliche Anlageentscheidung fällt.728 Dieses Informationsbedürfnis einer breiten Anlegerschaft ergibt sich zum ersten Mal beim Markteintritt, besteht aber während der Marktteilnahme fort, und lässt sich nach dem Grundgedanken des hier angeregten Verständnisses auf alle Informationsnormen übertragen, die an die Inanspruchnahme des Kapitalmarktes anknüpfen und mithin dem Anlegerschutz durch Information zu dienen bestimmt sind – gleich, ob diese kapitalmarktrechtlicher oder gesellschaftsrechtlicher Natur sind. Die Unterschiede in den Informationsbedürfnissen verschiedener Marktteilnehmer sind derartig vielfältig, dass hier eine Begrenzung auf einige Grundsatzüberlegungen erfolgen muss. Grundlegender Gedanke ist aber auch hier, dass von einem typischen Schutzbedürfnis729 eines Großteils der Anleger auszugehen ist, das in der erläuterten Macht- und Informationsasymmetrie unter den Marktteilnehmern begründet liegt. Vorab ist der Adressat, der ein rechtlich anerkennenswertes Informationsbedürfnis hat, vom Interessenten einer Offenlegung, der nur reflexartig mitinformiert wird, zu unterscheiden.730 Nur auf ersteren sind die Pflichten inhaltlich auszugestalten, nur er hat einen durchsetzbaren Anspruch. Da aber faktisch unmöglich ist, den Zugang zu überindividuell publizierter Information zu beschränken, sind die Nutzungsmöglichkeiten aller, denen free-riding-Effekte zugute kommen, in ihren Auswirkungen zu berücksichtigen („Fernwirkungen“ der Publizität).731

725 Klöhn, in: Langenbucher (Hrsg.), § 6, Rn. 155 („allgegenwärtige Frage des Kapitalmarktrechts“). 726 Moxter, in: FS Leffson, S. 89, 94. 727 Überblick bei Groß, §§ 44, 45 BörsG, Rn. 41. 728 Anschaulich Lenenbach, § 1, Rn. 8.4 („Informationsmodell des Anlegerschutzes“). 729 Kalls, Jahrbuch, S. 65, 68. 730 Moxter, in: FS Leffson, S. 89, 95. 731 Sie können ggf. eine Geheimhaltung rechtfertigen, Moxter, in: FS Leffson, S. 89, 97 („Nebenwirkungen“).

IV. Folgen für die rechtliche Systematisierung hoheitlicher Publizitätspflichten 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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aa) Verständnishorizont der Anleger als primäre Adressaten Im Mittelpunkt der funktionsdogmatischen Betrachtung der Publizität stehen freilich die aktuellen und potentiellen Aktionäre/Anleger als Eigenkapitalgeber. Wie gesehen liegt Publizität ökonomisch in einem Bedürfnis nach Individual- und Funktionsschutz begründet, welches im Wesentlichen Folge rationaler Apathie der Anleger in der Publikumspersonengesellschaft ist.732 Weil dem Einzelnen die Vorteile seiner (Überwachungs-/Mitwirkungs-)tätigkeit nur in begrenztem Maße zugutekommen, sind die essentialia des Anlegerschutzes gesetzlich zu regeln.733 Die anderen Adressatengruppen haben dagegen regelmäßig die Möglichkeit, ihre Beziehung zum Unternehmen mittels perfekter Verträge zu gestalten.734 Die Gruppe der Eigenkapitalgeber allein ist jedoch schon so heterogen,735 dass eine Bestimmung kaum möglich ist. Die anhand des Emissionsprospekts herausgebildeten Meinungen, wer als Adressat kapitalmarktorientierter Information zu verstehen ist, reichen von der Auffassung, diese seien nur an den Informationsbedürfnissen professioneller Marktteilnehmer auszurichten, bis hin zu der Meinung, das gesamte Publikum, mithin auch der „unkundige Kleinaktionär“ müsse sie unmittelbar verstehen können.736 Dieses weite Spektrum ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass weder die deutschen noch die europäischen Vorschriften klare Angaben zum Prospektadressaten machen.737 Der Bundesgerichtshof und die instanzgerichtliche Rechtsprechung stellen vermittelnd auf einen „durchschnittlichen Anleger“ ab, „der zwar eine Bilanz zu lesen versteht, aber nicht unmittelbar mit der in eingeweihten Kreisen gebräuchlichen Schlüsselsprache vertraut zu sein braucht.“738 Daran wurde kritisiert, der „durchschnittliche Anleger“ könne gerade keine Bilanz lesen,739 die zudem noch nach internationalen Standards erstellt wird. Führt man die Diskussion auf die Vorgaben der Prospektrichtlinie zurück, die im deutschen WpPG ihren Niederschlag gefunden haben, so wird deutlich, dass der „professionelle Anleger“ nicht alleiniger Adressat des Prospektes sein kann. Denn bei einem Angebot an qualifizierte Anleger entfällt gerade die Prospektpflicht.740 Es 732

Bergmeister, S. 19 ff.; zum Individualschutzkonzept des KapMuG, vgl. zudem unten,

D.II. 733

Kübler, in: FS Zöllner, S. 321, 326. Perfekte Verträge regeln umfassend eine Rechtsbeziehung des Unternehmens, etwa mit einer kreditgebenden Bank, einem Arbeitnehmer, Abnehmer oder Kunden, Kübler, in: FS Zöllner, S. 321, 324. 735 Groß- und Kleinanleger, private und institutionelle, professionelle und Einmalanleger, Daueranleger und Spekulanten. Die Liste ließe sich fortführen, vgl. Brellochs, Publizität, S. 70 m.w.N.; Kalss, Jahrbuch, S. 65, 68. 736 Zusammenfassender Überblick mit umfassenden Nachweisen bei Klöhn, Behavioral Finance, S. 173 ff.; Nachweise auch bei Assmann, Handbuch Kapitalanlagerecht, § 6, Rn. 83. 737 Fleischer, Gutachten F, S. F43. 738 BGH NJW 1982, 2823, 2824 (BuM); OLG Frankfurt, WM 2004, 1831, 1835 (EM.TV). 739 Assmann, Prospekthaftung, S. 317. 740 § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WpPG; Art. 3 Abs. 2 lit. a) Prospektrichtlinie. 734

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B. Publizitätspflichten aus ökonomischer Sicht und die Rolle des Rechts

ließe sich argumentieren, dass mit der Inanspruchnahme des organisierten Marktes ein besonderes Schutzbedürfnis für Kleinanleger entsteht, nach dem gewährleistet sein soll, dass ein Grundgerüst an Informationen dem Markt zumindest zur Verfügung steht und somit jedenfalls durch professionelle Marktteilnehmer im Preis verarbeitet ist. Die rechtlichen Vorgaben deuten allerdings darauf hin, dass ein eigenständiges Verständnis durch den Adressaten angestrebt ist: Der Prospekt allein soll den Anlegern eine informierte Anlageentscheidung ermöglichen.741 Der „leicht analysierbare und verständliche“ Prospekt, soll „dem Publikum“ ein zutreffendes Urteil ermöglichen.742 Die Zusammenfassung in „kurzer und allgemein verständlicher“ Sprache soll lediglich als Einführung dienen und „den Anleger“ darauf hinweisen, dass er seine Entscheidung auf die Prüfung des gesamten Prospekts stützen sollte.743 Dem Verständlichkeitsgebot steht freilich entgegen, dass der Prospekt von den wenigsten Einzelanlegern tatsächlich gelesen wird,744 und er deren individuelle Informationsbedürfnisse auch gar nicht berücksichtigen kann.745 Daher ist der Vorschlag gemacht worden, dem Einzelanleger einen Kurzprospekt nach US-amerikanischem Vorbild auszuhändigen,746 oder aber die nur für Spezialisten verständlichen Angaben in einer allgemein verständlichen Zusammenfassung zu erläutern.747 Ziel dieser Bemühungen ist es, den Prospekt möglichst frei von „Laiensprache“ zu halten, ohne dabei nur Daten aneinanderzureihen, die nicht mehr allgemein verständlich sind.748 Dahinter steht letztlich der Gedanke, dass eine bloß mittelbare Information durch Intermediäre nicht ausreichend ist.749 Denn es bestehen erhebliche Zweifel, ob diese tatsächlich alle Informationen hinsichtlich aller Emittenten aufnehmen und verarbeiten,750 und sodann effektiv an die Anleger weiterleiten.751 Zudem soll nach dem europäischen Konzept die Anlageberatung eine eigenständige Meinungsbildung der Anleger nicht ersetzen, sondern nur unterstützen.752 Deren Vertrauen in den Kapitalmarkt kann danach nur erreicht werden, wenn sie die Information unmittelbar verstehen;753 am Ende tragen sie das Risiko.754 Daher spricht vieles dafür, auf einen „ver741

Erwägungsgrund (19) zur Prospektrichtlinie. § 5 Abs. 1 Satz 1 WpPG. 743 § 5 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1, 2 WpPG. 744 Heinze, Europäisches Kapitalmarktrecht, S. 371. 745 Assmann, in: FS Kübler, S. 317, 330, 351. 746 Kalss, Anlegerinteressen, S. 173. 747 Weber, Kapitalmarktrecht, S. 275. 748 Groß, §§ 44, 45 BörsG, Rn. 42. 749 Aktuelle Studie mit umfassenden Nachweisen etwa bei Coval/Jurek/Stafford, HBS Working Paper 09-060. 750 Fleischer, Gutachten F, S. F44. 751 Zu den verhaltenspsychologischen Untersuchungen, nach denen Analysten ihre Meinungen zu spät revidieren und anpassen, sowie zu den Irrationalitäten und Herdenverhalten, siehe oben, B.III.2.d)dd). 752 Kalss, Anlegerinteressen, S. 174. 753 Fleischer, Gutachten F, S. F44. 742

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ständigen Anleger“ abzustellen, der ein gewisses Vorwissen und ein solches Maß an Interpretationsverständnis besitzt, dass er standardisierte Prospektinformationen zu deuten in der Lage ist,755 jedoch über kein Spezialwissen verfügen muss.756 Die Kombination fachspezifischer Einzelangaben und allgemein verständlicher Zusammenfassungen und Erläuterungen entspricht in etwa dem US-amerikanischen Konzept der „differential disclosure“.757 Aus § 5 WpPG geht somit hervor, dass ein verständiger Durchschnittsanleger der unmittelbare Adressat kapitalmarktorientierter Information ist. Dies unterstützt die Vermutung, dass die Informationstatbestände auch unmittelbar seinem Schutz zu dienen bestimmt sind. Nichts anderes kann gelten, wenn neben der bloßen Informationsfunktion die verhaltenssteuernde Funktion der Publizität mit einbezogen wird.758 Nach hier zugrunde gelegtem Verständnis besteht diese zum einen in der Wissensverwertung durch den Adressaten während der Entscheidungsvorbereitung (Fremdsteuerung), zum anderen in der Steuerung des Verhaltens der publizitätspflichtigen Unternehmen selbst, die durch die Außenwirkung der Information einer disziplinierenden Verhaltenskontrolle durch den Markt unterworfen werden.759 All diese Funktionen basieren auf dem Gedanken der wissensverwertenden Verhaltenssteuerung.760 Diese kann aber nur erreicht werden, wenn die Adressaten die Information auch effektiv in ihre Entscheidungen einbeziehen können. Folglich ist es funktionsimmanenter Bestandteil jeder Offenlegung, dass sie möglichst von allen Marktteilnehmern verstanden wird. Dieses adressatenorientierte Verständnis wird noch deutlicher, wenn der Marktschutz als zweite tragende Säule der Publizität in die Betrachtung einbezogen wird. Dabei kommt dem Vertrauensschutz durch Transparenz eine besondere Bedeutung zu.761 Soll aber das Vertrauen des einzelnen Anlegers in den Markt gestärkt 754

Vgl. BGH, Urteil vom 27. 10. 2009, XI ZR 337/08, Rn. 19 (Risikoeinschätzung muss ex ante vertretbar sein). 755 Groß, §§ 44, 45 BörsG, Rn. 41 unter Verweis auf Fleischer, Gutachten F, S. F44 f. („Deutungsdiligenz“). 756 Klöhn, Behavioral Finance, S. 173: „verständiger, aufmerksamer und kritikfähiger Anleger, der aber über kein Spezialwissen, insbesondere im Bereich Buchführung und Rechnungslegung, verfügen muss.“ Da der Jahresabschluss aber als zentrales Informationsdokument des Kapitalmarktes fungiert, muss ein Grundverständnis in diesem Bereich jedenfalls verlangt werden. Bereichsspezifische Spezialangaben und unternehmensspezifische Besonderheiten werden dann freilich zu erläutern sein. 757 Dazu Loss/Seligman, Fundamentals, S. 168; Fleischer, Gutachten F, S. F45 arbeitet daran anlehnend ein „Gebot differenzierter Verständlichkeit“ heraus; kritisch Merkt, Unternehmenspublizität, S. 415 f. 758 Zu den Unterfunktionen der Individualschutzfunktion Grohmann, Informationsmodell, S. 66 ff. 759 Merkt, Unternehmenspublizität, S. 338 ff. (Kontroll- und Risikosenkungsfunktion werden als eigenständige, aber eng verflochtene Unterfunktionen angegrenzt). 760 Vgl. Merkt, Unternehmenspublizität, S. 334. 761 Merkt, Unternehmenspublizität. S. 345, 348 ff; zu den verschiedenen institutionellen Rechtfertigungsansätzen der Pflichtpublizität (v. a.: confidence in the market-Theorie und markttheoretischer Ansatz Akerlofs), oben, B.II.

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B. Publizitätspflichten aus ökonomischer Sicht und die Rolle des Rechts

werden, so muss die Information für diesen auch verständlich sein. Der aktuelle Änderungsvorschlag zur Prospektrichtlinie stellt darum auf den Kleinanleger als „Zielpublikum“ ab, der sowohl durch die leicht verständliche Zusammenfassung als auch durch den Prospekt als Ganzes informiert wird.762 Bei solch strikter Adressatenorientierung gewährleistet Publizität Chancengleichheit und Fairness für alle Anleger. Die funktionale Betrachtungsweise hat zur Folge, dass Publizität als Mittel der Marktinformation am Markt als Ganzem ausgerichtet ist und nur über das jeweilige Produkt informiert, ohne dabei die individuelle Lage des einzelnen Anlegers zu berücksichtigen.763 Die Tatsache, dass Publizität nicht Mittel individualisierter, sondern allgemeiner Information ist, darf aber nicht dazu verleiten, unter Berufung auf den Gleichheitsgedanken Unterschiede zwischen den einzelnen Anlegern auszublenden. In der Rechtswirklichkeit gibt es nicht „den Anleger“. Es existieren ganz verschiedene Anlegergruppen mit unterschiedlich ausgeprägter Schutzbedürftigkeit, unterschiedlichem Verständnishorizont und anderen Interessen (Risikopräferenzen).764 Diese Einsicht hat auf europäischer Ebene schon früh zu einer Differenzierung zwischen verschiedenen Anlegergruppen geführt. Traditionell wurden hier professionelle (wholesale investors) von privaten Anlegern (retail investors) unterschieden.765 § 31 a WpHG nimmt heute, ausgehend von Vorgaben der MiFID,766 für Wertpapierdienstleistungen eine Dreiteilung in professionelle Kunden, Privatkunden767 und geeignete Gegenparteien vor. Dabei gehen sowohl MiFID768 als auch WpHG769 vom Leitbild des Kleinanlegers aus und statuieren klar umgrenzte Ausnahmen für professionelle Kunden. Damit sind die Publizitätspflichten im Grundsatz an den Informationsbedürfnissen des als besonders schutzbedürftig erkannten Kleinanlegers auszurichten. Gerade im Bereich der durch Wertpapierdienstleister erfolgenden Intermediation konvergiert dabei der Schutz der Kleinanleger/Privatkunden zunehmend

762 Kommission, KOM (2009) 491 endg., sub. 1., 5.3.6.: Finanzkrise erfordert Vertrauen, das durch ausreichende und bedarfsgerechte Information der Kleinanleger erreicht werden soll. Diese erfolgt durch eine Gesamtschau aller Teile des Prospekts und durch eine verbesserte Zusammenfassung; Erwägungsgrund (10), Art. 6 Prospektrichtlinie n.F. 763 Kalss, Anlegerinteressen, S. 173. 764 Fleischer, Gutachten F, S. F21. 765 Hopt, in: Gerke, Handwörterbuch des Bank- und Finanzwesens, 2001, Stichwort Anlegerschutz, Sp. 114, 120; Moloney, EC Securities Regulation, S. 345. 766 Die MiFID (2004/39/EG) kategorisiert in professionelle Kunden, Kleinanleger und geeignete Gegenparteien, dazu Fleischer, BKR 2006, 389, 391. 767 Art. 4 Abs. 1 Nr. 12 MiFID spricht von Kleinanlegern, und nicht von Privatanlegern, wobei Zielvorstellung und Schutzrichtung noch deutlicher zum Ausdruck kommen. 768 Bei der MiFID steht der Schutz der Kleinanleger ganz im Mittelpunkt, vgl. Erwägungsgründe (2), (17), (26), (31) [retail investors, …], (41) [… in respect of those investors most in need of those protections], (44), (71). So definiert Art. 4, 1.10) und 1.12) den Regelfall des retail investors und die anderen Gruppen als Ausnahmen. 769 § 31a Abs. 1, 3 WpHG: Alle Kunden sind Privatkunden, sofern nicht die Ausnahme des Abs. 2 greift.

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mit dem Verbraucherschutz, was das Leitbild des Anlegers, auch international,770 stark prägt.771 Dabei sind die Interferenzen keineswegs nur neueren Datums. Schon Hopt begründete in seinen grundlegenden Überlegungen zum Anlegerschutz im Kapitalmarktrecht772 die Legitimation eines Sonderrechts für wirtschaftlich und fachlich unterlegene Anleger773 als „bereichsspezifisches Sozialschutzprinzip“774 aus dem verfassungsrechtlichen Sozialstaatsauftrag. Verbraucher- und Anlegerschutz überschneiden, unterstützen und ergänzen sich heute in Zielsetzungen und Ausgestaltung vielerorts,775 so dass die aufgezeigten Interferenzen durchaus als konstruktiv, sich gegenseitig unterstützend und verstärkend, zu verstehen sind. Trotz Annäherung der beiden Schutzmechanismen bleibt freilich ein eigenständiges Verbraucherschutzregime bestehen, das – auch am Kapitalmarkt – unterstützend neben den Anlegerschutz tritt.776 Dessen Verbraucherleitbild basiert auf europäischer Ebene seit jeher grundlegend auf dem Konzept der informierten Entscheidung eines aufmerksamen und verständigen Bürgers.777 Ob mit diesen Tendenzen einhergehend auch der Verständnishorizont der Adressaten von Publizitätsnormen angepasst wird, zählt heute wohl zu den Kardinalfragen des europäischen Kapitalmarktrechts.778 Einzelanleger sind mit der Aufnahme, Verarbeitung und Auswertung der Informationen aufgrund deren Komplexität und schieren Menge oftmals überfordert.779 Oft erreicht hier auch eine Abstufung des Informationsinhalts – umfassende Information professioneller Marktteilnehmer gekoppelt mit allgemein verständlicher Zusammenfassung – nicht die gewünschten Ergebnis-

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§ 5 Abs. 1 des österreichischen Kapitalmarktgesetzes gewährt bei öffentlichen Angeboten ohne vorherige Prospektveröffentlichung solchen Anlegern ein Rücktrittsrecht, die auch Verbraucher i.S.d. ö. Konsumentenschutzgesetzes sind, Weber, Kapitalmarktrecht, S. 447; Sec. 2 des britischen FSMA spricht beim gesetzlichen Regelungsziel des Kapitalmarktgesetzes – ob bewusst oder unbewusst – nicht von „investor protection“, sondern von „consumer protection“, Fleischer, RIW 2001, 817, 820 f.; ders., in: Schulte-Nölke/Schulze, S. 171, 177, 179. 771 Vogel, Vom Anlegerschutz zum Verbraucherschutz, S. 278, 279. 772 Hopt, Der Kapitalanlegerschutz im Recht der Banken (1975). 773 So Werlen, S. 62 ff. 774 Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 282, 286, 288. 775 Einführend Fleischer, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hrsg.), S. 171 ff; vertiefend Vogel, Anlegerschutz. 776 So enthält Art. 3 der Richtlinie 2002/65/EG (Fernabsatzrichtlinie) verbraucherspezifische Aufklärungstatbestände auch im Hinblick auf Finanzdienstleistungen; vgl. zum parallelen Schutzkonzept Kilian, Rn. 795. 777 Blaurock, JZ 1999, 801, 802, 808; in st. Rspr. EuGH, Rs. C-210/96 (Gut Springerheide), Slg. 1998, I-4657, Rn. 31; vgl. EuGH, Rs. C-362/88 (GB-INNO-BM), Slg. 1990, I-667, Rn. 18: „Information ist grundlegendes Erfordernis des Verbraucherschutzes.“; Oppermann/Classen/ Nettesheim, § 35, Rn. 72: „Informationsmodell“. 778 Fleischer, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hrsg.), S. 171, 175. 779 Merkt, Unternehmenspublizität, S. 415.

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B. Publizitätspflichten aus ökonomischer Sicht und die Rolle des Rechts

se.780 Aufschlussreich sind in diesem Zusammenhang die Diskussionen um die Ersetzung des vereinfachten Verkaufsprospektes durch ein neues Konzept einer key investor information, welches von der Generaldirektion Binnenmarkt und Dienstleistungen im September 2007 vorgeschlagen wurde.781 Vereinfacht ist es als eigenständiges, für den Endverbraucher konzipiertes Regime der Offenlegung bestimmter Basisinformationen zu verstehen, die nicht notwendigerweise in einem bestimmten Dokument erfolgen muss, dafür aber in besonderem Maße für den Endverbraucher verständlich präsentiert wird und vor allem die anfallenden Kosten übersichtlich darstellt. Die von der Kommission durchgeführte Konsultation zeigte eindeutig, dass der durchschnittliche Anleger schon die im vereinfachten Prospekt dargestellten Informationen nicht versteht und auszuwerten in der Lage ist, und dass für ihn vor allem eine übersichtliche Darstellung im Sinne einer Informationsformatierung sowie eine verstärkte Ausweisung der Kosten von Interesse ist.782 Dies erscheint insbesondere bedenklich, wenn mit Ekkenga die Anlage- und Marktpublizität, welche besonders durch das Kapitalmarktrecht geprägt sei, als Ergänzung und Erweiterung der bilanz- und gesellschaftsrechtlich verankerten Unternehmenspublizität verstanden wird. Nach diesem Verständnis kommt der kapitalmarktorientierten Anlagepublizität als Individualpublizität die Aufgabe zu, dem fachunkundigen Anleger die komplizierten (bilanz- und gesellschaftsrechtlichen) Unternehmensdaten verständlich zu machen und auf seinen individuellen Bedarf abzustimmen.783 Auch wenn hier herausgearbeitet wird, dass eine solche Trennung nicht zweckmäßig ist und bei der börsennotierten Gesellschaft ein einheitliches Konzept der markt- und anlegerorientierten Publizität besteht, die auch die Bilanzvorschriften erfasst, verdeutlicht Ekkenga doch das besondere Informationsbedürfnis des fachunkundigen Anlegers, der zumindest durch die kapitalmarktrechtliche Perspektive zu schützen ist. Vor diesem Hintergrund ist die zunehmende Bedeutung von Informationsintermediären zu verstehen, welche die offengelegten Informationen an die „Endverbraucher“ weiterleiten.784 Den Kerngedanken dieses Konzeptes verdeutlicht § 31 WpHG, der die Wertpapierdienstleistungsunternehmen verpflichtet, ihre Kunden 780 Zu den Defiziten eines inhaltlich abgestuften Konzeptes Merkt, Unternehmenspublizität, S. 417. 781 Diskussionsentwurf zur Abschaffung des vereinfachten Verkaufsprospektes in der OWAG-Richtlinie, Generaldirektion Binnenmarkt und Dienstleistungen, Exposure Draft – Initial Orientations for Discussion on Possible Adjustments to the UCITS Directive – 5. Simplified Prospectus – Investor Disclosure Regime, abrufbar unter: http://ec.europa.eu/inter nal_market/investment/docs/legal_texts/orientations/prospectusexposure_en.pdf; vgl. zu dem Vorschlag eines getrennten Emissions-Kurzprospektes für Privatanleger schon Hopt, ZGR 1980, 224, 239 f. 782 Speziell zur OWAG-Richtlinie aus investmentrechtlicher Sicht Schmolke, ZBB 2007, 454, 459. 783 Ekkenga, Anlegerschutz, S. 463 f. 784 Anschaulich Merkt, Unternehmenspublizität, S. 417 m.w.N.

IV. Folgen für die rechtliche Systematisierung hoheitlicher Publizitätspflichten 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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rechtzeitig und in verständlicher Form dergestalt zu informieren, dass diese nach vernünftigem Ermessen die Art und Risiken der Anlage einschätzen und somit auf fundierter Grundlage eine eigenständige Anlageentscheidung treffen können.785 Im Mittelpunkt steht folglich die Pflicht zur Interessenwahrung786, die der BGH in der BondRechtsprechung als anlage- und anlegergerechte Beratung konkretisiert hat, deren ACHTUNGREInhalt und Umfang sich aus den Umständen des Einzelfalls ergibt.787 Maßgeblich sind dabei die Kenntnisse und Erfahrungen der Kunden zu berücksichtigen, um zu gewährleisten, dass die Finanzinstrumente und Wertpapierdienstleistungen für den Einzelnen angemessen sind.788 Bei professionellen Kunden i.S.d. § 31a Abs. 2 WpHG werden die Kenntnisse und Erfahrungen vermutet.789 Ziel dieser Pflichten ist folglich die informierte Anlageentscheidung durch den Anleger selbst.790 § 31 Abs. 7 WpHG nimmt bestimmte auf Veranlassung des Kunden getätigte Geschäfte am organisierten Markt von der Angemessenheitsprüfung aus. Dies verdeutlicht in besonderem Maße, dass die Informationspflichten am organisierten Markt als ausreichend erachtet werden, um einen nicht professionellen Kunden hinreichend zu schützen und zu informieren. Dieser ist lediglich zu informieren, dass eine Angemessenheitsprüfung nicht erfolgt, was sogar standardisiert erfolgen kann.791 Hinter diesem Konzept steht der Grundgedanke sachgerechter und abgestimmter Anlegerinformation, die eine eigenständige (ggf.: irrationale) Entscheidung ermöglicht.792 Auch bei dieser Betrachtung ist der einzelne Anleger folglich, zumindest am organisierten ACHTUNGREKapitalmarkt, als unmittelbarer Adressat der Publizität zu sehen, der seine eigenen ACHTUNGREInteressen wahrnimmt und dessen Informationsverarbeitungskapazitäten durch die ACHTUNGREIntermediäre lediglich unterstützt werden. Dies ermöglicht es auch, Defiziten bei der Informationsverarbeitung793 entgegenzuwirken und Interessenkonflikte und Irrationalitäten seitens der Mittler einer bestmöglichen Eigenkontrolle durch den Markt zu unterziehen. Unterstützt wird dieses Ergebnis dadurch, dass viele Unternehmen 785

Vgl. § 31 Abs. 3 Satz 1 WpHG, sowie Art. 31 Abs. 1 Satz 2 MiFID-DRL 2006/73/EG. Unabhängig davon, welche Vertragsart vorliegt, gilt § 241 Abs. 2 BGB. 787 BGHZ 123, 126, 128 = BGH NJW 1993, 2433; maßgeblich ist neben den Kenntnissen des Anlegers danach auch die spezifische Anlageentscheidung, die getroffen werden soll, Schwark, KMK, § 31 WpHG, Rn. 57 ff. 788 § 31 Abs. 4, 5 WpHG. 789 § 31 Abs. 9 WpHG. 790 Fleischer, BKR 2004, 389, 395. 791 § 31 Abs. 7 Nr. 2 WpHG. 792 Merkt, Unternehmenspublizität, S. 421 (Verbraucherschutz durch Information/Informationsmodell). 793 Neuere Studien stellen durchgängig fest, dass Wertpapierdienstleistungsunternehmen und deren Finanzanalysten nicht in der Lage sind, die Information adressatengerecht aufzuarbeiten und eine interessengerechte Anlageberatung zu gewährleisten. Die Defizite in Verständlichkeit, Regelmäßigkeit und Verlässlichkeit werden zum einen auf die zu unterschiedlichen Informationsbedürfnisse der einzelnen Anleger, und zum anderen auf die immer noch mangelnde Objektivität und Unabhängigkeit der Analysten, kurzum auf strukturelle Defizite der Finanzanalyse zurückgeführt; vertiefend Vogler, Schadensersatzhaftung, m.w.N.; Hotz, Desinformation, S. 88 ff. 786

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B. Publizitätspflichten aus ökonomischer Sicht und die Rolle des Rechts

gar keiner effektiven Beobachtung durch Analysten unterliegen,794 und diese sämtliche Informationen konzeptionell auch weder verarbeiten können noch sollen.795 Weiter kann hier auf den wichtigen Bereich der Intermediation nicht eingegangen werden,796 da hier individuelle Aufklärungs-, Beratungs- und Erkundigungspflichten (nicht: allgemeine Publizitätspflichten) vorliegen. Intermediation wird das Publizitätskonzept auch allenfalls in der Darstellung, nicht aber inhaltlich beeinflussen. Denn auch Intermediäre können ihre Funktion nur erfüllen, wenn die für die Marktteilnehmer relevanten Daten dem Markt tatsächlich zur Verfügung stehen.797 Es besteht folglich weiter ein Bedürfnis nach Pflichtpublizität.798 Ist diese gewährleistet, fördern die zunehmende Professionalisierung der Marktteilnehmer, der wachsende Einfluss institutioneller Anleger, Analysten und Rating-Agenturen den kollektiven Anlegerschutz aber erheblich.799 Nach dem hier vertretenen weiten Anlegerschutzbegriff ist dies aber eben nur eine Säule, welche unterstützend neben den unmittelbaren

794 Schätzungen in den USA gehen 1979 davon aus, dass nur etwa 1.000 – 2.000 der 10.000 nach dem SEA gelisteten Unternehmen regelmäßig von Analysten verfolgt werden, Kripke, Corporate Disclosure, S. 126 m.w.N. Freilich unterfallen in den USA weitaus mehr Werte dem SEA, als hierzulande dem regulierten Markt. 795 Vgl. zu begrenzten Informationsverarbeitungskapazitäten und Pflichten einer Bank, BGH, NJW 2008, 3700, 3702 f.; Urteil vom 7. 10. 2008 – XI ZR 89/07 (OLG Stuttgart): Eine Klägerin begehrt Schadensersatz von der beratenden Bank, weil diese sie über eine vereinzelt aufgetretene negative Meldung in einem Brancheninformationsdienst nicht informiert habe. Der BGH erwog einen Anspruch aus §§ 278 Satz 1, 280 Abs. 1 Satz 1 BGB aus stillschweigend zustande gekommenem Beratungsvertrag, verneinte diesen aber im Ergebnis, da (1) die Bank eine Prüfung mit banküblichem kritischem Sachverstand durchgeführt habe, und dabei nicht jede negative Berichterstattung kennen müsse. (2) Bei Kenntnis eines negativen Berichts habe sie diesen zu berücksichtigen, woraus aber keine Pflicht resultiere, den Anleger auf eine vereinzelt gebliebene Information, deren Meinung sich in der Fachöffentlichkeit (noch) nicht durchgesetzt habe, zu informieren. Damit stellt sich (1) der BGH explizit gegen eine verbreitete Auffassung, die davon ausgeht, dass den Anlageberater eine umfassende Prüfungspflicht sämtlicher Medien treffe, Baumbach/Hopt, HGB, 33. Aufl., § 347, Rn. 27; LG Stuttgart, BKR 2003, 386, 389. Auch dem hoch spezialisierten Intermediär wird folglich keine Kenntnis sämtlicher öffentlich zugänglicher Information zugemutet. (2) Dem Individualanleger sind sogar die bekannten Informationen nicht umfassend weiterzuleiten. Diese Ansicht ist international vorherrschend, vgl. Göthel, RIW 2009, 342, 350 unter Verweis auf In re Check Free Corporation Shareholders Lititgation, Del. Ch., 1. 11. 2007, No. 3193-CC, sowie In re BEA Systems, Inc. Shareholder Litigation, 26. 3. 2008, No. 3298 (Keine umfassende Veröffentlichungspflicht aller einer fairness opinion oder Finanzanalyse zugrunde liegenden Informationen; eine Zusammenfassung genügt). 796 Aufschlussreich Merkt, Unternehmenspublizität, S. 421 (nach Stufen der Marktentwicklung differenzierend). 797 Vgl. v. Randow, ZBB 1995, 140, 144. 798 Coffee, 70 Va. L. Rev. 717, 728 f. (1984) sieht Publizitätspflichten in erster Linie dadurch gerechtfertigt, dass diese professionellen Analysten nützlich ist und ihnen eine kosteneffiziente Ausübung ihrer Tätigkeit ermöglicht. 799 Kübler, in: FS Zöllner, S. 321, 332 f.; Grohmann, Informationsmodell, S. 102 ff. m.w.N.

IV. Folgen für die rechtliche Systematisierung hoheitlicher Publizitätspflichten 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Individualschutz durch Publizität tritt.800 Dieser kann nicht auf Ansprüche gegen Intermediäre beschränkt werden.801 Schließlich ist zu beachten, dass mit steigender Effizienz des Marktes das Bedürfnis nach Intermediation sinkt. Kann auch von einem absolut informationseffizienten Markt (noch) nicht ausgegangen werden,802 verdeutlicht doch die zunehmende Computerisierung (Anleger nehmen in immer stärkerem Ausmaß803 direkt über das Internet am Wertpapierhandel teil), dass ein auf das Verhältnis zum Intermediär beschränkter Anlegerschutz zu kurz greift.804 Abschließend soll gezeigt werden, dass das hier entwickelte Konzept der allgemeinen Marktinformation, das jedem Anleger zugänglich und verständlich ist, auch vor dem sekundärmarktrechtlichen Publizitätsregime Bestand hat. Hier schreibt Art. 21 der Transparenzrichtlinie eine schnelle und nicht diskriminierende Veröffentlichung vor.805 Diesen Grundsatz konkretisierend erfordert die Durchführungsrichtlinie806 eine möglichst zeitgleiche Veröffentlichung in allen Mitgliedstaaten. Dass neben diesem territorialen Diskriminierungsverbot auch ein personales Diskriminierungsverbot besteht, ist nach der Formulierung der Richtlinie nicht zwingend.807 Diese schreibt allein vor, dass mit der Veröffentlichung der größtmögliche öffentliche Zugang des Anlegerpublikums ermöglicht werden müsse. Dass dies zeitgleich zu erfolgen habe, wird nicht ausdrücklich gefordert. Daraus wird teils auf eine Bevorzugung professioneller Händler geschlossen, wohingegen andere Stimmen darauf verweisen, dass der europäische Gesetzgeber gerade im relevanten Fall der Ad hoc-Publizität von einem Konzept der Publikumsinformation ausgegangen sei, nach dem das Publikum über sämtliche der breiten Öffentlichkeit nicht bekannte Tatsachen zu informieren sei.808 In der Tat bevorzugt § 5 WpAIV die Veröffentlichung von Ad hocMeldungen über ein elektronisch betriebenes Informationsverbreitungssystem, das

800 Str., a.A. Grohmann, Informationsmodell, S. 102 ff. (Effizienz ersetzt Individualschutz). 801 Regelmäßig sind Ansprüche aus fehlerhafter Anlageberatung oder fehlerhaften Wertpapieranalysen kaum durchsetzbar. Wenig Abhilfe verspricht der Gesetzesentwurf vom 18. 02. 2009 […] zur verbesserten Durchsetzbarkeit von Anlegeransprüchen aus Falschberatung, BRDrs. 180/09, abgedruckt in ZBB 09, 175 m. Anm. Köndgen. 802 Auch für effiziente Kapitalmärkte hätte Pflichtpublizität gesamtwirtschaftlich positive Auswirkungen, vgl. Meier-Schatz, Wirtschaftsrecht, S. 209, 212 f. 803 Schon 1999 schätzt die NYSE, dass etwa 25 % aller Aufträge von privaten Investoren direkt über das Internet abgewickelt werden, Schröder, S. 118. Vgl. etwa die Angebote unter: www.tradeking.com, www.schwab.com; ebenso beginnen sich deutsche Anbieter zu etablieren, etwa unter: www.consors.de; www.comdirekt.de. 804 Anschaulich Hopt/Baum, in: Börsenreform, S. 286, 308. Trotz der dargestellten Entwicklung dürfte die Rolle der Intermediäre erheblich bleiben, Assmann, AG 1993, 549, 560. 805 Art. 21 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Transparenzrichtlinie. 806 Art. 12 Abs. 2 Satz 2 Richtlinie 2007/14/EG (Transparenz-DRL). 807 Vgl. Art. 12 Abs. 2 Satz 1 Richtlinie 2007/14/EG (Transparenz-DRL). 808 Ausführlich Klöhn, Behavioral Finance, S. 170 f. (Darstellung der einschlägigen Richtlinien).

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B. Publizitätspflichten aus ökonomischer Sicht und die Rolle des Rechts

bei professionellen Marktteilnehmern weit verbreitet ist.809 Die Veröffentlichung im Internet darf erst nach dieser Verbreitung erfolgen, § 5 Satz 2 WpAIV. Darin sei ein Verstoß gegen das personale Diskriminierungsverbot in Art. 21 Transparenzrichtlinie zu sehen, welcher aufgrund der eindeutigen Entscheidung des deutschen Gesetzgebers aber verbindlich sei.810 Die Problematik der Frage liegt im Kern darin, ob die klare Bevorzugung professioneller Marktteilnehmer hier aus Gründen der Informationseffizienz, namentlich der schnellstmöglichen Bekanntmachung einer Insiderinformation, zu rechtfertigen ist. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG i.V.m. § 3a Abs. 2 WpAIV besteht die unverzügliche Veröffentlichungspflicht über Medien, die für eine möglichst rasche und europaweit zeitgleiche Verbreitung sorgen. Zudem ist die Nachricht im Internet zu veröffentlichen811 und an das Unternehmensregister zu übermitteln.812 Nicht zuletzt ist die Gleichbehandlung aller Aktionäre hinsichtlich solcher Informationen, die Finanzanalysten und vergleichbaren Adressaten mitgeteilt wurden, Bestandteil guter Corporate Governance.813 Der Veröffentlichungsmodus ist folglich nicht als Benachteiligung von Kleinaktionären zu verstehen, sondern stellt das Ergebnis einer Abwägung zwischen dem marginalen Nutzen, den diese durch vollkommen zeitgleiche Mitteilungen hätten, und dem großen Effizienzgewinn durch schnellstmögliches Herstellen einer ACHTUNGREBereichsöffentlichkeit dar. Der Anleger wird dabei (1) über den effizienten Preisbildungsmechanismus geschützt, und erlangt (2) die Information, trotz minimaler Verzögerung, dennoch schnellstmöglich, was eine effektive Kontrolle der Marktintermediäre ermöglicht. Dieser Ausgleich scheint in einem Zustand nicht vollkommener Märkte, auf denen Informationsineffizienzen bei der Preisbildung überwunden werden müssen, als angemessene Lösung. § 5 WpAIV widerspricht damit nicht dem Gleichheitsgebot und dem Prinzip des AnleACHTUNGREgerACHTUNGREschutzes durch Information, so dass auch die Ad hoc-Meldungen inhaltlich so abzufassen sind, dass der verständige, aber nicht professionell handelnde Anleger sie versteht. Dieser wird auch hier informationell geschützt, so dass sich das herausgearbeitete Adressatenbild umfassend bestätigt.814 bb) Weitere Adressatengruppen Die Gruppe der aktuellen und potentiellen Anteilseigner als Eigenkapitalgeber (und deren Interessenvertretungsorganisationen)815 bilden den Ausgangspunkt der 809

§ 5 Satz 1 Nr. 1 WpAIV („Kreditinstitute, nach § 53 Abs. 1 Satz 1 KWG tätige Unternehmen, …“). 810 Prägnant Klöhn, in: Langenbucher (Hrsg.), § 6, Rn. 67 m.w.N. 811 § 5 Satz 1 Nr. 2 WpAIV. Die Nutzung des Internets wird auch von Ziff. 6.3., 6.8. DCGK angeregt. 812 § 15 Abs. 1 Satz 1, 2. HS WpHG. 813 Ziff. 6.3, 6.5 DCGK i. d. F. vom 14. 7. 2007. 814 Ebenso Klöhn, Behavioral Finance, S. 198 ff., OLG München, NJW 2003, 144 ff. (Informatec II). 815 Dazu Merkt, Unternehmenspublizität, S. 395.

IV. Folgen für die rechtliche Systematisierung hoheitlicher Publizitätspflichten 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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hier angestellten kapitalmarktorientierten Betrachtung von Publizitätspflichten. Es ist anerkannt, dass daneben die Gläubiger eine eigenständige Adressatengruppe mit möglicherweise unterschiedlichen, wiederum äußerst heterogenen Informationsbedürfnissen bilden.816 Art. 2 Abs. 1 Publizitätsrichtlinie817 richtet die Gegenstände der Information sogar primär an den Bedürfnissen der Gläubiger aus, und wird dann nur zusätzlich (aufgrund besonderer Informationsbedürfnisse einer Vielzahl von Aktionären) durch Regelungen der Zweiten Richtlinie ergänzt,818 was die Stellung des interessenpluralen Ansatzes im kontinentaleuropäischen Recht unterstreicht. Genannt seien hier sämtliche Gruppen, die in schuldrechtlicher Verbindung zum Unternehmen stehen, namentlich die Fremdkapitalgeber, die Arbeitnehmer, die Abnehmer und Lieferanten, sowie die Konsumenten und Verbraucher eines Unternehmens, sowie gegebenenfalls deren Interessenvertretungsorganisationen. Da eine umfassende aktuelle Darstellung kürzlich an anderer Stelle erfolgt ist,819 seien hier nur einige grundsätzliche Überlegungen angeführt. Die Fremdkapitalgeber sind primär820 an der rechtzeitigen Tilgung ihres Darlehens- und Zinsanspruches und damit an der Zahlungsfähigkeit des Unternehmens (oder der Existenz einer ausreichenden Haftungsmasse in der Insolvenz) interessiert.821 Es setzt sich jedoch zunehmend die Erkenntnis durch, dass rein institutioneller Gläubigerschutz wenig hilfreich ist, und auch Fremdkapitalgeber ein erhebliches Bedürfnis nach verlässlichen Informationen über den Unternehmensverlauf haben, um Interessen durchsetzen zu können, die oftmals von denen der Eigenkapitalgeber abweichen.822 Die kapitalmarktrechtliche Perspektive hat folglich zu beachten, dass die Interessen der nach deutschem Bilanzrecht wohl wichtigsten Adressatengruppe oftmals nicht mit denen des Kapitalmarkts übereinstimmen. Hinzu tritt die hier nicht näher zu vertiefende Problematik, dass die Reaktionsmöglichkeiten verschiedener Adressaten höchst unterschiedlich und ihre Entscheidungsfreiheit oft eingeschränkt ist.823

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Merkt, Unternehmenspublizität, S. 398. Erste Richtlinie 68/151/EWG; dazu als „Eckpfeiler des Informationsmodells“, unten, C.II.3.d)aa) (Daihatsu). 818 Artt. 3, 4 der Zweiten Richtlinie 77/91/EWG; vgl. Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 246. 819 Vgl. die anschauliche, die Funktionsdogmatik berücksichtigende Übersicht bei Grohmann, S. 87 m.w.N. 820 Sofern ihre Gewinnerwartung nicht an den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens gekoppelt ist (z. B. patriarchisches Darlehen, Gewinnschuldverschreibungen, Genuss- und Besserungsscheine). 821 Merkt, Unternehmenspublizität, S. 399. 822 Dazu ausführlich unten, Teil C. (informationeller Gläubigerschutz im Informationsmodell). 823 Grundmann, in: FS Lutter, S. 61, 78 ff. 817

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B. Publizitätspflichten aus ökonomischer Sicht und die Rolle des Rechts

Auch die Interessen der Arbeitnehmer gehen über die Absicherung von Entgeltund Pensionsansprüchen824 hinaus. Informationsbedürfnisse bestehen etwa bei der Wahl des Arbeitsplatzes und zur Beurteilung der Angemessenheit des Gehalts.825 Im Kern besteht bei Erbringung persönlicher Arbeitskraft dasselbe Kontrollbedürfnis wie beim Einbringen von Kapital.826 Auch Abnehmer und Lieferanten haben ein besonderes Informationsbedürfnis am Markt. Einerseits haben sie eigene Ansprüche gegen das Unternehmen, andererseits müssen sie oft langfristige Beziehungen eingehen, die eine Folgenabschätzung erforderlich machen.827 Schließlich ermöglicht Publizität den effektiven Schutz von Konsumenten und Verbrauchern, die über ihr Abnahmeverhalten verhaltenssteuernd auf die Unternehmensführung wirken.828 Die besondere Rolle der Wettbewerber, die als Marktteilnehmer zu den Adressaten der Publizität gehören, hat Schön kürzlich besonders herausgearbeitet.829 Auf die resultierenden besonderen wettbewerbsrechtlichen Probleme und eine mögliche Beeinträchtigung des umfassenden Offenlegungsregimes, wenn Wettbewerbsaspekte nicht beachtet werden, wird hier gesondert einzugehen sein.830 Die Berücksichtigung dieser Dimension wird letztlich einen entscheidenden Unterschied zum „absoluten“ Informationsmodell darstellen, das – wie von Grohmann831 kürzlich herausgearbeitet – die Wettbewerber bei der Annahme eines durchweg vorrangigen Prinzips umfassender Transparenz ausdrücklich ausnimmt. Nach dem hier zugrunde gelegten, im Rahmen einer ganzheitlichen Konzeption vorzunehmenden, umfassenden Interessenausgleich kommt der Transparenz nur dann ein Vorrangcharakter zu, wenn die Wechselbeziehungen sämtlicher Marktteilnehmer berücksichtigt werden. Schließlich rücken die Interessen der Offenlegungspflichtigen selbst immer mehr in den Blick.

824 Zur Bedeutung der Publizität von Pensionsfonds Merkt, Unternehmenspublizität, S. 401 f. 825 Meier-Schatz, Unternehmenspublizität, S. 284 m.w.N. 826 Merkt, Unternehmenspublizität, S. 403 f. unter Verweis auf Berle/Means, Modern Corporation. 827 Moxter, Publizitätsvorschriften, S. 140 ff. (auch zur Stärkung der Verhandlungsposition). 828 Im Einzelnen Merkt, Unternehmenspublizität, S. 408 ff. (übertragbar auf hoheitlichen Pflichtenkatalog). 829 Schön, in: ders. (Hrsg.), S. 563 ff. (kritisch). 830 Dazu unten, Teil C. (Informationsmodell). 831 Grohmann, Informationsmodell, S. 94 ff, 377.

IV. Folgen für die rechtliche Systematisierung hoheitlicher Publizitätspflichten 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Der Staat hingegen scheidet, da er nicht selbst Teilnehmer am Markt ist, als ACHTUNGREAdressat aus.832 Hoheitliche Kontrolle hat sich demnach bei einem funktionalen Verständnis der Publizität den aufgezeigten Schutzinteressen (Markt- und Individualschutz) unterzuordnen.833 Gleiches kann für die Öffentlichkeit bzw. „Allgemeinheit“ gelten, die nur dann einbezogen wird, wenn sie die Information als Entscheidungsgrundlage an einem Markt benötigt.834 Dann bildet die Marktbeziehung aber wieder das nötige Bindeglied. Freilich ist zu beachten, dass die Allgemeinheit offengelegte Informationen durchaus wahrnehmen kann, und gerade die Governance-Funktionen der Publizität öffentlichen Druck gezielt zur Verhaltenssteuerung (z. B. Meidung des Unternehmens an Kapital- oder Gütermärkten) nutzen.835 Ferner ist zu beachten, dass das marktbezogene Verständnis den Marktteilnehmerschutz sehr weit versteht und den institutionellen Aspekt einbezieht (umfassender Funktions- und Vertrauensschutz).836 An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass die Interessen der genannten Gruppen bei der Betrachtung der einzelnen Publizitätsnormen zu berücksichtigen sind. Insbesondere hat eine Abwägung der (oftmals divergierenden, individuellen) Interessen vorab auf gesetzgeberischer (objektiver) Ebene zu erfolgen, da eine spätere Ermessensausübung seitens der Offenlegungspflichtigen kaum justitiabel ist837 und Publizität gerade auch einheitliche Grundlagen für eine verbesserte Vergleichbarkeit gewährleisten soll.838 Ein Rahmengerüst, welches die Informationsinteressen der verschiedenen stakeholder (und auch der opportunistisch handelnden Akteure innerhalb der einzelnen stakeholder-Gruppen) in Ausgleich bringt, erscheint insoweit dringend erforder832 Merkt, Unternehmenspublizität, S. 414, 229 ff.; Grohmann, Informationsmodell, S. 100 m.w.N.; a.A. EuGH, Rs. C-208/00 (Überseering), Slg. 2002, I-9919, Tz. 92 (Fiskus als „Dritter“ i.S.d. Art. 50 Abs. 2 lit. g AEUV). 833 Merkt, Selbstkontrolle, S. 715, 721, Fn. 34. 834 Sehr str.; anschaulich Merkt, Unternehmenspublizität, S. 335 unter Darstellung der Gegenansicht. 835 In diesem Sinne einer über Märkte vermittelten Steuerung versteht wohl auch MeierSchatz, Wirtschaftsrecht, S. 114 ff. die Unternehmenspublizität (von Großunternehmen), die er ausdrücklich als Steuerungsmittel sozialer Unternehmenseffekte einsetzen will. Im Rahmen der Sozialbilanz soll öffentlicher Druck gezielt genutzt werden, um gesellschaftliche Reaktionen auszulösen, die dann das Verhalten der Unternehmen beeinflussen und Sozialeffekte (insbesondere in den Bereichen Konsum, Umwelt und Arbeitsplatz) zur Folge haben. 836 „Öffentliches“ oder „Allgemeininteresse“ wird damit schlicht zum volkswirtschaftlich legitimierten Bedürfnis nach Institutionen- oder Marktschutz, der im Kern hinter diesen steht, Merkt, Selbstkontrolle, S. 715, sub. E. 837 Kübler, in: FS Zöllner, S. 321, 332 (mögliches Ermessen allein auf Shareholder-Interessen begrenzend). 838 Die Vergleichbarkeit zwischen mehreren Anlagealternativen steht freilich beim verhaltenssteuernden Druck des Kapitalmarkts (v. a. durch professionelle Akteure) im Mittelpunkt, erleichtert es aber auch generell, sich ein Bild von Lage und Entwicklung der Gesellschaft zu machen, vgl. Fehrenbacher, in: Mü-Ko, § 325 AktG, Rn. 4.

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B. Publizitätspflichten aus ökonomischer Sicht und die Rolle des Rechts

lich.839 Hier kann nur darauf verwiesen werden, dass auch aufgrund der ökonomischen Erkenntnisse (Unvollständigkeit der Verträge im Unternehmen, dadurch verursachte Gefahr opportunistischen Verhaltens, letztlich aber der wirtschaftliche Erfolg am Markt als gemeinsamer Bezugspunkt, an welchem die Publizität auszurichten ist) die verschiedenen Informationsbedürfnisse zunehmend herausgearbeitet und miteinander in Ausgleich gebracht werden.840 Exemplarisch soll die Problematik im weiteren Verlauf der Arbeit anhand des Adressatenleitbilds des Jahresabschlusses verdeutlicht werden. Traditionell nimmt der Gläubigerschutz hier im deutschen Handels- und Gesellschaftsrecht eine privilegierte Stellung ein.841 Die Rede ist, noch stark pauschalisiert, von Gläubigerschutz durch Kapitalerhaltung. Im Zentrum dieses Konzepts steht der (Einzel-)Jahresabschluss als Grundlage der Vermögens- und Gewinnermittlung.842 Daneben dient der Konzernabschluss reinen Informationszwecken. Er verhindert Gewinnentnahmen allenfalls über einen informationellen Kontrollmechanismus, indem er dem Markt die für eine Beurteilung der Angemessenheit der Entnahmen erforderlichen Informationen zur Verfügung stellt.843 Sofern hier von informationellem Gläubigerschutz die Rede ist, steht folglich die Konzernbilanz im Zentrum. Im europäischen Kontext gerät das deutsche Kapitalregime nunmehr zunehmend unter Druck. Spätestens seit dem Inspire Art-Urteil des EuGH stehen deutsche Gesellschaften im Wettbewerb mit Gesellschaftsformen anderer Mitgliedstaaten, die zum Teil weniger strengen Kapitalaufbringungs- und -erhaltungsregeln unterliegen.844 Andere Mitgliedstaaten senken ihre Mindestkapitalanforderungen, um Wettbewerbsfähigkeit zu garantieren.845 In Deutschland wird sich diese Entwicklung anhand des MoMiG vertieft betrachten lassen.846 Auch auf theoretischer Ebene wird der Kapitalschutz zunehmend hinterfragt.847 Noch hält das deutsche Recht an der HGB-Bilanz und dem Kapitalschutz fest. Die wachsende Bedeutung der IFRS-Bilanz und die An839

Erste Ansätze einer solchen Stakeholderbalance aus Governance-Sicht bei v. Werder, FS Schwark, S. 285 ff. 840 Aufschlussreich v. Werder, in: FS Schwark, S. 285, 286 ff., der anschaulich die detaillierten anlegerorientierten Offenlegungspflichten mit denjenigen ggü. Kunden vergleicht und fragt: Warum müssen produktbezogene Angaben, etwa interne Qualitäts-, Mängel- und Gewährleistungsstatistiken, nicht offengelegt werden? (Fn. 76). 841 Beisse, in: FS Beusch, S. 77. 842 Moxter, in: FS Heigl, S. 31, 40. 843 Anschaulich Leffson, Grundsätze, S. 98 ff. (informationelle Kapitalverminderungskontrolle). 844 Mülbert, Der Konzern 2004, 151, 152 f. 845 So senkte der französische Gesetzgeber das Mindestkapital der societ  responsabilit limite (SARL) auf einen Euro; dazu Wachter, GmbHR 03, 377. 846 Dazu unten, C.II.4.a). 847 Zur Kritik einer von der EU-Kommission zur Überprüfung der Kapitalrichtlinie eingesetzten High Level Group of Company Law Experts und deren Vorschlag alternativer Regelungskonzeptionen, unten, C.II.2.d)aa).

IV. Folgen für die rechtliche Systematisierung hoheitlicher Publizitätspflichten 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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näherung der HGB-Bilanzierung an die Informationsbedürfnisse des Kapitalmarktes durch das BilMoG verdeutlichen aber, dass der informationelle Schutz die traditionellen Schutzmechanismen zunehmend verdrängt. Es wird sich mithin die Frage stellen, inwieweit ein Informationsmodell hier den Kapitalschutz (allgemein: materielle Regulierung) ersetzen, also nicht nur auf einer zusätzlichen Ebene unterstützend ergänzen kann.848 Die Bedeutung der Frage nach dem Adressaten publizierter Information wird nun deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass sich mit den internationalen Rechnungslegungsstandards eine zunehmend anlegerorientierte Betrachtung herausbildet, bei der die Interessen der Eigenkapitalgeber klar im Mittelpunkt stehen.849 Als Modell mag die US-amerikanische Lösung dienen, bei welcher der bilanzielle Kapitalschutz neben der Kapitalmarkt-Publizität eine allenfalls marginale Rolle spielt. Ist die Information aber allein an den Interessen der Eigenkapitalgeber ausgerichtet, stellt sich das ökonomische Agency-Problem: Aufgrund der Interessendivergenz von Eigen- und Fremdkapitalgebern drohen die Interessen der Gläubiger vernachlässigt zu werden. Es hat sich jedoch gezeigt, dass eine Antizipation dieser Risiken (angemessene Preisabschläge seitens der Gläubiger) nach Aufgabe der Rationalitätsannahme nicht möglich ist: Gläubiger sind damit nicht nur aus Effizienzgründen, sondern vor allem auch unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten vor nachvertraglichen Schädigungen zu schützen.850 Wenn Gläubigerschutz nun zunehmend informationsorientiert verstanden wird und nicht durch alternative Mechanismen wie Insolvenztests oder covenants garantiert ist,851 muss zunächst sichergestellt sein, dass die konzeptionelle Ausgestaltung der Publizität den Informationsbedürfnissen sämtlicher Adressatengruppen gerecht wird. Die Antwort auf die Frage, inwieweit Publizität materiellen Schutz ersetzen kann und sollte, hängt folglich zentral von der konzeptionellen Ausgestaltung eines solchen „Informationsmodells“ und dem erreichten Interessenausgleich ab. Hier wurde deutlich, dass nicht nur die Informationsbedürfnisse ACHTUNGREinnerhalb einer Adressatengruppe äußerst heterogen sind, sondern dass zudem die ACHTUNGREInformationsinteressen der verschiedenen Gruppen geradezu divergieren. Eine ACHTUNGREganzheitliche Betrachtung muss alle diese Perspektiven in Ausgleich bringen, um ACHTUNGREkonkurrenzfähige Gegenmodelle zu entwickeln. Die Notwendigkeit einer solch ganzheitlichen Betrachtung bestätigt sich darin, dass die Grenzen zwischen Eigenund Fremdkapital zunehmend zerfließen und Publizität damit als Bestandteil eines

848

Dabei wird sich zeigen, dass dem Kapitalschutz im interessenpluralen Ansatz (noch) eine erhebliche Bedeutung zukommt. Da aber auch hier Defizite deutlich werden, wird sich wohl langfristig (unter Aufgabe des Nebeneinanders von HGB- und IFRS-Bilanz) ein informationelles Schutzsystem herausbilden, das es zu optimieren gilt. 849 Siehe unten, D.II.3.a) (Vergleich von IFRS- und HGB-Bilanz). 850 Überblick über das Agency-Problem zwischen Eigentümern und Gläubigern bei Wagenhofer/Ewert, Externe Unternehmensrechnung, S. 151 ff.; vgl. bereits oben, B.III.2.b)aa). 851 Dazu unten, C.II.4.a) (informationeller Gläubigerschutz); C.II.3.d) (Daihatsu); D.II.3.a)cc) (covenants).

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B. Publizitätspflichten aus ökonomischer Sicht und die Rolle des Rechts

allgemeinen, von der Kapitalform unabhängigen Kapitalgeberschutzes zu verstehen ist.852 Nachfolgend soll die Funktionsweise von Publizitätsnormen am organisierten Kapitalmarkt weiter im Mittelpunkt stehen. Dabei dürfen die unterschiedlichen Adressatengruppen und deren Informationsbedürfnisse nicht ausgeblendet werden. Vielmehr gilt es, einen interessengerechten Ausgleich der Informationsbedürfnisse anzustreben, der die umfassenden Möglichkeiten einer Steuerung durch den Markt nutzt, aber auch die Grenzen der Publizität sieht. Diese werden zum Teil erst bei Einbeziehung weniger entwickelter Marktsegmente deutlich. cc) Die Entwicklung informationellen Anlegerschutzes aus dem verbandsrechtlichen Informationssystem Ist das Publizitätskonzept somit auf einen umfassenden Ausgleich der Informationsbedürfnisse verschiedener Adressatengruppen bedacht, tritt mit der unternehmensrechtlichen Perspektive eine weitere Dimension hinzu, die nach Ausgleich verlangt. Die hier erfolgte theoretisch-konzeptionelle Funktionsanalyse der Publizität ging zunächst aus kapitalmarktorientierter Betrachtungsweise vom Leitbild des Kapitalanlegers aus, der mit der Aktie eine von mehreren Anlageformen wählt, ohne dabei unternehmerischen Einfluss auf die Gesellschaft zu nehmen. Hier hat Hopt wie gesehen ein Anlegerschutzprinzip herausgearbeitet, welches den Risiken der Kapitalanlage gezielt Informationsnormen entgegensetzt.853 Wiedemann854 sieht in diesem Kapitalanlegerschutz ein allgemeines Rechtsprinzip begründet, welches sich aus dem Schutzbedürfnis der anonymen Kleinaktionäre ergibt, die gegenüber den (unternehmerisch mitbestimmenden) Mehrheitsaktionären benachteiligt sind. Dies entspricht der historischen Entwicklung kapitalmarktrechtlichen Anlegerschutzes, der zunächst von der Passivität der Kleinanleger in der Kapitalgesellschaft (im Gegensatz zum Mitbestimmungsprinzip der Personengesellschaften) ausgeht.855 Offenlegung wirkt markt- oder publikumsorientiert im Sinne einer fairen Preisbildung durch allgemeine Publizität.856 Im Mittelpunkt steht die Information als Grundlage einer Investitionsentscheidung. Diese Perspektive steht zunächst unabhängig neben der verbandsrechtlichen Aktionärsinformation, welche das Recht auf Information in der mitgliedschaftlichen Organstellung des Aktionärs als Grundlage seiner Mitbestimmungs- und Kontrollrechte begründet sieht.857 Noch heute prägt diese Dualität das Bild des Gesellschaf852 Merkt, Unternehmenspublizität, S. 400, unter Verweis auf neue Formen hybriden Kapitals, m.w.N. 853 Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 337; Zetsche, Aktionärsinformation, S. 108 ff. 854 Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 475 ff. 855 Schwark, Anlegerschutz, S. 142 ff. 856 Ebd., Anlegerschutz, S. 221 f. 857 Darstellung bei Zetsche, Aktionärsinformation, S. 92 ff.

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ters, wobei Schön anschaulich den „Unternehmer-Gesellschafter“ vom „AnlegerACHTUNGREGesellschafter“ unterscheidet.858 In der Literatur bestehen deshalb zunehmend Schwierigkeiten, die „Doppelrolle“ des Aktionärs auch hinsichtlich seiner Informationsbedürfnisse in Ausgleich zu bringen, denn beide Schutzmechanismen sind informationell ausgestaltet.859 Ausgangspunkt ist auch hier die Überlegung, dass sich in einem ansatzweise effizienten Markt eine Begrenzung der Auswirkungen und Nutzbarkeit einer einmal bekannten Information kaum begrenzen lässt. Andererseits muss die Publizität beiden Bedürfnissen umfassend gerecht werden. (1) Unabhängigkeit beider Positionen Eine Lösungsmöglichkeit bestände darin, die mitgliedschaftliche Stellung weiterhin vollkommen getrennt von der marktrechtlichen Beziehung zu betrachten. Aktienrecht regelt nach dieser Vorstellung die Binnenorganisation der Gesellschaft, wohingegen Kapitalmarktrecht einen eigenständigen Anlegerschutz verfolgt.860 So sei das aktienrechtliche Auskunftsrecht in der Hauptversammlung, § 131 AktG, auf die Organstellung beschränkt und diene nicht den Anlegerinteressen.861 Konsequent wird das Informationsrecht auf solche Fälle begrenzt, die für eine effektive Wahrnehmung der mitgliedschaftlichen Rechte erforderlich sind.862 Problematisch ist diese Position insofern, als sie die Auswirkungen auf den Kapitalmarkt nicht beachtet. Hier soll an der „Quasi-Öffentlichkeit“ der Hauptversammlung großer Publikumsgesellschaften863 gezeigt werden, dass solch getrennte Betrachtung nicht mehr möglich ist. Wird eine öffentlich bekannte Information nicht im konzeptionellen Gefüge der Publizitätsvorschriften berücksichtigt, so führt dies zu (1) Doppelregulierungen, da zwei nicht aufeinander abgestimmte Informationsmengen nebeneinander stehen, (2) einer nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung aktueller und potentieller Aktionäre, und damit zu einem Verstoß gegen das Gebot informationeller Gleichbehandlung, (3) zu ökonomischen Ineffizienzen und (4) einer Gefährdung der Funktionsfähigkeit der Märkte, da Vertrauensverluste seitens der informationell benachteiligten Marktteilnehmer drohen. Damit ist eine solche Pflicht nicht nur überflüssig, sondern sie wirkt sich negativ auf die Funktion der anderen Publizität aus. Die Auffassung ist somit nicht mit dem hier zu entwickelnden Versuch einer integrativen Abstimmung der verschiedenen Publizitätspflichten zu einem kohärenten Gesamtkonzept in Einklang zu bringen.

858 859

Schön, RabelsZ 64 (2000), 1, 14 ff., 24 ff. Grohmann, Informationsmodell, S. 85; vgl. grundlegend auch Mülbert, Aktiengesell-

schaft. 860

Zetsche, Aktionärsinformation, S. 164 ff. m.w.N. Statt vieler Spindler, in: Schmidt/Lutter, § 131 AktG, Rn. 3 ff., Fn. 27 mit umfassenden Nachweisen, vgl. Decher, GK-AktG, § 131, Rn. 15; ausführlich zu § 131 als Bestandteil des Publizitätskonzepts, unten, D.II.3.e). 862 Zöllner, in: Kö-Ko, § 131, Rn. 3, 81; Wilde, ZGR 1998, 423, 424. 863 Vossel, Auskunftsrechte, S. 43; ausführlich unten, D.II.3.e) (zu § 131 AktG). 861

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B. Publizitätspflichten aus ökonomischer Sicht und die Rolle des Rechts

(2) Ersetzung verbandsrechtlicher Kontrolle durch informierten Marktentscheid Es ergibt sich damit ein zwingendes Bedürfnis, beide Positionen in Ausgleich zu bringen. Mit der Entwicklung des Kapitalmarktrechts als eigenständiges Rechtsgebiet hat sich hier die Auffassung herausgebildet, dass Informationsasymmetrien ein spezifisch marktrechtliches Problem und damit dem Kapitalmarktrecht zugewiesen seien, wohingegen Machtasymmetrien mit Mitteln des Verbandsrechts zu lösen seien.864 So habe die neuere kapitalmarktrechtliche Gesetzgebung ein marktbezogenes Anlegerschutzkonzept865 geschaffen, das die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts fördert, indem die Transparenz verbessert und ein einheitliches Informationsniveau geschaffen wird.866 Diese Betonung des Marktrechts führt dazu, die traditionell verbandsrechtlich geschützte Binnenorganisation zu vernachlässigen und die Aktionärskontrolle zunehmend durch eine Marktkontrolle zu substituieren. Aktionärsdemokratie findet auf dem Kapitalmarkt statt,867 indem die Aktie schnell und effizient verkauft wird. Dies entspricht dem Leitbild eines diversifizierten Anlegers, dessen (anonyme) Beteiligung dermaßen gering und austauschbar ist, dass eine Wahrnehmung mitgliedschaftlicher Kontrollrechte nicht rentabel ist. Zudem sind individuelle Informationsverfahren wegen der häufig wechselnden Beteiligungsstruktur meist gar nicht möglich.868 Konsequent hat das Recht bei der Publikumsgesellschaft einen effektiven Anlegerschutz zu gewährleisten, was durch das Kapitalmarktrecht geschieht.869 Für die Publizität bedeutet dies, dass auch die Aktionärsinformation – vor allem die Rechnungslegung – zunehmend auf die Bedürfnisse des Kapitalmarktes ausgerichtet wird.870 Der Markt wird zum Adressat jeder auch nach aktienrechtlichen Tatbeständen zu vermittelnden Information.871 Die durch den Markt erfolgende Kontrolle ersetzt dann langfristig die Notwendigkeit zwingenden materiellen Verbandsrechts. An diesem Modell wird vor allem zu kritisieren sein, dass (1) die Gleichsetzung von Publizität mit Kapitalmarktrecht und materiellen Normen mit Verbandsrecht zwar für grundsätzliche Überlegungen durchaus praktikabel ist, in dieser Pauschalität aber nicht aufrecht erhalten werden kann. Der Markt bedarf ebenso flankierender materieller Normen und zwingender Verhaltenspflichten, wie Mitwirkungsrechte auf eine hinreichende informationelle Grundlage zu stellen sind. In der heutigen Konzeption des Gesellschaftsrechts bestehen umfassende Informationspflichten auch innerhalb der Gesellschaft, die eigenständige aktienrechtliche Ziele verfolgen und diesen

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Ekkenga, Anlegerschutz, S. 27. So Assmann, in: Assmann/Schneider (Hrsg.), Einl. WpHG, Rn. 1. Merkt, in: Hopt/Rudolph/Baum (Hrsg.), Börsenreform, S. 17, 132. So anschaulich Ekkenga, Anlegerschutz, S. 30. Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 115. Kübler, in: FS Zöllner, S. 321. Ekkenga, S. 40, 75. So anschaulich Zetsche, Aktionärsinformation, S. 171.

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gerecht werden müssen.872 (2) Es bestehen (noch) erhebliche Zweifel an der Effizienz der Kapitalmärkte. Solange eine korrekte Preisbildung nicht gewährleistet ist, kann und muss das Verbandsrecht hier korrigierend eingreifen.873 (3) Verbands- und Marktrecht stehen bislang in einem Ergänzungsverhältnis, so dass auf keinen der beiden Schutzmechanismen in seiner Gesamtheit verzichtet werden kann.874 An dieser Kritik wird aber schon hier deutlich, dass bei zunehmender Effizienz der Märkte die Legitimation des Ersetzungsmodells steigt. Ein eigenständiges Recht für die börsennotierte Aktiengesellschaft, sollte ein solches geschaffen werden, könnte durchaus Informationsnormen in den Mittelpunkt stellen, solange diese nur sicherstellen, dass das bisher mit verbandsrechtlichen Mitteln gewährleistete Schutzniveau aufrecht erhalten bleibt. De lege lata gilt es aber zunächst, die einzelnen Informationsnormen zu identifizieren und in ihrem gemeinsamen markt- und marktteilnehmerbezogenen Schutzinteresse aufeinander abzustimmen. Die Einbeziehung des gesamten gesellschaftsinternen Informationsflusses würde jede Betrachtung sprengen. Von großer Hilfe ist aber das grundsätzliche Verständnis, dass kollektive Informationsrechte der Gesellschafter nicht in der Mitgliedschaft begründet sind, sondern als Korrelat der Organverantwortlichkeit der Leitungsorgane zu sehen sind.875 Im Gegensatz zu den individuellen Informationsrechten, die ein ACHTUNGREsubjektives unentziehbares Recht unmittelbar aus der Mitgliedschaft begründen,876 stehen sie der Gesellschaft zu und werden von den Gesellschaftern (z. B. in der Hauptversammlung in Ausübung ihrer Organfunktion) im Interesse der Gesellschaft wahrgenommen. Diese Kontrollfunktion kann aus theoretischer Sicht auch der Kapitalmarkt erfüllen, wie die Governance-Funktionen der Publizität gezeigt haben. Der Abstimmungsbedarf des Informationsmodells ist aber beträchtlich. Informationsrechte sind in Deutschland rechtsformabhängig ausgestaltet und kaum aufeinander abgestimmt.877 Hier kann die marktorientierte Betrachtung helfen, Wertungswidersprüche (zwischen den Rechtsformen, aber auch zwischen Gesellschaften im europäischen Vergleich878) zu vermeiden. (3) Abstimmung zweier komplementärer, sich ergänzender Rechtsgebiete Neuerdings wird zunehmend versucht, das Spannungsverhältnis zwischen marktorientierten und verbandsrechtlichen Informationsnormen in Ausgleich zu bringen. 872

Überblick für die Aktiengesellschaft bei Wilde, ZGR 1998, 423, 426 ff. Assmann, GK-AktG, Einl., Rn. 435. 874 Dazu, sowie zu weiteren Kritikpunkten, vgl. Zetsche, Aktionärsinformation, S. 169 f. 875 K. Schmidt, Informationsrechte, S. 16. 876 Ebd., S. 21 ff. 877 Wilde, ZGR 1998, 423, 425. 878 Da auf europäischer Ebene lediglich ein Mindestschutz und keine Vollharmonisierung erfolgt, erscheint es nicht problematisch, dass Gesellschaften aus einem Rechtssystem mit umfassenden gesellschaftsrechtlichen Informationspflichten mehr offenlegen müssten, als aus kapitalmarktrechtlicher Sicht erforderlich wäre. 873

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B. Publizitätspflichten aus ökonomischer Sicht und die Rolle des Rechts

Der Aktionär steht nach diesem Verständnis sowohl in verbandsrechtlicher Beziehung zum Unternehmen als auch in einer Beziehung zum Markt („Hybridstellung“).879 Seine Vermögensposition wird einerseits durch Aktienrecht, andererseits dezentralisiert durch Kapitalmarktrecht geschützt.880 Mit Markteintritt sinkt der unternehmerische Einfluss des Aktionärs, wodurch sich aber die verbandsrechtliche Beziehung zur Unternehmensleitung nicht ändert.881 Der marktrechtliche Schutz tritt somit gewissermaßen neben das Verbandsrecht, überlagert und ergänzt dieses, kann es aber niemals vollständig ersetzen.882 Informationsnormen wird in diesem Modell eine duale Rolle zugeschrieben. Sie dienen als Grundlage sowohl der Anlageentscheidung als auch der Mitentscheidung.883 Eine Informationspflicht, beispielsweise § 131 Abs. 1 AktG, dient danach sowohl als Grundlage der Wahrnehmung mitgliedschaftlicher Rechte als auch der Entscheidung, die Aktie am Kapitalmarkt zu verkaufen.884 Dieser Funktionsdualismus führt dazu, dass Markt- und Verbandsrecht systematisch weiter getrennt und mit eigenständiger Zwecksetzung betrachtet werden. Aktienrechtliche Information richtet sich an Aktionäre, Publizität informiert den gesamten Markt.885 Allein auf tatsächlicher Ebene wirken die Pflichten in ihren Auswirkungen zusammen. Diese Auffassung unterscheidet sich von der ersten Ansicht dadurch, dass sie die gegenseitige Beeinflussung von markt- und verbandsrechtlicher Information anerkennt. Sie verdeutlicht die Stellung des Aktionärs im Spannungsfeld von Verband und Markt. Auch sie vermag allerdings die Wechselwirkungen zwischen den Rechtsgebieten nicht zu erklären. Die Parallelität zweier Informationsregimes wird so nicht aufgelöst, sondern nur durch eine zusätzliche Dimension (einige Pflichten sind beiden Regimes zuzuordnen) verkompliziert. Als Grundlage einer Systematisierung von Publizitätspflichten, bei der diese das eine innere Zusammengehörigkeit vermittelnde Element sind, kann auch dieser Ansatz folglich nicht herangezogen werden. dd) Folgerungen für den Fortgang der Untersuchung Die Darstellung zeigt, dass keines der Modelle die vielfältigen Wechselwirkungen der Publizität zu erklären in der Lage ist. Das auf Ausgleich bedachte Ergänzungsmodell scheint der Rechtswirklichkeit am ehesten gerecht zu werden. Eine Vielzahl von Informationsnormen aus verschiedenen Rechtsgebieten beeinflusst sich gegen879

Zetsche, Aktionärsinformation, S. 118 ff., 171 ff. m.w.N. Bälz, Auskunftsrecht, S. 241 (Spruchverfahren verbessert Vermögens-, nicht Herrschaftsposition). 881 Aktionäre von Publikumsgesellschaften verfügen regelmäßig über geringen Einfluss. Sie werden aber weiterhin, vor allem durch verfahrensrechtliche Mechanismen, geschützt. 882 Zetsche, Aktionärsinformation, S. 172 m.w.N. 883 Kalss, Anlegerinteressen, S. 251 ff. 884 So ausdrücklich Kalss, Anlegerinteressen, S. 274. 885 Zetsche, Aktionärsinformation, S. 175; Kalss, Anlegerinteressen, S. 253 (AktG differenziert zwischen gegenwärtigen und zukünftigen Anlegern/Aktionären). 880

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seitig und ist kaum in eine systematische Ordnung zu bringen. Dies widerspricht aber den ökonomischen Erkenntnissen, nach denen in einem informationseffizienten Markt jede öffentlich bekannte Information, auch gesellschaftsinterne Governance-Entscheidungen, im Kurs widergespiegelt ist. Daher ist weiter nach gemeinsamen Grundprinzipien zu suchen, welche die Informationsnormen sämtlicher Rechtsgebiete in Ausgleich bringen und somit eine Systematisierung ermöglichen. Ein die Publizität zum Ausgangspunkt nehmender Ansatz muss dabei auf den Ausgleich von Publizität und materiellem Recht ebenso bedacht sein wie auf den Ausgleich der verschiedenen Informationsnormen untereinander. Bei einer strikten Trennung nach Rechtsgebieten ist dies nicht möglich. Es hat sich angedeutet, dass das Ersetzungsmodell am ehesten mit einem „Prinzip der Publizität“ zu vereinbaren ist, da es auf überflüssige Doppelpflichten verzichtet und die einzelnen Normen aufeinander abzustimmen und in Einklang zu bringen vermag. Als einziges Modell wird es der Annahme gerecht, dass der Aktionär in der Publikumspersonengesellschaft primär an einer Maximierung seines Gewinns interessiert ist.886 Die Publizität muss diesem Informationsbedürfnis gerecht werden. Diese marktorientierte Betrachtung hat zur Folge, dass Publizitätspflichten auf einen Bereich begrenzt sind, in dem ein steuernder informierter Marktentscheid bezweckt ist und dem Schutzbedürfnis im Einzelfall gerecht werden kann. Grundvoraussetzung ist die Effizienz des Marktes. Informationen zur Ausübung von Mitwirkungsrechten folgen konzeptionell anderen Durchsetzungsmechanismen. Sie sind aber insoweit einzubeziehen, als der Markt sie kurserheblich berücksichtigt. Im Unterschied zum Ergänzungsmodell, das diese Einflüsse allein als tatsächlich berücksichtigt, soll hier gezielt nach Grenzen gesucht werden, inwieweit marktsteuernde Publizität diese traditionell gesellschaftsrechtlichen Mechanismen innerhalb desselben Systems ersetzen kann. Die ökonomischen Untersuchungen deuteten hier bei der börsennotierten Aktiengesellschaft, die einer effektiven Kontrolle durch den Markt unterliegt, auf erhebliches Steuerungspotential hin,887 wodurch Schutzinteressen gewahrt und zugleich Missbrauchspotential minimiert werden kann. Diesen hier zunächst funktionsdogmatisch-konzeptionell aufgeworfenen Abgrenzungsfragen soll nachfolgend in der europäischen und deutschen Rechtswirklichkeit nachgegangen werden.

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Merkt, Unternehmenspublizität, S. 396 f. Siehe oben, B.III.2.e) (Governance-Funktionen).

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C. Das Informationsmodell im Unternehmensrecht1 I. Das Informationsmodell und seine Vorzüge gegenüber materieller Regulierung 1. Bedeutung des Begriffs „Informationsmodell“ In Deutschland wird unter dem Stichwort „Informationsmodell“ wie gesehen zunehmend die Substitution staatlicher materieller Regulierung durch Information diskutiert. Dabei wurde die Bedeutung von Informationspflichten für den Rechtsschutz von Kapitalanlegern bereits früh erkannt.2 Pflichtpublizität wurde seitdem als konzeptionelle Grundlage privatrechtlicher Rechtsetzung herausgearbeitet3, und ist auch seit jeher Bestandteil der Wirtschaftsrechtsordnung.4 Das eigentlich Neue des „Informationsmodells“ ist folglich nicht das Erkennen der kardinalen Bedeutung von Information an sich, sondern die Möglichkeit, materielle Ge- und Verbotsnormen durch Offenlegungsvorschriften zu ersetzen.5 Die Frage lautet hierbei nicht nach dem Ob einer zusätzlichen Verbotsnorm, sondern nach dem Wie der Regulierung. Dasselbe Ziel wird indirekt und mittelbar dadurch erreicht, dass der Markt ein bestimmtes Verhalten auf umfassend informierter, aufgeklärter Basis bewertet.6 Insofern lässt sich das Informationsmodell als Alternativvorschlag verstehen: Es wahrt weitgehend die Vorteile der Vertragsfreiheit, verzichtet aber gleichzeitig auf paternalistische7 zwingende Verbotsnormen.8 Festgelegt wird nur, welche Informationen dem Markt zur Verfügung gestellt werden müssen, nicht aber wie das Rechtsgeschäft inhaltlich auszugestalten ist. Damit handelt es sich um ein sehr liberales Konzept, welches die – auf informierter Grundlage erfolgte – Entscheidung des Marktes akzeptiert.9 Publizität und zwingendes Recht stehen dabei aber nicht in einem Ausschlussverhältnis: 1

Zur unternehmensrechtlichen Perspektive der Publizität, siehe oben, A.II.1. Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 88 ff., 304 ff., ders., in: Grundmann/Kerber/Weatherhill (Hrsg.), S. 246 ff. 3 Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, § 8, S. 108 ff.; Merkt, Unternehmenspublizität (2001); ders., in: Grundmann/Kerber/Weatherhill (Hrsg.), S. 230 ff. 4 Ausführlich Merkt, Unternehmenspublizität, S. 29 – 129. 5 Merkt, Informationsmodell, S. 24 („dass Informations- und Offenlegungspflichten an die Stelle materieller Ge- und Verbotsnormen treten“, Hervorhebung im Original). 6 Ebd., S. 27. 7 Zum Kostenaspekt von übermäßigem Paternalismus, s. o., B.III.2.d)dd)(3); Farson, 22 Ariz. State L.J. 963. 8 Schön, in: FS Canaris, S. 1191, 1194. 9 Meier-Schatz, Wirtschaftsrecht und Unternehmenspublizität, S. 34. 2

I. Das Informationsmodell und seine Vorzüge gegenüber materieller Regulierung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Ein hinreichendes Transparenzniveau ist, wie gesehen, auch im Informationsmodell durch zwingende Pflichten zu gewährleisten, die bei falscher10 Ausgestaltung die Marktteilnehmer und das Marktgeschehen als Ganzes erheblich belasten können.

2. Weiterer Gang der Untersuchung Aus ökonomischer Perspektive konnten die Wirkungsweise von Publizität herausgearbeitet und wesentliche Funktionsvoraussetzungen eines hoheitlichen Informationsmodells aufgezeigt werden. Dabei kam dem Markt- und Adressatenbezug besondere Bedeutung zu. Deutlich wurde zudem, wie schwierig es ist, die divergierenden Interessen der verschiedenen Marktteilnehmer vorab im Wege einer „Rahmenordnung“ in gerechten Ausgleich zu bringen. Nachfolgend soll der Frage nachgegangen werden, inwieweit ein solches Informationsmodell im europäischen und deutschen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht nachgewiesen werden kann. Die kapitalmarktrechtliche Perspektive erscheint als Einstieg wiederum hilfreich, da hier schon früh auf ein Modell umfassender Marktinformation gesetzt wurde. Es wird sich jedoch zeigen, dass das Informationsmodell bereits fester Bestandteil des gesamten Europäischen Wirtschaftsrechts ist und in dessen primärrechtlich vorgegebener, wettbewerbsorientierter und marktwirtschaftlicher Grundordnung mit zunehmend sozialen Elementen begründet liegt. Diese voranschreitend informationsorientierte Ausgestaltung des Rechts ist kaum zu bestreiten, wird aber unter verschiedenen Gesichtspunkten kritisiert. Diese Kritik soll hier besondere Beachtung finden, verdeutlicht sie doch mögliche Grenzen des Informationsmodells. Hierbei wird deutlich, dass bei der These eines generellen Vorrangs von Informationsnormen im Recht zu differenzieren ist. Insofern soll das Verständnis zweier grundsätzlich gegensätzlicher Regelungskonzepte, bei denen es nur von der ordnungs- oder rechtspolitischen Lage abhängt, ob das Pendel gerade mehr zu Publizität oder stärker zur materiellen Regulierung schlägt,11 revidiert werden. Ziel der Debatte soll nicht sein, zwei gegensätzliche Regelungsprinzipien gegeneinander „auszuspielen“. Vielmehr wird gerade durch Betonung der systemimmanenten Grenzen des Informationsmodells deutlich, dass dieses keinen „absoluten“ Vorranganspruch haben kann, sondern gerade erst in der Abstimmung mit freiwilliger Publizität und materieller Regulierung seine Wirkungsweise entfaltet (Notwendigkeit externer Integration der Publizitätspflichten). Dieser äußere Rahmen hat die unterschiedlichen Interessenlagen verschiedener Märkte und Marktteilnehmer zu berücksichtigen und in Ausgleich zu bringen. Ansätze für einen solchen Abstimmungsbedarf werden anhand grundrechtlich besonders sensibler Einzelfragen aus Sicht des EuGH aufgezeigt. Die Reformen des Kapitalschutzes werden sodann als Beispiel dafür angeführt, 10

Insofern wird es Aufgabe des Publizitätskonzeptes sein, diese Belastungen durch die konkrete Ausgestaltung der Offenlegungspflichten im Rahmen eines Interessenausgleichs zu minimieren (konzeptionelle Optimierung). 11 So bildhaft bei Stürner, in: FS Canaris, S. 1489, 1501.

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dass sich das primärrechtlich verankerte Informationsmodell mit voranschreitender Marktentwicklung auch im Sekundärrecht durchsetzt. Alle exemplarischen Beispiele werden dabei verdeutlichen, dass das Informationsmodell seinem Anspruch als „least restrictive alternative“ nur dann gerecht wird, wenn es in einem ganzheitlich integrierten Gesamtkonzept gesehen wird. Ein solches kann durch die konkrete Ausgestaltung die Belastungen für alle Beteiligten minimieren und in gerechten Ausgleich bringen. Die Lösung ist aber nicht allein in einem nach Größe oder Intensität der Marktteilnahme abgestuften Konzept zu suchen. Vielmehr wird deutlich, dass auch innerhalb der horizontalen Ebenen vermehrt eine interne Integration der einzelnen Publizitätspflichten untereinander zu fordern ist. Die einer Offenlegung entgegenstehenden Interessen (der Verpflichteten, der Wettbewerber, …) erfordern es, die einzelnen Pflichten optimal aufeinander abzustimmen, um so Belastungen, die zu Zeiten geringerer Marktentwicklung gegebenenfalls noch gerechtfertigt waren, in einem zunehmend effizienten Markt aber nicht mehr gerechtfertigt sind, zu minimieren. Einem solchermaßen integrierten Konzept, das sich den verändernden Bedürfnissen des Marktes kontinuierlich dynamisch anpasst, käme dann Vorrangcharakter zu. In Teil D. werden sodann die Eckpfeiler und Konturen eines solchen integrierten Konzeptes am Beispiel des organisierten Marktes aufgezeigt, so dass dieses in der konkreten integrierten Ausgestaltung den Vorteilen einer Regulierung mittels Publizität gerecht wird.

II. Vordringen des Informationsmodells im Europäischen Wirtschaftsrecht 1. Ausgangspunkt Kapitalmarktrecht Für das US-amerikanische Recht konnte die „disclosure philosophy“ aus Perspektive der Securities Regulation herausgearbeitet werden. Diese Sichtweise soll daher hier zum Ausgangspunkt gemacht werden, um das Vordringen des Informationsmodells im Europäischen Wirtschaftsrecht zu verdeutlichen. Dies anerkennt in besonderem Maße die Herausarbeitung der Bedeutung von Publizität als anleger- und marktschützendes Institut.12

12 Grundlegend Hopt, Kapitalanlegerschutz, S. 162 ff., 304 ff., 382 ff.; Schwark, AnleACHTUNGREgerACHTUNGREschutz, S. 171 ff.; Assmann, Prospekthaftung.

II. Vordringen des Informationsmodells im Europäischen Wirtschaftsrecht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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a) Konzeptionelle Grundlagen des Europäischen Kapitalmarktrechts Wie bereits gesehen, wird in Europa seit 1966 der Aufbau eines binnenmarktvergleichbaren Kapitalmarkts angestrebt,13 dem aufgrund der internationalen Fungibilität von Kapital schon früh besondere Bedeutung zugesprochen wurde. Der auf Schaffung eines vollintegrierten EU-Finanzraums abzielende liberale Ansatz lässt sich insofern verstehen, als nur mithilfe der Kapitalverkehrsfreiheit auch die anderen Grundfreiheiten verwirklicht werden können.14 Dabei betont der Segr-Bericht durchgängig die herausragende Stellung von Informationsnormen. Anlegerschutz durch Publizität (Information) bildet danach neben einer Harmonisierung der Zugangsbestimmungen15 die Grundlage des europäischen Gesamtkonzepts eines integrierten Kapitalmarktes. Ständige, über die laufende Jahresabschlussrechnung hinausgehende Publizität, so der Bericht, diene dem Sparerschutz und der Erhöhung des Kapitalangebots auf dem Wertpapiermarkt. Darum solle jeder neue Umstand, der die Verhältnisse oder die Rentabilität eines Unternehmens entscheidend beeinflussen könnte, dem Publikum so rasch wie möglich zur Kenntnis gebracht werden.16 Dem Gemeinschaftsrecht kommt dabei die Aufgabe zu, die unterschiedlichen Informationsregimes der einzelnen Mitgliedstaaten weitestgehend anzugleichen, um so die Hindernisse einer kostengünstigen Kapitalaufnahme zu beseitigen, und somit Investitionen zu fördern. Die Kapitalgeber sollen sich ohne intensive Prüfung des Gesellschaftsstatuts darauf verlassen können, dass vergleichbare Sicherungsmechanismen in allen Mitgliedstaaten bestehen (Transparenz und materielle Gleichwertigkeit der Rechtsordnungen).17 Die Transparenz der Unternehmensinformationen selbst ermöglicht dann – in Kenntnis des einheitlichen Rechtshintergrundes – eine europaweit vergleichende, begründete und informierte Investitionsentscheidung.18 Trotz späterer Änderung des Harmonisierungsansatzes19 hat sich das Fernziel dabei nicht geändert: der Abbau rechtlicher Hindernisse und die Durchdringung der weiter fortbestehenden nationalen Kapitalmärkte.20 Das bedeutet, in der negativen Abgrenzung ausgedrückt, zum einen, dass ein europäischer Kapitalmarkt mit einheitlichem Recht gerade nicht angestrebt ist. Andererseits wurde aber auch nie darauf vertraut, dass ein integrierter Kapitalmarkt sich durch eine bloße Liberalisierung der 13

Kommission, Segr-Bericht; ausführlich zum Segr-Bericht Elster, Europäisches Kapitalmarktrecht, S. 4 ff. 14 EuGH, Rs. 203/80 (Casati), Slg. 1981, 2595, Rz. 3; vgl. Oppermann/Classen/Nettesheim, § 31, Rn. 1, 12. 15 Dazu Hopt/Baum, in: Börsenreform, S. 286, 311 mit umfassenden Nachweisen. 16 Kommission, Segr-Bericht, S. 237 ff. 17 Werlauff, EC Company Law, S. 230 f. 18 Schön, ZHR 160 (1996), 221, 244 (Notwendigkeit einheitlicher Transparenzanforderungen im Binnenmarkt). 19 Mindestharmonisierung anstelle Einheitsrechts; vgl. dazu oben, A.III.3. 20 Kommission, Segr-Bericht, S. 15 ff., 39 ff., 185 ff., 283 ff.

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Kapitalverkehrsströme im Rahmen eines Wettbewerbs der Systeme von selbst herausbilden würde.21 Vielmehr schreibt das Unions-Kapitalmarktrecht „rahmenhaft“22 positive (Minimum-)Schutzstandards fest.23 Dies liegt im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip, Art. 5 Abs. 3 EUV24, nach dem die Union in Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen (für den Binnenmarkt: Art. 2 Abs. 2 lit. a AEUV), nur tätig wird, „sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen von den Mitgliedstaaten [nicht] ausreichend verwirklicht werden ACHTUNGREkönnen, sondern vielmehr wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind.“ Dabei dürfen die Maßnahmen nicht über das für die Erreichung der Ziele der Verträge erforderliche Maß hinausgehen.25 Ebenso ist die Rechtsangleichungskompetenz nach Artt. 4 Abs. 2 lit. a, 26, 114 AEUV (ex-Artt. 3 Abs. 1 lit. h, 95 EGV) immanent beschränkt auf Fälle, in denen ein Tätigwerden erforderlich für die Verwirklichung und das Funktionieren des Binnenmarkts ist. Dies steht im Einklang mit der durch Schumpeter und Hayek geprägten ökonomischen Schule.26 Die evolutorische Marktprozess- und Wettbewerbstheorie geht in einer sich schnell verändernden Welt von einem ständigen Problem mangelnden Wissens aus. Der sich daraus entwickelnde Wettbewerb wird zentrales Mittel zur Schaffung und Verbreitung neuen Wissens, so dass eine Vielfalt von Systemen vor unterschiedlichen rechtstatsächlichen und kulturellen Hintergründen zu schnellerer und effektiverer Anpassung an Marktentwicklungen führt, und somit die Innovationsfähigkeit insgesamt fördert.27 Grundvoraussetzung dieser Innovationsfähigkeit sind allerdings die Mobilität innerhalb des Marktes und eine freie Rechtswahl, welche durch einen übergeordneten institutionellen Rahmen zu gewährleisten sind, der Markt(oder Wettbewerbs-)versagen möglichst weitgehend verhindern soll.28 Nicht zu verwechseln ist dieser wettbewerbsorientierte Ansatz mit einem Wettbewerb der Systeme auf europäischer Ebene, auf den er gerade nicht vertraut. Vielmehr ist differenzie-

21 Buxbaum/Hopt, Legal Harmonization, S. 1 ff., 280 ff.; Merkt, RabelsZ 95 (1995), 545, mit überzeugenden Argumenten, dass ein solcher Wettbewerb der Gesetzgeber in Europa nicht zu erwarten wäre. 22 Anschaulich Riesenhuber, in: Hopt (Hrsg.), Kapitalmarktgesetzgebung, S. 23, 57. 23 Grundmann, ZSR 1996, 103, 104. Freilich werden diese im „Lamfalussy“-Verfahren weiter konkretisiert, dazu Schmolke, NZG 2005, 912, 913; Zimmer, BKR 2004, 421; von einem Einheits-Kapitalmarkt ist Europa aber noch weit entfernt, s. o., A.III.3.; zur ProspektVO, sogleich. 24 Dazu Papier, Subsidiaritätsprinzip, S. 1 ff. 25 Art. 5 Abs. 3 (Subsidiaritätsprinzip) und Abs. 4 (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit) des EUV. 26 Dazu oben, B.III.2.a)cc). 27 Schumpeter, Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, 5. Aufl.; v. Hayek, Wettbewerb als Entdeckungsverfahren; Überblick bei Kerber, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung, S. 67, 68. 28 Kerber, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung, S. 67, 76 f., 81 (Erfordernis einer „Metarechtsordnung“).

II. Vordringen des Informationsmodells im Europäischen Wirtschaftsrecht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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rend zu hinterfragen, in welchen Bereichen eine unterstützende (Mindest-)Regulierung notwendig und sinnvoll ist und in welchen nicht.29 Diesem Prozess der EU-Rechtsangleichung wurde früh der Vorwurf der Konzeptionslosigkeit gemacht. Das Ziel, einen funktions- und leistungsfähigen Kapitalmarkt zu schaffen, kann danach nur erreicht werden, wenn sich die Gemeinschaft vorab, im Sinne einer ordnungspolitischen Grundentscheidung, auf die grundlegenden Prinzipien festlegt, nach denen der Kapitalmarkt der Gemeinschaft verfasst sein soll.30 Unkoordinierte, kompromisshafte und marktgetriebene Rechtsangleichungs- und Rechtssetzungsarbeiten (vor allem in den Bereichen Aufsicht und Anlegerschutz) gefährden dieses Ziel. Daher wird ein Grundkonsens über die maßgeblichen Grundsätze der Gesamtorganisation, ein so genannter „theoriegeleiteter Masterplan“ gefordert, welcher vorab ein umfassendes Regelwerk und die zu dessen Durchsetzung erforderlichen Schritte festlege.31 Dabei wäre insbesondere auf eine bessere Abstimmung zwischen Kapitalmarkt- und Gesellschaftsrecht zu achten.32 Diese Kritik verkennt jedoch den Grundansatz, welcher der europäischen Rechtsangleichung und dem europäischen Kapitalmarktrecht im Besonderen zugrunde liegt. Ziel ist es nicht, sämtliche kapitalmarktrelevante Normen zu vereinheitlichen. Vielmehr steht eine strikte Problemorientierung im Mittelpunkt. Einzelprobleme ACHTUNGREsollen markt- und bedarfsgerecht gelöst werden.33 Dabei ist der Eingriff auf ein ACHTUNGREMinimum zu beschränken, Art. 5 EUV. So können Flexibilität und Offenheit gewahrt 29 Die ökonomischen Theorieansätze sprechen vom richtigen Grad der Zentralisierung oder Dezentralisierung, und daraus abgeleitet ein Mehr an Regulierung oder Deregulierung auf europäischer Ebene, Vaubel, in: Jahrbuch für neue politische Ökonomie, Bd. 11, S. 30 ff.; Grundmann, ZSR 1996, 103, 104 verdeutlicht den erläuterten Unterschied: Es gibt durchaus Bereiche, in denen Liberalisierungsvorgaben der Gemeinschaft bestehen, ohne dass dabei Rechtsangleichungsmaßnahmen erfolgt sind, so dass die Verantwortung der einzelnen Mitgliedstaaten hier weiterhin im Vordergrund steht. Das bedeutet nicht, dass auf einen Wettbewerb der Systeme i.S.d. Extremmodells Kitchs, in: Buxbaum, S. 35, 46, vertraut wird. Es anerkennt aber im Sinne einer differenzierenden Betrachtung, dass Unterschiede in einzelnen Bereichen dem Markt durchaus förderlich sein können. 30 Seidel, in: FS Lukes, S. 575, 584. 31 Assmann, ORDO 1993, 87, 90; ders., AG 1993, 549, 555 ff.; Kilian, Europäisches Wirtschaftsrecht, Rn. 29 nennt, nicht auf das Kapitalmarktrecht beschränkt, folgende Gründe für das Fehlen eines geschlossenen Konzeptes einer Rechtsordnung (= transparentes, möglichst widerspruchsfreies System von Rechtssätzen): (1) bloße Instrumentalisierung des Rechts zur Verwirklichung ökonomischer und politischer Ziele, (2) Zufälligkeit der Inhalte und Verfahren der Rechtsangleichung mangels übergeordneter Theorie, (3) Zielkonflikte zwischen Wettbewerbs- und Industriepolitik/Marktlenkung, (4) geringer Abstraktionsgrad führt zu zahlreichen Sonderregelungen, (5) Scheinregelungen mit Rückverweisungen an die Mitgliedstaaten, (6) Defizite im Vollzug der Regelungen. Andererseits anerkennt er eine „Systemqualität“ des Gemeinschaftsrechts als „marktkonstituierendes, zielgerichtetes Rahmenrecht“, welches aber keine in sich schlüssige, vom nationalen Recht der Mitgliedstaaten unabhängige Rechtsmasse darstelle, ebd., Rn. 30. 32 Insb. Assmann, in: GK-AktG, Einl. Rn. 343 ff.; ders., AG 1993, 549, 557; Kübler, Aktie, S. 65. 33 Merkt, RIW 2004, 1, 2, 7.

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bleiben. Vor diesem Hintergrund – der Sicherung von Funktionsfähigkeit und Integration des Binnenmarktes bei gleichzeitiger Wahrung des Subsidiaritätsprinzips – ist auch die Normierung von Offenlegungspflichten zu verstehen. b) Informationsmodell und „Wettbewerb der Rechtsordnungen“ Der Publizität kommt folglich eine entscheidende Rolle zu, wenn nach einem Ausgleich von zentraler Harmonisierung bzw. (Über-)Regulierung und einem möglichen Gesetzgebungs- oder Systemwettbewerb der Gesellschaftsrechtsordnungen auf europäischer Ebene gefragt wird.34 Sie kann einen Ordnungsrahmen bilden, innerhalb ACHTUNGREdessen dezentrale, marktnahe, experimentierfreudige und damit auch heterogene Bedürfnisse befriedigende Entscheidungen getroffen werden, ohne dabei die Gefahr informationellen Marktversagens zu begründen.35 Das äußerst differenziert zu betrachtende Problem soll kurz und stark vereinfacht dargestellt werden: Der Idee eines Wettbewerbs der Regelungsgeber liegt der Gedanke zugrunde, dass Anleger ihre Investitionsentscheidung von der Qualität des betreffenden Rechts abhängig machen.36 Leitbild ist der shareholder-value-Ansatz des US-amerikanischen Rechts, nach welchem Anleger diejenige Rechtsordnung wählen werden, die ihren Interessen am besten entspricht.37 Aus ökonomischer Sicht hat sich jedoch gezeigt, dass Informationsprobleme (und, bei Auseinanderfallen von Entscheidungsmacht und Nutzen, auch negative externe Effekte), nur schwer dezentral gelöst werden können und daher eine zentrale Regelsetzung erforderlich ist, um die Wahlfreiheit zwischen verschiedenen Regelungsregimes überhaupt zu ermöglichen.38 In der Rechtswirklichkeit sieht sich der Regulierungswettbewerb derzeit drei großen Tendenzen ausgesetzt: einer Technologisierung (Computerisierung), Internationalisierung und Institutionalisierung.39 Folge sind die wachsende Vernetzung der Finanzmärkte und ein weltweit schneller Zugang zu veröffentlichten Informationen, der eine Abwanderung von ineffizient regulierten Märkten ermöglicht, ohne dabei die Transaktionskosten nennenswert zu steigern: Kapitalanlage und Kapitalaufnahme globalisieren sich.40 Hinzu tritt der Wettbewerbsdruck im Binnenmarkt selbst. Noch verstärkt werden diese Tendenzen durch den zunehmenden Einfluss institutioneller Investoren, die in der Lage sind, die durch die technischen Möglichkeiten eröffnete Mobilität auch effektiv zu nut-

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Dazu Merkt, RabelsZ 59 (1995), 545, 546. Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 159. 36 Dazu Merkt, RabelsZ 59 (1995), 545, 547 ff.; Überblick über den Streitstand bei Hopt, ZIP 1998, 96, 98. 37 Merkt, RabelsZ 59 (1995), 545, 555 ff. m.w.N.; vgl. oben, B.III.2.d)bb) (Romano). 38 Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 162. 39 Hopt/Baum, in: Börsenreform, S. 286, 307 m.w.N. 40 Zum dadurch gestiegenen Wettbewerbsdruck für den europäischen Gesetzgeber, Hopt/ Baum, ebd., S. 308. 35

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CHTUNGREzA en.41 Damit steht der Gesetzgeber vor der Aufgabe, hinreichende Flexibilität und Innovationsmöglichkeiten zu gewährleisten, und trotzdem den gewandelten Schutzbedürfnissen (zunehmende Anzahl institutioneller Investoren, Privatanleger investieren weltweit über das Internet ohne den Schutz durch Intermediäre) Rechnung zu tragen. Legt nun das Informationsmodell den Schwerpunkt der Regulierung auf Informationsnormen, so wird dieser Wettbewerb und die dargestellten Tendenzen noch gefördert. Denn mit dem Informationsmodell wird zum einen Transparenz und Vergleichbarkeit durch zentrale Regelsetzung (zunächst noch beschränkt auf die europäische Ebene)42 angestrebt. Andererseits bleibt die inhaltliche Ausgestaltung den Marktteilnehmern vorbehalten.43 Der informationelle Rahmen selbst wird dabei aber nicht den freien Kräften des Marktes überlassen. Er bildet gewissermaßen die Wettbewerbsordnung, innerhalb derer ein die Gesamtwohlfahrt fördernder Wettbewerb erst ermöglicht wird.44 Damit bleiben Vielfalt und Verschiedenheit der Rechtsordnungen weitestgehend erhalten (Subsidiaritätsprinzip). c) Mittelbare Wirkung des Informationsmodells im interessenpluralen Ansatz Wird nun unter dem Stichwort Informationsmodell die zunehmende Substitution materiellen Gesellschaftsrechts durch Information diskutiert, so ist zu beachten, dass dem Gesellschaftsrecht nach kontinentaleuropäischem Verständnis ein interessenpluraler Ansatz zugrunde liegt, der insbesondere die Interessen von Arbeitnehmern und Fremdkapitalgebern einbezieht.45 Fallen aber Entscheidungsmacht und Nutzen auseinander, treten zu den Informationsproblemen die dargestellten externen Effekte (Betroffene haben keine Entscheidungsmacht), welche eine zentrale Regelsetzung erforderlich machen.46 Führt der Kapitalmarkt/Börsenkurs hier nicht zu einem gerechten Ausgleich aller Interessen durch Wettbewerb der inhaltlichen Ausgestaltung, so rechtfertigt dies zentral vorgegebenes zwingendes Recht. Andererseits konnte gezeigt werden, dass Transparenz auch über andere Märkte erhebliche verhaltenssteuernde Auswirkungen hat, und eine Vernachlässigung der stakeholder-Interessen daher im Ergebnis nicht zu befürchten ist.47 Ausgegangen wird dabei folglich von 41

Institutionelle Investoren sind juristische Personen, die Portefeuilles von erheblicher Größe verwalten und entsprechend ausgebildete Mitarbeiter speziell für die Kapitalverwaltung beschäftigen, ebd., Fn. 83 f. m.w.N. 42 Zur Forderung, Publizitätspflichten bei Gleichwertigkeit des Anleger- und Funktionsschutzes weltweit anzuerkennen und den Emittenten Wahlrechte zu gewähren Hopt/Baum, Börsenreform, S. 268, 443. 43 Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 163, 164. 44 Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 159, 162. 45 Merkt, RabelsZ 59 (1995), 545, 554 ff., 560. 46 Vgl. oben, B.II.1. (negative externe Effekte); vgl. Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 159. 47 Vgl. oben, B.III.2.e) (Governance-Funktionen der Publizität).

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einer mittelbaren Verhaltenssteuerung des Marktes: Die Anleger, aber auch das Unternehmen selbst, berücksichtigen aufgrund der angeordneten Transparenz auch diejenigen Nachteile, die auf anderen Märkten (z. B. dem Produktmarkt) entstehen. Folge ist, dass die Aktie als einer der Bestandteile der Drittbeziehungen eines Unternehmens zu verstehen ist. Sie wird zur werbewirksamen „Marke“,48 über welche ebenso für die Produkte eines Unternehmens geworben werden kann, wie die Anleger eine Benachteiligung anderer Gläubigergruppen in ihrer Entscheidungsfindung berücksichtigen werden. Der durch gute Unternehmensführung erreichte Unternehmenserfolg ist sodann der beste Schutz, der den Anlegern widerfahren kann. Damit steht und fällt ein Informationsmodell mit der Effektivität der Kontrolle durch einen Markt.49 Es rechtfertigt sich nur, wenn diese in Europa zumindest ähnlich effektiv ist, wie etwa die Kontrolle des Kapitalmarktes in den USA. (Dies ließe sich einerseits aufgrund der hohen Fremdkapitalquote und der damit verbundenen Konzentration des Anteilsbesitzes in den Händen weniger, andererseits aufgrund einer geringeren Entwicklung der Kapitalmärkte und den damit schwächeren Kontrolldruck der Kursentwicklung auf das Managementverhalten bezweifeln.50) Anderenfalls ist eine Absicherung sämtlicher Interessen nicht garantiert und eine Kontrolle durch Systemwettbewerb scheidet aus.51 Rechtfertigt sich Pflichtpublizität mithin zunächst als (marktkonstituierender) Ordnungsrahmen, der informationelles Marktversagen zu verhindern sucht, so ACHTUNGREermöglicht es die durch die gesteigerte Transparenz kontinuierlich zunehmende ACHTUNGREEffizienz der Marktkontrolle, zwingendes materielles Recht Schritt für Schritt abzubauen und dem innerhalb des Systems bestehenden Wettbewerb anzuvertrauen (fortschreitendes Informationsmodell aufgrund der effizienz-/marktfördernden Funktion der Publizität). Mit zunehmender Entwicklung des Marktes steigt mithin der Legitimationsdruck für materiell zwingende gesellschaftsrechtliche Harmonisierungsmaßnahmen.52 Vielmehr konzentriert sich die Harmonisierungstätigkeit auf Festlegung von Informationsnormen,53 denen als fester marktrechtlicher Rahmen eine facilitating function54 zukommt. Mithin kann die Frage, inwieweit materiell zwingendes 48 Der Gedanke der Aktie als „Marke“ entstammt den investor ralations, vgl. die Beiträge in: Knüppel (Hrsg.). 49 Kern einheitlichen europäischen Rechts ist daher der Marktbezug: Vereinheitlicht werden Marktrechte und solche Rechte, die in engem funktionalen Zusammenhang stehen (etwa das Aktienrecht), Hopt, ZIP 98, 96, 99. 50 Merkt, RabelsZ 59 (1995), 545, 566 m.w.N. 51 Romano, Corporate Law, S. 137 ff. erklärt damit die Ablehnung des Wettbewerbsgedankens in Europa. 52 So schon die Prognose bei Merkt, RabelsZ 59 (1995), 545, 568. 53 Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 164 m.w.N.; Merkt, Unternehmenspublizität, S. 132 – 148, 314 – 331. 54 Durch harmonisiertes Marktrecht (v. a. Informationsnormen) werden Hindernisse für das Zusammenwachsen nationaler Gesellschaftsrechte abgebaut, Hopt, ZIP 98, 96, 100. Diese werden dann dem Wettbewerb überlassen.

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Recht durch Publizitätspflichten ersetzt werden kann (Informationsmodell), nur sehr differenziert und nur im Hinblick auf die Entwicklungsstufe des jeweiligen Marktes und Marktsegments, sowie dessen Inanspruchnahme durch das jeweilige Unternehmen beantwortet werden. Große Unternehmen, die effektiv vom Markt kontrolliert werden, können weitergehend von inhaltlich zwingenden Vorschriften befreit werden, als kleine kapitalmarktferne Gesellschaften, bei denen tendenziell eher der Nutzen einer zusätzlichen Offenlegungspflicht gegen die damit verbundenen Belastungen für das Unternehmen55 abzuwägen ist. Da von einer pauschalen Vorzugswürdigkeit von Informationsnormen somit ohnehin nicht auszugehen ist, soll hier – nach einem kurzen Blick auf die Gründe der informationellen Ausgestaltung des europäischen Rechts und die damit verbundene Kritik – der Schwerpunkt der Betrachtung auf der konzeptionellen Ausgestaltung der Publizitätspflichten liegen. Dieses konzeptionell-systematische Verständnis soll helfen, die einzelnen Pflichten als Bestandteil eines integrierten, inhaltlich abgestimmten Gesamtkonzeptes zu verstehen, innerhalb dessen die Belastungen für die einzelnen Marktteilnehmer möglichst gering gehalten werden können ohne dabei Einbußen bei der Effektivität der Zielerreichung in Kauf nehmen zu müssen. Im Kern geht es mithin um den Ausgleich von individualschützenden und effizienzfördernden Elementen einer Regulierung.

d) Voranschreitendes systematisch-konzeptionelles Verständnis der Publizität Bei näherer Betrachtung wird zudem deutlich, dass die Kritik der Konzeptionsund Konzeptlosigkeit überzogen ist und sich spätestens seit dem FSAP so nicht aufrechterhalten lässt.56 Gerade in den letzten Jahren ist die Systembildung im Bereich des europäischen Kapitalmarktrechts seitens der rechtswissenschaftlichen Forschung erheblich vorangeschritten. Diese soll hier auf sämtliche Normen mit Kapitalmarktbezug erstreckt werden. System bilden bedeutet, die Regelungsstücke eines Bereichs auf ihre Stimmigkeit hin zu untersuchen.57 Eine am Methodischen und Systematischen orientierte wissenschaftliche Betrachtung muss es daher gerade zum Ziel haben, Ordnungsmuster und materiell konsistente Wertungsprinzipien aufzuzeigen.58 Ein solcher Systematisierungsansatz soll hier in der Verwendung von Informationsnormen im europäischen Recht gesehen werden. Ziel ist es mit anderen Worten, die fragmentarischen und oftmals kompromisshaften Bruchstücke in ein Gesamtkonzept europäischer Wirtschaftsrechtsangleichung einzuordnen. Dabei soll das europäische Recht als Bestandteil eines übergeordneten Binnenmarktkonzeptes verstanden werden, welches – wenn nicht allein, so doch zentral – durch die Verwendung von Publi55

Insb. wenn im Gegenzug nicht auf eine inhaltlich bindende, hier sog. „materielle“ Pflicht verzichtet wird. 56 Dieser verfolgt nach einem langen Zeitraum vereinzelter, sektoraler Harmonisierungsmaßnahmen erstmals einen koordinierten und integrierten Ansatz, vgl. oben, A.III.3. 57 Grundmann, Systembildung, S. 1. 58 Mülbert, WM 2001, 2085, 2086.

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C. Das Informationsmodell im Unternehmensrecht

zitätsnormen verwirklicht wird. Diesem Konzept liegt ein System von Grundwertungen und allgemeinen Rechtsprinzipien59 zugrunde, welches sich als dogmatische Ordnung erfassen lässt. Diese soll als Grundlage und Leitlinie herausgearbeitet werden, aufgrund derer sich die verschiedenen bei der Inanspruchnahme des Kapitalmarktes in Widerstreit tretenden Interessen und Konflikte in Ausgleich bringen lassen.60 Lässt sich ein grundsätzlicher Vorrang des Publizitätsinteresses des Marktes feststellen, so ist zugleich weiter zu fragen, wie weit dieses Konzept reicht und mit anderen Schutzbedürfnissen in Ausgleich zu bringen ist. Dieses konzeptionell-integrierte Verständnis verdeutlicht, dass Publizität – sollte sie sich als Rechtsgrundsatz oder Rechtsprinzip im Sinne „richtunggebender Maßstäbe rechtlicher Normierung, die vermöge ihrer eigenen Überzeugungskraft rechtliche Entscheidungen zu rechtfertigen vermögen“61 nachweisen lassen – immer mit anderen Prinzipien in Ausgleich gebracht werden muss, um sich im Zusammenspiel wechselseitig verstärken und beschränken zu können.62 Für diese Einordnung ist zweierlei erforderlich. In einem ersten Schritt ist die Verwendung von Publizität als Regelungsprinzip herauszuarbeiten. Darunter wird zunächst allein die Verwendung von Publizitätspflichten als ein gesetzgeberisches Gestaltungsmittel unter vielen verstanden.63 Hier soll ein Vorrang des „Regelungsmittels Transparenz“ zunächst primärrechtlich begründet werden, wobei eine gewisse Affinität des marktwirtschaftlich-wettbewerbsorientierten Konzepts des europäischen Primärrechts zu Transparenzmitteln aufgezeigt werden soll. Publizität wird aber nicht als zwingender positiver64 Wert vorgeschrieben, der um seiner selbst willen zu verwirklichen ist. Die Offenheit für Transparenz hat jedoch regelmäßig zur Folge, dass Publizität im gesetzten Recht als Rechtsgrundsatz Bedeutung erlangt. In einem zweiten Schritt lassen sich folglich die einzelnen Pflichten auf Sekundär- und nationaler Ebene zu einem Grundsatz oder Prinzip der Publizität zusammenfügen, welches mit anderen Rechtsprinzipien in Ausgleich zu bringen ist. Diesen Integrationsschritt leistet das „Publizitätskonzept“, nach welchem sich die Offenlegungspflichten im geltenden Recht als integriertes Sinnganzes zusammenfügen lassen. Erst dieses sämtliche Interessen berücksichtigende, integrierte Konzept wird als solches der Vorzugswürdigkeit einer Regulierung durch Transparenz gerecht.

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Canaris, Systembegriff, S. 35 ff. Nach Heck, Begriffsbildung, S. 139 ff. ist Ziel der juristischen Dogmatik, die Grundwertung für die Lösung von Konfliktentscheidungen vorzugeben. 61 Larenz, Methodenlehre, 6. Aufl. 1991, S. 421, 474. 62 Grundlegend, Canaris, Systembegriff, S. 53, 55 f., 113 ff. 63 So differenzierend Riesenhuber, in: Hopt (Hrsg.), Kapitalmarktgesetzgebung, S. 23, 56. 64 Vielmehr wird Publizität „negativ“ aus dem Übermaßverbot als „milderes Mittel“ herzuleiten sein. Dagegen ist eine positive Herleitung aus der Schutzgebotsfunktion der Grundfreiheiten nicht möglich. Weniger Transparenz wäre mithin nicht etwa primärrechtswidrig. Vgl. dazu Riesenhuber, ebd., S. 23, 54, 57. 60

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2. Primärrechtliche Betrachtung a) Wirtschaftsverfassungsrechtliche Grundgedanken Schon das europäische Primärrecht gibt die Leitlinien für ein Informationsmodell vor.65 Dieses ergibt sich folglich schon aus dem Grundverständnis der Verträge. Da diese jedoch nur Einzelziele und kein inhaltlich klar bestimmtes Wirtschaftsmodell festlegen, sind hier einige grundlegende Überlegungen angebracht, welche vor dem Hintergrund der Planungen zu einer neuen Finanzarchitektur66 erhebliche aktuelle Bedeutung erlangen. Das Wirtschaftsverfassungsrecht – als rechtliche Festlegung des Wirtschaftssystems in seinen allgemeinen Strukturen und Funktionen – unterscheidet die beiden Grundmodelle „Markt“ und „Plan“.67 An Artt. 2; 3 Abs. 1 lit c, g und h; 4 Abs. 1 EGV anknüpfend hatte sich hier ein Konsens gebildet, dass der EG-Vertrag spätestens seit Aufnahme des Binnenmarktkonzepts im Rahmen der Einheitlichen Europäischen Akte eine Systementscheidung für eine offene Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb getroffen hat, die ihre besondere Ausprägung in Gestalt der Grundfreiheiten, der Wettbewerbsregeln und Wirtschaftsgrundrechte findet.68 Diese sehr stark an ökonomischen Effizienzkriterien orientierte Betrachtung geht vor allem auf das Theorem des komparativen Kostenvorteils zurück, nach dem die günstigsten Effekte für alle Marktteilnehmer dann erzielt werden, wenn ein ungehinderter Fluss von Produkten und Produktionsfaktoren zu dem Nachfrager gewährleistet ist, bei dem sie den höchsten Preis erzielen können.69 Allokationseffizienz und ACHTUNGREPrivatautonomie stehen im Mittelpunkt dieser liberalen Philosophie. Allerdings war man sich bewusst, dass es dabei nur um eine prinzipiell wettbewerbsverfasste Grundordnung handelt, die durch interventionistische Elemente partiell relativiert wird und mit den anderen Zielen der Verträge in Ausgleich zu bringen ist (praktische Konkordanz).70 Der Vertrag von Lissabon ändert an dieser Grundstruktur wenig. Zwar schreibt Art. 3 Abs. 3 Satz 2 EUV nun eindeutig das Leitbild einer „in hohem Maße wettbe65

Grundmann, JZ 2000, 1133, 1138. Die Staats- und Regierungschefs der 20 größten Volkswirtschaften der Welt einigten sich am 16. November 2008 in Washington, das globale Finanzsystem neu zu ordnen und die Marktakteure strengeren Regeln und einer schärferen Kontrolle zu unterwerfen. Unter Wahrung von marktwirtschaftlichen Grundprinzipien, einem freien Handel und Kapitalverkehr, sowie einer wirksamen Regulierung der Finanzmärkte sollen alle Marktteilnehmer, alle FinanzACHTUNGREprodukte und Märkte „wirklich reguliert oder überwacht werden“, FAZ vom 17. 11. 2008, S. 11. 67 Die Unterscheidung geht zurück auf v. Hayek, vgl. Mestmäcker, Regelbildung. Aus rechtswissenschaftlicher Betrachtung entspricht dies den Instrumenten „Wettbewerb“ und „Intervention“, Mestmäcker, in: Bruha, S. 163. 68 Ausführlich Nowak, in: EuR-Beiheft 1/2009, 129, 147 ff.; Einheitliche Europäische Akte, ABl. 1987, L 169, S. 1. 69 Müller-Graff, in: Grundmann/Kerber/Weatherhill (Hrsg.), S. 133, 134 m.w.N. zur auf David Ricardo zurückzuführenden „theory of comparative (cost) advantage“. 70 Zu den Zielen des EGV, Kilian, Rn. 217, 220; zum AEUV, vgl. Nowak, in: EuR-Beiheft 1/ 2009, 129, 162 ff. 66

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C. Das Informationsmodell im Unternehmensrecht

werbsfähigen sozialen Marktwirtschaft“ vor. Ein neuer, eigenständiger rechtlicher Maßstab wird sich daraus allerdings nicht ableiten lassen: Einerseits kommt dem Leitbild aufgrund mangelnder Bestimmtheit und weiter Interpretationsoffenheit ohnehin keine Direktionskraft oder rechtlich zwingende Bindewirkung zu.71 Eine Konkretisierung erfolgt erst in den bereichsspezifischen Vorschriften.72 Vor allem aber zeigt die Verbindung von „Marktwirtschaft“ mit sozialen und in hohem Maße wettbewerbsfähigen Elementen, dass – wie schon bisher anerkannt –73 beide Ziele die Wirtschaftsverfassung prägen und in Ausgleich zu bringen sind. Nicht zu bestreiten ist aber, dass der Formulierung erhebliche politische Signalwirkung zukommt, die wohl vor allem auf einen breiteren Zuspruch bei der Bevölkerung abzielte, die der Betonung des vermeintlich kalten und unsozial empfundenen Ökonomischen eher kritisch gegenüber stehen könnte.74 Für die Publizität bestätigt sich damit, dass die individualschützende Dimension immer mehr Bedeutung erlangt und der individuelle Verständnishorizont so eine weitere Stütze bekommt. Publizität ist, weil sie den Schutz des einzelnen Marktteilnehmers als gleichrangiges Ziel mit dem Funktionsschutz in Ausgleich bringt, eben nicht nur ein besonders marktkonformes, sondern auch ein in besonderem Maße gerechtes und soziales Regelungsinstrument. Nähert man sich den Verträgen inhaltlich, um das Leitbild zu konkretisieren, bestätigt sich diese Auslegung. Im Zentrum steht weiterhin die Errichtung des Binnenmarkts, Art. 3 Abs. 3 Satz 1 EUV.75 Diesen konstituieren die Grundfreiheiten und das Wettbewerbsrecht,76 die ebenso wie die binnenmarktbezogenen Rechtsangleichungskompetenzen inhaltlich nahezu unverändert bestehen bleiben.77 Der Binnenmarkt umfasst auch weiterhin ein „System, das den Wettbewerb vor Verfälschungen schützt“, auch wenn diese Klarstellung auf Drängen Frankreichs in ein Protokoll verwiesen wurde.78 Rechtlich ist dieses Bestandteil der Verträge und gewährt eine um-

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Schwarze, EuR-Beiheft 1/2009, S. 9, 21; Nowak, ebd., S. 129, 184 f. m.w.N. Art. 2 Abs. 6 AEUV, vgl. Hatje, in: von Bogdandy/Bast (Hrsg.), S. 801, 810. 73 Vgl. EuGH, Rs. C-438/05 (Viking Line), Slg. 2007, I.10779, Rn. 43 f.: „Da die Gemeinschaft somit nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine soziale Zielrichtung hat, müssen [die Ziele] abgewogen werden“; vgl. Herdegen, Europarecht, § 15, Rn. 2: „Von Anfang an haben die Gründungsverträge über eine rein ökonomische Betrachtung hinausgeführt. Dies gilt etwa für die sozialpolitischen Bestimmungen, …“. Auch die Europäische Sozialcharta (völkerrechtliches Übereinkommen des Europarats) vom 18. 10. 1961, Europarat SEV-Nr. 035, revidierte Fassung vom 3. 5. 1996, Europarat SEV-Nr. 163 zeigt, dass den sozialen Rechten in der europäischen Rechtstradition seit jeher eine hohe Bedeutung zukommt. 74 So die Vermutung bei Oppermann/Classen/Nettesheim, § 19, Rn. 1. 75 Auch wenn dieser erst in Abs. 3 (nach Frieden, Werten, Freiheit, Sicherheit etc.) Erwähnung findet, steht er doch weiter im Mittelpunkt der politischen Anstrengungen der Union, Streinz/Ohler/Herrmann, § 7, I. 76 Schwarze, Europäisches Wirtschaftsrecht, Rn. 33, 157 m.w.N. 77 Vgl. Artt. 114 f. EUV (ex-Artt. 94, 95 EGV); Art. 352 (ex-Art. 308 EGV); zu den Grundfreiheiten sogleich. 78 Protokoll über den Binnenmarkt und den Wettbewerb, ABl. C-306/156 vom 17. 12. 2007. 72

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fassende Handlungsermächtigung, einschließlich des Art. 352 AEUV.79 Gem. Art. 3 Abs. 1 lit. b AEUV ist eine ausschließliche wettbewerbsrechtliche Zuständigkeit der Union vorgesehen. Zudem bleibt diese auch weiterhin dem „Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb verpflichtet“, Art. 119 AEUV (ex-Art. 4 EGV). Somit wird die Rechtslage auf dem Gebiet des Wettbewerbsrechts grundsätzlich beibehalten.80 Hinzu tritt lediglich die zunehmende Betonung sozialer Zielvorstellungen.81 Dabei ist bereits absehbar, dass nach dieser „Öffnung“ noch mehr ACHTUNGREökonomisches Gedankengut (Effizienz/Verbraucherwohlfahrt) in die Abwägung einfließen wird.82 Am grundsätzlichen Bekenntnis zum ordoliberalen Leitbild der Gewährleistung eines freien Wettbewerbs und wirtschaftlicher Handlungsfreiheit der Marktteilnehmer (individuelle und unternehmerische Freiheit) wird aber jedenfalls festgehalten,83 vgl. Art. 3 Abs. 3 EUV, Artt. 26 ff., 101 ff., 119 ff. AEUV.84 Diese wird neben Grundfreiheiten und Wettbewerbsfreiheit auch grundrechtlich durch die europäischen Grundrechte Berufs-, Eigentums- und unternehmerische Freiheit85 abgesichert, wobei letztere in ihrer Bedeutung durch die Grundrechte-Charta besonderes Gewicht erlangt.86 Mit dieser Systementscheidung wird deutlich, dass die Integrationshoffnung der Verträge zentral auf die Wahrnehmung der Grundfreiheiten und nicht auf zwingende Vorgaben setzt, die so zur rechtfertigungsbedürftigen Ausnahme werden.87 Der Binnenmarkt soll grundsätzlich durch grenzüberschreitende Wahrnehmung der Privatautonomie und durch Wettbewerb verwirklicht werden, nicht durch Interventionis-

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Der Verweis auf Art. 308 AEUV im Protokoll ist wohl redaktioneller Fehler (ex-Art. 308 EGV). 80 So auch Schwarze, EuR-Beiheft 1/2009, S. 9, 22 m.w.N. 81 Etwa Art. 3 Abs. 3 – 5 EUV; Artt. 9, 151 – 164 AEUV; Aufnahme sozialer Grundrechte in den Artt. 27 ff. und der Präambel der Charta; Artt. 22 ff. EMRK; umfassende Darstellung bei Kotzur, in: Pernice (Hrsg.), S. 197 ff. 82 So Drexl, in: von Bogdandy/Bast (Hrsg.), S. 905, 908, 956 (ausdrücklich neben dem ordoliberalen Leitbild). 83 Vgl. zur Konvergenz von Effizienz- und Freiheitsgedanken, Oppermann/Classen/ Nettesheim, § 21, Rn. 2; der Markt ist auch Ausdruck individueller Freiheit, die ohne Wettbewerb nicht existieren kann, Hatje, S. 801, 852. 84 Zum Wettbewerb als EU-Ziel von grundlegender Bedeutung, Nowak, EuR-Beih. 1/2009, S. 129, 155 m.w.N. 85 Vgl. Frenz, Handbuch, Bd. 4, Rn. 2496, 2501 ff., 2505. Zur grundrechtlichen Betrachtung, unten, C.II.3.g)bb). 86 Die unternehmerische Freiheit, Art. 16 der Charta der Grundrechte der EU, ABl. C-303/ 01 vom 17. 12. 2007, stützt die wirtschaftsverfassungsrechtliche Systementscheidung, insb. durch Gewährleistung von Handels- und Vertragsfreiheit. Auch die Wettbewerbsfreiheit ist Ausfluss dieser Freiheit, vgl. Frenz, ebd., Rn. 2505, 2711 ff. 87 Oppermann, Europarecht, 3. Aufl., 2005, § 13, Rn. 1 – 3, 6. Zu einem solchen „Vorrang der Marktintegration“ vor anderen öffentlichen Interessen, vgl. Basedow, in: FS Everling, S. 49, 57 ff.

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mus.88 In dieser Genügsamkeit an normativen Funktionsbedingungen einer sich primär privatautonom selbst regulierenden Marktwirtschaft liegt auch der Erfolg der Integration einer Vielzahl von historisch bedingt grundsätzlich unterschiedlichen Privatrechtsordnungen zu einem gemeinsamen Binnenmarkt begründet.89 Europäisches Recht ist mithin – darin liegt die Gemeinsamkeit mit der Publizität – marktbezogen. Es gewährleistet die Rahmenbedingungen für eine europaweite Verwirklichung der den Mitgliedstaaten gemeinsamen Privatrechtsinstitutionen,90 allen voran die Privatautonomie.91 b) Die primärrechtliche Liberalisierung des Kapitalverkehrs Aus primärrechtlicher Sicht gesehen ist nun das Ziel eines Europäischen Kapitalmarktrechts im Kern, einen europäischen Binnenkapitalmarkt zu schaffen (Zielvorgabe des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 EUV).92 Den Grundfreiheiten kommt dabei zentrale Bedeutung insoweit zu, als sie nach Art. 26 ff. AEUV das Instrument der Integration der nationalen Märkte zur Schaffung des Binnenmarktes sind. Daher sind die Regelungen zunächst im Kontext der Grundfreiheiten zu verorten. Diese bilden die normativen Grundlagen der Rechtsangleichung.93 Sie sind jedoch stets in ihrer inhaltlichen Verschränkung mit dem wirtschaftspolitischen Ziel des Binnenmarktes zu sehen, durch das sich die sachliche Reichweite der Kompetenzregeln bestimmt.94 aa) Europäisches Unternehmensrecht Eine Beschränkung auf die kapitalmarktrechtliche Perspektive greift in diesem Zusammenhang allerdings zu kurz. Anders als im US-amerikanischen Recht sind die ein Unternehmen treffenden Publizitätsvorschriften des europäischen Rechts zu einem weiten Teil im Gesellschafts- und Bilanzrecht begründet.95 Das Kapital88 Zum Ergebnis eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses von Markt-, Wirtschafts- und Wettbewerbsfreiheit ggü. marktinterventionistischen Eingriffen kommt auch Nowak, EuRBeiheft 1/2009, 129, 147. 89 Müller-Graff, Privatrecht und europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 17. 90 Damit wird der Binnenmarkt verwirklicht über die europaweite Gewährleistung gemeinsamer Institutionen wie der Privatautonomie, Vertragsfreiheit, Wettbewerbsfreiheit etc. Die inhaltliche Ausgestaltung bleibt frei. 91 Vgl. Hopt, in: Grundmann/Kerber/Weatherhill (Hrsg.), Party Autonomy, S. 246 ff.; Coester-Waltjen, ebd., S. 44 ff. (Privatautonomie im Rahmen des Rechts gewährleistet, BVerfGE 8, 274; 74, 109; Schranke insb., wenn die Selbstbestimmung wg. Informationsasymmetrien begrenzt ist. Diese sind daher durch das Recht auszugleichen.); besondere Betonung auch bei Riesenhuber, in: Hopt (Hrsg.), Kapitalmarktgesetzgebung, S. 23, 28 ff. 92 Mülbert, WM 2001, 2085, 2088 (zu ex-Artt. 2, 3 EGV). 93 Daneben besteht weiterhin das Instrument der Rechtsangleichung, Artt. 114 ff. AEUV; dazu sogleich. 94 Schön, ZHR 160 (1996), 221, 222. 95 Vgl. unten, D.I.3.; vgl. die Übersicht bei Noack, Status:Recht 2007, 56 ff.

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marktrecht hat sich in Europa nicht als eigenständiges, klar abgrenzbares Rechtsgebiet entwickelt, sondern es weist vielfältige Überschneidungen und Wechselwirkungen mit den angrenzenden Rechtsgebieten auf. Nach hier angeregtem Verständnis wird die Jahresabschlusspublizität sogar das Grundgerüst bilden, auf welches die kapitalmarktrechtlichen Publizitätspflichten zurückgreifen und aufbauen. Darüber hinaus wird sich zeigen, dass die spezifisch kapitalmarktrechtlichen Vorschriften (ein kapitalmarktrechtliches Informationsmodell) europarechtlich wenig problematisch sind. So besteht Einigkeit, dass ein vorrangiges Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit zum Zwecke des Schutzes der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes anzuerkennen ist, aus welchem es sich rechtfertigt, die den Kapitalmarkt in Anspruch nehmenden Unternehmen zur Offenlegung zu verpflichten.96 Die mit dem Informationsmodell einhergehenden grundfreiheitlichen und grundrechtlichen Spannungsverhältnisse (mögliche entgegenstehende Rechte der Unternehmen auf Schutz sensibler Daten) manifestieren sich vor allem in den gesellschafts- und bilanzrechtlichen Normen, insbesondere der umfassenden Jahresabschlusspublizität und Angaben zur Aktionärsstruktur.97 Auch wenn dabei die als problematisch empfundenen Daten zumeist nicht näher spezifiziert werden, deuten die empirischen Untersuchungen doch darauf hin, dass die betroffenen Unternehmen zumeist recht genau wissen, welche Informationen es zurückzuhalten oder zu verschleiern gilt.98 Daher ist das „Informationsmodell“ nicht auf ein kapitalmarktrechtliches zu begrenzen, sondern es sind alle ein Unternehmen treffenden Publizitätspflichten im Zusammenhang zu sehen. Dabei wird sich zeigen, dass sich das gesellschaftsrechtliche Informationsmodell sogar zentral an der grenzüberschreitenden Tätigkeit der Unternehmen im Binnenmarkt entwickelt hat, und die kapitalmarktorientierte Finanzierung nur ein Bestandteil dieser Tätigkeiten ist. Außerdem zeigen die Governance-Funktionen, dass Publizität aufs engste mit der effektiven Wahrnehmung von Aktionärsrechten verbunden ist. Gerade die Information zur Ausübung der Mitwirkungsrechte bildet heute eine wesentliche Rechtfertigung der Pflichtpublizität99 und ist spätestens mit der Aktionärsrechterichtlinie100 auch in den Mittelpunkt europäischer Harmonisierungsbemühungen gerückt. 96 Grundlegend Merkt, Unternehmenspublizität (Untertitel: „Korrelat der Marktteilnahme“); Schön, in: ders. (Hrsg.), S. 563, 609 (Schlussfolgerungen der Untersuchung): „Bei dieser gesetzlichen Publizitätspflicht [für börsennotierte Kapitalgesellschaften] soll es auch in Zukunft bleiben.“ Nur in Ausnahmefällen (Beschränkung von Innovation; Missbrauch beherrschender Marktstellung) ließen sich an Schutzklauseln im Interesse des Wettbewerbsschutzes denken; noch weitergehend Cordewener, in: Schön (Hrsg.), S. 105, 249 („generelles Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit“ aus Gründen des Marktschutzes „allgemein anerkannt“). 97 Cordewener, in: Schön (Hrsg.), S. 105, 225; Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 242. 98 Vgl. oben, B.III.1.d)bb); Link, in: Schön (Hrsg.), S. 529 versucht, wettbewerbsrechtlich problematische Daten zu identifizieren. Differenzierende Untersuchungen, allerdings mit stark abweichenden Ergebnissen, wurden ansonsten vor allem bei der Umstellung auf IFRS und zu § 161 AktG (DCGK) durchgeführt. 99 Dazu oben, B.III.2.e) (Governance-Funktionen); vgl. Schön, RabelsZ 64 (2000), 1, 26. 100 Diese befasst sich erstmals substantiell mit Fragen der inneren Entscheidungsstruktur der Aktiengesellschaft.

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C. Das Informationsmodell im Unternehmensrecht

bb) Ermächtigungsgrundlagen – Verankerung der Publizität in den Grundfreiheiten Ein Tätigwerden der Gemeinschaft ist nach dem Prinzip begrenzter Einzelermächtigung101 auf eine Ermächtigungsgrundlage zu stützen. Wie gesehen begründet Art. 3 Abs. 3 Satz 1 EUVeinen Bezug zum Binnenmarkt, welcher nach Art. 26 AEUV über die Verwirklichung der nachfolgenden Grundfreiheiten erreicht werden soll. Es gilt daher zunächst, die einschlägigen Grundfreiheiten zu identifizieren. Hinsichtlich der Ermächtigungsgrundlagen sei dazu angemerkt, dass dem weit gefassten Art. 352 AEUV (ex-Art. 308 EGV) nur eine Auffangfunktion zukommt, vor welcher die Ermächtigungsgrundlagen der Artt. 114, 115 AEUV (ex-Art. 94, 95 EGV) Vorrang genießen.102 Es hat sich jedoch gezeigt, dass ein Tätigwerden der Gemeinschaft meist direkt auf die Grundfreiheiten gestützt wird. Dabei hat sich Art. 50 Abs. 2 lit. g EG (ex-Art. 44 Abs. 2 lit. g EGV) als „Hauptkompetenznorm“ des Europäischen Gesellschaftsrechts herausgebildet,103 welche lex specialis gegenüber den allgemeinen Vorschriften ist.104 Danach können, bei grundsätzlicher Gewährleistung der Niederlassungsfreiheit, die im Interesse von Gesellschaftern und Dritten vorgesehenen Schutzvorschriften soweit erforderlich koordiniert und gleichwertig gestaltet werden. Grundgedanke des Europäischen Gesellschaftsrechts ist mithin, die freie Inanspruchnahme des Binnenmarktes für Gesellschaften (Artt. 49 ff., 54 AEUV) und deren Gesellschafter (Artt. 49 ff. AEUV)105 zu gewährleisten und dabei zugleich die damit einhergehenden Schutzbedürfnisse von Gesellschaftern und Dritten abzusichern. Das sich zu diesem Zwecke herausgebildete Regelungsgerüst ruht auf den Eckpfeilern der beschränkten Haftung, des Kapitalschutzes und der Publizität.106 Mit anderen Worten: Die Inanspruchnahme des Binnenmarktes rechtfertigt es – soweit erforderlich – Regelungen vorzusehen, welche die Interessen der Gesellschafter und Dritter berücksichtigen und mit der Markttätigkeit der Unternehmen in Ausgleich zu bringen. Publizitätspflichten sind ein Teil dieses das „Korrelat der Marktteilnahme“107 bildenden Regelungsgerüsts. Noch deutlicher wird dieser Gedanke bei den bilanzrechtlichen Richtlinien, die alle auf Art. 50 Abs. 2 lit. g AEUV (ex-Art. 44 EGV) gestützt werden.108 Das Euro101

Dazu Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, § 3, Rn. 34. Cordewener, in: Schön (Hrsg.), S. 105, 134. 103 Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 98. 104 Schön, ZHR 160 (1996), 221, 223. 105 Art. 54 Abs. 1 AEUV (ex-Art. 48 EGV) anerkannt Gesellschaften als Schutzsubjekte. Daneben sind diese zugleich Instrument unternehmerischen Handelns ihrer Gesellschafter, vgl. Schön, RabelsZ 64 (2000), 1, 10. 106 Schön, RabelsZ 64 (2000), 1, 7 unter Verweis auf die Publizitäts-, Kapital- und Bilanzrichtlinie. 107 Merkt, Unternehmenspublizität (Untertitel). 108 Cordewener, in: Schön (Hrsg.), S. 105, 140 mit Verweis auf die Bilanzrichtlinie 78/660/ EWG, die Konzernbilanzrichtlinie 83/349/EWG, sowie die Abschlussprüferrichtlinie 84/253/ 102

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päische Bilanzrecht dient damit den mit der Niederlassungsfreiheit einhergehenden Schutzbedürfnissen der Marktteilnehmer. Einzige Ausnahme bildet die IAS-Verordnung,109 die aufgrund ihrer Ausrichtung auf kapitalmarktorientierte Unternehmen auf Art. 114 AEUV (ex-Art. 95 EGV) gestützt wird.110 Während die Niederlassungsfreiheit als „stärkste Form der Marktdurchdringung“111 somit für das europäische Bilanz- und Gesellschaftsrecht im Zentrum steht, ergibt sich im Bereich des Kapitalmarktrechts ein differenzierteres Bild. An erster Stelle zu nennen ist hier freilich die Kapitalverkehrsfreiheit nach Artt. 63 ff. AEUV (ex-Artt. 56 ff. EGV),112 welche die grenzüberschreitende Beteiligung an Personen- und Kapitalgesellschaften umfasst, ohne dabei den Umfang der Beteiligung oder den unternehmerischen Einfluss zu berücksichtigen.113 Leitbild ist folglich die Portfolio-Investition als eine unter mehreren Anlagealternativen. Nach hier angeregter Betrachtungsweise zählt aber auch die Niederlassungsfreiheit nach Artt. 49 ff. AEUV (ex-Artt. 43 ff. EGV) dazu, ermöglicht doch ein europäischer Kapitalmarkt gerade kleinen und mittleren Unternehmen erst den Zugang zu ausländischem Kapital und damit zu wirtschaftlicher Betätigung.114 Im Zentrum der Niederlassungsfreiheit steht dann die aktive unternehmerische Perspektive des Aktionärs.115 Vereinzelt kann die Liberalisierung im Bereich des Kapitalmarktrechts auf anderen Grundfreiheiten, namentlich der Dienstleistungsfreiheit, Artt. 56 ff. AEUV (ex-Art. 49 ff. EGV)116 oder der Warenverkehrsfreiheit, Artt. 28 ff. AEUV (ex-Art. 23 ff. EGV)117 beruhen.118 Hinsichtlich der Ermächtigungsgrundlagen für ein Tätigwerden wird EWG. Die GmbH & Co.-Richtlinie 90/60/EWG wurde demgegenüber allgemein auf Art. 44 EGV (ex-Art. 54 EGV; heute Art. 50 AEUV) gestützt. 109 VO (EG) Nr. 1606/2002. 110 Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, § 8, Rn. 57. 111 Der dauerhafte wirtschaftliche Zugang zum Markt (Artt. 49 ff., 54 AEUV) umfasst a maiore ad minus auch die Artt. 28 ff., 45 ff. und 63 ff. AEUV, die keine Niederlassung erfordern, vgl. Schön, in: FS Lutter, S. 685, 689. 112 Hopt, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung, S. 307, 314. 113 So die allgemeine Auffassung, Kimms, S. 82 ff.; vgl. Schön, RabelsZ 64 (2000), 1, 12 m.w.N.; Sedlaczek, in: Streinz (Hrsg.), Art. 56 EG, Rn. 5: alle Transaktionen, die zu Geldforderungen und -verpflichtungen führen; vgl. die „Golden Share“-Fälle EuGH, Rs. C503/ 99 (Kommission/Belgien), Slg. 2002, I-4809, EuGH, verb. Rs. C-282/04 und 283/04 (Kommission/Niederlande), Slg. 2006, I-9141. 114 Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 38, 96 (Beteiligungsfreiheit sei, ebenso wie das gesamte Kapitalmarktrecht, Bestandteil eines Europäischen Unternehmensrechts); Elster, Kapitalmarktrecht, S. 5. 115 Schön, RabelsZ 64 (2000), 1, 11 (Doppelrolle passiver Anlegerrechte und aktiver Beteiligungsrechte). 116 So Buck-Heeb, Kapitalmarktrecht, § 1, Rn. 32. 117 Insb. wenn auf den verbrieften Titel oder das Sachkapital abgestellt wird, vgl. zur Abgrenzung im Einzelnen EuGH, Urteil vom 23. 11. 1978, Rs. 7/78 (Thompson), Slg. 1978, 2247. 118 Zur Abgrenzung von Waren-, Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit im europäischen Kapitalmarktrecht Weber, EuZW 1992, 561, 564. Letztlich erübrigt sich häufig eine genaue Abgrenzung, da die moderne Dogmatik davon ausgeht, dass die Grundfreiheiten in

210 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

C. Das Informationsmodell im Unternehmensrecht

dementsprechend meist auf die Generalnorm des Art. 114 AEUV (ex-Art. 95 EGV), teils in Verbindung mit Art. 50 AEUV (ex-Art. 44 EGV) generell oder wiederum speziell dessen Absatz 2 lit. g verwiesen.119 Für die grundfreiheitliche Einordnung des Kapitalmarktrechts lässt sich somit feststellen, dass diese ebenso vielschichtig und in Wechselwirkung mit anderen Gebieten stehend ist, wie der Begriff des Kapitalmarktrechts selbst. Eine klare Abgrenzung ist daher meist nicht möglich. Bei marktbezogenem Verständnis120 ist dies allerdings wenig problematisch. Jedenfalls sind heute alle auf den Kapitalmärkten getätigten Transaktionen von der Liberalisierung erfasst,121 so dass eine nationale Maßnahme, welche grenzüberschreitende Kapitalströme (potentiell) behindert, entweder auf eine Vorbehaltsklausel122 gestützt oder nach den Grundsätzen der Maßnahmen gleicher Wirkung zu rechtfertigen sein muss.123 Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass es sich bei den Grundfreiheiten letztlich nicht um bloße Diskriminierungsverbote, sondern um allgemeine „Beschränkungsverbote“ handelt.124 Diese dogmatisch gesehen tatbestandliche Ausdehnung erübrigt eine genaue Abgrenzung, da sich die Grundfreiheiten letztlich alle als Ausprägungen des Binnenmarktprinzips verstehen lassen, die sich gegenseitig unterstützen und ergänzen. Als „Eckpfeiler“ oder „Leitbilder“ der Europäischen Wirtschaftsverfassung lassen sich die Gedanken daher von einer Grundfreiheit auf die andere übertragen.125 zentralen Punkten konvergieren, Grundmann, ZSW 1996, 103, 105. Dennoch ist die Abgrenzung str.; vgl. wie hier EuGH, Rs. 286/82 (Luisi and Carbone), Slg. 1984, 377, Tz. 10. 119 Nachweise bei Cordewener, in: Schön (Hrsg.), S. 105, 144. 120 Letztlich sind die Schwierigkeiten der Abgrenzung darauf zurückzuführen, dass die Grundfreiheiten nicht marktbezogen geordnet sind, sondern den Grundsatz der Vertragsfreiheit formell nach verschiedenen Gegenständen segmentieren. Für spezifische Marktsegmente (vor allem im Dienstleistungsbereich) erfolgt dann eine besondere Ausformung (Arbeitnehmer-/ Kapitalverkehrsfreiheit). Durch die „Auffangfunktion“ der Dienstleistungsfreiheit ist aber sichergestellt, dass in jedem Fall sämtliche rechtsgeschäftliche Transaktionen erfasst sind; vgl. Holoubek, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2000, Art. 49 EG, Rn. 12. 121 Am 30. 6. 1990 lief die Umsetzungsfrist der 4. Richtlinie zur Liberalisierung des Kapitalverkehrs (Richtlinie 88/361/EWG des Rates vom 24. 6. 1988 zur Durchführung von Artikel 67 des Vertrages, ABl. L 178, S. 5) ab. Seit 1. 1. 1994 ist die Kapitalverkehrsfreiheit primärrechtlich in Art. 63 AEUV (ex-Art. 56 EGV) verankert. 122 Im Bereich der Kapitalverkehrsfreiheit vor allem Art. 65 AEUV (ex-Art. 58 EGV). 123 Solche können aus „zwingenden Gründen des Allgemeininteresses“ gerechtfertigt sein. Vgl. dazu aus kapitalmarktrechtlicher Sicht Grundmann, ZSW 1996, 103, 107, sowie Mülbert, WM 2004, 2085, 2088 ff. (dort auch ausführlich zum europäischen Binnenmarkt aus kapitalmarktrechtlicher Sicht und zur Beseitigung mitgliedstaatlicher Behinderungen durch die Grundfreiheiten, sowie zu den Rechtfertigungsmöglichkeiten). 124 Jarass, EuR 2000, 705 ff.; Stünkel, S. 51; EuGH, Rs. C-55/94 (Gebhard), Slg. 1995, ACHTUNGREI4165, Tz. 37. (Alle Maßnahmen, welche die Ausübung der durch den Vertrag garantierten grundlegenden Freiheiten behindern oder weniger attraktiv machen können, sind rechtfertigungsbedürftig.); dazu Schön, ZHR 160 (1996), 220, 246 f. 125 Schön, RabelsZ 64 (2000), 1, 9. Vgl. zur Kapitalverkehrsfreiheit als Beschränkungsverbot etwa EuGH, Rs. C-503/99 (Kommission/Belgien), Slg. 2002, I-4809; Rs. C-483/99 (Kommission/Frankreich), Slg. 2002, I-4781; Rs. C-367/98 (Kommission/Portugal), Slg. 2002,

II. Vordringen des Informationsmodells im Europäischen Wirtschaftsrecht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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cc) Grundsätzliche Bedeutung des Art. 5 EUV für das Informationsmodell Damit wurde deutlich, dass Art. 5 Abs. 2 EUV aufgrund der zielbezogenen Kompetenzabgrenzung der Verträge zwar eine grundsätzliche Handlungsbarriere aufstellt, die EU im Bereich des Binnenmarktes aber als handlungsbefugt angesehen werden kann, wenn die Ziele nur klar definiert sind.126 Der Zielabgrenzung kommt eine besondere Bedeutung aber auch durch die Kompetenzausübungsschranken des Art. 5 Abs. 3 und 4 EUV zu, die im Vertrag von Lissabon gegenüber ex-Art. 5 EGV präziser formuliert und durch ein neues Protokoll formell flankiert wurden.127 Danach muss zur ausreichenden Zielerreichung nach dem Subsidiaritätsprinzip ein Tätigwerden der EU erforderlich und effizienter sein, als auf Ebene der Mitgliedstaaten,128 und die Maßnahmen dürfen nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit inhaltlich wie formal (so nun ausdrücklich Art. 5 Abs. 4 EUV) nicht über das erforderliche Maß hinausgehen.129 Dies lässt sich als allgemeine Entscheidung verstehen, dass alle Maßnahmen der EU geeignet und erforderlich zur Erreichung der definierten Ziele, und darüber hinaus in angemessenem Verhältnis zu diesen sein müssen (Proportionalität/Verhältnismäßigkeit i.e.S.).130 Für die Wahl der Handlungsformen folgt daraus eine Mittelhierarchie: Richtlinien haben Vorrang vor Verordnungen,131 die Festlegung von Mindeststandards vor einer Vollregelung, und Rahmenlinien vor detaillierten Maßnahmen, soweit damit eine Zielerreichung möglich ist, Art. 296

I-4731; Rs. C-282, 283/04 (Kommission/Niederlande), Slg. 2006, I-9141, Rn. 20; schon zur Niederlassungsfreiheit Rs. C-19/92 (Kraus), Slg. 1993, I-1663, 1697; im Gesellschaftsrecht EuGH, Rs. C-212/97 (Centros), Slg. 1999, I-1459, 1495; vgl. Schön, in: FS Lutter, 685, 694. 126 Vgl. Hopt, in: Buxbaum (Hrsg.), S. 30; die Kompetenz wird sehr weit verstanden und teleologisch zur Erzielung praktischer Wirksamkeit („effet utile“) ausgelegt, Oppermann/ Classen/Nettesheim, § 12, Rn. 2 ff. (unter Berücksichtigung des Art. 352 AEUV und der ACHTUNGREimplied-powers-Rechtsprechung des EuGH). 127 Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit, ABl. C 306/150 vom 17. 12. 2007; dazu Oppermann/Classen/Nettesheim, § 5, Rn. 38. 128 Lienbacher, in: Schwarze (Hrsg.), EG-Vertrag, Art. 5, Rn. 21 ff.; Kilian, Europäisches Wirtschaftsrecht, Rn. 360; zur historischen Entwicklung Calliess, Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip, S. 47 ff.; Lecheler, Subsidiaritätsprinzip; Merten, in: ders. (Hrsg.), Subsidiarität; v. Borries, EuR 1994, 263 (alle zu ex-Art. 5 EGV). 129 Zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und dem Subsidiaritätsprinzip als allgemeine Rechtsgrundsätze des europäischen Rechts Kilian, Europäisches Wirtschaftsrecht, Rn. 332 ff., 349 ff. 130 Lienbacher, in: Schwarze (Hrsg.), Art. 5 EG, Rn. 44 mit Nachweisen aus Rechtsprechung und Lehre. 131 Es ist anzumerken, dass der informationelle Rahmen nach dem hier zu Grunde gelegten Verständnis durchaus detailliert und einheitlich (zunehmend auch mit dem Mittel der Verordnung!) vorgegeben wird. Dies folgt schon aus dem Bedürfnis nach europaweiter Einheitlichkeit und Vergleichbarkeit. Die Aussage ist daher auf inhaltlich zwingende Vorgaben zu beschränken. Darauf wird später zurückzukommen sein.

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C. Das Informationsmodell im Unternehmensrecht

AEUV.132 Insbesondere sollen bewährte nationale Regelungen sowie Struktur und Funktionsweise der mitgliedstaatlichen Rechtssysteme geachtet werden.133 Vor diesem Hintergrund erlangt die Verwendung von Publizität im europäischen Recht ihre besondere Bedeutung. Aus Sicht des Einzelnen stellt sich dabei die Frage, ob und in welchen Fällen diese nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als „milderes Mittel“ gegenüber inhaltlich zwingendem Recht zu bevorzugen sind.134 Dieser Vorrang der informierten Entscheidung wird somit letztlich aus den Grundfreiheiten und dem übergeordneten Ziel des Binnenmarktes herzuleiten sein. Aus Sicht der Mitgliedstaaten bestätigt das Subsidiaritätsprinzip aber das Bild einer einheitlichen „Rahmenordnung“, innerhalb derer nationale Regelungsfreiräume weitestgehend erhalten bleiben. So können unterschiedliche Konzepte des Anleger- und Gläubigerschutzes verfolgt werden; festgelegt wird allein die europaweite Information über die inhaltliche Ausgestaltung des nationalen Regelungskonzepts (Mindestschutzniveau). Weil eine konkrete inhaltliche Einigung dabei auf europäischer Ebene nicht erfolgen muss, stellen Informationsnormen so regelmäßig auch die stärker integrationsfördernde Lösung dar.135 c) Verbandsrechtlicher und marktbezogener Ansatz Zur Gewährleistung von Anleger- und Gläubigerschutz stehen sich nun wie gesehen zwei große unterschiedliche Konzepte gegenüber. Während der in Deutschland traditionell verfolgte verbandsrechtliche Ansatz anspruchsvolle Voraussetzungen an Gründung und Mindestkapital sowie dessen Aufbringung und Erhaltung stellt, setzt das (kapital-)marktrechtliche Konzept vornehmlich auf Offenlegungspflichten, um diese Ziele zu erreichen.136 Dabei knüpfen die marktbezogenen Instrumente der disclosure philosophy an die Intensität der Inanspruchnahme des Marktes an, und nicht (wie das Verbandsrecht) territorial oder rechtsformabhängig.137 Deutlich wird dies bei der kapitalmarktorientierten Unternehmensfinanzierung, bei der je nach Grad der Öffentlichkeit, der Überregionalität oder des Volumens unterschiedlich zugeschnittene Publizitätspflichten Anwendung finden. Trotz dieser kapitalmarktrechtlichen Natur

132 Die Aufnahme des Verhältnismäßigkeitsprinzips in Art. 296 AEUV entspricht der bisherigen Lage nach dem Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit, KOM (1996) S. 2 endg., Punkt (6), Streinz/Ohler/Herrmann, S. 82; vgl. Lienbacher, in: Schwarze (Hrsg.), EGV, Art. 5, Rn. 40; für den wortlautgleichen Verfassungsvertrag, Vedder, in: ders./Heintschel von Heinegg (Hrsg.), Art. I-11, Rn. 26. 133 Zuleeg, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.), Art. 5 EGV, Rn. 39. 134 Oppermann/Classen/Nettesheim, § 35, Rn. 72; gegenüber dem Bürger ist das Verhältnismäßigkeitsprinzip als allgemeiner Rechtsgrundsatz anerkannt, Streinz, in: ders. (Hrsg.), Art. 5 EGV, Rn. 2. 135 Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 257. 136 Merkt, in: VGR (Hrsg.), S. 111, 114. 137 Merkt, Unternehmenspublizität, S. 358.

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213

von Publizitätspflichten138 wird natürlich auch der marktbezogene Ansatz durch materielle Normen flankiert, denen jedoch vornehmlich ergänzender Charakter zukommt. Erinnert sei an die Bedeutung einer effektiven Durchsetzung der Pflichten, sowie an die umfassenden Einschreitungsbefugnisse der SEC bei Missbrauch, Gesetzesverstoß oder Betrug.139 Der Schwerpunkt der Kontrolle liegt allerdings nicht bei der Gründung, sondern erst während der laufenden Marktteilnahme,140 und kann daher entsprechend variiert und angepasst werden. Daher kann bei der Frage, welches der beiden Modelle dem europäischen Integrationskonzept am besten entspricht, keine absolute Gleichsetzung von Marktrecht mit Informationsmodell und Verbandsrecht mit materieller Regulierung erfolgen. Vielmehr bedient sich auch das Informationsmodell flankierenden zwingenden Regelungen, wenn auch unter einem grundsätzlich anderen Ansatz. Soll daher ein grundlegender Vorrang von Publizität im ACHTUNGREeuropäischen Recht nachgewiesen werden, so steht dem die Verwendung von materiellen Normen in ihrer unterstützenden und ergänzenden Funktion nicht entgegen. Damit ist deutlich, dass auch Informationsnormen zwingend ausgestaltet sind. Anders als materiell zwingende Normen, die inhaltliche Lösungen vorgeben, lassen sie den Parteien aber inhaltliche Gestaltungsfreiheit. Diesen bleibt damit die – für eine auf Privatinitiative beruhende marktwirtschaftliche Ordnung äußerst relevante – Möglichkeit, mit verschiedenen Lösungen zu experimentieren und diese auf die jeweiligen Interessen zuzuschneiden.141 Gewährleistet wird nur, dass kein Beteiligter in dem Prozess inhaltlich übervorteilt wird. Es erscheint an dieser Stelle nochmals notwendig zu betonen, dass jede Publizitätspflicht nur im Zusammenhang des gesamten Systems und in allen Wechselwirkungen verstanden werden darf. Wird Publizität beispielsweise auf europäischer Ebene dem Kapitalschutz gegenübergestellt, so ist zu beachten, dass auch dieser mit dem Informationsmodell aufs engste verflochten ist, und sich beide Systeme vielfältig unterstützen und ergänzen.142 Nicht zuletzt kann zwingendes Recht ein standardisiertes Grundgerüst gewährleisten, auf welches der Informationsempfänger zurückgreifen und auf dessen Grundlage er entscheiden kann. Abweichungen von dem Standard, etwa die Wahl einer anderen Gesellschaftsrechtsordnung, müssen deutlich gemacht werden und können so vom Markt schnell wahrgenommen werden. Nicht beantwortet ist damit allerdings die Frage, ob die Standardisierung besser durch zwingendes Recht oder die Festlegung des Informationsrahmens erfolgt.

138

Assmann, AG 1993, 549. Cox/Hillman/Langevoort, S. 800 f.; zu den Befugnissen: KPMG LLP v. SEC, 289 F.3d 109 (D.C. Cir. 2002). 140 Merkt, in: VGR (Hrsg.), S. 111, 118. 141 Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 230. 142 So ist etwa bei schweren Verlusten die Hauptversammlung einzuberufen, welche dann auf informierter Basis die erforderlichen Entscheidungen trifft, Grundmann, ebd., Rn. 345. 139

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C. Das Informationsmodell im Unternehmensrecht

d) Ergänzungs- und Ersetzungsmodell aa) Gegenüberstellung der Auffassungen Nicht zu verwechseln ist die angesprochene „äußere Integration“ von Informationsnormen in ein ganzheitliches Marktrecht daher mit der Frage, ob und inwieweit Publizität eine materielle Regulierung komplett ersetzen, oder aber allenfalls ergänzen kann. Hier stehen sich zwei grundsätzlich verschiedene Auffassungen gegenüber, die bei Einbeziehung der Governance-Funktionen143 besonders deutlich werden. Als 2002 von einer High Level Group of Company Law Experts Vorschläge zur Modernisierung des Europäischen Gesellschafts- und Unternehmensrechts erarbeitet wurden, schlug diese Publizitätsvorschriften als alternatives Regelungsmodell im Bereich der Corporate Governance vor: „Requiring disclosure can be a powerful regulatory tool in company law. It enhances the accountability for and the transparency of the companys governance and ist affairs. The mere fact that for example governance structures of particular actions of facts have to be disclosed […] creates an incentive to renounce structures that are outside what is considered to be best practice and to avoid actions that are in breach of fiduciary duties or regulatory requirements or could be criticized as being outsinde best practice.“144 Der durch Transparenz verursachte verhaltenssteuernde Druck des Kapitalmarktes soll gezielt genutzt werden, um die Einhaltung rechtlich nicht zwingend festgeschriebener Standards, einer sog. best practice, zu gewährleisten. Diesem Regelungsmechanismus komme im europäischen Primärrecht gegebenenfalls Vorrang vor materieller Regulierung zu, mit der Folge, dass der europäische Gesetzgeber den Vorrang bei den Harmonisierungsmaßnahmen zu beachten habe.145 „Disclosure requirements can sometimes provide a more efficient regulatory tool than substantive regulation through more or less detailed rules. Such disclosure creates a lighter regulatory environment and allows for greater flexibility and adaptability. Although the regulatory effect may in theory be more indirect or remote than with substantive rules, in practice enforcement of disclosure as such is normally easier.“146 Allerdings ist diese Auffassung nicht ohne Kritik geblieben. So ist eigens eine Arbeitsgruppe Europäisches Gesellschaftsrecht zusammengetreten, um zu betonen, dass Publizität lediglich als Ergänzung und Unterstützung zu inhaltlich bindenden Regelungen verstanden werden, und allenfalls im Bereich der Corporate Governance bei Fragen von geringer Bedeutung als Alternative herangezogen werden könne.147 Schon in der Konsultationsphase hatte die Gruppe kritisiert, 143 Zu Durchsetzungs-, Informations- und Steuerungsfunktion der Publizität, oben, B.III.2.e). 144 High Level Group, Report, Kap. II.3, S. 33. 145 Zu dieser Bindung des europäischen Gesetzgebers an die Grundfreiheiten Mülbert, WM 2001, 2085, 2093. Ein Beurteilungsspielraum käme ihm dann nicht mehr zu, wenn Informationsnormen möglich wären. 146 Zitiert nach Merkt, Informationsmodell, S. 24, 38. 147 Arbeitsgruppe Europäisches Gesellschaftsrecht, ZIP 2003, S. 863. Die Unterzeichner der Stellungnahme sind: Prof. Dr. Walter Bayer, Prof. Dr. Holger Fleischer, RA Dr. Michael

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dass Informations- und Veröffentlichungspflichten (disclosure requirements) „nur ganz ausnahmsweise effizientere Wirkung entfalten [können] als inhaltliche Regelungen“, daher nicht als Ersatz, sondern nur als Ergänzung konzipiert werden sollten und überhaupt solle „besonderes Gewicht auf Informationspflichten […] nur ganz ausnahmsweise gelegt werden.“148 Der zentrale Gedanke des kapitalmarktrechtlichen Corporate-Governance-Konzepts, von Hopt149 kürzlich als „eines der grundlegenden Regelungsprinzipien des Kapitalmarktrechts“ bezeichnet – nämlich die Ersetzung materiellen Gesellschaftsrechts durch Offenlegungspflichten, wird prinzipiell abgelehnt. bb) Streitpunkt: Verhaltenssteuerung durch Publizität Es ist an dieser Stelle erneut darauf hinzuweisen, dass die Gruppe der Offenlegung von Informationen als ordnungspolitisches Instrument zwar sehr kritisch gegenübersteht, deren Eignung und Notwendigkeit aber anerkennt, sofern es „nur darum geht, dass Gesellschafter = Anleger“ die nötige Grundlage für ihre Anlageentscheidung erhalten.150 Das Gesellschaftsrecht, so die Gruppe, könne zu einer effizienteren und wettbewerbsgerechteren Unternehmensführung beitragen, indem minderheitsoder anlegerschützende Regeln abgebaut werden. Ein Abbau an Publizität und Informationspflichten sei aber kaum möglich, weshalb allenfalls ein Abbau des Gläubigerschutzes erwogen werden könne.151 Die (marktorientierte) Publizität in ihrem jetzigen Ausmaß soll folglich in jedem Fall bestehen bleiben. Geht es jedoch darum, dass die Information bewirken solle, dass bestimmte Verhaltensweisen unterbleiben, so sei das Verhalten besser zu verbieten oder jedenfalls mit Sanktionen zu belegen.152 In direktem Zusammenhang fordert die Gruppe jedoch „mit Nachdruck“, stärker zwischen börsennotierten und nicht notierten Gesellschaften zu unterscheiden, und zwar „zum einen in Bereichen, in denen es um Veröffentlichungspflichten geht, zum anderen in solchen, in denen vom Kapitalmarkt hinreichende, das Gesellschaftsverhalten bestimmende Wirkungen erwartet werden dürfen. In nicht börsennotierten Gesellschaften können Informationspflichten anders ausgestaltet werden.“153 Hingegen „wäre eine verstärkte Publizität über die einzelnen börsennotierten Gesellschaften und Elemente ihrer Corporate Governance zu begrüßen.“154 Hoffmann-Becking, Prof. Dr. Marcus Lutter, Prof. Dr. Ulrich Noack, Vors. RiBGH a.D. Dr. Volker Röhricht, Prof. Dr. Karsten Schmidt, Prof. Dr. Peter Ulmer, Prof. Dr. Herbert Wiedemann, RA Dr. Martin Winter und Prof. Dr. Wolfgang Zöllner. 148 Arbeitsgruppe Europäisches Gesellschaftsrecht, ZIP 2002, 1310, 1311. 149 Hopt, in: Grundmann (Hrsg.), Systembildung, S. 307, 318. 150 Arbeitsgruppe Europäisches Gesellschaftsrecht, ZIP 2002, 1310, 1311. 151 Ebd., S. 1310 (Kap. 2 I 1.). Auch dazu allerdings kritisch. Gläubiger- und Minderheitenschutz seien nach wie vor vorrangige Anliegen des Gesellschaftsrechts. 152 Arbeitsgruppe Europäisches Gesellschaftsrecht, ZIP 2002, 1310, 1311. 153 Ebd., S. 1311 f. 154 Ebd., S. 1313. Insbesondere wird gefordert, Vorstandsbezüge individualisiert zu veröffentlichen.

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cc) Nutzung der Kritik für die Ausgestaltung des Publizitätskonzepts Für die hier anzustellenden Systematisierungsgedanken ist diese kritische Betrachtung des europäischen Gesellschaftsrechts aus deutscher Sicht in vielerlei Hinsicht nutzbar. Erstens wird sichtbar, dass auch hier der Effizienzgedanke im Mittelpunkt rechtlicher Erwägungen steht. Gewährleisten Informationsregeln nur hinreichenden Schutz, werden sie akzeptiert. Zweitens besteht offenkundig ein noch immer gesteigertes Bedürfnis nach Information bei der börsennotierten Gesellschaft, namentlich im Bereich der Corporate Governance. Das nach Intensität der Marktteilnahme abgestufte System muss jedoch verstärkt beachten, dass bei an nicht effizienten Märkten gehandelten Gesellschaften Publizität ihrer Steuerungsfunktion (und damit ihrer Ersetzungsfunktion) nicht nachkommen könnte. Damit wäre hier ein höheres Maß materieller Verhaltenspflichten gerechtfertigt, wenn der Markt weniger effizient ist. Drittens folgt daraus aber, dass im Kern auch hier eine äußerst differenzierte Betrachtung anzuregen ist. Wenn die Ausweitung von Publizitätspflichten dazu führt, dass auch Gesellschaften erfasst werden, bei denen ihre Wirksamkeit nicht garantiert ist, können diese in der Tat doppelt belastet werden, weil zusätzliche zwingende Verbotsnormen erforderlich werden. Das „Maß an Publizität“ ist folglich mit dem „Maß an materieller Regulierung“ in Ausgleich zu bringen. Andererseits lässt eine verstärkte Ersetzung nur bei der börsennotierten Gesellschaft befürchten, dass das materielle, rechtsformspezifische Regelungsgerüst zwischen den Gesellschaftsformen immer weiter divergiert, und mithin die Inanspruchnahme des Kapitalmarktes nur noch durch einen mit hohen Transaktionskosten verbundenen Wechsel des gesamten Regelungsumfelds verbunden werden kann. Daher ist bei der Herausbildung eines eigenständigen, informationsorientierten „Rechts der börsennotierten AG“155 verstärkt darauf zu achten, dass eine gleitende, in kleinen Schritten erfolgende Abstufung erfolgt. Abstimmungsbedarf ergibt sich für ein Publizitätskonzept folglich nicht nur „intern“ (die einzelnen Publizitätspflichten untereinander) und „extern“ (Publizität mit dem auf der jeweiligen „Stufe“ der Inanspruchnahme des Marktes korrespondierenden materiellen Normen). Vielmehr ist auch verstärkt auf einen gleitenden Übergang zwischen den „Stufen“ zu achten, so dass sich kein „Recht der nicht-kapitalmarktorientierten AG“ herausbildet, der dann der Zugang zum Kapitalmarkt auf Dauer versperrt bleibt. Diese Gesamtperspektive kann folglich auch dann gegen ein umfassendes Informations-(= Ersetzungs-)Modell sprechen, wenn dieses auf einer hohen Stufe der Marktentwicklung theoretisch möglich wäre, bei einer geringeren aber nicht. Zugleich wird deutlich, dass sich ein besonderer konzeptioneller Abstimmungsbedarf aus der Tatsache ergibt, dass Gesellschaftsrecht an die Unternehmensform, Publizität dagegen an die Marktteilnahme anknüpft. Erfolgt eine undifferenzierte Erset155 Dazu Veil, ZGR 09, 621, 642; zu den Sonderregelungen im Einzelnen Hüffer, § 3 AktG, Rn. 5. Vgl. zur generellen Diskussion um die Vor- und Nachteile einer differenzierenden Betrachtung Bayer, Gutachten E; ausführliche Herleitung zudem bei Assmann, GK-AktG, Einl., Rn. 350.

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zung, so ist es möglich, dass marktferne Gesellschaften dem Regelungsmechanismus entgehen, andere aber doppelt belastet werden.156 Eine nach Intensität der Marktteilnahme differenzierende und auf umfassenden Ausgleich bedachte Betrachtung ist daher Funktionsvoraussetzung jedes Informationsmodells. dd) Schwächen des Informationsmodells Zunächst soll die Kritik am Ersetzungsmodell jedoch im Einzelnen näher beleuchtet werden. Sehr konkret setzt sie einerseits an der Wirksamkeit von Publizitätsnormen an und hinterfragt deren Schutzintensität. Die empirischen Untersuchungen haben hier gezeigt, dass „der Markt“ keinesfalls immer in dem erwarteten Ausmaß reagiert.157 Damit stellt sich aber die Frage, ob der Gesetzgeber hinter der staatlichen Gewährleistungsverantwortung zurückbleibt, wenn er sich beim materiellen AnleACHTUNGREgerACHTUNGREschutz zurückzieht und auf Kontrollmechanismen des Marktes vertraut.158 Es konnte festgestellt werden, dass sich auf europäischer und nationaler Ebene tendenziell ein Leitbild des verständigen Anlegers herausbildet, dem nur die informationellen Grundlagen für seine eigenverantwortliche Entscheidung zur Verfügung zu stellen sind, da er diese nicht aufgrund seiner Verhandlungsposition durchsetzen kann.159 Das Einsichtsverlangen von Großbanken bei der Kreditvergabe wird mithin bei der Finanzierung über den Kapitalmarkt lediglich kollektiviert. Nur ergänzend erfolgt der Anlegerschutz dann durch die mit der Pflichtpublizität zumindest gesteigerte informationelle Effizienz des Kapitalmarktes. Ein gewisses Maß an Effizienz ist folglich Grundvoraussetzung des Modells. Diese ist aber im Sinne der halbstrengen Form am organisierten Kapitalmarkt anzunehmen.160 Bei dieser Kritik wird deutlich, dass es sich beim Informationsmodell um ein sehr liberales und flexibles Konzept handelt, bei welchem die Entscheidung eines Marktes akzeptiert wird. Konsequenz ist aber, dass die informierte Entscheidung des Marktes dann auch zu akzeptieren ist.161 Zweitens verneint die Kritik, dass Publizität immer einen geringeren Eingriff oder eine geringere Belastung für die Betroffenen bedeutet.162 Dabei werden die marktfrei156 Würde beispielsweise eine Norm des AktG durch Publizität ersetzt, kann diese für kleine, marktferne Aktiengesellschaften, die nicht der Kontrolle des Marktes unterliegen, keinerlei Wirkung erzielen. Bleibt die Norm des AktG deshalb dennoch anwendbar, wäre eine börsennotierte Gesellschaft doppelt belastet. 157 Vgl. die Anmerkungen zur Untersuchung von Nowak/Rott/Mahr, ZGR 2005, 252 ff., dazu oben, B.III.1.d)aa). 158 Anschaulich Merkt, Informationsmodell, S. 24, 53. 159 Dazu oben, B.IV.3.b)aa). 160 Vollständige informationelle Effizienz wird hier gar nicht vorausgesetzt, da der Preisbildungsmechanismus nur einer von mehreren Schutzmechanismen ist. Es wird aber angenommen, dass der Marktmechanismus zumindest annäherungsweise effiziente Preise (mit Möglichkeiten zu differenzierten Prognosen) zur Folge hat. 161 Meier-Schatz, Wirtschaftsrecht und Unternehmenspublizität, S. 34. 162 Schön, 2006 J. Corp. L. Stud. 259 ff.

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C. Das Informationsmodell im Unternehmensrecht

heitliche und grundrechtliche Relevanz von Publizitätsnormen betont.163 Bei der Eingriffsintensität ist allerdings immer auch die Alternative – im Regelfall ein materielles Verbot – zu vergleichen. Hier wird deutlich, dass es im Kern nicht um ein bloßes Ergänzungsmodell im Sinne nur unterstützender zusätzlicher Pflichten gehen kann. Vielmehr sollen gerade die Belastungen eines materiellen Eingriffs vermieden werden (less restrictive alternative) und dieser durch Publizität ersetzt werden (Verständnis von Publizität als alternativer Regulierungstechnik). Wird dagegen eine zusätzliche Publizitätspflicht eingeführt besteht tatsächlich die Gefahr einer nicht zu rechtfertigenden Doppelregulierung. Konsequenz wäre, dass eine differenzierte nach Marktsegmenten gestaffelte Überprüfung zu erfolgen hätte, inwieweit bei Ausweitung der Publizitätspflichten materielle Normen zurückgenommen werden können. Wird sogleich auf die Grundrechtsrelevanz der Offenlegungspflichten eingegangen, ist diese Alternativität zu beachten: Publizitätspflichten stellen keine zusätzliche, sondern eine alternative Belastung dar, die es ermöglicht, auf einen inhaltlich zwingenden Eingriff zu verzichten. Drittens wird schließlich bezweifelt, dass Publizität tatsächlich eine geringere Normdichte im Sinne eines „lighter regulatory environment“164 zur Folge hat. Die SLIM-Arbeitsgruppe hat hier Publizität auf theoretischer Ebene als Möglichkeit der Deregulierung zur Verschlankung der Binnenmarktverfassung empfohlen.165 Dieses Ergebnis lässt sich durchaus hinterfragen, zeigt doch ein rechtsvergleichender Blick auf die Regelungsdichte in den USA, dass auch ein Informationsmodell einen erheblichen, wahrscheinlich sogar größeren Regulierungsaufwand zur Folge hat, als materiell zwingende Verbote.166 Zu denken ist dabei sowohl an inhaltliche Informationssteuerung167 als auch an Durchsetzungs- und Kontrollmechanismen, die eine Vielzahl neuer Normen mit sich bringen. Auch diesem Problem ist nur zu begegnen, wenn das Informationsmodell im Sinne eines Ersetzungsmodells verstanden wird, das bestehende materielle Verbote – wie auch überflüssig werdende Informationsnormen – strikt abbaut. Eine entstehungsgeschichtliche Betrachtung zeigt hier, dass bei jedem Wechsel zwischen staatlicher Intervention und Publizität überflüssige Normen bestehen bleiben, was auf Dauer die Gefahr einer Hyperregulierung mit sich bringt.168 Wird nun dem europäischen Recht ein Wechsel hin zum Informationsmo-

163

Einordnung aus europarechtlicher Sicht bei Cordewener, in: Schön (Hrsg.), S. 105 ff.; zur Grundrechtsrelevanz Leible, ZHG 162 (1998), 594 m.w.N. 164 So die Terminologie der High Level Group, Report, Kap. II.3, S. 33 (hier noch vor allem Eingriffsintensität). 165 Recommendations by the Company Law SLIM Working Group on the Simplification of the First and Second Company Law Directives – Proposals submitted to the European Commission, Brüssel, Oktober 1999; dazu Drygala, AG 2001, 291, 299 m.w.N. 166 Merkt, Informationsmodell, S. 24, 53 f. 167 Gewährleistung von Richtigkeit, Vollständigkeit, Verständlichkeit und Rechtzeitigkeit der Offenlegung. 168 Lutter, Kapital, 293 f.; Merkt, Unternehmenspublizität, S. 309.

II. Vordringen des Informationsmodells im Europäischen Wirtschaftsrecht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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dell US-amerikanischer Prägung konstatiert,169 so ist zu beachten, dass Normen des dortigen Modells keinesfalls 1:1 übernommen werden können. Vielmehr ist vorab zu prüfen, inwiefern in der europäischen Rechtsordnung diese Funktionen durch materielle Verhaltenspflichten erfüllt wurden, die dann konsequent abzuschaffen sind. Zudem ist es wie gesehen Aufgabe staatlicher Regulierung, die Produktion, Übermittlung und Verarbeitung von Informationen zu erleichtern. Dies kann nur durch eine interne wie externe Integration der Publizitätsnormen erfolgen.170 An dieser Stelle sei nur unter dem Stichwort „informational overkill“171 auf die nachteiligen Wirkungen jeglicher Überregulierung, vor allem die Verwirrung von Kleinanlegern durch überflüssige Informationen, hingewiesen. Zentrale Aussage dieser Arbeit ist, dass Publizität nur im Rahmen eines integrierten Gesamtkonzeptes funktionieren kann. Die konzeptionelle Ausgestaltung begrenzt Offenlegungspflichten aber auf das wirklich Notwendige, und kann dadurch tatsächlich zu einem Abbau der Normdichte führen. Zu diesen Abstimmungsbestrebungen tritt die zunehmende Erkenntnis, dass bei der Regelung der Publizität verschiedenste Akteure auf unterschiedlichen Regelungsebenen zu beachten sind,172 deren Zusammenspiel durch die hoheitlichen Regelungen gezielt abgestimmt und optimiert werden kann.173 Die Betonung des Gedankens der gezielten Koordinierung und Optimierung der Funktionsweise steht zudem im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip, wonach strikte Problemorientierung gegenüber einem Ansatz ausgedehnter thematischer Regulierung ganzer Regelungsbereiche zu bevorzugen ist.174 Damit erscheinen die Vorschläge der SLIM-Arbeitsgruppe aber in einem anderen Lichte. Sie sind in einer Reihe von aktuellen Bestrebungen auf ACHTUNGREeuropäischer Ebene zu sehen, vorrangig solche Maßnahmen zu verfolgen, welche der Vereinfachung und Qualitätsverbesserung der EU-Rechtsvorschriften dienen175 und insbesondere im Bereich Gesellschaftsrecht, Rechnungslegung und Abschlussprüfung auf ein vereinfachtes Unternehmensumfeld abzielen.176 Erklärtes Ziel des acquis nach der überarbeiteten Lissabon-Strategie ist es, auf diese Weise 169

Für Einzelgebiete des europäischen Gesellschaftsrechts Grohmann, Informationsmodell, S. 129 ff. 170 Zum Unterschied zwischen interner und externer Integration vgl. auch Merkt, Informationsmodell, S. 311. 171 Dazu Jacoby/Speller/Kohn, 11 J. of Market Res. 63 (1974); Stürner, in: FS Canaris, 1189, 1191. 172 Neben der Kommission samt Expertengremien sind hier an Einflüsse der nationalen Gesetzgebung, der Rechtsprechung, der Aufsichtsbehörden, der Börsen oder verschiedener privater Gremien zu denken. 173 Merkt, RIW 2004, 1, 3. 174 Dazu allgemein Schön, ZGR 1995, 1; Hopt, ZHR 161 (1997), 368, 379; Merkt, RabelsZ 61 (1997), 647. 175 Kommission, KOM (2005) 535, 1 (Mitteilung über vereinfachtes ordnungspolitisches Umfeld). 176 Etwa Kommission, KOM 2007, 394 (Mitteilung über vereinfachtes Unternehmensumfeld).

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C. Das Informationsmodell im Unternehmensrecht

die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in der EU zu steigern und die höchsten Standards der Rechtsetzung unter Einhaltung der Grundsätze der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit zu erreichen.177 Diese Vereinfachung und Optimierung ist gerade nicht mit Deregulierung zu verwechseln.178 Vielmehr zielt sie darauf ab, überflüssige Regulierungen abzubauen. Die Überflüssigkeit ist im Rahmen einer strengen Kosten-Nutzen-Analyse vorab festzustellen, wie die deutsche Bundesregierung betont, die in ihren Maßnahmen zur Förderung eines international wettbewerbsfähigen „Finanzplatzes Deutschland“ dieselben Ziele verfolgt.179 Seitens der Wirtschaft werden die Initiativen für Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung ausdrücklich unterstützt, da die Belastungen für die Unternehmen mittlerweile weit außer Verhältnis zu dem Nutzen eines notwendigen Anlegerschutzes stünden.180 Die Notwendigkeit einer solchen Folgeneinschätzung, insbesondere eine Abschätzung der Verwaltungskosten, ist auch auf europäischer Ebene anerkannt.181 Die Kommission gibt dafür umfangreiche Evaluationen zu den ökonomischen Auswirkungen ihrer Projekte in Auftrag.182 Diese Bemühungen um ein optimiertes, abgestimmtes Publizitätskonzept ACHTUNGREdienen schließlich dazu, das europäische Regelungsregime im international zunehmenden Wettbewerbsdruck zu stärken und den europäischen Markt als attraktive Alternative für Investoren zu propagieren.183 ee) Vorzüge bei integriertem Verständnis eines ganzheitlichen Publizitätskonzepts Die Beleuchtung dreier Kritikpunkte an Informationsnormen – geringe Schutzintensität, hohe Eingriffsbelastung, keine geringere Normdichte – hat verdeutlicht, dass mögliche Nachteile des „Informationsmodells“ allenfalls in Defiziten bei dessen Ausgestaltung begründet liegen. Die Frage, ob Publizitätsnormen eine materielle Regulierung ersetzen können und Vorrang vor diesen genießen, oder ob sie diese lediglich ergänzen können, ist dabei aus ökonomischer Sicht am Corporate-GovernanceModell entfacht.184 Hier wurde deutlich, dass der Publizität neben der bloßen Steigerung der informationellen Effizienz des Preises weitere Funktionen zukommen, welche zum Teil materiell festgelegte Rechte und Pflichten unterstützen, andererseits 177

Kommission, KOM (2005) 535, 1. Ebd., S. 1. 179 Bundesregierung, Koalitionsvertrag 16. Legislaturperiode, sub. II., 3. „Finanzmarktpolitik“. 180 v. Rosen, in: DAI, Studie 35, S. 5, 12. 181 Kommission, KOM (2005) 535, 1. 182 Für den Aktionsplan Finanzdienstleistungen (FSAP) siehe Kommission, FSAP-Evaluation II (2009). 183 Hierzu aus gesellschaftsrechtlicher Sicht Merkt, Pluralisierung des europäischen Gesellschaftsrechts, RIW 2004, 1, 2 (Pflicht eines regelrechten „Gesellschaftsrechts-Marketings“ auf internationaler Ebene). 184 Dazu oben, B.III.2.e). 178

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aber eine materielle Regulierung gezielt ersetzen sollen. Vornehmlich ergänzenden Charakter haben demnach die Informationsfunktion, wonach Publizität die Wahrnehmung von Aktionärsrechten ermöglicht und effektuiert, sowie die Durchsetzungsfunktion, welche die Einhaltung materieller Verhaltenspflichten absichern und diese mithin unterstützen soll. Dagegen tritt die Steuerungsfunktion an die Stelle von materiellen Pflichten und geht über zwingende gesetzliche Anforderungen gerade hinaus. Eine vollständige Ersetzung herkömmlicher Regulierung durch das „Gegenkonzept“185 Information scheidet nach diesem Verständnis von vornherein aus.186 Daher wird der allenfalls theoretisch mögliche187 Verzicht auf jegliche materielle Regulierung im Folgenden ausgeklammert und die Frage auf die Möglichkeit einer stellenweisen Ersetzung begrenzt. Hier hat die Kritik aber verdeutlicht, dass gerade erst die Ersetzung und mithin die Aufhebung einer vormals materiellen Pflicht die Funktionsvoraussetzungen und Vorteile der Publizität begründen. Anlegerschutz wird erst durch ein in sich kohärentes, integriertes und auf verwirrende Doppelregulierung verzichtendes Informationskonzept erreicht. Auswuchs von Regulierung kann nur durch Beseitigung der überkommenen materiellen Pflicht vermieden werden. Die Möglichkeit eines geringeren, weniger belastenden Eingriffs in die Schutzsphäre der Betroffenen ist überhaupt nur möglich, wenn die eine Regelung beseitigt und nicht nur durch eine zusätzliche Informationspflicht ergänzt wird. Im Folgenden wird daher ein Ersetzungsmodell zugrunde gelegt. e) Informationsnormen als integrierter Bestandteil des Regelungsregimes Aufgabe einer funktionsdogmatischen Betrachtung der Publizität muss es nun sein, Kriterien herzuleiten, inwieweit diese stellenweise Ersetzung erfolgen kann und sollte. Dabei ist der Gedanke eines Konkurrenzverhältnisses aufzugeben.188 Publizität kann inhaltlich zwingende Regelungen nicht umfassend ersetzen oder überflüssig machen. Sie ist nicht effizienter, „besser“, oder gar „gerechter“ als materiell zwingendes Recht. Wenn hier daher Vor- und Nachteile der Publizität beleuchtet und gegeneinander abgewogen werden, so wird nicht nach einem generellen Vorrang der Publizität, sondern nach konkreten Abstimmungserfordernissen und der Ausgestal-

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Merkt, Informationsmodell, S. 24, 54. Ausgeblendet bleibt hier, dass auch Informationsnormen einer zwingenden Durchsetzung bedürfen. 187 Auch im Informationsmodell der USA finden zunehmend – Stichwort SOX – materielle Pflichten Verwendung. Neben der u. a. aus Kompetenzgründen erfolgenden umfassenden Verwendung von Publizität erfolgt auch hier eine materielle Kontrolle (vornehmlich im Gesellschaftsrecht der Bundesstaaten, aber auch im Kapitalmarktrecht). Dennoch besteht eine Grundentscheidung für Publizität, siehe dazu oben, B.I. 188 So aber wohl noch Meier-Schatz, Unternehmenspublizität, S. 155 ff., 453 ff. 186

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C. Das Informationsmodell im Unternehmensrecht

tung im Einzelfall gesucht.189 Die Pflicht ist im jeweiligen Kontext mit Blick auf mögliche Alternativen zu sehen. 3. Der EuGH als „Motor des Informationsmodells“ – exemplarische Würdigung des primärrechtlichen Spannungsverhältnisses ausgewählter Publizitätspflichten Es zeichnet sich ab, dass vor allem der EuGH das Informationsmodell als aus Sicht der Grundfreiheiten zu bevorzugendes Modell befürwortet.190 Daher soll dieses hier anhand einiger zentraler Entscheidungen konkretisiert werden, in denen unmittelbar aus dem Primärrecht allgemeine Prinzipien abgeleitet werden, welche die Bedeutung der Informationserteilung stärken.191 Die Kritik an den Entscheidungen wird dabei einbezogen, um das Spannungsverhältnis zu verdeutlichen, in dem das Modell zu verorten ist. Daraus lassen sich Schlüsse ziehen, wie die gegenseitigen Interessenlagen aufeinander abzustimmen sind. Die grundfreiheitliche Perspektive steht im Mittelpunkt einer solchen Betrachtung. Bei einer Analyse von Entscheidungen des EuGH ist freilich zu beachten, dass dieser bei der Auslegung einer dynamischen Interpretation folgt, die neben der praktischen Wirksamkeit des Unionsrechts (effet utile) vor allem berücksichtigt, dass die Entwicklung Europas auf eine fortschreitende Integration gerichtet ist (EuGH als „Motor der Integration“).192 Insofern ist zu erwarten, dass das Ergebnis des EuGH neben der zivilrechtlichen Perspektive auch diejenige Lösung wählt, die im Hinblick auf den europäischen Integrationsprozess und die Verwirklichung des Binnenmarktes vorzugswürdig erscheint (Publizität als Mittel der Integration). Die nachfolgenden Ausführungen entwickeln ein abgestuftes Konzept, innerhalb dessen erhebliche Unterschiede zwischen den organisierten Kapitalmarkt in Anspruch nehmenden Aktiengesellschaften und kleineren Familienunternehmen deutlich werden. Vor einer pauschalen Übertragung der zentralen Grundwertungen ohne Abwägung im Einzelfall sei daher vorab gewarnt. Wird hier beispielsweise ein Vorrang vor Informationsnormen vor dem materiellen Kapitalschutz für die GmbH herausgearbeitet, so ist zu beachten, dass für die Aktiengesellschaft mit der Zweiten Richtlinie ein weitaus umfassenderes System des Kapitalschutzes besteht,193 weshalb eine differenzierende Betrachtung stets erforderlich ist. Andererseits wird sich zeigen, dass dennoch gerade für die börsennotierte Aktiengesellschaft das am weitesten ausgeprägte System allgemeiner Offenlegungspflichten besteht. 189 Anschaulich Merkt, Unternehmenspublizität, S. 311, der hier den Begriff der „äußeren Integration“ einführt. 190 Merkt, Informationsmodell, S. 24, 34; ders., AG 2003, 126, 135 (kapitalmarktrechtliche Corporate Governance). 191 Vgl. Cordewener, in: Schön (Hrsg.), S. 105, 107. 192 Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 81 f. m.w.N. 193 Dazu Schön, RabelsZ 64 (2000), 1, 14 ff., 22 (AG: Grundkapital, Wertprüfung und Ausschüttungsverbot).

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a) Cassis de Dijon – Begründung des Transparenzgebots im Übermaßverbot Eine klare Entscheidung für den Vorrang von Information trifft der EuGH in seinem Cassis-Urteil.194 Danach kann eine Festsetzung materieller Grenzwerte (hier der Weingeistgehalt von Getränken) der Standardisierung von Erzeugnissen und ihrer Kennzeichnung im Interesse der Transparenz dienen. Lässt sich eine angemessene Unterrichtung allerdings auch durch Information sicherstellen (hier durch Angabe auf der Verpackung), ist eine Beschränkung des Warenverkehrs nicht gerechtfertigt.195 Der europäische Gesetzgeber ist dann direkt an die Grundfreiheiten gebunden196 und daraus verpflichtet, das Informationsgebot vorzuziehen.197 Dass dieses ACHTUNGREdirekt aus den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit (Erforderlichkeit) und Konsistenz198 herzuleiten ist, hat der EuGH in nachfolgenden Entscheidungen zur Warenverkehrsfreiheit noch konkretisiert.199 b) Centros und Überseering – Übertragung von Cassis auf das Gesellschaftsrecht200 Deutlich bevorzugt der EuGH eine Verpflichtung zur Offenlegung gegenüber ACHTUNGREmateriellen Verboten auch aus Sicht der Niederlassungsfreiheit in seinem CentrosUrteil.201 Hier hatte ein dänisches Ehepaar eine Kapitalgesellschaft nach britischem Recht gegründet und hatte so die dänische Verpflichtung zur Aufbringung eines Mindestkapitals umgangen. Dies darf aber nicht dazu führen, dass ihnen die Eintragung einer Zweitniederlassung in Dänemark versagt wird, selbst wenn die britische limited company reine Briefkastengesellschaft ohne jegliche Geschäftstätigkeit ist. Da die Gesellschaft als Gesellschaft britischen Rechts auftrete, „ist den Gläubigern […] bekannt, dass sie nicht dem dänischen Recht über die Errichtung von Gesellschaften mit 194 EuGH, Urteil v. 20. Februar 1979, Rs. 120/78 (Rewe-Zentral AG ./. Bundesmonopolverwaltung für Branntwein), Slg. 1979, S. 649 („Cassis de Dijon“). 195 EuGH, Cassis, Slg. 1979, 649, Tz. 13. 196 Schwemmer, Bindung; EuGH, Urteil vom 14. 7. 1998, Rs. C-341/95 (Bettati), Slg. 1998, I-4355, 4380 f. 197 Grundmann, JZ 2000, 1133, 1138. 198 Vgl. Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 147. 199 EuGH, Urteil vom 12. März 1987, Rs. 178/84 (Kommission ./. Deutschland), Slg. 1987, S. 1227, Rn. 24 ff. (Dt. Reinheitsgebot); Stünkel, EG-Grundfreiheiten, S. 271 m.w.N. (immer stärkere Betonung des Gedankens); Auswertung der Rechtsprechung bei Riesenhuber, in: Hopt (Hrsg.), S. 23, 37; Bumke, ebd., S. 107, 117 m.w.N. 200 Grundmann, JZ 2000, 1133, 1139: Centros „überträgt nur die Überlegungen aus Cassis de Dijon auf die Niederlassungsfreiheit und damit das Gesellschaftsrecht; ders., in: FS Lutter, S. 61, 64 f.; differenzierend und teils kritisch dagegen Teichmann, Gesellschaftsrecht, S. 147, 155 f., 209 f., 373 ff., 458 ff., 503 f. 201 EuGH, Urteil v. 9. 3. 1999, Rs. C-212/97 (Centros Ltd. ./. Erhvervs-og Selskabsstyrelsen), Slg. 1999, I-1459.

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C. Das Informationsmodell im Unternehmensrecht

beschränkter Haftung unterliegt.“202 Diese könnten sich auf gemeinschaftsrechtliche Schutzvorschriften wie der Bilanz-203 und Zweigniederlassungsrichtlinie204 berufen. Gläubigerschutz erfolgt hier durch „koordinierte Maßnahmen der Publizität“, welche es ermöglichen, Entscheidungen auf Grundlage aktueller Informationen zu treffen.205 Daneben könnten Sicherheiten bestellt werden, die gegenüber einem gesetzlichen Mindestkapital, welches ohnehin schnell aufgebraucht sein könnte, zu bevorzugen seinen.206 Ähnlich lässt sich das Übersee-Urteil207 verstehen. Danach verstößt es gegen die Niederlassungsfreiheit einer Gesellschaft, wenn der Zuzugsstaat bei Verlegung des Verwaltungssitzes deren Auflösung und Neugründung nach eigenen Regelungen erfordert. Zwingende Gründe des Gemeinwohls, namentlich (1) Gläubigerschutz durch ein gesetzliches Mindestkapital, (2) Schutz der Minderheitsgesellschafter, (3) Arbeitnehmerschutz oder (4) Fiskalinteressen könnten zwar unter bestimmten Umständen eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit, nicht aber deren vollständiges Versagen rechtfertigen.208 Zwingende Kapitalaufbringungs- und Erhaltungsregeln werden damit nicht als verhältnismäßig angesehen, wenn sich der Schutz auch durch alternative Instrumente erreichen lässt – in diesem Fall die Registerpublizität, die auch das gezeichnete Kapital offenbart.209 Deutlich wird an diesem Urteil auch die Vielzahl der unterschiedlichen Interessenlagen, denen eine alternative Regelung durch Informationsregeln Rechnung tragen muss. c) Inspire Art – Das informationelle Schutzkonzept des europäischen Rechts Das Inspire Art-Urteil210 des EuGH hat die Offenlegungspflichten für Zweigniederlassungen EU-ausländischer Gesellschaften präzisiert und bestimmte Mindestkapitalanforderungen und Haftungsvorschriften als Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit eingestuft.211 Nach niederländischem Recht waren Gesellschaften, die ihre 202 203

Entscheidungsgründe EuGH, Centros, Slg. 1999, I-1459, Tz. 36. Richtlinie 78/660/EWG (4. Richtlinie), siehe auch Richtlinie 83/349/EWG (7. Richtli-

nie). 204

Richtlinie 89/666/EWG (11. Richtlinie). Schlussanträge Generalanwalt La Pergola v. 16. 7. 1998, Rs. C-212/97 (Centros), Slg. 1999, I-1459, Tz. 21. 206 Ebd. 207 EuGH, Urteil v. 5. 11. 2002, Rs. C-208/00 (Überseering BV ./. Nordic Construction Company Baumanagement GmbH), Slg. 2002, I-9919. 208 EuGH, Überseering, Slg. 2002, I-9919, Tz. 93; zu den Rechtfertigungsgründen siehe Tz. 83 – 86. 209 Merkt, Informationsmodell, S. 35 f. 210 EuGH, Urteil v. 30. September 2003, Rs. C-167/01 (Kamer van Koophandel en Fabrieken voor Amsterdam ./. Inspire Art Ltd.), Slg. 2003, I-10155. 211 Dazu Kindler, NZG 2003, 1086 ff. 205

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Geschäftstätigkeit ausschließlich in den Niederlanden ausüben und keine tatsächlichen Beziehungen zum Gründungsstaat haben, im Interesse des Gläubiger- und Verkehrsschutzes verpflichtet, im Handelsregister den Zusatz „formal ausländische Gesellschaft“ einzutragen und diesen im Geschäftsverkehr zu führen. Ferner wurden die formal ausländischen Gesellschaften hinsichtlich der Mindestkapitalanforderungen der GmbH gleichgestellt. Vor Erfüllung dieser Anforderungen haftete die Geschäftsführung gesamtschuldnerisch neben der Gesellschaft.212 Hier von Interesse ist einerseits das konzeptionelle Verständnis der Offenlegungsvorschriften, andererseits die kritische Haltung des EuGH gegenüber jeder zusätzlichen materiellen Regulierung. Zunächst verordnet der EuGH die Zweigniederlassungsrichtlinie im Gesamtgefüge derjenigen Richtlinien, die der Rat gem. Art. 50 Abs. 2 lit. g AEUV (ex-Art. 44, vormals Art. 54 EGV) zur Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit erlassen hat. Schutzbestimmungen im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter seien danach insbesondere durch die Erste,213 Zweite,214 Vierte,215 Siebente216 und Elfte217 Richtlinie über das Gesellschaftsrecht koordiniert und gleichwertig gestaltet worden. Im Mittelpunkt steht dabei die Koordinierung der Offenlegungsvorschriften.218 Daher sei die in Art. 2 der Elften Richtlinie 89/666/EWG über die Offenlegung von Zweigniederlassungen erfolgende Auflistung verpflichtender und fakultativer Angaben abschließend zu verstehen, zusätzliche Angaben dürften nicht verlangt werden.219 Diese Aussage darf allerdings nicht als genereller Versuch der Begrenzung weiterer Offenlegungspflichten am Markt verstanden werden. Vielmehr ist sie vor der dualistischen Zielkonzeption der Richtlinie zu verstehen. Diese will einerseits die Errichtung von Zweigniederlassungen durch einheitliche Standards fördern und andererseits sicherstellen, dass dem Publikum schnell und zuverlässig Informationen zur Verfügung stehen.220 Das Verständnis der Richtlinie als Höchststandard221 ist somit dahingehend auszulegen, dass gerade erst durch ein abschließendes, europaweit einheitliches und vergleichbares Konzept beide Ziele bestmöglich erreicht werden. 212

Zu Sachverhalt und Vorlagefragen EuGH, Inspire Art, Slg. 2003, I-10155, Tz. 34 ff. Erste Richtlinie 68/151/EWG (Akte beim HReg. mit zwingenden Vorgaben, Wirksamkeit von Geschäften, Nichtigkeitsgründe) – sog. Publizitätsrichtlinie. 214 Zweite Richtlinie 77/91/EWG (Angaben in Satzung, Mindestkapital, Einlagen, Einzahlung und Nennbetrag von Aktien, Dividenden) – sog. Kapitalrichtlinie. 215 Vierte Richtlinie 78/660/EWG (Aufstellung, Inhalt, Gliederung und Offenlegung der Jahresabschlüsse von Kapitalgesellschaften) – sog. Bilanzrichtlinie. 216 Siebente Richtlinie 83/349/EWG (Aufstellung konsolidierter Abschlüsse, Ziel entspricht Vierter RL). 217 Elfte Richtlinie 89/666/EWG – sog. Zweigniederlassungsrichtlinie. 218 Vgl. insb. Erwägungsgründe (3) – (5) der Zweigneiderlassungsrichtlinie, ABl. 1989, L 395, S. 36. 219 EuGH, Inspire Art, Slg. 2003, I-10155, Tz. 65, 69 – 70, 72, 143, Tenor 1. 220 Kindler, NZG 2003, 1086, 1087. 221 Bei anderen RL wird ein Verständnis als Mindeststandard mit der Möglichkeit zu mehr Offenlegung angeregt, dazu Kindler, ebd., S. 1086, Fn. 13 m.w.N. (unter Verweis auf EuGH, Rs. C-42/95 – Siemens ./. Nold, Slg. 1996, I-6017). 213

226 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

C. Das Informationsmodell im Unternehmensrecht

Nach dieser konzeptionellen Einordnung spricht sich der EuGH mit deutlichen Worten gegen materielle Voraussetzungen, insbesondere die Vorschriften über das Mindestkapital und die Haftung der Geschäftsführer aus.222 Es sei Bestandteil der Niederlassungsfreiheit, durch Gründung in einem anderen Mitgliedstaat eine materiell günstigere Rechtsordnung zu wählen, welche dann auch auf die Zweigniederlassung Anwendung finde.223 Zwar sei die Bedeutung des Mindestkapitals insbesondere für den Gläubigerschutz in Art. 6 der Zweiten Richtlinie ausdrücklich anerkannt, die ein solches für Aktiengesellschaften eigens festlege.224 Jedoch sei „zum Gläubigerschutz ohne weitere Prüfung, ob die Vorschriften über das Mindestkapital als solche einen geeigneten Schutzmechanismus bilden, festzustellen, dass die Inspire Art als Gesellschaft englischen Rechts und nicht als niederländische Gesellschaft auftritt. Ihre potenziellen Gläubiger sind hinreichend darüber unterrichtet, dass sie anderen Rechtsvorschriften […] unterliegt.225 [Sie können sich] auf bestimmte gemeinschaftsrechtliche Schutzregelungen wie die Vierte und die Elfte Richtlinie berufen.“226 Die Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit geht damit über das erforderliche Maß hinaus, wenn der Schutzzweck auch mit dem „milderen Mittel“ der ACHTUNGREInformation erreicht werden kann.227 In dieser zweistufigen Begründung wird das konzeptionelle Verständnis des EuGH besonders deutlich. Zuerst erfolgt die Darstellung eines in den aufeinander abgestimmten Richtlinien begründeten Publizitätskonzepts im europäischen Unternehmensrecht.228 Dieses wird als abschließendes, umfassendes Konzept verstanden, bei dem die Information im Mittelpunkt steht. Soweit dieses Konzept reicht,229 ist jede darüber hinausgehende Beschränkung unverhältnismäßig. Der EuGH geht folglich über die Aussage eines bloßen Vorrangs von Informationsnormen nochmals hinaus. Vielmehr betont er die Entscheidung für ein ganzheitliches informationelles Schutzkonzept, welches dann als abschließend zu verstehen ist. Dieses als Ganzes hat Vorrang vor weitergehenden materiellen Beschränkungen.

222

EuGH, Inspire Art, Slg. 2003, I-10155, Tz. 105, 136 – 139, 143, Tenor 2. Ebd., Tz. 96, 137 – 139. 224 Ebd., 110, 116. 225 Begrenzt ist dieser Schutz dadurch, dass das europäische Firmenrecht nicht umfassend harmonisiert ist. Eine klare Zuordnung zu einer Rechtsordnung (frz., portug., lux., belg., oder span. S.A.?) ist somit auf den ersten Blick oftmals nicht möglich, Leible/Hoffmann, EuZW 2003, 677, 679. 226 EuGH, Inspire Art, Slg. 2003, I-10155, Tz. 135 (unter Verweis auf EuGH, Centros, Slg. 1999, I-1459, Tz. 36. 227 Zimmer, NJW 2003, 3585, 3586; ausführlich Usher, in: Grundmann/Kerber/Weatherhill (Hrsg.), S. 151 ff. 228 Begriff bei Merkt, Informationsmodell, S. 24, 35. 229 Deutlich begrenzt der EuGH seine Aussage auf Sachverhalte, die von den Richtlinien erfasst sind, Leible/Hoffmann, EuZW 2003, 677, 678 (kritisch zum informationellen Schutzkonzept). 223

II. Vordringen des Informationsmodells im Europäischen Wirtschaftsrecht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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d) Daihatsu und Axel Springer – Berücksichtigung des grundfreiheitlichen Spannungsverhältnisses und Bedürfnis nach Ausgleich der beteiligten Interessen Die Reihe der Grundsatzentscheidungen, in denen der Gerichtshof das Recht auf angemessene Information betont und diese als vorzugswürdige Alternative anerkannt hat, ließe sich fortsetzen.230 Dennoch ist diese Auslegung nicht ohne Kritik geblieben. So wird argumentiert, dass es sich bei all diesen Fällen um nicht verallgemeinerungsfähige Konstellationen handelt, da hier jeweils gerade die Bewältigung eines Informationsdefizits angestrebt war.231 Dieser Auslegung widerspricht aber das dargestellte konzeptionelle Verständnis der Information im europäischen Gesellschaftsrecht. In den Entscheidungen zur Niederlassungsfreiheit wurde deutlich, dass hier nicht Einzelfallkonstellationen gelöst, sondern ein in den Richtlinien begründetes weitreichendes Informationsmodell verfolgt wird.232 Freilich kommt auch die Verwendung von Informationsnormen nur dann in Frage, wenn diese geeignet und ihre Verwendung auch erforderlich ist, um das angestrebte Regelungsziel zu erreichen. Inhaltlich zwingende Normen verstoßen somit nur dann gegen das Übermaßverbot, wenn ausreichender Schutz auch durch Informationsregeln gewährleistet werden kann.233 Der Ausgleich eines konkreten informationellen Defizits muss folglich eine gleichermaßen effektive und vollwertige Lösung bei geringerem Eingriff in den Handlungsspielraum der Betroffenen darstellen. Auch der EuGH anerkennt daher in „besonders sensiblen Bereichen“, insbesondere wenn dies im Interesse eines effektiven Verbraucherschutzes erforderlich ist, ein Bedürfnis nach unterstützender materieller Regulierung.234 Zu denken ist an Fälle, in denen sich Markttransparenz aufgrund der Art oder Komplexität des Leistungsgegenstandes nur schwer herstellen lässt.235 Dies widerspricht aber nicht der Annahme, dass Publizitätsnormen, sofern sie als Handlungsalternative gegenüber materieller Regulierung zur Verfügung stehen, generell unter dem Gesichtspunkt des Subsidiaritätsprinzips als weniger einschneidendes, marktbezogenes Mittel zu bevorzugen sind.236 Diese These ist daher im Folgenden weiter unter Beachtung der verschiedenen Interessenlagen zu hinterfragen.

230

EuGH, Urteil vom 12. März 1987, Rs. 178/84 (Kommission ./. Deutschland), Slg. 1987, S. 1227, Rn. 24 ff. (Dt. Reinheitsgebot); EuGH, Urteil vom 7. März 1990, Rs. C-362/88 (GBINNO), Slg. 1990, I-667, Rn. 14 ff. (Warenverkehrsfreiheit, Verbraucherschutz durch Information). 231 Schön, in: FS Canaris, 1191, 1199. 232 So auch Grundmann, JZ 2000, 1133, 1138. 233 Merkt, Informationsmodell, S. 36. 234 EuGH, Urteil vom 4. Dezember 1986, Rs. 205/84 (Kommission ./. Deutschland), Slg. 1986, S. 3755, Tz. 49 ff. (Notwendigkeit eines Zulassungsverfahrens bei grenzüberschreitenden Versicherungsdienstleistungen). 235 Stünkel, EG-Grundfreiheiten, S. 271 m.w.N. 236 So wohl auch Hopt, in: FS Canaris, S. 105, 109.

228 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

C. Das Informationsmodell im Unternehmensrecht

aa) Marktpublizität und das weite Verständnis des „Dritten“ Die Urteile Daihatsu (1996)237 und Axel Springer (2004)238 verdeutlichen in besonderem Maße die informationelle Sichtweise des EuGH und die damit verbundenen marktrechtlichen Spannungsverhältnisse. Im Daihatsu-Urteil stellt der EuGH in Fortführung seiner Rechtsprechung zur Ersten Richtlinie (Haaga und Ubbink Isolatie)239 fest, dass Art. 6 der Ersten Richtlinie240, auf welche Art. 47 Abs. 1 der Vierten Richtlinie241 verweist, einer nationalen Vorschrift entgegensteht, die nur den Gesellschaftern, den Gläubigern und dem Betriebsrat das Recht einräumt, die Verhängung von Maßregeln zu beantragen, wenn die Gesellschaft ihrer Verpflichtung zur Offenlegung des Jahresabschlusses nicht nachkommt.242 Eine dermaßen beschränkte Auslegung des Begriffes „Dritter“ sei weder mit Art. 50 Abs. 2 lit. g AEUV243, in dem vom Ziel des Schutzes der Interessen Dritter ganz allgemein die Rede sei, ohne dass insoweit einzelne Gruppen unterschieden oder ausgeschlossen würden, noch mit der vierten Begründungserwägung und Art. 3 der Richtlinie, die das Bestreben bestätigten, diese Informationen jeder interessierten Person zugänglich zu machen, vereinbar.244 Die Niederlassungsfreiheit selbst erfordere mithin ein weites Verständnis der „Dritten“.245 Da die Angleichungskompetenz in unmittelbarem Zusammenhang mit ex-Art. 3 lit. h EG (Gemeinsamer Markt) gesehen wird, werden mögliche durch das Subsidiaritätsprinzip begründete Schranken weitestgehend ausgeräumt246 und ein weites Verständnis der Norm bestätigt.247 Zweifel an der Vertrags- und Grund237 EuGH, Urteil vom 4. Dezember 1997, Rs. C-97/96 (Verband deutscher DaihatsuHändler e.V. ./. Daihatsu Deutschland GmbH), Slg. 1997, S. I-6843; ausführliche Darstellung bei Leible, ZHR 162 (1998), S. 594. 238 EuGH, Beschluss vom 23. Sept. 2004, verb. Rs. C-435/02 und C-103/03 (Axel Springer AG ./. Zeitungsverlag Niederrhein GmbH & Co. Essen KG, sowie Axel Springer AG ./. HansJürgen Wenske), Slg. 2004, I-8663; zu den Auswirkungen auf das deutsche Recht Schmidt, Die Information 05, 75; Kiesel/Grimm, DStR 2004, 2210. 239 EuGH v. 12. 11. 1974, Rs. 32/74 (Haaga), Slg. 1974, 1201, 1207: Ziel der Publizitätsrichtlinie ist es, dass sich „jeder, der den Wunsch hat, Geschäftsbeziehungen mit Gesellschaften in anderen Mitgliedstaaten aufzunehmen oder fortzusetzen, unschwer Kenntnis … verschaffen kann.“ Nach EuGH v. 20. 9. 1988, Rs. 136/87 (Ubbink Isolatie/Daken Wandtechnik), Slg. 1988, 4665, 4686 ist die Offenlegung der Richtlinie vorgesehen, damit „Dritte sich im Voraus über die wesentlichen Merkmale der Gesellschaft informieren können“. 240 Erste Richtlinie 68/151/EWG. 241 Vierte Richtlinie 78/660/EWG. 242 EuGH, Daihatsu, Slg. 1997, S. I-6843, Tz. 13 – 21, Tenor 1. 243 Ex-Art. Art. 44 Abs. 2 lit. g; zuvor Art. 54 Abs. 3 lit. g EGV. 244 EuGH, Daihatsu, Slg. 1997, S. I-6843, Tz. 17 – 23, Leitsatz 3. 245 Ebd., S. I-6843, Tz. 21 („insbesondere“ = nicht abschließend). 246 Ausführlich Schön, JZ 1998, 194; Hirte, NJW 1999, 36, 37; vgl. Hopt, in: Buxbaum (Hrsg.), S. 30. 247 Die inhaltliche Reichweite des Art. 50 Abs. 2 lit. g AEUV (ex-Art. 44 EGV) ist seit jeher umstritten (Beschränkung auf „Niederlassungsrecht“ oder Instrument der Marktintegration mit Orientierung auch an anderen Vertragszielen), Leible, ZHR 162 (1998), S. 594, 597 ff. m.w.N.;

II. Vordringen des Informationsmodells im Europäischen Wirtschaftsrecht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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rechtskonformität der Offenlegungsvorschriften seien nicht angebracht,248 die Bundesrepublik Deutschland habe ihre Umsetzungspflicht verletzt.249 Damit stellt das ACHTUNGREUrteil einen erheblichen Schritt zu mehr Publizität im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht dar250 und unterstreicht zugleich das weite Verständnis den EuGH von den europäischen Regelungsbefugnissen in diesem Bereich. Beide Punkte werden kritisiert. Die Kompetenz beschränke sich nach ihren historischen Grundlagen auf die Festschreibung eines Mindestschutzniveaus, und sei nicht Teil eines allgemeinen Integrationsprogramms.251 Der EuGH geht hier aber klar über den Schutz einzelner Personen und damit über die vorgeschlagene Begrenzung hinaus und bezieht die Binnenmarktperspektive ein.252 Auch dem liegt somit ein weites Verständnis der Publizität zugrunde. Die Frage nach den Schutzadressaten des Art. 50 Abs. 2 lit. g AEUV ist ebenso umstritten wie das Ausmaß der Kompetenz. Vor dem Urteil wurde der „Dritte“ zumeist ohne weitere Erörterung als Gläubiger verstanden, teils wurde der Schutz des Publikums einbezogen.253 Die Einbeziehung künftiger Gläubiger sei jedenfalls auch dann geboten, wenn die Norm allein auf die Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit begrenzt wird, da ihre Ungleichbehandlung zu Hindernissen führen würde.254 Die Gegenmeinung will Wettbewerber und die Öffentlichkeit (Medien) von den Schutzsubjekten ausnehmen, da mit der Begrenzung auf Gesellschaften i.S.d. Art. 54 AEUV nur jene Gefährdungslagen erfasst seien, die in der unsicheren Kapitalausstattung von Handelsgesellschaften und Risiken ihrer Geschäftsführung begründet seien.255 Dem widerspricht schon, dass im bilanzrechtlichen Schrifttum einhellig anerkannt ist, dass der Jahresabschluss auch der Information der Öffentlichkeit über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft dient.256 Dennoch liegt in der Kritik ein tieferes Problem begründet, das jedoch unter Einbeziehung des Axel Springer-Falles besser verdeutlicht werden kann. Die Tatsache, dass mit dem Daihatsu-Urteil ein deutlicher Schritt zu mehr Publizität getan ist, wird jedenfalls auch von den Kritikern

vgl. die Darstellung bei Schön, ZGR 1995, 1, 13 ff. Die Stellung des Art. 26 AEUV vor den Grundfreiheiten unterstützt heute ein weites Verständnis. 248 BGH NZG 2000, 1045, 1047 (ös. OGH, Beschluss vom 29. 3. 2000 – 6 Ob 77/00 t (OLG Linz)). 249 Zur Notwendigkeit einer wirksamen Umsetzung (hier: Rechtsfolgen), Blaurock, JZ 1994, 270, 275. 250 Ausführliche Darstellung bei Hirte, NJW 1999, 36 ff. 251 Schön, JZ 1998, 194 (Verweis auf Timmerman, RabelsZ 1984, 1 ff., 12 ff., sowie die Gegenmeinung). 252 Rechtsangleichung erfolgt sowohl im Interesse des Gemeinsamen Marktes als auch zum Schutz Einzelner. 253 Geiger, EGV, 2. Aufl. 1995, Art. 54 Rz. 12; Erhard, in: Lenz, 1. Aufl. 1994, Art. 54, Rz. 12 (Publikum). 254 Schulze-Osterloh, ZIP 1997, 2157, 2158. 255 Schön, JZ 1998, 194, 195. 256 Schulze-Osterloh, ZIP 1997, 2157 f. m.w.N.

230 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

C. Das Informationsmodell im Unternehmensrecht

im Ergebnis anerkannt.257 Schließlich wurde die Bundesrepublik Deutschland sogar dazu verurteilt, geeignete Sanktionen vorzusehen.258 bb) Bestätigung allgemeiner, unbegrenzter Publizität im Axel Springer-Urteil Im Vorabentscheidungsverfahren in Sachen Axel Springer259 bestätigte und präzisierte der EuGH seine Rechtsprechung zu Daihatsu. In den verbundenen Rechtssachen wurde die GmbH & Co.-Richtlinie260, welche auf Art. 47 der Vierten Richtlinie261 sowie die Siebente Richtlinie262 verweist, erneut Auslöser für die Frage, ob Art. 50 Abs. 2 lit. g AEUV (ex-Art. 44 EGV) die Verpflichtung begründen kann, Jahresabschluss und Lagebericht ohne Beschränkung des zur Einsichtnahme berechtigten Personenkreises auf schutzbedürftige Dritte offenzulegen. Das KapCoRiLiG263 hatte das für Kapitalgesellschaften geltende und auf diese zugeschnittene264 Offenlegungsregime unter anderem265 auf die GmbH & Co. KG erstreckt und, wie vom EuGH gefordert, den Sanktionierungsmechanismus erneut266 erheblich verschärft.267 Ziel war neben dem Schutz Dritter vor allem die Schaffung gleichwertiger rechtlicher Mindestbedingungen für alle miteinander im Wettbewerb stehenden Gesellschaften

257 Schön, JZ 1998, 194, 195: „Es zeigt sich, dass die Bundesregierung einen bedeutsamen Fehler gemacht hat, als sie in den Jahren 1968 und 1978 in der Ersten und Vierten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie in die allgemeine Registerpublizität für Jahresabschlüsse von Kapitalgesellschaften auf europäischer Ebene konsentiert hat.“ 258 EuGH, Urteil v. 29. 9. 1998, Rs. C-191/95 (Kommission/Deutschland), EuZW 1998, 758. 259 EuGH, Axel Springer, Slg. 2004, I-8663. 260 Richtlinie 90/605/EWG (GmbH & Co. KG-Richtlinie). 261 Vierte Richtlinie 78/660/EWG. 262 Siebente Richtlinie 83/349/EWG. 263 Gesetz zur Durchführung der Richtlinie des Rates der Europäischen Union zur Änderung der Bilanz- und Konzernbilanzrichtlinie hinsichtlich ihres Anwendungsbereiches, zur Verbesserung der Offenlegung von Jahresabschlüssen und zur Änderung anderer handelsrechtlicher Vorschriften (Kapitalgesellschaften- und Co-Richtlinie-Gesetz – KapCoRiLiG) vom 24. 2. 2000, BGBl. I 2000, S. 154 ff.; kritische Würdigung der Auswirkungen für den Mittelstand bei Marx/Scharenberg/Dallmann, Jahresabschusspublizität. 264 Modifikationen erfolgen freilich, vgl. § 264c HGB (spezielle Vorgaben für Aufstellung von Bilanz/GuV). 265 Erfasst sind sämtliche OHG und KG, bei denen keine natürliche Person Vollhafter ist, vgl. § 264a HGB. 266 Zu den Änderungen im Rahmen des BiRiLiG (Publizität und Durchsetzung), Starck, Publizität, S. 9. 267 Zu den Änderungen im Einzelnen Jansen, DStR 2000, 596: Vor allem erfolgten technische Änderungen, um Besonderheiten der Personengesellschaften in dem auf Kapitalgesellschaften zugeschnittenen System (!) gerecht zu werden. Daneben wurden die Schwellenwerte für die verschiedenen Größenklassen angepasst.

II. Vordringen des Informationsmodells im Europäischen Wirtschaftsrecht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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innerhalb der EU.268 Inhaltlich bedeutet dies im Wesentlichen,269 dass der aus Bilanz und GuV bestehende Jahresabschluss (§ 242 Abs. 3 HGB) zwingend um einen Anhang erweitert werden muss, der einen besseren Einblick in die Ertrags- und Finanzlage vermitteln soll, §§ 264 Abs. 1 Satz 1, 284 – 288 HGB und dass ein Lagebericht aufzustellen ist, §§ 264 Abs. 1 Satz 1, 289 HGB.270 Das HGB nimmt dann eine Einteilung in Größenklassen vor, wonach abgestuft bestimmte formelle und materielle Erleichterungen im Offenlegungsregime erfolgen.271 Von Interesse ist hier vor allem, dass umfassende größenabhängige Erleichterungen für besonders sensible Daten bestehen.272 So kann die Aufgliederung der Umsatzerlöse nach Tätigkeitsbereichen und geographisch bestimmten Märkten im Anhang unterbleiben, auch wenn kein erheblicher Nachteil i.S.d. § 286 Abs. 2 HGB zu befürchten ist. Auch auf die Offenlegung der aggregierten Gesamtbezüge kann bei kleinen (Familien-)Gesellschaften verzichtet werden.273 Damit ist aber den zwei wesentlichen verfassungsrechtlichen Bedenken, namentlich (1) einer Beeinträchtigung der Berufsfreiheit, da die Aufgliederung der Umsatzerlöse nach geographischen Märkten aus Wettbewerbssicht unzumutbar sei, sowie (2) einer Beeinträchtigung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung (europarechtlich: Recht auf Schutz personenbezogener Daten), sofern Daten einzelnen Personen zugeordnet werden können,274 zunächst die Grundlage entzogen, soweit den entgegenstehenden Bedürfnissen durch die konkrete Ausgestaltung des Publizitätskonzepts Rechnung getragen werden kann.

268 Ausführlich Kiesel/Grimm, DStR 2004, S. 2210; vgl. insb. Erwägungsgrund (22) der Vierten Richtlinie. 269 Ausführliche Darstellung, auch zu den verschiedenen Funktionen des Jahresabschlusses, unten, D.II.3.a). 270 Der Lagebericht ist nicht Bestandteil des Jahresabschlusses, der somit aus Bilanz, GuV und Anhang besteht. 271 § 276 HGB unterscheidet kleine, mittelgroße und große Kapitalgesellschaften (KapGes). §§ 266 Abs. 1 Satz 3, 274a HGB sehen eine verkürzte Bilanz für kleine KapGes., § 276 HGB Erleichterungen bei der GuV für kleine und mittlere KapGes., und § 264 Abs. 2 Satz 3 HGB deren vollständige Befreiung vom Lagebericht (und damit der zukunftsgerichteten Nachtragsberichte und Entwicklungsprognosen) vor. Weitere Erleichterungen sind in § 288 HGB vorgesehen. Zu Erleichterungen im Verfahren siehe §§ 326 f. HGB. 272 EuGH, Axel Springer, Slg. 2004, I-8663, Rn. 54 – 58 (umfassende Ausnahmetatbestände von der Richtlinie). 273 Im Einzelnen § 288 HGB. Entsprechende größenabhängige Befreiungen oder Erleichterungen finden sich in den jeweiligen Abschnitten des HGB. Anschaulicher Überblick auch bei Kiesel/Grimm, DStR 2004, S. 2210 ff. 274 Ausführliche Darstellung bei Starck, Publizität, S. 33 ff.; vgl. nunmehr Art. 8 EUGrundrechtecharta.

232 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

C. Das Informationsmodell im Unternehmensrecht

cc) Verhältnismäßigkeit der Regelung Trotz des differenzierten Systems der Publizitätspflichten275 wurde die Verhältnismäßigkeit der Erweiterung der Offenlegungspflichten hin zu einer allgemeinen Publizität insbesondere im Hinblick auf die Berufsfreiheit, die Presse- und Rundfunkfreiheit und den allgemeinen Gleichheitssatz bezweifelt.276 Als unverhältnismäßig wurde vor allem empfunden, dass Dritte keinerlei schutzbedürftiges Recht oder Interesse belegen müssen,277 um Offenlegung zu verlangen. Deutlich wird die Problematik vor dem Sachverhalt des Urteils, nach dem die Axel Springer AG systematisch die Festsetzung von Zwangsgeldern beantragt hatte, um Einsicht in die Jahresabschlüsse kleinerer Konkurrenten, namentlich einem Zeitungsverlag und einem Radiosender in Rechtsform der GmbH & Co. KG, zu erhalten. Die Daten sollten folglich möglicherweise von einem marktstarken Geschäftspartner oder Wettbewerber gezielt genutzt werden, um am Produktmarkt gezielt Druck auf Konkurrenten ausüben zu können.278 Vor dieser Missbrauchsgefahr, verbunden mit der nunmehr einfachen Möglichkeit des Online-Zugriffs und der von Amts wegen erfolgenden Exekution des Offenlegungsverbots,279 sind die Zweifel an der Verhältnismäßigkeit des Offenlegungsregimes zu verstehen. Der EuGH folgt diesen Zweifeln nicht. Knapp entscheidet er durch Beschluss280 unter Verweis auf das Daihatsu-Urteil, dass an der Auslegung des Vertrages keine vernünftigen Zweifel mehr bestehen.281 Die für jedermann bestehende Möglichkeit der Einsichtnahme ergebe sich danach klar aus der Auslegung des nicht abschließenden Art. 50 Abs. 2 AEUV (ex-Art. 44 EGV), und damit unter anderem aus dem Bestreben, die Informationen jedem Dritten zugänglich zu machen und für miteinander im Wettbewerb stehende Gesellschaften gleichwertige rechtliche Mindestbedingungen zu schaffen. Auch Gemeinschafts-[Unions-]grundrechte seien durch die ausdrückliche Einbeziehung von Konkurrenten nicht verletzt und die Auswirkungen auch im Hinblick auf ein Geheimhaltungsbedürfnis potentiell sensibler Daten „auf jeden Fall eindeutig gerechtfertigt.“282 Schließlich bestehe ein nach Größe der Gesellschaften differenzierendes System mit umfassenden Erleichterungen. Die Erforderlichkeit 275 Eine nach kleinen, mittelgroßen und großen Kapitalgesellschaften gegliederte Übersicht der Publizitätspflichten findet sich bei Carl, KÖSDI 2000, 12563, 12566 (mit umfassenden Literaturangaben). 276 EuGH, Axel Springer, Slg. 2004, I-8663, Tz. 20 f. 277 So ausdrücklich EuGH, Axel Springer, Slg. 2004, I-8663, Tz. 25, 33 ff, Tenor 1 und 2. 278 Schön, in: ders. (Hrsg.), Rechnungslegung, S. 563, 565. 279 Ebd., S. 563, 565 f. 280 Gem. Art. 104 in § 3 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs kann über Fragen in begründetem Beschluss entscheiden wenn (1) der Gerichtshof die Frage bereits entschieden hat, (2) sich die Antwort klar aus der Rechtsprechung ableiten lässt, oder (3) wenn die Beantwortung keinen Raum für vernünftige Zweifel lässt. 281 EuGH, Axel Springer, Slg. 2004, I-8663, Tz. 23 ff.; Schmittmann, StuB 2004, 1063, 1064 („Frage geklärt“). 282 EuGH, ebd., Tz. 36 ff., 49.

II. Vordringen des Informationsmodells im Europäischen Wirtschaftsrecht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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der Offenlegung wird dann unmittelbar aus der Gesellschaftsform hergeleitet, nach der Dritten eine Sicherheit nur durch das Gesellschaftsvermögen gegeben werde.283 Dieses Argument der Offenlegung als Korrelat der beschränkten Haftung wurde bereits in früheren Entscheidungen verwendet, nicht aber in den ähnlich gelagerten Fällen Daihatsu und Kommission/Deutschland, in denen nur von einer „größtmöglichen Transparenz“ zum Schutze der verschiedenen Personengruppen die Rede war.284 Auch hier ist vor einer Verallgemeinerung zu warnen. Erstens zielt die Argumentation des Haftungskorrelats primär auf Gläubigerschutz ab.285 Auf die Gläubiger ist der Schutzkreis aber gerade nicht beschränkt, weshalb der Publizität ein darüber hinausgehendes, sämtliche Marktteilnehmer erfassendes Prinzip zu Grunde liegen muss. Zweitens wird das Argument der beschränkten Haftung erst (und ausschließlich) bei der Frage eingebracht, ob die Erstreckung des Offenlegungsregimes auf GmbH & Co. KG gegen den allgemeinen Grundsatz der Gleichbehandlung verstößt. Danach dürfen ohne objektive Rechtfertigung vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden.286 Wesentliche Vergleichsmerkmale von Unternehmen sind die rechtliche Struktur, die Produktions- und die Wettbewerbsverhältnisse.287 Es kann als Ziel des Richtlinienregimes gesehen werden, „gleichwertige rechtliche Mindestbedingungen für miteinander im Wettbewerb stehende Gesellschaften her[zu]stellen“288. Zu diesen zählen von der börsennotierten Aktiengesellschaft (strengstes Offenlegungsregime) über kleine und mittelgroße Gesellschaften (Offenlegungsregime mit Erleichterungen) auch Personengesellschaften.289 Die Richtlinie 90/605 soll nun vermeiden, dass die GmbH & Co. KG genutzt wird, um dem Offenlegungsregime zu entgehen.290 Daher wird diese Gesellschaftsform konzeptionell in Nähe der Kapitalgesellschaften verordnet, was durch die Gemeinsamkeit der beschränkten Haftung objektiv zu rechtfertigen ist. Zuvor unterlag sie nicht diesem Regime, was durch ihre Nähe zu mittelständischen Personengesellschaften, vor allem im Wettbewerb auf dem Produktmarkt, zu rechtfertigen wäre. Es ließen sich gute Gründe anführen, wie in den

283 Erwägungsgründe (1) – (3) der Vierten Richtlinie 78/660/EWG; EuGH, Axel Springer, Tz. 42, 66 ff. 284 Schlussantrag Generalanwalt Cosmas in Sachen Daihatsu, Slg. 1997, S. I-6843. 285 Schmidt, INF 2005, 75, 77. 286 EuGH, Urteil vom 9. September 2004, Rs. C-304/01 (Spanien ./. Kommission), Slg. 2004, I-0000, Rn. 31. 287 EuGH, Urteil vom 13. Juli 1962, verb. Rs. 17/61 und 20/61 (Klöckner-Werke AG und Hoesch AG), Slg. 1962, 655, 693. 288 EuGH, Daihatsu, Slg. 1997, I-6843, Tz. 22. 289 Zum Bedürfnis einer stärkeren konzeptionellen Einbeziehung von Personengesellschaften in den europäischen Harmonisierungsprozess, um eine Benachteiligung von KMU zu vermeiden, Blaurock, ZEuP 1998, 460, 473. Hier kann anhand der Entwicklung der Rechnungslegung [C.II.3.g)bb)] und dem Vorschlag für eine SPE-VO [C.II.4.a)] gezeigt werden, dass eine solche Einbeziehung heute weitestgehend erfolgt. 290 EuGH, Axel Springer, Slg. 2004, I-8663, Tz. 62.

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USA nur börsennotierte Gesellschaften den Publizitätspflichten zu unterwerfen,291 alle Gesellschaftsformen zu umfassender Offenlegung zu verpflichten oder aber, wie im Folgenden gezeigt werden soll, an die Inanspruchnahme bestimmter Marktsegmente besondere, verschärfte Pflichten zu knüpfen. Dies ist aber nicht Aufgabe des EuGH. Dieser stellt allein fest, dass die erfolgte Ausweitung der Publizität aus objektiv nachvollziehbaren Gründen erfolgt ist. Dabei verdeutlicht er anschaulich, dass den europäischen Regelungen zum Gesellschaftsrecht der Grundgedanke eines nach der Intensität der Marktteilnahme abgestuften Modells der Information zu Grunde liegt und an der Rechtmäßigkeit dieses Konzepts seitens des EuGH keine Zweifel bestehen. Dieses Konzept bildet dann zugleich einen Ausgleich für die Haftungsbeschränkung.292 e) Festigung des differenzierten Offenlegungssystems Das europäische Gericht erster Instanz bestätigte im österreichischen Fall Danzer293 die Auslegung des EuGH auch für Aktiengesellschaften. Dafür setzte es das Verfahren der Schadensersatzklage trotz eindeutiger Rechtsmissbräuchlichkeit eigens bis zur Entscheidung in Sachen Springer aus. Dennoch stellt es selbst kurz das den Richtlinien entsprechende „nach Größe der Gesellschaften differenzierte Offenlegungssystem“294 dar, bevor „nebenbei der Klarheit halber“ festgestellt wird, „dass an der Gültigkeit der Ersten und der Vierten Gesellschaftsrichtlinie keine Zweifel bestehen“295. Insbesondere wird ein Verstoß gegen den Schutz von Geschäftsgeheimnissen, gegen die Grundsätze des freien Wettbewerbs und der Verhältnismäßigkeit sowie gegen das Eigentumsrecht unter Verweis auf das Springer-Urteil auch für Aktiengesellschaften verneint.296 Für eine Verhältnismäßigkeit sprächen vor allem die allgemeinen, wirtschaftlichen Interessen dienenden Ziele, Dritte zu schützen und gleichwertige Mindestbedingungen für alle miteinander im Wettbewerb stehenden Gesellschaften herzustellen. Dagegen sei der Schaden für die Wettbewerbsstellung des einzelnen Unternehmens, vor allem vor dem Hintergrund möglicher Beschränkungen und allgemein gehaltener Formulierungen297, begrenzt. Die eigentliche Problematik des Urteils wird erst in der zweiten Rüge deutlich, dass das Urteil gegen den Schutz persönlicher Daten, das Steuergeheimnis und das Recht verstoße,

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Dafür insbesondere Schön, 563, 572, 608. Vgl. Merkt, Unternehmenspublizität, S. 332 ff.; Baums, Bericht, Rn. 251; LG Osnabrück, BB 05, 2461. 293 EuG, Urteil vom 21. Juni 2006, Rs. T-47/02 (Danzer ./. Rat der EU), Slg. 2006, II-1779. 294 Ebd., Tz. 5 (Art. 47 Vierte RL, Einsicht Lagebericht, differenzierte Schemata). 295 EuG, Danzer, Slg. 2006, II-1779, Tz. 40 ff; vgl. Tz. 37 („völlig unzweifelhaft“). 296 Ebd., Tz. 41; die Rüge eines Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, die Niederlassungsfreiheit und die freie wirtschaftliche Betätigung wurde zurückgenommen. 297 Artt. 11, 27, 44 – 47 der Vierten RL (Ausnahme bei schwerem Schaden, Lagebericht allgemein formuliert). 292

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nicht gegen sich selbst aussagen zu müssen.298 Hier stellt sich heraus, dass die Klage vor allem deshalb erhoben wurde, weil die Einkünfte von Herrn und Frau Danzer als den einzigen Geschäftsführern indirekt aus den Unterlagen identifizierbar waren. Da dies jedoch nicht direkt auf die Richtlinien zurückzuführen sei und diese die verschiedenen Interessenlagen, insbesondere durch nicht namentliche Auflistung der Bezüge, berücksichtigten, ändert sich nach Auffassung des Gerichts am Ergebnis nichts. Das Urteil bestätigt somit zum einen das Informationsmodell auch aus Sicht des Gerichts erster Instanz. Wichtiger noch ist aber die Erkenntnis, dass vor allem wieder kleine Gesellschaften durch nicht berücksichtigte besondere Umstände299 benachteiligt werden, und insbesondere die Offenlegung persönlicher Bezüge als unverhältnismäßig empfunden wird. Dabei besteht nicht selten auch Angst vor Erpressungen oder Entführungen, wenn die Vermögens- und Einkommensverhältnisse weltweit im Internet zugänglich sind.300 f) Publizität und Wettbewerb Da die gesellschaftsrechtlichen Richtlinien im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit Art. 50 Abs. 2 lit. g AEUV (ex-Art. 44 EGV), insbesondere die Erforderlichkeit einer umfassenden Offenlegung bei der Möglichkeit weniger eingriffsintensiver Maßnahmen, auch in mehreren anderen Fällen hinterfragt worden sind,301 und die Bundesrepublik Deutschland selbst zu einer Umsetzung der erneuten Erweiterung der Publizität angehalten werden musste,302 empfiehlt es sich, die Problematik kurz kritisch zu würdigen. Exemplarisch soll dies am Spannungsverhältnis von Publizität und Wettbewerb erfolgen. Vor der Einführung einer allgemeinen Publizität bestanden seitens der Wirtschaftsverbände erhebliche Bedenken dagegen, dass Wettbewerber die Offenlegung von Jahresabschlüssen erzwingen können sollen.303 Tatsächlich befolgten 2004 nur 10 – 20 % der Unternehmen die Pflicht, einen Jahresabschluss einzureichen,304 ältere

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EuG, Danzer, Slg. 2006, II-1779, Tz. 45 ff. Hier war das Geschäftsführer-Ehepaar, obwohl nicht namentlich genannt, dennoch persönlich identifizierbar. 300 Deutscher Anwaltverein, Handelsrechtsausschuss, NZG 2005, 586, 587. Diese Bedenken gelten auch für die AG, sind dort aber mit gesteigertem Kontrollbedürfnis der Eigentümer (die nicht selbst die Gehälter festlegen) in Ausgleich zu bringen. Zur Transparenz der Bezüge bei der (Publikums-)AG, s.u., D.II.3.h)cc) (VorstOG). 301 EuGH, Urteil vom 15. Januar 2002, Rs. C-182/00 (Lutz GmbH u. a.), Slg. 2002, I-547; EuGH, Beschluss vom 14. Juni 2002 – Rs. C-248/01 (Pfanner), Abl. Nr. C 233, S. 12 (beide wegen Unzuständigkeit abgelehnt). 302 EuGH, Urteil v. 29. 9. 1998, Rs. C-191/95 (Kommission/Deutschland), EuZW 1998, 758. 303 Schulze-Osterloh, ZIP 1997, 2157, 2158. 304 Die Angaben gehen auf eine Umfrage von Ernst&Young Wirtschaftsprüfungsgesellschaft sowie Schätzungen des Verbandes der Vereine Creditreform e.V. zurück, Nachweise bei Kiesel/Grimm, DStR 2004, 2210, 2212. 299

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Hochrechnungen stellen noch geringere Befolgungsquoten fest.305 Dies ließ sich darauf zurückführen, dass Kreditgebern (Banken), Kunden und Lieferanten ohnehin meist Einblick in die Bilanzen gewährt würde, oder diese fehlende Daten anhand von Vergleichswerten schätzen könnten.306 Dies galt auch für potentielle Gläubiger.307 Die wesentliche Veränderung ergab sich damit im Hinblick auf Konkurrenten, welche die sensiblen Daten nutzen könnten, um kleine, oftmals innovativ ausgerichtete Unternehmen auf dem Produktmarkt gezielt unter Druck zu setzen und vom Markt zu verdrängen. Innovationen könnten ausgeforscht und übernommen werden. Ferner besteht die Gefahr, dass wettbewerbswidrige „abgestimmte Verhaltensweisen“ nicht unterbunden werden können.308 Dem lässt sich nicht entgegnen, dass Jahresabschlüsse ohnehin nur sehr eingeschränkt über die wirtschaftliche Lage informierten.309 Vielmehr deuten die erheblichen Bedenken und Vermeidungsversuche gerade kleinerer und mittlerer Unternehmen durchaus auf ein Problem hin.310 Diesem Befund kann nicht entgegengehalten werden, die absolute Befolgungsquote sei heute erheblich, auf durchschnittlich über 70 %, gestiegen, da sich dies zu einem Großteil auf die Neuregelung des Sanktionsmechanismus im Rahmen des EHUG zurückführen lässt.311 Vielmehr bestätigt eine genauere Analyse des Offenlegungsverhaltens die Wettbewerbsrelevanz: Einer fristgerechten Veröffentlichung kommen nur ca. 10 % der Unternehmen nach, was auf eine bewusste Verzögerungsstrategie hindeutet, die insbesondere bei mittelgroßen Unternehmen (deren Jahresabschlüsse besonders wettbewerbssensitiv sind)312 stark ausgeprägt ist. Große Kapitalgesellschaften publizieren tendenziell früher.313 Dennoch kommen auch bei diesen 78,26 % ihrer Pflicht nicht innerhalb von 12 Monaten nach und beeinträchtigen damit erheblich die Aussagekraft – sowohl für Wettbewerber als auch für alle anderen Adressaten. Damit wird aber die staatliche Publizitätspflicht ihrer Aufgabe nicht gerecht, das Kriterium der Rechtzeitigkeit/Aktualität zu garantieren, um das informationelle Umfeld zu optimieren. 305 Umfassende Nachweise für Befolgungsquoten von ca. 7 % seit 1989 bei Henselmann/ Kaya, WPg 09, 497; vgl. Noack, Unternehmenspublizität, Rn. 87 (2001: etwa 5 % der Jahresabschlüsse im Bundesanzeiger publiziert). 306 Kiesel/Grimm, DStR 2004, S. 2210, 2212. 307 Schön, JZ 1998, 194, 195 (Erweiterung nicht mit Gleichbehandlung der Gläubigergruppen zu rechtfertigen). 308 Schön, in: ders. (Hrsg.), S. 563, 596 f. 309 So aber Schulze-Osterloh, ZIP 1997, 2157, 2158. 310 Dazu Schmidt, INF 2005, 75, 79 f.; ders., GmbHR 2004, 1512, 1516 ff. 311 Henselmann/Kaya, WPg 09, 497 ff. stellen 2008 absolute Befolgungsquoten von 67,2 % bis 73, 45 % fest. 312 Damit werden die Erleichterungen für kleine Kapitalgesellschaften ihrer Aufgabe zumindest teilweise gerecht, diese von einer Offenlegung wettbewerbssensitiver Angaben zu entlasten. 313 Henselmann/Kaya, WPg 09, 497, 500: Einer Offenlegung innerhalb der gesetzlichen Frist kommen 16,38 % der kleinen, 9,2 % (!) der mittelgroßen und 21,74 % der großen Kapitalgesellschaften nach. Im ersten Monat nach Ablauf der Frist steigen die Quoten auf 53 %/ 32 %/34 %, was auf bewusste Verzögerungstaktik hindeutet.

II. Vordringen des Informationsmodells im Europäischen Wirtschaftsrecht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Umfassende, für jedermann zugängliche Publizität wird in Europa heute wesentlich durch ein zentrales elektronisches Register verfolgt. Dessen Schaffung unterstützt somit die Annahme, dass das Offenlegungsregime der Richtlinien in der Tat weit auszulegen ist.314 Ist aber eine Information im Handelsregister verfügbar, kann es für die Nutzung keinen Unterschied machen, ob der Konkurrent selbst deren Offenlegung verlangt hat, oder ob er sich des Antrags eines Gesellschafters bedient. Dies liegt in der Natur eines „öffentlichen Gutes“.315 Hier von einem „bloßen faktischen Reflex“ zu sprechen, der im Idealfall zu vermeiden wäre,316 greift zu kurz. Vielmehr sind auch Konkurrenten in ihrer Funktion als Marktteilnehmer schutzwürdige Adressatengruppe der Publizität.317 Letztlich verdeutlicht die Feststellung des faktischen Zugangs selbst, dass einzelne Gruppen von Marktteilnehmern gar nicht aus dem Schutzkreis ausgenommen werden können. Publizität ist immer Information des gesamten Marktes. Hat sich der Gesetzgeber für ein bestimmtes Maß an Offenlegung entschieden, so verstößt jede Ungleichbehandlung – insbesondere die nicht gleichmäßige Durchsetzung einer belastenden (Publizitäts-)Norm – schon gegen den Gleichheitssatz der Verfassung.318 Die Durchsetzung darf folglich nicht von einem zufälligen Tätigwerden eines beschränkten Personenkreises abhängig gemacht werden,319 sondern es ist für eine einheitliche Befolgung durch alle Gesellschaften zu sorgen. Die Information ist dann im Interesse des gesamten Marktes nutzbar, und zwar auch zu einer eigenen Analyse der anderen Wettbewerber.320 Diese Schaffung tatsächlich gleichwertiger Mindestbedingungen für alle unionsweit in Wettbewerb stehende Gesellschaften ist klares Ziel des europäischen Informationsmodells.321 Nicht zuletzt wurde schließlich Pflichtpublizität ökonomisch auch und gerade dadurch gerechtfertigt, dass ein unravelling aufgrund befürchteter Wettbewerbsnachteile nicht stattfinden könnte und eine freiwillige Offenlegung dadurch beeinträchtigt wäre.322 Worin liegt aber der sachliche Zusammenhang zwischen einer Information für Konkurrenten und der Begrenzung des Offenlegungsregimes auf Kapitalgesellschaften?323 Bezieht man den Wettbewerb auf dem Produktmarkt in die Betrachtung ein, 314

Schön, in: ders. (Hrsg.), S. 563, 571. So auch Schön, ebd., S. 563, 572. 316 So aber Schön, ebd., S. 563, 572. 317 Ausführliche Darstellung, auch unter Beachtung der gegenteiligen Meinung aus juristischer und ökonomischer Sicht bei Merkt, Unternehmenspublizität, S. 321, 413 („marktkonstituierender Wettbewerb“). 318 Schulze-Osterloh, ZIP 1997, S. 2157, 2158 (Auftrag an Gesetzgeber, für effektive Durchsetzung zu sorgen). 319 Leible, ZHR 162 (1998), S. 594, 609 m.w.N. 320 Link, in: Schön (Hrsg.), S. 529 ff. (Eigene Nutzbarkeit zur Wettbewerbsanalyse übersteigt Nachteile). 321 Vgl. abermals beispielhaft Erwägungsgrund (22) der Vierten Richtlinie. 322 Gertner, Disclosure and Unravelling, S. 608. 323 So Schön, in: ders. (Hrsg.), S. 563, 575. 315

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scheint es schwer begründbar zu sein, die Offenlegungspflichten an die Rechtsform anzuknüpfen.324 Daher spricht einiges dafür, das Regime auf alle Gesellschaften zu erstrecken. Diese rechtspolitische Forderung geht allerdings über den Bereich dieser Arbeit hinaus. Hier genügt es festzustellen, dass die Differenzierung zwischen ACHTUNGREPersonen- und Kapitalgesellschaften letztlich auf die begrenzte primärrechtliche Kompetenzgrundlage zurückzuführen war.325 Andererseits lässt sich die bestehende Regelung wie gesehen auch als Bestandteil eines umfassenden und abgestuften Publizitätsregimes verstehen, das für kleine Kapitalgesellschaften umfassende und unter Wettbewerbsgesichtspunkten relevante Erleichterungen vornimmt326 und für andere Gesellschaftsformen weitestgehend auf eine Offenlegung verzichtet. Die Anknüpfung an bestimmte Rechtsformen, die gegebenenfalls in ihrer Haftung beschränkt sind, erfolgt folglich nur oberflächlich. Hier ist einleuchtend, dass die mit der Haftungsbeschränkung verbundene asymmetrische Risikoverteilung zwischen Gläubigern und Kapitaleignern eine gesetzliche Begrenzung des Insolvenzrisikos erfordert und dass dieser kodifizierte Gläubigerschutz327 konzeptionell einerseits auf dem Kapitalschutzsystem (Mindestkapital, Kapitalaufbringung, Kapitalerhaltung), andererseits auf einem Konzept informationellen Gläubigerschutzes beruht328 und damit die Verpflichtung zur Offenlegung für diese Gesellschaftsformen in besonderem Maße rechtfertigt. Bei näherer Betrachtung wurde aber deutlich, dass Umfang und Ausgestaltung der Publizität primär davon abhängen, wieweit ein Unternehmen an den Märkten aktiv ist. Der oberflächlichen Anknüpfung an die Rechtsform liegt folglich ein tieferes allgemeines Prinzip des europäischen Gesellschaftsrechts zugrunde, welches an die Intensität der Inanspruchnahme des Binnenmarktes anknüpft und Publizitätspflichten insoweit anordnet, wie dies zum Schutze von Gesellschaftern und Dritten im jeweiligen Marktsegment erforderlich erscheint, vgl. Art. 50 Abs. 2 lit. g AEUV. Unterstützung findet diese These in Art. 54 Abs. 2 AEUV, der sämtliche Gesellschaften bürgerlichen Rechts und nicht nur juristische Personen mit begrenzter Haftung erfasst. Wo die Grenzen im Einzelnen zu ziehen sind, kann hier nicht herausgearbeitet werden. Deutlich wurde aber, dass in Europa, im Gegensatz zum disclosure system der US-securities regulation, das „Informationsmodell“ über das Recht der Kapitalgesellschaften hinausgeht und nach dem Selbstverständnis des EuGH das gesamte Gesellschaftsrecht umfasst.329

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Merkt, 2004 ECFL 1, 27; Schön, in: ders. (Hrsg.), S. 563, 598. Die Vorschriften über die Niederlassungsfreiheit erlauben keine allgemeine (handelsrechtliche) Binnenmarktgesetzgebung. Diese wäre auf die Kompetenz zur Angleichung der Rechtsvorschriften, Artt. 114, 115 AEUV (ex-Art. 94, 95 EGV) oder die Wettbewerbsregeln, Artt. 101 ff. AEUV (ex-Artt. 81 ff. EGV) zu stützen gewesen. 326 Darstellung bei Schön, in: ders. (Hrsg.), S. 563, 576. 327 Im Gegensatz zu einer freien Marktlösung durch sog. covenants, dazu Velte, StuB 2007, S. 639 ff. 328 Anschaulich Pellens/Kemper/Schmidt, ZGR 2008, 381, 384 (zum deutschen Gläubigerschutzsystem). 329 Zur Binnenmarktkompetenz Leible, ZHR 162 (1998), 594, 598. 325

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Wenn die Untersuchung im Folgenden wieder auf börsennotierte Gesellschaften beschränkt wird, ist doch dieser größere Rahmen im Blick zu behalten. Besondere Bedeutung kommt dabei dem differenzierten, nach Größe der Gesellschaft abgestuften System zu. Publizität knüpft nicht allein an die Inanspruchnahme des Kapitalmarktes an sondern wirkt auch weit über diesen hinaus. Eine Einordnung kann mithin nur unter Einbeziehung aller berührter Interessenlagen und Auswirkungen, auch auf anderen Märkten, erfolgen. Hier hat die wettbewerbsrechtliche Perspektive vor allem gezeigt, dass (1) Offenlegung auf konkurrenzbetonten Märkten den Wettbewerb fördert, am oligopolistischen Markt jedoch leicht zu einer Beschränkung des Handels durch abgestimmte Verhaltensweisen führen kann, (2) die Offenlegung detaillierter technologischer Information leicht innovationshemmend und marktverzerrend wirken kann und (3) die Belastung für kleinere Unternehmen vergleichsweise überverhältnismäßig stärker ist.330 Erhebliche Bedenken bestehen allerdings, aus diesen Gründen das Informationsmodell auf börsennotierte Gesellschaften zu beschränken, weitgehende Ausnahmetatbestände von der Publizität vorzusehen oder die Nutzung der Informationen für bestimmte Marktteilnehmer zu verbieten.331 Vielmehr wird hier ein Bedarf nach Abstimmung und ständiger kritischer Würdigung der mit Publizität verbundenen Nachteile (auch unbeabsichtigte Fernwirkungen) und Kosten deutlich. Hoheitlich festgelegte Kataloge haben hier die Möglichkeit, nach Größenklassen oder Marktsegmenten zu differenzieren, sensible Informationen von den Pflichten auszunehmen oder allgemein zu formulieren und so den genannten Bedenken gerecht zu werden. Dies schließt nicht aus, das System auf Ebene des Wettbewerbsrechts mit materiellen Verboten zu unterstützen oder die Offenlegung in bestimmten Bereichen von vornherein zu reduzieren. Im Ergebnis muss die Publizität so ausgestaltet sein, dass die Unternehmen ihren Verpflichtungen umfassend nachkommen, ohne Bedenken haben zu müssen, dabei in ihrer Wettbewerbsstellung beeinträchtigt zu werden.332 Wenn aber Offenlegung verlangt wird, dann dient diese sämtlichen Marktteilnehmern und dem Markt als Ganzem. Abschließend sei angemerkt, dass die dargestellte Problematik zwar Nachteile der Publizität und ständigen Bedarf nach Berücksichtigung sämtlicher betroffener Interessen aufgezeigt hat. Der angeblich verursachte Schaden sollte aber dennoch nicht überschätzt werden.333 Empirisch ist er kaum zu messen und die betroffenen Unternehmen betonen vor allem die Vorteile für die eigene Wettbewerbsanalyse.334 In Großbritannien liegt die Befolgungsquote seit langem bei 95 %, ohne dass dies 330

Detaillierte Darstellung bei Schön, in: ders. (Hrsg.), S. 563, 595 ff. So im Wesentlichen die Lösung bei Schön, in: ders. (Hrsg.), S. 563, 601 ff. (Das Nutzungsverbot ließe sich durch eine Beweislastumkehr zu Lasten der Großunternehmen effektiv kontrollieren). 332 EuGH, Axel Springer, Slg. 2004, I-8663, Tz. 53 (keine Wettbewerbsrelevanz) erscheint danach bedenklich. 333 So auch das Ergebnis bei Kiesel/Grimm, DStR 2004, S. 2210, 2214. 334 Link, in: Schön (Hrsg.), S. 529 ff. (Eigene Nutzbarkeit zur Wettbewerbsanalyse übersteigt Nachteile). 331

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schwere Folgen hätte.335 Der ohnehin gute gegenseitige Einblick von den am Markt Beteiligten wurde bereits erwähnt. Es soll daher angeregt werden, nicht die Entscheidung für Publizität generell zu bekämpfen, sondern die Berücksichtigung der Interessen bei der inhaltlichen Ausgestaltung des abgestuften Offenlegungsregimes einzubringen. Da dieser Ausgleich möglich ist, erweist sich das Informationsmodell dann tatsächlich als am wenigsten einschneidende Alternative. Für einen deutschen Sonderweg ist nach den dargestellten Urteilen ohnehin kein Raum mehr. g) Systematische Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse Es hat sich gezeigt, dass das Informationsmodell im europäischen Recht weit verbreitet und in den primärrechtlichen Grundfreiheiten und damit letztlich im Binnenmarktprinzip selbst verankert ist. Grundsätzlich wird seine Notwendigkeit für börsennotierte Gesellschaften auch nicht mehr bestritten.336 Umfassende Transparenz steht allerdings wie gesehen oftmals in Konflikt mit anderen Grundfreiheiten oder Unionsgrundrechten. Die Spannungslage soll hier nochmals überblicksartig systematisch gegliedert werden, um Rückschlüsse für die konkrete konzeptionelle Ausgestaltung der Publizität zu ermöglichen. aa) Das primärrechtliche Informationsmodell Grundsätzlich entsprechen Informationsnormen nach den bisherigen Ausführungen eher dem wirtschaftsverfassungsrechtlichen Modell der EU, als materielle Regulierungen. Sie wahren weitestgehend die Vorteile der Privatautonomie und wirken sich zugleich wettbewerbsfördernd auf die Allokationseffizienz des Binnenmarktes aus. Nur bei hinreichender Information kann der Verbraucher die Vorteile des Binnenmarktes überhaupt nutzen.337 Der Verzicht auf zwingende Verbote erweitert zugleich die Handlungsspielräume der Marktteilnehmer und erhöht damit die Angebotsvielfalt. Auch dadurch werden die Privatautonomie gestärkt und der Wettbewerb gefördert.338 Noch weitergehend fördert das Informationsmodell aber idealerweise die Selbstständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Marktteilnehmer.339 Diese sind nicht mehr passive Schutzobjekte, sondern nehmen ihre Interessen eigenständig wahr. Voraussetzung der damit einhergehenden Steigerung der privatautonomen Ent335 Auch hier waren allerdings hoheitliche Maßnahmen nötig. Freiwillig befolgten nur 54 % der Unternehmen die Pflichten (Daten bereits für 1984), Nachweise und Erläuterungen bei Leible, ZHR 162 (1998), S. 594, 612. 336 Schön, in: ders. (Hrsg.), S. 563, 608 f. 337 Grundmann, Europ. Gesellschaftsrecht, Rn. 236; Kommission, Mitteilung KOM(93) 378 endg.: „Information ist die entscheidende Voraussetzung, dass sich der Verbraucher die Vorteile des Binnenmarkts zunutze macht“. 338 Grundmann, in: FS Lutter, S. 61, 66. 339 Merkt, Informationsmodell, S. 24, 52.

II. Vordringen des Informationsmodells im Europäischen Wirtschaftsrecht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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scheidungsfreiheit ist freilich, dass dem „informierten Verbraucher“340 diese Verantwortungsfähigkeit auch zugetraut wird. Das Informationsmodell zeichnet sich dann vor allem durch seine „größere Liberalität“341, seine Flexibilität und die weitestgehende Wahrung marktwirtschaftlicher Grundsätze aus.342 Ein Grundgerüst an Informationen über die den Markt in Anspruch nehmenden Unternehmen ist somit gewissermaßen das „Fundament eines freien und offenen Marktes“343, das auf paternalistische Bevormundung bestmöglich verzichtet.344 Neben seiner Liberalität und Flexibilität eignet sich das Informationsmodell in ACHTUNGREbesonderem Maße zur Integration der europäischen Einzelrechtsordnungen, da eine Einigung auf starr inhaltlich fixierte Regelungen nicht erfolgen muss.345 Untersuchungen zeigen hier, dass bei erfolgreicher Rechtsangleichung in Europa fast immer Informationsnormen im Vordergrund standen.346 Daraus zu schließen, dass die Anordnung von Informationspflichten reine Kompromissbildung ist, weil man sich auf eine inhaltlich festgelegte Regelung nicht einigen konnte347 greift allerdings zu kurz. Vielmehr konnte gezeigt werden, dass das Informationsmodell eher den primärrechtlichen Marktvorstellungen entspricht. Zugleich steht die nur begrenzte ACHTUNGREVorgabe sachlicher Regelungen im Einklang mit den Konzepten der Minimalharmonisierung und gegenseitigen Anerkennung.348 Unterschiedliche nationale Regelungsmodelle können so weitestgehend bestehen bleiben und in den Wettbewerb miteinander treten. Dabei werden Kosten der Umstellung und Brüche im nationalen Recht (Pfadabhängigkeit) vermieden.349 Natürlich ist auch ein Informationsmodell mit Kosten verbunden.350 Diese relativieren sich allerdings erheblich, wenn sich nach einer gewissen Übergangszeit entsprechende Kenntnisse, ggf. auch bei unterstützendem Hinzutreten von Intermediären, herausbilden.351

340 Zum Leitbild des „informierten Verbrauchers“ Weatherhill, in: Grundmann/Kerber/ Weatherhill, S. 173 ff. 341 So Meier-Schatz, Unternehmenspublizität, S. 34; ebd. S. 103 ff. zur Vorzugswürdigkeit der Publizität. 342 Grundmann/Kerber/Weatherhill (Hrsg.), Party Autonomy. 343 Noack, Infobase, S. 9, Rn. 1. 344 Farson, 22 Ariz. State L.J. 963 (1990). 345 Merkt, Informationsmodell, S. 53. 346 Grundmann, in: FS Lutter, S. 61, 82. 347 Schön, in: FS Canaris, S. 1191, 1201. 348 Dazu Kommission, Vollendung des Binnenmarkts, Weißbuch, KOM(85), 310 endg., S. 18 f., 27 ff. 349 Grundmann, in: FS Lutter, S. 61, 66. 350 Schön, in: FS Canaris, S. 1191, 1207 f.; vgl. oben, B.III.2.a)bb). 351 Riesenhuber, in: Hopt (Hrsg.), S. 23, 49 m.w.N., weist auf einen „raschen Lerneffekt“ hin. So habe sich die „Limited“ bereits gleichsam einer Marke etabliert, und könne so eine entsprechende Signalfunktion entfalten.

242 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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bb) Entgegenstehende Grundrechte Dieser Markt und Wettbewerb betonende primärrechtliche Vorrang von Informationsnormen wird jedoch durch Unionsgrundrechte beschränkt. Hier kann als gefestigte Auffassung gelten, dass die EU an Grundrechtsgarantien gebunden ist,352 die im Rang dem kodifizierten Primärrecht gleichstehen.353 Zur Begründung der Existenz und zur inhaltlichen Ausgestaltung der Grundrechte als allgemeine Rechtsgrundsätze greift der EuGH auf die Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten und auf die EMRK354 als „Rechtserkenntnisquellen“ zurück.355 Daneben tritt mit dem Vertrag von Lissabon die Charta der Grundrechte der EU,356 die den Verträgen rechtlich gleichrangig ist, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EUV. Diese bekräftigt damit den bisherigen Grundrechtsschutz, wird ihn aber im Grundsatz nicht ändern, da (1) die Rechte der Charta im Einklang mit der EMRK und den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ausgelegt werden, Art. 52 Abs. 2 und 3 der Charta, die Teil des Unionsrechts bleiben, Art. 6 Abs. 3 EUV, und (2) die Charta schon bisher regelmäßig als Rechtserkenntnisquelle rezipiert und wie ein verbindlicher Text behandelt wurde,357 vgl. auch Art. 6 Abs. 2 EUVa.F. Dem steht freilich nicht entgegen, dass die besondere Betonung sozialer Rechte und die ausdrückliche Gewährleistung unternehmerischer Freiheit in Art. 16 der Charta die Auslegung in Zukunft aufgrund der Verbindlichkeit der Charta verstärkt beeinflussen werden. Unternehmen können sich auf diesen europäischen Grundrechtsschutz berufen, sofern das Grundrecht nicht seiner Natur nach nur auf natürliche Personen anzuwenden ist.358 Das Bundesverfassungsgericht könnte zur Überprüfung gemeinschaftsrechtlich vorgegebener Verpflichtungen erst dann angerufen werden, wenn sich der vom Grundgesetz als unabdingbar vorausgesetzte Grundrechtsstandard auf diese Weise nicht verwirklichen lässt,359 was aber aus parallel zu den hier dargestellten Erwägungen nicht ersichtlich ist.360

352

Ehlers, in: ders. (Hrsg.), Europäische Grundrechte, § 14 Rn. 32. Zimmerling, in: Lenz (Hrsg.), Anh. Art. 6 EUV, Rn. 39 (zu Art. 6 EUV a.F.). 354 Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) vom 4. November 1950, Neubekanntmachung vom 17. Mai 2002, BGBl. II 2002, S. 1054. 355 Dazu Walter, in: Ehlers (Hrsg.), Europäische Grundrechte, § 1, Rn. 25 f.; vgl. nunmehr Art. 6 Abs. 3 EUV. 356 Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. C 303/01 vom 14. 12. 2007. 357 Streinz/Ohler/Herrmann, § 14, VI., S. 104 f. m.w.N. zu EuGH, Rat, Kommission und Parlament. Diese waren nach h.M. schon mit der Proklamation eine Selbstbindung eingegangen, die nun aber rechtlich verfestigt wird. 358 Ehlers, in: Ehlers (Hrsg.), Europäische Grundrechte, § 2 Rn. 35 m.w.N. 359 Leible, ZHR 162 (1998), 594, 614 m.w.N. 360 Ebd., S. 614 m.w.N., auch zur gegenteiligen Auffassung (Fn. 91). Auch diese Bedenken lassen sich jedoch durch einen integrierten Interessenausgleich im Gesamtkonzept minimieren. 353

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In der Literatur wurde versucht, die europäischen Grundrechte heranzuziehen, um die Verwendung des Informationsmodells im europäischen Recht zu begrenzen.361 Als Freiheitsrechte wurden hier vor allem Kommunikationsgrundrechte, ein Grundrecht auf Datenschutz,362 die Berufsfreiheit, die Eigentumsfreiheit, sowie die allgemeine Handlungsfreiheit diskutiert. Außerdem wurde der allgemeine Gleichheitssatz bemüht.363 Als besonders problematisch wird gesehen, dass eine umfassende Publizität sich nicht auf einzelne Gläubiger beschränken lässt, sondern dass Konkurrenten, Großabnehmer, Zulieferer und Arbeitnehmervertreter die Daten in großem Ausmaß auswerten und in ihren Verhandlungen gezielt nutzen können, um das Unternehmen unter Druck zu setzen. Gerade kleine Kunden empfinden die Gewinne oft als unverhältnismäßig und meiden dann den Vertragspartner.364 In all diesen Fällen wird nicht berücksichtigt, dass erhebliche bilanzielle Schwankungen das Bild sowohl ins Negative wie auch ins Positive verzerren und damit zu erheblichen Fehleinschätzungen führen können. Neben den direkten Kosten für Prüfung und Offenlegung wird des Weiteren vor allem kritisiert, dass bei auf Nischen ausgerichteten Firmen meist Rückschlüsse auf ihre internen Kalkulationen und Gewinnspannen möglich seien, was zu Übernahmen führen könnte.365 Der EuGH hat diese Problematik erkannt, hat aber – obwohl der Schutz von Daten und Informationen grundrechtlich im Grundsatz anerkannt ist – diese Rechte nicht als ausreichend befunden, um eine Begrenzung der Offenlegungspflichten zu rechtfertigen.366 Diesen kommt somit bei der Rechtfertigungsprüfung ein Vorrang vor den ACHTUNGREGeheimhaltungsinteressen zu.367 Diese Rechtfertigungsprüfung erfolgt anhand der Kriterien „Legitimes Ziel, das dem Gemeinwohl oder dem Schutz von Individualpersonen dient“, „Geeignetheit“, „Erforderlichkeit“ und „Angemessenheit“.368 Im Wesentlichen beruhen die untersuchten Publizitätspflichten auf Art. 50 Abs. 2 lit. g AEUV. Dieser statuiert wie gesehen die Ziele der Markttransparenz und der Integration des Binnenmarktes durch europaweit gleichwertige Publizitätsvorschriften. Dabei hat sich gezeigt, dass die legitimen Schutzbedürfnisse der Adressaten mit der Intensität der Inanspruchnahme 361

Najouk, GmbHR 2003, 263; Schmidt, INF 2005, 75. Das Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten, vgl. Art. 8 Grundrechte-Charta, entspricht in etwa dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG), Starck, Publizität, S. 33 ff. 363 Guter zusammenfassender Überblick auch bei Cordewener, in: Schön (Hrsg.), S. 105, 228. 364 Überblick bei Naujok, GmbHR 2003, 263, 267 (unverhältnismäßige Beschränkung der Berufsfreiheit). 365 Schmidt, GmbHR 2004, 1512, 1515. 366 Neben dem Urteil Daihatsu vor allem der französische Fall einer strafrechtlichen Sanktionierung der Offenlegungspflicht in EuGH, Urteil vom 11. 1. 1990, Rs. C-38/89 (BlanACHTUNGREguernon), Slg. 1990-I, 83. 367 Schmidt, GmbHR 2004, 1512, 1513. 368 Zu den Kriterien im Einzelnen Starck, Publizität, S. 46. 362

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C. Das Informationsmodell im Unternehmensrecht

des Marktes durch ein Unternehmen steigen. Bei der börsennotierten Publikums-Aktiengesellschaft ist umfassende Publizität tendenziell eher erforderlich, um Aktionäre (bei denen ein Recht auf Information schon aus der Eigentumsstellung hergeleitet werden kann)369 und Anlageinteressierte zu schützen. Zweifel bestehen allein bei kleinen Unternehmen, die nur einen oder wenige Gesellschafter haben.370 Auch bei diesen wird Gläubigerschutz heute aber vornehmlich durch gesteigerte und effektuierte Publizität erreicht. Für das weiter darzustellende Publizitätskonzept ergeben sich damit folgende ACHTUNGREFragen der Abgrenzung: (1) Ist die Vorschrift in ihrer Ausgestaltung geeignet, den Belangen aller Adressaten gerecht zu werden? Wie weit darf der Staat sich aus der materiellen Regulierung zurückziehen und die Kontrolle „dem Markt“ überlassen? (2) Stellt Publizität das „mildeste Mittel“ zur Erreichung des Schutzes aller von ihr profitierenden Adressaten dar? Lieferanten könnten sich durch Eigentumsvorbehalte schützen, Banken durch Einsichtsverlangen, Arbeitnehmer werden durch Vorlage der Unterlagen an den betrieblichen Wirtschaftsausschuss gem. § 106 Abs. 2 BetrVG rechtzeitig und umfassend geschützt.371 Andererseits haben die grundsätzlichen Überlegungen gezeigt, dass mit der Publizität heute ein sehr hohes Schutzniveau für alle Adressaten, auch für kleine Marktteilnehmer, erreicht ist. Alternativvorschläge sehen sich zudem meist dem Vorwurf ausgesetzt, dem europäischen Wirtschaftsmodell nicht ebenso zu entsprechen wie die Publizität. Es ist mithin zu prüfen, ob die jeweils zur Verfügung stehende Regelungsalternative die Handlungsfreiheit der Beteiligten nicht stärker einschränkt als das Offenlegungsgebot es tut. (3) Erst im dritten Schritt sind die Belastungen gegeneinander abzuwägen. Stehen die Nachteile hier in angemessenem Verhältnis zum erreichten Schutzniveau? Hierbei sind neben den Grundfreiheiten und der Wettbewerbsfreiheit insbesondere entgegenstehende Grundrechte zu beachten.372 Eine Beantwortung all dieser Fragen kann und soll hier nicht erfolgen. Vielmehr sollen die Fragestellungen genutzt werden, um Ansätze eines Konzeptes herauszuarbeiten, welches den Informationsbedürfnissen der beteiligten Marktteilnehmer umfassend gerecht wird, ohne dabei die Informationspflichtigen unverhältnismäßig zu 369

Zu Art. 14 GG: Decher, in: GK AktG, § 131, Rn. 5; BVerfG, ZIP 1999, 1798, 1799 (Wenger/Daimler-Benz). Dieser Gedanke lässt sich bei Publikumsgesellschaften („Quasi-Öffentlichkeit“ des Informationsrechts aus § 131 AktG) auf die Publizitätsvorschriften des Gesellschafts- und Kapitalmarktrechts übertragen; vgl. unten, Teil D. 370 Starck, Publizität, S. 40 begrenzt daher die Prüfung ausdrücklich auf solche Gesellschaften. 371 Ebd., S. 38 (mit umfassender Prüfung einschlägiger Grundrechte und europarechtlicher Freiheitsrechte). 372 Ein Recht auf Information lässt sich beispielsweise unmittelbar aus der Eigentumsstellung des Aktionärs (Art. 14 GG) herleiten, Decher, in: GK AktG, § 131, Rn. 5 m.w.N. Jedenfalls in der Publikumspersonengesellschaft ist dann von einer „Quasi-Öffentlichkeit“ auszugehen, vgl. unten, D.II.3.e). Eine vertiefte Diskussion entgegenstehender Grundrechte erübrigt sich hier aber, da von einem integrierten Konzept ausgegangen wird, das die Belastungen aller Beteiligter in Ausgleich bringt und damit in jedem Fall verhältnismäßig ist.

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belasten. Eine abstrakte Abwägung wäre dabei auch gar nicht möglich. Schon geringe Unterschiede in Gesellschaftsform oder -größe würden zu einem vollständig anderen Ergebnis führen. Die grundrechtliche Problematik verdeutlicht hier aber, in welchem Spannungsverhältnis das Publizitätskonzept zu verordnen ist, und welchen Bedürfnissen die konkrete Ausgestaltung gerecht werden muss. Werden die entgegenstehenden Geheimhaltungsbedürfnisse nicht beachtet, so ist dies nicht nur grundrechtlich bedenklich. Vielmehr droht Publizität dann ihre Wirkungen generell zu verfehlen. So hat sich vor dem Hintergrund der als unverhältnismäßig empfundenen Belastungen insbesondere für Familiengesellschaften eine umfassende Beratungspraxis entwickelt, um die Offenlegung besonders sensibler Daten zu umgehen.373 Primär steht dabei die Ausnutzung von Bilanzgestaltungen im Mittelpunkt,374 wobei es gerade der Konzernabschluss375 ermöglicht, einzelne Gesellschaften „arm zu rechnen“ oder gezielt Sachverhalte zu „verschleiern“.376 Die gesetzlichen Gestaltungsmöglichkeiten widersprechen auch nicht dem Gesetzeszweck, der Einheitstheorie377 oder dem Grundsatz des true and fair view,378 welcher ergänzende Angaben allenfalls im Anhang erfordern kann.379 Damit eröffnet der Konzernabschluss, wie beispielhaft für die GmbH & Co. KG dargestellt, gezielt eigenständige Wahlrechte und geht somit über die bloße Vermeidung von Mehrfachpublizität hinaus.380 Speziell für die GmbH & Co. KG lässt sich ferner an gesellschaftsrechtliche Gestaltungen wie Abspaltungen, eine Aufgliederung des Unternehmens oder die Aufnahme eines Strohmannes denken, um größenabhängige Erleichterungen zu nutzen oder die Pflichten ganz zu umgehen. Meist haben diese Lösungen aber erhebliche gesellschafts- und steuerrechtliche Konsequenzen, bis hin zur Gefahr einer Durchgriffshaftung.381 Des Weiteren wurde deutlich, dass gerade die Umgehung oder nicht einheitliche Durchsetzung von Offenlegungspflichten in Konflikt mit Unionsgrundrechten gerät. Jedes Unternehmen kann die Pflichten gleichermaßen durchsetzen und sich

373

Carl, KÖSDI 2000, 12563, 12565, 12568 (umfassender Überblick über mögliche Vermeidungsstrategien). 374 Überblick über Gestaltungsmöglichkeiten in der Finanzmarktkrise bei Friederich/Enders, Stbg 09, 218; zu den Wahlrechten nach der Reform durch das BilMoG vgl. Wiese/Lukas, GmbHR 2009, S. 561 ff. 375 Vgl. §§ 264b, 291 HGB (befreiender Konzernabschluss hinsichtlich der Einzelbilanz und Teilkonzernbilanz bei der GmbH & Co. KG); die Schwellenwerte (§293 Abs. 1 HGB) wurden im Rahmen des BilMoG halbiert. 376 Hoffmann, INF 2000, 271, 275; Lüdenbach, GmbHR 2000, 847, 849. 377 Die Wahlrechte sind gerade unabhängig vom Einzelabschluss oder steuerlichen Maßgeblichkeitserwägungen. 378 Vgl. § 297 Abs. 3 Satz 1 HGB (Einheitstheorie) und § 297 Abs. 2 Satz 2 HGB (zum true and fair view). 379 Ausführlich Lüdenbach, GmbHR 2000, 847, 850. 380 Insofern dient der befreiende Konzernabschluss der Vermeidung einer „Doppelbilanz“ von Komplementär-GmbH und der KG selbst, Hoffmann, INF 2000, 271, 275. 381 Schmidt, GmbHR 2004, 1512, 1516 f.

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somit aktiv Informationen über Konkurrenten beschaffen,382 was auch umfassend genutzt wird.383 Die Diskussion der Governance-Funktionen hat zudem gezeigt, dass Publizität neben der Steigerung der Markteffizienz unter anderem zu Selbstkontrolle und besserer Unternehmensführung führt. Daran wird besonders deutlich, dass Offenlegungspflichten umfassend dem Gemeinwohl dienen und daher einen Eingriff in die Grundrechte der betroffenen Unternehmen rechtfertigen können. Die Gegenauffassung überlässt den Marktteilnehmern das unternehmerische Risiko.384 Damit verkennt sie die wesentliche Dimension von Publizitätsvorschriften, welche neben dem Gläubigerschutz allgemein eben auch dem Schutz eines jeden einzelnen Marktteilnehmers zu dienen bestimmt ist. In einem zentral auf Publizität bauenden Regelungsrahmen rechtfertigt der Individualschutz somit (neben dem Marktfunktionsschutz) in besonderem Maße den Eingriff in Grundrechte durch Publizität. Dass sich „Rückschlüsse auf Kerndaten des Unternehmens“ ziehen lassen, ist somit elementarer Bestandteil des Konzeptes, und nicht Rechtfertigungsgrund für Vermeidungsstrategien.385 Schließlich bleibt zu beachten, dass besonders sensiblen Daten durch die gesetzliche Gestaltung eines abgestuften Publizitätskonzeptes gezielt Rechnung getragen werden kann. Die größenabhängigen Erleichterungen bringen dabei wie gesehen Geheimhaltungsinteressen und die zunehmenden Transparenzanforderungen der Kapitalmärkte in Ausgleich, vgl. § 286 Abs. 4 HGB.386 Zudem ist bei einer Abwägung zu beachten, dass die zielgerichtet „gefilterte“ Veröffentlichung von Informationen unter Ausnutzung der Gestaltungsspielräume gezielt als Marketinginstrument genutzt werden kann. Die intensive Beschäftigung mit den Kerndaten des Unternehmens kann sich zudem vor dem Hintergrund der Basel II-Ratings durchaus positiv auf die Kreditkonditionen auswirken.387 Die grundrechtliche Problematik lässt sich zu einem Großteil darauf zurückführen, dass das Bilanzrecht die spezifischen Bedürfnisse von kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) unzureichend berücksichtigt, da die Standards auf die Informationsbedürfnisse des Kapitalmarktes ACHTUNGREzugeschnitten sind. Die neuere deutsche und europäische Rechtsentwicklung berücksichtigen dies.388 Mit dem BilMoG389 wurde das HGB-Bilanzrecht gezielt an die Bedürfnisse von KMU angepasst. Das IASB arbeitet an speziellen IFRS for Small and 382

Ebd., S. 1515. Link, in: Schön (Hrsg.), S. 529 ff. 384 Naujok, GmbHR 2003, 263, 265 (keine Berücksichtigung der Governance-Funktionen in Marktwirtschaft). 385 So aber Schmidt, INF 2005, 75, 76. 386 Ausnahme für Geschäftsführungsbezüge. 387 Schmidt, GmbHR 2004, 1512, 1515. 388 Krause, EuZW 2003, 747; anders noch 1998: Blaurock, ZEuP 1998, 460, 473 (unzureichende Berücksichtigung von KMU und Personengesellschaften im europäischen Gesellschaftsrecht). 389 Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz vom 25. Mai 2009, BGBl. I, S. 1102; dazu unten, D.II.3.a)aa). 383

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ACHTUNGREMedium-sized Entities, die kürzlich in IFRS for Private Entities umbenannt wurden.390 Daran wird besonders deutlich, dass eine Anknüpfung an starre quantitative Schwellenwerte („size“) oftmals unzweckmäßig ist. KMU sind oftmals durch die besondere Verflechtung von Eigentum und Unternehmensleitung gekennzeichnet („priACHTUNGREvate“).391 Das Informationsbedürfnis eines überschaubaren Kreises von persönlich an der Geschäftsleitung beteiligten Unternehmern und wenigen großen Gläubigern ist ein ganz anderes, als bei der kapitalmarktorientierten Unternehmensfinanzierung.392 Daher erfordert die geringere Inanspruchnahme des Marktes hier abgestufte Erleichterungen. Dieser vertikale Abstimmungsbedarf besteht nicht nur zwischen Marktsegmenten, sondern auch innerhalb der einzelnen Segmente. An den geregelten Märkten zielen die aktuellen Bestrebungen der Kommission darauf ab, eine verhältnismäßige Offenlegungsregelung durch einen „Mini-Prospekt“ zu erreichen, der die Belastung kleiner Firmen auf ein Minimum beschränkt.393 Die Tatsache, dass im selben Satz betont wird, dass der Schutz der Kleinanleger als Zielpublikum des Prospekts dadurch unter keinen Umständen sinken darf,394 bestätigt, dass im Kern ein ganzheitlicher Ausgleich der informationellen Interessen aller Marktteilnehmer angestrebt ist: ein umfassend integriertes Gesamtkonzept der Publizität. 4. Tendenz der Gesetzgebung: Suche nach Alternativen zu materiell zwingendem Recht – Übersicht am Beispiel des Kapitalschutzes für GmbH und AG Anhand der Rechtsprechung des EuGH konnte gezeigt werden, dass dem europäischen Recht aus primärrechtlicher Sicht ein Informationsmodell zu Grunde liegt. Die Folge dessen ist, dass Informationspflichten eine zu bevorzugende Alternative gegenüber materieller Regulierung darstellen, sofern sie nur in ein Gesamtkonzept integriert sind, welches das „richtige Maß“ an Publizität für das jeweilige Unternehmen bestimmt und die (Geheimhaltungs- und Informations-)Interessen aller Beteiligten in einen gerechten Ausgleich bringt. Sofern dies geschieht, sind sie aus grundrechtlicher Sicht regelmäßig gerechtfertigt. Unmittelbar aus dem Übermaßverbot folgt ferner, dass jede in diesem Rahmen nicht erforderliche Information aufgrund entgegenstehender Interessen zu unterbleiben hat, dass also auch Publizitätspflichten auf das erforderliche Maß zu begrenzen sind. Am Beispiel des organisierten Marktes soll sogleich gezeigt werden, dass dem Recht in Deutschland (zurückgehend auf europäi390

Wolz/Janssen, WPg 2009, S. 539. Ull, S. 24 f. 392 Anschaulich Wolz/Janssen, WPg 2009, 539, 540; Roth, DStR 2007, 1454, 1456 ff. 393 Kommission, Änderungsvorschlag zu Prospekt- und Transparenzrichtlinie, KOM(2009) 491 endg., sub. 1., 5.3.6. (Begründung der Änderung von Art. 7 Prospektrichtlinie). 394 Ebd., Erwägungsgrund (3); vgl. sub. 5.3.6. (Ausgleich von Verhältnismäßigkeit und Anlegerschutz). 391

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C. Das Informationsmodell im Unternehmensrecht

sche Vorgaben) ein solch abgestimmtes Konzept informationeller Regulierung zu Grunde liegt, das die gegenläufigen Interessen aller Marktteilnehmer umfassend in angemessenen Ausgleich bringt. Vor der Analyse dieses „Publizitätskonzepts“ erscheint es jedoch erforderlich, die dargestellte Sichtweise des EuGH in der rechtspolitischen Debatte zu verorten. Dabei kann generell festgestellt werden, dass auch die Rechtsetzungsorgane auf deutscher und europäischer Ebene materiell zwingendem Recht zunehmend kritisch gegenüberstehen und Informationsnormen zumindest als Alternative in Erwägung ziehen.395 Die zunehmenden generellen Zweifel an gesetzlich starr vorgegebenen Regelungen werden auch hier besonders deutlich, wenn sie an einem konkreten Beispiel exemplarisch beleuchtet werden. Wiederum geeignet erscheint dazu die aktuelle ACHTUNGREKritik am System eines fest vorgeschriebenen Mindestkapitals. In Worten des ACHTUNGREErsetzungsmodells: Kann Publizität den Kapitalschutz überflüssig machen und ersetzen? a) MoMiG und SPE/SE – Der Kapitalschutz gerät zunehmend unter Druck Das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG)396 veranschaulicht besonders deutlich, in welchem Ausmaß das gesamte397 deutsche Kapitalgesellschaftsrecht und seine Mindestkapitalvorschriften auf europäischer Ebene unter Druck geraten. Schätzungen zufolge gibt es heute einige zehntausend britische Limiteds398 mit Verwaltungssitz in Deutschland,399 die deutsche Gründungsvorschriften in Ausübung ihrer Niederlassungsfreiheit gezielt umgehen dürfen.400 Ziel des MoMiG war es unter anderem, diese Flucht in Briefkastengesellschaften zu verhindern und das deutsche GmbH-Recht auf europäischer Ebene konkurrenzfähig zu machen.401 Dazu wurde eine Absenkung des Stammkapitals der GmbH auf 10.000 Euro vorgeschlagen.402 Auch wenn diese nicht umgesetzt wurde, besteht doch nunmehr die Möglichkeit zur Gründung einer Unternehmergesellschaft mit einem Mindeststammkapital von nur einem Euro, 395

Vgl. Vokuhl, Kapitalmarktrechtlicher Anlegerschutz und Kapitalerhaltung. Vom 28. 10. 2008, BGBl. I 2008, 2026. 397 Die Fernwirkungen eines dogmatischen Richtungswechsels in auch vom MoMiG nicht unmittelbar geregelte Bereiche (etwa bei der AG) betonend Schall, ZGR 2009, S. 126, 151. Dazu sogleich. 398 Zur private company limited by shares ausführlich Gower/Davies, Principles, S. 505 ff., 690 ff. Neben Publizität von Kapitalstruktur und Jahresabschluss bestehen insb. umfassende Befugnisse der Staatsaufsicht. 399 Schätzungen gehen von einer Zahl von 30.000 bis 40.000 aus, Nachweise bei Kindler, NJW 08, 3249, Fn. 4. 400 EuGH, Slg. 1999, I-1459 (Centros); EuGH, Slg. 2002, I-9919 (Überseering); BGHZ 154, 158 (Überseering). 401 Kindler, NJW 2008, 3249. 402 RegE MoMiG vom 25. 07. 2007, BT-Drucks. 16/6140, S. 25. 396

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§ 5a GmbHG,403 bei welcher lediglich die Angabe „UG (haftungsbeschränkt)“ erforderlich ist. Aus Gläubigerschutzgründen ist sodann aber eine jährliche gesetzliche Rücklage nach § 5a Abs. 3 GmbHG zu bilden, bis das gesetzliche Mindeststammkapital erreicht ist.404 Erst dann darf die Anmeldung der Gesellschaft erfolgen.405 Damit besteht auch im deutschen Recht die Möglichkeit einer haftungsbeschränkten unternehmerischen Tätigkeit ohne materiellen Kapitalschutz.406 Gläubigerschutz wird zunächst nur durch Publizität (der freilich leicht irreführende Firmenzusatz, dem vor allem ein Imagegewinn zugesprochen wird;407 Angabe einer inländischen zustellungsfähigen Geschäftsanschrift gem. § 8 GmbHG) erreicht. Auch für Auslandsgesellschaften mit inländischer Zweigniederlassung sollen Gläubigerschutz- und Verkehrsschutzprobleme durch besondere Publizitätspflichten ausgeräumt werden.408 Weggefallen ist das Erfordernis der Volleinzahlung der Einlagen bzw. einer Sicherheitsleistung für ausstehende Einlagen bei der Einpersonengründung.409 Die zentrale Kapitalerhaltungsvorschrift des § 30 Abs. 1 Satz 1 GmbHG ist insofern „aufgeweicht“, als nunmehr die Gewährung von Darlehen an Gesellschafter im Konzernverbund, beispielsweise bei cash-pooling, unter bestimmten Umständen möglich ist.410 Eng verknüpft ist diese Regelung mit der Möglichkeit, einen nicht mit dem Satzungssitz übereinstimmenden Verwaltungssitz anzumelden, der sich zudem im Ausland befinden kann, § 4a GmbHG. Diese (Zweig-)Niederlassung im Ausland kann sämtliche 403 Aus § 5 Abs. 2 GmbHG folgt, dass der Nennbetrag jedes Geschäftsanteils auf volle Euro lauten muss. Damit muss die Einmann-GmbH ein Stammkapital von mindestens einem Euro aufweisen. 404 Bereits umstritten ist, ob die UG in der UG (haftungsbeschränkt) & Co. KG am Unternehmensgewinn zu beteiligen ist, oder dauerhaft in dieser Rechtsform bestehen bleiben kann, Römermann/Passarge, ZIP 09, 1497 f. 405 Einführend Kindler, NJW 2008, 3249 f., Verspay, MDR 2009, 117 f. 406 Dazu ausführlich, auch unter Berücksichtigung der Gläubigerschutzaspekte, Veil, ZGR 09, 623 ff., 642 f. 407 Irreführend ist, dass die Unternehmergesellschaft, welche abgesehen von den besonderen Mindestkapitalvorschriften vollständig unter das Recht der GmbH fällt, nicht auch als solche (z. B. „GmbH mit noch nicht voll aufgebrachtem Kapital“, …) bezeichnet wird. Konsequent wäre daher gewesen, die Aufgabe des Mindestkapitals zum Regelfall des GmbHRechts zu machen, und dessen frei wählbare Höhe dem Rechtsverkehr allein durch eine Transparenzpflicht zugänglich zu machen, vgl. Wilhelm, DB 2007, 1510, 1511 ff. (die Bezeichnung auf eine (irreführende) höhere Werbewirksamkeit für die neue Rechtsform zurückführend). Auch Römermann/Passarge, ZIP 09, 1497, 1499 sehen in der UG v. a. einen Imagegewinn für unseriöse Gründer. Sie prognostizieren, dass die UG & Co. KG langfristig die GmbH & Co KG verdrängen wird, um eine Bindung von Stammkapital bei der GmbH zu vermeiden. Dies ist bedenklich, da BGH ZIP 08, 174 ausdrücklich als verbotene Einlagenrückgewähr gewertet hat, wenn die GmbH ihr Stammkapital der KG als Darlehen gewährt. 408 §§ 13d ff. HGB, insb. Anmeldung einer Geschäftsanschrift gem. § 13d Abs. 2 HGB. Zusätzliche Offenlegungspflichten sehen auch § 35a Abs. 4 GmbHG, § 80 Abs. 4 AktG vor. 409 § 7 Abs. 2 Satz 3 GmbHG a.F. 410 § 30 Abs. 1 Satz 2 GmbHG. Erforderlich ist das Bestehen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags nach § 291 AktG oder ein vollwertiger Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch.

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Geschäftsaktivitäten abwickeln.411 Klares Ziel ist es mithin, die GmbH im Wettbewerb der Gesellschaftsformen auf europäischer Ebene konkurrenzfähig zu machen.412 Dies soll durch die dargestellte Entschärfung der Kapitalaufbringungsvorschriften erfolgen, wobei lautstark betont wird, dass durch die bloße „Anpassung“ das „bewährte Haftkapitalsystem der GmbH“ (äußerlich)413 nicht in Frage gestellt wird.414 Deutlich wird jedoch, dass der Wettbewerb auf europäischer Ebene einen deutschen Sonderweg nicht dauerhaft ermöglichen wird. Zu Recht wird daher gefordert, den bisherigen Telos der Gründungsvorschriften „Haftungsbeschränkung gegen reale Aufbringung eines Mindestkapitals“415 zu überdenken und durch eine neue Kapitalteleologie zu ersetzen.416 Auch die im Rahmen des „Small Business Act“ als klare Alternative zur mittelständischen GmbH konzipierte „Societas Privata Europaea“ (SPE)417 wird aufgrund ihres supranationalen Charakters418 und einem Mindestkapital von einem Euro419 (geplant waren 25 000 Euro)420 den Druck weiter verstärken. Hier soll eine Gründung nach „einfachen und flexiblen Gesellschaftsrechtsvorschriften“ erfolgen, auf Mindestkapitalanforderungen und Gründungseinschränkungen wird verzichtet.421 Im Zentrum stehen stattdessen gläubigerschützende Ausschüttungssperren (sog. Bilanztest) sowie Informations- und Minderheitenschutzrechte,422 die aber natürlich durch die allgemeinen Instrumente des Privatrechts unterstützt werden.423 411

Verspay, MDR 2009, 117, 118. Siehe nur Begr. RegE MiMoG, BT-Drucks. 16/6140, S. 1, 25. 413 Noack, DB 2007, 1395, 1396 sieht das aktuelle und komplexe System von Kapitalaufbringung, -erhaltung und -ersatz nur der Form nach erhalten, im Kern jedoch (zugunsten eines informationellen Systems) aufgegeben. Allein durch den Firmenzusatz „UG, haftungsbeschränkt“ lassen sich die Kapitalvorschriften umgehen. 414 Ebd., S. 25. 415 Etwa BGHZ 117, 323 = NJW 1992, 1824, 1826: Zweck der Gründungsvorschriften ist es in erster Linie, die reale Aufbringung der Mindestkapitalausstattung als Ausgleich für die Haftungsbeschränkung sicherzustellen. 416 Grundlegend Schall, ZGR 2009, 126, 146, dessen „neue Kapitalteleologie vom freiwilligen Seriositätssignal“ Publizität als notwendige Voraussetzung, nicht aber als Legitimation der Haftungsfreiheit per se anerkennt. 417 Vorschlag für eine Verordnung des Rates über das Statut der Europäischen Privatgesellschaft (VO-SPE), KOM (2008) 0396 endg., dazu aus Sicht der Praxis Weber-Rey, in: VGR (Hrsg.), S. 77 ff.; allgemein zur Europäisierung des Gesellschaftsrechts, vgl. Blaurock, ZEuP 1998, 460; Hopt, ZIP 1998, 96; zu damit in Verbindung stehenden speziellen Problemen der KMU Krause, EuZW 2003, 747. 418 Nach Art. 35 VO-SPE ist die identitätswahrende Sitzverlegung in einen anderen Mitgliedstaat möglich. 419 Art. 19 VO-SPE. 420 Vgl. Entwurf für eine VO-SPE, abgedruckt bei Hommelhoff, Vorschläge, Anhang 2. 421 Begründung zur VO-SPE, KOM (2008) 396, Ziff. 2, 7, Erwägungsgrund (3). 422 Ebenso auf das Insolvenzrecht, das aber national geregelt ist, vgl. Teichmann, in: VGR (Hrsg.), S. 50, 70 ff. 423 Zu covenants und deren Grenzen aus deutscher Sicht, unten, D.II.3.a)cc). 412

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Die dargestellte Entwicklung lässt sich auf das Recht der Aktiengesellschaften weitestgehend übertragen,424 wobei die Mitgliedstaaten hier in der Gestaltung an die (nun aufgeweichten)425 Vorgaben der Zweiten (Kapital-)Richtlinie gebunden sind. Dies hat wie gesehen seinen Grund im Kapitalmarktbezug des Aktienrechts und dem daraus resultierenden Bedürfnis nach Anlegerschutz.426 Gelten die Mindestkapitalvorschriften aber nicht zwingend und einheitlich für alle Gesellschaften, gewährleisten sie ohnehin keinen umfassenden effektiven Gläubigerschutz – unabhängig davon, ob sie überhaupt grundsätzlich geeignet wären, die eingegangenen Risiken langfristig abzusichern.427 Folge ist, dass sie allenfalls als vertrauenssteigernde Seriositätsschwelle dienen, die unbegründete oder unüberlegte Gründungen verhindern:428 Sofern Informationen über das einschlägige Kapitalschutzsystem zur Verfügung stehen, kann dieses vorab in der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden. Auch wenn auf theoretischer Ebene somit Zweifel an der Effektivität des europäischen Kapitalschutzsystems – vor allem am Mindestkapital429 – bestehen, dient dieses doch in seiner Signalfunktion430 als Seriositätstest dem Verkehrsschutz.431 Zudem lässt sich

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Im Rahmen des MoMiG erfolgten parallele Regelungen auch im AktG, vgl. Verspay, MDR 2009, 117, 121. Hervorzuheben sind der Wegfall des eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehens, eine Entschärfung des Verbots der Einlagenrückgewähr, Wegfall der Volleinzahlung bei der Einpersonengründung, Erhöhte Mobilität, sowie zusätzliche Bekanntmachungspflichten, etwa § 37 Abs. 3 AktG. Im Gegensatz zur SPE soll die „Societas Europea“ (SE) freilich vor allem die grenzüberschreitende Kooperation und Konzerngliederung bereits bestehender und den jeweiligen nationalen Rechtsordnungen unterliegenden Gesellschaften fördern. Ihr Kapital liegt mit 120.000 Euro auch deutlich über dem Grundkapital der deutschen AG gem. §§ 6, 7 AktG, vgl. Artt. 4, 8 Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) vom 8. Oktober 2001, ABl. EG Nr. L 294, S. 1 (SE-VO). Zur Gründung vgl. Artt. 2, 3 SE-VO (Verschmelzung, Umwandlung, Gründung einer Holding oder Tochtergesellschaft). 425 Zur Änderung der Kapitalrichtlinie (2006/68/EG), sowie zur Aktionärsrechterichtlinie, sogleich. 426 Daher ist bei der analogen Anwendung einzelner GmbH-Vorschriften des MoMiG auf die AG Vorsicht geboten, Schall, ZGR 2009, 126, 152. Dogmatisch wirkt sich das MoMiG aber erheblich auf das Recht der AG aus. 427 Grundsätzlich Fleischer, DStR 2000, 1015, 1020 f. m.w.N.; Wilhelm, DB 2009, 1510 (Haftung fordernd). 428 Merkt, VGR 2 (2002), 111, 138; Fleischer, DStR 2000, 1015, 1020; Allen/Kraakman/ Subramanian, 1. Aufl., S. 137 („de minimis screening“). Auffällig ist, dass schon die Begründung zum Ersten Vorschlag für eine Zweite Richtlinie vom 9. 3. 1970, KOM(70) 232 endg., dem Mindestkapital nach Art. 6 zentral die Rolle eines Seriositätsanzeichens zuschreibt. 429 Selbst Befürworter des Kapitalschutzes billigen dem Mindestkapital keine wesentliche Bedeutung zu, vgl. etwa Schön, EBOR 5 (2004), 429, 436 ff.; Bezzenberger, Kapital, S. 31. 430 Es signalisiert über die Publizität, dass die Gesellschafter eine gewisse „Garantie“ gegenüber den Gläubigern übernehmen, Schön, EBOR 5 (2004), 429, 438 ff. (Dort auch zu den Zwecken in der Insolvenz, S. 443 ff.) 431 Die High Level Group, Report, IV.2 schlägt deshalb auch keine Änderung der Mindestkapitalregeln vor. Zu weiteren Funktionen, welche die Beibehaltung des Kapitalschutzes rechtfertigen, Arbeitsgruppe Europäisches Gesellschaftsrecht, ZIP 2002, 1310, 1316.

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ein Solidarbeitrag der Betreiber aus Gerechtigkeitsgründen rechtfertigen.432 Da es in der Praxis zudem kaum ein Hindernis für Unternehmensgründungen darstellen dürfte (so für die SE als „Flaggschiff“ des europäischen Gesellschaftsrechts433 ausdrücklich die Erwägungsbegründung)434 und ein gewisses Startkapital aus wirtschaftlicher Sicht sicherlich sinnvoll ist, soll die geäußerte Kritik hier nicht als Vorschlag einer grundsätzlichen Abschaffung der Regelungen verstanden werden, sondern lediglich aufzeigen, wie diese bei zunehmender Informationseffizienz der Märkte in speziellen, zu differenzierenden Marktsegmenten zunehmend unter Druck geraten. Aufgabe eines konzeptionellen Verständnisses von Publizitätsnormen muss es hier sein, das „richtige Maß“ materiellen Schutzes in jedem Marktsegment zu gewährleisten und die Offenlegungspflichten darauf abzustimmen. b) Der Kapitalschutz als Bestandteil eines integrierten Informationsmodells Damit wird deutlich, dass das Thema „Gläubigerschutz“ in der rechtspolitischen Diskussion aufs Engste mit dem Informationsmodell verbunden ist. Wird ein solcher nach tradierten Vorstellungen vornehmlich durch ein „Garantiekapital“ gewährleistet, so muss sich auch ein informationelles Alternativmodell an diesem Anspruch messen lassen.435 Es findet gewissermaßen nur eine Verlagerung von einer „Säule des Gläubigerschutzes“436 auf die andere statt: Mindestkapitalvorschriften können umgangen werden, wenn dies nur offengelegt wird. Es würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, sämtliche Vor- und Nachteile eines festen (Grund-)Kapitals abzuwägen und zudem noch zu überprüfen, inwieweit dessen Funktionen im Detail durch Publizität übernommen werden können. Soll aber auf eine zukünftig bessere externe Integration von Publizitätspflichten (also deren Abstimmung mit materieller Regulierung, hier exemplarisch verdeutlicht am zwingenden Kapitalschutz) hingewirkt werden, so darf nicht übersehen werden, dass insbesondere aus anglo-amerikani-

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Schall, ZGR 2009, 126, 128. Hopt, ZIP 1998, 96, 99 (zum Leitbildcharakter und Ausstrahlungswirkung der SE-VO seit 1959). 434 Nach Erwägungsgrund (13) der SE-VO (VO Nr. 2157/2001) wurde der Mindestbetrag des Kapitals von 120.000 Euro (Art. 4 Abs. 2 SE-VO) gewählt, um eine „ausreichende Vermögensgrundlage“ sicherzustellen, „ohne dass dadurch kleinen und mittleren Unternehmen die Gründung einer SE erschwert wird“. Relativierend zu berücksichtigen ist allerdings, dass die SE eine grenzüberschreitend agierende Gesellschaft ist, die im Regelfall aus mehreren bereits bestehenden Aktiengesellschaften hervorgeht, vgl. Art. 2 SE-VO, sowie Erwägungsgründe (10), (11) der SE-VO (Fusionierung/Verschmelzung, SE als Mittel der Konzerngliederung). 435 Veil, ZGR 09, 623, 632; zum Gläubigerschutz durch Kapital K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. A., § 18 II 2. 436 Zum Säulenmodell bei der GmbH (Kapitalsicherung, Publizität und Insolvenzgrund der Überschuldung) Michalski, in: ders. (Hrsg.), GmbHG, Syst. Darst. 1, Rn. 39 ff. 433

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schem Rechtsverständnis heraus437 das durch die Kapitalrichtlinie von 1976438 ACHTUNGREbegründete Konzept zunehmend als im Hinblick auf den Gläubigerschutz439 überflüssig440 und zu kostspielig441 kritisiert wird (Rickford-Bericht)442 und somit auf europäischer Ebene erheblich unter Druck gerät.443 Dabei hält die juristische und ökonomische Wissenschaft die Schutzwirkungen des Systems für Gläubiger und Gesellschafter schon seit langem für zu gering, um seine Kosten zu rechtfertigen.444 Auffällig ist aber, dass die breitere rechtspolitische Kritik am Kapitalschutz mit eben jenen Gremien eingesetzt hat, die soeben aus theoretischer Sicht als besondere Verfechter des Informationsmodells angeführt werden konnten: Sowohl die SLIM-Arbeitsgruppe (1999) als auch die Winter-Gruppe (2002) schlagen vor, einen Kapitalschutz in Europa zumindest nicht mehr zwingend vorzuschreiben.445 Unmittelbar darauf kündigte die Kommission in ihrem gesellschaftsrechtlichen Aktionsplan vom 21. 5. 2003446 kurzfristig die Modernisierung der Zweiten Richtlinie (Lockerung der Vorschriften und Ausweichen auf alternative Schutzmechanismen im Rahmen des „Richtlinienvorschlags vom 21. 9. 2004 zur Änderung der Kapitalrichtlinie“447, 2006 als „Änderungsrichtlinie 2006/68/EG“448 in Kraft getreten) sowie mittelfristig die Suche nach 437 Pointiert Merkt, EBLR 2004, 1045, 1052: Warum schützt Gesellschaftsrecht als InACHTUNGREnenACHTUNGRErecht Außenstehende? 438 Zweite Richtlinie 77/91/EWG. 439 Zum Ausgleich von Gläubiger- und Aktionärsinteressen (an angemessener Dividendenzahlung) im deutschen bzw. europäischen Kapitalschutzsystem vgl. Richard, Kapitalschutz, S. 80 ff., 88. 440 Insolvenz wird nicht verhindert; Höhe des Kapitals oftmals im Einzelfall nicht angemessen; hoher Aufwand. 441 Angemessene Ausschüttungen werden verhindert; Solvenztest (Liquidität gewährleistet?) wäre ausreichend; vgl. die Nachweise bei Eidenmüller/Grunewald/Noack, in: Lutter (Hrsg.), Kapital, S. 17 ff. m.w.N. 442 Rickford, EBLR 2004, 919, 971 ff. (Untersuchung einer vom britischen Accounting Standards Board und dem Company Law Center am British Institute of International and Comparative Law eingesetzten Kommission); Nachweise und ausführliche Darstellung der deutschen Perspektive bei Lutter, in: Lutter (Hrsg.), Kapital, S. 1 ff. 443 Einen hervorragenden Überblick über die neueren Reformvorschläge gibt Richard, Kapitalschutz, S. 139 ff. 444 Vgl. die Beiträge in: Hopt/Wymeersch (Hrsg.), Capital Markets (Kahan, Kübler), die hier aber oben, Teil B., getrennt von der Publizität (Teil C.) behandelt wurden. Umfassende weitere Nachweise aus ökonomischer wie juristischer Sicht finden sich bei Eidenmüller/Grunewald/ Noack, in: Lutter, (Hrsg.), Kapital, S. 17. 445 Dazu oben, C.II.2.d)aa). 446 Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament vom 21. 5. 2003 – Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance in der Europäischen Union (Aktionsplan), KOM(2003) 284 endg., NZG 2003, Sonderbeilage zu Heft 13; dazu Habersack, NZG 2004, S. 1 ff.; sowie Hopt, Action Plan, in: Hopt (Hrsg.), Corporate Governance in Context, S. 119, 120 ff. 447 Kommission, KOM (2004) 730 endg. v. 21. 9. 2004. 448 Richtlinie 2006/68/EG (Änderungsrichtlinie zur Zweiten Richtlinie). Gläubigerschutz soll dabei vor allem durch die Mechanismen Marktmissbrauchsrichtlinie (u. a. Publizität),

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einer generellen Alternative an,449 wofür zunächst eine Durchführbarkeitsstudie in Auftrag gegeben wurde.450 Damit überträgt die Kommission im Wesentlichen den erfolgreichen Regelungsansatz des „Aktionsplans Finanzdienstleistungen 1999“ auf das Gesellschaftsrecht und schlägt so über das Regelungsmittel Publizität die Brücke zwischen kapitalmarktrechtlicher und gesellschaftsrechtlicher Regulierung.451 Auch aus Sicht der Kommission zeigt sich somit, dass mit dem Vordringen des Informationsmodells der Rechtfertigungsdruck für materiell zwingendes Recht steigt. Damit ist nicht gesagt, dass die Zweite Richtlinie vollständig durch das Informationsmodell ersetzt wird oder ersetzt werden soll. Aus deutscher Perspektive hat sich wiederum452 eigens ein Arbeitskreis zusammengesetzt, um die Vorzüge festen Kapitals (vor allem Minderheiten- und Gläubigerschutz) zu betonen453 und davor zu warnen, dem Druck der internationalen Kapitalmärkte vorschnell nachzugeben.454 In der Tat erscheint es ratsam, die ökonomischen Zweifel an umfassender Markteffizienz in Deutschland ernst zu nehmen und – bis die Marktentwicklung weiter vorangeschritten ist – mit einer übereilten Ersetzung des bewährten Modells äußerst behutsam zu sein.455 Die generelle Tendenz wurde aber hinreichend deutlich und bestätigt die Vermutung eines kontinuierlich voranschreitenden Informationsmodells. Am 1. 9. 2009 ist in Deutschland das Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG)456 in Kraft getreten, durch welches die Information der Aktionäre börsennotierter Gesellschaften verbessert und die grenzüberschreitende Ausübung von Aktionärsrechten erleichtert wurden. In diesem Zuge hat der deutsche Gesetzgeber zugleich die auf der geänderten Kapitalrichtlinie basierende Liberalisierung im sowie durch Verfahrensbestimmungen gewährt werden, Erwägungsgrund (6) und (7) der Richtlinie. 449 Vgl. Merkt, EBLR 2004, 1045; Eidenmüller/Grunewald/Noack, in: Lutter, (Hrsg.), Kapital, S. 17, 18. 450 KPMG, Feasibility Study, Main Report. Deutsch: Durchführbarkeitsstudie über Alternativen zum System der Kapitalerhaltung, das von der Zweiten Richtlinie auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts 77/91/EWG vom 13. 12. 1976 eingeführt wurde, sowie Analyse der Auswirkungen des neuen Bilanzierungssystems der EU auf die Gewinnausschüttung, Berlin 2008, abrufbar: ec.europa.eu/internal_market/company/capital/index_de.htm. 451 Vgl. anschaulich Hopt, in: ders. (Hrsg.), Corporate Governance in Context, S. 119, 124. 452 Zum Phänomen sich aus eigener Initiative zusammenschließender Expertengruppen schon oben, C.II.2.d)aa). 453 Vgl. die Beiträge in: Lutter (Hrsg.), Kapital; sowie in: Hopt/Wymeersch (Hrsg.), Capital Markets. 454 Prägnant der Titel bei Kübler, in: Hopt/Wymeersch (Hrsg.), S. 95: „The Rules of Capital Under Pressure of the Securities Markets“, vgl. ebd. insb. S. 107 ff. (die Vorzüge dieser Entwicklung betonend). Kübler, EBLR 2004, 1031 kritisiert, dass die überwiegende Mehrheit deutscher Rechtswissenschaftler an dem bewährten System festhalten will, und der Druck vor allem von der Praxis ausgeht. 455 Für ein behutsames Vorgehen daher auch Kübler, in: Hopt/Wymeersch (Hrsg.), S. 95, 105. Diesen Aspekt betonend auch Merkt, EBLR 2004, 1045, 1051. 456 BGBl. I 2009, 2479; vgl. dazu unter verschiedenen Blickwinkeln, unten, D.II.3.e); D.II.4.c)cc).

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Bereich der Kapitalaufbringung durch Sacheinlagen in das deutsche Recht überführt (Vorgaben der Richtlinie 2006/68/EG), so dass bereits ein Rückblick auf die „kurzfristigen Modernisierungsmaßnahmen“ möglich ist. Dieser bestätigt einen behutsamen Liberalisierungsansatz und die vermehrte Nutzung von Publizität. Dereguliert wurden zunächst das Recht der Sachgründung und Sachkapitalerhöhung: In einem vereinfachten Verfahren zur Bewertung von Sacheinlagen kann z. B. auf eine (durch Art. 10 I-III der ursprünglichen Kapitalrichtlinie von 1976 geforderte) externe Werthaltigkeitsprüfung verzichtet werden.457 Stattdessen wird zunehmend auf den Marktwert abgestellt. Im Gegenzug schafft Art. 10b der geänderten Kapitalrichtlinie neue Publizitätsvorschriften, die bei einer vereinfachten Sachgründung oder Kapitalerhöhung einzuhalten sind.458 Das fundierte Urteil des informationseffizienten, geregelten Marktes ersetzt hier somit, sofern der Preisbildungsmechanismus nicht gestört ist,459 das Erfordernis externer materieller Prüfung. Diese Tendenz setzt sich in der Gesamtschau fort: Vereinzelte Ausnahmen zum Kapitalschutzsystem werden zugelassen und durch Publizität ersetzt. Auffällig ist jedoch, dass in Deutschland nicht alle durch die Änderungsrichtlinie ermöglichten Deregulierungsmaßnahmen aufgegriffen wurden,460 was die Behutsamkeit unterstreicht, mit welcher am bewährten Kapitalschutz gerüttelt wird. Es lässt sich folglich weniger von einem Bruch mit dem Kapitalschutzsystem der Aktiengesellschaft, als vielmehr von der Einleitung eines nachhaltigen Erosionsprozesses sprechen, der insbesondere in Zusammenschau mit dem MoMiG erhebliche Auswirkungen auf die dogmatisch-teleologische Betrachtung des Kapitalschutzes sowie sämtlicher materieller Regulierung haben wird – und diese in ihrer Bedeutung erheblich relativiert.461 c) Folgerungen für die Systematisierung Aus Sicht des hier angeregten konzeptionellen Verständnisses des Informationsmodells sind drei Aspekte der Kritik am Kapitalschutz und dessen Entwicklung von besonderem Interesse. 457

Art. 1 Nr. 2 der Änderungsrichtlinie 2006/68/EG hat mit Artt. 10a, 10b Kapitalrichtlinie zwei neue Vorschriften geschaffen, die es den Mitgliedstaaten ermöglichen, unter bestimmten Voraussetzungen Ausnahmen von den Art. 10 Abs. 1 bis 3 vorzunehmen. 458 Anschaulich Merkner/Decker, NZG 2009, 887, 888 ff. (zu Vereinfachungen bei Sachkapitalerhöhungen). 459 Zu außergewöhnlichen Umständen, die eine Neubewertung durch externe Prüfung erforderlich machen, vgl. Begr. RefE ARUG, S. 31; zu den kapitalschutzrechtlichen Aspekten des ARUG Böttcher, NZG 2008, 481, 482. 460 Beispielsweise die Zulassung einer sog. financial assistance (wirtschaftliche Unterstützung beim Erwerb von Aktien durch die Gesellschaft; vgl. Art. 23 der geänderten Kapitalrichtlinie). Stattdessen gilt weiter § 71a AktG. Auch beim Erwerb eigener Aktien wurde lediglich die Zeitgrenze für Ermächtigungen (§ 71 Abs. Nr. 8 AktG) angepasst (vgl. zum Umsetzungsspielraum der Mitgliedstaaten Art. 19 ff. Kapitalrichtlinie). 461 So auch Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, II, § 6, Rn. 26: „nicht unwesentliche Relativierung“.

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C. Das Informationsmodell im Unternehmensrecht

Erstens ist streng zwischen Aktiengesellschaften und GmbH zu unterscheiden, ohne dabei die Gesamtbetrachtung (Bedürfnis nach Integration) aus den Augen zu verlieren. Nur für erstere schreibt die Kapitalrichtlinie ein Mindestkapital sowie Vorschriften zu dessen Aufbringung und Erhaltung vor. Gerade große, börsennotierte Aktiengesellschaften verfügen aber regelmäßig über ein Eigenkapital und ein festes Grundkapital, welches das Mindestkapital bei Weitem überschreitet.462 Kleine Unternehmen können hingegen mit weitaus weniger Kapital gegründet werden, bedürfen aber auch der Haftungsbeschränkung. Nach traditionellem Verständnis ist das Mindestkapital der „Preis“, den sie für eine solche zu zahlen haben.463 Werden nun informationelle und materielle Verpflichtungen integriert betrachtet, so besteht die Gefahr, vorschnell für eine Aufweichung der Mindestkapitalvorschriften zu plädieren, ohne dabei zu hinterfragen, ob diese nicht durch informationelle Regelungen ersetzt werden, welche im Ergebnis belastender für die kleinen Unternehmen und mangels Markteffizienz weniger schutzintensiv für die Marktgegenseite sind.464 Die Reformen des Aktienrechts seit 1994 zeigen zudem, dass die Rechtsform der Aktiengesellschaft gezielt für den breiten Mittelstand geöffnet werden sollte („kleine AG“),465 wodurch ein fließender Übergang zwischen den einzelnen Stufen der Intensität der Marktteilnahme erreicht wird: Je kleiner ein Unternehmen, desto weniger effektiv ist der Schutz durch Publizität. Sinkt aber die Transparenz, ist es tendenziell eher gerechtfertigt, die Interessen Außenstehender mit gesellschaftsrechtlichen Mitteln abzusichern. Gerade bei kleinen Unternehmen (Unternehmergesellschaft, SARL466) ist der zur freien Disposition der Mitgliedstaaten stehende Kapitalschutz aber auf dem Rückzug. Damit muss dies mittels eines Erst-Recht-Schlusses auch für die AG gelten. Wären Aktien- und GmbH-Recht hier besser aufeinander abgestimmt,467 könnte dieser systematische Zusammenhang besser berücksichtigt werden.

462 Eidenmüller/Grunewald/Noack, in: Lutter (Hrsg.), Kapital, S. 17, 21 (Grundkapital ausgewählter DAX-Unternehmen liegt 2003 zwischen 194 Mio. (Schering AG) und 2.673 Mio. Euro (Siemens AG). 463 BGHZ 117, 323 (Haftungsbeschränkung als Ausnahme vom Grundsatz unbeschränkter persönlicher Vermögenshaftung); anschaulich Eidenmüller/Grunewald/Noack, in: Lutter (Hrsg.), Kapital, S. 17, 21. 464 So ist die Verringerung von Informationsasymmetrien bei kleinen Unternehmen für Kreditgeber in Relation zu der geringeren Kreditsumme relativ kostspielig, vgl. ebd., S. 29 ff., 40. 465 Noack, DB 2007, 1359 unter Darstellung des Gesetzes für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts, BGBl. I 2004, 1961, des Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG), BGBl. I 1998, 786, des Gesetzes zur ACHTUNGREweiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zur Transparenz und Publizität (TransPuG), BGBl. I 2002, 2681 und anderer. 466 Zur Abschaffung der Kapitalvorschriften bei der französischen SARL, Simon, EBLR 2004, 1037 ff. 467 Vgl. hierzu die Kritik bei Merkt, EBLR 2004, 1045, 1049.

II. Vordringen des Informationsmodells im Europäischen Wirtschaftsrecht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Zweitens sind die Informations- und Schutzbedürfnisse aller Beteiligten in Ausgleich zu bringen. Gesellschafter- und speziell Minderheitenschutz468 (Kapital bietet Rechtssicherheit und schützt Minderheiten vor Verwässerung der Aktien)469 sind dabei ebenso zu berücksichtigen wie ein umfassender Gläubigerschutz. Darauf ist bei der informationellen Ausgestaltung des Bilanzrechts zurückzukommen, von dessen Seite der Kapitalschutz zusätzlich unter Druck gerät.470 Hier wird sich zeigen, dass der Jahresabschluss nach IFRS zunehmend an den Informationsbedürfnissen von Eigenkapitalgebern orientiert ist, und das Mindestkapital als Mittel des Gläubigerschutzes somit seine Berechnungsgrundlage verliert: Wird nicht mehr vorsichtig bilanziert, müssen sich Gläubiger ohnehin alternative Schutzinstrumente (Ratings, private Sicherungsvereinbarungen) suchen.471 Der verhaltenssteuernde Druck des Kapitalmarktes (Governance-Funktion der Publizität) wirkt auch hier für Außenstehende472 nur mittelbar. Drittens ist schließlich die Entwicklungsstufe des jeweiligen Marktes zu berücksichtigen. Schon heute zeichnet sich ab, dass aus Sicht der Praxis und der internationalen Finanzmärkte Publizitätsregeln gegenüber einem System festen Kapitals durchweg bevorzugt werden: Mit zunehmender Entwicklung der Märkte für Unternehmensfinanzierungen sinkt das Bedürfnis nach materiellem Schutz und die Marktteilnehmer weichen auf flexiblere Regelungen aus, bei denen vor allem informationelle Bedürfnisse im Mittelpunkt stehen.473 Zumindest für den deutschen Kapitalmarkt ist heute nicht mehr zu erwarten, dass individuelle vertragliche Vereinbarungen in ihrer Gesamtheit betrachtet die Interessen Außenstehender (Kreditgeber) nicht ebenso effektiv schützen, wie ein starr vorgeschriebenes Kapital. Mithin scheint es nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis die Marktentwicklung das Informationsmodell vollständig durchgesetzt hat. Bis dessen Funktionsfähigkeit aber gesichert ist, hat der Kapitalschutz auch seine legitime Berechtigung.474 Angestrebt ist somit ein Grad an Transparenz, bei dem der Markt aufgrund der Publizität des Kapitals (die auch schon heute erfolgt) die Seriosität eines Unternehmens 468

Dazu Ekkenga/Bayer, in: Lutter (Hrsg.), Kapital, S. 342, 350 ff, 369 (Kapital schützt vor allem Minderheiten, weil es nominelle Beteiligungsquoten nach dem Prinzip formaler Gleichheit unter den Gesellschaftern festlegt). 469 Ausführlich zu den Funktionen festen Kapitals Lutter, in: Lutter (Hrsg.), Kapital, S. 1, 2 ff. 470 Dazu unten, D.II.3.a) (zu den Adressaten der HGB-Bilanz); vgl. Merkt, ZGR 2004, 305, 307. 471 Vgl. Merkt, EBLR 2004, 1045, 1047. 472 Gläubiger haben als Außenstehende regelmäßig geringere Einflussmöglichkeiten, weshalb sich nach dem Stakeholder-Ansatz des deutschen Rechts vielfach bevorzugt geschützt werden, Merkt, ZGR 2004, 304, 311. Ziel des Publizitätskonzepts muss es sein, auch ihnen eine informationelle Entscheidungsgrundlage zu gewähren. 473 Kübler, EBLR 2004, 1031, 1035 (etwa vertragliche Absicherungen oder Risikoeinschätzung mittels Ratings). 474 Merkt, EBLR 2004, 1045, 1051 (retains its legitimacy for the time being).

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C. Das Informationsmodell im Unternehmensrecht

und dessen Finanzierung richtig einzuschätzen vermag.475 Dabei könnte die im Einzelfall als unpassend kritisierte Höhe eines generell festgeschriebenen Kapitals476 an die spezifischen Bedürfnisse und Risiken des Einzelfalls angepasst werden. Systematisch stimmig wäre dann auch dem Markt die Regelung des Außenverhältnisses zu den Gläubigern zu überlassen.477 Die zu beantwortende Frage lautet mithin nicht mehr, ob traditionell zwingendes Gesellschaftsrecht durch Informationsregeln ersetzt wird, sondern wie ein solches Informationsmodell ausgestaltet sein muss, um allen seinen Aufgaben gerecht zu werden. Dieses integrierte Verständnis der Publizitätspflichten wird hier als Informationskonzept bezeichnet. Über die intern kohärente Abstimmung der einzelnen Pflichten wird dabei ein maximaler Nutzen für die Adressaten bei (durch die interne Abstufung des Konzeptes) minimaler Belastung für die ACHTUNGREpublizitätspflichtigen Unternehmen erreicht. Nur ein solchermaßen ganzheitlich ACHTUNGREabgestimmtes Konzept kann den Anspruch haben, sich auch extern in das Regelungsumfeld einfügen zu lassen und somit eine echte Alternative zu materiell zwingendem Recht darzustellen.

475

Lutter, in: ders. (Hrsg.), Kapital, S. 1, 4. Dazu soeben, C.II.4.a). Danach dient das Mindestkapital ohnehin nur als Seriositätsschwelle, da es für einen Großteil der Unternehmen regelmäßig zu gering bemessen ist, Eidenmüller/Grunewald/Noack, in: Lutter (Hrsg.), Kapital, S. 17, 19; vgl. Merkt, ZGR 2004, 305, 317 f. 477 Die Neue Organisationsökonomik unterscheidet wie gesehen in firm und market. Die Kapitalaufnahme ist systematisch dem Handeln am Markt und somit dem Außenverhältnis (nach anglo-amerikanischem Verständnis also nicht dem Gesellschafts-(innen-)Recht) zuzuordnen, vgl. Beckmann, Internationalisierung, S. 7. 476

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D. Das Publizitätskonzept am organisierten Kapitalmarkt Da das Europäische Gesellschaftsrecht heute im Bereich des Bilanz- und Kapitalmarktrechts die größte Harmonisierungsdichte aufweist und die Dominanz von Informationsregeln hier offensichtlich und kaum zu bestreiten sein dürfte,1 erscheint das Regelungsregime beim Handel an einem organisierten Markt als besonders geeignet, den inneren Systemgedanken eines in sich abgestimmten „Konzepts der Information“ darzustellen. Nach kurzem Überblick über den sekundärrechtlich vorgegebenen Rahmen sollen daher diejenigen Publizitätspflichten des deutschen Rechts zu einem kohärenten System zusammengefügt werden, welche die Emittenten bei Inanspruchnahme des regulierten Marktes treffen. Auch hierbei muss eine Beschränkung auf wesentliche, systembildende Eckpfeiler erfolgen, wobei systematisch besonders interessante Einzelprobleme exemplarisch vertieft werden. Anhand dieser Betrachtung der internen Integration der Publizitätspflichten untereinander sollen Unstimmigkeiten im Konzept auf ein Minimum begrenzt werden, um unnötige Belastungen der Marktteilnehmer zu vermeiden2 und die Effektivität der einzelnen Pflicht zu optimieren3. Im Kern geht es mithin weiter um Ausgleich und wechselseitige Verstärkung von Individual- und Marktschutz.

I. Überblick über den sekundärrechtlichen Rahmen Bei einer Betrachtung des europäischen Sekundärrechts mit Bezug zum Kapitalmarkt (Gesellschafts-, Bilanz- und Kapitalmarktrecht) wird deutlich, dass dieses vornehmlich, teils sogar ausschließlich, Informationspflichten statuiert, wodurch der aus primärrechtlicher Sicht festgestellte und wirtschaftsverfassungsrechtlich begründete Vorrang von Publizität gegenüber materieller Regulierung besonders unterstützt wird.4 Hier sei zunächst eine Übersicht über die wesentlichen für die börsennotierte Gesellschaft einschlägigen Rechtsakte gegeben, die sich so schon auf europäischer Ebene zu einem Publizitätskonzept zusammenfügen.

1 Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 233; ders., in: FS Lutter, S. 61, 74 m.w.N. zur Dominanz des Disclosure-Ansatzes in diesen Rechtsgebieten. 2 Dazu insb. oben, Teil C. 3 Dazu insb. oben, Teil B. 4 Vgl. Grundmann, ZIP 2004, 2401, 2407.

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D. Das Publizitätskonzept am organisierten Kapitalmarkt

1. Ermächtigungsgrundlagen Im Rahmen der primärrechtlichen Betrachtung konnte bereits herausgearbeitet werden, dass ein Tätigwerden der Europäischen Union stets in ausdrücklichem Bezug zum Binnenmarkt und damit zu den Grundfreiheiten als dessen „Pfeilern“ zu sehen ist. Dabei wurde deutlich, dass eine klare Trennung zwischen den einzelnen Grundfreiheiten oftmals nicht möglich ist. Ebenso werden für ein Tätigwerden der Union auf sekundärrechtlicher Ebene verschiedene Ermächtigungsgrundlagen herangezogen. Im Rahmen des Gesellschaftsrechts steht dabei Art. 50 Abs. 2 lit. g AEUV (ex-Art. 44 EGV) als „Hauptkompetenznorm“ klar im Mittelpunkt (gleichwertiger Schutz von Gesellschaftern und Dritten bei Inanspruchnahme des Binnenmarkts).5 Damit wurden sämtliche der nachfolgenden Regelungen in direkten Bezug zur europaweiten Inanspruchnahme des Binnenmarktes durch die Unternehmen selbst gesetzt. 2. Ursprünge des Publizitätskonzepts in den gesellschaftsrechtlichen Richtlinien Unter den gesellschaftsrechtlichen Regelungen ist an erster Stelle die Publizitätsrichtlinie von 1968 zu nennen, mit der das Zeitalter der informationsorientierten Angleichung europäischen Gesellschaftsrechts begann und die damit den ersten Eckstein für das Informationsmodell im Europäischen Gesellschaftsrecht bildet.6 Das durch die darauf folgenden weiteren gesellschaftsrechtlichen Richtlinien begründete, nach Größe der Gesellschaften abgestufte System hoheitlicher Publizitätspflichten, ist anhand der Rechtsprechung des EuGH bereits dargelegt worden. Von diesen knüpfen die Erste, Zweite und Elfte Richtlinie7 an den Markteintritt an und sehen Publizitätspflichten bei der Gründung vor, wohingegen der Dritten, Sechsten, Zehnten, Zwölften und Dreizehnten Richtlinie samt Änderungen8 und Reformvorhaben9 eine Bedeutung erst während der Marktteilnahme zukommt, indem Publizitätspflich5 Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 98 (weites Verständnis, umfasst auch Kapitalmarktrecht). 6 Erste Richtlinie 68/151/EWG; Leible, ZHR 162 (1998), 594; Grundmann, Eur. Gesellschaftsrecht, Rn. 227. 7 Erste Richtlinie 68/151/EWG („Publizitätsrichtlinie“); Zweite Richtlinie 77/91/EWG („Kapitalrichtlinie“); Elfte Richtlinie 89/666/EWG („Zweigniederlassungsrichtlinie“). 8 Dritte Richtlinie 78/855/EWG („nationale Verschmelzungsrichtlinie“); Sechste RichtACHTUNGRElinie 82/891/EWG („Spaltungsrichtlinie“); Richtlinie 2005/56/EG („grenzüberschreitende ACHTUNGREVerschmelzungsrichtlinie“) – dazu EuGH, Rs. C-411/03, (SEVIC Systems AG), Slg. 2005, I10805; Zwölfte Richtlinie 89/667/EWG („Einmann-GmbH-Richtlinie“); Richtlinie 2004/25/ EG („Übernahmerichtlinie“). 9 Vgl. Vorschlag der Europäischen Kommission vom 25. 9. 2008 für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinien 77/91/EWG, 78/855/ EWG und 82/891/EWG des Rates sowie der Richtlinie 2005/56/EG hinsichtlich der Berichtsund Dokumentationspflicht bei Verschmelzungen und Spaltungen, KOM(2008), S. 576 endg.; di Marco, ZGR 1999, 3, 11 (Projekt einer 14. Richtlinie zur grenzüberschreitenden Sitzverlegung), dazu auch Lutter, in: Grundmann (Hrsg.), S. 121, 133 m.w.N.

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ten bei Strukturveränderungen wie der öffentlichen Übernahme oder bei Verschmelzungen statuiert werden.10 Dem Bilanzrecht zuzuordnen sind schließlich wie gesehen die Vierte, Siebente und die GmbH & Co.-Richtlinie samt Änderungen.11 Eine entscheidende Verbesserung der Qualität der Abschlussprüfung ging mit Erlass der ACHTUNGREAbschlussprüferrichtlinie12 einher. Die zunehmende Internationalisierung der Rechnungslegung führte zum Erlass der IAS-Verordnung.13 Die Aktionärs(rechte)richtlinie14 schließlich betraf die grenzüberschreitende Ausübung von Aktionärsrechten in börsennotierten Gesellschaften. Diese gesellschaftsrechtliche Publizität ist am besten aus den erfassten Gegenständen heraus zu verstehen. Die Erste (Publizitäts-)Richtlinie legt zunächst fest, dass Gesellschafter und Dritte (nach der Zielsetzung der Richtlinie primär Gläubiger) kontinuierlich über die Gesellschaftsverfassung informiert werden.15 Erst die Zweite Richtlinie konkretisiert sodann die Satzungsinhalte und erfordert für den Anleger wichtige Zusatzinformationen.16 Hinzu tritt die verpflichtende Rechnungslegung für alle Kapitalgesellschaften in der Vierten Richtlinie. Dieser Publizitätsgegenstand war der umstrittenste und wurde wie gesehen aus deutscher ebenso wie aus französischer Sicht vor allem wegen der Wettbewerbssensitivität von Geschäftsgeheimnissen für nicht börsennotierte Gesellschaften umfassend kritisiert.17 Dass man sich im Ergebnis dennoch für die integrationsfördernde und in Großbritannien und Italien bewährte allgemeine Offenlegung entschieden hat, kann als der wohl wichtigste Schritt hin zu einer allgemeinen Informationsphilosophie im europäischen Gesellschaftsund Kapitalmarktrecht gesehen werden.18 Man hat sich bewusst für Publizität und eine Marktlösung entschieden, gerade um die alleinige Anknüpfung an die Rechtsform zu vermeiden, welche zur Folge gehabt hätte, dass viele deutsche GmbH, die den europäischen Markt in Anspruch nehmen wollten – darunter so große Unterneh-

10 Nach Publizitätsmitteln, Publizitätsgegenständen und Publizitätswirkungen differenzierende ausführliche Darstellung bei Cordewener, in: Schön (Hrsg.), S. 105, 144 ff. (samt kritischer Würdigung). 11 Vierte Richtlinie 78/660/EWG („Bilanzrichtlinie“), Siebente Richtlinie 83/394/EWG („Konzernbilanzrichtlinie); Richtlinie 90/605/EWG („GmbH & Co.-Richtlinie“). 12 Richtlinie 2006/43/EG („Abschlussprüfungsrichtlinie“). 13 Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 (IAS-VO); vgl. Verordnung (EG) Nr. 1725/2003 (IASÜbernahme-VO). 14 Richtlinie 2007/36/EG („Aktionärsrechterichtlinie“). 15 Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 247 ff. (Hervorhebung im Original). 16 V.a. Art. 3 und 4 der Zweiten Richtlinie tragen der Vielzahl von Aktionären Rechnung. 17 Rechtsvergleichend vor 1968 Edwards, EC Company Law (1999), S. 22: allgemeine Publizität der SARL in Italien und Belgien (wie Ltd. in England), absolute Geheimhaltung hingegen in Deutschland und Frankreich; vgl. auch Stein, Harmonization, S. 242 – 270. Inhaltlich höchst interessant ist hingegen, dass den italienischen Jahresabschlüssen (trotz umfassender Offenlegung) kaum Informationsgehalt attestiert wurde, ebd., S. 273. 18 Zur Bedeutung der 4. Richtlinie für das Informationsmodell, Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 256.

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D. Das Publizitätskonzept am organisierten Kapitalmarkt

men wie die Robert Bosch GmbH – den Pflichten entgehen könnten.19 Das Informationsmodell liegt folglich in der historischen Konzeption europäischer Rechtsangleichung begründet und wurde seitdem kontinuierlich ausgebaut. 3. Besondere Ausprägung in den kapitalmarktrechtlichen Richtlinien Besonders ausgeprägt ist das Informationsmodell in den spezifisch kapitalmarktrechtlichen Regelungen, die eine besonders hohe Harmonisierungsdichte aufweisen und vor dem Hintergrund des unterschiedlichen Informationsbedürfnisses zumeist nach Regelungen den Primärmarkt und Regelungen den Sekundärmarkt betreffend systematisiert werden.20 Dies folgt der Chronologie der Marktteilnahme, wobei hier der Schwerpunkt auf den Publizitätspflichten der laufenden Marktteilnahme liegen soll, deren Bedeutung für zukunftsorientierte Prognoseentscheidungen auch international zunehmend anerkannt wird.21 Dennoch ist aufgrund der Nutzbarkeit einer einmal offengelegten Information auf allen Märkten auch das „Grundgerüst“ der Primärmarktpublizität mit von Interesse. Die kapitalmarktrechtlich relevanten Vorschriften wurden im Rahmen des Aktionsplans Finanzdienstleistungen (FSAP)22 seit 1999 grundlegend verändert – mit den Folgen einer deutlich messbaren Erhöhung der Transparenz, des Handelsvolumens und einer spürbaren Kostensenkung.23 Zunächst wurden die alte Börsenzulassungsrichtlinie von 197924, die Börsenzulassungsprospektrichtlinie25, die Zwischenberichtsrichtlinie26, sowie die Beteiligungstransparenzrichtlinie27 in der neuen Börsenzulassungsrichtlinie von 200128 konsolidiert. Diese regelt damit die (Mindest-) ACHTUNGREBedingungen für die Zulassung zum amtlichen Börsenhandel, insbesondere Mindestgröße und -existenzzeit des Emittenten, die Ausstattung, Streuung und Handelbarkeit der Wertpapiere sowie die sich aus der Zulassung ergebenden Pflichten – insbeson19

Stein, Harmonization, S. 245 f. Anstatt vieler Grundmann, ZSR 1996, 103, 109 ff. 21 Daher baut das integrated disclosure system zunehmend auf laufende, aktualisierte Publizität, oben, B.I. 22 Financial Services Action Plan/Aktionsplan Finanzdienstleistungen, KOM(1999) 232 endg. vom 11. 5. 2005, abrufbar unter www.europa.eu.int/comm/internal_market/finances/ docs/actionplan/index/action_de.pdf. 23 Kommission, FSAP Evaluation vom 7. 7. 2009, Teil 2 (CRA International), S. 7 f., abrufbar ebd. Gemessen wurde etwa eine Verdopplung der Anzahl der Prospekte von 2005 – 2008, die Erhöhung der Handelsvolumina in Europa um 150 % seit 2000, sowie auf die MiFID zurückführbare umfassende Kostensenkungen. 24 Richtlinie 79/279/EWG (Börsenzulassungsrichtlinie), nicht mehr rechtskräftig. 25 Richtlinie 80/390/EWG (Börsenzulassungsprospektrichtlinie), nicht mehr rechtskräftig. 26 Richtlinie 82/121/EWG (Halbjahresberichtsrichtlinie), nicht mehr rechtskräftig. 27 Richtlinie 88/627/EWG (Beteiligungsrichtlinie), nicht mehr rechtskräftig. 28 Richtlinie 2001/34/EG (neue Börsenzulassungsrichtlinie/Kapitalmarktpublizitätsrichtlinie). 20

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dere das Gleichbehandlungsgebot und eine Pflicht zur Veröffentlichung laufender CHTUNGREIA nformationen. Sie wurde ergänzt und umfassend modifiziert durch die neue ACHTUNGREProspektrichtlinie von 200329 und deren Durchführungsverordnung (Prospektrichtlinie-DVO/ProspektVO)30, welche den Markteintritt unionsweit mit einem einzigen Prospekt ermöglichen, und heute den Rechtsrahmen für das öffentliche Angebot und die Zulassung von Wertpapieren an einem geregelten Markt und mithin das Kernstück des europäischen Primärmarktrechts bilden.31 Die Regelung des Sekundärmarktes ist zentral durch die Transparenzrichtlinie32 und die Durchführungsbestimmungen in deren Umsetzungsrichtlinie33 geprägt, welche vor allem Vorschriften zur Regel- und Beteiligungspublizität enthalten. Funktional der regelmäßigen Information auf dem Sekundärmarkt zuzuordnen ist zudem Art. 10 der Prospektrichtlinie, der die Verpflichtung zur Veröffentlichung eines jährlichen Dokuments enthält. Die Marktmissbrauchsrichtlinie34 nebst Durchführungsbestimmungen35 bildet zusammen mit der Transparenzrichtlinie das Regelungsgerüst für den Sekundärmarkt. Diese Richtlinie stellt die materiellen Verbote des Insiderhandels und der Marktmanipulation auf (zusammen: Marktmissbrauch)36, und ersetzt die zuvor geltende Insiderrichtlinie37. Daneben enthält die Richtlinie aber zahlreiche flankierende Publizitätspflichten. Hier interessieren vor allem die Pflicht zur Ad hoc-Publizität, die Pflicht zur Führung eines Insiderverzeichnisses, sowie die Pflicht zur Mitteilung der Geschäfte von Führungspersonen, der sog. „directors dealings“. Schließlich statuiert die Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen38 einzelne Informationspflichten unter dem Gesichtspunkt des Verbraucherschutzes.

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Richtlinie 2003/71/EG (Prospektrichtlinie). VO (EG) Nr. 809/2004 (Prospektrichtlinie-DVO), zuletzt erweitert durch VO (EG) Nr. 211/2007. 31 Klöhn, in: Langenbucher (Hrsg.), § 6, Rn. 35. 32 Richtlinie 2004/109/EG (Transparenzrichtlinie). 33 Richtlinie 2007/14/EG (Transparenz-DRL). 34 Richtlinie 2003/6/EG (Marktmissbrauchsrichtlinie). 35 Zu nennen sind hier vor allem die Richtlinie 2003/124/EG (Marktmissbrauchs-DRL Begriffsbestimmungen), Richtlinie 2003/125/EG (Marktmissbrauchs-DRL Darbietung), Richtlinie 2004/72/EG (Marktmissbrauchs-DRL Marktpraktiken), sowie die Verordnung (EG) Nr. 2273/2003 (Marktmissbrauchs-DVO). Eine Auflistung der weiteren Maßnahmen auf zweiter und dritter Ebene des Lamfalussy-Verfahrens unter: http://www.jura.uni-augsburg.de/ prof/moellers/materialien/5_kapitalmarktrecht/070_marktmissbrauchs_ril/. 36 Erwägungsgrund (12) zur Marktmissbrauchsrichtlinie. 37 Richtlinie 89/592/EWG (Insiderrichtlinie). 38 Richtlinie 2002/65/EG (Fernabsatzrichtlinie). 30

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D. Das Publizitätskonzept am organisierten Kapitalmarkt

Diese Aufzählung ist keinesfalls abschließend. Weitere Regelungen, welche sich zentral des Mittels der Publizität bedienen,39 werden hier aber nicht behandelt. Eine Sonderrolle kommt schließlich den Initiativen der Europäischen Kommission im Bereich der Corporate Governance zu. Der 2003 vorgelegte „Aktionsplan“40 sieht in Anlehnung an die bereits diskutierten Empfehlungen der Hochrangigen Expertengruppe41 an zentraler Stelle Maßnahmen im Bereich der Corporate Governance und ihrer Offenlegung vor, wobei verstärkt auf nicht unmittelbar rechtsverbindliche Instrumente (soft law) gesetzt wird. Auch hier werden allerdings für die Wahrnehmung von Aktionärsrechten besonders wichtige Informationen zwingend in Richtlinien festgelegt.42 4. Die Richtlinienvorgaben als „Mindestschutzniveau“ Die Richtlinien stellen im Regelfall, wie auch alle der hier untersuchten, nur europäische Mindestschutznormen dar, die der nationale Gesetzgeber mindestens einhalten muss. Er darf sie aber in sein Rechtssystem einpassen und kann darüber hinausgehen („Goldplating“).43 Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass sekundärrechtliche Harmonisierungsvorschriften zwar die Grundfreiheiten konkretisieren, aber nicht jede Maßnahme zur Verwirklichung des Binnenmarktes ein Tätigwerden auf sekundärrechtlicher Ebene voraussetzt.44 Dieser Grundgedanke eines europaweit vorgegebenen „Mindestrahmens“ an Information, über den die Mitgliedstaaten hinausgehen können, ist hier ausführlich herausgearbeitet worden. Aus funktionsdogmatischer Sicht wird dieses Konzept jedoch zu hinterfragen sein. Aufgabe eines hoheitlich festgelegten Pflichtenrahmens ist unter anderem die Abgrenzung der Wesentlichkeit und Gewährleistung von Einheitlichkeit der Information, so dass diese für den Adressaten optimal nutzbar ist. Gerade dies erscheint aber gefährdet, wenn die Abweichungen zwischen den Mitgliedstaaten zu groß werden. Eine zusätzliche Information (z. B. ein zusätzlicher Schwellenwert der Beteiligungspublizität) muss dann nicht zwingend zusätzlichen Informationsgehalt haben, sondern kann vielmehr 39 Richtlinie 85/611/EWG (OWAG-Richtlinie); Richtlinie 97/9/EG (Anlegerentschädigungsrichtlinie). 40 Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament vom 21. 5. 2003 – Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance in der Europäischen Union (Aktionsplan), KOM(2003) 284 endg., NZG 2003, Sonderbeilage zu Heft 13; dazu Habersack, NZG 2004, S. 1 ff. 41 High Level Group, Report. 42 Auch die soeben angeführte Aktionärs(rechte)richtlinie 2007/36/EG geht auf den „Aktionsplan“ zurück. 43 Hopt, ZHR 159 (1995) 135, 137. 44 EuGH, Rs. C-411/03 (SEVIC Systems AG), Slg. 2005, I-10805, Tz. 26: „Wenn gemeinschaftsrechtliche Harmonisierungsvorschriften zur Erleichterung grenzüberschreitender Verschmelzungen auch gewiss hilfreich wären, so sind sie doch keine Vorbedingungen für die Durchführung der [Grundfreiheiten]“.

II. Publizitätspflichten im geltenden nationalen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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die internationale Vergleichbarkeit einschränken oder falsche Erwartungen wecken. Mit zunehmender Integration der europäischen Märkte besteht folglich ein zunehmendes Bedürfnis nach einheitlich festgelegter Information. Nationale Gestaltungsfreiräume verbleiben dann vor allem bei materiellen Schutzkonzepten.45 Erste Anzeichen für eine solche Entwicklung sind bereits bei der Rechnungslegung im Konzern auszumachen, wo zunehmend europaweit einheitliche Standards abschließend und mittels Verordnung vorgegeben werden.46 Auch die Vorgaben des Prospektrechts scheinen die These der Vorzugswürdigkeit europaweit einheitlicher informationeller Standards zu bestätigen.47

II. Publizitätspflichten im geltenden nationalen Recht Im Folgenden sollen nun die bei Inanspruchnahme des regulierten Markts der Börsen zusammentreffenden Offenlegungspflichten zu einem Gesamtgefüge integriert werden. Damit soll verdeutlicht werden, dass ihnen ein Konzept der Publizität zu Grunde liegt, das über die Aussage des Informationsmodells (genereller Vorrang der Information) hinausgeht, und den Adressaten ein umfassend integriertes, an deren Informationsbedürfnissen ausgerichtetes Rahmengerüst zur Verfügung stellen will,48 welches die Interessen sämtlicher Marktteilnehmer in gerechten Ausgleich bringt und somit die Belastungen für alle Seiten auf ein Minimum beschränkt. Die interne Abstimmung der Pflichten zu einem in sich logisch abgestimmten, geschlossenen Gesamtkonzept wird dabei zur Grundvoraussetzung für die Funktionsoptimierung und damit für die Verwendung von Publizitätsnormen schlechthin. Dieser Darstellung liegt das Verständnis eines kapitalmarktbezogenen Informationssystems zu Grunde.49 Dieses kann mit Assmann als System kapitalmarktbezogener Informationsvermittlung verstanden werden, das alle Normen umfasst, die über die Information des Einzelnen hinaus auch der Effizienz des Marktes als Ganzem zu dienen bestimmt sind und damit vor allem die Ziele der Chancengleichheit und Transparenz verfolgen.50 Das hier entwickelte Konzept geht noch einen Schritt weiter, indem es die Normen zu einem Sinnganzen integriert, das am Leitbild des Kleinanlegers orientiert ist und diesen aus einem rechtlichen Bedürfnis heraus umfassend in45

Zum Bild einer europäisch festgelegten informationellen Rahmenordnung, oben, C.II.2. Zur IAS-Verordnung, unten, D.II.3.a). 47 Zur Prospekt-Verordnung, unten, D.II.2. 48 Zum europäischen Publizitätskonzept vgl. abermals Kommission, Segr-Bericht, S. 237 ff.; Merkt, Unternehmenspublizität, S. 140 ff.; Ekkenga, S. 396 ff.; Assmann, AG 1993, 549 ff. 49 Vgl. etwa Zimmer, in: GK-HGB, § 325, Überschrift vor Rn. 1: „§ 325 im System der Publizitätspflichten“. 50 Assmann, in: Assmann/Schneider, § 15 WpHG, Rn. 2 (insb.: Interessen des gesamten Anlegerpublikums). 46

266 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

D. Das Publizitätskonzept am organisierten Kapitalmarkt

formiert – was über das Ziel der Markteffizienz weit hinausgeht. Es soll mithin gezeigt werden, dass sämtliche Informationsregeln für die kapitalmarktorientierte Gesellschaft dergestalt aufeinander bezogen sind, dass sie als Teil eines umfassenden Informationsganzen zu verstehen und zu interpretieren sind. Indem der Individualschutz des einzelnen Aktionärs ins Zentrum dieses Konzeptes gestellt wird, gelingt es aufzuzeigen, dass den Publizitätspflichten der verschiedenen Rechtsgebiete im Kern derselbe Grundgedanke zugrunde liegt – und Kapitalmarktrecht als Marktrecht nicht etwa den Minderheitenschutz ausklammert.51 Im zweiten Schritt ist sodann aber zu sehen, dass der Individualschutzgedanke der Publizität aufgrund deren Marktbezogenheit immer mit den Interessen aller anderen Marktteilnehmer in Ausgleich zu bringen ist, um die optimale Funktionsfähigkeit des Marktes zu gewährleisten. Letztere ist damit Grundvoraussetzung und zugleich Ziel jeder Publizität. Dabei muss die Darstellung hier auf die inhaltliche Ausgestaltung des Informationsgerüsts beschränkt bleiben, und kann die wichtige Sekundär- (insb. Haftungs-) ACHTUNGREebene nicht umfassen. Aus der neueren Gesetzgebung sei jedoch auf das KapMuG52 verwiesen, welches das Konzept der Anlegerinformation zwar „nur“ prozessual flankiert, jedoch eindeutig (1) von einem ganzheitlichen Konzept öffentlicher Kapitalmarktinformation ausgeht, welches die Publizitätspflichten der verschiedensten Gesetze umfasst,53 (2) den einzelnen Anleger und nicht die Effektivität des Preisbildungsmechanismus ins Zentrum der Marktinformation rückt, indem es die rationale Apathie zur Verfolgung individueller Informationsansprüche54 zu überwinden sucht und (3) schließlich selbst über die Bekanntmachung im elektronischen Bundesanzeiger Bestandteil des anleger- und marktschützenden Publizitätskonzepts wird.55 51 Hommelhoff, ZGR 2000, 748, 771, 775: Im Kern geht es allen Rechtsgebieten um Individualschutz. 52 Gesetz über Musterverfahren in kapitalmarktrechtlichen Streitigkeiten (Kapitalanlegermusterverfahrensgesetz – KapMuG) v. 16. 8. 2005, BGBl. I 2005, 2437; zuletzt geändert durch Gesetz vom 5. 1. 2007, BGBl. I, 2007, 10. 53 § 1 Abs. 1 Satz 2 KapMuG: Öffentliche Kapitalmarktinformationen sind für eine Vielzahl von Kapitalanlegern bestimmte Informationen über [einen Emittenten betreffende] Tatsachen, Umstände, Kennzahlen und sonstige Unternehmensdaten. Nach Satz 3 sind dies insbesondere die hier erfassten aus WpPG, WpHG, HGB, AktG und WpÜG. Erfasst sind darüber hinaus etwa nach §§ 25, 26, 37x, 30b ff. WpHG, 41 Abs. 2 BörsG, 186 Abs. 5 Satz 2 AktG offenlegungspflichtige Dokumente, Kruis, in: Kö-Ko, § 1 KapMuG, Rn. 71 ff. 54 Beim KapMuG steht das Ziel effektiven individuellen Rechtsschutzes ganz im Mittelpunkt. Der einzelne Anleger soll seinen Anspruch auf Information durchsetzen und so das Vertrauen in die Kapitalmärkte wiedererlangen. Dies dient zugleich dem ordnungspolitischen Ziel, dass die Publizitätspflichten eingehalten werden. Die Marktfunktionsfähigkeit selbst und die Stärkung des „Börsen- und Justizplatzes Deutschland“ werden dagegen nur am Rande erwähnt, Begr. RegE KapMuG, BT-Drs. 15/5091, S. 1, 16 f. Dies entspricht dem Leitbild des Individual-/Privatanlegers, der einen eigenständigen Anspruch auf Informationen hat, die damit auf ihn abzielen; vgl. Braun/Rotter, BKR 2004, 296; aus ökonomischer Sicht zudem monographisch Bergmeister, S. 19 ff. 55 Das Klageregister ist für alle Marktteilnehmer im e-Bundesanzeiger einsehbar, § 2 KapMuG. Damit fügt sich der Antrag selbst in das darzustellende formelle Konzept ein und wird Bestandteil der Aktionärsinformation.

II. Publizitätspflichten im geltenden nationalen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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1. Adressatenkreis von Publizitätspflichten Die hier anzustellende Systematisierung wird zunächst dadurch erschwert, dass der Anwendungsbereich der einzelnen Pflichten auf den ersten Blick höchst unterschiedlich ist. Während die handels- und gesellschaftsrechtlichen Pflichten die Emittenten subjektiv nach Rechtsform treffen (institutionenbezogener Ansatz), knüpfen die kapitalmarktrechtlichen Pflichten objektiv an die Inanspruchnahme des Kapitalmarktes an (marktbezogener Ansatz). Damit ist historisch begründet die Rechnungslegungspublizität in Deutschland zunächst kein Instrument der Anlegerinformation.56 Es soll jedoch weiter die Leitlinie herausgearbeitet werden, dass zunehmend eine Abstufung nach Unternehmensgröße erfolgt,57 wobei bei Inanspruchnahme eines organisierten Marktes i.S.d. § 2 Abs. 5 WpHG durch Emission von Wertpapieren i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 WpHG die Vorschriften für große Kapitalgesellschaften gelten, § 267 Abs. 3 HGB (kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaft i.S.d. § 264d HGB). Diese Entwicklung verdeutlicht, dass auch die subjektiv konzipierten Publizitätspflichten zunehmend (nunmehr auch formell) in das kapitalmarktrechtliche System integriert werden und nach der Intensität der Inanspruchnahme des Marktes oder bestimmter Segmente variieren. Eine eigenständig kapitalmarktrechtliche, vom Gesellschaftsrecht losgelöste Lösung wird dennoch nicht getroffen, wodurch ein fließender Übergang zwischen den Größenklassen möglich bleibt. Schließlich wird innerhalb kapitalmarktorientierter Kapitalgesellschaften nochmals differenziert.58 Leitbild für die hier angestellte Systematisierung ist die kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaft im Konzernverbund mit Sitz im Inland, § 290 Abs. 1 Satz 1 HGB. § 325a HGB verdeutlicht aber, dass in die Abstufung nach Intensität der Marktteilnahme auch Auslandsgesellschaften einbezogen sind: Bei Inlandsbezug (Zweigniederlassung/Verwaltungssitz in Deutschland)59 unterfallen sie §§ 325 ff. HGB. Komplizierter ist die Anknüpfung der spezifisch kapitalmarktrechtlichen Pflichten. Seit dem TUG bestimmt sich deren Adressatenkreis nach dem Herkunftslandprinzip, wobei nicht mehr die Zulassung an einer inländischen Börse, sondern der Sitz des Emittenten (und damit eine zunächst subjektive Anknüpfung) maßgeblich ist, § 2 Abs. 6 WpHG. Durch diese soll jedoch insbesondere gewährleistet werden, dass Emittenten im Falle grenzüberschreitender Aktivitäten den gleichen Transparenzpflichten unterliegen, ohne sie mehrfach in verschiedenen Mitgliedstaaten erfüllen zu müssen.60 Emittenten, deren Herkunftsstaat Deutschland ist, können darüber 56

Vgl. oben, B.IV.3.b)cc); anders die konzeptionelle Gestaltung in den USA, vgl. oben, B.I. Vgl. die Kriterien nach § 267 HGB. 58 Etwa § 327a HGB (Ausnahmen von dem strengeren Offenlegungsregime des § 325 Abs. 4 Satz 1 HGB). 59 Letzteres folgt a minore ad maius aus § 325a HGB, da bei Verwaltungssitz in Deutschland der Inlandsbezug noch größer ist, als bei bloßer Zweigniederlassung, Merkt, in: Baumbach/Hopt, § 325 HGB, Rn. 1 m.w.N. 60 Assmann, in: Assmann/Schneider, § 2 WpHG, Rn. 162 ff. (auch allgemein zum Herkunftslandprinzip). 57

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D. Das Publizitätskonzept am organisierten Kapitalmarkt

hinaus Inlandsemittenten i.S.d. § 2 Abs. 7 WpHG sein. Anknüpfungspunkt ist in jedem Fall der Herkunftsstaat eines Emittenten, der sich nach § 2 Abs. 6 Nrn. 1 – 3 bestimmt. Da die Vorschriften in einem Ausschlussverhältnis stehen und sich auf den Emittenten, nicht aber die Emission beziehen,61 kann jeder Emittent nur einen Herkunftsstaat haben.62 Dies ist, sofern Schuldtitel63 mit einer Stückelung von weniger als 1000 Euro oder Aktien zum Handel an einem organisierten Markt in EU oder EWR64 zugelassen sind, der Staat des effektiven Verwaltungssitzes, § 2 Abs. 6 Nr. 1 lit. a WpHG. Liegt dieser in einem Drittstaat, sind aber Wertpapiere in EU/EWR zugelassen, wird daran angeknüpft in welchem Mitgliedstaat das jährliche Dokument nach § 10 WpPG zu hinterlegen ist.65 Damit erfolgt im Kern wiederum die klassische kapitalmarktrechtliche Anknüpfung an das öffentliche Angebot oder die Zulassung von Wertpapieren zum Handel an einem organisierten Markt.66 Für Emittenten anderer Finanzinstrumente gelten gesonderte Regelungen. Aus Gründen der Übersichtlichkeit und da einige der Vorschriften nur für Emittenten von Aktien an einem organisierten Markt gelten,67 sei die Darstellung hier auf den Regelfall der Emission von Aktien an einem organisierten Markt beschränkt.68 Einige Informationspflichten des WpHG69 knüpfen an den Begriff des Inlandsemittenten an. Dieser ist Bestandteil des Herkunftslandsprinzips und baut insofern auf § 2 Abs. 6 WpHG auf, als Inlandsemittenten solche Emittenten sind, deren Herkunftsstaat Deutschland ist, sofern sie nicht ausschließlich Märkte anderer Mitgliedstaaten in Anspruch nehmen und dort dem Regelungsregime der Transparenzrichtlinie unterliegen (§ 2 Abs. 7 Nr. 1 WpHG) oder deren Herkunftsstaat ein anderer ist, die aber ausschließlich in Deutschland emittieren (§ 2 Abs. 7 Nr. 2 WpHG) – und dort mindestens den Regelungen der Richtlinie unterliegen. So sollen Regelungs- und Aufsichtslücken geschlossen werden:70 Im Kern geht es darum, dass jeder Emittent, der die europäischen Märkte in Anspruch nimmt, dem europäischen Offenlegungsregime unterfällt. Damit bestätigt sich aber, dass dem Konzept eine objektive Anknüpfung (Inanspruchnahme der Wertpapiermärkte im Binnenmarkt) zugrunde liegt und 61

RegE TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 31. Vgl. § 2 Abs. 6 Nr. 3 WpHG (Wahlrecht nur, sofern keine Finanzinstrumente i.S.d. Nr. 1 oder bei Nr. 2). 63 Vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 3 WpHG (exemplarisch); Assmann, in: Assmann/Schneider, § 2 WpHG, Rn. 20 (standardisierte und handelbare, übertragbare, schuldrechtlich begründete, vermögensrechtliche Ansprüche). 64 Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, ABl. EU Nr. L 001 vom 03. 01. 1994 S. 3. 65 § 2 Abs. 6 Nr. 1 lit. b WpHG. 66 § 1 Abs. 1, § 2 Nrn. 1, 4, 16 WpPG. 67 Etwa §§ 21 ff. WpHG, vgl. die bereichsspezifische Ausnahme des § 21 Abs. 2 WpHG. 68 Übersicht § 2 Abs. 6 Nrn. 2, 3 WpHG bei Assmann, in: Assmann/Schneider, § 2 WpHG, Rn. 171 ff. 69 V.a. §§ 15 Abs. 1 Satz 1, 15a Abs. 4, 26 Abs. 1, 26a, 30e i.V.m. 30f, 37v – 37x WpHG. 70 Vgl. RegE TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 31. 62

II. Publizitätspflichten im geltenden nationalen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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die formell subjektive Anknüpfung an den Sitz des Emittenten nur der Zuordnung zu einer als gleichwertig zu erachtenden nationalen Regelungsregimes innerhalb des Binnenmarktes dient. Aus systematischer Sicht drängt sich folgendes Problem auf: Einige Pflichten umschreiben ihren Adressatenkreis unter Verwendung des Begriffes „Herkunftsstaat“,71 wogegen andere direkt an den Begriff des Inlandsemittenten anknüpfen. Da letzterer aber enger definiert ist, können unterschiedliche nationale ACHTUNGRERegelungen anwendbar sein. Im Kern geht die Problematik auf das Konzept der ACHTUNGREMindestharmonisierung zurück: Führt ein Mitgliedstaat (Deutschland) strengere Vorgaben ein, als in der Richtlinie vorgegeben, so unterfallen Emittenten anderer Mitgliedstaaten diesen Pflichten nicht, auch wenn sie den deutschen Markt in Anspruch nehmen. Jegliches „Goldplating“ beeinträchtigt somit Einheitlichkeit und Vergleichbarkeit, da einige Emittenten nicht dem strengeren nationalen Regime unterfallen.72 Auf langfristige Sicht ist aus publizitätsrechtlicher Sicht folglich für ein europaweit einheitliches Offenlegungsregime zu plädieren, welches bei Inanspruchnahme der Kapitalmärkte ein von Bilanz bis Ad hoc-Meldung marktbezogenes Konzept zwingend vorschreibt. Im geltenden Recht gilt es jedoch, den bereits erreichten Stand der Harmonisierung aufzuzeigen und auf zu beseitigende Inkonsistenzen zu verweisen. Für die hier angestellte Begrenzung des Konzepts auf Inlandsemittenten von Aktien ist der Anwendungsbereich sämtlicher Publizitätspflichten jedenfalls eröffnet.73 Deren Umfang reduziert sich dann bei abnehmender Intensität der Inanspruchnahme des Marktes. 2. Publizität am Primärmarkt Wie bei der Systematisierung des Kapitalmarktrechts bereits gesehen, lassen sich die Kapitalmärkte in Primär- und Sekundärmärkte unterscheiden. Der Schwerpunkt dieser Untersuchung soll in den Publizitätspflichten der laufenden Marktteilnahme liegen. Dies hat zum einen den Grund, dass die Anforderungen an die Primärmarktpublizität europaweit weitestgehend harmonisiert sind. Des Weiteren anerkennt diese Trennung das grundsätzlich andere informationelle Bedürfnis bei einer Erstemission gegenüber den Informationsbedürfnissen der einzelnen Kapitalanleger beim Erwerb 71 V.a. § 15a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, §§ 21 Abs. 1, 26 Abs. 1, 27 (i.V.m. §§ 21 Abs. 1a und 2, 22 Abs. 1 und 2, 23 Abs. 1 – 4, 25 Abs. 1), §§ 30a Abs. 1 und 2, 30b Abs. 1 – 3, 30c. 72 Damit kann das Ziel der Richtlinien zumindest besser durch vollständige Gleichheit der nationalen Regeln erreicht werden. Strengere nationale Normen sind aber konzeptionell nur dann zu untersagen, wenn die Ziele der Richtlinie nur bei vollständiger Gleichheit zu erreichen sind, Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 149 m.w.N. Aus ökonomischer Sicht wurde jedoch deutlich, dass „mehr Information“ nicht gleich „bessere Information“ sein muss, und damit die Schutzziele der Richtlinien durchaus beeinträchtigen kann. 73 Dabei ist unerheblich, ob auf Inlandsemittenten von Finanzinstrumenten (§ 15 WpHG) oder Aktien (§ 15a Abs. 1 Satz 2 WpHG), die Zulassung zu einem organisierten Markt (& Inlandsemittent = §§ 26 Abs. 1 Satz 1, 26a Satz 1 WpHG; & Herkunftsstaat Deutschland = § 21 Abs. 1 Satz 1 WpHG) oder an den mit § 2 Abs. 5 WpHG gleichbedeutenden Begriff der börsennotierten Aktiengesellschaft (§ 161 AktG) angeknüpft wird, vgl. Lebherz, EmittentenCompliance, S. 81 f.

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von Wertpapieren an der Börse. Erstere lassen sich rechtstechnisch als reine ex anteRegelungen verstehen, wohingegen am Sekundärmarkt vor allem auch die Informationsbedürfnisse nach der erstmaligen Anlageentscheidung (sog. ex post-Normen) berücksichtigt werden müssen.74 Dennoch kann sich eine systematisierende Betrachtung der Primärmarktpublizität nicht ganz verschließen, so dass auch diese hier überblicksartig dargestellt werden soll. Begründet werden kann dies zum einen mit der engen wirtschaftlichen und tatsächlichen Verflechtung zwischen Erstemission und Börsenhandel.75 Zweitens dienen beide Regelungskomplexe als Marktrecht dem Abbau strukturbedingter Informationsasymmetrien durch Transparenz.76 Auch am Primärmarkt sollen mittels Informationsnormen Rahmenbedingungen geschaffen werden, um die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes und den Schutz der Anleger zu gewährleisten. Konzeptionell ist mithin von großem Interesse, welches Regelungsgerüst als Ausgangpunkt jeder Tätigkeit am Markt gefordert wird. Drittens ergab die funktionelle Betrachtung von Informationsnormen, dass eine einmal bekannte Information sich nicht auf bestimmte Märkte oder Marktsegmente begrenzen lässt, sondern allen Marktteilnehmern zur Verfügung steht und deren Entscheidungen mithin beeinflusst. Der daraus resultierende Abstimmungsbedarf wird durch einen rechtsvergleichenden Blick auf die Bestrebungen um ein integrated disclosure system in den USA schließlich bestärkt, wobei im Rahmen dieser Arbeit freilich nur gemeinsame Grundgedanken und Leitlinien herausgearbeitet werden können. Es ist jedoch nicht übertrieben, wenn in der Integration von primär- und sekundärrechtlichen Informationspflichten die wesentliche Herausforderung einer sinnvollen informationellen Kapitalmarktregulierung in Deutschland und Europa gesehen wird.77 Dem ACHTUNGREentspricht, dass der aktuelle Änderungsvorschlag von Prospekt- und Transparenzrichtlinie78 beide Komplexe als Einheit sieht und in einem ersten Ansatz aufeinander abzustimmen sucht. Der Vorschlag bestätigt damit neben der Notwendigkeit einer Minimierung des Verwaltungsaufwands aus Gründen der Verhältnismäßigkeit und der Ausrichtung der Publizität auf den Kleinanleger als Zielpublikum,79 dass die Pu-

74

Unterscheidung nach Kalls/Oppitz/Zollner, Kapitalmarktrecht, Bd. I, 2005, § 1 Rn. 25. Hirte/Heinrich, Kö-Ko WpHG, Einl., Rn. 3, weisen zu Recht auf die Auswirkungen des Preises am Sekundärmarkt auf zukünftige Neuemissionen hin. Hopt/Voigt, S. 1, 3 führen als Beispiele für die Konvergenz von Primär- und Sekundärmarktpublizität die Neuemission bereits früher emittierter Wertpapiere an: Was für den Neuerwerber „Erstinformation“ ist, stellt sich für die alten Inhaber als fortlaufende Information dar. 76 Hirte/Heinrich, Kö-Ko WpHG, Einl., Rn. 4. 77 So etwa Wüstemann/Bischof/Koch, in: Hopt (Hrsg.), Kapitalmarktregulierung, S. 1, 18, Ziff. 4. 78 Kommission, Änderungsvorschlag Prospekt- und Transparenzrichtlinie, KOM(2009) 491 endg.; vgl. insb. Erwägungsgründe (6), (14); zur Abstimmung von Regelpublizität und jährlichem Dokument, unten, D.II.5. 79 Zum „Kleinanleger als Zielpublikum“, oben, B.IV.3.b)aa); zur Abstufung wg. Verhältnismäßigkeit für KMU, oben, C.II.3.g)(2) a.E.; vgl. zu beidem, Kommission, ebd., sub. 5.3.6., Erwägungsgründe (10), (20). 75

II. Publizitätspflichten im geltenden nationalen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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blizitätspflichten beider Richtlinien in einer Zusammenschau gesehen und bei Doppelregulierung schlicht gestrichen werden müssen.80 Der Prospekt steht als zentrales Informationsdokument im Zentrum der Regelungen des Emissionsgeschäfts.81 Er soll das Publikum einmalig umfassend informieren.82 § 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 WpPG macht das öffentliche Angebot oder die Zulassung von Wertpapieren i.S.d. § 2 Nr. 1 WpPG zu einem organisierten Markt von der Veröffentlichung eines Prospekts abhängig. Ausnahmen bestehen nur gem. §§ 3 Abs. 3, 4 WpPG. Von Interesse für die Auslegung des Adressatenbegriffs ist dabei, dass ein ausschließlich an qualifizierte Anleger83 gerichtetes Angebot keiner Prospektpflicht unterliegt, § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WpPG. Vom Wertpapierprospekt zu unterscheiden ist die Zulassung von Wertpapieren zum Börsenhandel nach § 32 Abs. 1 BörsG. Darunter ist die öffentlich-rechtliche Erlaubnis zu verstehen, für den Handel in den betreffenden Wertpapieren in dem jeweiligen Marktsegment die Börseneinrichtungen zu nutzen.84 Mit der Einführung einer umfassenden Prospektpflicht und der Normierung einheitlicher Prospektanforderungen durch das WpPG hat die börsenrechtliche Zulassung erheblich an Bedeutung verloren.85 Der Börsenzulassungsprospekt ist nicht mehr das Kernstück des Zulassungsantrags oder Bestandteil des Zulassungsverfahrens, sondern nur noch Zulassungsvoraussetzung.86 § 32 Abs. 3 Nr. 2 BörsG setzt schlicht einen nach WpPG gebilligten oder bescheinigten87 Prospekt voraus, der dem Zulassungsantrag gem. § 48 Abs. 2 BörsZulV beizufügen ist.88 Da die Zulassung im Prospekt aufgehoben wurde,89 ist nunmehr nur noch die Zulassung im elektronischen Bundesanzeiger zu veröffentlichen, § 51 BörsZulV, und nicht mehr

80 Zum konzeptionell stimmigen Vorschlag der Streichung des jährlichen Dokuments, das mit Inkrafttreten der Transparenzrichtlinie schlicht überflüssig geworden ist, unten, D.II.5.; sowie Kommission, ebd., sub 5.3.9., Erwägungsgrund (14), Vorschlag Art. 1, Nr. 10: „Art. 10 [Prospektrichtlinie] wird gestrichen.“ 81 Klöhn, in: Langenbucher (Hrsg.), § 6, Rn. 37. 82 Zur Systematisierung in einmalige und kontinuierliche Publizität, Merkt, Unternehmenspublizität, S. 169 ff. 83 § 2 Nr. 6 WpPG, entspricht Art. 2 Abs. 1 lit. e) Prospektrichtlinie. Beachte, dass bei Erfahrungen im Finanzsektor und ab einem bestimmten Handelsvolumen eine Einordnung als qualifizierter Anleger auch über das Register nach § 27 WpPG erfolgen kann, vgl. § 2 Nr. 6 lit. e WpPG. Der Schutz zielt mithin vor allem auf den nicht professionellen, privaten Anleger mit kleinem Handelsvolumen ab. 84 Groß, Kapitalmarktrecht, § 32 BörsG, Rn. 1. 85 Groß, in: Marsch-Barner/Schäfer, § 9, Rn. 6. 86 Groß, Kapitalmarktrecht, § 32 BörsG, Rn. 2. Die Zulassungsvoraussetzungen sind in §§ 32 Abs. 3, 34 BörsG i.V.m. der BörsZulV normiert, Trapp, in: Marsch-Barner/Schäfer, § 31, Rn. 11. 87 Dazu Meyer, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, § 30, Rn. 61 ff. 88 Für weitere Kriterien für die Zulassung verweist § 32 Abs. 3 Nr. 1 BörsG auf Art. 35 der Verordnung (EG) Nr. 1287/2006 (MiFID-DVO), sowie über § 34 BörsG auf die konkretisierende BörsZulV. 89 Art. 4 Nr. 9 ProspektRL-UmsetzungsG.

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D. Das Publizitätskonzept am organisierten Kapitalmarkt

der gesamte Zulassungsantrag.90 Die Informationen nach § 48 Abs. 2 Satz 2 BörsZulV sind ohnehin nur auf Verlangen der Geschäftsführung vorzulegen. Dennoch dient auch § 51 BörsZulV der Unterrichtung des Publikums.91 Das Börsenzulassungsverfahren ist in diesem Sinne als informationserzwingende Markteintrittsschranke zu verstehen,92 welche in der Abstimmung mit den Vorschriften des WpPG und des Sekundärmarktes erhebliche Bedeutung für den Abbau von Informationsasymmetrien und die Transparenz am Kapitalmarkt erlangt. Nicht zuletzt knüpfen an die Zulassung eine Reihe von Folgepflichten an, die für die börsennotierte Aktiengesellschaft zu erheblichen Sonderregelungen führen.93 Publiziert wird aber nur die Zulassung nach § 51 BörsZulV. Dem Prospekt kommt im Rahmen von öffentlichen Angeboten in der Regel eine Doppelfunktion dergestalt zu, dass er einerseits rechtliche Voraussetzung der Börsennotierung ist und zugleich als zentrales Vertriebsdokument bei der Vermarktung der Wertpapiere, insbesondere gegenüber Privatanlegern, genutzt wird.94 Seine Bedeutung im Gefüge der Publizitätsnormen am Kapitalmarkt verdeutlicht § 5 Abs. 1 WpPG, welcher die Prospektgrundsätze der Vollständigkeit, Wahrheit,95 Klarheit und Aktualität normiert und zugleich die informierte Anlegerentscheidung („zutreffendes Urteil“) zum Maßstab des Prospektinhalts macht.96 Für letzteres sind die Grundsätze der Wesentlichkeit und Vergleichbarkeit von besonderer Bedeutung, die damit weiterhin Geltung behalten.97 Gem. § 5 Abs. 2 WpPG muss der Prospekt eine kurze und allgemein verständliche Zusammenfassung enthalten. Der Inhalt des Prospekts ergibt sich gem. § 7 WpPG weiterhin aus der ProspektVO,98 die in Umsetzung der Prospektrichtlinie erlassen wurde und unmittelbare Geltung im deutschen Recht hat.99 Die Mindestangaben sind, nach Wertpapierarten und Emittenten differenzierend, in Anhängen aufgeführt. Es erfolgt eine Einordnung in verschiedene Schemata und Module, Art. 3 Abs. 2 ProspektVO, wodurch die Vergleichbarkeit nochmals erheblich gefördert wird. Für Aktienemissionen gilt das strengste Regime, 90

Vgl. § 49 BörsZulV i.d.F. des 4. FMFG, BGBl. I 2002, 2010. Die Vorschrift wurde im Rahmen des FRUG, BGBl. I 2007, 1330 ff. gestrichen, Trapp, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, § 31, Rn. 7. 91 Begr. RegE BörsZulV, BR-Drucks. 72/87, S. 86. 92 So Trapp, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, § 31, Rn. 1. 93 Vgl. die Ausführungen zu §§ 21 ff. WpHG. Groß, Kapitalmarktrecht, § 32 BörsG, Rn. 41 m.w.N. sieht aber ein Sonderrecht für börsennotierte AG dadurch (noch) nicht als begründet. 94 Meyer, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, § 30, Rn. 1, 10. 95 Zu Abgrenzungsdetails nach der Neuformulierung im WpPG vgl. Groß, § 5 WpPG, Rn. 3 ff. 96 Klöhn, in: Langenbucher (Hrsg.), § 6, Rn. 43. 97 Nach der Neufassung im WpPG war dies zunächst str., Holzborn, in: ders. (Hrsg), § 5 WpPG, Rn. 4 ff. 98 Verordnung (EG) Nr. 809/2004 (ProspektVO). 99 Dazu Groß, Kapitalmarktrecht, § 7 WpPG, Rn. 1.

II. Publizitätspflichten im geltenden nationalen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Art. 21 Abs. 1 Nr. 1 ProspektVO. Die Vorgaben werden durch Empfehlungen des European Committee of Securities Regulators (CESR) zur einheitlichen Anwendung der Prospektvorschriften präzisiert (3. Stufe des sog. Lamfalussy-Verfahrens).100 Danach sind für die hier interessierenden Aktienemissionen zunächst zwingend geprüfte Finanzinformationen für die letzten drei Geschäftsjahre aufzunehmen.101 Der Emittent muss demnach mindestens drei Jahre als Unternehmen bestanden und Jahresabschlüsse publiziert102 haben. Diese sind grundsätzlich nach IFRS zu erstellen, wobei der bridge approach103 des CESR verdeutlicht, dass vor allem die Einheitlichkeit und Vergleichbarkeit über die drei Jahre zu gewährleisten sind. Ansonsten gilt der Grundsatz des true and fair view.104 Der Lagebericht, der zwar nicht nach IFRS, wohl aber nach § 37v Abs. 2 Nr. 2 WpHG105 in den Jahresfinanzbericht aufzunehmen ist, ist nicht Bestandteil des Prospekts. Kapitalmarktorientierte Emittenten haben Quartals- und Halbjahresfinanzberichte, die gem. Ziff. 20.6.1 Satz 1 des Anh. 1 zur ProspektVO aufzunehmen sind, an den Anforderungen der Transparenzrichtlinie auszurichten.106 Die Zusammenschau der Finanzangaben an Primär- und Sekundärmarkt ergibt folglich ein einheitliches Bild. In jedem Fall liegen vergleichbare historische Daten für einen Zeitraum von drei Jahren vor. Die Kapitalmarktorientierung des Prospekts wird dadurch verdeutlicht, dass auch zukunftsbezogene Angaben wie Geschäftsaussichten, die vor allem bei der Anlageentscheidung von Interesse sind,107 aufzunehmen sind. Daneben muss der Prospekt eine Erläuterung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage sowie die Angabe von Risikofaktoren enthalten, was vor allem aus dem Recht der USA bekannt ist.108 Auch die verantwortlichen Personen und Abschlussprüfer sind aufzunehmen.109 In Abstimmung mit den Meldepflichten nach §§ 21 ff. WpHG wird schließlich noch von Interesse sein, dass nach Ziff. 5.2.2 des Anh. III zur ProspVO anzugeben ist, wenn einzelne Investoren mehr als 5 % des Angebots erwerben wollen. Dies entspricht zwar der Eingangsschwelle der Transpa100

CESRs recommendations for the consistent implementation of the European Commissions Regulation on Prospectuses no. 809/2004, Ref: CESR/05-054b vom Januar 2005 (CESR-Empfehlungen), abrufbar unter: www.cesr-eu.org. 101 Ziff. 20.1 Abs. 1 Satz 1 des Anhang I zur ProspektVO. 102 Dies sieht § 3 Abs. 1 BörsZulV vor. Zu den weiteren Anforderungen, die ein Emittent bei Inanspruchnahme des regulierten Marktes erfüllen muss, siehe §§ 2, 3 BörsZulV. 103 Danach kann der Abschluss des Jahres 1 nach nationalen Vorschriften (HGB) und der Abschluss des Jahres 3 nach IFRS erstellt werden, sofern der Abschluss des („Brücken-“)Jahres 2 nach HGB und IFRS erstellt wird, vgl. Meyer, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, § 30, Rn. 22. 104 Ziff. 20.1 Abs. 5 Satz 2 des Anhang I zur ProspektVO, dazu sogleich. 105 Dazu sogleich. Die Vorschrift setzt die Vorgaben der Transparenzrichtlinie um. 106 Ziff. 10.1 der CESR-Empfehlungen. 107 Dazu aus primärmarktrechtlicher Sicht Fleischer, Gutachten F, S. F 46, F 48. 108 Meyer, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, § 30, Rn. 10, 41. Danach entspricht der Operating and Financial Review (OFR) im Wesentlichen der Managements Discussion and Analysis (MD&A). 109 Ziff. 20.1 Abs. 5 Satz 2 des Anhang I zur ProspektVO.

274 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

D. Das Publizitätskonzept am organisierten Kapitalmarkt

renzrichtlinie, nicht aber der 3 %-Schwelle des § 21 WpHG. Abweichungen von der ProspektVO hat die Bundesanstalt gem. § 8 Abs. 2 WpPG zu gestatten. Die als Ausnahmetatbestand konzipierte Vorschrift stellt dabei unter anderem auf das öffentliche Interesse, sowie auf eine mögliche Schädigung des Emittenten ab, sofern das Publikum dabei nicht über wesentliche Tatsachen und Umstände getäuscht wird, die für eine fundierte Beurteilung von Bedeutung sind.110 Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 WpPG ist ein Prospekt von der Bundesanstalt zu billigen, bevor er veröffentlicht werden kann. Die Bundesanstalt führt dabei lediglich eine Vollständigkeitsprüfung einschließlich einer Prüfung der Kohärenz und Verständlichkeit durch; eine bonitätsmäßige Überprüfung oder Prüfung auf inhaltliche Richtigkeit erfolgt damit nicht.111 Gem. § 9 Abs. 1 WpPG ist der Prospekt nach seiner Veröffentlichung zwölf Monate europaweit gültig (sog. europäischer Pass, vgl. §§ 17 ff. WpPG). Die Bundesanstalt macht die von ihr gebilligten Prospekte auf ihrer Internetseite für jeweils zwölf Monate zugänglich, § 13 Abs. 4 WpPG, und bewahrt sie für zehn Jahre auf, § 14 Abs. 6 WpPG. Neben der Hinterlegung bei der Bundesanstalt ist der Prospekt nach § 14 Abs. 2 WpPG zu veröffentlichen,112 wobei insbesondere die Möglichkeit des Einstellens auf der Internetseite des Emittenten häufig genutzt wird.113 Unter dem Aspekt der Marktinformation ist schließlich von Interesse, dass der Prospekt nebst Zusammenfassung nach § 16 Abs. 1 und 2 WpPG bei Auftreten neuer wichtiger Umstände oder Feststellung wesentlicher Unrichtigkeiten zu aktualisieren und der Nachtrag unverzüglich in derselben Weise wie der Prospekt bekannt zu machen ist. Diese Pflicht endet mit Schluss des öffentlichen Angebots oder Einbeziehung in den Handel, § 16 Abs. 1 Satz 1 WpPG. Darin wird die Bedeutung der Vorschrift als Emissionspublizität deutlich. Hier von Interesse ist aber, dass das Zulassungsverfahren und die Billigungspflicht gewährleisten, dass in jedem Fall ein bis zur Einbeziehung in den Handel aktualisiertes Informationspaket vorliegt und öffentlich bekannt gemacht wurde. Nach diesem Zeitpunkt114 greift, wie sogleich zu sehen sein wird, die inhaltlich von der Nachtragspflicht nicht wesentlich abweichende115 Pflicht zur Ad hoc-Publizität nach § 15 WpHG. Diese Meldungen sind dann wiederum jährlich in einem Dokument nach § 10 WpPG mit anderen (Finanz-)Informationen zusammenzufassen und in dem für Prospekte geltenden Verfahren nach § 14 Abs. 2 zu veröffentlichen, § 10 Abs. 1 Satz 2 WpPG. So ist gewährleistet, dass die

110 Vgl. § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2, Abs. 3 WpPG. Nach Abs. 2 Nr. 3 kann zudem von Angaben von untergeordneter Bedeutung abgewichen werden. 111 Dazu Groß, Kapitalmarktrecht, § 13 WpPG, Rn. 8. 112 Zur Streichung der Hinweisbekanntmachung gem. § 14 Abs. 3 Satz 2 WpHG a.F., siehe unten, D.II.4.c)aa). 113 Ausführlich Meyer, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, § 30, Rn. 70. 114 Die Pflicht besteht gem. § 15 Abs. 1 Satz 2 WpHG sobald der Antrag auf Zulassung gestellt ist. 115 So ausdrücklich BaFin, Emittentenleitfaden, Stand 15. 7. 2005, IV.2.2.3.

II. Publizitätspflichten im geltenden nationalen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Informationen regelmäßig aktualisiert zur Verfügung stehen.116 Zweifel bestehen dahingehend, ob die Internetseite des Emittenten der geeignete Ort ist, um diesen wichtigen Informationsfluss zusammenzuführen.117 Diese Bedenken werden aber erheblich gemildert, da gem. § 14 Abs. 1 WpPG auch der Hinterlegung bei der Bundesanstalt eine besondere Bedeutung zukommt. Damit wird eine nachträgliche Änderung ohne Kenntnisnahme der Bundesanstalt nicht mehr möglich sein; auch die aus der privaten Führung resultierenden oder durch Eingriffe von außen kommenden Unsicherheiten werden minimiert. Konsequent lässt § 11 Abs. 1 WpPG eine Einbeziehung von Angaben durch Verweis nur zu, wenn die betreffenden Dokumente von der zuständigen Behörde gebilligt oder bei ihr hinterlegt wurden. Damit ist das dargestellte Regime der Veröffentlichung und Hinterlegung auch in solchen Fällen sichergestellt, in denen umfassend von der Verweismöglichkeit Gebrauch gemacht wird. Zu beachten ist, dass die Bundesanstalt eine „Kettenverweisung“ auf ein hinterlegtes Dokument, welches seinerseits auf andere hinterlegte Dokumente verweist, nicht zulässt.118 Damit gewährleistet § 10 WpPG, dass wenigstens einmal jährlich die wesentlichen Informationen in einem Dokument zusammengefügt werden.119 Für die hier anzustellende Systematisierung ist die Ausgestaltung der Markteintrittspublizität vor allem deshalb interessant, weil dem Adressaten damit von Anfang an ein Grundgerüst an Informationen zur Verfügung steht, welches sodann durch die Publizitätspflichten der laufenden Marktteilnahme gewissermaßen (wenn auch aufgrund der teilweise abweichenden Informationsbedürfnisse modifiziert) fortgeführt wird. Inhaltlich kann somit hinsichtlich des Umfangs des hier darzustellenden Konzepts leicht auf die Vorgaben der ProspektVO zurückgegriffen werden, fasst diese doch das Mindestmaß an Informationen zusammen, die bei Inanspruchnahme der geregelten Märkte europaweit einheitlich offenzulegen sind. Als Ausgangspunkt für die konzeptionelle Darstellung der laufenden Publizität erweist sie sich damit als höchst hilfreich. Das Bedürfnis nach stärkerer inhaltlicher Abstimmung der beiden Informationsmassen ergibt sich bei dieser einheitlichen Betrachtung von selbst. 3. Publizitätspflichten der laufenden Marktteilnahme Im Folgenden soll nun die laufende Publizität am Sekundärmarkt einer gliedernden Ordnung unterzogen werden, wobei systematisch interessante Probleme exemplarisch vertieft werden.

116

Zu den Gründen der Veröffentlichung eines jährlichen Dokuments Götze, NZG 2007,

570. 117

Zu den Unsicherheiten der Nutzung emittenteneigener Internetseiten im Rahmen hoheitlicher Publizitätspflichten generell (ohne Hinterlegungspflicht) Merkt, Disclosing Disclosure, S. 115, 142. 118 Groß, Kapitalmarktrecht, § 11 WpPG, Rn. 3. 119 Meyer, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung, § 30, Rn. 58.

276 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

D. Das Publizitätskonzept am organisierten Kapitalmarkt

a) Die handelsrechtliche Rechnungslegungspublizität/Jahresabschlusspublizität Ausgangspunkt einer Systematisierung müssen die handelsrechtlichen Bestimmungen zu Rechnungslegung und Publizität sein. Nach § 325 HGB sind Kapitalgesellschaften120 verpflichtet, den Jahresabschluss mit Bestätigungsvermerk beim ACHTUNGREBetreiber des elektronischen Bundesanzeigers elektronisch einzureichen und dort vollständig bekannt zu machen.121 Gleichzeitig sind der Lagebericht, der Bericht des Aufsichtsrats, die nach § 161 AktG vorgeschriebene Erklärung und, soweit sich dies aus dem eingereichten Jahresabschluss nicht ergibt, der Vorschlag für die Verwendung des Ergebnisses und der Beschluss über seine Verwendung unter Angabe des Jahresüberschusses oder Jahresfehlbetrags elektronisch einzureichen und im elektronischen Bundesanzeiger bekannt machen zu lassen, § 325 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 HGB. Dies hat unverzüglich nach Vorlage an die Gesellschafter zu erfolgen.122 Die kapitalmarktrechtliche Zwischenberichtspublizität nach §§ 37 v ff. WpHG123 baut auf dieser Grundlage auf: § 37 v WpHG verpflichtet Inlandsemittenten, die einen organisierten Markt in Anspruch nehmen, nur in denjenigen Fällen einen Jahresfinanzbericht zu erstellen und der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen, in denen sie nicht bereits nach handelsrechtlichen Vorschriften zur Offenlegung der Rechnungslegungsunterlagen124 verpflichtet sind. Es gilt insofern ein Vorrang der handelsrechtlichen Jahresabschlusspublizität, wodurch eine Doppelregulierung vermieden werden soll.125 Somit ist § 325 HGB als zentrale Grundnorm zu verstehen, die für sämtliche inländische börsennotierte Aktiengesellschaften eine umfassende Offenlegungspflicht konstituiert, und somit den Funktionen der Offenlegung – Funktionsschutz des Marktes und Individualschutz der Marktteilnehmer – zu dienen bestimmt ist.126 In diesem Zusammenhang ist von Interesse, dass nach § 325 Abs. 2a HGB für große Kapitalgesellschaften, wozu die börsennotierte Aktiengesellschaft zählt,127 die Möglichkeit besteht, anstelle des Jahresabschlusses nach HGB einen Einzelabschluss offenzulegen,

120 Über § 264a HGB sind nun auch bestimmte Personenhandelsgesellschaften einbezogen, sofern nicht wenigstens ein persönlich haftender Gesellschafter natürliche Person ist, Merkt, in: Baumbach/Hopt, § 325 HGB, Rn. 1. 121 § 325 Abs. 1 Satz 1 HGB; dazu Maul/Seidler, in: Noack (Hrsg.), EHUG, S. 129. 122 § 325 Abs. 1 Satz 2 HGB. 123 Neugefasst durch das TUG, vgl. dazu Beiersdorf/Buchheim, BB 2006, 1674 ff., Beiersdorf/Rahe, BB 2007, 39 ff.; Nießen, NZG 2007, 41; Noack, WM 2007, 377 ff.; Pirner/ Lebherz, AG 2007, 19 ff. 124 Gem. § 37 v Abs. 2 WpHG hat der Jahresfinanzbericht „mindestens 1. den gemäß dem nationalen Recht des Sitzungsstaates des Unternehmens aufgestellten und geprüften Jahresabschluss, 2. den Lagebericht und 3. eine den Vorgaben des § 264 Abs. 2 Satz 3, § 289 Abs. 1 Satz 5 HGB entsprechende Erklärung zu enthalten.“ 125 Begr. RegE TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 24. 126 Merkt, in: Baumbach/Hopt, § 325 HGB, Fn. 1. 127 § 267 Abs. 3 Satz 2 HGB.

II. Publizitätspflichten im geltenden nationalen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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der vollständig nach IAS/IFRS128 (d. h. soweit die IFRS über das Endorsement-Verfahren ins Europäische Recht integriert sind)129 erstellt ist und reinen Informationszwecken dient. Fast alle deutschen börsennotierten Unternehmen nehmen heute diese Option wahr.130 Zu beachten ist, dass die Vorschrift nur die Publizität der Rechnungslegung betrifft. Für die gesellschaftsrechtliche Kapitalerhaltung und Ausschüttungsbemessung, die Besteuerung und die staatliche Beaufsichtigung bestimmter Branchen wird – in Deutschland131 – auch weiterhin ein Jahresabschluss nach HGB verlangt, der zu prüfen und nach den formalen Voraussetzungen des § 325 Abs. 2b HGB beim elektronischen Bundesanzeiger offenzulegen ist.132 Es entfällt lediglich die Bekanntmachungspflicht nach § 325 Abs. 2 HGB für den Jahresabschluss nach HGB. Eine entsprechende Regelung besteht für Konzernabschluss und Konzernlagebericht, § 325 Abs. 3 HGB. Auch diese sind gem. § 325 Abs. 2 HGB vollständig im elektronischen Bundesanzeiger bekannt zu machen. Diese Vorschrift erlangt ihre besondere Bedeutung in Zusammenhang mit der IAS-Verordnung der EU133. Danach sind Gesellschaften, deren Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind, verpflichtet, ihre Konzernabschlüsse134 nach IAS/IFRS aufzustellen, weshalb der Konzernabschluss heute bei größeren, kapitalmarktorientierten Unternehmen eindeutig im Mittelpunkt steht.135 Diesem Abschluss kommt neben der internen Entscheidungsfindung und der Rechenschaftsfunktion der Unternehmensleitung vor allem eine stark an zukünftigen Entwicklungen ausgerichtete, kapitalmarktorien128 International Accounting Standards/International Financial Reporting Standards, dazu Nonnenmacher, in: Marsch-Barner/Schäfer, § 55, Rn. 79 ff. (Inhalte), § 56 (zum Konzernabschluss). Bezüglich der Terminologie ist Vorsicht geboten: Während in der EU „IAS“ den Oberbegriff für IAS, IFRS und Interpretationsstandards bildet, erfassen die „IFRS“ im internationalen Sprachgebrauch sämtliche bereits geltende IAS sowie die neu veröffentlichten IFRS, vgl. Merkt, in: Baumbach/Hopt, Einl. v. § 238 HGB, Rn. 118 ff. 129 Zum Endorsement-Verfahren Buchheim/Knorr/Schmidt, KoR 2008, 373 ff. Im Wesentlichen entsprechen die von der EU übernommenen Vorschriften den vom IASB in London herausgegebenen IFRS. 130 Kötzle/Grüning, KoR 2009, 33 m.w.N. (95 %, was u. a. auf § 77 BörsO FWB zurückgeführt wird). 131 Dass die IFRS-Bilanz auch zur Ausschüttungsbemessung genutzt werden kann, belegt eine von der EU-Kommission in Auftrag gegebene Studie, nach der 17 der 27 Mitgliedstaaten eine Bilanzierung nach IFRS zulassen, und 10 dieser 17 keine Modifikationen für die Ausschüttungsbemessung vorschreiben, KPMG, Feasibility Study, S. 1; beachte aber: Auch die USA trennen streng zwischen financial und tax accounting. Fraglich ist hier allein, welche Funktionen dem financial accounting zukommen, vgl. Schröder, S. 43 m.w.N. 132 Merkt, in: Baumbach/Hopt, § 325, Fn. 6 f. 133 Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 (IAS-VO). 134 Zur Neukonzeption der Beurteilung eines Mutter-Tochter-Verhältnisses, insbesondere die Einbeziehung von Zweckgesellschaften durch das BilMoG („unmittelbarer oder mittelbarer beherrschender Einfluss“), vgl. § 290 Abs. 1, 2 Nr. 4 HGB; dazu Petersen/Zwirner, StuB 2009, 336 f. 135 Kropff, in: FS Claussen, S. 659, 661. Anders als in den USA war dies in Deutschland keineswegs immer so.

278 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

D. Das Publizitätskonzept am organisierten Kapitalmarkt

tierte Informationsfunktion zu, das heißt die publizierten Informationen orientieren sich stark am Informationsbedürfnis der Eigenkapitalgeber, wobei die Interessen der anderen Adressaten – IAS F.9 nennt neben den Investoren die Arbeitnehmer, Gläubiger, Lieferanten, Kunden, staatliche Stellen und die Öffentlichkeit – aber weitgehend als deckungsgleich gesehen werden.136 Diese werden so durch die Information mit geschützt.137 aa) Das traditionelle Bilanzrecht des HGB Um das sachliche Spannungsverhältnis zwischen Informationsfunktion und Ausschüttungsbemessung im Bilanzrecht verdeutlichen zu können,138 ist ein kurzer Überblick über das Bilanzrecht des HGB unumgänglich. Seit der umfassenden Reform durch das Bilanzrichtlinien-Gesetz139 sind die Vorschriften für Kapitalgesellschaften140 vereinheitlicht141 und in das Gesamtkonzept der §§ 238 ff. HGB integriert. Mit der klaren Einteilung in einen ersten für Personengesellschaften geltenden Abschnitt, der Regelvorschriften statuiert, und einen zweiten für Kapitalgesellschaften und GmbH & Co.142, der Sondervorschriften formuliert, soll der früheren Praxis Einhalt geboten werden, die strengeren Vorschriften für Kapitalgesellschaften auch auf andere Gesellschaftsformen zu übertragen.143 Grund ist, dass die für den Kapitalmarkt konzipierten Offenlegungspflichten kleinere Unternehmen überproportional und oftmals unverhältnismäßig belasten.144 Damit erklärt sich auch, dass innerhalb des Zweiten Abschnitts nochmals nach Größenordnung der Gesellschaft differenziert wird, vgl. § 267 HGB. Trotz dieses intern inhaltlich „abgestuften“ Konzepts sind die Regelungen doch als Einheit zu verstehen, die im Grundsatz rechtsformunabhängig

136 Nonnenmacher, in: Marsch-Barner/Schäfer, § 56, Rn. 5; kritisch Kußmaul/Weiler, KoR 2009, 163, 166. 137 Wolz/Janssen, WPg 2009, 593, 600 (Informationsfunktion so zentral, dass sie Vorsichtsprinzip ersetzt). 138 Sehr anschaulich Schön, ZGR 2000, 706 ff. 139 Gesetz zur Durchführung der Vierten, Siebenten und Achten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts (BiRiLiG) vom 19. 12. 1985, BGBl. I 1985, 2355. 140 Nicht integriert, aber inhaltlich abgestimmt, wurden die Vorschriften für Großunternehmen, die nicht Kapitalgesellschaften sind (§ 3 Abs. 1 PublG), sowie Sondernormen für Kreditinstitute (KWG, § 340 l HGB), Versicherungsgesellschaften (VAG, § 341 l HGB) und eG (§ 339 HGB), die hier aber ausgeklammert bleiben. 141 Fehrenbacher, Mü-Ko, § 325 HGB, Rn. 3. 142 Das Bedürfnis nach Gläubigerschutz entspricht aufgrund der Haftungsbeschränkung eher den Regelungen für Kapitalgesellschaften, die daher im Rahmen des KapCoRiLiG erstreckt wurden, vgl. oben, C.II.3.d)bb). 143 So mit Verweis auf die Amtl. Begr. Merkt, in: Baumbach/Hopt, Einl. v. § 238 HGB, Rn. 33. Die Möglichkeit einer analogen Übertragung richtet sich nach der Teleologie des Gesetzes, unter Beachtung der Einheitlichkeit. 144 Dazu bereits oben, C.II.3.d)bb); sowie unten, D.II.3.a)bb)(1) (IFRS für KMU).

II. Publizitätspflichten im geltenden nationalen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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auf alle Kaufleute Anwendung finden.145 Sie sind einheitlich auszulegen und miteinander in Einklang zu bringen. Dieses Systemdenken findet Unterstützung in der Tatsache, dass große Unternehmen, die aus formalen Gründen nicht dem Konzept des HGB unterfallen, dennoch nach §§ 5 ff. PublG zu umfassender Rechnungslegung, Prüfung und Offenlegung verpflichtet sind.146 Kaufleute des Ersten Abschnitts sind dagegen gar nicht zur Offenlegung verpflichtet,147 so dass hier Rechnungslegung nicht den Schutz von Anlagegesellschaftern, Gläubigern oder Dritten, sondern vornehmlich eine Selbstinformation bezweckt.148 Die Differenzierung nach Unternehmensgröße verdeutlicht, dass die Intensität, mit welcher der (Eigen- und Fremd-) ACHTUNGREKapitalmarkt in Anspruch genommen wird, das wesentliche Kriterium ist, nach dem Offenlegungspflichten auferlegt werden.149 Das bei Inanspruchnahme des organisierten Kapitalmarkts vornehmlich interessierende Recht der standardisierten Rechnungslegung, das sog. externe Rechnungswesen,150 beruht auf der für Kapitalgesellschaften geltenden Generalnorm des § 264 Abs. 2 HGB. Danach hat der Jahresabschluss unter Beachtung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage zu vermitteln. Er dient nach traditionellem Verständnis primär der Rechenschaft gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft (Gewinnermittlungs- und Rechenschaftsfunktion),151 aber auch der Sicherung des Rechtsverkehrs (Informationsfunktion), der Steuerbemessung,152 der Ausschüttungsbemessung und Kapitalerhaltung, aus historischer Sicht der internen Selbstinformation des Kaufmanns,153 sowie dem Gläubigerschutz.154 Neben dem Prinzip der Gläubigersicherung wird nunmehr auch dem Gedanken des Schutzes der (Minder145

Das Dritte Buch gilt für alle Kaufleute, Merkt, in: Baumbach/Hopt, Einl. v. § 238 HGB, Rn. 34. 146 Hier von Interesse u. a. große Personengesellschaften, § 3 Abs. 1 Nr. 1 PublG (nachfolgend ausgeklammert). 147 Zu Befreiungen von Buchführungs- und Bilanzierungspflicht vgl. §§ 241a, 242 Abs. 4 HGB n.F. (BilMoG). 148 Merkt, in: Baumbach/Hopt, Einl. v. § 238 HGB, Rn. 10 f.; zu den Schutzadressaten vgl. oben, B.IV.3.b)cc). 149 Merkt, ebd., § 325 HGB, Rn. 1. 150 Die standardisierte Rechnungslegung dient der Information außerhalb des Unternehmens stehender Personen, wohingegen die interne Rechnungslegung nach unternehmensindividuellen Regeln erstellt wird, Pellens/Fülbier/Gassen/Sellhorn, Rechnungslegung, S. 2. 151 Leffson, GoB, S. 41 ff. (Gläubigerschutz durch umfassende Information, jede zusätzliche schützt Gläubiger). 152 § 5 EStG, zu den Funktionen im Einzelnen Bohl, IAS/IFRS, Rn. 3 ff. 153 Zur historischen Entwicklung der Buchführung aus einem Selbstinformationsbedürfnis Coenenberg, Jahresabschluss, S. 11; zur Trennung zwischen interner und externer Rechnungslegung in Deutschland auch Nonnenmacher, in: Marsch-Barner/Schäfer, § 55, Rn. 11 m.w.N.; letztlich verdeutlicht die Tatsache, dass nicht alle Abschlüsse publiziert werden müssen, den erheblichen Selbstinformationszweck, Leffson, GoB, S. 55. 154 Übersicht bei Nonnenmacher, in: Marsch-Barner/Schäfer, § 55, Rn. 1 ff. m.w.N.

280 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

D. Das Publizitätskonzept am organisierten Kapitalmarkt

heits-)Aktionäre verstärkt Rechnung getragen.155 Eine Schutzklausel für personenbezogene Daten ist hingegen wie gesehen in den Rechnungslegungsvorschriften nicht enthalten.156 Der Jahresabschluss setzt sich nach § 242 Abs. 3 HGB aus der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung zusammen, und wird nach § 264 Abs. 1 HGB für Kapitalgesellschaften um einen Anhang erweitert, der mit ersteren eine Einheit bildet, sowie um einen Lagebericht157 ergänzt, §§ 264 Abs.1, 267 Abs. 1 HGB. Das BilMoG158 verpflichtet kapitalmarktorientierte Unternehmen, die nicht der Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses unterliegen, den Jahresabschluss um eine Kapitalflussrechnung und einen Eigenkapitalspiegel zu erweitern und ermöglicht die Segmentberichterstattung, einen aus Wettbewerbssicht sehr sensiblen Bereich,159 auf freiwilliger Basis, § 246 Abs. 1 HGB.160 Eine Darstellung sämtlicher Einzelangaben kann hier nicht erfolgen, und ist zudem an anderer Stelle bereits übersichtlich und umfassend erfolgt.161 Zusammenfassend lässt sich aber feststellen, dass für börsennotierte Gesellschaften ein umfassender, detailliert aufgefächerter Pflichtenkatalog besteht, der wesentliche Angaben an zentraler Stelle nach einheitlichen Grundsätzen zusammenfasst. Es gelten die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung, von denen als wichtigste kodifiziert sind:162 Grundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit, der Einzelbewertung, der Richtigkeit und Willkürfreiheit, der Vollständigkeit, der Bilanzidentität, der Vorsicht, sowie das Realisations-, das Imparitäts- und das Niederstwertprinzip.163 Aus dem Katalog der Einzelangaben sei hier nur erwähnt, dass folgende, später noch exemplarisch zu behandelnde Informationen in der Bilanz bereits an zentraler Stelle offenzulegen sind: die aufgegliederten Bezüge der Vorstandsmitglieder nach § 285 Nr. 9a HGB im Anhang, wahlweise auch nur im Lagebericht, § 289 Abs. 2 Nr. 5 HGB, und bei Beschluss der Hauptversammlung gar nicht, § 286 Abs. 5 Satz 1 HGB; die Beteiligung an großen Kapitalgesellschaften mit mehr als 5 % der Stimmrechte, § 285 Nr. 11 HGB; neuerdings164 der Hinweis dass die Erklärung nach § 161 AktG abgegeben wurde und wo sie öffentlich zugänglich ist. Im Lagebericht sind das Vergütungssystem und die Angaben nach § 285 Nr. 9 HGB nochmals zu 155 156 157

Coenenberg, Jahresabschluss, S. 15 weist diese Entwicklung seit 1965 nach. Fehrenbacher, Mü-Ko, § 325 HGB, Rn. 7. Zur zunehmenden informationellen Qualität des Lageberichts Dietsche/Fink, KoR 2008,

250 ff. 158

Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG), BGBl. I 2009 vom 25. 5. 2009, S. 1102; dazu Petersen/Zwirner (Hrsg.), BilMoG. 159 Dazu oben, B.III.1.d)bb); Leuz, in: Leuz/Pfaff/Hopwood, S. 164 ff.; Link, in: Schön (Hrsg.), S. 529, 542. 160 Nonnenmacher, in: Marsch-Barner/Schäfer, § 55, Rn. 17. 161 Ebd., Rn. 54 ff. 162 In Anlehnung an Coenenberg, Jahresabschluss, S. 46 ff. 163 Vgl. §§ 238 Abs. 1 Satz 2, 243 Abs. 2, 252 Abs. 1 Nr. 3, 239 Abs. 2, 264 Abs. 1, 252 Abs. 1 Nr. 1 und 4, 253 Abs. 3 und 4 HGB. 164 Eingeführt durch das BilMoG, BGBl. I 2009, 1102.

II. Publizitätspflichten im geltenden nationalen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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erörtern. Zudem enthält der Lagebericht eine Vielzahl von Prognosen, so die Beurteilung der voraussichtlichen Entwicklung mit Chancen und Risiken, § 289 Abs. 1 Satz 4 HGB. Den Prognosen kommt aufgrund ihrer Zukunftsorientierung erhebliche Bedeutung für die Renditeerwartung des Kapitalmarktes zu.165 Damit sind sie elementarer Bestandteil einer umfassenden Rechenschaft, die alle entscheidungserheblichen Informationen umfassen muss.166 Gleichzeitig „entobjektivieren“ Prognosen aber die Bilanz mit Informationen, die traditionell dem (getrennten) internen Rechnungswesen zuzuordnen sind.167 Die Richtigkeit dieser Angaben wird unter anderem durch umfassende Vorschriften zur Bilanzprüfung168 und den „Bilanzeid“169 des Vorstandes nach § 264 Abs. 2 Satz 3 HGB gewährleistet. Nach dieser Vorschrift sind die gesetzlichen Vertreter einer börsennotierten Kapitalgesellschaft verpflichtet, die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben bei Erstellung des Jahresabschlusses schriftlich zu bestätigen. Sie müssen versichern, dass „nach besten Wissen der Jahresabschluss ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage“ vermittelt. Die Erklärung ist straf- und zivilrechtlich mit Sanktionen belegt, womit ihr gegenüber dem Vorstand eine Appell- und Warnfunktion sowie eine Abschreckungsfunktion zukommt.170 Allgemein sollen das Anlegervertrauen in die Richtigkeit der Bilanzberichterstattung gefördert und über die Zertifizierung vertrauenssteigernde Signale an den Markt gesendet werden.171 Entsprechende Regelungen gelten für den Lagebericht172, wobei neben einer Beurteilung der Risiken auch die wesentlichen Chancen umfasst sind, also eine zukunftsorientierte Betrachtung erfolgt173, und für die Rechnungslegung im Konzern174. Beim Konzernabschluss besteht zudem seit dem TransPuG175 eine intensivierte Prüfungs- und Billigungspflicht des Aufsichtsrats, wodurch der generelle und marktorientierte Informations- und Re165

Pechtl, zfbf 52 (2000), 141, 143. Anschaulich Leffson, Grundsätze, S. 54; Bechtel/Köster/Steenken, in: FS Leffson, S. 205, 207 f. (vergangenheitsbezogene Informationen nicht ausreichend für die Entscheidung der Kapitalgewährung). 167 Hillmer, KoR 2008, 193 (zunehmende Verzahnung von internem und externem Rechnungswesen). 168 Dazu Nonnenmacher, in: Marsch-Barner/Schäfer, § 58; vgl. § 55c WPO (Transparenzberichterstattung). 169 Dazu Fleischer, ZIP 2007, 97 ff. 170 Detailliert Fleischer, ZIP 2007, 97, 104 ff. 171 Ebd. Insofern ist die Vorschrift als direkte Reaktion auf die jüngsten Rechnungslegungsskandale in Europa und den USA zu verstehen. Section 302 Sarbanes Oxley Act kommt eine unmittelbare Vorbildwirkung zu, Begr. Reg-E TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 55. 172 § 289 Abs. 1 Satz 5 HGB. 173 Nießen, NZG 2007, 41, 44. 174 § 297 Abs. 2 Satz 4 HGB (Konzernabschluss); § 315 Abs. 1 Satz 6 HGB (Konzernlagebericht). 175 Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität (Transparenz- und Publizitätsgesetz – TransPuG), BGBl. I 2002, 2681 vom 25. 6. 2002. 166

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D. Das Publizitätskonzept am organisierten Kapitalmarkt

chenschaftszweck gegenüber dem gesamten Rechtsverkehr noch verdeutlicht wird.176 Das deutsche Bilanzrecht in dieser hier nur überblicksartig dargestellten Form, geht im Wesentlichen auf die Umsetzung europäischer Richtlinien zurück, von denen hier nur die Bilanz- und Konzernbilanzrichtlinie,177 die Bankbilanzrichtlinie,178 sowie die Versicherungsbilanzrichtlinie179 als die wichtigsten genannt seien. Es ist im Rahmen der Bestrebungen zu sehen, einen integrierten europäischen Finanzraum dadurch zu schaffen, dass Zugangshindernisse abgebaut, Doppelregulierung vermieden und gleichartige Wettbewerbsbedingungen für die Unternehmen in der EU geschaffen werden.180 Neben Marktintegration und Anlegerschutz lässt sich der Schutz der Gesellschaftsgläubiger als einheitliche Zielsetzung dieser Rechtsakte herausarbeiten.181 Dies ist darauf zurückzuführen, dass sie alle auf Art. 50 Abs. 2 lit. g AEUV (ex-Art. 44 Abs. 2 lit. g EGV) gestützt werden, der die Harmonisierung von Schutzbestimmungen der Mitgliedstaaten im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter zum Ziel hat, wovon insbesondere die Gläubiger erfasst sind.182 bb) Die Öffnung zur kapitalmarktorientierten Informationsbilanz: Zunehmende Transparenz und Vergleichbarkeit durch Annäherung der Rechnungslegung an IFRS Diese traditionell im deutschen Bilanzrecht vorherrschende Sichtweise wird nun zunehmend durch die kapitalmarktrechtliche Perspektive verdrängt. Die Anwendung von IAS/IFRS nach der IAS-Verordnung183 und deren mangelnde Berücksichtigung des Gläubigerschutzes, der Kapitalerhaltung, der Ausschüttungsbemessung und der steuerlichen Gewinnverwendung wurden bereits erwähnt. Darauf folgten die Richtlinie zur Änderung der EU-Rechnungslegungsrichtlinien (Modernisierungsrichtlinie)184, die Schwellenwertrichtlinie185 und die Fair-Value-Richtlinie186, sowie das umsetzende Bilanzrechtsreformgesetz.187 Dadurch sollte das Bilanzrecht an internatio-

176

Nonnenmacher, in: Marsch-Barner/Schäfer, § 56 Rn. 7, 16 ff. Vierte Richtlinie 78/660/EWG (Bilanzrichtlinie); Siebente Richtlinie 83/349/EWG (Konzernbilanzrichtlinie). 178 Richtlinie 86/635/EWG (Bankbilanzrichtlinie). 179 Richtlinie 91/674/EWG (Versicherungsbilanzrichtlinie). 180 Schön, ZGR 2000, 706, 707 m.w.N. 181 Ebd., S. 709 m.w.N. 182 Nonnenmacher, in: Marsch-Barner/Schäfer, § 55, Rn. 46. 183 Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 (IAS-VO). 184 Richtlinie 2003/51/EG (Modernisierungsrichtlinie). 185 Richtlinie 2003/38/EG (Schwellenwertrichtlinie). 186 Richtlinie 2001/65/EG (Fair-Value-RL); zu den Auswirkungen Huthmann/Hofele, KoR 2005, 181 ff. („IFRS-ähnliche Bilanzierungsvorschriften“). 187 BGBl. I 2004, 3176; dazu Meyer, DStR 2004, 971. 177

II. Publizitätspflichten im geltenden nationalen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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nale Standards188 angehoben werden. Ferner wurden umfassende Wahlrechte geschaffen, die an die Unternehmen weitergegeben wurden. Es wurde das erläuterte Wahlrecht eingeräumt, unter bestimmten Voraussetzungen auch außerhalb der Konzernbilanzierung einen IAS/IFRS-Abschluss zu veröffentlichen.189 Die Kapitalmarktorientierung wird in der neuesten Entwicklung190 durch das Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (BilMoG)191 nochmals unterstrichen, welches das deutsche Bilanzrecht insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen als attraktive, vollwertige und kostengünstigere Alternative zu den IAS/IFRS weiterentwickeln soll, da letztere hauptsächlich auf kapitalmarktorientierte Unternehmen ausgelegt seien. Insofern bestätigt sich die Vermutung, dass sich für die kapitalmarktorientierten Publikumsgesellschaften mit IAS/IFRS zunehmend ein eigenständiges Informationsregime herausbildet.192 Dessen Attraktivität und Akzeptanz steigt, so auch die empirischen Befunde, mit der Größe, der Internationalisierung, vor allem aber mit der Kapitalmarktorientierung eines Unternehmens, und wird von kleinen und mittleren Unternehmen zumeist als unpassend befunden und daher abgelehnt.193 (1) Auswirkungen auf kapitalmarktferne Unternehmen Eine Beurteilung, ob die Steigerung des Informationsgehalts und die Annäherung der HGB-Rechnungslegung an die für den Kapitalmarkt konzipierten IFRS194 auch für nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen zu rechtfertigen ist, ginge über den Bereich dieser Arbeit hinaus. Hier genügt es festzustellen, dass die Verschärfung der Publizitätspflichten für alle Kaufleute vielfach als unangemessen kritisiert worden ist,195 und sich auch mit dem Argument zunehmenden internationalen Drucks196 nicht rechtfertigen lässt, da eine europaweite Vereinheitlichung der Einzelbilanz auf 188 Der hohe „Qualitätsstandard“ der IFRS wird vor allem aus Sicht des Kapitalmarktes und nach dessen spezifischen Informationsbedürfnissen bewertet, dazu sogleich. 189 Vgl. § 325 Abs. 2, 2a, 2b HGB. Der HGB-Abschluss muss auch weiterhin erstellt werden. 190 Nicht diskutiert werden hier TUG und EHUG (einheitliche Form der Offenlegung für alle Kapitalgesellschaften, vgl. den Überblick bei Merkt, in: Baumbach/Hopt, Einl. v. § 238 HGB, Rn. 28 ff. 191 Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG), BGBl. I 2009 vom 25. 5. 2009, S. 1102; dazu Petersen/Zwirner (Hrsg.), BilMoG. 192 Vgl. die neuesten Überlegungen zur Trennung des Aktienrechts in börsennotierte und nicht börsennotierte Gesellschaften bei Meyer, Gutachten E, S. E50-E53, E81-E129. 193 Vgl. die erläuterten empirischen Studien; Überblick bei Pellens/Fülbier/Gassen/Sellhorn, S. 973 f. 194 Begr. RegE BilMoG vom 30. 7. 2008, BT-Drucks. 16/10067, S. 34 („maßvolle Annäherung“); zu der Annäherung der HGB-Regeln an die IFRS im Einzelnen Gros, Der Konzern 2008, 466, 474 ff. 195 Gros, Der Konzern 2008, 466, 467 m.w.N. 196 Der Vergleich mit den USA zeigt, dass dort für Unternehmen, die keine Wertpapiere i.S.d. Sec. 12 SEA emittieren, keine bundesrechtliche Pflicht zur externen, nicht steuerlichen Rechnungslegung besteht, Gros, Der Konzern 2008, 466, 468.

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D. Das Publizitätskonzept am organisierten Kapitalmarkt

IFRS gerade nicht angestrebt wird.197 Dennoch wird vielfach ein befreiender IAS/ IFRS-Einzelabschluss für alle Unternehmen, dann freilich unter Loslösung von der Ausschüttungs- und Steuerbemessungsfunktion, gefordert.198 Dies ist aber im Rahmen des BilMoG nicht erfolgt.199 Es konnte hier am Beispiel der HGB-Rechnungslegung gezeigt werden, dass ein abgestuftes Konzept auch die Bedürfnisse des „Mittelstandes“ berücksichtigen kann. Die Debatte um die Herausbildung von „IFRS for Private Entities“ (ursprünglicher Name: „ED-IFRS for SMEs“)200 hat aber gezeigt,201 dass die rasant voranschreitende Internationalisierung die notwendige Differenzierung oft vernachlässigt. Im Kern geht es darum, dass das IASB202 die IFRS keinesfalls als kapitalmarktorientiert bewertet, sondern sie, freilich aus angloamerikanischem Grundverständnis203 heraus mit Blick auf außenstehende Eigen- und Fremdkapitalgeber,204 auch für KMU geeignet hält und nur eine auf die Nutzer abgestimmte Beschränkung fordert.205 Folglich wird in dem Entwurf umfassend auf die „full IFRS“ verwiesen. Die Abgrenzung soll nach Vorschlag des IASB nicht größenabhängig, sondern nach dem qualitativen Kriterium der öffentlichen Rechnungslegungspflicht (public accountability) erfolgen. Danach kann jeder Eigenkapitalgeber sein Informationsinteresse geltend machen und Rechnungslegung nach „full IFRS“ verlangen.206 Mangels klarer Abgrenzungskriterien ist damit aber eine auch aus Wettbewerbssicht höchst problematische Uneinheitlichkeit in der Anwendung der Standards verbunden. Dies führt zu der Gefahr, dass KMU zu einer Rechnungslegung nach IFRS verpflichtet werden, die nur eine Kurzfassung der kapitalmarktorientierten Rechnungslegung darstellen und die spezifischen Bedürfnisse der Unternehmen nicht in ausreichendem Maße berücksichtigen.207 Freilich ist die Herausbildung einer interna-

197 Insofern könnte die nur partielle Annäherung an die IFRS international auch als Ablehnung einer Übernahme der IFRS-Bilanz verstanden werden, Böcking, Der Konzern 2008, 461, 462. 198 Merkt, in: Baumbach/Hopt, Einl. v. § 238, Rn. 155 m.w.N. (Gründe für die Ausgestaltung nach BilReG). 199 Anders noch im Referentenentwurf geplant, Zülch/Hoffmann, BB 2008, 1272, 1273. 200 Zum Exposure Draft von „IFRS for small and medium Entities/Private Entities“, Bohl, IAS/IFRS, Rn. 85. 201 Dazu oben, C.II.3.g)bb); Überblick bei Beiersdorf/Morich, KoR 2009, 1 – 13. 202 Zum International Accounting Standards Board (IASB) und den internationalen Rechnungslegungsstandards siehe Merkt, in: Baumbach/Hopt, Einl. v. § 238 HGB, Rn. 97 ff.; zu Zusammensetzung, Tätigkeiten und Legitimationsgrundlagen des IASB vgl. Bohl, IAS/IFRS, Rn. 46 ff. 203 Daher wird der Entwurf in Großbritannien im Gegensatz zu Deutschland und Frankreich auch als unproblematisch gesehen, Kajüter/Schoberth/Zapp/Lübbig, KoR 2008, 598, 601 204 Hommelhoff, ZGR 2008, S. 250, 251, 272. 205 Bohl, IAS/IFRS, Rn. 85. 206 Ausführliche (kritische) Darstellung bei Lüdenbach/Hoffmann, BFuP 2004, 596, 599. 207 Merkt, in: Baumbach/Hopt, Einl. v. § 238 HGB, Rn. 96 (Verweis auf Ausstrahlungswirkung der full IFRS).

II. Publizitätspflichten im geltenden nationalen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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tional vergleichbaren und standardisierten Rechnungslegung anzustreben,208 um auch KMU eine grenzüberschreitende Tätigkeit im Binnenmarkt als „einheitlichem Raum des gegenseitigen Austausches überall verständlicher Information ohne Grenzen“209 zu ermöglichen. Konkurrenzanalyse lässt sich bei zunehmend internationalisierter Tätigkeit von Unternehmen und Investoren nicht mehr nur national betreiben.210 Dennoch ist davor zu warnen, dem Druck der (das IASB prägenden)211 internationalen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften212 oder angloamerikanisch geprägter Regelungsvorstellungen nachzugeben und das bewährte System der HGB-Rechnungslegung mit seinen Funktionen der Gewinnermittlung, der Kapitalerhaltung und des Gläubigerschutzes, der Information und der Ermittlung des steuerpflichtigen Gewinns, vorschnell aufzugeben. Der richtige Ansatz scheint vielmehr zu sein, das vorhandene und bewährte Bilanzrecht – in enger Abstimmung mit dem jeweiligen Gesellschaftsrecht213 – als vollwertige Alternative zu IFRS zu modernisieren und auf heutige Informationsbedürfnisse abzustimmen, um es international wettbewerbsfähig zu machen. So hat das BilMoG durch die Reduktion der Wahlrechte214 und neue Aktivierungsgebote die Informationsfunktion der Rechnungslegung gestärkt und zugleich dem Gläubigerschutz, soweit erforderlich, durch Ausschüttungssperren Rechnung getragen.215 Die Schwellenwerte der in § 293 HGB geregelten Größenkriterien wurden so weit wie zulässig erhöht, womit eine weitergehende Befreiung von der Konzernrechnungslegung einhergeht.216 Damit fügt sich aber die Rechnungslegung für KMU in das dargestellte Konzept abgestufter Publizitätspflichten ein: Den berechtigten Geheimhaltungsinteressen wird umfassend Rechnung getragen; die Of208

Eindringliche Forderung bei Hommelhoff, ZGR 2008, 250, 271. So die Begründung zur Rechnungslegungsrichtlinie, vgl. Hommelhoff, RabelsZ 62, (1998), 381, 392 m.w.N. 210 So aber heute noch als gegen internationale Rechnungslegung sprechendes Argument bei Merkt, in: Baumbach/Hopt, Einl. v. § 238 HGB, Rn. 94 f. (zu Vor- und Nachteilen der Internationalisierung). 211 Zur Zusammensetzung des IASB vgl. Bohl, IAS/IFRS, Rn. 46 ff. (private Vereinigung von Abschlussprüferverbänden, im Wesentlichen (ca. 70 %) finanziert durch die „Großen Vier“). 212 Diese haben freilich ein natürliches Interesse an weltweiter Einheitlichkeit, Roth, DStR 2007, 1454, 1457. 213 So war das BilMoG eng verknüpft mit dem MoMiG, welches über den informationellen Gläubigerschutz hinaus das gesamte Kapitalschutzsystem der GmbH modernisierte, Pellens/ Kemper/Schmidt, ZGR 08, 381, 388. 214 Zu § 253 Abs. 3 Satz 4 HGB n.F. sowie zur Aufhebung vormals zulässiger Ermessensabschreibung im Rahmen des BilMoG, vgl. Wolz/Janssen, WPg 2009, 593, 604; Überblick über die Reduktion der Bewertungs- und Bilanzierungswahlrechte auch bei Hüttche, StuB 2009, 409, 410, 413 ff. (kritisch, noch immer Spielräume). 215 Vgl. §§ 266 Abs. 2 A I 1, 268 Abs. 8 HGB. Hommelhoff, ZGR 2008, 250, 257 ff. m.w.N. weist umfassend nach, dass sämtliche Neuregelungen gläubigerschutzneutral waren. 216 Petersen/Zwirner, StuB 2009, 335, 338 (Erhöhungen um bis zu 20 % schöpfen den Spielraum der EU-Abänderungsrichtlinie voll aus und ermöglichen somit mehr Unternehmen den HGB-Abschluss zu vermeiden). 209

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D. Das Publizitätskonzept am organisierten Kapitalmarkt

fenlegungspflichten steigern sich dann aber mit der Intensität der Marktteilnahme, so dass bei Inanspruchnahme der internationalen Kapitalmärkte auch deren Informationsbedürfnisse Berücksichtigung finden. Dies entspricht den Forderungen der KMU selbst, die ohnehin kaum internationale Investoren haben.217 Die empirisch festgestellte zunehmende Diskrepanz der Qualität der Geschäftsberichte nach Unternehmensgröße218 ist aus diesem systematischen Zusammenhang und den unterschiedlichen Informationsbedürfnissen der Adressaten heraus zu verstehen. Sie darf aber nicht dazu führen, dass sich zwei vollständig getrennte Systeme herausbilden, die in den Grundlagen nicht mehr vergleichbar sind und einen fließenden Übergang zwischen den Standards unmöglich machen. Nicht zuletzt würde damit KMU die umfassende Inanspruchnahme des Binnen(kapital)marktes erschwert, die doch gerade aus Gründen der Niederlassungsfreiheit erleichtert und gefördert werden soll.219 (2) Auswirkungen bei Inanspruchnahme des Kapitalmarkts Wie wirkt sich das BilMoG aber auf kapitalmarktorientierte Unternehmen aus? Diese werden durch den neu eingefügten § 264d HGB zunächst als eigenständiger Begriff, an welchen ein eigenständiges Regelungsregime anknüpft, definiert. Dabei wird über §§ 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 WpHG auch hier220 an die Inanspruchnahme eines organisierten Marktes angeknüpft, und nicht an die Börsennotierung i.S.d. § 3 Abs. 2 AktG oder den Handel an einem geregelten Markt i.S.d. Art. 4 der IASVerordnung. Kapitalmarktorientierte Unternehmen, die nicht der Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses unterliegen, werden wie gesehen durch das BilMoG verpflichtet, den Jahresabschluss um eine Kapitalflussrechnung und einen Eigenkapitalspiegel zu erweitern, § 246 Abs. 1 HGB.221 Eine Segmentberichterstattung wird auf freiwilliger Basis ermöglicht. Der Umfang der Angaben im Anhang wird deutlich erweitert.222 Zudem sind im Lagebericht gem. § 289 Abs. 5 HGB223 die „wesentlichen Merkmale des internen Kontroll- und Managementsystems im Hinblick auf den Rechnungslegungsprozess zu beschreiben“. Kapitalmarktorientierte Aktiengesellschaften224 haben zudem eine Erklärung zur Unternehmensführung abzugeben, § 289a HGB. Unter Gesichtspunkten der Corporate Governance fördert dies die Transparenz des internen Informationsverarbeitungsprozesses und somit die Richtigkeit und Verlässlichkeit der publizierten Information. Inhaltlich fällt vor allem auf, 217

Anstatt vieler Eierle/Beiersdorf/Haller, KoR 2008, 152, 163. Vgl. schon Merkt, Unternehmenspublizität, S. 204; sowie oben, B.III.1.d)bb). 219 Vgl. dazu den Entwurf für die SPE-VO im Rahmen des Small Business Act; dazu oben, C.II.4.a) m.w.N. 220 Vgl. bereits grundlegend, oben, A.III.4. (Definition Kapitalmarktrecht über Inanspruchnahme der Märkte). 221 Nonnenmacher, in: Marsch-Barner/Schäfer, § 55, Rn. 17. 222 Vgl. § 285 HGB n.F., für den Konzernanhang § 314 HGB n.F. 223 Für den Konzernlagebericht § 315 HGB. 224 Vgl. § 289a HGB. Zum Begriff der „kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaft“ vgl. § 264d HGB. 218

II. Publizitätspflichten im geltenden nationalen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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dass die Unternehmenswahlrechte in Annäherung an die internationale Rechnungslegung225 drastisch reduziert und eine Reihe neuer Aktivierungsgebote hinzugetreten sind. Damit wird das Gestaltungspotential der Bilanzpolitik, verstanden als die bewusste und zweckorientierte Beeinflussung publizierter Unternehmensdaten im Rahmen des Rechts,226 erheblich eingeschränkt.227 Im Ergebnis werden Informationskraft und Vergleichbarkeit gestärkt, ohne die Ziele des Vorsichtsprinzips aufzugeben: An der doppelfunktionalen Einheitsbilanz kann festgehalten werden,228 ohne umfassenden Vertrauensverlust der Märkte befürchten zu müssen.229 Nur am Rande sei bemerkt, dass die Spielräume bilanzpolitischer Gestaltung nach dem BilMoG möglicherweise geringer sind, als nach IFRS, die zwar keine gesetzlichen Bilanzansatzwahlrechte enthalten, aber durch eine Fülle von unbestimmten Rechtsbegriffen und Ermessensspielräumen erhebliches Beeinflussungspotential aufweisen.230 Vor dem Hintergrund, dass Qualität und Aussagekraft der Rechnungslegung in der Finanzkrise erheblich zu leiden scheinen,231 kann diese Ausgestaltung der HGB-Bilanz Vertrauen stärken. Aus funktionsdogmatischer Sicht interessant ist hier, dass die Bilanzpolitik vor allem zwei Zielsetzungen verfolgt. Einerseits versuchen Unternehmen, die Bemessungsgrundlagen für Steuern und Ausschüttungen zu beeinflussen, andererseits wird gezielt das Verhalten der Bilanzadressaten gelenkt.232 Damit erscheint es einerseits sinnvoll, die Bemessung von Steuern und Ausschüttungen von der kapitalmarktorientierten Informationsbilanz zu trennen, damit letztere im Aussagegehalt möglichst wenig (z. B. aus steuerlichen Gründen) verfälscht wird. Andererseits zeigt die gezielte Nutzung der verhaltenssteuernden Funktion von Publizität, dass enge 225 Dazu Busse von Colbe/Schurbohm-Ebneth, BB 2008, 98, 102; ebenso Küting, BB 2008, 1330, 1334. 226 Vorrangiges Ziel ist die Verhaltensbeeinflussung, Schult/Brösel, Bilanzanalyse, S. 87; Küting, BB 2008, 1330 f.; kritisch Hüttche, StuB 2009, 409 ff. (Bilanzpolitik auch „nach BilMoG“). 227 So auch das ausdrückliche Ziel der Modernisierung, Begr. RegE BilMoG, BTDrucks. 16/10067, 71; str., kritisch dazu (aufgrund der Einführung neuer Wahlrechte) Hüttche, BB 2009, 1346 ff.; ders., StuB 2009, 409 ff. (Bilanzpolitik auch „nach BilMoG“); Zülch/ Hoffmann, DB 2009, 750 ff. m.w.N. 228 Einschränkungen erfährt das Konzept der Einheitsbilanz freilich mit der zunehmenden Eigenständigkeit der Steuerbilanz; dazu sogleich; so dass Informations- und Gläubigerschutzfunktion im Mittelpunkt des „Einheitsgedankens“ stehen. Da der informationelle Schutz bei großen kapitalmarktorientierten Unternehmen im Wesentlichen durch die IFRS-Konzernbilanz erfolgt, ist für diese Gruppe eine weitere Einschränkung erforderlich. Für den Mittelstand soll aber ausdrücklich am Konzept der Einheitsbilanz festgehalten werden, vgl. Begr. RegE BilMoG, BT-Drucks. 16/10067 vom 30. 7. 08, S. 49. 229 Anschaulich Hommelhoff, ZGR 2008, 250, 253 ff. 230 Küting, BB 2008, 1330 f.; Kußmaul/Weiler, KoR 2009, 163, 169 (bezweifelt Schutzfunktion für Gläubiger). 231 Vgl. oben, B.III.2.g); Zwirner, DB 2009, 353 ff.; Ruhwedel/Sellhorn/Lerchenmüller, DB 09, 1305 ff. m.w.N. 232 Peemöller, Bilanzanalyse, S. 174.

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Vorgaben für die Unternehmen erforderlich sind, damit diese nicht mit einer allein auf den Kapitalmarkt ausgerichteten Bilanz diesen gezielt in die Irre führen. Die Information des Kapitalmarktes erfolgt in Deutschland wie gesehen hauptsächlich über den Konzernabschluss. Keines der DAX 30-Unternehmen veröffentlicht bisher einen IFRS-Einzelabschluss mit dem umfassenden IFRS-Anhang.233 Dies mag daran liegen, dass der Kapitalmarkt diese Informationen über das Einzelunternehmen schlichtweg nicht verlangt.234 Die Gegenauffassung könnte argumentieren, dass in Deutschland freiwillige Publizität nicht hinreichend erfolge, und die Informationsfunktion der Rechnungslegung daher durch rechtlichen Zwang gewährleistet werden müsse.235 Das Problem relativiert sich jedenfalls für die kapitalmarktorientierte Gesellschaft dahingehend, dass durch die Inanspruchnahme des Marktes, den Zugang zu neuen Finanzierungsmöglichkeiten und das damit einhergehende gesteigerte öffentliche Interesse an einem Unternehmen die strengeren Offenlegungspflichten durchaus als gerechtfertigt erscheinen236 und im Einklang mit der Vermutung eines auf umfassende Offenlegung abzielenden Gesamtkonzeptes der Unternehmenspublizität stehen. Trotz seiner gesteigerten Informationsfunktion bleibt der HGB-Abschluss dabei als Grundlage für die Ausschüttungsbemessung und als Ausgangspunkt für die steuerliche Gewinnermittlung bestehen.237 Beide Aspekte bedürfen kurzer Erläuterung. Die Ausschüttungsbemessung ist vor dem Hintergrund der Kapitalrichtlinie238 zu verstehen, welcher die Grundkonzeption der Kapitalaufbringung und -erhaltung zugrunde liegt. Die vorsichtige Gewinnermittlung und Legung stiller Reserven im deutschen Bilanzrecht sind Ausfluss dieses institutionellen Gläubigerschutzprinzips.239 Mit dem BilMoG erfolgt nunmehr wie gesehen eine zumindest teilweise Öffnung hin zu einem informationellen Gläubigerschutz, ohne dabei aber auf Kapitalschutz zu verzichten.240 Dies entspricht der europäischen Entwicklungslinie, die IFRS-Bilanz im Konzern festzuschreiben und im Einzelabschluss zu ermöglichen,241 und ist somit als weiterer Schritt hin zur kapitalmarktorientierten Rechnungslegung und mithin zu einem Gläubigerschutz durch Information zu verste233

KPMG, Feasibility Study, S. 1, 7. Böcking, Der Konzern 2008, 461, 463. 235 Ähnlich der Sanktionsverschärfungen durch das EHUG, vgl. Gros, Der Konzern 2008, 466, 468. 236 Budde, in: FS Klemm, S. 81, 97. 237 Gros, Der Konzern 2008, 466, 470 unter ausführlicher Auswertung der Regierungsbegründung. 238 RL 77/91/EWG vom 13. 12. 1976, ABl. EG Nr. L 026 (1977), S. 1 ff. (2. gesellschaftsrechtliche Richtlinie). 239 Gros, Der Konzern 2008, 466, 471, der aber unter Verweis auf die gegenteilige Auffassung des Referentenentwurfs zum BilMoG betont, dass auch die IFRS als ein europarechtlich mögliches System bilanzieller Kapitalerhaltung anzusehen seien. 240 Str., die Bedeutung des Kapitalschutzes sinkt ständig und wird zunehmend durch informationellen Schutz ersetzt; vgl. oben, C.II.3., sowie Kübler, in: FS Zöllner, S. 321, 331. 241 IFRS werden in anderen EU-Mitgliedstaaten teils sogar ohne Modifikationen zur Ausschüttungsbemessung genutzt, vgl. KPMG, Feasibility Study, S. 1. 234

II. Publizitätspflichten im geltenden nationalen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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hen.242 Zur steuerlichen Gewinnermittlung sei angemerkt, dass durch das BilMoG der Grundsatz der umgekehrten Maßgeblichkeit aufgehoben wurde. Steuerliche Wahlrechte243 sind damit unabhängig von der Handelsbilanz auszuüben, was der Rechtslage bei der Konzernrechnungslegung entspricht.244 Handelsrechtliche Öffnungsklauseln wurden gestrichen.245 Folge ist, auch wenn am Grundsatz der Maßgeblichkeit des Jahresabschlusses für die Ausschüttungsbemessung und die steuerliche Gewinnermittlung, § 5 Abs. 1 EStG,246 festgehalten wird, die Aufgabe der Einheitsbilanz und ein zunehmendes Auseinanderfallen von Handels- und Steuerbilanz.247 Der handelsrechtliche Jahresabschluss wird dabei vereinfacht und sein Informationsniveau verbessert.248 Auch hier steht die unbeeinflusste Information des Kapitalmarktes mithin im Mittelpunkt. Dies entspricht den Entwicklungen auf europäischer Ebene, die an der Leistungsfähigkeit orientierte Unternehmensbesteuerung von der IFRS-Bilanz zu trennen.249 Damit bestätigt sich, dass die Rechnungslegung primär der Transparenz durch aktuelle und präzise Information der gegenwärtigen und potentiellen Gesellschafter und damit auch des Marktes als Ganzem zu dienen bestimmt ist.250 Den Befund zunehmender Kapitalmarktorientierung der Rechnungslegung bestätigt das Bilanzkontrollgesetz,251 das neben der Einführung einer Prüfstelle für Rechnungslegung252 die BaFin dazu ermächtigt, die Bilanzen von Unternehmen, deren Wertpapiere zum Handel im regulierten Markt zugelassen sind, dahingehend zu überwachen, ob diese den gesetzlichen Vorschriften einschließlich der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung oder den sonstigen durch Gesetz zugelassenen Rech242 Vgl. zur Übernahme der IFRS in die Einzelbilanz Merkt, in: Börsig/Wagenhofer, S. 90: „grundlegender Paradigmenwechsel“ (des europäischen Rechts). 243 Vgl. die Übersicht bei Förster/Schmidtmann, BB 09, 1342, 1343 f.; Herzig/Briesemeister, DB 09, 1, 2 ff. 244 Meyer, DStR 2009, 762 (unter Verweis auf das TransPuG, BT-Drucks. 14/8769, 9079) m.w.N. 245 §§ 247 Abs. 3, 254, 273, 279 Abs. 2, 280 Abs. 2, 281 HGB a.F., vgl. BT-Drucks. 16/ 10067, 34, 35, 49, 59. 246 Dazu Zülch/Hoffmann, BB 08, 1272, 1275; Förster/Schmidtmann, BB 09, 1342 f.; Ernst/Seidler, BB 09, 766. 247 Künkele, in: Petersen/Zwirner (Hrsg.), BilMoG, S. 606; Herzig/Briesemeister, DB 2009, 1, 2 ff. (Übersicht über die Abweichungen zwischen Handels- und Steuerbilanz). 248 Förster/Schmidtmann, BB 2009, 1342. 249 Vgl. die Pläne der Kommission zu einer konsolidierten Körperschaftssteuerbemessungsgrundlage (Common Consolidated Corporate Tax Base), KOM 157 (2006), S. 1 ff., dazu von der Laage/Reusch, NZG 2009, 245, 246 (Anknüpfungspunkt sind die nationalen Steuerermittlungsvorschriften). 250 Kübler, in: FS Zöllner, S. 321, 330. 251 BGBl. I 2004, 3408. 252 §§ 342b ff. HGB; Das zweistufige Bilanzkontrollverfahren durch Prüfstelle und BaFin ergibt sich aus einer Zusammenschau von § 342b HGB und § 37p WpHG: Ein förmliches Untersuchungsverlangen durch die BaFin (2. Stufe) erfolgt i.d.R. nur bei Verweigerung der Zusammenarbeit. Im Einzelnen vgl. §§ 37n ff. WpHG.

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nungslegungsstandards entsprechen, §§ 37n ff. WpHG. Beide Stellen kommen ihren Aufgaben im Rahmen dieses sog. Enforcements umfassend nach.253 So werden die Richtigkeit und Verlässlichkeit der marktadressierten Information sichergestellt und somit die Informationswirkung der Abschlüsse254 verbessert. Die Publizitätspflichten bei Fehlerfeststellung werden dementsprechend weit ausgelegt.255 Die dargestellte Entwicklung wird zusätzlich vorangetrieben durch die Praxis der SEC, aufgrund mangelnden Enforcements in der EU256 auf einem Abschluss nach US-GAAP oder einer Überleitung auf US-amerikanisches Recht257 bei Inanspruchnahme der dortigen Märkte zu bestehen. Auch hier zeichnet sich jedoch eine zunehmende Anerkennung der IFRS, so wie sie vom IASB258 herausgegeben werden (und damit nicht durch das Endorsement-Verfahren modifiziert),259 ab.260 Umgekehrt anerkennt das europäische Recht zunehmend eine Rechnungslegung nach „Generally Accepted Accounting Principles“ von Drittstaaten, sofern diese eine vergleichbare Bewertung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage und der Aussichten des Emittenten vornehmen.261 Auch hier kommt es zentral darauf an, dass die im deutschen Recht nach § 37z Abs. 4 WpHG zulässigen Abweichungen dem Anleger eine gleich253 Auf der ersten Stufe des sog. Enforcement-Verfahrens hat die Prüfstelle seit Juli 2007 sämtliche Abschlüsse börsennotierter Index-Unternehmen (DAX, MDAX, TEC-DAX und S-DAX) mindestens einmal kontrolliert. Ein förmliches Verfahren durch die BaFin wurde bisher bei etwa 40 % aller deutschen kapitalmarktorientierten Unternehmen eingeleitet, wobei Fehler v. a. durch die Komplexität und Auslegungsbedürftigkeit des IFRS-Regelwerks verursacht waren, Krämer/Heinrich, ZIP 2009, 1737, 1745. Mithin hat das zweistufige Bilanzkontrollverfahren bereits zu einer Verbesserung der Informationswirkung der Abschlüsse beigetragen. 254 Prüfungsgegenstand sind Jahres- und Konzernabschluss, Lage-, Konzernlage- und Halbjahresfinanzbericht. 255 Einzelne, für sich allein gesehene Verstöße, können in der Gesamtheit eine Veröffentlichung rechtfertigen. Durch Zeitablauf (aktuelle Bilanz) berichtigte Daten müssen dennoch als Rechtsverstoß offengelegt werden (sog. „Shaming“); beides OLG Frankfurt, ZIP 2009, 368. Daneben besteht eine umfassende (parallele) Pflicht zur europarechtlich verankerten Ad hocPublizität, die durch das nationale Enforcement-Verfahren nicht beeinträchtigt wird, vgl. BaFin, Emittentenleitfaden, Stand 28. 4. 2009, S. 211, X.3.3.3; www.bafin.de. 256 Das International Accounting Standards Board (IASB) kann als privates Gremium die regelkonforme Anwendung seiner Standards nicht erzwingen. 257 Diese erfolgt gem. Form F-20, weist aber z. T. große Differenzen auf, Dobler/Günther, zfbf 60 (2008), 809. 258 Zu Bedeutung, Organisation und Arbeitsweise des IASB, sowie einer Übersicht über das Enforcement-verfahren, vgl. Pellens/Fülbier/Gassen/Sellhorn, S. 80 ff. 259 Zum Endorsement-Verfahren und der Gefahr einer Herausbildung von EU-IFRS, Buchheim/Knorr/Schmidt, KoR 2008, 373, 379; vgl. Hommelhoff, ZGR 2008, S. 250, 251 m.w.N.; zum carve-out bei IAS 39, s. o. B.III.2.g). 260 Nonnenmacher, in: Marsch-Barner/Schäfer, § 56, Rn. 35 ff. (zur SEC), Rn. 95 ff. (Enforcement); zur Akzeptanz der IFRS für ausländische Emittenten SEC Release No. 33-8879 vom 21. 12. 2007, abrufbar: www.sec.gov. 261 Verordnung (EG) Nr. 1569/2007 (Rechnungslegungs-Gleichwertigkeits-VO). Vorausgegangen waren umfassende Konsultationsrunden mit der SEC.

II. Publizitätspflichten im geltenden nationalen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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wertige Informationsbasis für seine Investitionsentscheidung zur Verfügung stellen.262 Empirische Untersuchungen zeigen aber, trotz der politisch voranschreitenden und notwendigen263 gegenseitigen Anerkennung und formalen Annäherung der Standards,264 bei einem tatsächlichen Vergleich der Rechnungslegung noch erhebliche de facto-Differenzen. Festgestellt werden unter anderem erhebliche Unterschiede bei Ergebnis- und Eigenkapitalgrößen, sowie eine international inkonsistente Anwendung der Standards, die vor allem bei der Erstanwendung von IFRS deutlich wird und stark von den unterschiedlichen Rechnungslegungstraditionen beeinflusst wird.265 Damit ist nicht gesagt, dass parallele Abschlüsse beider Standards aus ACHTUNGREGründen internationaler Vergleichbarkeit zu bevorzugen wären. Die Perspektive verdeutlicht aber Grenzen der Informationskraft von Zahlenwerken ebenso wie ein wachsendes Bedürfnis nach internationaler Kooperation, um die grenzüberschreitende Kapitalaufnahme nicht durch prohibitiv wirkende Kosten eines komplett parallel zu erfüllenden Offenlegungsregimes im Keim zu ersticken.266 Nicht gelungen ist es hingegen, empirisch die Vorzugswürdigkeit bestimmter Rechnungslegungsstandards nachzuweisen. Insbesondere wird den US-GAAP aus europäischer Sicht keine größere Informationskraft zugesprochen, als den IAS/IFRS. Für die Rechnungslegung nach HGB divergieren die Ergebnisse, wobei tendenziell eine Angleichung des Informationsgehaltes festzustellen ist.267 Vor einer übereilten Übernahme systemfremder Regelungen ist daher zu warnen.

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Zimmermann, in: Fuchs, § 37z WpHG, Rn. 9. Hopt/Baum, Börsenreform, S. 286, 443 fordern schon 1997 ein Wahlrecht und gegenseitige Anerkennung von Publizitätsvorschriften auch mit außereuropäischen Ländern, sofern diese einen vergleichbaren Anleger- und Funktionsschutz gewährleisten; zum Regierungsdialog über Finanzmärkte mit den USA und weitere internationale Koordinierungsmaßnahmen im Bereich Finanzdienstleistungen, Hübner, in: Dauses, Hdb., E.IV., Rn. 65. 264 2002 haben sich IASB und FASB auf ein Konvergenzprojekt geeinigt, das zu einer Annäherung von IFRS und US-GAAP in wesentlichen Teilen führen soll, FASB/IASB, Press Release, 29. 10. 2002 (Memorandum of Understanding), 27. 2. 2006 (reaffirmed) und 11. 9. 2008 (updated), abrufbar unter: http://www.fasb.org/. 265 Dobler/Günther, zfbf 60 (2008), 809 ff., 840 (2005 – 2007, als Überleitungsrechnungen noch erforderlich waren). 266 Zu den Gründen, warum sich deutsche Aktiengesellschaften wieder zunehmend vom US-amerikanischen Markt zurückziehen (Divergenz und Umfang der dortigen Pflichten), vgl. Schröder, S. 11, 47 (Daimler AG). 267 Bonse, Informationsgehalt, S. 358 unter umfassender Auswertung der empirischen (kapitalmarkt- und verhaltensorientierten) Studien zur Konzernrechnungslegung. Nicht berücksichtigt ist freilich die in den letzten Jahren zunehmende Betonung des Informationsgehaltes auch bei der Rechnungslegung nach HGB, die eine weitere Angleichung des Informationsniveaus der Rechnungslegungssysteme erwarten lässt. Erstaunlich ist, dass die empirischen Studien die Rechnungslegung nach HGB zu einem großen Teil als ebenso relevant für den Kapitalmarkt bewerten, wie die IAS/IFRS. Von einer pauschalen „informationellen Überlegenheit“ eines bestimmten Systems ist daher nicht auszugehen. 263

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Dabei ist erneut zu betonen, dass in den USA einheitliche, rechtsformübergreifende gesellschaftsrechtliche Rechnungslegungsvorschriften fehlen.268 Die Pflicht zur Offenlegung eines geprüften Abschlusses resultiert hier allein aus der kapitalmarktrechtlichen Befugnis der SEC, eine solche bei Inanspruchnahme des öffentlichen Kapitalmarktes vorzusehen. Studien, die den US-GAAP eine „qualitative Überlegenheit“ attestieren, verkennen oftmals, dass vom IASB allein der Informationsgehalt für eine Investitionsentscheidung als maßgeblich angesehen wird,269 der Abschluss aber nicht der Dokumentation, Zahlungsbemessung oder als unmittelbare Grundlage für die Ertragssteuerermittlung gilt.270 Da aber auch die US-GAAP nicht als Prognoseabschlüsse konzipiert sind, sondern primär vergangenheitsbezogene Informationen offenzulegen sind, scheinen Wertungswidersprüche vorprogrammiert zu sein. Auch diese systematischen Widersprüche sind zu beachten. cc) Das Nebeneinander von HGB und IAS/IFRS-Bilanz in Deutschland Das eingangs festgestellte Spannungsverhältnis in den Zielsetzungen des Bilanzrechts scheint sich nun in Deutschland dahingehend zu entwickeln, dass sich – einhergehend mit einer zunehmend auf Marktwertsteigerung ausgerichteten Unternehmensführung im Sinne des Shareholder Value271 – eine eigenständige kapitalmarktrechtliche Perspektive herausbildet, bei der die Informationsfunktion der Bilanz im Vordergrund steht. Im Interesse einer sachgerechten Anlageentscheidung stehen hierbei die Richtigkeitsgewähr und die Vergleichbarkeit, vor allem auch auf internationaler Ebene, im Mittelpunkt.272 Als qualitative Anforderungen lassen sich hier die IFRS-Rechnungslegungsgrundsätze273 der Verständlichkeit, der Relevanz, der Verlässlichkeit und der Vergleichbarkeit mit weiteren Nebenbedingungen274 herausarbeiten. Diese werden durch Sekundärgrundsätze275 auf die Bedürfnisse der Adressaten optimiert und relativiert, soweit dies im Interesse der Unternehmen und unter Wettbewerbsgesichtspunkten erforderlich ist. Zielsetzung der Bilanz ist die Vermittlung entscheidungsrelevanter Information, wobei dem Adressaten ein tatsächliches Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage sowie des Cashflows als der wohl 268

Ausführlich Schildbach, US-GAAP, S. 5 ff. IASB, SFAC 1.9./1.34: „Financial Reporting is not an end in itself but intended to provide information that is unseful in making business and economic decisions.“ / „… rational investment, credit and similar decisions.“ 270 Bonse, Informationsgehalt, S. 18 m.w.N.; zu den steuerlichen Einflüssen ebd., S. 47 ff. 271 Zur Unternehmenszielsetzung des Shareholder Value und seiner Relevanz für die Rechnungslegung, Rappaport, Shareholder Value, S. 1 ff. 272 Schön, ZGR 2000, 706, 712. 273 Die Darstellung folgt Pellens/Fülbier/Gassen/Sellhorn, S. 114 ff. 274 Zeitnähe, Kosten-Nutzen-Abwägung, Abwägung/Ausgewogenheit der Grundsätze. 275 Wesentlichkeit, Glaubwürdigkeit, wirtschaftliche Betrachtung, Neutralität, Vorsicht, Vollständigkeit. 269

II. Publizitätspflichten im geltenden nationalen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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wichtigste Bestandteil einer Unternehmensbewertung276 vermittelt werden soll.277 Nicht zuletzt geschieht dies durch die umfangreichen Angaben im Anhang.278 Die Rechnungslegung ist an der Generalnorm der fair presentation/true and fair view auszurichten.279 Inhaltlich bestehen gegenüber der HGB-Bilanz große Unterschiede bei Ansatz- und Bewertungsvorschriften.280 Aufgrund weiter Ermessensspielräume und Prognosen besteht ein geringerer Objektivierungsgrad.281 Neben diese Marktpublizität tritt – Stichwort Vorsichtsprinzip282 – eine vergangenheitsorientierte Kontrollpublizität283 in Form der Rechnungslegung nach HGB, der eine eigenständige Bedeutung zukommt, und die als Grundlage der steuerlichen Gewinnermittlung und Ausschüttungsbemessung bestehen bleibt.284 Der HGB-Abschluss ist somit dem Konzernabschluss bewusst nicht gleichgestellt.285 Damit ist keine am US-amerikanischen Beispiel der US-GAAP angelehnte Begrenzung auf ein rein kapitalmarktrechtlich orientiertes financial accounting286 angestrebt, bei welcher der Markt durch sog. debt covenants den Kapitalschutz auf privatautonomer Ebene erreicht.287 Die Effektivität eines solchen Schutzes aller Gläubigergruppen ist in Deutschland äußerst zweifelhaft288 und hat sich auch in den USA erst über Jahr-

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Anschaulich Hillmer, KoR 2008, 193, 195. Diese Formulierung findet sich sowohl im „Rahmenkonzept für die Aufstellung und Darstellung von Abschlüssen“ des IASC (RK.12) als auch in den International Accounting Standards, IAS 1.15. 278 Ernst/Seidler, BB 2007, 2557. 279 Einzelheiten bei Pellens/Fülbier/Gassen/Sellhorn, S. 114 ff. m.w.N. 280 Überblick bei Merkt, in: Baumbach/Hopt, Einl. vor § 238 HGB, Rn. 161 ff. 281 Schildbach, BFuP 54 (2002), 263, 264 ff. 282 Verankert in § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB, vgl. Coenenberg, S. 955 (mit Bezug zum Realisations- und Imparitätsprinzip); Bohl, IAS/IFRS, Rn. 31 sieht im Vorsichtsprinzip den Hauptunterschied zu IAS/IFRS. 283 So die begriffliche Unterscheidung bei Ekkenga, Anlegerschutz, S. 109 ff. 284 Ähnlich dem britischen Vorbild ist von der traditionellen „Ausschüttungsbilanz“ (welche für die Anlageentscheidung kaum brauchbar ist) eine Überleitungsrechnung zur „Informationsbilanz“ erforderlich. So schon die Prognose bei Hommelhoff, RabelsZ 62 (1998), 381, 400. 285 BGH, Beschl. v. 14. 1. 2008 – II ZR 282/06, AG 08, 325 (Gesetzgeber habe die – im Schrifttum vereinzelt befürwortete – Gleichstellung des Konzernabschlusses mit dem Jahresabschluss bewusst nicht vorgenommen). 286 Beachte zur Steuerbilanz: Auch die USA kennen ein getrenntes tax accounting, vgl. Schröder, S. 43 m.w.N. 287 Zur Kritik an der Ausschüttungsbegrenzungsfunktion der Bilanz Kübler, Aktie, S. 59 ff. 288 Covenants sind kreditvertragliche Vereinbarungen, welche den Handlungsspielraum des Kreditgebers einschränken. Sie dienen der Solvenzerhaltung und steigern damit das Vertrauen des Marktes. Sie sind flexibel und individuell auszugestalten. Andererseits bedarf es einer effizienten laufenden Überwachung seitens verhandlungsstarker Gläubiger. Divergieren deren Interessen aber, scheint dies nicht gewährleistet. Vereinbarte Rückzahlungsansprüche gehen zudem meist zu Lasten der anderen Gläubiger, vgl. Velte, StuB 2007, 639, 643. 277

294 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

D. Das Publizitätskonzept am organisierten Kapitalmarkt

zehnte als differenziertes System herausgebildet.289 Rechtsvergleichend äußerst interessant ist zudem, dass auch in den USA und anderen common-law-Staaten – offenbar aus einem ökonomischen Bedürfnis heraus – äußerst vorsichtig bilanziert wird.290 Zudem wird in covenants sehr häufig eine gegenüber den US-GAAP vorsichtigere Bilanzierung vereinbart, sofern Ausschüttungsbegrenzungen auf Rechnungslegungsdaten aufbauen.291 Die Kritik, die der EuGH292 an den tradierten, einen umfassenden Gläubigerschutz allein keinesfalls garantierenden,293 Kapitalerhaltungsregeln geäußert hat, die zunehmende Akzeptanz der IFRS-Rechnungslegung in Europa294 und die immer weitere Annäherung der Bilanzierungsvorschriften an deren Standards verdeutlichen dennoch, dass auch die europäische Ausgestaltung hier nicht von ewiger Dauer sein muss. So lange aber das Bilanzrecht mit Gesellschafts- und Insolvenzrecht, GläubiACHTUNGREgerschutz und Kapitalerhaltungssystem so eng verknüpft ist, ist es von größter Bedeutung darauf zu achten, dass die bilanzielle Information auch so ausgestaltet ist, dass all ihre Ziele erreicht werden. Da bei der Rechnungslegung traditionell die vergangenheitsorientierte Perspektive im Mittelpunkt steht, erscheint ein Festhalten am Jahresabschluss nach HGB somit nur konsequent.295 Insofern erscheint es zunächst inkonsistent, dass auch die Rechnungslegung nach HGB zunehmend zukunftsorientiert und an den Informationsbedürfnissen des Kapitalmarktes ausgerichtet wird. Exemplarisch konnte diese Tendenz für den Lagebericht und den „Bilanzeid“ gezeigt werden.296 Besonders deutlich wurde sie zudem 289 Zu den verschiedenen Vorkehrungen des Gläubigerschutzes in den USA Kübler, in: FS Budde, S. 361, 369. 290 Fülbier/Gassen/Sellhorn, ZfB 2008, 1317 ff. m.w.N. (dort nicht i.S.v. Regulierung (GoB), sondern als reales Phänomen der Rechnungslegungspraxis, sog. condtional conservatism, verstanden). 291 Verallgemeinern lässt sich dieser Befund aber nicht, vgl. Ewert/Wagenhofer, BFuP 03, 603, 611. 292 EuGH, Rs. C-212/97 (Centros), Slg. 1999, I-1459. 293 Die Kritik der Literatur setzt einerseits an der Unschärfe des „entziehbaren Gewinns“ an. Trotz strenger Ausschüttungsbegrenzungen sind Gläubiger oftmals ungeahnt hohen Insolvenzrisiken ausgesetzt. Sie überschätzen regelmäßig das Schutzniveau, das ein (die spezifischen Risiken eines Unternehmens nicht berücksichtigendes) Mindestkapital gewähren kann. Eine eigene – informationell abgesicherte – Einschätzung ist folglich in jedem Fall empfehlenswert. Hinzu treten aus ökonomischer Sicht Kosten des Mindestkapitals, vgl. statt vieler Rammert, BFuP 2004, 578, 582 (Anreizverzerrung, reduzierte Investitionsmöglichkeiten). 294 KPMG, Feasibility Study, S. 1 (17 der 27 Mitgliedstaaten lassen IFRS zur Ermittlung der Gewinnausschüttung zu, 10 der 17 sogar ohne Modifikationen). 295 Str.; zur a.A. pointiert etwa Born, Rechnungslegung, S. 121, der ein gesetzliches Verbot von HGB-Bilanz und GoB fordert, um eine Täuschung der Abschlussadressaten unmöglich zu machen. 296 Neben der verstärkten Betrachtung der Chancen zeigt sich die Marktorientierung vor allem in der Ausgestaltung der Rechtsfolgen. Diese stehen hier zwar nicht im Mittelpunkt der Betrachtung, die Einbeziehung der Bilanzen kapitalmarktorientierter Publikumsgesellschaften in die Überwachung durch die BaFin, §§ 37n ff. WpHG, und die Einführung einer Prüfstelle für

II. Publizitätspflichten im geltenden nationalen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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in der generellen Erweiterung der Publizität für alle Gesellschaften durch das BilMoG. Diese Entwicklung steht der hier verfolgten marktorientierten Betrachtung allerdings nicht entgegen. Kapitalmarktorientierte Unternehmen unterfallen weiter dem strengsten Informationsregime, welches sodann nach Intensität der Marktteilnahme weiter abgestuft wird.297 Die Annäherung deutet aber darauf hin, dass das marktorientierte Informationskonzept zunehmend Verbreitung findet. Damit scheint es der neueren Gesetzgebung zu gelingen, den zunehmenden Informationsinteressen der internationalen Kapitalmärkte Rechnung zu tragen und zugleich deutsche und europäische Bedürfnisse in die Ausgestaltung der internationalen Rechnungslegung einzubringen. Die dargestellte Ausgestaltung des Konzeptes verdeutlicht damit, dass die Entwicklung hin zu entscheidungs- und wertorientierter Berichterstattung (mittels oftmals schwer vergleichbarer und überprüfbarer Prognosen)298 durchaus deren Grenzen Rechnung trägt (Prognosebericht ist trotz gewisser Signalkraft nur ein Bestandteil im „Kommunikations-Mix“ der Unternehmen)299 und sie einerseits in Ausgleich mit überprüfbaren „harten“ Zahlen bringt, andererseits aber auch berücksichtigt, dass mit der Unternehmensgröße auch die Effektivität und Rechtfertigung informationeller Schutzmechanismen steigt. Das BilMoG geht damit einen eigenen Weg, der einerseits die Informationskraft des HGB-Jahresabschlusses stärkt und diesen damit als vollwertige Alternative für kleine und mittlere Unternehmen zukunftsfähig gestaltet. Andererseits bleibt der Gläubigerschutz als Ziel „auf gleicher Ebene“ bestehen und wird damit für sämtliche Unternehmen gewährleistet.300 dd) Folgerungen für den Fortgang der Untersuchung, Ausblick Für den weiteren Verlauf der Arbeit ist festzuhalten, dass der Jahresabschluss als Referenzgröße und Ausgangspunkt im Informationsregime kapitalmarktorientierter Publikumsgesellschaften herausgearbeitet werden konnte. Dabei besteht für diese die Pflicht, nach HGB zu bilanzieren,301 aber die Möglichkeit, einen nach IAS/IFRS erstellten Abschluss offenzulegen. Für die Rechnungslegung im Konzern ist die Bilanzierung nach IAS/IFRS generell verpflichtend. Bei einer auf Kohärenz angelegten Betrachtung muss diese Zweigleisigkeit zunächst verwundern. Das zentrale Informationsinstrument ist scheinbar gewollt in zweierlei, zählt man neuerdings die Überlei-

Rechnungslegung, §§ 342b ff. HGB, unterstreichen jedoch wie gesehen deren zunehmende Bedeutung für den Markt. 297 Zum Stufenkonzept nach dem BilMoG, Gros, Der Konzern 2008, 466, 468. 298 Wagenhofer/Ewert, Externe Unternehmensrechnung, S. 370; vgl. zu den Grenzen und der Störanfälligkeit informationsorientierter Prognoseberichterstattung, oben, B.III.2.g). 299 Pechtl, zfbf 52 (2000), 141, 156 (schwache Prognosekraft für Entwicklung des Aktienkurses feststellbar). 300 Vgl. Begr. RegE BilMoG, BT-Drucks. 16/10067 vom 30. 7. 2008, S. 1 einerseits (Stärkung der Informationsfunktion; HGB als Alternative für Mittelstand) und S. 59 andererseits (Gläubigerschutz als der Information gleichwertiges Ziel für alle Gesellschaften). 301 Auch diese wird von einem informationseffizienten Markt freilich verarbeitet werden.

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D. Das Publizitätskonzept am organisierten Kapitalmarkt

tung zur Steuerbilanz hinzu302 sogar in drei Ausführungen zu erstellen. Direkte Folgen sind für die Unternehmen ein höherer Kostenaufwand bei der Erstellung,303 der aus ökonomischer Sicht mit dem Rückgriff auf ohnehin zu erstellende Dokumente gerade vermieden werden sollte,304 und seitens der Adressaten – geht man in einem informationseffizienten Markt von der Verbreitung beider Bilanzen aus305 – ein höherer Verarbeitungsaufwand der Information. Dies ist besonders problematisch, da noch immer grundsätzliche Bedenken bestehen, ob die Abschlussinformationen tatsächlich von den Adressaten genutzt und umgesetzt werden können.306 Auch inhaltlich gehen die Meinungen auseinander. So könnte die Fair-Value-Bewertung von Finanzinstrumenten307 ebenso die Sicht auf kurzfristige Gewinnerzielung verengen und gerade in kritischen Zeiten308 ein erhöhtes Manipulationspotential bieten. Insofern besteht noch erheblicher Forschungsbedarf. 302 Vgl. § 5 Abs. 1 EStG n.F., dazu Meyer, DStR 2009, 762, 763; Herzig, DB 2008, 1339 ff. Diese dient allerdings nicht der Information der Marktteilnehmer und ist daher hier nur von untergeordnetem Interesse. 303 Kosten werden sowohl durch ein zweites eigenständiges Zahlenwerk als auch durch mögliche Überleitungsrechnungen verursacht. Zu den Unterschieden Schön, ZGR 2000, 706, 742. 304 Gertner, Disclosure and Unravelling, S. 608 (Dokumente liegen intern ohnehin vor). 305 Nach § 325 Abs. 2 entfällt lediglich die Bekanntmachungs-, nicht aber die Einreichungspflicht beim elektronischen Bundesanzeiger. Bei der Publikumspersonengesellschaft ist zudem ohnehin von einer „Quasi-Öffentlichkeit“ auszugehen, sobald ein hinreichender Personenkreis Kenntnis erlangt, dazu unten, D.II.3.e). 306 Merkt, in: Baumbach/Hopt, Einl. v. § 238 HGB, Rn. 95 mit umfassenden Nachweisen. 307 Dazu Kußmaul/Weiler, KoR 2009, 163; Mujkanovic, StuB 2009, 329; kritisch Schildbach, DStR 2008, 2381. 308 Die Kritik an einer Fair-Value-Bewertung von zu Handelszwecken gehaltenen Finanzinstrumenten, vgl. oben, B.III.2.g), ist (obwohl nur als Sonderregelung für Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute eingeführt, vgl. noch die Pläne für alle Unternehmen in RefE BilMoG, BT-Drucks. 16/10067) aus informationsrechtlicher Sicht von Interesse: Einer Bewertung mit dem beizulegenden Zeitwert (Fair Value), vgl. § 255 Abs. 4 Satz 1, 2 HGB, kommt als markt- und realitätsnaher Information erhebliche Entscheidungsrelevanz zu, Kußmaul/ Weiler, KoR 2009, 163, 165. In der Krise gerät dieses Bewertungskonzept allerdings zunehmend unter Druck, da ein beizulegender Marktwert zunächst für Verbriefungstitel (Asset Backed Securities, Commercial/Residential Mortgage Backed Securities, Collateralized Debt Obligations), ab 2008 aber auch für sog. Plain-vanilla-Finanzprodukte, nicht mehr bestand und damit auch die zu erwartenden cash-flows und angemessenen Risikoabschläge nicht mehr prognostiziert werden konnten, Goldschmidt/Weigel, WpG 2009, 192 ff. Da die Bewertung aber von Markterwartungen abhängt, verstärkt sie einen einmal eingetretenen Abschwung erheblich, Schildbach, DStR 2008, 2381, 2385. Die europäische Gesetzgebung reagierte mit Zulassung eines subjektiven Schätzverfahrens und Möglichkeiten der Umklassifizierung von Finanzinstrumenten, Schildbach, DStR 2008, 2381 ff., womit weitere Verschleierungen ermöglicht und eine objektive Nachvollziehbarkeit erschwert wurden. Die Folge einer solchen Rechnungslegung ist, dass Unsicherheiten und Spielräume nur über umfassende und schwer vergleichbare Angaben im Anhang, nicht aber in den Zahlen selbst transparent gemacht werden, Mujkanovic, StuB 2009, 329, 353 (empfindet dies aber als ausreichend). Damit wird aber deutlich, dass die zukunftsorientierte, bei funktionierendem Marktgeschehen äußerst aussagekräftige Fair-ValueBewertung bei Unsicherheiten des Marktes zumindest erheblichen Zweifeln ausgesetzt ist.

II. Publizitätspflichten im geltenden nationalen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Dem Argument zusätzlicher Kosten kann zunächst entgegengehalten werden, dass eine kapitalmarktorientierte Bilanzierung auch den Zugang zu neuen Kapitalgebern eröffne und somit durch die umfassende Inanspruchnahme dieser zusätzlichen Märkte gerechtfertigt sei.309 Zumindest führe diese Lösung nur zu einer Belastung weniger Großunternehmen, was volkswirtschaftlich der erheblich kostspieligeren Neuregelung der Bilanzierungsregeln für alle Unternehmen zu bevorzugen sei. Die rechtspolitische Frage bleibt, warum im Rahmen der Anpassung der HGB-Rechnungslegung an internationale Bilanzierungsstandards durch das BilMoG nicht eine noch striktere Trennung nach Größe der Unternehmen oder der Inanspruchnahme bestimmter Märkte erfolgt ist. Auf Adressatenseite ist zunächst die Gefahr einer Verwirrung und Verunsicherung (Vertrauensverlust) zu betonen, die durch das Vorliegen mehrerer Zahlenwerke entstehen kann. Zu denken ist an die Gefahr einer Fehleinschätzung beim Anleger selbst, und an die höheren Kosten der Intermediation, da hier nun verschiedene Bilanzen ausgewertet werden müssen. Dem stehen allerdings eine Reihe zusätzlicher und möglicherweise aufschlussreicher Vergleichsmöglichkeiten gegenüber, die durch den zusätzlichen Abschluss erst eröffnet werden.310 Die Abweichungen sind dabei nicht vorhersehbar und divergieren gewaltig.311 Die eigentliche Gefahr besteht erst, wenn einzelne Unternehmen keinen zusätzlichen Abschluss nach IAS/ IFRS erstellen müssen, da dann die Vergleichsmöglichkeiten der Unternehmen untereinander erheblich eingeschränkt sind.312 Gerade im Hinblick auf die moderne statistische Datenverarbeitung ist somit aus marktorientierter Sicht für möglichst international einheitliche Standards mit möglichst geringen Abweichungsmöglichkeiten zu plädieren.313 Vor den Grenzen der Rechnungslegung sind die Marktteilnehmer im ÜbPrimär mangelt es an einer starken internationalen Rahmenordnung für Akteure und Märkte, inklusive verlässlicher, vorab festgelegter und überprüfbarer „internationaler Rechnungslegungsstandards“, welche auch detaillierte Abgrenzungs- und Bewertungsregelungen enthalten, vgl. Luttermann, RIW 2009, 1, 11. Branchenspezifischen Besonderheiten ist dabei durch vergleichbare Schemata und praxisnahe Ausgestaltungen Rechnung zu tragen, Goldschmidt/ Weigel, WpG 2009, 192, 204. Solange aber die Bilanz in Krisenzeiten ihrer Informationsfunktion und Verlässlichkeit nicht gerecht wird, verfehlt die Ausgestaltung hoheitlicher Publizität ihren eigentlichen Zweck: Sie ist nicht mehr konstituierender Rahmen, sondern Opfer rein spekulativen Marktgeschehens. Folge der Notwendigkeit umfassender Abschreibungen ist dann ein weiterer Vertrauensverlust des Marktes. Zu begrüßen ist damit der Vorschlag einer umfassenden konzeptionellen Neuregelung und Vereinfachung (insb. eine Reduzierung der Klassifizierungsmöglichkeiten und Aufhebung der Möglichkeit einer Umqualifizierung) durch das IASB, vgl. IASB, Press Release vom 14. 7. 09, abrufbar: www.iasb.org ! news ! press releases. Unverständlich hingegen erscheint der eingeschlagene europäische Sonderweg, den ersten Schritt dieser Maßnahmen vorerst auszusetzen; vgl. dazu die Mitteilung, abrufbar: http:// ec.europa.eu/internal_market/accounting/ias/ias_39_carve-out_en.htm. 309 Schön, ZGR 2000, 706, 733. 310 Hommelhoff, RabelsZ 62 (1998), 381, 393 (US GAAP-Abschluss der Daimler AG). 311 Müller/Reinke, KoR 2008, 26, 36: Eigenkapitalspiegel nach IFRS um bis zu 50 % höher oder 25 % niedriger. 312 Schön, ZGR 2000, 707, 733 f. 313 Ekkenga, Anlegerschutz, S. 111. Besonders die umfassenden Textdarstellungen in Anhang und Lagebericht scheinen eine statistische Auswertung erheblich zu behindern.

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D. Das Publizitätskonzept am organisierten Kapitalmarkt

rigen aufzuklären und zu warnen. Jede Einzelinformation ist nur ein Bestandteil eines großen informationellen Schutzkonzeptes. Für den Systematisierungsansatz der Publizitätspflichten am Kapitalmarkt bleibt es zunächst bei dem Widerspruch, dass das zentrale Informationsdokument nach zweierlei Standards erstellt wird. Bei dieser Zweigleisigkeit wird es auf Dauer, nicht zuletzt aufgrund der aufgezeigten informationellen Divergenzen und der zusätzlichen Kostenlast, wohl nicht bleiben. Andererseits kann auch der IFRS-Abschluss die Funktionen der HGB-Bilanz (noch) nicht ersetzen. Kurzfristig ist daher eine weitere inhaltliche Abstimmung erforderlich, langfristig sollten die Bemühungen aber dahin gehen, die nationalen Vorschriften noch weiter an die europäischen Vorgaben anzunähern, so dass Schritt für Schritt eine Transformation hin zur informationsorientierten Rechnungslegung möglich wird (fortschreitendes Informationsmodell). Dies kann allerdings erst erfolgen, wenn alle Funktionen des Bilanzrechts gewährleistet und den vielseitigen Informationsinteressen aller Adressaten Rechnung getragen wird, was zum gegenwärtigen Zeitpunkt der Marktentwicklung noch nicht der Fall ist. Betrachtet man den aus Publizitäts-, Transparenz- und den modernisierten Rechnungslegungsrichtlinien, vor allem aber auch der IAS-VO bestehenden europäischen Rechtsrahmen der Rechnungslegung, scheint diese Entwicklung dennoch unaufhaltsam:314 Spätestens seit der IAS-VO (beachte die Festlegung informationeller Rahmenbedingungen in der Rechtsform der Verordnung315) bildet sich in Europa ein einheitliches, standardisiertes, markt- und adressatenorientiertes Informationsgerüst heraus. Die Informationsbedürfnisse eines echten Binnenmarktes erfordern somit zunehmend einheitliche (nicht mehr: gleichwertige/indirekt vergleichbare) Rechnungslegungsstandards, die mit einer erheblichen Senkung der Transaktionskosten einhergehen.316 Der Jahresabschluss, insbesondere der für kapitalmarktorientierte Unternehmen nach IAS/IFRS erstellte Konzernabschluss, konnte hier für die anzustellende Systematisierung als das zentrale marktorientierte Informationsdokument der laufenden Marktteilnahme herausgearbeitet werden. Alle weiteren (gesellschafts- wie kapitalmarktrechtlichen) Pflichten bauen ergänzend auf dieses informationelle Grundgerüst auf. Die inhaltliche Annäherung der HGB-Rechnungslegung an die Informationsbedürfnisse des Kapitalmarktes ist aus systematischer Sicht zu begrüßen, da somit „fließende Übergänge“ zwischen den Gesellschaftsformen ermöglicht werden. Aller314 Monographisch zuletzt Beckmann, Internationalisierung, S. 2, 211 ff. (Anhand von Individual- und Marktschutzfunktion der Rechnungslegung wird diese im kapitalmarktorientierten Informationsmodell verortet.) 315 Die Verordnung gibt einheitliche, nicht gleichwertige Vorgaben vor. Mit Wahl des Instrumentariums der Harmonisierung ist somit auch eine Harmonisierungsphilosophie verbunden: Angestrebt ist eine schnelle und umfassende europaweite Einheitlichkeit, welche den Investoren ein abgestimmtes Informationsgerüst gewährleistet. Nationale, diese Marktorientierung beeinträchtigende Sonderwege haben darin keinen Platz. 316 Vgl. Beckmann, S. 468, Ziff. 9, sowie S. 103 ff.

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dings besteht die Gefahr, dass berechtigte Belange kleinerer Gesellschaften vernachlässigt werden. Mit der Entwicklung einer zunehmend informationsorientierten Rechnungslegung bestätigt sich die Vermutung des Informationsmodells, dass materielle Schutzmechanismen wie der Kapitalschutz immer stärker unter Druck geraten und langfristig durch alternativen informationellen Schutz ersetzt werden. Mit dieser Hinwendung zu einem informationellen Schutz geht einher, dass der Kapitalschutz durch die „Aufweichung“ der handelsrechtlichen Rechnungslegung schlicht seine Berechnungsgrundlage verliert. b) Die kapitalmarktrechtliche periodische Publizität Damit bestätigt sich im voranschreitenden Informationsmodell ein zunehmendes Bedürfnis nach informationellem Schutz, der hier durch ein kohärentes System von Publizitätspflichten gewährleistet werden soll. Die dargestellten Jahresabschlüsse sind zwar Grundlage dieses kapitalmarktorientierten Konzeptes und bieten ein regelmäßiges, gegliedertes Grundgerüst wesentlicher Information. Sie sind aber durch ein ausgeprägtes Informationskonzept ergänzt und überlagert – vor allem, um dem Marktbedürfnis nach Aktualität gerecht zu werden. aa) Sinn und Zweck periodischer Publizität, europarechtliche Grundlagen Die kapitalmarktrechtliche periodische Publizität wurde durch EHUG317 und TUG318 umfassend reformiert.319 Die §§ 37v ff. WpHG gehen damit auf die Transparenzrichtlinie320 zurück, deren zentrales Ziel die Neuordnung der periodischen und laufenden Berichterstattung kapitalmarktorientierter Unternehmen an europäischen Finanzplätzen war. In der Begründung heißt es dazu: „(1) Effiziente, transparente und integrierte Wertpapiermärkte tragen zu einem echten Binnenmarkt in der Gemeinschaft bei, ermöglichen eine bessere Kapitalallokation und eine Senkung der Kosten […]. Die rechtzeitige Bekanntgabe zuverlässiger und umfassender Informationen über Wertpapieremittenten stärkt das Vertrauen der Anleger nachhaltig und ermöglicht eine fundierte Beurteilung ihres Geschäftsergebnisses und ihrer Vermögenslage. Dies erhöht sowohl den Anlegerschutz als auch die Markteffizienz. (2) Aus diesem Grund sollten Wertpapieremittenten durch regelmäßige Informationen ein angemessenes Maß an Transparenz für die Anleger gewährleisten.“321 Eine fundierte Beurtei317 Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister vom 10. 11. 2006, BGBl. I 2006, 2553. 318 Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz, BGBl. I 2007, 10. 319 Überblick zur alten Rechtslage bei Alvarez/Wotschofsky, Zwischenberichterstattung. 320 Richtlinie 2004/109/EG (Transparenzrichtlinie). 321 Erwägungsgründe (1) und (2) der Transparenzrichtlinie.

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D. Das Publizitätskonzept am organisierten Kapitalmarkt

lung des Emittenten soll hier durch Informationen ermöglicht werden, deren Vergleichbarkeit, Verlässlichkeit und pünktliche Offenlegung in standardisierten Zyklen gewährleistet ist.322 Zielsetzung ist es mithin, dem Anleger neben Jahres-/Konzernabschluss eine im Umfang deutlich reduzierte, der Struktur nach aber vergleichbare Informationsmenge, in engeren Zeitabständen zur Verfügung zu stellen.323 Die unterjährige Finanzberichterstattung ist somit im Kontext der Jahresberichterstattung zu verstehen, wobei umstritten ist, welche Funktion dem Zwischenbericht im Einzelnen zukommt. Teils wird er als integrierter Teilbericht einer übergreifenden Rechnungslegungsperiode verstanden, der mit Blick auf die Gewinnprognose der Jahresbilanz über das Maß der Zielerreichung zum Stichtag informiert, teils wird er als eigenständige, verkürzte und aktualisierte, aber immer noch vergangenheitsbezogene Bilanz verstanden.324 Der integrierte Ansatz überzeugt hier, weil er das Gesamtkonzept der Vorschriften zur Anlegerinformation und die Eingebundenheit in ein zusammenhängendes Netz von Informationen hervorhebt; Vorteil der eigenständigen Betrachtung ist, dass diese den eigenen, zum Stichtag aktuellen Aussagegehalt betont. Von wissenschaftlicher Seite bisher ungeklärt ist die Frage, mit welcher Häufigkeit unterjährige Berichterstattung im Idealfall zu erfolgen hat. International haben sich hier Quartalsberichte durchgesetzt, wobei die Tendenz zu einer kontinuierlichen Berichterstattung geht (continuous reporting).325 Dagegen lässt sich die Gefahr einer auf zu kurzfristige Ziele ausgerichteten Unternehmensführung anführen, die nicht kurzfristigen Stimmungsschwankungen der Börse ausgesetzt werden, sondern langfristiges und wertorientiertes Denken anstreben soll. Zudem besteht die Gefahr von Fehlinterpretationen der Investoren, da saisonale Einflussfaktoren und Schwankungen oftmals erst über einen längeren Zeitraum hinweg relativiert werden können, wodurch ein zeitweise verzerrtes Bild entstehen mag.326 Eine Verbesserung der Transparenz wird deshalb teilweise verneint.327 Aus diesen Gründen verweigerte die Porsche AG eine Quartalsberichterstattung, was der Markt nicht negativ beurteilte.328 Hinzu treten empirische Erkenntnisse, dass Informationen durch das Management oftmals selektiv, manipuliert oder zeitlich verzögert dargestellt werden, um den Aktienkurs zu ihren Gunsten zu beeinflussen.329 Ein besonderer Nachteil ist dabei in den Wahlrechten und Ermessensfreiräumen bei der Zwischenberichterstattung zu sehen, 322

Erwägungsgründe (9) – (11), (16) der Transparenzrichtlinie. Nonnenmacher, in: Marsch-Barner/Schäfer, § 57 Rn. 1. 324 Darstellung bei Nonnenmacher, ebd., § 57 Rn. 1 ff. m.w.N. 325 Dies beruht auf der Entwicklung einer sog. Extended Business Repoting Language (XBRL), erfolgt allerdings bisher nur auf freiwilliger Basis. 326 Nonnenmacher, in: Marsch-Barner/Schäfer, § 57 Rn. 8 f. 327 Die Kritik folgt der Stellungnahme des Ausschusses für Recht und Binnenmarkt zum Entwurf der Transparenzrichtlinie, Nachweis bei Zimmermann, in: Fuchs, vor §§ 37v bis 37z WpHG, Rn. 4. 328 Darstellung bei Merkt, Informationsmodell, S. 24, 33. 329 Siehe dazu die empirischen Untersuchungen; zur Umsetzung der Ad hoc-Pflichten Güttler, zfbf 57 (2005), 237, 239 m.w.N. (oftmals verspätete oder auf die Marktsituation abgestimmte Offenlegung). 323

II. Publizitätspflichten im geltenden nationalen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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da jede Abweichung den Vergleich erschwert und somit den Nutzen für die Adressaten mindert.330 Dennoch wurden die flexiblen Vorgaben der Transparenzrichtlinie ohne Einschränkung der Wahlrechte übernommen, um Wettbewerbsnachteile für die Inlandsemittenten zu vermeiden.331 Ein Blick auf die internationale Rechnungslegungspraxis verdeutlicht, dass die Kritik und der Widerstand seitens der Unternehmen gegen die Quartalsberichterstattung vor allem im systematischen Verständnis der Publizität begründet liegen. Dazu ist zuerst auf das grundlegende Verständnis der Rechnungslegung als ein Instrument der Marktinformation zurückzukommen. Nach US-amerikanischem Verständnis ist die unterjährige, marktorientierte Finanzberichterstattung seit 1934 selbstverständlicher und grundlegender Bestandteil der disclosure philosophy.332 Als solchen wollte sie auch die Regierungskommission Corporate Governance verstanden wissen, als sie eine Anpassung an internationale Standards forderte, wonach die zeitnahe Versorgung des Marktes mit entscheidungsrelevanten Finanzinformationen aller den Markt in Anspruch nehmenden Unternehmen als Selbstverständlichkeit erwartet werde.333 Dort wurde auch ein Quartalsbericht für das vierte Quartal empfohlen, um den Markt schnell und umfassend über aktuelle Entwicklungen informieren zu können, bevor der Jahresabschluss erstellt ist,334 was bis zu vier Monate dauern kann.335 Dieses Verständnis verdeutlicht die Bedeutung der Quartalsberichterstattung: Sie stellt einen wesentlichen Grundbaustein eines konsistenten, umfassenden Gesamtsystems der Unternehmenspublizität dar, das strikt an den Informationsbedürfnissen des Marktes und der dort agierenden Marktteilnehmer ausgelegt ist.336 Sie gewährleistet die regelmäßige und zeitnahe Grundversorgung des Kapitalmarktes mit Information, womit ein erheblicher Schritt hin zu einer durchgängigen disclosure philosophy auch an den europäischen Kapitalmärkten getan ist. Auf dieses Grundgerüst sind die anderen Informationsnormen am Markt kohärent abzustimmen. Die anfangs geäußerten Kritikpunkte stellen damit nur Details einer mangelhaften Umsetzung dar. Unregelmäßigkeiten bei der Offenlegung und eine Ausnutzung von Informationsvorsprüngen337 lassen sich durch häufige Pflichtinformationen gerade vermeiden, wenn nur deren Befolgung sichergestellt ist. Letztlich wird der Nutzer 330

Merkt, Informationsmodell, S. 24, 34. Stellungnahme Bundesrat und Gegenäußerung Bundesregierung zum RegE TUG, BTDrs. 16/2917, S. 3. 332 Quartalsberichte wurden dort mit Inkrafttreten des SEA 1934 verpflichtend. Zuvor verlangte die New York Stock Exchange von den dort zugelassenen Gesellschaften Quartalsberichte. Knapper, verständlicher Überblick bei Merkt/Göthel, RIW 2003, 23, 24 mit umfassenden Nachweisen. 333 Baums (Hrsg.), Bericht Regierungskommission, Rn. 269. 334 Ebd., Rn. 270. 335 § 325 Abs. 4 Satz 1 HGB. 336 Zu dieser Forderung schon Merkt/Göthel, RIW 2003, 23, 29. 337 Durch die Geschäftsleitungsorgane selbst oder durch eine informationelle Bevorzugung professioneller Marktteilnehmer. 331

302 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

D. Das Publizitätskonzept am organisierten Kapitalmarkt

es mit der Zeit auch lernen, saisonale Schwankungen zu berücksichtigen, zumal es, wie ein vergleichender Blick in die USA verdeutlicht, durchaus Darstellungsmethoden gibt, welche die Prognosefunktion der Zwischenberichterstattung gewährleisten.338 Gerade bei der Quartalsberichterstattung wurde aber deutlich, dass hier die Grenze dessen erreicht ist, was für den Markt sinnvoll ist. Bei dem Vergleich mit den USA ist dabei immer das Gesamtkonzept im Blick zu behalten, welches vor allem auch die Ausgestaltung und Durchsetzung der Ad hoc-Publizität mit einbeziehen muss. Hier soll aufgezeigt werden, dass diese in Europa bislang jene Funktionen übernommen hat, die der Quartalsberichterstattung in den USA zukamen, weil dort die Ad hocPflicht nach dem abschließenden Katalog des Form 8-K weniger extensiv ausgestaltet ist, als in Deutschland,339 und darüber hinaus von der Rechtsprechung gerade keine allgemeine Veröffentlichungspflicht für kurserhebliche Informationen angenommen wird: „Silence, absent a duty to disclose, is not misleading under Rule 10b-5.“340. Eine partielle Übernahme darf hier nicht zu Doppelregulierung führen. bb) Bestätigung eines „abgestuften Konzepts“ der Publizität Bevor ein Überblick über das Gesamtsystem unterjähriger Publizitätsvorschriften am organisierten Kapitalmarkt gegeben werden kann, sei an den sachlichen und internationalen Anwendungsbereich der kapitalmarktrechtlichen Sekundärmarktpublizität erinnert.341 Für die hier erfolgende Systematisierung ist von größter Bedeutung, dass nach europäischen Vorgaben an die Inanspruchnahme eines geregelten Marktes angeknüpft wird und die Intensität des anzuwendenden Regelungsregimes

338 Die Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden nach US GAAP sehen entgegen der integrativen Vorgehensweise vor, saisonale Erträge nicht abzugrenzen (also verursachungsgerecht auf den betreffenden Zeitraum zu verteilen), sondern schreiben vielmehr Erläuterungen vor, die eine Prognose des Jahresergebnisses gewährleisten (APB 28.18), näher Pellens/Fülbier/ Gassen/Sellhorn, S. 913. 339 In den USA besteht ein abschließender Sachverhaltskatalog auf Form 8-K (current reports), Schröder, S. 39. Dieser gibt detailliert an, bei welchen Ereignissen welche Angaben innerhalb von vier Tagen zu machen sind. Darüber hinaus können Meldungen erfolgen, Sec. 8. Der Katalog (wesentliche Vertragsbeziehungen, Kontrollwechsel, Wechsel der Wirtschaftsprüfer, u. ä.; vgl. Sec. 1 – 6 und 9 des Form 8-K, abgedruckt bei Cox/Hillman/Langevoort, Statutes and Forms, S. 516 ff.) weist inhaltlich erhebliche Ähnlichkeit auf zu dem „Katalog veröffentlichungspflichtiger Insiderinformationen“ der BaFin, Emittentenleitfaden, Stand 28. 4. 09, IV.2.2.4., S. 55 ff., der jedoch nicht abschließende, beispielhafte Empfehlungen geben soll. Insbesondere nach der Ausweitung der deutschen Ad hoc-Pflicht im Rahmen des Anlegerschutzverbesserungsgesetzes wird diese daher sehr viel weiter auszulegen sein, als ihr amerikanisches „Vorbild“, vgl. unten, D.II.3.c)aa)(2). 340 Basic Inc. v. Levinson, 485 U.S. 224, 239, Rn. 17 (1988). Die Rechtsprechung hat über Form 8-K hinaus Offenlegungspflichten bei Insiderkenntnissen nur sehr restriktiv angenommen, vgl. Gehrt, Ad hoc, S. 104 ff. 341 Vgl. oben, D.II.1.; Überblick auch bei Klöhn, in: Langenbucher (Hrsg.), S. 303.

II. Publizitätspflichten im geltenden nationalen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

303

dann nach Gattung der begebenen Wertpapiere, mithin nach der Intensität der Inanspruchnahme dieses Marktes, abgestuft ist.342 cc) Ausgestaltung der kapitalmarktrechtlichen Regelpublizität (1) Jahresabschlusspublizität/Jahresfinanzbericht nach § 37v WpHG § 37v WpHG verpflichtet Inlandsemittenten i.S.d. § 2 Abs. 7 WpHG343 bei Inanspruchnahme eines organisierten Marktes i.S.d. § 2 Abs. 5 WpHG „für den Schluss eines jedes Geschäftsjahres einen Jahresfinanzbericht344 zu erstellen und […] der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen.“ Ist das Unternehmen verpflichtet, einen Konzernabschluss aufzustellen, so ist der Jahresfinanzbericht um einen geprüften IFRSKonzernabschluss, Konzernlagebericht und „Bilanzeid“ zu erweitern, § 37y Nr. 1 WpHG. Wie bereits gesehen, gilt jedoch für inländische börsennotierte Aktiengesellschaften der Vorrang der handelsrechtlichen Jahresabschlusspublizität, so dass § 37v Abs. 1 Satz 1 WpHG vor allem für Emittenten ausländischer Rechtsform von Bedeutung ist, welche die Voraussetzungen nach § 2 Abs. 7 WpHG erfüllen.345 Aus systematischer Sicht erscheint die Anwendung unterschiedlicher Regelungskataloge zunächst verwirrend, da zudem Unterschiede in Durchsetzung und Rechtsfolgen nach HGB und WpHG bestehen.346 Eine materielle Betrachtung zeigt jedoch, dass sich die Vorschriften inhaltlich weitestgehend entsprechen, und die Problematik vor allem in der Abstimmung von Details verschiedener historisch gewachsener Rechnungslegungsregimes liegt.347 Die Gleichwertigkeit der Informationen wird zudem durch §§ 12 ff. TranspRLDV348 gewährleistet.

342

Die Transparenzrichtlinie verpflichtet alle Emittenten, einen Jahresfinanzbericht zu veröffentlichen (Art. 4 Abs. 1), Emittenten von Aktien und Schuldtiteln gem. Art. 2 Abs. 1 lit. b auch einen Halbjahresfinanzbericht (Art. 5 Abs. 1), sowie Aktienemittenten zusätzliche Zwischenmitteilungen (Art. 6 Abs. 1). Zu den europäischen Vorgaben, insbesondere zu Inkonsistenzen bei der Umsetzung und daraus folgenden europarechtlichen Bedenken siehe auch Mülbert/Steup, NZG 2007, 761 ff. 343 Vgl. Nießen, NZG 2007, 41, 42; es gilt das Herkunftslandprinzip, dazu oben, D.II.1. 344 Nach § 37v Abs. 2 WpHG mindestens geprüfter Jahresabschluss, Lagebericht und „Bilanzeid“. 345 Zimmermann, in: Fuchs, § 37v WpHG, Rn. 7. 346 Ausführliche Kritik bei Mülbert/Steup, NZG 2007, 761. 347 Mülbert/Steup, NZG 2007, 761 ff. kritisieren vor allem die Regelung in zwei verschiedenen Gesetzen, die aber wie gesehen historisch begründet ist. Möglichkeiten einer Entwirrung durch verbesserte formelle Abstimmung liegen aber jenseits des Untersuchungsbereichs dieser Arbeit. 348 Verordnung zur Umsetzung der Richtlinie 2007/14/EG der Kommission vom 8. März 2007 mit Durchführungsbestimmungen zu bestimmten Vorschriften der Richtlinie 2004/109/ EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen sind, BGBl. I 2008, 408.

304 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

D. Das Publizitätskonzept am organisierten Kapitalmarkt

(2) Halbjahresfinanzbericht nach § 37w WpHG Alle Inlandsemittenten, die bestimmte Wertpapiere349 begeben haben, müssen nach § 37w WpHG einen Halbjahresfinanzbericht erstellen und diesen unverzüglich, spätestens zwei Monate nach Ablauf des Berichtszeitraums der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen. Er hat mindestens einen verkürzten Abschluss, einen Zwischenlagebericht und einen „Bilanzeid“350 zu enthalten. Für konzernabschlusspflichtige Unternehmen gilt § 37y Nr. 2 WpHG. Auf den verkürzten Abschluss sind die für den Jahresabschluss geltenden Rechnungslegungsgrundsätze anzuwenden, § 37w Abs. 3 WpHG. Der Zwischenlagebericht informiert über wichtige Ereignisse des Berichtszeitraums, Chancen und Risiken, sowie wesentliche Geschäfte, vgl. § 37w Abs. 4 WpHG. Noch sind die Zwischenlageberichte schwer vergleichbar, weil sie formal nicht einheitlich gestaltet sind, und weisen Defizite bei der zukunftsorientierten Berichterstattung auf.351 Beidem könnte mit klareren gesetzlichen Vorgaben Rechnung getragen werden. Inhaltlich ist eine vollständige Aktualisierung des letztjährigen Lageberichts nicht erforderlich.352 Dennoch ist die unterjährige Finanzberichterstattung, insbesondere durch die ausführlichen Halbjahresberichte, im Interesse des Anlegerschutzes erheblich ausgeweitet worden, was für Emittenten, die keine Quartalsfinanzberichte nach § 66 BörsO FWB erstellen müssen, zu einer erheblichen Mehrbelastung führt.353 Wie bei der Abschlussprüfung gesehen, hat die Richtigkeitsgewähr eine erhebliche Bedeutung für die Effektivität des Schutzes des Rechtsverkehrs durch Publizität. Im Rahmen der unterjährigen Berichterstattung besteht hier keine Unterzeichnungspflicht aller Vorstandsmitglieder und kein Zwang zur Vorlage bzw. Prüfung durch den Aufsichtsrat.354 Es besteht ein Wahlrecht, ob der Halbjahresfinanzbericht einer Prüfung oder prüferischen Durchsicht unterzogen wird, § 37w Abs. 5 WpHG. Die prüferische Durchsicht bietet dabei nicht das Maß an Sicherheit wie eine Prüfung entsprechend § 317 HGB.355 Das Ergebnis ist jeweils offenzulegen, bei Unterbleiben von Prüfung und Durchsicht hat ein Negativvermerk zu erfolgen, der das Unterbleiben offenlegt.356 Halbjahresfinanzberichte unterliegen dem „Enforcement“, das aber

349

Zu den Einzelheiten vgl. §§ 37w Abs. 1, 2 Abs. 1 Satz 1 WpHG. Zu Funktionsweise und rechtspolitischer Würdigung, s. o., D.III.2.a)aa); vgl. Fleischer, ZIP 2007, 97 ff. 351 Dazu Kajüter/Barth/Meyer, WPg 2009, 462, 463 ff. (neues Rechnungslegungsinstrument benötigt aber Zeit). 352 Zimmermann, in: Fuchs, § 37w WpHG, Rn. 21 m.w.N. 353 Zimmermann, ebd., vor §§ 37v bis 37z WpHG, Rn. 20 (betont Schutz individueller Anleger). 354 Nonnenmacher, in: Marsch-Barner/Schäfer, § 57, Rn. 10, 12. 355 Insofern kritisch Nonnenmacher, in: Marsch-Barner/Schäfer, § 57, Rn. 25. 356 Zimmermann, in: Fuchs, § 37w WpHG, Rn. 23. 350

II. Publizitätspflichten im geltenden nationalen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

305

hier auf eine anlassbezogene Prüfung beschränkt ist.357 Stichprobenbezogene Prüfungen der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung scheiden somit aus.358 (3) Zwischenmitteilung der Geschäftsführung nach § 37x WpHG Nach § 37x WpHG haben Inlandsemittenten, die Aktien begeben, in einem Zeitraum zwischen zehn Wochen nach Beginn und sechs Wochen vor Ende der ersten und zweiten Hälfte des Geschäftsjahrs der Öffentlichkeit eine Zwischenmitteilung zur Verfügung zu stellen, die Informationen über die aktuelle Entwicklung der Geschäftstätigkeit359 enthält. Diese rein deskriptive Darstellung, die kein Zahlenwerk enthalten muss, bleibt weit hinter einem Quartalsfinanzbericht360 zurück. Zudem ist sie ausschließlich vergangenheitsbezogen, was einen wesentlichen Unterschied zu Jahresund Halbjahresfinanzberichten darstellt.361 Eine dem „Bilanzeid“ entsprechende Erklärung, die prüferische Durchsicht und die Einbeziehung in das „Enforcementverfahren“ der DPR erfolgen nicht. Mit diesem „weniger anspruchsvollen“ Standard soll bewusst hinter den hohen Anforderungen der USA zurückgeblieben werden.362 Gegen eine solch „halbherzige“ Übernahme von US-Vorbildern bestehen Bedenken. Bei der Ausgestaltung eines hoheitlichen Konzeptes ist entscheidend, dass die tatsächlich relevanten Informationen offengelegt werden363, und nicht die Häufigkeit der Berichte. Insofern wären hier bei der Regelpublizität inhaltlich klarere Maßgaben erforderlich, die eine zukunftsorientierte Gesamteinschätzung ermöglichen. Die Aktualität der Informationen ist in Deutschland hingegen schon durch die Ad hoc-Publizität gewährleistet.364 Insofern wäre zu prüfen, ob der Zwischenmitteilung in der gegenwärtigen Ausgestaltung ein gegenüber § 15 WpHG zusätzlicher, diese rechtfertigender, Informationsgehalt zukommt.365 (4) Quartalsfinanzberichte § 37x Abs. 3 WpHG räumt die Möglichkeit ein, anstelle der Zwischenmitteilung einen Quartalsfinanzbericht zu erstellen. Diesbezüglich wird auf die Vorschriften zum Halbjahresfinanzbericht verwiesen (verkürzter Abschluss, Zwischenlagebe357 §§ 37n, 37o Abs. 1 Satz 4 WpHG, § 342b Abs. 2 Satz 1 und 4, 2. HS HGB (Ermächtigung BaFin). 358 Beiersdorf/Rahe, BB 2007, 99, 100 (zu der Kompromissfindung im Gesetzgebungsverfahren). 359 Siehe § 37x Abs. 2 WpHG. Entwicklungen im Konzern sind ggf. einzubeziehen. 360 Dazu sogleich. 361 Mock, in: Kö-Ko WpHG, § 37x n.F., Rn. 22. 362 Sec. 13(a)(1) SEA, Rule 13a-13 (17 C.F.R. § 240.13a-13) schreiben eine Quartalsberichterstattung auf Form 10-Q vor; Zimmermann, in: Fuchs, vor §§ 37v bis 37z WpHG, Rn. 4 (zur bewussten Begrenzung der verpflichtenden Quartalsangaben durch die Kommission). 363 Dietrich, Aktionärsschutz, S. 328. 364 Dazu sogleich. 365 Vgl. dazu bereits oben, D.II.3.b)aa).

306 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

D. Das Publizitätskonzept am organisierten Kapitalmarkt

richt, Konsolidierung bei Rechnungslegungspflicht im Konzern), wobei kein „Bilanzeid“ und keine Pflicht zur Offenlegung in Bezug auf die freiwillige prüferische Durchsicht vorgesehen ist.366 (5) Vorschriften der Börsenordnung Mit dieser detaillierten Regelung der unterjährigen Finanzberichterstattung im WpHG haben die erweiterten Zulassungsfolgepflichten der Börsenordnungen erheblich an Bedeutung verloren.367 So macht die Börsenordnung der Frankfurter Wertpapierbörsen (BörsO)368 zwar weiterhin von der Ermächtigung in § 42 Abs. 1 BörsG Gebrauch und statuiert in den §§ 63 ff. BörsO Voraussetzungen für die Zulassung zum Teilbereich des regulierten Marktes mit weiteren Zulassungsfolgepflichten (Prime Standard). Diese nehmen jedoch im Wesentlichen auf die dargestellten Vorschriften des WpHG Bezug, setzen aber für den Prime Standard zwingend Quartalsfinanzberichte voraus, die für konzernabschlusspflichtige Unternehmen nach § 37y Nr. 2 WpHG analog zu erstellen sind, § 66 Abs. 1 BörsO. Dies stellt den einzigen wesentlichen Unterschied zum General Standard dar. Daneben setzt die Zulassung zum Prime Standard voraus, dass alle Berichte in deutscher und englischer Sprache, für Emittenten mit Sitz im Ausland nur in englischer Sprache, verfasst und in elektronischer Form an die Geschäftsführung weitergeleitet werden, welche sie dem Publikum zur Verfügung stellt, §§ 65 Abs. 1 Satz 2 und 3, 66 Abs. 3 BörsO. Ad hoc-Meldungen sind zeitgleich in englischer Sprache vorzunehmen, § 69 BörsO. Diese Veröffentlichungen in englischer Sprache werden auf internationaler Ebene von den USA zunehmend anerkannt.369 §§ 67, 68 BörsO verpflichten zur Führung eines Unternehmenskalenders und der Durchführung einer Analystenveranstaltung. Weitere Unterschiede bestehen nicht. Auch gibt es keine besonderen, über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehenden Vorschriften bezüglich der anzuwendenden Rechnungslegungsgrundsätze mehr.370 Damit erscheint fraglich, ob die mit § 42 BörsG bezweckte Ausdifferenzierung der Zulassungsfolgepflichten371 in ausreichendem Maße erreicht wird. Danach gelte die Befolgung erweiterter Publizitätsvoraussetzungen als besonderes Qualitätsmerkmal, dessen Herausbildung im Interesse der Märkte zu ermöglichen ist.372 Nun könnte den Emittenten durch die erhebliche Erweiterung der Transparenz im Bereich der unterjährigen Berichterstattung die Chance genommen werden, sich durch eine solche positive Signalsetzung an einem ausdifferenzierten 366

Nonnenmacher, in: Marsch-Barner/Schäfer, § 57, Rn. 31 f. Ebd., § 57, Rn. 34 ff. 368 Abrufbar unter http://www.deutsche-boerse.com ! Regelwerke FWB. 369 Seit 2008 sind ausländische Emittenten, die nicht § 13(a) oder § 15 (G) SEA unterfallen, gem. Rule 12 g3-2(b) SEA von einer Registrierungspflicht befreit, sofern sie bestimmte Informationen elektronisch auf englisch zugänglich machen, vgl. SEC, Release No. 34-58465 vom 5. 9. 2008, abrufbar unter: http://www.sec.gov. 370 Nonnenmacher, in: Marsch-Barner/Schäfer, § 59, Rn. 34. 371 Groß, Kapitalmarktrecht, § 42 BörsG, Rn. 2. 372 Begr. RegE 4. FMFG, BT-Drucks. 14/8017 vom 18. 1. 2002. 367

II. Publizitätspflichten im geltenden nationalen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Markt zu profilieren. Es bleibt jedoch zunächst abzuwarten, welche neuen Standards sich hier etablieren werden. (6) Bevorzugte Information einzelner Marktteilnehmer Seit den 1990er Jahren spielen diesbezüglich auch in Deutschland die investor relations (IR), verstanden als die Pflege der Beziehungen zu aktuellen und potentiellen Kapitalgebern, eine wachsende Rolle.373 Dabei werden einzelne interessierte Kreise, etwa in Analystenkonferenzen oder Gesprächen mit wesentlich beteiligten Aktionären, bevorzugt informiert.374 Gründe dieser aktiven Kommunikationspolitik sind zum einen der Druck der Kapitalmärkte zur Steigerung des shareholder value, andererseits die zunehmend klaren Vorstellungen einer wachsenden Anzahl internationaler und institutioneller Investoren und Intermediäre von wertorientierter Kapitalmarktkommunikation.375 (Beachte: Auch Privatanleger zählen zur Zielgruppe der IR.)376 So können die Kursvolatilität minimiert, Kapitalkosten gesenkt und langfristig Vertrauen und Image aufgebaut werden (Markenbildung).377 Zum Teil schreiben auch die Börsenordnungen etwa Analystenkonferenzen vor.378 Es werden folglich gezielt Informationen gegeben, die über das hier dargestellte „Pflichtenprogramm“ hinausgehen,379 womit der Abstimmungsbedarf offensichtlich ist. Diese Abstimmung kann und soll hier aber nicht erfolgen. Gegenstand der Systematisierung ist allein der gesetzlich vorgeschriebene Teil, nicht aber die zusätzliche Weitergabe freiwilliger Informationen,380 die zudem meist nicht durch allgemeine Publizität, sondern über persönliche Kommunikationswege erfolgt. In direkten Konflikt mit dem verpflichtenden Offenlegungsregime gerät die freiwillige Weitergabe von Informationen aber, wenn die Schwelle der Kursrelevanz erreicht ist (Verbot des § 14 Abs. 1 Nr. 2 WpHG; Ad hoc-Pflicht nach § 15 Abs. 1 WpHG) oder eine hinreichende tatsächliche Öffentlichkeit erreicht wird (§§ 175 Abs. 2, 131 Abs. 4 AktG).381 Für den hoheitlichen Pflichtenkatalog ist diesbezüglich vor allem von Bedeutung, dass der Grundsatz informationeller Chancengleichheit ge373

Zuletzt Fleischer, ZGR 2009, 505, 507 m.w.N. Eine weitere Fallgruppe bietet die gezielte Informationsweitergabe im Rahmen der due diligence. Vgl. ausführlich zur gesamten Problematik Verse, S. 532 ff. (Informationelle Chancengleichheit). 375 Franken/Heinsius, in: FS Budde, S. 213, 220. 376 Monographisch Harzer, Investor Relations für Privatanleger; die Deutsche Schutzvereinigung Wertpapierbesitz e.V. veranstaltet etwa „Aktienforen“ für Privatanleger; vgl. www.dsw-info.de/DSW-Aktienforenseminare. 377 Fleischer, ZGR 2009, 505, 509; vgl. die Beiträge in: Knüppel/Lindner (Hrsg.), Die Aktie als Marke. 378 So im Prime Standard der Frankfurter Wertpapierbörse §§ 65, 80 BörsO FWB. 379 Verse, S. 532. A.A. Franken/Heinsius, in: FS Budde, S. 213, 220 (nur allgemein zugängliche Informationen). 380 Dürr, Investor Relations, S. 9 ff., 21 ff. unterscheidet hier „Pflicht“ und „Kür“ der IR. 381 Dazu unten, D.II.3.e). 374

308 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

D. Das Publizitätskonzept am organisierten Kapitalmarkt

wahrt bleibt382 und trotzdem genügend ökonomische Anreize für ein Streben nach legitimen Informationsvorsprüngen bestehen.383 Häufig vernachlässigt wird zudem die durch IR geförderte interne Kommunikation innerhalb des Unternehmens: Erst in Vorbereitung der externen IR werden intern Informationen bekannt oder zusammengestellt, die dann eine Ad hoc-Pflicht auslösen, und anderenfalls niemals den Weg an die Öffentlichkeit gefunden hätten.384 c) Die kapitalmarktrechtliche anlassbezogene Publizität Wie bereits gesehen, besteht am Kapitalmarkt neben vergleichbaren und regelmäßig zu erwartenden Angaben (auch wenn diese in immer geringeren Zeitabständen und zunehmend zukunftsorientiert erfolgen) ein erhebliches Bedürfnis nach sofortiger aktueller Information. aa) Ad hoc-Publizität nach § 15 WpHG Besondere Bedeutung kommt hierbei der Ad hoc-Publizität zu.385 (1) Sinn und Zweck der Ad hoc-Publizität, europarechtliche Grundlagen Durch die Ad hoc-Publizität sind börsennotierte Unternehmen verpflichtet, kursrelevante Informationen unverzüglich zu veröffentlichen und den Kapitalmarkt über neueste Entwicklungen im Unternehmen zu informieren. Damit soll die unverzügliche Information des Kapitalmarktes über sämtliche neue, zwischen den Intervallen der periodischen Publizität auftretende kursrelevante Informationen gewährleistet werden.386 Institutionell werden durch diese Ergänzung des kapitalmarktorientierten Informationssystems (1) die Markteffizienz und zumindest mittelbar der Preisbildungsmechanismus gefördert, sowie (2) Insiderhandel unterbunden.387 Fraglich ist, inwieweit der Vorschrift zudem individualschützende Wirkung zukommt. So ließe sich der Anlegerschutz hier im Sinne eines Rechtsreflexes verstehen, der nur insoweit erfolgt, als das Vertrauen in ein ordnungsgemäßes Funktionieren der Kapitalmärkte

382

Ausführlich Verse, S. 532 ff.; Fleischer, ZGR 2009, 505, 511 ff. Vgl. dazu die Ausführungen zur Regulation FD aus ökonomischer Sicht, oben, B.III.3.; B.IV.2.e); Angestrebt ist keine absolute Gleichbehandlung, sondern nur eine solche bzgl. kurserheblicher Information. Darüber hinaus bleiben Suchanreize (etwa im Rahmen legitimer zusätzlicher Informationsweitergabe) bestehen. 384 Vgl. Mei-Pochtler, in: Knüppel/Lindner (Hrsg.), S. 11, 13. 385 Dazu zuletzt Eichner, Insiderrecht, S. 25 ff. (Systematik), 44 ff. (inhaltlich), unter ausführlicher Berücksichtigung des Anlegerschutzverbesserungsgesetzes und der europäischen Rahmenvorgaben. 386 Schäfer, in: Marsch-Barner/Schäfer, § 14 Rn. 4. 387 Assmann, in: Assmann/Schneider, § 15 WpHG, Rn. 6 f., 32 ff. m.w.N. 383

II. Publizitätspflichten im geltenden nationalen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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es erfordert.388 Andererseits konnte oben herausgearbeitet werden, dass das Kapitalmarktrecht darauf abzielt dem einzelnen Anleger eine informierte Anlageentscheidung in voller Kenntnis der Sachlage zu ermöglichen. Mithin kommt dem Anlegerschutz eine eigenständige, gleichwertige Stellung in einer dualistischen Zielkonzeption zu, was aufgrund der „Janusköpfigkeit“ des Anlegerschutzes auch gar nicht ACHTUNGREanders möglich ist.389 Hier wird die juristische Perspektive besonders deutlich, bei der neben reinen Effizienzgedanken (Insiderhandel könnte die Effizienz steigern und daher wünschenswert sein;390 andererseits fördern Insiderhandelsverbot und Transparenzpflicht die Chancengleichheit aller Marktteilnehmer und damit deren Vertrauen in den Markt, so dass sie jedenfalls aus Gründen des Marktfunktionsschutzes auch ökonomisch gerechtfertigt sind)391 eben auch Gerechtigkeitsgesichtspunkte (Schutzbedürfnis im Einzelfall, Fairnessgedanke) zu berücksichtigen sind. Eine Vorschrift zur Ad hoc-Publizität wurde im deutschen Recht erstmals 1979 in Umsetzung der Börsenzulassungsrichtlinie392 in § 44a BörsG a.F. eingeführt, um die Jahresabschlusspublizität zu ergänzen.393 Wirkliche Bedeutung erlangte die Regelung jedoch erst mit der Marktmissbrauchsrichtlinie, ergänzt durch eine Reihe von Durchführungsverordnungen und -richtlinien,394 wonach der Anwendungsbereich vom amtlichen auf den geregelten Markt erstreckt wurde. Dies entspricht heute der Anknüpfung an die Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt.395 Die Vorgaben wurden umgesetzt durch Anlegerschutzverbesserungsgesetz396 und TUG397, was zu erheblichen Rechtsänderungen führte. Ihre besondere Bedeutung im Informationsgefüge des sekundären Kapitalmarkts erlangt die Vorschrift nicht zuletzt durch die zunehmend schärfere Sanktionierung, vgl. § 39 Abs. 2, 4 WpHG sowie die in §§ 37b, 37c WpHG vorgesehene Schadensersatzpflicht. Jährlich erfolgen heute etwa 3500 Ad hoc-Meldungen.398

388

Kümpel, Rn. 16.220 ff. Fleischer, Gutachten F, S. F25, S. F96 ff. 390 Dazu abermals Manne, Insider Trading, S. 47 ff. (Insiderhandel aus Effizienzgründen gutzuheißen). 391 Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 190 ff. (Gerechtigkeitsgesichtspunkte und Chancengleichheit erfordern Ad hoc-Pflicht aus juristischer Sicht; der Gedanke wird dann aber in der „modernen Rechtfertigung“, S. 192 f., allein wieder auf den Schutz der Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte durch Vertrauen begrenzt). 392 Richtlinie 1979/279/EWG (alte Börsenzulassungsrichtlinie). 393 Schäfer, in: Marsch-Barner/Schäfer, § 14 Rn. 6 m.w.N. 394 Zur Richtlinie 2003/6/EG (Marktmissbrauchsrichtlinie) und Durchführungsakten, oben, D.I.3. 395 Über den Begriff des Inlandsemittenten, § 15 Abs. 1 WpHG; vgl. §§ 2 Abs. 6 Satz 1, Abs. 7 WpHG. 396 Anlegerschutzverbesserungsgesetz vom 29. 10. 2004, BGBl. I 2004, 2630. 397 BGBl. I 2007, 10. (Anwendungsbereich: Inlandsemittenten). 398 Nach BaFin, Jahresbericht 2007, S. 184, abrufbar unter: www.bafin.de, Jahresbericht: 3300 (2003), 3260 (2004), 3746 (2005), 3516 (2006), 3493 (2007). 389

310 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

D. Das Publizitätskonzept am organisierten Kapitalmarkt

(2) Ausgestaltung der Ad hoc-Publizität399 und ihre Stellung im Gesamtkonzept Normadressat des § 15 Abs. 1 WpHG ist seit dem TUG jeder Inlandsemittent eines Finanzinstruments, und zwar systematisch fragwürdig400 schon ab dem Zeitpunkt, an dem ein Antrag auf Zulassung gestellt ist, § 15 Abs. 1 Satz 2 WpHG. Damit gilt auch hier das Herkunftslandprinzip, wonach ausländische Emittenten, deren Finanzinstrumente nicht ausschließlich in Deutschland, sondern auch in ihrem Herkunftsmitgliedstaat zugelassen sind, nicht den Meldepflichten in Deutschland unterliegen. Das ist für eine große Anzahl an Gesellschaften aus dem europäischen Ausland der Fall.401 Erfasst sind alle Finanzinstrumente, § 2 Abs. 2a WpHG. Eine Beschränkung oder Abstufung wie bei der periodischen Publizität erfolgt nicht. § 15 Abs. 1 Satz 4 WpHG erweitert den Adressatenkreis um solche Personen, die im Auftrag oder auf Rechnung des Emittenten handeln. Seit dem Anlegerschutzverbesserungsgesetz (AnSVG)402 knüpft § 15 WpHG an § 13 WpHG an und verpflichtet Inlandsemittenten „Insiderinformationen“, die sie „unmittelbar betreffen“, unverzüglich zu veröffentlichen, § 1 Abs. 1 Satz 1, 1. HS WpHG. Damit einher geht insbesondere die ausdrücklich bezweckte403 Erweiterung des Anwendungsbereichs gegenüber dem „Tatsachenbegriff“ i.S.d. § 15 WpHG a.F.404 Erfasst sind nunmehr auch unternehmensexterne Umstände,405 die außerhalb des Tätigkeitsbereichs des Unternehmens liegen und auf die ein Unternehmen oftmals gar keinen Einfluss hat. Für Einzelfragen ist hier auf die umfangreichen Darstellungen in der Literatur406 sowie insbesondere auf den Emittentenleitfaden der BaFin407 zu verweisen. Für das systematische Verständnis des § 15 WpHG ist es allerdings von Interesse, auf ausgewählte dieser Fallgruppen kurz einzugehen, da es hier oftmals Überschneidungsbereiche und somit Abstimmungsbedarf mit anderen Offenlegungspflichten zu geben scheint.

399 Zum grundsätzlichen Verständnis dazu nur Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 548 ff. 400 Es verwundert, dass seit der Streichung des § 49 BörsZulV durch das FRUG, dazu oben, D.II.2., Fn. 90, der Antrag auf Zulassung nicht mehr zu veröffentlichen ist. Damit geht aus dem elektronischen Bundesanzeiger nicht hervor, ab wann ein Emittent dieser Pflicht unterliegt. Hingegen gilt die Nachtragspflicht nach § 16 Abs. 1 Satz 1 WpPG bis zur Einbeziehung in den Handel. 401 BaFin, Jahresbericht 2007, S. 184, abrufbar unter: www.bafin.de, Jahresbericht. 402 Anlegerschutzverbesserungsgesetz vom 29. 10. 2004, BGBl. I 2004, 2630. 403 Begr. RegE Anlegerschutzverbesserungsgesetz, BT-Drucks. 15/3174, S. 27; dazu Schäfer, in: Marsch-Barner/Schäfer, § 14, Rn. 22. 404 Zu den damit verbundenen Abgrenzungsschwierigkeiten Schäfer, in: Marsch-Barner/ Schäfer, § 14, Rn. 23 m.w.N. (Werturteile, Prognosen, mehrstufige Entscheidungen, Ausscheiden eines Vorstandsvorsitzenden, Bilanzierung, Enforcementverfahren, Unternehmenskauf). 405 Vgl. § 15 Abs. 1 Satz 3 WpHG („insbesondere“ wenn im Tätigkeitsbereich eingetreten). 406 Versteegen, in: Kö-Ko, § 15 WpHG, Rn. 75 ff.; Assmann, in: Assmann/Schneider, § 15 WpHG Rn. 64 ff.; Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, KMG, § 15 WpHG, Rn. 70 ff. 407 BaFin, Emittentenleitfaden, Stand 28. 4. 09, S. 47 ff. (Ad hoc-Publizität).

II. Publizitätspflichten im geltenden nationalen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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(a) Abgrenzung von Ad hoc-Publizität und Rechnungslegung Vor dem AnSVG408 waren nach § 15 WpHG a.F. solche Tatsachen zu veröffentlichen, die sich auf die Vermögens- oder Finanzlage oder den allgemeinen Geschäftsablauf des Emittenten auswirkten. Danach sollte die Ad hoc-Publizität die ACHTUNGRERegelpublizität ergänzen und Verzögerungen, die durch die langen Fristen für die Offenlegung von Rechnungslegungsunterlagen bedingt waren, ausgleichen.409 Die Neufassung unterstreicht nun daneben insbesondere das Ziel, durch die Bekanntgabe kursrelevanter Insiderinformationen den Insiderhandel einzuschränken.410 Damit wird zunächst deutlich, dass die Ad hoc-Pflicht nach Sinn und Zweck nicht auf diejenigen Tatsachen begrenzt werden kann, die auch im Jahresabschluss zu berücksichtigen sind.411 Vielmehr erfordert bereits der Vertrauens- und Individualschutz, dass sämtliche kursrelevante Informationen schnellstmöglich offengelegt werden. Andererseits verdeutlichte der Grundsatz der Wesentlichkeit, dass auch eine uferlose Ad hoc-Pflicht nicht im Interesse des Marktes liegen kann. Wo eine Abgrenzung zu erfolgen hat, kann hier nicht vertieft werden, muss aber jedenfalls auch im Zusammenspiel mit der Regelpublizität gesehen werden, welche eine systematische und begrenzte Zusammenschau in regelmäßigen Zeitabständen gewährleistet. Das ergänzende Verständnis von Ad hoc-Pflicht und Regelpublizität führt nun bei denjenigen Umständen, die auch im Rahmen der Regelpublizität zu berichten sind, regelmäßig zu der Frage, wann einzelne Geschäftsvorfälle, sofern sie kursrelevant sind, schon vor ihrer Veröffentlichung im Rahmen der Regelpublizität eine Ad hoc-Pflicht auslösen.412 Da die Aufstellung eines Jahresabschlusses im dualen Aufsichtssystem der deutschen AG zudem einen mehrstufigen Entscheidungsprozess413 darstellt, ist regelmäßig fraglich, wann eine zusätzliche Ad hoc-Pflicht eingreift. Abstellen ließe sich auf die Aufstellung durch den Vorstand,414 die Feststellung durch den Aufsichtsrat,415 oder vermittelnd, bei hinreichender Wahrscheinlichkeit einer Zu-

408

Anlegerschutzverbesserungsgesetz vom 29. 10. 2004, BGBl. I 2004, 2630. Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, KMG, § 15 WpHG, Rn. 8 ff. 410 Pfüller, in: Fuchs, § 15 WpHG, Rn. 173. 411 Str., Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, KMG, § 15 WpHG, Rn. 10 m.w.N. unter Darstellung der a.A. 412 BaFin, Emittentenleitfaden, Stand 28. 4. 09, S. 60; die gegenteilige Ansicht, wonach sich § 15 WpHG a.F. sich von vornherein nicht auf solche Tatsachen beziehen sollte, die schon im Rahmen der laufenden Publizität darzustellen seien, hat sich nicht durchgesetzt, vgl. Geibel/ Schäfer, in: Schäfer/Hamann, KMG, § 15 WpHG, Rn. 7 mit Verweis auf die missverständliche Gesetzesbegründung, RegE 2. FMFG, BT-Drucks. 12/6679, S. 48. 413 Happ/Semler, ZGR 1998, 116; zu Begriff und Problematik BaFin, Emittentenleitfaden, Stand 28. 4. 09, S. 32. 414 Pfüller, in: Fuchs, § 15 WpHG, Rn. 166 – 168 m.w.N. 415 Zuvor seien keine Rechte und Pflichten der Gesellschaft begründet (Hopt); ein nicht rechtskräftiger Beschluss dürfe nicht öffentlichkeitswirksam gemacht werden (Claussen); Happ/Semler, ZGR 1998, 116, 120 m.w.N. (zum Tatsachenbegriff). 409

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D. Das Publizitätskonzept am organisierten Kapitalmarkt

stimmung durch den Aufsichtsrat.416 Hinzu tritt, dass schon im Vorfeld während der Aufstellung durch den Vorstand kursrelevante Insiderinformationen auftreten können, die für sich eine Pflicht nach § 15 WpHG begründen, sog. „gestreckter Sachverhalt“.417 All diese Abgrenzungsschwierigkeiten relativieren sich jedoch erheblich, wenn die Offenlegungsvorschriften, wie hier angeregt, im Gesamtzusammenhang und in ihrer Kapitalmarktorientierung gesehen werden. Hier lässt sich zunächst ein besonderes Interesse der Marktteilnehmer an der Finanzberichterstattung börsennotierter Unternehmen feststellen, was für eine weite Interpretation spricht.418 Nur ausnahmsweise ist dann eine Befreiung nach § 15 Abs. 3 WpHG möglich.419 Gegen zu weite Ad hoc-Pflichten spricht allerdings das erhebliche Verwirrungspotential von Einzelmeldungen, da durch die Regelpublizität gerade eine umfassende, inhaltlich abgestimmte Darstellung erfolgen soll.420 Daher ließ sich die Abneigung verstehen, jeden vorläufigen und noch frei durch den Vorstand veränderbaren Abschluss421 als „Tatsache“ i.S.d. § 15 WpHG a.F. zu sehen. Heute wird im Wortlaut des § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG „geeignet […] den Marktpreis […] erheblich zu beeinflussen“ der Zweck einer umfassenden Information des Marktes besonders deutlich. „Konkreten“ Informationsgehalt i.S.d. § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG erlangt der Abschluss mithin jedenfalls dann, wenn er vom Vorstand zusammengestellt ist und ein ganzheitliches Bild der Geschäftslage zu vermitteln geeignet ist. Eine Vorverlagerung des Zeitpunktes ist dann zu erwägen, wenn bei der Aufstellung einzelne Informationen bekannt werden, die schon für sich allein genommen kursrelevant sind.422 Für die Feststellung hinreichender „Konkretheit“ hat hier jedoch eine besondere, den Gesamtzusammenhang berücksichtigende, Abwägung aller beteiligten Interessen zu erfolgen, um ACHTUNGREFehleinschätzungen im Gesamtbild423 und spätere verwirrende Korrekturen zu verhindern.424 In dieser Wechselwirkung wird die Stellung der Ad hoc-Pflicht als Bestandteil eines ganzheitlichen Informationssystems, aber auch in einer Gesamtrechts416

Kümpel, in: Assmann/Schneider (1995), § 15 WpHG, Rn. 48 ff. Pfüller, in: Fuchs, § 15 WpHG, Rn. 96 ff. 418 Ebd., § 15 WpHG, Rn. 169; so insb. auch die BaFin, Emittentenleitfaden, Stand 28. 4. 09, S. 85. 419 BaFin, Emittentenleitfaden, Stand 28. 4. 09, S. 58. 420 Pfüller, in: Fuchs, § 15 WpHG, Rn. 173. 421 Ausführlich Happ/Semler, ZGR 1998, 116, 133. 422 Zu denken ist an deutlich werdende außergewöhnliche Erträge oder Verluste, außerplanmäßige Abschreibungen aufgrund eines außergewöhnlichen Ereignisses, außergewöhnliche Schadensfälle (durch Unterschlagungen) etc. Beispiele bei BaFin, Emittentenleitfaden, Stand 28. 4. 2009, S. 54 ff. Regelmäßig dürften jedoch schon die zugrunde liegenden Ereignisse eine Ad hoc-Pflicht auslösen. 423 Ad hoc-pflichtig ist beispielweise regelmäßig, wenn das Quartalsergebnis nicht im Rahmen der Prognose liegt, BaFin, Emittentenleitfaden, Stand 28. 4. 2009, S. 60. Diese Mitteilung wird allerdings regelmäßig nur im Zusammenhang mit den äußeren Umständen verständlich und bewertbar sein, die daher zu erläutern sind. 424 Insofern einschränkend Pfüller, in: Fuchs, § 15 WpHG, Rn. 178; auch Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, KMG, § 15 WpHG, Rn. 71 sehen den Zeitpunkt, an dem die Information dem Vorstand zur Verfügung steht, als zu früh an (so aber BaFin, a.a.O., S. 50). 417

II. Publizitätspflichten im geltenden nationalen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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ordnung, die in enger Beziehung zur Rechnungslegung steht und neben rein kapitalmarktrechtlichen Gesichtspunkten auch die Interessen des Handels- und Gesellschaftsrechts zu berücksichtigen hat, besonders deutlich. In der Praxis veröffentlichen etwa 67 % der börsennotierten deutschen Aktiengesellschaften zum Teil sehr detaillierte425 vorläufige Geschäftszahlen, 50 % davon über eine Ad hoc-Meldung.426 Damit sind die wesentlichen Informationen bei der Veröffentlichung der finalen Geschäftszahlen bereits bekannt und werden nur über die Corporate News oder ergänzende Kommunikationswege zusätzlich verbreitet.427 Dies entspricht der Auffassung der BaFin.428 Bedenken gegen diese Lösung bestehen dahingehend, dass Kleinanleger, die nicht ununterbrochen die Ad hoc-Mitteilungen zur Kenntnis nehmen und sich auf die ACHTUNGREBekanntgabe der Termine der Regelberichterstattung verlassen, gleichheitswidrig ACHTUNGREbenachteiligt sein könnten.429 Auch diese Bedenken lassen sich durch ein konzeptionelles Verständnis ausräumen. Eine Ad hoc-Pflicht dient der größt- und schnellstmöglichen Transparenz des Kapitalmarktes und bringt die Ziele der Marktfunktionsfähigkeit und des Individualschutzes in gerechten Ausgleich. Der Einzelne hat die Möglichkeit, die Meldungen über das Internet zu verfolgen, § 5 Abs. 1 Nr. 2 WpAIV. Zudem wird er über den Preisbildungsmechanismus umfassend geschützt. Ein Interessenausgleich scheint somit gewährleistet. Insgesamt wurde deutlich, dass trotz Abstimmungsschwierigkeiten im Detail weder auf das umfassende Bild der Regelberichterstattung, noch auf die Aktualität der Ad hoc-Pflicht verzichtet werden kann. Diese fügen sich somit zu einem ganzheitlichen Bild zusammen. Die umfassende Ad hoc-Publizität ergänzt die Regelberichterstattung, kann diese aber aufgrund des Marktbedürfnisses nach homogener und standardisierter Information nicht ersetzen. Allenfalls wenn die Zwischenberichte – aufgrund ihrer Häufigkeit – in Umfang und Aussagegehalt so gering werden, dass ihnen gegenüber der Ad hoc-Publizität kein eigenständiger Informationsgehalt mehr zukommt, wäre an eine Deregulierung zu denken.430

425 Vorläufig veröffentlicht werden vor allem Umsatzzahlen (77 % der befragten Unternehmen), Angaben zu Jahresüberschuss (62 %) und EBIT (46 %), zum Teil aber auch der operative Cashflow (35 %), das EBITDA (31 %), ein Ausblick auf das kommende Geschäftsjahr (27 %), sowie Angaben zu Mitarbeitern (23 %). 426 Deter/Gremmler, AG-Report 2009, R296, R297. 427 Nur 23 % der Unternehmen erwarten durch den Jahresbericht noch eine deutliche Kursreaktion, ebd. 428 Vgl. BaFin, Emittentenleitfaden, 28. 4. 2009, S. 60 ff. (Meldepflicht insb. bei Abweichung von Prognosen). 429 Spindler/Hupka, in: Hopt (Hrsg.), Kapitalmarktgesetzgebung, S. 81, 93. 430 Tendenziell so wohl auch Spindler/Hupka, in: Hopt (Hrsg.), Kapitalmarktgesetzgebung, S. 81, 99.

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D. Das Publizitätskonzept am organisierten Kapitalmarkt

(b) Ad hoc-Publizität bei Rechnungslegung im Konzern Die Ad hoc-Pflicht im Konzern ist ein weiteres konkretes Beispiel, an dem deutlich wird, dass eine isolierte Betrachtung von Publizitätspflichten nicht möglich ist. Grundsätzlich verpflichtet § 15 Abs. 1 WpHG „Inlandsemittenten“ und somit das konkrete Einzelunternehmen zur Veröffentlichung. Eine Konzernklausel ist nicht ausdrücklich vorgesehen.431 Dennoch dürfte klar sein, dass ein Mutterunternehmen, das im Rahmen der Rechnungslegung zur Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichtet ist, auch Entwicklungen im Tochterunternehmen berücksichtigen muss.432 Ebenso wird, das ergibt schon der Wortlaut, die börsennotierte Tochtergesellschaft Ereignisse bei der Muttergesellschaft publizieren müssen, die sich unmittelbar auswirken.433 Dem liegt der Grundgedanke zugrunde, dass erst die Einordnung des Emittenten in den Konzern eine sinnvolle Beurteilung der Information im Gesamtzusammenhang ermöglicht und Verzerrungen vermieden werden.434 Eine Beurteilung der wirtschaftlichen Lage ist nur unter Berücksichtigung aller Vorgänge im Konzern möglich.435 Es überzeugt damit auch nicht, nicht konsolidierungspflichtige Unternehmen von vornherein auszunehmen,436 oder bei der Frage nach einer Meldepflicht des Tochterunternehmens danach zu differenzieren, ob die Konzernmutter selbst börsennotiert und mithin meldepflichtig ist.437 Im Gesetz finden sich für solche Differenzierungen keine Anhaltspunkte. Vielmehr hat das einzelne Unternehmen unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalles für sich zu entscheiden, ob eine ACHTUNGREunmittelbare Betroffenheit und das erforderliche Kurspotential gegeben sind. Die Meldepflicht betrifft eben jeden Inlandsemittenten als solchen. Er kann nicht abwarten, ob ein anderes konzernverbundenes Unternehmen seiner Meldepflicht nachkommt, damit die Information öffentlich bekannt wird.438 Vielmehr ist § 15 WpHG auch hier in einem ganzheitlichen Informationssystem zu verstehen. Die Vorschrift ergänzt die anderen Publizitätspflichten dahingehend, dass eine umfassende Transparenz am Markt geschaffen wird. Dafür muss jedes Unternehmen selbst den Markt über solche Informationen in Kenntnis setzen, die es für sich als von erheblicher Bedeutung versteht. Dieser direkte an die Anleger dieses Emittenten adressierte Informationsgehalt käme einer Meldung von anderen Unternehmen im Konzern nicht 431

Hopt, ZHR 159 (1995), 135, 151 (Fn. 65). Pfüller, in: Fuchs, § 15 WpHG, Rn. 161. 433 Kuthe, ZIP 2004, 883, 885. 434 Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, KMG, § 15 WpHG, Rn. 73. 435 Assmann, in: Assmann/Schneider, § 15 WpHG, Rn. 72. 436 Diese reinen Finanzbeteiligungen sind zumindest dem betriebswirtschaftlichen Tätigkeitsbereich eines Unternehmens zuzurechnen, Pfüller, in: Fuchs, § 15 WpHG, Rn. 162 (unter Darstellung der Gegenauffassung). Meist wird es jedoch an der Kenntnis oder einer Zurechnung der Kenntnis fehlen. 437 So aber Möllers, ZBB 2003, 390, 391. 438 Nicht jedes Unternehmen im Konzern muss gleichermaßen betroffen sein. Zudem entsteht die Pflicht gleichzeitig, und endet erst, wenn die Tatsache (beispielsweise durch Erklärung der Konzernmutter) öffentlich bekannt ist, vgl. Kuthe, ZIP 2004, 883, 885. 432

II. Publizitätspflichten im geltenden nationalen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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zu.439 Somit klärt sich auch diese Abgrenzungsschwierigkeit, wenn § 15 WpHG als Bestandteil eines kohärenten, adressatenorientierten Gesamtgefüges von Informationsnormen verstanden wird, in dem § 15 WpHG die Rolle zukommt, noch bestehende Informationsdefizite möglichst rasch auszugleichen. (3) Ausnahmen von der Ad hoc-Pflicht bestätigen ein integriertes Konzept § 15 Abs. 3 Satz 1 WpHG sieht eine Ausnahme von der Veröffentlichungspflicht vor, sofern der Schutz der berechtigten Interessen des Emittenten es erfordert, keine Irreführung der Öffentlichkeit zu befürchten ist und der Emittent die Vertraulichkeit der Information tatsächlich gewährleisten kann. Die Veröffentlichung ist unverzüglich nachzuholen, § 15 Abs. 3 Satz 2 WpHG. Die erste Tatbestandsvoraussetzung setzt gem. § 6 Satz 1 WpAIV eine Güterabwägung der Geheimhaltungsinteressen des Emittenten und dem Informationsinteresse des Kapitalmarktes voraus. Als Beispielsfall werden hier laufende Verhandlungen mit einem Großinvestor genannt, wenn eine Bekanntgabe das Geschäft verhindern oder die Interessen der Anleger ernsthaft gefährden könnte.440 Gerade diese Fallgruppe erscheint aber für den Markt von besonderem Interesse. Daher ist der Ausnahmecharakter zu der grundsätzlich möglichst zeitnahen Information des Marktes zu betonen. Aufgrund der Kontrollmöglichkeiten der BaFin scheint aber eine restriktive Anwendung und Begrenzung auf die erforderlichen Ausnahmekonstellationen gewährleistet.441 Deutlich wird aber, dass auch die Ad hoc-Publizität nicht allein auf umfassende Information abzielt, sondern eine Begrenzung auf wesentliche Informationen zu Grunde legt, welche die gegenläufigen Interessen aller Beteiligter in angemessenen Ausgleich bringt. (4) Rückwirkung der marktorientierten Pflicht auf das Unternehmen Abschließend lässt sich schließlich noch feststellen, dass auch die Erweiterung der ad hoc-pflichtigen Ereignisse durch das AnSVG zu einer erheblichen Verbesserung der unternehmensinternen Compliance geführt hat. Die erhöhten Anforderungen haben zur Folge, dass interne Informationswege und Veröffentlichungsmechanismen optimiert werden, und allein schon deshalb die Offenlegung verbessert wird.442 Dazu tragen sicherlich auch die strengen Folgen von Pflichtverletzungen bei, die hier aber ausgeklammert bleiben.443 439

Pfüller, in: Fuchs, § 15 WpHG, Rn. 164 m.w.N. Assmann, in: Assmann/Schneider, § 15 WpHG, Rn. 139 f. 441 Schäfer, in: Marsch-Barner/Schäfer, § 14, Rn. 34 ff. 442 Brandi/Süßmann, AG 2004, 642. 443 Eine Verletzung der Ad hoc-Pflicht ist gem. § 39 Abs. 2 Nr. 2c, 5a, 6, 7, Abs. 4 WpHG ordnungswidrig. Gem. § 9 OWiG kommt ein Bußgeld auch gegen das einzelne Vorstandsmitglied in Betracht. Zudem kann ein Verstoß gegen das Verbot der Kurs- und Marktpreismanipulation gem. § 20a WpHG vorliegen. Für Emittenten kommen börsenrechtliche Folgen in Betracht, vgl. Schäfer, in: Marsch-Barner/Schäfer, § 14, Rn. 52. Über den Verweis in § 15 Abs. 6 WpHG besteht zudem eine Schadensersatzhaftung des Emittenten unter den Voraussetzungen der §§ 37b, 37c WpHG. Eine Außenhaftung des Vorstandes wird von der Recht440

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D. Das Publizitätskonzept am organisierten Kapitalmarkt

bb) Directors Dealings nach § 15a WpHG § 15a WpHG verpflichtet Personen, die bei einem Emittenten von börsenzugelassenen Aktien Führungsaufgaben wahrnehmen, sowie deren Angehörige, eigene Geschäfte mit Aktien des Emittenten, oder sich darauf beziehenden Finanzinstrumenten, dem Emittenten und der BaFin innerhalb von fünf Werktagen mitzuteilen. Der Emittent hat diese Mitteilung unverzüglich zu veröffentlichen, und die Veröffentlichung der BaFin zu übersenden, § 15a Abs. 4 WpHG. Näheres regeln §§ 10 ff. WpAIV. Die Vorschrift wurde in Deutschland 2002 eingeführt444 und wurde seitdem mehrfach an europäische Vorgaben445 angepasst.446 Sie dient der Förderung von Markttransparenz und erzielt eine Indikatorwirkung dergestalt, dass aus den Eigendispositionen Rückschlüsse auf eine mögliche Kursentwicklung gezogen werden können. Durch den Ausgleich von Sonderwissen dient sie auch der Anlegergleichbehandlung (informationelle Chancengleichheit) und fördert die Marktintegrität, da Insidergeschäfte von Führungspersonen verhindert werden.447 Insofern ist sie als Ergänzung zu den Insidervorschriften zu verstehen, die eine besonders sensible und aussagekräftige Information aus Gründen verbesserten Markt- und Individualschutzes an zentraler Stelle offenlegt, schon bevor die Meldepflichten der Beteiligungs- oder Ad hoc-Publizität greifen. cc) Die kapitalmarktrechtliche Beteiligungspublizität448 Das anlegerschutzorientierte Publizitätskonzept wird ganz wesentlich ergänzt durch die Vorschriften zur Beteiligungstransparenz nach §§ 21 ff. WpHG. Diese sollen ganz allgemein mittels größtmöglicher Transparenz des Marktgeschehens einen ausgewogenen Anlegerschutz gewährleisten449 sowie speziell als faktische Konzernsprechung nach § 826 BGB bejaht, wobei der Nachweis konkreter Kausalität vom Anleger geführt werden muss. Vgl. im Einzelnen BGH ZIP 2007, 681 (ComROAD I); BGH ZIP 2007, 679 (ComROAD II); BGH ZIP 2007, 326 (ComROAD III); BGH ZIP 2007, 1560 (ComROAD IV); BGH ZIP 2007, 1564 (ComROAD V); BGH ZIP 2008, 407 (ComROAD VI); BGH ZIP 2008, 410 (ComROAD VII); BGH ZIP 2008, 829 (ComROAD VIII). 444 Im Rahmen des Gesetzes zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland vom 21. 6. 2002, BGBl. I 2002, 2010 (Viertes Finanzmarktförderungsgesetz) 445 Sie dient der Umsetzung der Marktmissbrauchsrichtlinie, die durch Art. 6 der zugehörigen Durchführungsrichtlinie 2004/72/EG (Marktmissbrauchs-DRL Marktpraktiken) näher konkretisiert wird. 446 Durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz, BGBl. I 2004, 2630, das Gesetz zur Neuordnung des Pfandbriefrechts vom 25. 5. 2005, BGBl. I 2005, 1373, das TUG, BGBl. I 2007, 10, sowie FRUG, BGBl. I 2007, 1330. 447 Schäfer, in: Marsch-Barner/Schäfer, § 15, Rn. 2 m.w.N. 448 Dazu Heinrich, Transparenzbestimmungen (Einordnung in europarechtlichen Rahmen und Rechtsvergleich). 449 Vgl. Cahn, AG 1997, 502. Abermals sei auf die Ziele der Transparenzrichtlinie (Vertrauensschutz als Grundlage des Marktfunktionsschutzes) verwiesen. Zu den darüber hinausgehenden Zielen des deutschen Gesetzgebers, vgl. Begr. RegE 2. FMFG, BT-Drs. 12/6679, S. 52 (Vorbeugung vor Insiderhandel, Überblick).

II. Publizitätspflichten im geltenden nationalen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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eingangskontrolle, vor allem als Schutz vor sog. feindlichen Übernahmen, dienen.450 Die Übernahmepublizität soll hier ausgeklammert bleiben, ohne nochmals an den verhaltenssteuernden Druck zu erinnern, welcher dem Übernahmemechanismus des Marktes bei ausreichender Transparenz zuzuschreiben ist.451 Damit kann die ACHTUNGREDarstellung auf eine systematische Einordnung in das Konzept begrenzt werden. Diese fällt besonders leicht, weil der Zweck der Vorschriften – die Information der Marktteilnehmer über marktrelevante Umstände (wesentliche Stimmrechtseinflüsse) zur besseren Beurteilung der Marktchancen452 – mit dem hier entwickelten Publizitätskonzept übereinstimmt. Angestrebt ist ein optimaler Anlegerschutz durch ein marktorientiertes Maß an Transparenz. Publizität ist damit Mittel und nicht Selbstzweck.453 (1) Überblick über die §§ 21 ff. WpHG Entstehungsgeschichtlich ist die Beteiligungstransparenz als wesentlicher Schritt weg von der „Anonymität der Aktie“454 hin zu einem Grundsatz der Transparenz zu verstehen. Im Rahmen der Aktienrechtsreform 1965 wurde in den §§ 20, 21 AktG – gegen vehementen Widerstand der Wirtschaft455 – eine erste Schwelle von 25 % eingeführt, um „Aktionäre, zukünftige Aktienerwerber und alle anderen an der Gesellschaft Beteiligten“ über geplante und bestehende Konzernbildungen zu unterrichten456 und den Kleinaktionären eine gewisse Mindestinformation über die Struktur des Aktionärskreises zu sichern.457 Mit dem Zweiten Finanzmarktförderungsgesetz von 1994458 wurde mit den verschärften Meldepflichten der §§ 21 ff. WpHG459 in Umsetzung der Transparenzricht-

450 Auswertung der Entstehungsgeschichte bei Schneider, in: Assmann/Schneider, vor § 21 WpHG, Rn. 2, 5. 451 Zu den Auswirkungen des Drucks möglicher Übernahmen auf den Börsenkurs, vgl. insb. Hellwig, in: Hopt (Hrsg.), S. 379, 383 (unter Darstellung der zurückgehenden Bedeutung). 452 RegBegr. 2. FMFG, BT-Drs. 12/6679, S. 35. 453 Hüffer, AktG, 7. Aufl. 2006, Anh. zu § 22 AktG, § 21 WpHG, Rn. 1. 454 Bericht des Wirtschaftsausschusses, Kropff, AktG, 1965, S. 40 ff. (kein Anspruch des Großaktionärs auf Anonymität); die Thematik ist seit jeher ideologiebelastet, Opitz, in: Schäfer/ Hamann, v. § 21 WpGH, Rn. 2. Ein Grundsatz der Anonymität wirtschaftlichen Handelns i.S.e. verdeckten Gesellschafterposition bestand in Europa nie. Allein in die Firma der societ anonyme war der Name nicht aufzunehmen, ebd., Rn. 3 f. 455 Kropff, in: Lutter, 25 Jahre AktG, 1991, S. 19, 35 f.; vgl. Schneider, in: Assmann/ Schneider, vor § 21 WpHG, Rn. 1 m.w.N. („Anschlag auf die freiheitliche Wirtschaftsordnung“). 456 Bericht des Wirtschaftsausschusses, siehe Kropff, AktG, 1965, S. 40 ff. 457 Raiser/Veil, § 9, Rn. 17. 458 BGBl. I 1994, 1749. 459 Die Schwellen lagen zunächst bei 5, 10, 25, 50 und 75 %; dazu Fleischer, Gutachten F, S. F27.

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linie von 1988 eine genuin kapitalmarktrechtliche Vorschrift460 geschaffen, die erstmals klar die Ziele des Anleger- und Funktionsschutzes verfolgt und eine erhebliche Qualitätsverbesserung461 im Kapitalmarkt bewirkte. Eine Abstimmung mit den aktienrechtlichen Vorschriften erfolgte 1998, die heute nur noch auf nicht börsennotierte Gesellschaften Anwendung finden.462 Die kapitalmarktorientierten Funktionsbezüge sind hingegen in §§ 21 ff. WpHG aufgegangen.463 Die Meldeschwellen sind 2007 durch das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (TUG)464 nochmals verdichtet worden.465 Zusätzliche Schwellen wurden bei 3, 15, 20 und 30 % eingeführt. Allein dadurch hat sich die Anzahl der Meldungen im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt.466 Die Meldung hat unverzüglich ab Kenntnis zu erfolgen, wobei Kenntnis 2 Tage nach Überschreiten der Schwelle vermutet wird.467 Mit der 3 %-Hürde ist der Bundesgesetzgeber dabei abermals bewusst über den europarechtlichen Mindeststandard468 hinausgegangen, um das unbemerkte Anschleichen an hohe Beteiligungen zu erschweren.469 Mit § 25 WpHG wurde zudem eine eigenständige Meldepflicht für das Halten sonstiger Finanzinstrumente eingeführt, die es dem Halter erlauben, einseitig im Rahmen einer rechtlich bindenden ACHTUNGREVereinbarung mit Stimmrechten verbundene Aktien des Emittenten zu erwerben. Die 3 %-Schwelle ist von dieser Meldepflicht ohne ersichtliche Gründe ausgenommen.470 Das Risikobegrenzungsgesetz471 von 2008 führt nochmals zu einer Verschärfung der Meldepflichten. Neben Änderungen beim „Acting in Concert“ erfolgt hier zunächst eine Zusammenrechnung der Stimmrechtsanteile aus den §§ 21, 22 WpHG 460 Zum kapitalmarktrechtlichen Anlegerschutz vgl. abermals Lenenbach, § 8, I, S. 383 ff.; zur Möglichkeit, 1994 anstelle einer eigenständigen kapitalmarktrechtlichen Regelung die §§ 20, 21 AktG anzupassen, vgl. Schneider, in: Assmann/Schneider, vor § 21 WpHG, Rn. 3. 461 Opitz, in: Schäfer/Hamann, vor § 21 WpHG, Rn. 13 (auch Makrostrukturen der Wirtschaft wurden klar). 462 §§ 20 Abs. 8, 21 Abs. 5 AktG; vgl. Bayer, in: Mü-Ko AktG, § 22 Anh., vor § 21 WpHG, Rn. 6. 463 Mülbert, Aktiengesellschaft, 2. Aufl., S. 79; Fleischer, ZIP 2006, 451, 452. 464 BGBl. I 2007, 10; dazu Bosse, DB 2007, 40; Müller/Oulds, WM 2007, 573 (zur europarechtl. Dimension). 465 Schnabel/Korff, ZBB 2007, 179. 466 BaFin, Jahresbericht 2007, S. 187. 467 § 21 Abs. 1 Satz 3 und 4 WpHG; zur Verkürzung der Meldefristen auch Bosse, DB 2007, 39, 41. 468 Vgl. Art. 3 Abs. 1 Satz 2 TransparenzRL: „Der Herkunftsmitgliedstaat kann auch für Aktionäre (…) strengere Anforderungen als die in dieser Richtlinie festgelegten vorsehen.“ 469 Begr. RegE TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 28, 34. 470 Die Belastung der Beteiligten soll auf das für die Transparenz notwendige Maß reduziert werden, vgl. Begr. RegE TUG, S. 37. Warum dieses Maß bei § 21 WpHG abweichend ist, wird nicht erklärt. 471 Gesetz zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen verbundenen Risiken (Risikobegrenzungsgesetz) vom 27. 6. 2008, BGBl. I 2008, 1666 ff.; dazu König, BB 2008, 1910.

II. Publizitätspflichten im geltenden nationalen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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mit denen aus § 25 WpHG, ohne dass dies europarechtlich vorgegeben wäre.472 Dadurch sollen die Meldeschwellen früher erreicht und die Meldedichte somit erhöht werden.473 Gem. § 27a Abs. 1 S. 1 WpHG besteht zudem seit dem 31. Mai 2009 beim Überschreiten der 10 % oder einer höheren Stimmrechtsschwelle die Pflicht, innerhalb von 20 Handelstagen die mit dem Erwerb verfolgten Ziele und die Herkunft der Mittel offen zu legen.474 Diese verbesserte Information über die Inhaber wesentlicher Beteiligungen ist vor der Zielsetzung des Risikobegrenzungsgesetzes zu verstehen, die mit Finanzinvestoren verbundenen Risiken durch gesteigerte Transparenz zu bekämpfen.475 Finanzinvestoren lassen sich in Abgrenzung zu „strategischen Investoren“ als solche Investoren definieren, die kein strategisches, auf Kontinuität ausgelegtes Interesse an dem Unternehmen haben, dessen Beteiligungstitel sie erwerben, sondern deren Kaufentscheidung in rein finanziellen Motiven begründet ist.476 Insofern soll unerwünschtem Aktionärsaktivismus und systemischen Gefahren durch Hedge Fonds durch eine verbesserte Transparenz entgegengewirkt werden.477 (2) Bestimmung eines „marktorientierten Maßes“ an Transparenz Im Kern geht es bei der Festlegung von Schwellenquoten der Beteiligungstransparenz in einem marktorientierten Konzept um das aus Anlegerschutzgesichtspunkten optimale Maß an Transparenz. Damit verbundene Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sind auf ein Minimum zu reduzieren, unter dem Gesichtspunkt der Güterabwägung aber wie gesehen letztlich gerechtfertigt.478 Damit wird die Grundwertung des Publizitätskonzepts am regulierten Markt deutlich: Es besteht ein sehr weit gehender Grundsatz umfassender Transparenz, der zentral an den Bedürfnissen der Marktteilnehmer orientiert ist, seine Grenze jedoch immer dann findet, wenn entgegenstehende Geheimhaltungsinteressen aufgrund mangelnder Abstimmung der Publizitätspflichten unnötigerweise beeinträchtigt werden. Die Entwicklung der §§ 21 ff. WpHG erweckt jedoch den Eindruck, dass der Gesetzgeber im Wettlauf mit immer neuen Umgehungs- und Vermeidungsstrategien479 nur zusätzliche, möglichst lückenlose Schwellen einführt, die zwar das Maß, nicht aber die Qualität der Transparenz verbessern. So lädt der abschließende und damit notwendigerweise lückenhafte Katalog von Zurechnungstatbeständen in § 22 472

v. Bülow/Stephanblome, ZIP 2008, 1797, 1800. Begr. RegE zum Risikobegrenzungsgesetz, BT-Drucks. 16/7438, S. 8, 11 f. 474 Die Pflicht besteht ab 31. Mai 2009 (Art. 12 RisikobegrG) und gilt für Emittenten, für welche die Bundesrepublik Deutschland Herkunftsstaat ist (§ 21 Abs. 2 i.V.m. § 2 Abs. 6 WpHG). Die Pflicht besteht nicht nur auf Verlangen des Emittenten, wie noch von Art. 1 Nr. 4b RegE vorgesehen, BT-Drs. 16/7438, S. 5. 475 Begr. RegE Risikobegrenzungsgesetz, BR-Drucks. 763/07, S. 6. 476 Kaserer, Private Equity, S. 13; Fleischer, ZGR 08, 185, 186. 477 Fleischer, ZGR 2008, 185, 187. 478 Arends, S. 7; Hirte, in: Kö-Ko WpHG, § 21, Rn. 3; Opitz, in: Schäfer/Hamann, KMG, § 22 WpHG, Rn. 94 ff. 479 Vgl. Schneider, in: Assmann/Schneider, § 22 WpHG, Rn. 5. 473

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WpHG geradezu zu einer Gesetzesumgehung ein, der durch ergänzende teleologische Auslegung oder Analogiebildung nur sehr begrenzt entgegengewirkt werden kann.480 Ebenso vermag § 25 WpHG neuartige Derivate, etwa sog. Cash Settled Return Equity Swaps, unzureichend zu erfassen, die dem potentiellen Erwerber zwar formell kein einseitiges Erwerbsrecht verleihen, ihm jedoch das volle Risiko des Termingeschäfts auferlegen und in der Praxis regelmäßig real erfüllt werden, da die Bank sich zur Sicherung ihrer eigenen Position mit den betreffenden Aktien eindeckt (Hedging).481 Dennoch ist die Beteiligungspublizität so kompliziert ausgestaltet, dass die Bundesanstalt einen ständig wachsenden Aufwand betreiben muss, um die komplexe Melderechtsdogmatik überhaupt verständlich zu machen.482 Können mitteilungspflichtige Tatbestände dann selbst bei sehr guter Organisation und Schulung nicht erkannt werden, verstößt eine Verletzung der Meldeplicht nicht gegen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt.483 Dieser Zustand ist unerträglich und rechtspolitisch zu lösen – etwa durch prinzipienorientierte, generalklauselartige und realitätsbezogene Gesetzgebung, oder durch erweiterte Befugnisse der Bundesanstalt, die schnell auf neue Umgehungsstrategien der Rechtswirklichkeit reagieren könnte.484 De lege lata kann das konzeptionelle Verständnis hier vor allem Maßstäbe zur Auslegung liefern, wonach der Anleger frühzeitig und möglichst vollständig über Veränderungen der Beteiligungsstrukturen zu informieren ist. Die Information muss richtig, klar und verständlich sein, weshalb mögliche Irreführungen zu ergänzenden Informationen verpflichten können.485 Andererseits setzen die Grundsätze der Wesentlichkeit und Einheitlichkeit einer zu weiten, allein transparenzorientierten Auslegung Grenzen. Werden die Vorschriften sogleich in das Gesamtkonzept eingefügt, kommt der gesetzgeberischen Entscheidung für eine Beschränkung auf klar festgelegte Konstellationen und Schwellen daher erhebliche Bedeutung zu. Zuvor soll aber versucht werden, ein konzeptionelles Verständnis der Beteiligungspublizität zu skizzieren, wie es de lege ferenda aus dem anglo-amerikanischen Rechtskreis übernommen werden könnte. Die reporting requirements der Sec. 13 (d)

480 Cahn, AG 1997, 502, 503; Schneider, in: Assmann/Schneider, vor § 21 WpHG, Rn. 44 ff.; § 25, Rn. 36 ff. 481 Eingehend Fleischer/Schmolke, ZIP 2008, 1501, 1503. Zum Einsatz von Optionen mit Barausgleich im Fall Continental/Schaeffler, vgl. Schanz, DB 2008, 1899; Schwenk/Glander, jurisPR-BKR 5/2008, Anm. 6. Laut BaFin ist diese Konstruktion ausdrücklich nicht offenlegungspflichtig, BaFin, Emittentenleitfaden 2009, S. 162. Zu den Auswirkungen der MiFID auf den nunmehr anlegerschutz- und transparenzorientierten Derivatebegriff des § 2 Abs. 2 WpHG, vgl. Fleischer, BKR 2006, 389, sowie Erwägungsgründe (2), (31), (44), (71) MiFID. 482 BaFin, Jahresbericht 2007, S. 188. 483 Opitz, in: Schäfer/Hamann, KMG, § 21 WpHG, Rn. 27. 484 Ähnlich Schneider, in: Assmann/Schneider, vor § 21 WpHG, Rn. 34, 49, 60. 485 Schneider, in: Assmann/Schneider, vor § 21 WpHG, Rn. 38: Ausnahmsweise könnte etwa eine zusätzliche Meldung erforderlich sein, wenn ein Konzern Beteiligungen aufbaut, dabei aber so vorgeht, dass die Mutter ihre Beteiligung meldepflichtig geringfügig abbaut, die Tochter jedoch ohne Überschreiten einer Schwelle kauft.

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SEA486, konkretisiert durch Rules 13d-1 bis 13d-7487, statuieren ab Überschreiten der 5 %-Hürde eines beneficial ownership488 einer class of equity securities eine umfassende Meldepflicht nach Schedule 13D489, wonach innerhalb von 10 Tagen490 umfassende Informationen über den Meldepflichtigen (Hintergrund, Identität, Wohnsitz, Nationalität), die Herkunft der Mittel, die Ziele und Zweck des Erwerbs, eine genaue prozentuale Angabe des Anteilsbesitzes, sowie detaillierte Informationen über sämtliche Verträge oder Übereinkünfte mit anderen Personen, die Auswirkungen auf das Unternehmen haben könnten, erforderlich sind.491 Ziel der Pflicht ist es, den Markt auf Akkumulierungen von Wertpapieren aufmerksam zu machen, die zu einer Kontrollübernahme führen könnten.492 Damit werden die Anleger in die Lage versetzt, die Folgen einer sich anbahnenden Übernahme frühzeitig zu beurteilen, und somit an 486

15 U.S.C. 78 m (d)(1). 17 C.F.R. § 240.13d-1 bis § 240.13d-7. 488 Das deutsche Recht knüpft an Stimmrechtsanteile an. Beneficial ownership liegt zwar auch immer vor, wenn Stimmrechte bestehen, Rule 13d-5(a), erfasst darüber hinaus aber auch den investment power which includes the power to dispose sowie Vereinbarungen, die einem anderen dieses beneficial ownership entziehen oder Teil einer Umgehungsstrategie sind, Rule 13d-3(b). Zudem erweitert Rule 13d-3(d) die Sec. 13(d)(1)(E) um verschiedene Fallgruppen von Transaktionen, deren Zweck oder Folge es ist, dass sie eine Auswirkung auf die Kontrolle des Unternehmens haben könnten. Die SEC passt die Rules laufend den Marktbedingungen an und wird zudem von der Rechtsprechung unterstützt, die den Begriff des beneficial ownerships bewusst weit in dem Sinne auslegt, dass jede Möglichkeit der Einflussnahme auf die Unternehmensführung erfasst ist, Wellman v. Dickinson, 682 F.2d 355 (2d Cir. 1982), cert.denied, 460 U.S. 1069 (1983), S. 358: „Although voting control is alone sufficient to support a finding of beneficial ownership, it need not be the only indicium. […] Sec. 13(d) was designed to alert investors in securities markets to potential changes in corporate control […]. The power to dispose of a block of securities represents a means for effecting changes in corporate control.“ In diesem Sinne werden auch Vereinbarungen einer Gruppe schon mit dem Zeitpunkt der Einigung, und nicht erst mit der ersten Kauf- oder Verkaufsentscheidung erfasst, GAF Corp. v. Milstein, 453 F.2d 709 (2d Cir. 1971), cert. denied, 406 U.S. 910 (1972): „power to influence control of the issuer […] comes with the formation of the group.“ Umgehungsstrategien wird durch strenge Rechtsprechung entgegengewirkt, SEC v. First City Financial Corp., 890 F.2d 1215 (D.C. Cir. 1989): Verbot der Umgehungsstrategie des parkings (formelle Übertragung im Rahmen einer put-and-call-Option zu vorher festgelegtem Preis) wenn der Halter effektiv die Kontrolle behält. 489 17 C.F.R. § 240.13d-101. 490 Das „10 day window“ ist in den USA umstritten, da es möglich sei, in dieser Zeit erhebliche Beteiligungen aufzubauen, vgl. Heinrich, S. 237 m.w.N. und Erklärungen. Eine längere Frist kann aber, wie gesehen, entgegenstehenden Geheimhaltungsinteressen oftmals effektiv Rechnung tragen, so dass auch diese sich in das Bild eines umfassenden Interessenausgleichs aller Marktteilnehmer und des Marktes als Ganzem einfügt. 491 15 U.S.C.78 m(d)(1)(E): „any contracts, arrangements or understandings with any person with respect to any securities of the issuer, including but not limited to transfer of any of the securities, joint ventures, loan or option arrangements, puts or calls, guaranties of loans, guaranties against loss or guarantees of profits, division of losses or profits, or the giving or holding of proxies …“. 492 SEC v. Savoy Indus., Inc., 587 F 2d 1149, 1165 (D.C. Cir. 1978), cert. denied, 440 U.S. 913 (1979). 487

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möglichen Kursgewinnen und premiums beteiligt,493 auch wenn dies die Kosten der Übernahme erhöhen und somit gesamtwirtschaftlich nachteilig sein kann.494 Umfassende Ausnahmen von der Meldepflicht bestehen nach Sec. 13(d)(6) vor allem, wenn eine Offenlegung der Beteiligung bereits im Rahmen eines registration statements erfolgt, bei Rückkauf eigener Aktien, oder bei sog. creeping acquistions, bei denen nicht mehr als 2 % innerhalb von 12 Monaten erworben werden. Von besonderem Interesse ist schließlich die Möglichkeit der SEC nach Sec. 13 (d)(6)(D) Ausnahmen für solche Fälle vorzunehmen, die keinen Einfluss auf die Kontrolle an dem fraglichen Unternehmen haben.495 In der Folge sind material changes gemäß Sec. 13(d)(2) SEA und Rules 13d-2, 13d-7 auf einem amendment zu Schedule 13D der SEC unverzüglich (promtly) mitzuteilen, und sodann per Post dem issuer und den Handelsplätzen im Rahmen einer dissemination zu übermitteln. Als material wird jedenfalls jede Veränderung von mehr als 1 % gesehen; darunter liegende Beträge können je nach Lage und Umständen des Einzelfalles material sein.496 Nach Sec. 13(f)(3) SEA hat die SEC in regelmäßigen Abständen von höchstens einem Jahr eine Liste mit der Gesamtanzahl jeder class of securities und den bekannten Paketen in publikumsorientierter Form zu veröffentlichen. Ausnahmen und Verzögerungen sind im öffentlichen Interesse und zum Schutze der Anleger, sowie um faire und geordnete Märkte zu gewährleisten, möglich. Aktien von natürlichen Personen müssen nicht in die Liste aufgenommen werden. Ziel des Dokuments ist es, Einheitlichkeit und Zentralisierung zu erreichen, sowie Doppelmeldungen zu vermeiden und so die Belastung institutioneller Investoren zu minimieren.497 Alle anderen Personen können sich, Gutgläubigkeit vorausgesetzt, bezüglich der Gesamtzahl von outstanding securities auf die Angaben des letzten Jahres-, Quartalsbericht oder der laufenden Berichterstattung verlassen.498 Der Auffangtatbestand Sec. 13(g) SEA sieht eine vereinfachte Offenlegungspflicht auch für Personen vor, die ursprünglich nicht von der Meldepflicht nach Sec. 13(d) erfasst waren. Dies betrifft neben den Übergangsfällen bei Einführung der Vorschrift vor allem die bereits angesprochenen Ausnahmen von der Meldepflicht 493 Jarrell/Bradley, 23 J.L.&Econ. 371 (1980); vgl. GAF Corp. v. Milstein, 453 F.2d 709, 717 (2d Cir. 1971), cert. denied, 406 U.S. 910 (1972). 494 Aus diesem Grunde kritisch gegen jede Form der Regulierung Romano, 9 Yale J. Reg. 119, 121 (1992); kritisch auch Macey/Netter, 65 Wash.U.L.Q. 131, 137 ff. (1987). 495 15 U.S.C.78 m(d)(6)(D): „any acquisition […] not entered into for the purpose of, and not having the effect of, changing or influencing the control of the issuer or otherwise as not comprehended within the purposes of this subsection.“ 496 Rule 13d-2(a), Regulation 13D-G, 17 C.F.R. § 240.13d-2: „An acquisition or disposition of beneficial ownership of securities in an amount equal to 1 % or more of a class of securities shall be deemed „material“ for purposes of this section; acquisitions or dispositions of less than those amounts may be material, depending upon the facts and circumstances.“ 497 Sec. 13(f)(4) SEA, 15 U.S.C.78 m(f)(4). 498 Rule 13d-1(j); 17 C.F.R. § 240.13d-1(j).

II. Publizitätspflichten im geltenden nationalen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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nach Sec. 13(d)(6) durch die SEC.499 Eine Unterscheidung ist in der Praxis entbehrlich, da die SEC in Regulation 13D-G (SEA Rules 13d-1 bis 13e-3)500 beide Regelungen integriert hat. Die wesentliche Abgrenzung erfolgt nunmehr in Rule 13d-1, nach deren Absatz (a) grundsätzlich jedermann zum filing gem. Schedule 13D verpflichtet ist, Absatz (b) dann jedoch unter anderem für broker/dealer, Banken, Versicherungsund Investmentgesellschaften ein vereinfachtes filing vorsieht, sofern diese die Anteile im gewöhnlichen Geschäftsablauf und ohne Einfluss auf die Kontrolle des Emittenten halten, und diejenige Person, für welche sie die Anteile halten, unverzüglich und diskret auf deren eigene Meldepflicht hinweisen. Sodann können diese „passive owners“ eine vereinfachte Meldung nach dem verkürzten Schedule 13G501 vornehmen, wonach nur 45 Tage nach Ablauf eines Kalenderjahres der am letzten Tage des Kalenderjahres gehaltene Bestand gemeldet werden muss, Rule 13d-1(b)(2). Bei Überschreiten eines direkt oder indirekt gehaltenen Bestandes von 10 % ist ACHTUNGRESchedule 13G binnen 10 Tagen nach Monatsende einzureichen.502 Anderen Personengruppen kann die Erleichterung des Schedule 13G zukommen, sofern keine Einflussnahme auf die Kontrolle beabsichtigt ist, und 20 % nicht überschritten werden.503 Die erleichterte Meldung hat auch vereinfachte Folge- und Aktualisierungspflichten. Keine Meldung ist beispielsweise erforderlich, wenn sich lediglich die Gesamtzahl der Stimmrechte ändert.504 Elektronische Meldungen und Ergänzungen werden ausdrücklich unterstützt und bieten zusätzliche Erleichterungen.505 Die Erleichterung der Schedule 13G entfällt in jedem Fall, wenn ein Halter ab 5 % zum Zweck oder mit dem Effekt eines Einflusses oder Wechsels der Kontrolle eines Unternehmens kauft oder hält (change of intent). Ebenso kann die Erleichterung generell nicht nutzen, wer die 20 %-Schwelle überschreitet. Beide Fälle haben eine Meldepflicht nach dem umfassenden Schedule 13D innerhalb von 10 Tagen zur Folge. Bis zum Ablauf des 10. Tages nach der Meldung ruht zudem das Stimmrecht auf die zugrunde liegenden Aktien und es ist nicht möglich, weitere Anteile an Papieren des Emittenten oder eines diesen kontrollierenden Unternehmens zu erwerben (Wartefrist).506 Dem Verständnis der europäischen Publizitätspflichten als ganzheitliches Konzept entspräche es, diesem Modell einige Grundeinsichten zu entnehmen. (1) Die liberalen Ansätze der USA und Großbritanniens erachten nach langjährigen Erfahrun499 Sec. 13(g) SEA, 15 U.S.C.78 m(g). Die Ausnahmen betreffen vor allem Fälle, in denen die ursprüngliche Meldung bereits im registration statement erfolgte, vgl. Rule 13d-1(d). 500 Regulation 13D-G, 17 C.F.R. §§ 240.13d-1 bis 240.13e-3. 501 17 C.F.R. § 240.13d-102. 502 Rule 13d-1(b), 17 C.F.R. § 240.13d-1(b). 503 Rule 13d-1(c), 17 C.F.R. § 240.13d-1(c). 504 Zu Einzelheiten siehe Rule 13d-2, 17 C.F.R. § 240.13d-2. 505 Das electronic filing ist in Regulation S-T, 17 C.F.R. § 232.102, geregelt. 506 Rules 13d-1(e), (f), 17 C.F.R. § 240.13d-1(e), (f). Die Meldepflicht statuiert Abs. 1, die Rechtsfolge Abs. 2.

324 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

D. Das Publizitätskonzept am organisierten Kapitalmarkt

gen eine Eingangsschwelle von 5 % als ausreichend.507 Es ist nicht ersichtlich, dass ein die europäischen Regelungen zersplitterndes Goldplating hier zu rechtfertigende zusätzliche Informationsgewinne bringt.508 (2) Oberhalb dieser Schwelle besteht ein umfassendes Interesse, über jede wesentliche Bewegung informiert zu werden. (3) Erforderlich ist ein weiter Begriff des beneficial owership, der von einer starken Aufsichtsbehörde schnell an die Marktbedingungen angepasst werden kann und Umgehungsstrategien – etwa mittels wirtschaftlicher Betrachtungsweise – möglichst verhindert.509 (4) Zu unterscheiden ist dann aber danach, ob Einfluss auf die Kontrolle eines Unternehmens angestrebt ist. Die Unsicherheiten der Prognose können vom Markt berücksichtigt werden, da die Tatsache des prozentualen Erwerbs jedenfalls bekannt ist. (5) Vor allem aber verdeutlichen die Regelungen in den USA, dass es durchaus möglich ist, verschiedene Regelungen zur Beteiligungstransparenz dergestalt zu integrieren, dass sich das Bild eines abgestimmten, aufeinander aufbauenden und sich ergänzenden Gesamtkonzepts ergibt. Diese Integration kann hier nicht für alle deutschen Vorschriften erfolgen, die sich oft überlagern und zu Doppelpflichten führen, anderenorts aber wieder Lücken lassen.510 Versucht werden kann jedoch, die §§ 21 ff. WpHG exemplarisch über eine Abstimmung mit § 15 WpHG ins Gesamtkonzept zu integrieren. (3) Abgrenzung zur Ad hoc-Publizität Beteiligungs- und Ad hoc-Publizität scheinen in einem besonders engen, sich ergänzenden Verhältnis zu stehen. Konkret geht es bei der Abgrenzung um die Frage, ob die §§ 21 ff. WpHG lex specialis zu § 15 WpHG sind und diesen mithin verdrängen.511 Diese Auffassung wurde vor allem mit dem Argument vertreten, dass das ACHTUNGREBekanntwerden der Beteiligung eines Dritten keine Tatsache darstelle, die sich im 507

Auch England erwägt eine Anhebung der Schwelle auf 5 %, Hopt in: FS Canaris, S. 105, 108, Fn. 20. 508 Tendenziell senken die europäischen Staaten die Eingangsschwellen, so die Schweiz 2007 von 5 auf 3 %, vgl. § 20 Abs. 1 BEHG. In Italien liegt sie bei 2 %, Art. 120 Abs. 2 TUF. Überblick bei Hirte, in: Kö-Ko WpHG, § 21, Rn. 30 ff. Gerade im unteren Bereich ist aber eine Vielzahl von Meldungen zu erwarten, die den Markt überfluten ohne ein hinreichend sicheres Indiz für einen Beteiligungsaufbau zu geben. 509 Vorbildlich ist hier die Regelung in der Schweiz (§ 20 Abs. 1 BEHG), die 2007 nicht nur auf Derivate mit Barausgleich ausgedehnt wurde, sondern der Entwicklung neuer Finanzinstrumente zur Umgehung der Meldepflichten gezielt Rechnung trägt, vgl. Amtl. Bulletin 2007 – Städterat – S 416, Votum Germann. Insbesondere wird dies durch eine wirtschaftliche Betrachtungsweise im Gesetzeswortlaut erreicht. Im Gegenzug wird die Regelung streng auf den Übernahmeinteressenten begrenzt; vgl. Nobel, SZW 2008, 175, 189; sowie Amtl. Bulletin 2007 – Nationalrat – N 104, Votum Schwander (zum Adressaten des Art. 20 Abs. 2 bis BEHG). 510 Die §§ 21 ff. WpHG sind konzeptionell nicht nur im Kontext mit den Offenlegungspflichten des WpHG, sondern mit einer Vielzahl von Offenlegungs- und Mitteilungspflichten auch in anderen Gesetzen zu sehen; vgl. dazu die kritische Übersicht bei Schneider, in: Assmann/Schneider, vor § 21 WpHG, Rn. 60, 61 ff. 511 So Caspari, in: Baetge, S. 65, 71; Schäfer, in: Dreyling/Schäfer, Rn. 326; Geibel, in: Schäfer/Hamann, KMG, 1. Aufl., § 15 WpHG, Rn. 9; Gehrt, S. 140.

II. Publizitätspflichten im geltenden nationalen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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CHTUNGRE„A Tätigkeitsbereich“ des Emittenten gem. § 15 WpHG a.F. abspiele,512 oder Auswirkungen auf seine Vermögens- oder Finanzlage habe.513 Nach der Erweiterung des § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG durch das Merkmal des „unmittelbaren Betreffens“ wird diese Interpretation allerdings überwiegend abgelehnt.514 Begründen lässt sich dies zum einen mit der Erwägung, dass beide Vorschriften nunmehr unterschiedliche Zielrichtungen verfolgen: §§ 21 ff. WpHG dienen der Unterrichtung der Öffentlichkeit über Stimmrechtsverhältnisse, § 15 verhindert Insiderhandel; zum anderen gelten für beide Normen unterschiedliche Fristen.515 Die Folge ist, dass neben der Veröffentlichung nach § 26 WpHG eine zusätzliche, zeitlich vorangehende Meldung nach § 15 WpHG zu erfolgen hat, wenn es sich um eine kurserhebliche Insiderinformation handelt.516 Zum anderen kann eine von den §§ 21 ff. WpHG nicht erfasste Veränderung dennoch eine Pflicht nach § 15 WpHG auslösen, zum Beispiel die Beteiligung eines Emittenten an einer nicht börsennotierten Gesellschaft.517 Als entscheidendes Kriterium für eine Meldepflicht kann die bewirkte Änderung der Unternehmenskontrolle, etwa durch konkrete Folgemaßnahmen des Emittenten518 oder differenzierend nach Erwerbsmotiven519 herangezogen werden. Die Abgrenzung interessiert hier vor allem unter systematischen Gesichtspunkten. Danach kann der Zweck des § 15 WpHG nicht allein auf die Verhinderung von Insiderhandel begrenzt werden.520 Zwar kommt der Vorschrift heute in der engen Verbindung mit § 13 WpHG auch diese Funktion zu. Daneben soll die Ad hoc-Publizität aber auch vor allem die Transparenz und damit die Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte durch einen möglichst raschen Informationsausgleich verbessern, den deutschen Kapitalmarkt so an international übliche Standards heranführen und das Vertrauen der Anleger verbessern.521 Damit ist die Vorschrift im Interesse einer bestmöglichen Unterrichtung der Öffentlichkeit zu verstehen und auszulegen; die Informationsbedürfnisse der Anleger stehen im Mittelpunkt. Diese werden im Regelfall eine Bekanntmachung nach §§ 21 ff. WpHG erwarten, die zudem die Interessen und ACHTUNGREMöglichkeiten des Emittenten in der großzügigeren Interpretation des Merkmals „un512 Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, KMG, 2. Aufl., § 15 WpHG, Rn. 11 mit Verweis auf die Vorauflage, Rn. 9; ebenso Zimmer, in: Schwark, KMRK, § 15, Rn. 17, 57. 513 So damalige Auffassung des BAWe, Schreiben vom 26. 4. 02, siehe Pfüller, in: Fuchs, § 15, Rn. 180. 514 BaFin, Emittentenleitfaden, Stand 15. 7. 2005, S. 46; Assmann, in: Assmann/Schneider, § 15 WpHG, Rn. 92. 515 Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, KMG, 2. Aufl., § 15, Rn. 11. 516 BaFin, Emittentenleitfaden Stand 15. 7. 2005, S. 46; Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, KMG, 2. Aufl., § 15 WpHG, Rn. 11; Assmann, in: Assmann/Schneider, § 15 WpHG, Rn. 92. 517 Assmann, ebd., Rn. 92. 518 So Pfüller, in: Fuchs, § 15 WpHG, Rn. 181, 182. 519 So BaFin, Emittentenleitfaden, Stand 15. 7. 2005, S. 52. 520 So aber Geibel/Schäfer, in: Schäfer/Hamann, KMG, 2. Aufl., § 15, Rn. 11. 521 Ausdrücklich Geibel/Schäfer, ebd., Rn. 1 m.w.N.

326 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

D. Das Publizitätskonzept am organisierten Kapitalmarkt

verzüglich“522 ausgleichend berücksichtigen. Andererseits verdeutlicht gerade der zusätzliche Schutzzweck des § 15 WpHG, Insiderhandel zu unterbinden, dass im Einzelfall durchaus Fälle denkbar sind, in denen trotz der ausgeprägten Offenlegungspflichten eine zusätzliche, schnellstmögliche Meldung erforderlich ist. Mit der umfassenden Ausweitung der Schwellenwerte im Rahmen des TUG erscheint es allerdings im Regelfall aufgrund der klaren gesetzgeberischen Entscheidung für gerade diese Schwellen unwahrscheinlich, dass eine Ad hoc-Meldung erforderlich wird, wenn durch die Veränderung des Stimmrechtsanteils eine Meldeschwelle nicht überschritten wird.523 Auch kann nicht jeder Schwelle Kurserheblichkeit i.S.d. § 15 WpHG zugesprochen werden, da sonst der Regelfall eines Meldeverfahrens nach §§ 21 ff. WpHG unterlaufen würde. Die Auslegung der Vorschriften ergibt mithin das Ergebnis einer grundsätzlich parallelen Anwendbarkeit. Im Wortlaut fehlt es an einer § 10 Abs. 6 WpÜG524 vergleichbaren Subsidiaritätsregelung; der Zweck ist auf die umfassende Information des Marktes gerichtet und mit dem AnSVG zur Unterbindung des Insiderhandels nochmals zugunsten einer schnellstmöglichen Information des Marktes erweitert worden. Der Emittent hat im Einzelfall zu prüfen, ob die Stimmrechtsveränderung einen kurserheblichen und damit ad hoc-publizitätspflichtigen Tatbestand darstellt.525 Dennoch sind die Vorschriften im Gesamtzusammenhang zu sehen. §§ 21 ff. WpHG ergänzen und konkretisieren für den von ihnen erfassten Bereich die Ad hoc-Publizität.526 Nach dem Grundgedanken der Publizität ist für den Adressaten nicht nur eine möglichst schnelle Offenlegung, sondern auch eine Begrenzung auf das Wesentliche, die vollständige und einheitliche Offenlegung an zentral zugänglichem Ort von Bedeutung. Mithin ist von der Festsetzung klarer Meldeschwellen in §§ 21 ff. WpHG ein hoher Vertrauensgewinn dahingehend zu erwarten, dass das Publikum sich darauf verlassen kann, bei Überschreiten eines vorab festgelegten Wertes in einem vorab festgelegten Verfahren an zentraler Stelle informiert zu werden. Auf diese Weise kann die anlassbezogene Publizitätspflicht in ihrer Werthaltigkeit für das Publikum gerade dadurch gesteigert werden, dass durch vorab einheitlich festgelegte Schwellenwerte ohne Einschätzungsspielraum des Emittenten eine Vergleichbarkeit, Vollständigkeit und Richtigkeit gewährleistet werden, und die anlassbezogene Publizität auf diese Weise Vorteile gewährt, die sonst nur im Rahmen der Regelpublizität erreicht werden können. Versteht man die §§ 21 ff. WpHG in diesem Gesamtzusammenhang als vorab festgelegte Fälle der Regelpublizität, so wird deutlich, dass § 15 WpHG in dem erfassten Bereich auf eine Auffangfunktion im Ausnahmefall reduziert ist. Die Ad hoc-Publizität darf nicht herangezogen werden, um „Offenlegungslücken“ zwischen den Schwellenwerten zu schließen, wenn diese als zu weit 522 523 524

Gem. § 26 Abs. 1 Satz 1 WpHG spätestens drei Handelstage nach Zugang. Regelmäßig dürfte es dann auch an der Kenntnis des Emittenten fehlen. Vgl. zur Abstimmung von § 10 WpÜG mit § 15 WpHG Brandi/Süßmann, AG 2004, 642,

651 ff. 525 526

Assmann, in: Assmann/Schneider, § 15 WpHG, Rn. 92. Cahn, AG 1997, 502, 503.

II. Publizitätspflichten im geltenden nationalen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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empfunden werden.527 Es besteht gerade keine umfassende und lückenlose, sondern eine markt- und anlegerschutzorientierte Beteiligungstransparenz.528 Insofern ist es hilfreich, die Festlegung der Schwellenwerte – und auch der unterschiedlichen Fristen, mit denen gegenläufigen Interessen und Marktbedürfnissen gezielt Rechnung getragen werden kann529 – als eine vom Gesetzgeber vorab vorgenommene Güterabwägung zwischen den legitimen Informationsinteressen des investierenden Publikums (das auch nicht durch zusätzliche übermäßige Veröffentlichungen verwirrt werden soll) und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung des einzelnen Aktionärs zu verstehen, durch die den Offenlegungspflichten generell Grenzen gezogen sind.530 Im Einzelfall können dann bei für den Gesetzgeber nicht vorhersehbaren Abweichungen freilich immer noch Ergänzungen erforderlich sein, so dass das Publikum im Ergebnis in die Lage versetzt wird, sich ein wirklichkeitsgetreues Bild von den innergesellschaftlichen Machtverhältnissen zu machen.531 d) Unterrichtungspflichten nach §§ 30a, 30b, 30e WpHG532 §§ 30a ff. WpHG schließlich verpflichten Emittenten zur laufenden Veröffentlichung einer Reihe von Informationen, welche die Wertpapierinhaber zur Wahrnehmung ihrer Rechte benötigen. Die Pflichten zur „angemessenen Unterrichtung“533 sind dabei in formeller wie materieller Hinsicht abschließend konkretisiert, so dass sich daraus keine weiteren Informationspflichten im Sinne eines Generaltatbestandes 527

Sehr weit Schneider, in: Assmann/Schneider, vor § 21, Rn. 33 ff., 47, 60 (Analogie, erweiternde Auslegung). 528 Besonders kritisch ist der Mangel an Transparenz zu sehen, der im oberen Schwellenbereich entstehen kann, wie anhand eines Rechenbeispiels verdeutlicht werden kann: Aktionär A verfüge über 74 % der Stimmrechte, 26 % sind im nicht meldepflichtigen Streubesitz. Verkauft A nun 20 % an B, so hat dies eine Meldepflicht des B zur Folge, A hingegen hält 54 % und tangiert keine Schwelle. Sein Besitz ist weiterhin mit 74 % angegeben. Damit scheint der Streubesitz auf 6 % gesunken zu sein, obwohl er weiterhin 26 % beträgt. Die Rückschlüsse, die daraus auf die Liquidität und den Einfluss von Großaktionären geschlossen werden, können somit erheblich verzerrt sein. Vgl. Bott/Schleef, ZBB 1998, 330, 332 mit weiteren Beispielen (etwa wechselseitige Beteiligung zweier Unternehmen, von denen eines mangels Zulassung zum organisierten Markt nicht meldepflichtig ist). Hinzu tritt, dass die von der Transparenzrichtlinie alternativ vorgegebene 2/3-Schwelle überschritten wäre. Zu den Gründen einer Angabe in % (v. a. Gleichklang mit dem AktG), Begr. RegE TUG, BT-Drs. 16/2498, S. 34. 529 Die Frist der Offenlegung lässt sich wie gesehen gewissermaßen als Feinjustierung verstehen, wenn bei einer grundsätzlichen Entscheidung für Publizität dennoch etwa dem Markt aus Effizienzgründen ein Vorlauf gewährt werden soll. Auch der Grundsatz der Aktualität ist im Rahmen des Interessenausgleichs nur relativ gewährleistet. 530 Witt, Übernahmen, S. 1 ff.; Opitz, in: Schäfer/Hamann, vor § 21 WpHG, Rn. 4 f. 531 Kritisch, inwieweit dieses Ziel de lege lata erreicht wird, wie hier auch Cahn, AG 1997, 502, 512. 532 Ein hervorragender Überblick zu Inhalt und Auslegungsfragen der §§ 30a – 30e WpHG findet sich neuerdings bei BaFin, Emittentenleitfaden, Stand 28. 4. 2009, Kap. IX., S. 183 ff. 533 So die Formulierung der Vorgängernorm, § 39 Abs. 3 BörsG a.F., §§ 63 – 67, 70 BörsZulV a.F.

328 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

D. Das Publizitätskonzept am organisierten Kapitalmarkt

herleiten lassen.534 Durch ihre Stellung im Informationsgefüge des Kapitalmarktes ist den Vorschriften jedoch anlegerschützende Wirkung zuzuschreiben, so dass sie im Zweifel weit auszulegen sind.535 In direktem Zusammenhang enthalten die §§ 30a ff. WpHG auch allgemeine Verhaltenspflichten, von denen das kapitalmarktrechtliche Gleichbehandlungsgebot, § 30a Abs. 1 Nr. 1 WpHG, besondere Erwähnung verdient.536 Die enge Verflechtung537 der Vorschriften liegt dabei in der Transparenzrichtlinie begründet.538 Fraglich ist, ob die Funktion der §§ 30a ff. WpHG dahingehend abgegrenzt werden kann, dass hier die aktienrechtlichen Bestimmungen über die Rechtsausübung der Aktionäre ergänzt werden, so dass diese ihre Rechte in den Wertpapieren wahrnehmen können, wohingegen allein die Ad hoc-Publizität das Publikum über kurserhebliche Umstände informieren solle, um eine informierte Anlageentscheidung zu ermöglichen.539 Gegen eine solch strikte Trennung spricht jedoch schon die systematische Stellung im WpHG, sowie zahlreiche, sich teilweise widersprechende Überschneidungen mit aktienrechtlichen Vorschriften540, was darauf hindeutet, dass mit §§ 30a ff. WpHG ein ganzheitliches, auf den Anleger am Kapitalmarkt abgestimmtes Informationssystem abgerundet wird, das eine umfassende Information der Anleger zum Ziel hat. Im Einzelnen haben die Vorschriften zur Folge, dass ein Emittent zugelassener Aktien,541 für den die Bundesrepublik Deutschland Herkunftsstaat ist,542 die Einberufung der Hauptversammlung sowie bestimmte damit verbundene Informationen, sowie Mitteilungen über die Ausschüttung und Auszahlung von Dividenden, die Ausgabe neuer Aktien, sowie die Vereinbarung oder Ausübung von Umtausch-, Bezugs-, Einziehungs- und Zeichnungsrechten unverzüglich im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlichen muss, § 30b Abs. 1 WpHG, sofern dies nicht bereits nach anderen Vorschriften geschehen ist, § 30b Abs. 1 Satz 2 WpHG. Eine solche formelle Dopplung besteht vor allem mit Pflichten des Aktiengesetzes (§§ 121, 124 AktG) und sollte im Rahmen des ARUG aus Gründen der Rechtsklarheit eigentlich bereinigt werden.543 Die Marktorientierung der §§ 30a bis 30c WpHG wird durch die Erstreckung 534 Hamann, in: Schäfer, 1. Aufl., § 44 BörsG, Rn. 26 (zur alten Rechtslage), zur Gleichbehandlung sogleich. 535 Kiem, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Hdb., § 12, Rn. 33; a.A. Heidelbach, FS Schwark, S. 407, 423 m.w.N. 536 Klöhn, in: Langenbucher (Hrsg.), § 6, Rn. 98. 537 Vgl. § 30a Abs. 3 WpHG, wonach das Gleichbehandlungsgebot im Rahmen der Offenlegungsvorschriften eine direkte eigenständige Bedeutung erlangt. 538 Vgl. Art. 17 und 18 der Transparenzrichtlinie. 539 So Schäfer, in: Marsch-Barner/Schäfer, § 12 Rn. 15. 540 Vgl. Klöhn, in: Langenbucher (Hrsg.), § 6 Rn. 98 m.w.N. 541 Für Emittenten bestimmter Schuldtitel siehe § 30b Abs. 2 WpHG. 542 Vgl. dazu einführend Kiem, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch, § 12, B.I.2; sowie oben, D.II.1. 543 Vgl. RefE ARUG vom 6. Mai 2008, S. 40, 66: „Um Doppelregelungen zum Einberufungsinhalt [der HV] zu vermeiden, wird die Regelung in die allgemeine Einberufungsregelung

II. Publizitätspflichten im geltenden nationalen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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der Vorschriften auf alle an einem inländischen Markt zugelassenen Wertpapiere nach § 30d WpHG verdeutlicht. § 30e WpHG verpflichtet Inlandsemittenten, jede Änderung der mit den zugelassenen Wertpapieren verbundenen Rechte zu veröffentlichen, wobei eine Differenzierung zwischen Aktien544 und bestimmten anderen Wertpapieren erfolgt.545 Teilweise wird eine Begrenzung auf für den Anleger beurteilungsrelevante Rechtsänderungen gefordert.546 Dies unterstreicht zwar den anlegeradressierten, kapitalmarktrechtlichen Informationscharakter der Vorschriften, erscheint aber im Hinblick auf den Wortlaut und den Zweck, die Anleger umfassend zu informieren, als zu eng.547 Die Veröffentlichung erfolgt im Wege der aktiven Verbreitung nach §§ 3a ff., 26 WpAIV, § 30e Abs. 2 WpHG.548 Daneben ist die BaFin zu informieren und die Informationen sind unverzüglich dem Unternehmensregister zur Speicherung zu übermitteln, § 30e Abs. 1 Satz 2 WpHG. Eine Befreiung von den Veröffentlichungspflichten nach §§ 30a, 30b und 30e Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 WpHG, nicht jedoch von den ACHTUNGREMitteilungs- und Speicherungspflichten, kann nach § 30f WpHG erfolgen, wenn Inlandsemittenten mit Sitz in einem Drittstaat dort gleichwertigen Regelungen unterliegen. Umgekehrt müssen Informationen, die in einem Drittstaat veröffentlicht und für die Öffentlichkeit in der Europäischen Union und dem Europäischen Wirtschaftsraum Bedeutung haben können, auch in Deutschland veröffentlicht werden, § 30e Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG, damit kein Informationsgefälle zum Nachteil der europäischen Öffentlichkeit herbeigeführt werden kann.549 Dabei ist insbesondere für Inlandsemittenten mit einer Zweitnotierung in den USA noch unklar, ob jede nach den dortigen Vorschriften zu veröffentlichende Information dieses Kriterium erfüllt,550 oder eine Bewertung im Einzelfall zu erfolgen hat.551 Ist also auch der deutsche Markt zu informieren, wenn beispielsweise eine Beteiligungsschwelle, die in im AktG übertragen.“ § 30b WpHG sollte auf Emittenten beschränkt werden, deren Herkunftsstaat, nicht aber Sitzstaat, Deutschland ist. Emittenten mit Sitz in Deutschland unterfielen dann nur noch dem AktG. Diese formelle Klarstellung aus „Gründen der Rechtsklarheit“ ist aber letztlich nicht umgesetzt worden, RegE ARUG vom 5. 11. 08, abrufbar: www.bmj.de. 544 Bei diesen sind insbesondere Derivate erfasst, soweit diese ein Umtausch- oder Erwerbsrecht verbriefen, und kein cash settlement vorsehen, Schäfer, in: Marsch-Barner/Schäfer, § 12 Rn. 19. Im Einzelnen kann es Schwierigkeiten bereiten, wenn der Emittent von Wandelschuldverschreibungen oder Optionsanleihen nicht zugleich Emittent der zugrunde liegenden Wertpapiere ist. Dann kann es sein, dass er zur Veröffentlichung von Informationen verpflichtet ist, die gar nicht in seinem Machtbereich liegen, vgl. Kiem, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch, § 12, Rn. 34 m.w.N. 545 Siehe im Einzelnen § 30e Abs. 1 Nrn. 1 – 3 WpHG; sowie Schäfer, in: Marsch-Barner/ Schäfer, § 12, Rn. 19 f. 546 So zur alten Rechtslage Heidelbach, in: Schwark, § 66 BörsZulV, Rn. 4. 547 Vgl. Gebhard, in: Schäfer/Hamann, (2. Aufl.), § 66 BörsZulV, Rn. 5. 548 Dazu Kiem, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch, § 12, Rn. 38 ff. 549 Begr. RegE TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 42. 550 Kiem, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch, § 12, Rn. 37. 551 Schäfer, in: Marsch-Barner/Schäfer, § 12, Rn. 20.

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D. Das Publizitätskonzept am organisierten Kapitalmarkt

den USA, nicht aber nach §§ 21 ff. WpHG meldepflichtig ist, überschritten wurde?552 Wichtig erscheint es dabei zu betonen, dass eine Information ihre besondere Bedeutung auch gerade erst dadurch erlangen kann, dass sie in einem Drittstaat bekannt ACHTUNGREgemacht ist. Dann verlangt schon der Gleichbehandlungsgrundsatz553 eine grundsätzliche Veröffentlichung auch in Deutschland. Damit ist nicht gesagt, der EU-Gesetzgeber habe bei der Statuierung der Veröffentlichungspflichten für Europa essentielle ACHTUNGREInformationen vergessen.554 Vielmehr wird die besondere Qualität des Gutes „Information“ deutlich, dessen Wesentlichkeit für den Markt oftmals von den Umständen des Einzelfalls abhängt. Insofern verdeutlicht § 30e Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG in besonderem Maße, dass den Offenlegungsvorschriften ein kohärentes System zu Grunde liegt, dass am konkreten Informationsbedürfnis des Marktes ausgerichtet ist. Wenn Informationen im Ausland bekannt sind, wird es erforderlich, diese auch in Deutschland schnellstmöglich in das System einzubeziehen, um dem einzelnen Anleger sämtliche für seine Investitionsentscheidung benötigten Informationen an zentraler Stelle zur Verfügung zu stellen. Insofern gebietet es das Grundprinzip des Anlegerschutzes hier, dessen Vertrauen zu sichern, und Informationsgefälle auch auf internationaler Ebene bestmöglich auszugleichen. e) Publizität der Hauptversammlung, insb. Auskunftsrecht nach § 131 AktG aa) Hauptversammlungsbezogene Informationen und Publizität Die kapitalmarktrechtlich begründete Pflicht des § 30b WpHG, bestimmte mit der Hauptversammlung in Verbindung stehende Informationen unverzüglich im elektronischen Bundesanzeiger zu veröffentlichen, sofern die Offenlegung nicht nach anderen Vorschriften vorgesehen ist, verdeutlicht den inneren Zusammenhang, der zwischen den bisher erläuterten Publizitätspflichten und den informationellen Aspekten der Hauptversammlung besteht. Dazu ist zunächst festzustellen, dass im Zusammenhang mit der Hauptversammlung eine Reihe von Informationen bekannt zu machen sind, die auch für die informierte Investitionsentscheidung am Kapitalmarkt von größtem Interesse sind. Dies betrifft zunächst die Einberufung selbst, die nach § 121 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 25 Satz 1 AktG im elektronischen Bundesanzeiger erfolgen muss und darüber neuerdings auch in den kapitalmarktorientierten Veröffentlichungsmodus (Medienbündel) einbezogen ist.555 Letzteres unterstreicht, dass die Dogmatik einheitlich darauf ausgerichtet ist, Kapitalanleger europaweit zu informieren. Gem. § 175 Abs. 2 AktG besteht die Pflicht, zentrale Unterlagen der Rechnungs552

Weitere Beispiele bei Hutter/Kaulamo, NJW 2007, 471, 477. Vgl. § 30a Abs. 1 Nr. 1 WpHG. 554 So aber Schäfer, in: Marsch-Barner/Schäfer, § 12, Rn. 20. 555 § 121 Abs. 4a AktG; auf den formellen Veröffentlichungsmodus wird getrennt eingegangen. In der Praxis veranlasst der E-Bundesanzeiger eine Weiterleitung sämtlicher eingespeister Daten an angeschlossene bzw. von ihm belieferte Medien, so dass die Unternehmen nicht belastet werden; vgl. Noack, NZG 2008, 441, 442. 553

II. Publizitätspflichten im geltenden nationalen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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legung im Geschäftsraum der Gesellschaft auszulegen oder auf deren Internetseite zur Verfügung zu stellen. Darauf sind die Offenlegungsvorschriften abgestimmt, vgl. § 325 Abs. 1 Satz 2 und 3 HGB.556 Das ARUG erstreckt die Möglichkeit, Dokumente alternativ im Internet zugänglich zu machen, auf alle im Rahmen der Hauptversammlung vor- und auszulegenden Unterlagen557 und stärkt damit konzeptionell das Internet als zentrales Medium des Informationsaustauschs zwischen Gesellschaft und Aktionären erheblich. Dies entspricht der internationalen Tendenz558. Mit der Pflicht des § 124a AktG ist nunmehr auch sichergestellt, dass die hauptversammlungsbezogenen Unterlagen alsbald nach der Einberufung auf der Internetseite der Gesellschaft zugänglich sind, was der gängigen Praxis und dem DCGK entspricht.559 Nach § 124 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 25 AktG ist die Tagesordnung vorab in den Gesellschaftsblättern, und somit im elektronischen Bundesanzeiger bekannt zu machen. Entscheidungen sind nur möglich, wenn der Gegenstand bekannt gemacht wurde, § 124 Abs. 4 AktG. Damit ist der Markt über die wesentlichen Informationen umfassend informiert.560 Als unterstützendes Argument für ein solchermaßen marktorientiertes Publizitätskonzept kann schließlich herangezogen werden, dass das ARUG in noch stärkerem Maße als bisher zwischen börsennotierten Aktiengesellschaften, deren Informationspflichten erweitert werden, und kleinen, bei denen sie inhaltlich reduziert werden, differenziert,561 und mithin den Bedürfnissen des jeweiligen Segments abgestuft Rechnung trägt. bb) Herkömmliches Verständnis des § 131 AktG Durch das individuelle Auskunftsrecht nach § 131 AktG kann die Gesellschaft aber verpflichtet werden, zusätzliche Informationen gegenüber der Hauptversammlung offenzulegen. Da hierbei, obwohl die Hauptversammlung keine öffentliche Veranstaltung ist,562 jedenfalls bei Publikumsgesellschaften oftmals die Presse anwesend 556

Danach sind die Unterlagen unverzüglich nach Vorlage an die Gesellschafter einzurei-

chen. 557

§§ 52 Abs. 2 Satz 3, 179a Abs. 2 Satz 3, 293f Abs. 3, 319 Abs. 3 Satz 3, 320 Abs. 4, 327c Abs. 3 – 5 AktG; §§ 62 Abs. 3 Satz 7, 63 Abs. 4, 230 Abs. 2 Satz 3 UmwG; anders noch Noack, WM 2007, 337, 379 (kritisch); insofern ist der probehalber im UMAG eingeführte § 175 Abs. 2 Satz 4 AktG nun als Konzept umgesetzt. 558 In den USA sind z. B. seit 1. 1. 2008 die elektronischen Veröffentlichungspflichten für proxy-Materialien erheblich erweitert worden, SEC, Release No. 34-56135 vom 26. 7. 2007, abrufbar unter http://www.sec.gov. 559 Die Empfehlung 2.3.1. (HV-bezogene Informationen auf Internetseite) wird seit 2002 von 96,4 % der Unternehmen, darunter alle DAX, TecDAX und MDAX-Gesellschaften, befolgt, Noack, NZG 2008, 441, 442. 560 Marsch-Barner, in: Marsch-Barner/Schäfer, § 31, Rn. 2: „Die Hauptversammlung ist […] für börsennotierte Gesellschaften nicht mehr der Ort, auf dem wichtige Entscheidungen bekannt gegeben werden.“; vgl. Happ/Semler, ZGR 1998, 116, 125 (zur Abstimmung mit der Ad hoc-Publizität). 561 Vgl. § 121 Abs. 3 Satz 3 AktG n.F.; dazu auch Zetsche, Der Konzern 2008, 321, 322. 562 Hüffer, § 118 AktG, Rn. 16.

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D. Das Publizitätskonzept am organisierten Kapitalmarkt

ist563 und schon eine einzige Aktie das Auskunftsrecht begründet, ist jedenfalls faktisch überwiegend Transparenz gegeben, weshalb auch von einer „Quasi-Öffentlichkeit“ der Hauptversammlung gesprochen wird.564 Damit ist fraglich, inwieweit die Informationsnormen der Hauptversammlung im Informationsgefüge des Kapitalmarkts abgestimmt sind. Nach herkömmlichem Verständnis dient § 131 AktG dazu, dem Aktionär in der Hauptversammlung diejenigen Informationen zu beschaffen, die er zur sinnvollen Ausübung seiner Mitgliedschaftsrechte benötigt, vgl. § 118 Abs. 1 AktG.565 Es sei als individuelles Auskunftsrecht konzipiert und könne daher nicht allein im Lichte des Schutzes der Kapitalanleger interpretiert werden.566 Vielmehr ziele es auf die kollektive Information der Hauptversammlung ab, um eine Willensbildung zu ermöglichen.567 Konsequent werden strukturelle Gemeinsamkeiten mit den Publizitätspflichten, die neben den Aktionären auch Gläubiger und die interessierte Öffentlichkeit unterrichten sollen, vehement verneint.568 Diese Informationen stellten allenfalls den Mindestumfang der nach § 131 AktG zu erteilenden Informationen dar.569 Dennoch sind inhaltliche Überschneidungen nicht zu leugnen.570 § 131 AktG dient der Unterrichtung der Aktionäre571 in allen Angelegenheiten der Gesellschaft und umfasst insbesondere ergänzende Angaben zur Rechnungslegung572. Zudem können bestimmte Angaben zu Vergütungen verlangt werden, teilweise werden auch ergänzende Informationen zu Minderheitsbeteiligungen als erforderlich angesehen.573 Dem Kapitalmarkt bereits bekannte Informationen hingegen, die sich etwa aus dem Jahresabschluss ergeben, werden als nicht erforderlich eingestuft.574 Schon diese Beispiele verdeutlichen, dass die anlagerelevanten Informationen am Kapitalmarkt durch § 131 AktG erheblich modifiziert und ergänzt werden. Eine solche Ungleichbehandlung scheint aus informationsrechtlicher Sicht heute kaum noch haltbar 563 Es ist weitestgehend üblich, die Anwesenheit der Presse zuzulassen, Hüffer, § 118 AktG, Rn. 16. Dennoch besteht kein Anspruch der Pressevertreter auf Zugang zur Hauptversammlung. Kritisch daher zum Begriff der „Presseöffentlichkeit“ Franken/Heinsius, in: FS Budde, S. 213, 217. 564 Vossel, Auskunftsrechte, S. 43. 565 Begr. RegE Kropff, Aktiengesetz, S. 184; BVerfG AG 2000, 74; BayObLG NJW 1996, 1904. 566 Spindler, in: Schmidt/Lutter, § 131 AktG, Rn. 3 ff., Fn. 27 mit umfassenden Nachweisen. 567 Zöllner, in: Kö-Ko, § 131, Rn. 3, 81; str.; zur Begriffsbildung kollektiver Informationspflichten (nicht dem Gesellschafter, sondern dem Organ als Ganzem zu erteilen), vgl. K. Schmidt, Informationsrechte, S. 15 f. 568 Kubis, in: Mü-Ko, § 131 AktG, Rn. 6. 569 Spindler, in: Schmidt/Lutter, § 131 AktG, Rn. 10. 570 So auch Kubis, in: Mü-Ko, § 131 AktG, Rn. 6. 571 Marsch-Barner, in: Marsch-Barner/Schäfer, § 31, Rn. 1. 572 Siehe dazu nur die Auskunftsverweigerungsrechte nach § 131 Abs. 3 Nrn. 2 – 4 AktG. 573 Hüffer, § 131 AktG, Rn. 17 ff. m.w.N. 574 OLG Düsseldorf, WM 1991, 2148, 2153 f.; vgl. BGHZ 93, 327, 329 f.

II. Publizitätspflichten im geltenden nationalen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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zu sein. Sie widerspricht den bisherigen Erkenntnissen, dass sich die Informationsnormen am Kapitalmarkt zu einem abgestimmten System zusammenfügen lassen, dem der Grundgedanke einer umfassenden, adressaten- und marktorientierten Transparenz zugrunde liegt. cc) Konzeptionelles Verständnis des § 131 AktG Allerdings ist diese Interpretation keineswegs zwingend. Schon frühzeitig wurde erkannt, dass das Auskunftsrecht in einen größeren Informationszusammenhang eingefügt ist, in dem ihm ein ergänzender Charakter im Einzelfall zukommt.575 Nach diesem Verständnis kann das marktorientierte Informationssystem schlicht Einzelfälle nicht erfassen, die zur Wahrnehmung der Mitgliedschaftsrechte aber erforderlich sind. Diese individualschützende Funktion des Auskunftsrechts muss nun nur noch um die bereits dargestellten Erkenntnisse der Informationseffizienz ergänzt werden, wonach eine einmal hinreichend bekannte Information über den Preisbildungsmechanismus Relevanz für den Kapitalmarkt erlangt, um zu verdeutlichen, dass die Publizität der Hauptversammlung bei der börsennotierten Aktiengesellschaft heute weit über die ursprüngliche Begrenzung hinausreicht und im unmittelbaren Zusammenhang mit der Publizität am Kapitalmarkt zu sehen ist. Diese ergänzt durch marktendogene Kontrollmechanismen die mitgliedschaftliche Kontrolle und verdeutlicht so den funktionellen Zusammenhang der Vorschriften: als Informationsnormen mit Bezug zum Kapitalmarkt dienen sie der mittelbaren staatlichen Regulierung und entsprechen somit dem bislang entwickelten Grundverständnis. Eine rechtsfolgenorientierte Dogmatik muss aufgrund dieser Auswirkungen der Hauptversammlungspublizität daher auch individual- und institutionenschützende Funktion zusprechen576 und bei der Inanspruchnahme des Kapitalmarktes sämtliche Offenlegungspflichten in einem ganzheitlichen, sich ergänzenden Informationsgefüge berücksichtigen. Eine strikte Trennung zwischen Innen- und Außenrechtsverhältnis der Aktiengesellschaft, wobei Gläubiger und potentielle Anteilseigner dem Außenrechtsverhältnis und nur die aktuellen Aktionäre dem Innenrechtsverhältnis zuzuordnen seien, woraus sich dann ein grundlegend anderes Informationsbedürfnis ergebe, greift zu kurz.577

575 Vgl. Begr. RegE Kropff, Aktiengesetz, S. 184, der den funktionalen und systematischen Zusammenhang von HV-Publizität und den anderen Formen aktienrechtlicher Publizität betont, und die Information durch das Fragerecht auf das Bedürfnis des Einzelfalls abstimmen will. 576 Merkt, Unternehmenspublizität, S. 259 ff., 265, 267. 577 So aber Grohmann, EWS 2007, 540, 547 (Publizität als kapitalmarktorientiertes Regelungsinstrument, das im Innenverhältnis nur dann zur Anwendung komme, wenn die Information auch im Interesse der Gläubiger und als weitgestreute Anlegerinformation nützlich sei.) Die Abgrenzung versteht sich vor dem Hintergrund, dass am Kapitalmarkt Publizitätspflichten weiter verbreitet sind als bei der Innenorganisation der Aktiengesellschaft. Daraus kann aber nicht auf einen unterschiedlichen Adressatenkreis oder eine berechtigte Benachteiligung potentieller gegenüber aktueller Anleger geschlossen werden. Adressat ist jeweils der Markt als Ganzes, über welchen der Entscheidungsmechanismus funktioniert.

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D. Das Publizitätskonzept am organisierten Kapitalmarkt

Diese kapitalmarktorientierte Betrachtungsweise wird dadurch unterstützt, dass die Hauptversammlung im Rahmen der Investor Relations heute auch wesentlich dazu genutzt wird, den Dialog zu den wichtigsten Investoren zu pflegen und Aktionäre sowie die Öffentlichkeit, vertreten durch die Medien, näher über die Gesellschaft zu informieren und mithin auch den Charakter einer Werbeveranstaltung bekommt.578 Zudem verdeutlicht die Veröffentlichungspflicht hauptversammlungsrelevanter Informationen im elektronischen Bundesanzeiger nach §30b WpHG,579 dass hier genuines Kapitalmarktrecht vorliegt, das bei Inanspruchnahme des Marktes alle Marktadressaten umfassend informieren will. Einzelne formelle Inkonsistenzen580 vermögen über diesen Zusammenhang nicht hinwegzutäuschen, und verdeutlichen nur den weiteren Abstimmungsbedarf zwischen den Rechtsgebieten.581 So ist die Gesamtzahl der Aktien und Stimmrechte von börsennotierten Gesellschaften fortan gem. § 30b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG in die Veröffentlichung aufzunehmen.582 An die Inanspruchnahme des Marktes wird somit eine besondere Offenlegungspflicht geknüpft. Zugleich deutet sich schon hier an, dass das Kapitalmarktrecht ein besonderes Interesse an der Transparenz und Veränderung von Beteiligungsverhältnissen hat, um Marktreaktionen schnellstmöglich abbilden zu können.583 Im Ergebnis erscheint es nur konsequent, die unverzügliche Offenlegung auch im WpHG sicherzustellen und hiermit die eigenständige Bedeutung für den Kapitalmarkt zu betonen.584 Damit zeichnet sich ab, dass die herkömmliche Betrachtung des § 131 AktG, wie auch des gesamten Aktienrechts, vielfach zu kurz greift. So wird zu § 131 Abs. 4 AktG mehrheitlich vertreten, dieser sei lediglich versammlungsbezogenes Hilfsrecht und diene nicht primär der Gleichbehandlung (§ 53a AktG).585 Andererseits erfordert die Norm keinerlei Bezug zur Hauptversammlung und ist dort auch faktisch kaum

578

Marsch-Barner, in: Marsch-Barner/Schäfer, § 31, Rn. 9. Auch gem. § 30b Abs. 1 Satz 2 WpHG ist auf den elektronischen Bundesanzeiger abzustellen. 580 Hutter/Kaulamo, NJW 2007, 471, 477, kritisieren, dass § 121 Abs. 3 AktG bei Einberufung eine Bekanntmachung in den Gesellschaftsblättern vorschreibt. Allerdings ist gem. § 25 AktG auch hier auf den elektronischen Bundesanzeiger abzustellen, so dass ohne Einführung eines eigenständigen Regelungsregimes für börsennotierte Gesellschaften eine Doppelregelung wohl nicht zu vermeiden sein wird. Eine Abstimmung erfolgt nach § 30b Abs. 1 Satz 2 WpHG, so dass auf materieller Ebene keine Doppelmeldung erfolgt. 581 Die Offenlegung der Gesamtzahl der Aktien und Stimmrechte wird erstmals in § 30b Abs. 1 Nr. 1 WpHG verlangt, vgl. Noack, WM 2007, 377, 378. 582 Dazu Noack, WM 2007, 377, 378. 583 Abgestellt wird auf den Zeitpunkt der Einberufung der Hauptversammlung. Danach sind Veränderungen möglich, z. B. durch Ausnutzung von genehmigtem Kapital, vgl. Kiem, in: Habersack/Mülbert/Schlitt (Hrsg.), Handbuch, § 12, Rn. 25 m.w.N. 584 Dies entkräftet die Forderung, auf eine überflüssige, „aufblähende Wiederholung“ im WpHG zu verzichten, dazu Noack, WM 2007, 377, 378 unter Verweis auf solche Überlegungen im Gesetzgebungsverfahren. 585 Hüffer, § 131 AktG, Rn. 36 m.w.N. 579

II. Publizitätspflichten im geltenden nationalen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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durchsetzbar.586 Damit erscheint es lediglich als eine Frage der Zeit, wann die Forderung nach unverzüglicher Information aller Aktionäre (Anspruch aktiver Gleichbehandlung)587 dahingehend erweitert wird, dass, wenn einem Aktionär eine Auskunft erteilt wurde, diese nach dem Prinzip der Gleichbehandlung aus § 30a Abs. 1 Nr. 1 WpHG dem Kapitalmarkt als Ganzem bekanntzumachen ist. Letztlich ist auch unter dem Gesichtspunkt geringer Hauptversammlungspräsenzen588 dafür zu plädieren, all diejenigen Informationen, die über den begrenzten Kreis der Anleger hinaus für das Publikum von Interesse sind und im Marktpreis verarbeitet werden, im Hinblick auf diesen Schutzcharakter des Preisbildungsmechanismus in das Informationsgefüge einzubeziehen und abzustimmen. Mithin kann die verbandsrechtliche, mitgliedschaftliche Information bei der kapitalmarktorientierten Aktiengesellschaft nicht mehr streng vom Anlegerschutz durch Kapitalmarktrecht getrennt werden.589 Dazu sind die Auswirkungen der Rechtsgebiete aufeinander zu stark.590 Andererseits erscheint es auch problematisch, sämtlichen Informationsvorschriften, die als solche dem Abbau von Informationsasymmetrien zu dienen bestimmt sind, den verbandsrechtlichen Bezug abzusprechen und sie als reines Kapitalmarktrecht zu sehen, in dem der passive Aktionär als Marktteilnehmer auf ein exit verwiesen wird.591 Die Lösung kann nur in einem Mittelweg liegen, der die verbandsrechtliche Publizität wie hier angeregt in ihrer Relevanz für den Kapitalmarkt erkennt und sie dahingehend ergänzend interpretiert.592 Dies setzt aber zunächst voraus, sie mit allen Konsequenzen als echtes – individualschützendes –593 ACHTUNGREKapitalmarktrecht zu akzeptieren. Dies entspricht den oben angestellten theoretischen Überlegungen: Weder eine Unabhängigkeit, noch eine vollständige Ersetzung, noch eine dauerhafte Überlagerung der Informationsmassen liefert ein denkbares Modell.594 Das Erkennen der Komplementarität ermöglicht es aber, den Markt schnellstmöglich mittels Publizität zu informieren, wenn dieser ohnehin aufgrund der Kursrelevanz der Information aus marktrechtlichen Gründen zu informieren 586

Wilde, ZGR 1998, 423, 462 m.w.N. Ein Anspruch aus § 131 Abs. 4 AktG wird wegen der eindeutigen Gesetzeslage und der Entstehungsgeschichte der Norm überwiegend verneint, rechtspolitisch aber gefordert, Wilde, ZGR 1998, 423, 462 f. Verse, S. 510 ff., 524 f. leitet den Anspruch auf unverzügliche Nachinformation bereits im geltenden Recht aus §§ 53a AktG bzw. § 39 Abs. 1 Nr. 1 BörsG her (Grundsatz informationeller Gleichbehandlung); vgl. oben, B.IV.2.e). 588 Ekkenga, Anlegerschutz, S. 60. 589 So aber die wohl (noch) h.M. im Verbandsrecht, vgl. (unter Verweis auf Zöllner), Zetsche, Aktionärsinformation, S. 164 ff. mit ausführlicher Herleitung. 590 Anschaulich Lutter, in: FS Zöllner, S. 363, 372. 591 Ekkenga, Anlegerschutz, S. 30, 39 f. 592 Hommelhoff, ZGR 2000, 748, 768. 593 Wird die Marktorientierung des § 131 AktG bestritten, so wird Kapitalmarktrecht oft auf den Marktfunktionsschutz reduziert. Unstrittig sein dürfte allerdings dessen Individualschutzfunktion, Hommelhoff, ebd., S. 771. 594 Dazu oben, B.IV.3.b)cc) mit umfassenden Nachweisen. 587

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ist. In diesem Bereich ist dann allenfalls eine Rücknahme verbandsrechtlicher Schutzmechanismen zu erwägen, aber auch nur, wenn eine effektive Kontrolle durch Marktmechanismen den Ausgleich wirklich aller betroffenen Interessen gewährleistet. dd) Abstimmungsbedarf Wie diese Einordnung und Abstimmung im Einzelnen zu erfolgen hat, kann hier nicht detailliert ausgearbeitet werden. Beispielsweise stellt es aber keine Entmündigung des Anlegers dar, wenn bestimmte Bereiche der Corporate Governance durch den Aufsichtsrat wahrgenommen werden und keine externe Kontrolle durch den ACHTUNGREKapitalmarkt erfolgt.595 Hinzu tritt, dass auch bei einer Kompetenz der Hauptversammlung nicht jeder für die Ausübung der Mitgliedschaft erforderliche Information zwingend eine Bedeutung für den Kapitalmarkt zukommen muss. Am Beispiel der Abstimmung des § 131 AktG mit § 15 WpHG sei dies kurz erläutert. Nach herkömmlichem Verständnis bezweckt allein § 15 WpHG als Kapitalmarktrecht die Informationsvermittlung für das Anlegerpublikum, wobei diese Information (wie auch die allgemeinen handelsrechtlichen Publizitätspflichten) den Mindeststandard für § 131 AktG darstellen, der als individuelles Informationsrecht darüber hinausgeht und weder eingeschränkt noch verdrängt wird.596 Würde nun über das Auskunftsrecht eine Insiderinformation offenbart, so reicht zur Erfüllung der Pflichten nach § 15 WpHG die Bekanntmachung in der Hauptversammlung, auch wenn diese im Internet übertragen wird, nicht aus: eine Meldung nach § 15 WpHG ist erforderlich.597 Treten kursrelevante Tatsachen ein, sind diese gem. § 15 WpHG zu veröffentlichen, und mithin auch den Beteiligten der Hauptversammlung bekannt. Die Problematik der Abgrenzung besteht mithin nur unterhalb der Schwelle des § 15 WpHG. Es wurde deutlich, dass die bisher erläuterten Informationsnormen am Kapitalmarkt dem Anleger ein abgestimmtes Mindestmaß an entscheidungserheblichen Informationen an zentraler Stelle zur Verfügung stellen. Die Pflichten treten in regelmäßiger, standardisierter Form auf und werden bei besonderem Informationsbedürfnis durch anlassbezogene Publizität ergänzt. Dies bedeutet aber nicht, dass Informationen unterhalb der Schwellenwerte und außerhalb dieses „Grundgerüstes“ vom Kapitalmarkt nicht wahrgenommen oder verarbeitet werden. Die Abgrenzung des Kriteriums „Relevanz“ verdeutlichte, dass oftmals auch gerade eine Begrenzung der Offenlegung erforderlich ist und gewisse Suchanreize am Kapitalmarkt aus Effizienzgesichtspunkten bestehen bleiben können und müssen. Die gesetzgeberische Entscheidung, nicht jede in der Hauptversammlung erteilte Information unverzüglich am Kapitalmarkt zu verbreiten, bedeutet daher nicht, dass diese Informationen nicht im Zusammenhang

595 Hopt, ZHR 159 (1995), 135, 152; a.A. Happ/Semler, ZGR 1998, 116, 123 (zu § 15 Abs. 1 WpHG). 596 Spindler, in: Schmidt/Lutter, § 131 AktG, Rn. 10. 597 Vgl. § 15 Abs. 7 i.V.m. §§ 4, 5 WpAIV (Veröffentlichungsverfahren).

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gesehen werden müssten. Vielmehr wird auch hier598 faktisch eine Bereichsöffentlichkeit informiert, welche die Kenntnisnahme eines wichtigen Personenkreises und damit auch die Verarbeitung im Preis gewährleistet. Damit ist aber auch die Publizität der Hauptversammlung elementarer Bestandteil des Gesamtgefüges der Anlegerinformation am Kapitalmarkt. Daher erscheint es bedenklich, dass eine umfassende Harmonisierung im Bereich der hauptversammlungsbezogenen Aktionärsrechte, vor allem der Auskunfts- und Stimmrechte, seit dem Scheitern des Vorschlags für eine Fünfte Richtlinie599 kaum noch verfolgt wird. Die Aktionärs(rechte)richtlinie von 2007600 hat zwar die Wahrnehmung von Stimmrechten, etwa die Möglichkeit einer Online-Teilnahme an der Hauptversammlung, erheblich erleichtert, nicht aber zu einer umfassenden Angleichung der Informationsregeln geführt, wie es systematisch dem europäischen Informationsmodell entsprochen hätte.601 Die Notwendigkeit der seit langem geforderten besseren Abstimmung und Harmonisierung, etwa im Bereich der Befreiungstatbestände, ist daher erneut zu betonen.602 Bei Inanspruchnahme der Vorteile funktionierender Kapitalmärkte wirken aber auch de lege lata die Informationsbedürfnisse des Marktes auf das Gesellschaftsrecht zurück, so dass etwa den Kriterien des § 131 Abs. 3 AktG im Rahmen des § 15 WpHG nicht Rechnung getragen werden kann. Daher ist es von so großer Bedeutung, dass Marktsegmente bestehen, die Geheimhaltungsbedürfnisse stärker berücksichtigen als der regulierte Markt.603 f) Zusätzliche branchenspezifische Publizitätsvorschriften Im Informationsgefüge des Kapitalmarktes zu berücksichtigen sind ferner spezielle branchenspezifische Publizitätspflichten, die vor allem im Banken- und Versicherungsaufsichtsrecht begründet sind. So unterliegen Kreditinstitute i.S.d. § 1 ff. KWG besonderen Offenlegungs- und Kontrollpflichten nach §§ 24 ff., 26 f. KWG. Im Zusammenhang mit der hier mehrfach angesprochenen Beteiligungstransparenz 598

Auch die Ad hoc-Publizität wird nur von einer Bereichsöffentlichkeit verarbeitet, oben, B.II.2.; B.IV.2.e). 599 Zuletzt: Dritte Änderung des Vorschlags für eine fünfte Richtlinie des Rates nach Art. 54 EWG-Vertrag über die Struktur der Aktiengesellschaft sowie die Befugnisse und Verpflichtungen ihrer Organe vom 20. 11. 1991, ABl. 1991 C 321 vom 12. 12. 1991, S. 9 = KOM(91) 372 endg.; zurückgezogen KOM(2001) 763 endg./2 (DG Markt). Die Richtlinie sollte insbesondere die Ladung und Hauptversammlungsteilnahme, sowie das Auskunftsrecht harmonisieren. 600 Richtlinie 2007/36/EG (Aktionärsrechterichtlinie). 601 Grundmann, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 437 m.w.N.; rechtsvergleichend zu den erheblichen Divergenzen im Bereich der hauptversammlungsbezogenen Informationen ebd., Rn. 415. 602 Vgl. § 15 Abs. 3 WpHG und § 131 Abs. 3 AktG; dazu schon Franken/Heinsius, in: FS Budde, S. 312, 241. 603 Dies entspricht dem Ergebnis von Schön, in: ders. (Hrsg.), S. 563, 615, der das Bedürfnis umfassender Transparenz für den regulierten Markt anerkennt, vgl. zum Ganzen Kersting, in: Schön (Hrsg.), S. 411, 514 ff.

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D. Das Publizitätskonzept am organisierten Kapitalmarkt

sind dabei vor allem Pflichten zur unverzüglichen und jährlichen Anzeige nach §§ 24 Abs. 1 Nr. 10, Abs. 2 gegenüber der Bundesanstalt und der Deutschen Bundesbank von Interesse, die jedoch von diesen nicht veröffentlicht werden.604 Ähnliche Vorschriften bestehen nach §§ 54 Abs. 4 Nr. 2, 13d Nr. 4, 104 Abs. 1 und 2 VAG im Versicherungsaufsichtsrecht. Auch wenn diese Vorschriften hier ausgeklammert bleiben, ist doch zu erwähnen, dass gerade im Hinblick auf Beteiligungsverhältnisse zahlreiche Überschneidungen mit den erwähnten Publizitätsvorschriften bestehen. Besondere Bedeutung erlangen hier die 10 %-Schwelle als „bedeutende“ oder „qualifizierte Beteiligung“ i.S.d. § 1 Nr. 9 und Nr. 15 KWG, sowie die 20, 30 und 50 %-Schwelle, vgl. § 2c, § 24 Abs. 1 Nr. 10 KWG, § 104 Abs. 1 VAG. § 13d Nr. 4 VAG stellt dagegen auf 33 % ab. Die Anzeigepflichten werden durch materielle Regelungen ergänzt.605 In einer ganzheitlichen Betrachtung wären ferner besondere Offenlegungspflichten bestimmter Kapitalanlagegesellschaften, Investmentaktiengesellschaften und anderer zu berücksichtigen,606 auf die hier aber nicht näher eingegangen werden soll. g) Die Erklärung zum Deutschen Corporate Governance Kodex nach § 161 AktG Eine Sonderrolle im Geflecht der Publizitätsnormen am organisierten Kapitalmarkt kommt der Entsprechenserklärung zum Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK)607 nach § 161 AktG zu. Unter dem Begriff Corporate Governance wird üblicherweise das Gesamtsystem der Organisation, Führung und Kontrolle von Unternehmen, sei es durch interne Gestaltung der Unternehmensverfassung oder durch kapitalmarktorientierte externe Kontrollmechanismen, verstanden.608 Zielsetzung ist somit eine effektive und die Interessen von Gesellschaftern, Gläubigern und der Allgemeinheit wahrende Geschäftsführung609 über einen langen Zeitraum hinaus.610 Dieses weite Verständnis geht über das Verhältnis von Verwaltung und Gesellschaftern hinaus und umfasst nach zeitgemäßem Verständnis insbesondere 604

Dazu Witt, Übernahmen, S. 218 ff. Vgl. § 12 Abs. 1 KWG, wonach qualifizierte Beteiligungen eines Einlagenkreditinstituts an bestimmten Unternehmen auf 15 % des Eigenkapitals begrenzt sind. 606 Beispielsweise nach dem Investmentgesetz vom 15. 12. 2003, BGBl. I 2003, 2676 (InvG) oder dem Investmentsteuergesetz vom 15. 12. 2003, BGBl. I 2003, 2676, 2724 (InvStG). 607 Dazu Ulmer, ZHR 166 (2002), 150 ff.; Vetter, DNotZ 2003, 748; v. Werder/Talaulicar, DB 2009, 689. 608 Vetter, DNotZ 2003, 748; zur Unterscheidung von interner und externer Corporate Governance Hopt, ZGR 2000, 779, 783. 609 Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, vor §§ 35 – 52, Rz. 11. 610 Williamson, 22 J. Law. Econ. 233 (1979) verwendet den Begriff zunächst, um Unsicherheiten bei Langzeitverträgen entgegenzuwirken, deren Entwicklung vorab nicht vorhersehbar ist. Durchsetzungsregeln allein reichen deshalb nicht aus, laufende Information ist erforderlich, vgl. Shleifer/Vishny, 52 J.Fin. 737 (1997). 605

II. Publizitätspflichten im geltenden nationalen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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die Stellung des Unternehmens auf den Kapitalmärkten, einschließlich etwa des Anlegerschutzes und des Rechts der Unternehmensübernahmen.611 Der DCGK will das deutsche612 Corporate Governance System transparent und nachvollziehbar machen, und so das Vertrauen der nationalen und internationalen Anleger, Kunden, Mitarbeiter und der Öffentlichkeit in die Leitung und Überwachung deutscher börsennotierter Gesellschaften fördern.613 Inhaltlich befassen sich Ziffern 6 und 7 mit Transparenz, Rechnungslegung und Abschlussprüfung. Da der DCGK jedoch lediglich geltendes Recht wiedergibt oder rechtlich nicht verbindliche Empfehlungen und Anregungen macht,614 ist die in seinem Rahmen erfolgende Berichterstattung nicht als zusätzliche Publizitätspflicht zu verstehen. Dennoch könnte eine Vereinheitlichung auch hier zu besserer Vergleichbarkeit und damit einem höheren Nutzen für die Adressaten beitragen.615 Bedeutung im Netz hoheitlicher Offenlegungspflichten erlangt der DCGK erst über die Verpflichtung zur Abgabe der Entsprechenserklärung nach § 161 AktG. Diese ist hier schon deshalb von Bedeutung, da Ziel der Erklärung zumindest auch die Publizität und die Information der Kapitalmarktteilnehmer ist.616 Der Kapitalmarkt ist primärer Adressat der Erklärung, durch welche die Investitionsentscheidung erleichtert werden soll.617 Die Entsprechenserklärung ist dauerhaft auf der Website der Gesellschaft zugänglich zu machen.618 Über §§ 285 Nr. 16, 314 Abs. 1 Nr. 8 HGB, sowie die Veröffentlichung nach § 325 Abs. 1 Satz 1 HGB, ist sie in die ACHTUNGREJahresabschlusspublizität integriert und wird somit auch von der Abschlussprüfung erfasst.619 Damit ist sie Bestandteil der regelmäßigen externen Rechnungslegung.620 611 Vgl. zu weitem und engem Begriff der Corporate Governance Hopt, ZHR Beiheft 71 (2002), 27, 30; auch in Deutschland kann das Kapitalmarktrecht heute nicht mehr ausgeblendet bleiben, vgl. Merkt, AG 2003, 123 ff. 612 Aufgrund der verschiedenen Ausgestaltung der corporate governance in den Mitgliedstaaten und anderer sozio-ökonomischer Hintergründe empfehlen sich national beschränkte Kataloge, vgl. Hopt, ZIP 1998, 96, 105. 613 Präambel zum DCGK. Der Kodex ist im Internet abrufbar unter www.corporategovernance-code.de. Die zitierte Fassung vom 14. 6. 2007 wurde am 20. 7. 2007 im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht. 614 Zur Funktionsweise des DCGK Vetter, DNotZ 2003, 748, 753. 615 Der Kodex legt bezüglich des Berichts nur die Form, nicht aber den Inhalt fest. Insofern deutet einiges darauf hin, dass eine eindeutige Definition der Anforderungen, etwa eine Eingliederung in Themengebiete, die Transparenz verbessern würde, vgl. Quick/Wiemann/Wiltfang, WPg 2009, 205, 207 ff. Fraglich erscheint aber, ob diese Kosten durch den volkswirtschaftlichen Nutzen gerechtfertigt sind, s. o., C.II.2.d)dd) (informational overkill). 616 Begr. RegE TransPubG, BT-Drucks. 14/8769 vom 11. 4. 2002, S. 21 f., die Unterschiede zwischen den beiden Regelungszwecken betonend Hüffer, § 161 AktG, Rn. 1. 617 Vetter, DNotZ 2003, 748, 755. 618 Vgl. § 161 Abs. 1 Satz 2, nunmehr § 161 Abs. 2 AktG; zur bisherigen Rechtslage Begr. RegE TransPuG, BT-Drucks. 14/8769 vom 11. 4. 02, S. 14 (Nutzung der Website empfohlen). 619 Zur Redepflicht des Abschlussprüfers nach § 321 Abs. 1 Satz 3 Hüffer, § 161 AktG, Rn. 24 m.w.N.; zur systematischen Verortung im Lagebericht kritisch Strieder, BB 2009, 1002, 1005 m.w.N.

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D. Das Publizitätskonzept am organisierten Kapitalmarkt

Ihre Kapitalmarktorientierung wird im Rahmen der neuesten Reform durch das BilMoG621 noch verdeutlicht, welches § 161 AktG in Umsetzung der Abschlussprüferrichtlinie 2006/43/EG622 und der Abänderungsrichtlinie 2006/46/EG623 umfassend änderte. Zunächst wurde der Adressatenkreis ausdrücklich von den Aktionären auf die gesamte Öffentlichkeit erweitert. Ein Großteil der Vorschriften knüpft an das Vorliegen einer „kapitalmarktorientierten Gesellschaft“ i.S.d. § 264d HGB an.624 Durch die Regelungen soll Defiziten in der Finanzberichterstattung gezielt entgegengewirkt werden, wobei ein Schwerpunkt auf dem internen Kontroll- und Risikomanagementsystem liegt, §§ 289 Abs. 5, 315 Abs. 2 Nr. 5 HGB.625 Damit wird die interne Informationsfindung als ganz wesentlicher Bestandteil eines effektiven Offenlegungsprozesses gefördert. Die Erklärung wird durch Verweis faktisch Bestandteil der Erklärung zur Unternehmensführung nach § 289a AktG n.F., die in den Lagebericht aufzunehmen oder auf der Internetseite der Gesellschaft zu veröffentlichen ist.626 Bei Nutzung des Internets ist ein Hinweis in den Lagebericht aufzunehmen. Insofern wird der Lagebericht inhaltlich erweitert und in seiner Bedeutung für den Adressaten (Strukturen und Prozesse werden anschaulich und nachvollziehbar dargestellt) nochmals aufgewertet.627 Für eine allgemeine, an den Markt gerichtete Publizität sprechen auch die Verbesserungen im Rahmen der Abschlussprüfung.628 Neben der Publizität verfolgt § 161 AktG aber auch ein Durchsetzungsinteresse.629 Der Erwartungsdruck des Kapitalmarktes wird gezielt eingesetzt, um die Empfehlungen des Kodex durchzusetzen. Aus diesem Geltungsanspruch („entsprochen wurACHTUNGREde“)630 resultieren erhebliche Unsicherheiten bei der rechtstechnischen Einordnung

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Vgl. ausführlich Strieder, Praxiskommentar DCGK, S. 153. Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG), BGBl. I 2009 vom 25. 5. 2009, S. 1102; vgl. Stellungnahme des Handelsrechtsausschusses des DAV, NZG 2008, S. 612 – 618. 622 Richtlinie 2006/43/EG (Abschlussprüfungsrichtlinie). 623 Richtlinie 2006/46/EG (Abschluss-Änderungsrichtlinie). 624 Wiese/Lukas, GmbHR 2009, 561, 565 (insbesondere Darstellung der kapitalmarktorientierten GmbH); im Ergebnis können Unternehmen jeder Rechtsform erfasst werden, Strieder, BB 2009, 1002. 625 Auch dazu Wiese/Lukas, GmbHR 2009, 561, 565; vgl. ausführlich Strieder, BB 2009, 1002, 1003 f. 626 Begr. RegE BilMoG, BR-Drucks. 344/08 vom 23. 5. 2008, S. 227. 627 Dies liegt auf einer Linie mit dem BiRiLiG vom 19. 12. 1985, BGBl. I 1985, 2355, dazu oben, D.II.3.a)aa). 628 § 317 Abs. 5 HGB bindet den Abschlussprüfer an die International Standards on Auditing. 629 Hüffer, § 161 AktG, Rn. 1; Ausschussbericht TransPuG, BT-Drucks. 14/9079 vom 15. 5. 2002, S. 18. 630 § 161 Abs. 1 Satz 1 AktG. 621

II. Publizitätspflichten im geltenden nationalen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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der Empfehlungen631 und darauf aufbauend verfassungsrechtliche Bedenken an der Regelungsmethodik.632 Hinzu tritt aus unternehmensethischer Sicht, dass der Kodex die Governanceatmosphäre, verstanden als die gemeinhin geteilten Wertvorstellungen des soziokulturellen Umfelds, in das ein Unternehmen eingebettet ist,633 erheblich prägt. Neben dem Druck des Marktes rücken so gesellschaftlich-ethische634 Erwartungshaltungen (Bildung moralischer Standards) ins Blickfeld. Sicher ist zunächst nur, dass trotz der bereits erwähnten empirischen Unsicherheiten635 die Befolgungsquote der Kodexempfehlungen mit 83,9 % sehr hoch liegt.636 Diese steigt mit zunehmender Größe des Unternehmens, bei den DAX-Unternehmen liegt sie sogar bei 94,9 %, wobei besonders diejenigen Empfehlungen abgelehnt werden, welche die Interessen der Organmitglieder direkt berühren.637 Die Anregungen werden nur zu 64 % erfüllt. Da deren Einhaltung aber nicht offen zu legen ist, seien sie hier ausgeklammert. Neben den Zielen des § 161 AktG dient der Kodex selbst der Information ausländischer Investoren über das System der Unternehmensführung in Deutschland.638 Kleinere Gesellschaften empfinden die Empfehlungen dagegen wie gesehen oftmals als unpassend und lehnen sie daher ab.639

aa) Gegenstand der Erklärung Inhaltlich verpflichtet § 161 AktG Vorstand und Aufsichtsrat einer börsennotierten640 Gesellschaft641 jährlich zu erklären, welchen Empfehlungen des Kodexes ent631

Nach überwiegender Auffassung handelt es sich nicht um Rechtsnormen im Sinne hoheitlicher Rechtsetzung, da es ihnen an Bindungswirkung mangelt, vgl. Ulmer, ZHR 166 (2002) S. 150, 158 ff.; a.A. Seidel, ZIP 2004, 285, 289 (staatliche Regulierung, da Kommission wie Regierungsstelle auftrete und BMJ Kodex vor Einstellung in den elektronischen Bundesanzeiger inhaltlich überprüfe). 632 Anschaulich Hüffer, § 161 AktG, Rn. 4 („Verhaltensregel von gesetzesgleicher Wirkung“) unter Verweis auf den Gesetzesvorbehalt und das Demokratieprinzip (Artt. 20 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 GG). 633 v. Werder, in: FS Schwark, S. 285, 291. 634 Daher auch unter den Schlagworten Corporate Social Responsibility oder Corporate Citizenship diskutiert. 635 Siehe oben, B.III.1.d)aa), insb. zur Studie von Nowak/Rott/Maar, ZGR 2005, 252. 636 v. Werder/Talaulicar, DB 2009, 689, 690: 203 befragte Gesellschaften befolgten durchschnittlich 70 der insgesamt 84 Empfehlungen. 2008 und 2007 wurden mit 83,8 % und 82,9 % nahezu identische Quoten festgestellt, dies, DB 2008, 825, 826. 637 v. Werder/Talaulicar, DB 2009, 689, 696. 638 Daher erfolgt die Wiedergabe des geltenden Rechts, Marsch-Barner, in: Marsch-Barner/ Schäfer, § 2 Rn. 42. 639 Marsch-Barner, in: Marsch-Barner/Schäfer, § 2, Rn. 61; zur Verhältnismäßigkeit der Belastung, oben Teil C. 640 Börsennotierte Aktiengesellschaft i.S.d. § 3 Abs. 2 AktG.

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D. Das Publizitätskonzept am organisierten Kapitalmarkt

sprochen wurde und welchen nicht. Da letzteres nunmehr auch begründet werden muss,642 entspricht die Vorschrift weitestgehend dem Vorbild des britischen „ComACHTUNGREbined Code“,643 nach welchem die Begründung der Abweichung allerdings gegenüber der London Stock Exchange und nicht kraft Gesetzes gegenüber dem Publikum abzugeben ist.644 Der Kodex wurde trotz der hohen Regelungsdichte des deutschen Rechts645 vor allem eingeführt, um der international verbreiteten Kritik an der deutschen Unternehmensverfassung, insbesondere an der mangelnden Ausrichtung der Unternehmensleitung auf Aktionärsinteressen und der mangelnden Transparenz, gerecht zu werden.646 Damit wird deutlich, dass die Erklärung zu einem Großteil darauf vertraut, dass Aktionäre ihre eigenen Interessen über den „Druck des Kapitalmarktes“ selbst wahrnehmen können (shareholder-Ansatz)647. Fraglich bleibt damit, inwieweit die Regelungsmethodik dem kontinentaleuropäisch-interessenpluralen Ansatz effektiv gerecht wird.648 Nach Verständnis des Kodex sind Leitung und Kontrolle eines Unternehmens ebenso an den Interessen der Gläubiger, Arbeitnehmer, Kunden, Geschäftspartner649 und der Öffentlichkeit auszurichten.650 Dieser Stakeholder-Value wurde 2009 im Kodex nochmals besonders hervorgehoben.651 Es wird mithin darauf vertraut, dass der Markt richtige Unternehmensleitung zu beurteilen in der Lage ist, und – zumindest bei größeren Unternehmen, die im „Rampenlicht der (Fach-)Öffentlichkeit“ stehen652 – auch genügend Druck ausüben kann, um eine solche durchzusetzen.

641 Mit dem BilMoG wurde § 161 Abs. 1 AktG dahingehend erweitert, dass nunmehr auch Gesellschaften, die ausschließlich andere Wertpapiere als Aktien zum Handel an einem organisieren Markt ausgegeben haben und deren Aktien über MTFs gehandelt werden, der Pflicht unterliegen. Damit sollen sämtliche Emittenten von Wertpapieren an einem geregelten Markt i.S.d. § 2 Abs. 5 WpHG erfasst werden. Die Anzahl der § 161 Abs. 1 Satz 2 AktG unterfallenden Unternehmen dürfte aber verschwindend gering sein, Begr. RegE BilMoG, BTDrucks. 344/08 vom 23. 5. 2008, S. 228. 642 „Und warum nicht“, § 161 Abs. 1 Satz 1 AktG i.d.F. des MilMoG. Die Begründungspflicht geht zurück auf Art. 46a Abs. 1 Buchst. a und b der Bilanzrichtlinie i.d.F. der Änderungsrichtlinie, Begr. RegE BilMoG, BT-Drucks. 344/08 vom 23. 5. 2008, S. 227. 643 Abrufbar (auch in aktueller Fassung) unter: http://www.frc.org.uk/corporate/combined code.cfm. 644 Assmann, in: FS Kümpel, S. 1, 13 f. 645 Daher der Einführung ablehnend gegenüberstehend Hüffer, § 161 AktG, Rn. 2. 646 Ulmer, ZHR 161 (2002), S. 150, 154. 647 Vgl. zum traditionell US-amerikanischen shareholder-Ansatz, Assmann, in: FS Kümpel, S. 1, 3. 648 Eingehend Assmann, in: FS Kümpel, S. 1, 3 ff.; Merkt, AG 2003, 127 ff. 649 Vetter, DNotZ 2003, 748, 749. 650 Präambel des Kodex i.d.F. vom 14. 6. 2007, abrufbar unter: www.bundesanzeiger.de. 651 Hecker, BB 2009, S. 1654 f., vgl. zum ausdrücklichen Abrücken von der shareholder primacy die Präambel und Abschnitt 4.1.1. des Kodex i.d.F. vom 18. 6. 2009, abrufbar unter: www.corporate-governance-code.de. 652 Borges, ZGR 2003, 508, 538.

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bb) Adressaten der Erklärung Betrachtet man die Funktionsweise des Kodexes, so richtet sich die Erklärung vor allem an Aktionäre in ihrer Stellung als Teilnehmer am Kapitalmarkt.653 Hier können über standardisierte Vorgaben des Kodex wesentliche marktrelevante Informationen übersichtlich und leicht vergleichbar dargestellt und Abweichungen deutlich gemacht werden. Insofern fügt sich die Erklärung in das Informationsgefüge am Kapitalmarkt ein. Die Einsetzung der Kodex-Kommission ermöglicht es zudem, die Vorgaben inhaltlich schnellstmöglich an die nationale und internationale Unternehmenspraxis anzupassen654 und unterstützt damit durch Nutzung des Sachverstands der betroffenen Wirtschaftskreise die ex-ante Entscheidung des Gesetzgebers,655 welche Informationen als erforderlich zu veröffentlichen sind. Andererseits geht die Publizität des § 161 AktG über diese Markt-/Anlegerperspektive weit hinaus. Der Winter-Report656 schlug ihre gezielte Nutzung zur Bekämpfung von Agency-Problemen vor und wollte somit die Entscheidungsgrundlage für die Wahrnehmung mitgliedschaftlicher Kontrollrechte verbessern.657 Daneben kommt der Offenlegung, wie bereits vermehrt angesprochen, eine gezielt verhaltenssteuernde Funktion zu. Offenlegung ermöglicht eben nicht nur informierte Reaktionen, sondern beeinflusst auch erheblich das Verhalten des Verpflichteten658 und kann damit auf die interne Corporate Governance Einfluss nehmen. Dabei werden nun solche Informationen in das kapitalmarktorientierte Informationskonzept eingefügt, welche nicht mehr Informationsungleichgewichte ausgleichen wollen, um entweder eine Investitionsentscheidung zu ermöglichen oder gezielt selbststeuernden Druck auf die Unternehmen auszuüben. Vielmehr steht hier allein das politisch inhaltlich vorgegebene Ergebnis im Mittelpunkt – unabhängig davon, wie der Markt dieses beurteilt. Diese Ergebnisorientierung widerspricht aber der hier entwickelten Adressatenorientierung des Konzepts. Konsequenz daraus wäre, solche Informationen vom Konzept auszunehmen, die ihrer Steuerungsfunktion nicht gerecht werden, weil der Druck des Marktes nicht effektiv genug ist. Steht der Markt einer Information gleichgültig gegenüber, ist diese nicht „wesentlich“. Bestehen aber seitens der Offenlegungspflichtigen so starke entgegenstehende Interessen, dass diese ihr Verhalten nicht anpassen, kann Publizität ihren Funktionen nicht gerecht werden. Dann sind die Pflichten als belastendende, rechtfertigungsbedürftige Eingriffe auf ein Mindestmaß zu beschränken und andere Regelungsmittel (zwingende gesetzliche Regelungen) sind erforderlich. Hier ist 653

Hüffer, § 161 AktG, Rn. 2. Vetter, DNotZ 2003, 748, 751. 655 Es erfolgt eine zwar außergesetzliche, aber doch ministerielle „Rechtskontrolle“, Ausschussbericht TransPuG, BT-Drucks. 14/9079, S. 18. 656 High Level Group, Report. 657 Ferran, in: Ferrarini/Hopt/Winter/Wymeersch (Hrsg.), S. 417, 422 m.w.N. (auch zur Durchsetzung). 658 Anschaulich Ferran, in: Ferrarini/Hopt/Winter/Wymeersch (Hrsg.), S. 417, 423 m.w.N. 654

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D. Das Publizitätskonzept am organisierten Kapitalmarkt

daran zu erinnern, dass der kapitalmarktorientierten Publizität ein einheitliches, detailliert festgelegtes Konzept zugrunde liegt, von dem nur im Ausnahmefall abgewichen werden darf (Stichwort: standardisiertes Finanzierungsprodukt).659 Gesellschaftsrecht gibt dagegen im Regelfall nur den Rahmen für die Organisationsstruktur vor und belässt den Unternehmen spezifische Gestaltungsspielräume (Stichwort: Satzungsfreiheit).660 Einheitliche Publizität birgt immer die Gefahr, dass sie Einzelfallbedürfnissen nicht gerecht wird und somit – vor allem bei gesellschaftsrechtlichen Fragen – als stark belastender Eingriff in die Unternehmensautonomie verstanden wird, weil differenzierende Abweichungen (trotz der Möglichkeit eines „explain“) kaum noch möglich sind.661 Das Unternehmen darf hier nicht gezwungen werden, etwas zu tun, was es sonst trotz der Marktkräfte nicht tun würde. cc) Beispiel: Die Debatte zur Angemessenheit der Vorstandsbezüge Deutlich werden Zweck und Grenzen der Funktionsweise des § 161 AktG bei einem kurzen Blick auf die Entwicklung der Regelungen zur Offenlegung von Vorstandsvergütungen in Deutschland662 – ein Musterbeispiel für eine Governance-Regelung mittels Publizität. Aus ökonomischer Sicht wird dabei gefragt, inwieweit übermäßig hohe Gehälter als Fall des Marktversagens zu verstehen sind, oder ob sie sich doch innerhalb des marktbezogenen Modellrahmens erklären lassen.663 Aus juristischer Sicht steht dagegen – seit Einführung entsprechender Vorschriften in das Aktienrecht 1937 – die Frage einer Obergrenze im Mittelpunkt, für die § 87 Abs. 1 AktG das Gebot der Angemessenheit aufstellt.664 Konkrete Entscheidungshilfen gibt es dabei kaum: Der Aufsichtsrat muss – auf der Grundlage eines Angemessenheitsvergleichs, der auch die persönliche Leistung berücksichtigt – eine marktorientierte Einzelfallentscheidung treffen, bei der ihm ein weiter Ermessensspielraum zukommt.665 Dies entspricht zu659

Dazu Assmann, in: GK-AktG, 4. Aufl., Bd. 1, Einl., Rn. 379. Schröder, Unternehmenspublizität, S. 130. 661 Die extrem hohe Befolgungsquote etwa des Deutschen Kodex, s. o. D.II.3.g) a.E., deutet darauf hin, dass die Unternehmen eher bereit sind, sich einem gefühlten Druck des Marktes zu beugen, als die für sie optimale Entscheidung zu begründen und entgegen den Markterwartungen durchzusetzen. Wird aber versucht, die bloße Abweichung zu vermeiden, erscheint es kaum noch möglich Standards zu setzen, die allen Unternehmen gerecht werden. Darauf ist sogleich bei der Bestimmung der Vergütungshöhe im Einzelfall zurückzukommen. 662 Ausführlich Spindler, NZG 2005, 689; aktuell auch in den USA: Bebchuk/Fried, Pay without performance. 663 Dazu oben, Teil B.; einführend Fleischer, DStR 2005, 1279, Fn. 3, 4 m.w.N. und Erklärungsmustern. 664 Instruktiv Fleischer, DStR 2005, 1279 ff., 1318 ff. (zur Frage der Angemessenheit 1937 und bis VorstOG). 665 Fonk, in: Semler (Hrsg.), Arbeitshandbuch, § 9, Rn. 121 ff.; zum Ermessensspielraum: BGH, ZIP 2006, 72, 73 (Mannesmann); vgl. zum Ganzen Wiesner, in: Hoffmann-Becking (Hrsg.), Handbuch, § 21, Rn. 30 ff. 660

II. Publizitätspflichten im geltenden nationalen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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nächst einmal der grundsätzlichen aktienrechtlichen Kompetenzverteilung, nach welcher der Aufsichtsrat den Vorstand zu überwachen hat, § 111 Abs. 1 AktG, wofür er auch über umfassende, über das Publizitätskonzept hinausgehende Informationsrechte verfügt (vgl. etwa § 90 AktG).666 Hier wurde aber bald der Vorwurf laut, dass eine funktionierende Eigentümerkontrolle so nicht möglich sei und der Aufsichtsrat (anders als bei der GmbH)667 ungehemmt „other peoples money“ verteile.668 Schon frühzeitig wurde daher, mit dem Ziel einer zusätzlichen Verhaltenskontrolle durch den Kapitalmarkt, eine Empfehlung zur detaillierten Offenlegung der Vorstandsbezüge in den DCGK aufgenommen.669 Die weitestgehende Nichtbefolgung dieser Empfehlung führte dann zur Verpflichtung der Offenlegung der individualisierten Bezüge aller Vorstandsmitglieder im Anhang (oder Lagebericht)670 zum Jahresabschluss einer börsennotierten Aktiengesellschaft, vgl. §§ 285 Satz 1 Nr. 9 lit. a, 286 Abs. 4 und 5, 314 Abs. 1 Nr. 6 lit. a, 315 Abs. 2 Nr. 4 HGB.671 Damit blieb die Regelung hinter der europäischen Empfehlung einer detaillierten Aufgliederung der Individualangaben zurück.672 Ein europaweit einheitlicher informationeller Rahmen wird folglich nicht erreicht und auch nicht angestrebt.673 Die Offenlegungspflicht sollte der Transparenz und dem Anlegerschutz dienen. Ziel ist es, eine wirksame Kontrolle der Angemessenheit von Vorstandsvergütungen, vgl. § 87 Abs. 1 AktG, durch die Aktionäre zu gewährleisten. Da die allgemeine Öffentlichkeit nicht Adressat der Offenlegung ist, besteht eine opt-out-Möglichkeit durch qualifizierten Beschluss der Hauptversammlung.674 Die wesentlichen Unterschiede zur Empfehlung nach dem 666 Fleischer, ZGR 2009, 505, 524: Dem widerspricht nicht, parallele unterstützende Marktkontrolle zuzulassen. 667 Dazu oben, C.II.3.g). Für die meisten Gläubigergruppen (Arbeitnehmer, Kunden, etc.) dürfte die Rechtsform hingegen von geringer Bedeutung sein, wenn es darum geht, die Angemessenheit der Bezüge zu kontrollieren. 668 Anschaulich Seibert, DB 2009, 1167, 1169. 669 Ziff. 4.2.4. DCGK, dazu Ringleb, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, DCGK, 2. Aufl., Rn. 772; vgl. Ferran, in: Ferrarini/Hopt/Winter/Wymeersch (Hrsg.), S. 417, 425 m.w.N. aus der englischsprachigen Lit. 670 § 289 Abs. 2 Nr. 5 HGB, dazu Hohenstatt/Wagner, ZIP 2008, 945, 951 (Vergütung bei Angaben zu System). 671 Gesetz über die Offenlegung der Vorstandsvergütungen (VorstOG) vom 3. 8. 2005, BGBl. I, 2267; ausführlich zur Transparenz der Vorstandsvergütung nach dem VorstOG Hohenstatt/Wagner, ZIP 2008, 945 ff. 672 Begr. Frak-E VorstOG, BT-Drucks. 15/5577, S. 6; vgl. Empfehlung der Kommission zur Einführung einer angemessenen Regelung für die Vergütung von Mitgliedern der Unternehmensleitung börsennotierter Gesellschaften vom 14. 12. 2004, ABl. L 385 vom 29. 12. 2004, S. 55 ff., Abschn. III, Nr. 5.3 ff. (detaillierte Aufschlüsselung der einzelnen Bezüge). Vgl. die noch weitergehenden Vorschläge bei Baums, ZIP 2004, 1877 ff. 673 Die Kommission belässt es bis heute beim Mittel der „Empfehlung“, vgl. Empfehlung der Kommission vom 30. April 2009 zur Ergänzung der Empfehlungen 2004/913/EG und 2005/ 162/EG zur Regelung der Vergütung von Mitgliedern der Unternehmensleitung börsennotierter Gesellschaften, ABl. L 120 vom 15. 5. 2009, S. 28. 674 Ausdrücklich Begr. FrakE VorstOG, BT-Drucks. 15/5577, S. 5.

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D. Das Publizitätskonzept am organisierten Kapitalmarkt

DCGK bestehen darin, dass bei unternehmensindividuellen Besonderheiten nicht mehr von der Transparenzvorschrift abgewichen werden kann und zudem eine standardisierte, überprüfbare Angabe gewährleistet ist.675 Den Vorständen schadete dieser „Druck des Marktes“ nicht: Im Folgejahr war ein Anstieg der Vergütungen zu verzeichnen.676 Als dritter Schritt auf empfohlene (DCGK) und verpflichtende (VorstOG) Offenlegung folgte bekanntlich die zwingende gesetzliche Festlegung der inhaltlichen Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG).677 In dessen Rahmen ist eine absolute Obergrenze für Vorstandsbezüge678 zwar nicht festgelegt worden (Grundsatz der Vertragsfreiheit!),679 und auch einen „Cap“ gibt es nur als Verhandlungsvorgabe bei Inanspruchnahme staatlicher Rettungsmaßnahmen.680 Das Gesetz soll aber ausdrücklich bestimmte „Fehlentwicklungen im Vergütungsbereich“ regulatorisch bekämpfen,681 indem es Anreize in der Vergütungsstruktur schafft, die eine auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Unternehmensführung stärken, die Verantwortlichkeit des Aufsichtsrats stärkt und konkretisiert, und wiederum die Transparenz verbessert. Aus systematischer Sicht ist diese Entwicklung aus mehreren Gründen verwunderlich. Zunächst schreibt der Gesetzgeber mit (1) der Vorgabe einer längerfristigen Ausrichtung der variablen Vergütung und (2) einem Selbstbehalt bei der D&O-Versicherung für alle Aktiengesellschaften682 nun Kriterien zwingend vor, die zuvor

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Baums, ZIP 2004, 1877, 1879. Anschaulich Recktenwald, AnwBl 2009, 532: Nun konnte „endlich jeder Manager nachlesen, wer besser verhandelt hat und welcher Nachschlag noch drin ist.“ 677 Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung vom 31. 7. 2009, BGBl. I 2009, 2509 (VorstAG). 678 Vgl. Antrag der Fraktion DIE LINKE, BT-Drucks. 16/7743 vom 16. 1. 2008, S. 2 (Begrenzung auf das 20-fache des Lohns eines sozialversicherungspflichtig Beschäftigten der untersten Lohn- und Gehaltsgruppe), sowie Antrag der Fraktion Bündnis90/DIE GRÜNEN, BT-Drucks. 16/12112 vom 4. 3. 2009 (Vergütungsrahmen solle der Hauptversammlung überantwortet werden). 679 Gegenstand der Debatte ist vor allem die Begrenzung von Aktienoptionen und Abfindungen, Marsch-Barner, in: Marsch-Barner/Schäfer (Hrsg.), § 2, Rn. 105 m.w.N. Abfindungscaps kommt nach geltender Rechtslage vor allem Signalwirkung zu. Ohne Mitwirkung des Vorstandsmitglieds bei Auflösung des Anstellungsvertrags sind sie nicht effektiv, vgl. Hoffmann-Becking, ZIP 2007, 2101 ff. Zur n.F. des Kodex, der die Bestimmung in Nr. 4.2.3 zur Empfehlung erhoben hat, vgl. Hohenstatt/Willemsen, NJW 2008, 3462 ff. Zur Regelvorgabe einer Begrenzung der variablen Vergütung bei „außerordentlichen Entwicklungen“ („Cap“) in § 87 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 AktG, Thüsing, AG 2009, 517, 521. 680 § 5 Verordnung zur Durchführung des Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetze vom 20. 10. 08, e-BAnz. AT1232008 V1, ist daher nicht als Vergütungsvorgabe durch Gesetz zu verstehen, Seibert, DB 2009, 1167, 1169. 681 Hohenstatt, ZIP 2009, 1349 f. m.w.N. 682 Erstreckung auch auf die nicht börsennotierte AG, nicht aber GmbH. Auch für die börsennotierte AG hat „der Markt“ einen solchen Selbstbehalt (zu Recht?) nicht durchgesetzt; vgl. Bosse, BB 2009, 1650, 1652. 676

II. Publizitätspflichten im geltenden nationalen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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durch den DCGK geregelt waren.683 Zwar gibt es keine feste Kompetenzaufteilung zwischen Gesetz und Kodex.684 Letzterer wurde jedoch aus informationsrechtlicher Sicht gerade dahingehend gelobt, dass eine Nichtbefolgung der Empfehlungen lediglich offengelegt werden muss. Reicht dieser Druck des Marktes nicht aus, wird nun die inhaltlich detaillierte Offenlegung angeordnet. Reicht auch diese nicht aus, erfolgt der „Schwenk“ zu materiell zwingendem Recht.685 Dies erfolgt zudem in Bereichen, die inhaltlich umstritten sind: Weder ist die verhaltenssteuernde Wirkung eines Selbstbehalts erwiesen,686 noch besteht Einigkeit über die „richtige“ Relation von lang- und kurzfristigen Vergütungsanreizen.687 Greift der Gesetzgeber hier vorschnell in die Debatte um die Corporate Governance ein, gerät nicht nur die Wirksamkeit und Akzeptanz des DCGK in Misskredit.688 Vielmehr wird dem Markt die Gelegenheit genommen, inhaltliche Maßstäbe herauszubilden: So hatte im Mai 2009 ein erster deutscher Börsenwert im Rahmen seiner Corporate Social Responsibility durch die Hauptversammlung eine Obergrenze der Vorstandsvergütung auf das 20fache der durchschnittlichen Bruttogehälter festgelegt.689 Die Herausbildung einer solchen neuen Kultur der Unternehmensführung kann sehr viel effektiver sein, als rechtliche Vorgaben, wird durch ein vorschnelles Eingreifen des Gesetzgebers aber verhindert. Bedenkt man ferner, dass zwischen VorstOG und VorstAG nur drei Jahre liegen, und dass zudem die Befolgungsquoten der einzelnen Kodexempfehlungen (geschweige denn die Gründe) höchst unklar sind,690 wird die Vermutung laut, dass die Regelungen aus einem diffusen Ungerechtigkeitsgefühl und einem politisch vermeintlichen Aktionismus in Krisenzeiten heraus entstanden sind.691 (Noch 2004 war eine kapitalmarktrechtliche (!) Regelung des D&O-Selbstbehalts gescheitert.)692 Der Gesetzgeber setzt sich dabei über die dem Markt überantwortete Entscheidung hinweg und

683 Vgl. DCGK Ziff. 4.2.2. (Leistung des Vorstands zu berücksichtigen), Ziff. 3.8. DCGK (angemessener Selbstbehalt bei D&O-Versicherung) 684 Seibert, DB 2009, 1167, 1169. 685 Zu Recht kritisch dazu Hohenstatt, ZIP 2009, 1349, 1358. 686 Hecker, BB 2009, 1654, 1655 mit umfassenden Nachweisen. 687 Wagner/Wittgens BB 2009, 906, 907 sehen in langfristigen Anreizen gar einen Fremdkörper im Aktienrecht. 688 Zu Recht kritisch Hecker, BB 2009, 1654, 1658. 689 Der TecDax-Konzern Solarworld AG am 20. 5. 2009, vgl. dazu Recktenwald, AnwBl 2009, 532. 690 Vgl. Hohenstatt, ZIP 2009, 1349, 1358 (hoher Befolgungsgrad); a.A. Wagner/Wittgens, BB 2009, 906, 907 (kaum langfristige Vergütung); Hecker, BB 2009, 1654, 1655 (kaum Selbstbeteiligung bei D&O), beide m.w.N.; ökonomische (marktkonforme) Erklärungen bestehender Vergütungsmuster: Fleischer, DStR 2005, 1279, Fn. 4. 691 So Wagner/Wittgens, BB 2009, 906 m.w.N. 692 Vgl. § 37a WpHG-E i.d.F. des Diskussionsentwurfs eines Kapitalmarktinformationshaftungsgesetzes (KapInHaG), abgedr. in NZG 2004, 1042 (Selbstbehalt i.H.v. 50 %); dass nun eine Regelung im AktG erfolgt ist, bestätigt die festgestellte zunehmende Konvergenz der Rechtsgebiete im Bereich der Corporate Governance.

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D. Das Publizitätskonzept am organisierten Kapitalmarkt

ACHTUNGREersetzt diese durch eigene, höchst unklare und umstrittene Gerechtigkeitsvorstellungen. Dies widerspricht dem dargestellten Konzeptdenken. Daraus ist nun nicht zu schließen, der Gesetzgeber verfolge zwar nach außen hin scheinbar ein Informationsmodell, greife dann aber (sofern dieses nicht sofort die erhoffte Wirkung erzielt) auf inhaltlich zwingendes Recht zurück. Vielmehr setzt auch das VorstAG zu einem erheblichen Teil auf zusätzliche Publizität: Einerseits werden – noch immer in der Vermutung, dass Transparenz im Ergebnis zu niedrigeren Vergütungsfestsetzungen führt – die Anhangsangaben zu Vergütung und Versorgungsleistungen bei Beendigung der Vorstandstätigkeit detaillierter ausgestaltet.693 Andererseits kann gem. § 120 Abs. 4 AktG die Hauptversammlung nunmehr freiwillig per Beschluss das Vergütungssystem billigen.694 Durch die dazu vom Aufsichtsrat zusätzlich zu erteilende Information und der mit dem symbolischen Beschluss einhergehenden Öffentlichkeitswirkung wird eine zusätzliche Kontrolle der Vergütungsentscheidungen (durch Hauptversammlung und Markt) erwartet.695 Damit bleibt es bei der Festlegung eines detaillierten informationellen Rahmens, der in solch sensiblen Bereichen der Corporate Governance auch erforderlich erscheint696 und somit Bestandteil des Konzeptes wird. Nach dem hier dargestellten alternativen Verständnis des Informationsmodells müsste mit der Überantwortung der konkreten Gehaltshöhe an den informierten Marktentscheid nun ein Rückgang materiellen Rechts zu verzeichnen sein. Das erscheint aber nicht möglich. Erklären ließe sich dies einerseits mit mangelnder Markteffizienz, andererseits mit überwiegenden persönlichen Interessen der Unternehmensführung, die zu immer wieder neuen Vermeidungs- und Umgehungsstrategien führen werden.697 Öffentliches Problembewusstsein ist jedenfalls, auch auf internationaler Ebene,698 hinlänglich gegeben.699 Es erschiene übereilt, an dieser Stelle entweder eine Rücknahme der Publizität (denn eine materielle Festlegung erscheint schon aus Gründen der Vertragsfreiheit 693 §§ 285 Nr. 9 lit. a, 314 Abs. 1 Nr. 6 lit. a HGB, dazu Hohenstatt, ZIP 09, 1349, 1356 (Unterschiede zu a.F.). 694 Dazu Bosse, BB 2009, 1650, 1653 m.w.N. 695 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum VorstAG, BTDrucks. 16/13433, S. 19. 696 Zur besonderen Problematik der Transparenz von individuellen Einkommen, siehe abermals oben, C.II.3.e). 697 Zum (oftmals wenig aussagefähigen) Barwert der Altersvorsorge Hohenstatt, ZIP 2009, 1349, 1357. 698 Zur internationalen Corporate-Governance-Debatte um Managervergütungen, Seibert, DB 2009, 1167 f. 699 Vgl. zuletzt FAZ vom 2. 9. 09: Vorstandschef der Arcandor AG Eick bekommt für sechs Monate Tätigkeit das volle Gehalt für fünf Jahre (15 Millionen Euro). Auf öffentlichen Protest hin gibt er 1/3 in einen Fonds zur sozialen Abfederung von Insolvenzfolgen für Mitarbeiter. Als „gierig“ sei er dennoch nicht zu bezeichnen, entsprachen doch die Bedingungen denjenigen seiner zuvor sicheren Anstellung bei der Deutschen Telekom.

II. Publizitätspflichten im geltenden nationalen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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nicht möglich) oder aber der materiellen Regulierung (denn dies scheint politisch nicht durchsetzbar zu sein) zu fordern. Schließlich ermöglicht es die derzeitige umfassende Offenlegung, auf weitergehende materielle Eingriffe zu verzichten und diese mithin möglichst begrenzt zu halten: Eine Ersetzung kann nur angestrebt sein, soweit Publizität dem Regelungszweck ebenso effektiv gerecht wird. Der gegenwärtige Stand bringt auch erhebliche Vorteile mit sich. So können unter www.verguetungsregister.de praxisnah alle Informationen abgerufen werden, die der Aufsichtsrat als Vergleichsmaßstab für die „Üblichkeitsprüfung“ benötigt.700 Aktuelle Vorschläge, etwa diejenigen der EU-Kommission,701 können zunächst durch den DCGK eingeführt und später verfeinert werden.702 Aus Sicht der dargestellten Funktionsweise von Publizitätsnormen ist allerdings erneut davor zu warnen, vorschnell inhaltlich bindende Regelungen festzuschreiben. Vielmehr scheint die Effektuierung der Offenlegung mittels umfassender konzeptioneller Integration der richtige Weg zu sein. Erst wenn dann eine Regelung zwingenden Schutzinteressen nicht gerecht wird, ist zu erwägen, dem Kodex Gesetzesrang zu verleihen. Wie weit die Regulierung dennoch voranschreitet, wird sich zeigen: Erste regulatorische Aktivitäten, die Fehlentwicklungen auch unterhalb der Vorstandsebene bekämpfen, sind bereits eingeführt,703 vor allem im Finanzbereich steht eine umfassende Regulierung aller Mitarbeiter bevor,704 und schon geraten auch überdurchschnittliche Vergütungen in mittelständischen oder Familiengesellschaften in die Kritik.705 dd) Probleme bei der rechtssystematischen Einordnung des DCGK Auch dieses konkrete Beispiel verdeutlichte, dass die Corporate Governance in Deutschland einen Schnittpunkt zwischen Aktien- und Kapitalmarktrecht einnimmt. Einerseits ist § 161 AktG auf börsennotierte Aktiengesellschaften beschränkt, andererseits sind vergleichbare ausländische Gesellschaften nicht erklärungspflichtig, auch wenn sie den deutschen Markt in Anspruch nehmen.706 Die Erklärung zielt zwar einerseits auf eine Information der Beteiligten am Markt, entscheidend aber 700

Vgl. Bosse, BB 2009, 1650. Mittels Suchmaske können offengelegte Bezüge direkt gezielt gesucht werden. 701 Vgl. Empfehlung der EU-Kommission zur Vorstandsvergütung 2009/385/EG, ABl. L 120 v. 15. 5. 2009, S. 28 ff., sowie Empfehlung der EU-Kommission zur Vergütungspolitik im Finanzdienstleistungssektor, 2009/384/EG, ABl. L 120 v. 15. 5. 2009, S. 22 ff. 702 So auch ausdrücklich Seibert, DB 2009, 1167, 1169. 703 Zum VorstAG vgl. abermals Hohenstatt, ZIP 2009, 1349. 704 Dazu abermals die Empfehlung der EU-Kommission 2009/384/EG, ABl. L 120 v.15. 5. 2009, S. 22 ff.; zur Debatte einer höhenmäßigen Begrenzung der Boni von Bänkern auf europäischer Ebene, FAZ v. 3. 9. 09, S. 11. 705 Hohenstatt, ZIP 2009, 1349 (kritisiert auch hohe Gehälter von Freiberuflern und Entertainern/Sportlern); zur Bestimmung der Angemessenheit in der GmbH Fleischer, DStR 05, 1279, 1281 m.w.N. 706 Ringleb, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder (Hrsg.), DCGK, 2. Aufl., Rn. 872; str., a.A. Claussen, DB 2002, 1199, 1204.

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D. Das Publizitätskonzept am organisierten Kapitalmarkt

auch auf die Verbesserung eines internen Kontrollmechanismus im Unternehmen ab. Damit bestehen parallel zu den zwingenden Offenlegungspflichten erweiterte Empfehlungen nach dem DCGK, die unterstützend oder den gesetzlichen Mindeststandard ergänzend wirken,707 damit aber gegebenenfalls zu einer abweichenden oder Doppelregulierung führen und somit verwirrend wirken. Noch ist daher erheblicher Abstimmungsbedarf zu konstatieren. Dies gilt auch aus Perspektive der zur Offenlegung verpflichteten Unternehmen. Hier besteht erhebliche Unsicherheit, auf welchen Zeitraum sich die Erklärung bezieht, welche Fassung anzuwenden ist und inwieweit Aktualisierungen vorgenommen werden sollen oder müssen.708 Der zusätzliche Regelungsmechanismus erschwert mithin nochmals den Offenlegungsprozess innerhalb des Unternehmens. Dem kann durch eine klare gesetzliche Lage entgegengewirkt werden. Die Unsicherheiten setzen sich auf Rechtsfolgenebene fort. Hier wird eine Außenhaftung von Gesellschaft und Organmitgliedern in der Regel verneint, weil die Erklärung nicht auf den einzelnen Aktionär bezogen sei und § 161 AktG kein Individualschutz zur Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB zukomme.709 §§ 37b, 37c WpHG schieden aus, weil es sich hier durchweg nicht um kursrelevante Tatsachen handele.710 Würde § 161 AktG als kapitalmarktorientierte Publizitätspflicht verstanden, müsste ihr einerseits Individualschutzcharakter, andererseits eine gewisse Kurserheblichkeit zugesprochen werden (Marktbezug, Veröffentlichungspflicht nur für wesentliche Informationen). Ansonsten wird die Norm tatsächlich auf einen rein gesellschaftlichen/ politischen Druck beschränkt, der ihrem Anspruch nicht gerecht wird. Schließlich wird auch die Rechtskraft des Kodex immer weiter anerkannt.711 Kürzlich hat das OLG München712 beschlossen, dass ein zur Anfechtung eines Hauptversammlungsbeschlusses berechtigender Gesetzesverstoß jedenfalls dann anzunehmen ist, wenn von der Entsprechenserklärung nach § 161 AktG abgewichen wird, ohne die geänderte Absicht bekannt zu machen. Mit der zur Verfügung zu stellenden Übersicht, welche Empfehlungen befolgt werden, werde ein allgemeiner Vertrauenstatbestand geschaffen, auf den sich der Anleger berufen könne. Der BGH bestätigte dies insofern, als er bei fehlerhafter Erklärung eine Anfechtbarkeit jedenfalls von Entlastungsbeschlüssen bejahte und aufgrund der Vergangenheits- und Zukunftsbezogenheit der Erklärung forderte, unrichtige Prognosen unverzüglich durch eine aktualisierte Aussage zu korrigieren und zugänglich zu machen.713 Dies unterstreicht 707

So aber Baums, ZIP 2004, 1877, 1882. Heckelmann, WM 2008, 2146, 2148; zu letzterem Aspekt Theusinger/Liese, DB 2008, 1419 ff. 709 Spindler, in: Schmidt/Lutter (Hrsg.), § 161 AktG, Rn. 71 m.w.N. 710 Borges, ZGR 2003, 508, 532 ff. 711 Umfassende Auswertung der Rechtsprechung auch bei Mutter, ZGR 2009, S. 788, 789 ff. 712 OLG München, Urt. V. 6. 8. 2008 – 7 U 5628/07, nicht rechtskr., MAN/VW; abgedr. in: AG 2009, 294 ff. 713 BGH, Urteil vom 16. 2. 09 – II ZR 185/07 = ZIP 2009, 460, 463. 708

II. Publizitätspflichten im geltenden nationalen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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deren Charakter als kapitalmarktorientierte Dauererklärung und wird bei Kursrelevanz eine Ad hoc-Mitteilung erforderlich machen.714 In einer Gesamtschau lässt sich festhalten, dass die Erklärung nach § 161 AktG dem deutschen System der Publizitätsnormen nur teilweise zugeordnet werden kann. An der Gesetzeskraft des § 161 AktG selbst wird nach dem Urteil des BGH und dessen materieller Befassung mit einzelnen Empfehlungen des Kodex kein Zweifel mehr bestehen.715 Andererseits werden mit der Erklärung zum DCGK Marktkräfte unterstützt, welche die Entscheidungen des Managements hin zu guter Unternehmensführung beeinflussen, oder aber diese Standards erst experimentell herausbilden und entwickeln sollen.716 Dafür ist die Unverbindlichkeit des Kodex von großer Bedeutung.717 Es ist im Umfeld internationaler, vor allem US-amerikanischer Vorbilder718 zu verstehen, dass hier die Regelungsmechanismen des Kapitalmarktes, insbesondere Publizität, verstärkt genutzt werden.719 Dies hat aber im „weichen“ Bereich sich ständig an das Unternehmensumfeld anpassender Grundsätze der Corporate Governance nicht per se zur Folge, dass zentrale Schutzmechanismen des deutschen Rechts aufgegeben und im Sinne des Ersetzungsmodells zurückgenommen werden könnten. Der interessenplurale Ansatz des deutschen Gesellschaftsrechts deutet vielmehr darauf hin, dass dem kapitalmarktrechtlichen Corporate-Governance-Konzept US-amerikanischen Vorbilds im heute bestehenden Regelungsgefüge stellenweise (jedenfalls noch) nur ergänzende Wirkung zukommen kann,720 solange nämlich nicht anderweitig ein Ausgleich sämtlicher Interessen gewährleistet ist. Diese Absicherung wird auch daher erforderlich, da sich langfristig das Publizitätskonzept der USA international durchsetzen wird.721 Hier wurde deutlich, dass über den Marktentscheid die Interessen der Stakeholder, aber auch einzelner Kleinaktionäre,722 in Deutschland bislang nicht ausreichend gewährleistet werden. Eine besondere Gefahr kann darin gesehen werden, dass oft nicht strikt zwischen kapitalmarktorientierten 714

Marsch-Barner, in: Marsch-Barner/Schäfer (Hrsg.), § 2, Rn. 68, h.M. Mutter, ZGR 2009, 788, 795, 804. 716 Vgl. anschaulich Assmann, in: FS Kümpel, S. 1, 14 (den gesellschaftsrechtlichen Charakter der Norm an der Schnittstelle zum Kapitalmarkt, sowie deren experimentellen Charakter betonend). 717 Borges, ZGR 2003, 509, 536 ff. mit ausführlicher Herleitung und weiteren Gründen. 718 Der Sarbanes-Oxley Act verdeutlicht die Bestrebungen, mit dem Instrumentarium kapitalmarktrecht-orientierter Publizität Grundsätze der Corporate Governance herauszubilden und durchzusetzen, eingehend Kulms, in: Hopt/Voigt (Hrsg.), 19. Kapitel: USA, S. 1101, 1148 f. 719 Dazu eingehend Assmann, in: FS Kümpel, S. 1 ff.; Merkt, AG 2003, 126 ff. 720 Eingehend zu den Unterschieden zwischen kapitalmarktrechtlichem und gesellschaftsrechtlichem Corporate-Governance-Modell, sowie zu Ersetzungs- oder Ergänzungsmodell der Publizität Merkt, AG 2003, 126, 127 ff., sowie Assmann, in: FS Kümpel, S. 1 ff. 721 Vgl. Fazit bei Merkt, AG 2003, 126, 136. 722 Assmann, in: FS Kümpel, S. 1, 16 (Privatanleger wird immer mehr zum „stakeholder“, da Marktentscheide zunehmend von Sonderinteressen institutioneller Investoren beeinflusst sind). 715

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D. Das Publizitätskonzept am organisierten Kapitalmarkt

und sonstigen Gesellschaften unterschieden wird.723 Eine Vielzahl von Investoren ist Grundvoraussetzung für eine effiziente Preisbildung und Kontrolle durch den Markt, und mithin für eine Regelung durch Publizität schlechthin.724 Daher bedarf es klarer gesetzlicher Regeln, die den Schutz und Ausgleich sämtlicher Interessen gewährleisten. Dies leistet ein ausdifferenziertes und zwingendes Gesellschaftsrecht.725 Die Problematik der vorschnellen Übernahme von Publizitätsregelungen ohne Berücksichtigung aller in der Folge betroffenen Interessen wird noch deutlicher, wenn an das Bilanzrecht erinnert wird. Hier wurde ein Wandel von den Grundsätzen des Kapitalschutzes und der Maßgeblichkeit für die steuerliche Bemessung hin zur kapitalmarktorientierten Informationsfunktion der Bilanz festgestellt. Es kann davon ausgegangen werden, dass aus Gründen der Einheitlichkeit und Vergleichbarkeit beide Systeme nicht parallel bestehen bleiben werden, sondern der Druck dieser Entwicklung weiter zu Lasten der traditionellen HGB-Rechnungslegung gehen wird.726 Vergleichbar einschneidende Einflüsse können dem kapitalmarktrechtlichen Modell der Corporate Governance in vielen anderen Bereichen des Unternehmensrechts nachgewiesen werden. So wird das gesellschaftsrechtlich konzipierte Auskunftsrecht nach § 131 AktG zunehmend durch kapitalmarktrechtliche Informationspflichten, beispielweise in Übernahmesituationen durch Transparenzpflichten des WpÜG, überlagert und verdrängt.727 Zur Frage nach einem Auskunftsanspruch nach § 131 Abs. 1 AktG auf Offenlegung der individuellen Vorstandsbezüge (über das VorstOG hinaus)728 äußert dies der Gesetzgeber sehr deutlich: „Die Information einer sehr hohen Zahl der Anteilseigner ist am Besten mit Hilfe des Jahresabschlusses zu erreichen – und nicht mittels individueller Information, die einen nicht zumutbaren Aufwand darstellen würde. Die Offenlegung ist auch verhältnismäßig, denn auch bei einer individuellen Information gegenüber im Einzelfall vielen tausend Aktionären wäre ein vergleichbarer Publizitätsgrad erreicht.“729 Auch hier lässt sich folglich beobachten, dass dem Informationsbedarf des Marktes durch internationalen Druck verstärkt Rechnung getragen wird und das Regelungsinstrument der kapitalmarktorien-

723 Anschauliches Beispiel ist die Regelung zum Squeeze-out nach §§ 327a ff. AktG. Ein solcher ist zwar kapitalmarktrechtlich aus rechtsökonomischer, rechtsvergleichender und verfassungsrechtlicher Sicht legitimiert, wirft aber bei der Anwendung auch auf nicht börsennotierte AG erhebliche Bedenken auf, da hier eine Kontrolle über den Markt nicht mehr gewährleistet erscheint, Merkt, AG 2003, 126, 133. 724 Kraakman, in: Ferrarini/Hopt/Winter/Wymeersch (Hrsg.), S. 95, 102 warnt daher vor einer 1:1-Übernahme US-amerikanischer Regelungsmodelle, sofern Marktbreite und -tiefe nicht gewährleistet sind. 725 Vgl. Merkt, in: Hopt (Hrsg.), Handbuch Corporate Governance, S. 715, 718. 726 Merkt, AG 2003, 126, 133 m.w.N. 727 Vgl. das Beispiel bei Merkt, AG 2003, 126, 134. 728 Hier fehlt es nach herrschender Ansicht an der Erforderlichkeit einer erneuten Auskunft, Hüffer, § 87 AktG, Rn. 17; Hohenstett/Wagner, ZIP 2008, 945, 953 m.w.N. auch zur a.A. 729 Begr. Reg-E VorstOG, BT-Drucks. 15/5577, S. 5.

II. Publizitätspflichten im geltenden nationalen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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tierten Publizität wachsende Bedeutung (in diesem Fall für das gesteigerte Informationsbedürfnis und den Minderheitenschutz des Aktionärs730) erlangt.

ee) Zusammenfassung und Ausblick Die Einbeziehung der Corporate Governance verdeutlichte einerseits die Grenzen, die der Publizität dadurch gesetzt sind, dass sie die strikte Orientierung auf einen Markt und dessen Kontrollmechanismus benötigt, um funktionsfähig zu sein. Sofern dieser dem Interessenausgleich nicht mehr gerecht werden kann, wird zwingendes Gesellschaftsrecht unverzichtbar.731 Andererseits wurde auch der internationale Druck deutlich, Publizitätsnormen vermehrt bei der Regulierung einzusetzen. Hier empfiehlt sich ein ganzheitliches, konzeptionelles Verständnis, das auf die Informationsbedürfnisse der Adressaten abgestimmt ist, um den Interessen sämtlicher Marktbeteiligter gerecht zu werden. Die Auslagerung der Gesetzgebung auf die freiwillige oder private Ebene, wie am Beispiel des § 161 AktG gesehen, ist allenfalls als Versuch zu verstehen, Marktkräfte zu nutzen und sich der internationalen Erwartungshaltung des Marktes anzunähern. Es ist absehbar, dass zunehmend gesellschaftsrechtliche Aspekte, namentlich Fragen der Corporate Governance durch Publizität geregelt werden. Noch besteht aber immenser Forschungsbedarf hinsichtlich der Wirksamkeit dieses Regelungsinstruments. Es erscheint unerlässlich, die Offenlegungspflichten in ein kapitalmarktorientiertes Gesamtkonzept zu integrieren, und nicht isoliert und parallel als Regelungen des Gesellschafts- oder Aktienrechts bestehen zu lassen, die zum Teil den gesetzlichen Vorgaben entgegenstehende Angaben verlangen.732 Durch ein solchermaßen integriertes Verständnis ist es möglich, die positiven Effekte zu nutzen, welche jede Offenlegungspflicht zugleich auf die Corporate Governance eines Unternehmens hat. Diese ist dann nicht nur Bestandteil eines integrierten, adressatenorientierten Publizitätskonzepts am Kapitalmarkt, sondern rechtfertigt zugleich die Anordnung hoheitlicher Offenlegungspflichten über den Aspekt der Markt-/Allokationseffizienz und den Anlegerschutz hinaus. So können durch Offenlegungspflichten – Durchsetzungsmechanismen und institutionelle Rahmenbedingungen vorausgesetzt – Insiderhandel unterbunden, die Voraussetzungen für die effektive Wahrnehmung von Mitgliedschaftsrechten (über die Reduzierung auf ein Anlegerinteresse hinaus) gegeben, und zugleich durch das „soft-law“ Anreize zu einer freiwilligen guten Unternehmensführung gegeben werden.733 Diese Governance Functions of Disclosure734 dienen in den USA schon heute der Rechtfertigung von Pflichtpublizität. Da die Entwicklungen in Deutschland wesentlich auf US-amerikanische Ein730

Ebd., S. 5 (zu § 285 Satz 1 Nr. 9a, Untersatz 5 – 9 HGB). Assmann, in: FS Kümpel, S. 1, 9. 732 Habersack, NZG 2004, 1, 3: Durch das Offenlegungsregime der Richtlinien sind dem Markt entweder die wesentlichen Bausteine der Corporate Governance bereits bekannt oder sie sollen ihm nicht zugänglich sein. 733 Kraakman, in: Ferrarini/Hopt/Winter/Wymeersch (Hrsg.), S. 95, 97 f. 734 So die Überschrift bei Kraakman, ebd., S. 95, 97. 731

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flüsse zurückzuführen sind, spricht vieles dafür, hier Ansätze für einen gemeinsamen Grundgedanken der Publizität im Unternehmensrecht – eine kapitalmarktrechtliche disclosure philosophy – auch in Deutschland zu sehen. Andererseits wurden auch die Grenzen deutlich, warum Publizität diese Governance-Funktion und einen umfassenden Interessenausgleich aller Beteiligter, welche in Deutschland eben zu einem Großteil durch zwingendes Gesellschaftsrecht gewährleistet werden, (noch) nicht erfüllen kann. Die zunehmende Ergänzung und Überlagerung beider Regelungskonzepte mit der einhergehenden Doppelregulierung deutet aber darauf hin, dass in Zukunft die Ergänzung735 des Gesellschaftsrechts durch Publizität dem Ersetzungsmodell weichen wird und die börsennotierte Gesellschaft, soweit die Kontrolle durch den Kapitalmarkt gewährleistet ist, bei Reduzierung der materiellen Regulierung einem ganzheitlichen Publizitätskonzept unterstellt wird. § 161 AktG ist ein erster Ansatzpunkt für diese sich abzeichnende Entwicklungslinie, veranschaulicht aber nach geltendem Recht vor allem noch den erheblichen Abstimmungsbedarf und das Bedürfnis nach einer ganzheitlichen, sämtliche Regulierungsziele einbeziehenden Betrachtung, so dass ein Rückzug auf die Publizität nur in solchen Bereichen erfolgt, in denen diese ihre Funktion durch gewährleistete Marktkontrolle im Interessenausgleich aller schutzbedürftigen Marktteilnehmer erfüllen kann. 4. Das formelle Konzept der Unternehmenspublizität nach EHUG und TUG a) Bedeutung eines formell einheitlichen Publizitätsregimes Bereits frühzeitig sind die hoheitlichen Publizitätspflichten in solche prozeduraler Art und solche materiellrechtlicher, inhaltlicher Ausgestaltung eingeteilt worden.736 Auch hier soll die formelle Ausgestaltung der Publizitätspflichten abschließend als eigenständiger Problemkomplex getrennt behandelt werden, um zu verdeutlichen, dass neben der inhaltlichen Bestimmung, welche Informationen zu veröffentlichen sind und damit dem Markt bekannt werden (Frage der Zuordnung737 von Information) auch der formelle Vorgang der Offenlegung als Vermittlungs- und Verarbeitungsprozess von großer Bedeutung ist. „Jede Publizität ist nur so gut wie ihre Verbreitung“, stellte Hopt diesbezüglich als „elementare Einsicht“ fest738 und sprach damit das Grundproblem der Informationseffizienz der Kapitalmärkte an. Um diese zu gewährleisten ist neben der Frage des materiellen Inhalts der Meldepflichten auch die Frage nach der Art und Weise der Übermittlung der Meldung an das Publikum – hier als

735

Zu den Unterschieden von Ergänzungs- und Ersetzungsmodell Merkt, AG 2003, 126,

128. 736

Druey, Information, S. 141. Druey, ebd., S. 94 sieht die Rolle des Staates neben der Zuordnung vor allem in der Steuerung von Abläufen der Informationsvermittlung (Hervorhebung im Original). 738 Hopt, ZGR 1980, 225, 251. 737

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„formelle Publizität“ bezeichnet739 – mit einzubeziehen. Hier hat sich gezeigt, dass gerade unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit hoheitliche Publizitätspflichten als besonders geeignet scheinen, um eine gleichartige, zeitnahe und effektive Informationsvermittlung sicherzustellen. Zudem hat die Verhaltensökonomik unter formellem Aspekt darauf hingewiesen, dass es entscheidend auf die Art und Weise der Präsentation einer Information ankommt, wie diese wahrgenommen und verarbeitet wird, vor allem die Häufigkeit und das äußere Umfeld des Erscheinens.740 Mithin ist die Verbreitung und Wahrnehmung/Verarbeitung einer Information durch die Marktteilnehmer sicherzustellen, damit die Publizität ihre bezweckten Ziele erreicht. Am modernen Kapitalmarkt, der durch Aktualität, Schnelligkeit und Internationalität geprägt ist, ist dabei ein klarer Wandel hin zu elektronischen Publikationsmedien zu beobachten.741 Die Betrachtung des formellen Publizitätsregimes ist darüber hinaus aber vor allem unter systematischen Gesichtspunkten von großem Interesse. Über die Einbeziehung einer Pflicht in einen Veröffentlichungsmodus an zentralem Ort lässt sich ein innerer systematischer Zusammenhang erkennen. Daher soll die formelle Perspektive hier gewissermaßen den abschließenden Bogen spannen, über den die dargestellten Pflichten zu einem abgerundeten und inhaltlich abgestimmten Gesamtkonzept an zentralem Ort zusammengefügt werden. Finden dabei Informationen, die als wesentlich erkannt wurden, keine Berücksichtigung, wird ein Bedarf nach Abstimmung und verbesserter Integration in das formelle Konzept deutlich. Diese formelle Integration begründet letztlich den entscheidenden Vorteil des dargestellten Konzeptes. Genügt einmalige Offenlegung an zentralem Ort, so sinkt die Belastung für den Offenlegungspflichtigen erheblich. Hier ist nicht nur an die Kosten jeder Doppelbelastung, sondern auch an die übermäßig negative Wahrnehmung durch den Markt zu denken, die jede überflüssige Negativ-Meldung (ohne zusätzlichen Effizienzgewinn) mit sich bringt.742 Von strukturellem Interesse sind hier vor allem die Publizitätspflichten der laufenden Marktteilnahme, weshalb auf die Markteintrittspublizität und das Verfahren der Prospektveröffentlichung nach § 14 Abs. 2 WpPG nur verwiesen wird.743 Vor dem Hintergrund der US-amerikanischen Erfolge bei der Einführung eines integrated disclosure system sei aber angedeutet, dass hier in Europa noch ein erheblicher Abstim-

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Die Bezeichnung geht zurück auf Noack, AG 2003, 537, 538. Zu availability bias und anderen humanpsychologisch erklärbaren Verhaltensmustern, vgl. oben, B.III.2.d). 741 Noack, AG 2003, 537. 742 Genügt die einmalige Mitteilung an zentralem Ort, kann diese im Marktpreis verarbeitet werden. Gerät die Meldung dagegen mehrfach in die „Schlagzeilen“, wirkt sich dies ohne zusätzlichen Effizienzgewinn nur negativ auf das Bild ab, welches der Markt (auch Produktmarkt) von einem Unternehmen hat (negativ-PR). 743 Vgl. dazu bereits oben, D.II.2. m.w.N. 740

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mungsbedarf besteht, der gerade auch auf der formellen Ebene der Veröffentlichungswege deutlich wird.744 b) Europarechtliche Grundlagen formeller Unternehmenspublizität Das die Emittenten treffende Melderegime ist nur vor dem europarechtlichen Hintergrund der Transparenzrichtlinie745 zu verstehen. Vor dem Erlass dieser Richtlinie existierte kein einheitliches Veröffentlichungsregime für die anlassbezogenen Publizitätspflichten der laufenden Marktteilnahme. Im Ansatz sah Art. 8 der Marktmissbrauchsrichtlinie bereits die möglichst frühzeitige Bekanntgabe von Insiderinformationen („so bald als möglich“) vor, die dann der Öffentlichkeit für einen angemessenen Zeitraum auf der Internetseite zugänglich zu machen sind.746 Im Rahmen von Directors Dealings sieht Art. 8 Abs. 4 Satz 2 dieser Richtlinie vor, dass Informationen zumindest einzeln der Öffentlichkeit so bald wie möglich auf einfache Weise zugänglich gemacht werden.747 Einheitliche Veröffentlichungswege sind jedoch nicht vorgeschrieben. Um den technischen Entwicklungen auf dem Finanzmarkt Rechnung zu tragen, sind die Modalitäten der Veröffentlichung in einer Durchführungsrichtlinie748 konkretisiert.749 In dieser erfolgt allerdings wiederum nur ein Verweis auf Art. 102 Abs. 1 Kapitalmarktpublizitätsrichtlinie750, der die Veröffentlichung in einer überregionalen Zeitung oder Auslage mit vorheriger Veröffentlichung in der Zeitung vorschreibt. Diese Vielfalt an Informationskanälen und die daraus folgenden Differenzen wurden von der Kommission zum einen als Hindernis für Emittenten erkannt, ihre Wertpapiere in mehreren Mitgliedstaaten zum Handel an einem geregelten Markt zuzulassen. Zum anderen behinderten die Unterschiede Investoren bei grenzüberschreitenden Anlageentscheidungen.751 Mit letzterem ist das Ziel, den grenzüberschreitenden Erwerb von Aktien innerhalb der EU zu erleichtern ebenso angesprochen wie das Ziel, die Attraktivität des europäischen Marktes für Anleger aus Drittländern zu erhöhen.752 Mit der Transparenzrichtlinie soll nun eine einheitliche unionsweite Verbreitung von Unternehmensinformationen erreicht werden, damit diese dann für die Anleger aus allen Mitgliedstaaten ungehindert zugänglich sind.753 Nach Art. 21 Abs. 1 Trans744

Auch Noack, WM 2007, 377 begrenzt die Systematik daher zu Recht nicht auf die Marktteilnahmepublizität. 745 Richtlinie 2004/109/EG (Transparenzrichtlinie). 746 Art. 8 Abs. 1 Marktmissbrauchsrichtlinie. 747 Art. 8 Abs. 4 Satz 2 Marktmissbrauchsrichtlinie. 748 Marktmissbrauchs-DRL Begriffsbestimmungen (Richtlinie 2003/124/EG). 749 Art. 8 Abs. 10 Marktmissbrauchsrichtlinie. 750 Richtlinie 2001/34/EG (Kapitalmarktpublizitätsrichtlinie). 751 Kommission, Vorschlag Transparenzrichtlinie, KOM(2003), 138 endg., S. 6 ff. 752 Kommission, ebd., S. 7. 753 Erwägungsgrund (25) der Transparenzrichtlinie.

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parenzrichtlinie ist der Emittent verpflichtet, die betreffenden Informationen zu verbreiten. Ferner muss er die Information zur Speicherung einem amtlich bestellten System in seinem Herkunftsmitgliedstaat zur Verfügung zu stellen, Art. 21 Abs. 1, Satz 1; Abs. 2 Transparenzrichtlinie.754 Schließlich ist die Information bei der zuständigen Behörde zu hinterlegen, welche diese dann wiederum auf ihrer Internetseite veröffentlichen kann, Art. 19 Abs. 1 Satz 1; Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie. Damit soll gewährleistet werden, dass Anleger unabhängig von ihrem Wohnsitz europaweit gleichen Zugang zu den Informationen haben.755 Ein solch einheitlicher Informationsmarkt ist Voraussetzung für einen einheitlichen europäischen Kapitalmarkt und somit für die Schaffung eines Binnenmarktes.756 Es bietet sich an, dieses formelle Offenlegungsregime der anlassbezogenen Publizität (die definitionsgemäß unerwartet und daher vom Markt nicht antizipierbar ist, was die besondere „Aktivität“ der Verbreitung erfordert) zum Ausgangpunkt der Darstellung zu machen. c) Die Ausgestaltung des formellen Offenlegungsregimes in Deutschland Die Neuregelung des Publizitätsregimes in Deutschland durch EHUG und TUG ist in dem größeren Zusammenhang des europäischen Informationssystems (Verbreitung, Speicherung, Hinterlegung) für Kapitalmarktinformationen zu verstehen.757 Wie soeben gesehen, soll nach der Zielvorstellung der Transparenzrichtlinie sichergestellt werden, dass inhaltlich harmonisierte Unternehmensinformationen europaweit bekanntgegeben und in Datenbanken verfügbar gehalten werden.758 Dadurch soll den Anlegern grenzüberschreitend in ganz Europa eine hinreichende Grundlage für ihre Investitionsentscheidungen gegeben, und damit das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte gestärkt werden.759 Das angestrebte Informationssystem beruht dabei zum einen auf der aktiven Informationsverbreitung durch die Emittenten, zum anderen auf der Schaffung eines zentralen Speichermediums durch die Mitgliedstaaten. Am Ende steht das Ziel, diese Speichermedien zu einem europäischen Datennetz auszubauen, das europaweit den Zugang zu allen wesentlichen Unternehmensdaten ermöglicht.760 Daneben besteht die – hier konzeptionell nicht erfasste761 – Übermittlungspflicht an die Behörde. 754

In Deutschland das im Rahmen des EHUG eingeführte Unternehmensregister nach § 8b HGB, dazu sogleich. 755 Erwägungsgrund (25) der Transparenzrichtlinie. 756 Erwägungsgründe (1) und (25) der Transparenzrichtlinie. 757 Die Änderungen basieren neben der Transparenzrichtlinie vor allem auf der Änderungsrichtlinie zur Ersten Richtlinie (2003/58/EG), die aber für kapitalmarktorientierte Unternehmen weitestgehend nicht einschlägig ist. 758 Nießen, NZG 2007, 41. 759 BT-Drucks. 16/2498, S. 26. 760 Göres, Der Konzern 2007, Heft 1; Nießen, NZG 2007, 41.

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aa) Art und Weise der Offenlegung Für die Funktionsweise von Publizität von großer Bedeutung ist zunächst die Verbreitung der betreffenden Information am Markt. Diese ist in Deutschland durch das TUG an die europäischen Vorgaben der „aktiven Verbreitung“ angepasst.762 Die neuen, allgemeinen Publizitätsregeln der §§ 3a ff. WpAIV763 erfassen nach § 1 WpAIV die Wahl des Herkunftsstaates gem. § 3b Abs. 2 Satz 1 WpHG, die Ad hoc-Publizität, Directors Dealings, Stimmrechtsmitteilungen, zusätzliche Angaben nach § 30e Abs. 1 Satz 1 WpHG, sowie die Veröffentlichung und Speicherung von Finanzberichten, §§ 37v ff. WpHG.764 Die Emittenten müssen diese Informationen solchen Medien zuleiten, die in der Lage sind, sie so rasch und zeitgleich wie möglich europaweit zu verbreiten, § 3a Abs. 1; Abs. 2 Nr. 1 WpAIV. Die Wahl der Medienarten und der eingesetzten Medien einer Medienart ist dabei auf den Anleger als endgültigen Adressaten auszurichten, wobei der schnelle und europaweit gleichberechtigte Zugang aller Anleger zu gewährleisten ist.765 Die Wahl der Medienkanäle soll von den Umständen des Einzelfalles abhängen, insbesondere der Aktionärsstruktur, sowie der Zahl und des Ortes der Börsenzulassung.766 Je höher der Streubesitz, desto mehr Medien(-arten) müssen bedient werden.767 Unter dem Gesichtspunkt eines einheitlichen Schutzniveaus für den einzelnen Anleger erscheint dabei fraglich, ob die Informationseffizienz nicht auch gerade bei einem geringen Anteil an Minderheitsaktionären zu fördern wäre. Nur ein Medium ist in keinem Fall ausreichend, so dass stets auf ein „Bündel“ verschiedener Medienarten abzustellen ist, um unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung eine größtmögliche Öffentlichkeit herzustellen.768 Die Wahl der Medien und der Medienbetreiber ist in freiem Wettbewerb zu gewährleisten.769 Ein einheitlicher Veröffentlichungskanal widerspräche diesem Grundsatz. Nach der Gesetzesbegründung770 kommen als angemessene Medienkanäle vor allem elektronische Informationsverbreitungssysteme, News Provider, Nachrichtenagenturen, die wichtigsten nationalen und europäischen Printmedien und Internetseiten

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Vgl. unten, B.II.4.c)ee); der Staat ist nicht Marktteilnehmer und somit nicht Adressat, oben, B.IV.3.b)bb). 762 Nießen, NZG 2007, 41, 46. 763 Wertpapierhandelsanzeige- und Insiderverzeichnisverordnung vom 13. Dezember 2004, BGBl. I 2004, 3376. 764 Vgl. § 1 WpAIV; ausführlich Pirner/Lebherz, AG 2007, 20, 21 ff. 765 Pirner/Lebherz, AG 2007, 20, 21. 766 Begr. RegE TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 49. 767 Pirner/Lebherz, AG 2007, 20, 24. 768 Vgl. Begr. RegE TUG, BT-Drucks. 16/2498, S. 49; zur informationellen Gleichbehandlung Verse, S. 526 ff. 769 Erwägungsgrund (25), Satz 3 und 5 der Transparenzrichtlinie. 770 Begr. RegE TUG, BT-Drucks. 12/2498, S. 49.

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für den Finanzmarkt771 in Betracht. In dieser Ausgestaltung scheint mit dem „Medienbündel“ die europaweite Verbreitung sichergestellt zu sein. Inkonsequent erscheint, dass in dieses Veröffentlichungsverfahren keinesfalls alle Publizitätspflichten in einheitlicher Weise einbezogen sind. Für die Ad hoc-Publizität gilt nach § 5 Satz 1 WpAIV das zusätzliche Erfordernis, die tatsächliche Veröffentlichung der Insiderinformation über ein elektronisch betriebenes Informationsverbreitungssystem, welches bei professionellen Marktteilnehmern weit verbreitet ist, zu gewährleisten (Nr. 1), sowie sie auf der Internetseite des Emittenten deutlich und leicht erkennbar zu veröffentlichen (Nr. 2). Der Unterschied ist darauf zurückzuführen, dass die Anforderungen der Marktmissbrauchsrichtlinie durch die Transparenzrichtlinie nicht verdrängt werden, sondern parallel bestehen bleiben.772 Daraus erklärt sich auch der erweiterte Adressatenkreis gem. § 15 Abs. 1 Satz 2 WpHG.773 Die zusätzliche Pflicht unterstreicht das besondere Bedürfnis der schnellstmöglichen Information weiter Marktkreise, welche die Meldung zu diesem Zeitpunkt nicht erwarten können. Nach dem hier angeregten Verständnis fördert Nr. 1 den Anlegerschutz durch Markteffizienz,774 Nr. 2 gewährleistet Chancengleichheit.775 Bezüglich der Finanzberichterstattung ergibt sich wieder ein anderes Bild, das allerdings auch strikt am Informationsbedürfnis der Kapitalmarktteilnehmer ausgerichtet ist. Bevor die Unterlagen zur Verfügung gestellt werden, hat der Emittent gem. § 22 WpAIV europaweit eine Hinweisbekanntmachung zu veröffentlichen, ab welchem Zeitpunkt und unter welcher Internetadresse die Unterlagen zugänglich sind, vgl. jeweils Abs. 1 Satz 2 der §§ 37v-37x WpHG. Der in § 37v Abs. 1 Satz 1 WpHG begründete Vorrang der handelsrechtlichen Publizität verdrängt aus systematischen Gründen nicht diese erst in § 37v Abs. 1 Satz 2 WpHG begründete Pflicht. Alle Inlandsemittenten sind demnach verpflichtet, die Hinweisbekanntmachung zu verbreiten, so dass sich die Adressaten vorab auf die Veröffentlichung einstellen und damit die Information sofort nutzen können. Die vollständigen Unterlagen der Rechnungslegung selbst sind dagegen nicht in die aktive Verbreitung einbezogen. Diese sind, neben ihrer Verfügbarkeit im Unternehmensregister, lediglich im Internet unter der angegebenen Adresse abrufbereit zu halten.776 §§ 37v ff. WpHG, auch i.V.m. § 37 y WpHG, fordern nur, diese „der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen“. Eine ähnliche Kombination aus 771 Pirner/Lebherz, AG 2007, 20, 23 stellen im Interesse des Anlegers als endgültigen Adressaten auf Medien des Finanzsektors ab. CESR unterscheidet dagegen zwischen „key national and european newspapers“ und „financial websites accessible to investors“, ebd. Deutlich wird in beiden Fällen die Adressatenorientierung im Interesse einer schnellst- und weitmöglichsten Verbreitung. 772 Pirner/Lebherz, AG 2007, 20, 25. 773 Anders als nach der Definition des § 2 Abs. 7 WpHG greift § 15 WpHG schon, sobald ein Antrag auf Zulassung gestellt ist, vgl. Nießen, NZG 2007, 41, 46. 774 Nach ökonomischem Verständnis wird der Anleger vor allem durch einen gerechten, weil effizienten Preis, oder aber über die Verarbeitung der Information durch Marktintermediäre geschützt. 775 Chancengleichheit i.S.v. gleichen Zugangsmöglichkeiten auch für Privatanleger. 776 Nießen, NZG 2007, 41, 46.

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D. Das Publizitätskonzept am organisierten Kapitalmarkt

Offenlegung und Hinweisbekanntmachung bestand bis vor kurzem für die Prospektpublizität, wurde aber aus Kostengründen gestrichen.777 Auch bei der Jahresabschlusspublizität auf die Hinweisbekanntmachung zu verzichten ist aber nicht zu empfehlen, da hier neben den Unterschieden im Informationsregime von einem grundsätzlich anderen Adressatenkreis mit unterschiedlichem Informationsbedürfnis auszugehen ist.778 Neben der „aktiven Verbreitung“ kapitalmarktrechtlicher Veröffentlichungen wurde der elektronische Bundesanzeiger als zentrales Publikationsmedium weiter ausgebaut.779 Nachdem seit 2002 aktienrechtliche Mitteilungen bereits einheitlich im elektronischen Bundesanzeiger bekannt zu machen sind780, ist dieser nun zunehmend für gesellschafts-, kapitalmarkt- und bilanzrechtliche Veröffentlichungen vorgeschrieben.781 Die hier untersuchten Publizitätspflichten, die nicht von der „aktiven Verbreitung“ erfasst sind, sind zum Großteil im elektronischen Bundesanzeiger vorzunehmen: § 325 Abs 1 Satz 1 HGB sieht eine Vollveröffentlichung der Rechnungs777 § 14 Abs. 3 Satz 2 WpPG a.F. erforderte bis zum 25. 12. 2008, eine Hinweisbekanntmachung in der überregionalen Presse, wie der Prospekt veröffentlicht wurde und wo er erhältlich ist. Dadurch sollte dem Publikum ein einfacherer Zugang zum Prospekt ermöglicht werden, da die Kommunikationswege zuvor durch Art. 14 Abs. 2 Prospektrichtlinie erheblich erweitert wurden. Auf diese Weise sollte die Möglichkeit der Information gewährleistet werden, ohne die Kosten eines Vollabdrucks zu verursachen. Diese Information sei ausreichend und europaweit sichergestellt, vgl. Jäger/Maas, BB 2009, 852, 854 (zum ProspektRL-UmsetzungsG). Die Pflicht zur Hinweisbekanntmachung wurde aus Kostengründen (bis zu 320,– E zzgl. Steuer) gestrichen: Es wurde ein Wettbewerbsnachteil dahingehend erwartet, dass Emittenten den „Europäischen Pass“ im Ausland beantragen würden, wo eine Hinweisbekanntmachung durchweg (außer in Österreich) nicht verlangt wird, BReg, Bericht zum Jahressteuergesetz 2009, BT-Drucks. 16/9568, S. 2. Insbesondere sei der Nutzen der Hinweisbekanntmachung aufgrund der Wahlmöglichkeit zwischen mehreren überregionalen Börsenpflichtblättern gering. Regelmäßig erfolge eine Veröffentlichung über das Internet, so dass diese Quelle für den Anleger schneller, einfacher und sogar zuverlässiger sei, BReg, ebd. Hinzu tritt die Zugangsmöglichkeit über die Seite der BaFin, § 13 Abs. 4 WpPG bei in Deutschland erfolgter Zulassung. Bei Zulassung im Ausland wäre die Bekanntmachung ohnehin nicht erfolgt. Mit der Einschränkung der öffentlichen Information verbundene Nachteile werden nicht gesehen. 778 Wie gesehen besteht ein grundsätzlich anderes Offenlegungsregime am Sekundärmarkt, bei der die umfassende und gleichberechtigte Information der Marktteilnehmer, darunter auch Privatanleger, im Mittelpunkt steht. Zudem besteht beim erstmaligen Erwerb eines Wertpapiers ein anderes Schutzbedürfnis als bei der späteren, nicht in einem zentralen Informationsdokument verfügbaren und möglicherweise unerwarteten Information. Die Zulassung ist zu einem bestimmten Markt erfolgt, der die umfassende Information gewährleisten muss. Der Vergleich mit dem Prospektrecht verdeutlicht hier folglich, dass selbst bei einer formellen Integration der Sekundärmarktpublizität an zentralem Ort eine unterstützende Hinweisbekanntmachung aus Gründen der Informationseffizienz wie auch des Anlegerschutzes erforderlich bleibt. Die Streichung des § 14 Abs. 3 Satz 2 WpHG a.F. deutet aber auch an, dass die Vielzahl der Offenlegungswege in Zukunft verstärkt unter Kostengesichtspunkten hinterfragt werden wird. Dabei darf der Anlegerschutz durch Information nicht vernachlässigt werden. 779 Noack, WM 2007, 377. 780 TransPuG vom 19. 7. 2002, BGBl. I 2004, 2681. 781 Vgl. Noack, WM 2007, 377.

II. Publizitätspflichten im geltenden nationalen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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legungsunterlagen (inklusive der Erklärung nach § 161 AktG, die damit auch formell konzeptionell erfasst ist) im elektronischen Bundesanzeiger vor. Danach sind diese unverzüglich bekannt zu machen, § 325 Abs. 2 HGB. Wie soeben gesehen, bestehen damit für Emittenten, die nicht zur Offenlegung nach § 325 HGB verpflichtet sind, gem. § 37v WpHG abweichende Offenlegungspflichten. Ebenfalls im Bundesanzeiger zu veröffentlichen sind die Bekanntmachungen mit Bezug zur Hauptversammlung und bezüglich bestimmter Rechte nach § 30b Abs. 1 WpHG.782 Diese werden die börsennotierten Gesellschaften inhaltlich auf die aktienrechtlichen Bekanntmachungspflichten nach § 121 Abs. 3, 4 Satz 1 AktG i.V.m. § 25 AktG (Einberufung der Hauptversammlung durch Bekanntmachung der Tagesordnung u. a.) abstimmen, um doppelte Veröffentlichungen zu vermeiden.783 Folge ist, dass die Informationen mit Bezug zur Hauptversammlung umfassend vorab im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht sind. Auch die verfahrensrechtlichen Vorschriften zum Markteintritt sehen die Nutzung des elektronischen Bundesanzeigers vor.784 Die weiteren informationellen Bezüge der Hauptversammlung, insbesondere das hier materiell dem System als zugehörig angesehene Auskunftsrecht nach § 131 AktG, sind weder in den Veröffentlichungsmodus der „aktiven Verbreitung“ noch in den elektronischen Bundesanzeiger einbezogen, was sich aber aus dem historischen Verständnis der Aktionärsrolle als Mitgliedschaftsrecht begründen ließ. Diese Informationen werden folglich erst durch die Aktionäre oder beteiligte Pressevertreter an die Öffentlichkeit gelangen. Ferner können sie aus der gem. § 130 Abs. 5 AktG zum Handelsregister einzureichenden Abschrift der Niederschrift über die Hauptversammlungsbeschlüsse und ihrer Anlagen ersichtlich und elektronisch unter www.handelsregister.de785 abrufbar sein. Die Pflichtunterlagen, die nach § 175 Abs. 2 AktG in den Geschäftsräumen der Gesellschaft zur Einsicht der Aktionäre bereitzuhalten sind, können nach § 175 Abs. 2 Satz 4 AktG nunmehr auch im Internet zugänglich gemacht werden. Diese Alternative wurde mit dem ARUG auf alle Fälle des Aktien- und Umwandlungsrechts ausgeweitet, in denen Dokumente zur Auslage oder Zusendung vorgesehen sind.786

782 Bis 31. 12. 2010 ist die Veröffentlichung zusätzlich in einem Börsenpflichtblatt vorzunehmen, § 46 WpHG. 783 Noack, WM 2007, 378. 784 Gem. §§ 48, 51 BörsZulV wird die Zulassung zum organisierten Markt oder bei öffentlichem Angebot (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 WpPG) im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht. Zum Inhalt des Zulassungsantrags, der u. a. den Entwurf oder einen bereits gebilligten Börsenzulassungsprospekt enthält, vgl. §§ 32 ff. BörsG i.V.m. Artt. 36 f. VO (EG) Nr. 1287/2006 vom 10. 8. 2006, ABl. L 241 vom 6. 9. 2006, S. 1 (MiFiD DurchführungsVO), § 48 BörsZulV. Ausführlich zu den verfahrensrechtlichen Aspekten des Markteintritts und dem Börsenzulassungsverfahren siehe Groß, in: Marsch-Barner/Schäfer (Hrsg.), § 8. 785 Gemeinsames Registerportal der Bundesländer zum Handels-, Genossenschafts- und Partnerschaftsregister, einiger Vereinsregister, sowie der Registerbekanntmachungen (Veröffentlichungen). 786 Noack, NZG 2008, 441, 442.

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Wieder eigenständige Regelungen bestehen für das Jährliche Dokument nach § 10 WpPG, das gem. § 10 Abs. 1 Satz 2 WpPG in den für Prospekte geltenden Publikationsmodus nach § 14 Abs. 2 WpPG einbezogen ist.787 Danach kann es dem Publikum in einer Wirtschafts- oder Tageszeitung mit weiter Verbreitung zur Verfügung gestellt oder auf der Internetseite des Emittenten, der Bank oder der Börse veröffentlicht werden. Aus diesem Befund konkrete systematische Rückschlüsse zu ziehen, erweist sich als äußerst schwierig. Dennoch haben die ökonomischen Überlegungen gezeigt, dass effektiver Anlegerschutz gerade am erstmöglichen Zeitpunkt der Offenlegung ansetzen muss, da danach die Information ohnehin im Preis verarbeitet und mithin aus Kapitalmarktsicht faktisch wertlos sein wird. Hier wurde jedoch deutlich, dass ein modernes Kapitalmarktinformationswesen, etwa vergleichbar mit dem US-amerikanischen Electronic Data Gathering, Analysis and Retrieval System (EDGAR), welches zugleich der Verbreitung („real time information system“)788 und der Speicherung dient,789 noch nicht erreicht wurde. Vielmehr erfolgt die Verbreitung gewollt über eine Vielzahl von Informationskanälen in freiem Wettbewerb, was zudem mit einem erheblichen bürokratischen, organisatorischen und finanziellen Aufwand verbunden ist.790 Einige der Informationen sind schließlich gar nicht einbezogen. Dies widerspricht der Feststellung auf materieller Ebene, dass alle im Rahmen dieser Arbeit betrachteten Publizitätsnormen einheitlich darauf ausgerichtet sind, Markt und Anleger durch bestmögliche Information zu schützen. Dieses grundlegende Ziel scheint bei der formellen Ausgestaltung der erstmaligen Veröffentlichung in den Hintergrund zu treten. Allein die von der WpAIV erfassten Vorschriften sind strikt am Informationsbedürfnis des Anlegers am Kapitalmarkt ausgerichtet. Auch hier wird es aber dem Anleger schwer zu vermitteln sein, warum beispielsweise die Veröffentlichung einer Ad hoc-Meldung sicherzustellen ist, wohingegen andere Informationen nur zuzuleiten sind. Ein am Grundsatz der Adressatenorientierung ausgerichtetes Publizitätsregime wäre hier gut beraten, einheitliche Informationskanäle sicherzustellen und deren Nutzbarkeit durch Übersichtlichkeit zu verbessern. bb) Exkurs: Internetseiten der Unternehmen Interessant erscheint, dass im Kommissionsvorschlag statt der „aktiven Verbreitung“ zunächst eine Veröffentlichung auf der Internetseite des Unternehmens, verbunden mit einem elektronischen Benachrichtigungssystem, vorgesehen war.791 Dieser Vorschlag wurde vor allem kritisiert, weil es sowohl für Kleinanleger wie für in787 Zum Börsenzulassungsverfahren siehe wiederum Groß, in: Marsch-Barner/Schäfer (Hrsg.), § 8. 788 Freilich ist diese Nutzung in den USA nur gegen Entgelt möglich. 789 Vgl. Pirner/Lebherz, AG 2007, 20, 25; zum EDGAR: www.sec.gov ! EDGAR. 790 Vgl. Pirner/Lebherz, ebd., S. 27. 791 Kommission, Vorschlag Transparenzrichtlinie, KOM(2003), 138 endg., S. 7.

II. Publizitätspflichten im geltenden nationalen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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stitutionelle Investoren kaum möglich sei, eine Vielzahl unterschiedlicher und nicht standardisierter Internetseiten zu kontrollieren.792 Zudem stelle die Veröffentlichung auf der eigenen Internetseite keine aktive Verbreitung dar.793 Diese Argumentationen sind kritisch zu sehen. Zunächst einmal war auch in dem ursprünglichen Vorschlag ein elektronisches Benachrichtigungssystem vorgesehen.794 Eine Veröffentlichung im Internet kann äußerst schnell, zumindest im Regelfall schneller als in einer Tageszeitung, erfolgen. Hier könnten sich Standards für eine Einheitlichkeit und Übersichtlichkeit herausbilden. Zudem wäre die unionsweite Verbreitung sichergestellt. Allgemeiner Zugang ist bei der heutigen Verbreitung des Internets auf nicht diskriminierende Weise möglich. Die oben angestellten Überlegungen zur Markteffizienz haben sogar gezeigt, dass es letztendlich für die Verbreitung nicht darauf ankommt, wo eine Information veröffentlicht wird, sondern nur dass möglichst große Teile des Marktes frühzeitig informiert werden. Die zusätzliche Veröffentlichung in Zeitung, News Provider oder elektronischem Informationsverbreitungssystem trägt dazu sicherlich bei, deutet aber auch darauf hin, dass der Privatanleger, der meist keinen Zugang zu den professionellen Systemen hat, erst mit einer gewissen Zeitverzögerung informiert wird. Dieser unter dem Aspekt der Chancengleichheit bedenkliche Nachteil wird aber erheblich dadurch relativiert, dass gerade die wichtigen Ad hoc-Mitteilungen von den Nachrichtenagenturen realtime auf deren Internetseiten795 veröffentlicht werden,796 und sodann zudem auf der Internet-Seite des Emittenten verfügbar sind.797 Die neuere gesetzliche Entwicklung798 erweitert nun wie gesehen zunehmend die Bedeutung des Internets für die Unternehmenspublizität. Auch wenn dies nur neben der Einbeziehung in die aktive Verbreitung geschieht,799 wird doch mit dem ARUG die Internetseite börsennotierter Gesellschaften zum formalen Veröffentlichungsme-

792 Büche, Ad-hoc Publizität, S. 230; zu den Vor- und Nachteilen des Internets Noack, Infobase, Rn. 135 ff. 793 Noack, AG 2003, 537, 549. 794 Kommission, Vorschlag Transparenzrichtlinie, KOM(2003), 138 endg., S. 7. 795 Dazu Noack, AG 2003, 537, 541; vgl. www.dgap.de, www.vwd.de, www.euroadhoc.com. 796 Freilich nach der Vorabinformation von Geschäftsführung und Bundesanstalt nach § 15 Abs. 4 WpHG, die nur der Entscheidung dient, den Börsenhandel ggf. auszusetzen, § 15 Abs. 4 Satz 3 WpHG. 797 Zu den Besonderheiten der Veröffentlichung von Ad hoc-Mitteilungen nach § 5 WpAIV, sogleich. 798 Zur Zielsetzung u. a. des ARUG, die Internetseite der Unternehmen kontinuierlich zum zentralen Medium der Aktionärskommunikation auszubauen, vgl. abermals Noack, NZG 2008, 441, 442. 799 Die Formulierung des § 121 Abs. 4a AktG ist an § 3a Abs. 1 Satz 1 WpAIV angelehnt, da ihre Vorgabe in Art. 5 Abs. 2 Aktionärsrechterichtlinie inhaltlich Art. 21 Abs. 1 der Transparenzrichtlinie entspricht. So wird ein Gleichlauf der gesellschaftsrechtlichen und kapitalmarktrechtlichen Informationswege erreicht, Begr. RefE ARUG v. 6. 5. 08, S. 41. Zu beachten ist, dass der Regelung in der Praxis genügt ist, wenn die Verbreitung über den Verbreitungsdienst des elektronischen Bundesanzeigers erfolgt, Begr. RegE ARUG, BR-Drs. 847/08, S. 41.

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dium wesentlicher unternehmensbezogener800 Aktionärsinformationen aufgewertet.801 Dies liegt im Einklang mit dem DCGK, der seit 2002 die Nutzung der unternehmenseigenen Website zur zeitnahen und gleichmäßigen Information der Anleger forciert.802 Bei Befolgung des Kodex laufen hier sämtliche Unternehmensinformationen nochmals gebündelt zusammen. Auch die erweiterten Pflichten nach der BörsO sehen eine Veröffentlichung auf der Seite des Emittenten vor.803 Zudem kann hier freiwillig publiziert werden. Gerade diese Zusammenschau ergibt aber, dass unternehmenseigene, private Websites ein System hoheitlicher marktbezogener Publizität nicht ersetzen sondern allenfalls ergänzen können, da hier einerseits eine klare Begrenzung der Information nicht erfolgt und zum anderen Zweifel bestehen, dass die Richtigkeit und dauerhafte Unveränderbarkeit der Informationen sowie der allgemeine Zugang gewährleistet sind. Auch der mit einer solchen Lösung verbundene Melde- und Überwachungsaufwand wäre unermesslich.804 Denkbar wäre die Einrichtung einer zentralen, öffentlichen Internetseite, die schon auf Stufe der „aktiven Verbreitung“ als Alternative zur Aufrechterhaltung der professionellen Ticker-Dienste in Frage käme.805 Würde etwa die Erstveröffentlichung im elektronischen Bundesanzeiger auf sämtliche rechtlich relevante Unternehmensnachrichten erstreckt, bestünde unmittelbar die abstrakte Möglichkeit, auf diese einheitlich an zentralem Ort gebündelt zurückzugreifen.806 Dies ermöglicht nach der Neukonzeption erst das Unternehmensregister. Sind hier aber sämtliche Informationen zeitnah allgemein zugänglich und verifizierbar, spricht konzeptionell nichts gegen die zusätzlich erweiterte Nutzung des Internets, um Daten schnellstmöglich zu verbreiten. Den Grundsätzen der Wesentlichkeit und zentraler Zugänglichkeit aller konzeptionell erfasster Information werden aber weder Medienbündel noch Bundesanzeiger gerecht, so dass diese in ihrer Funktion mangels Abstimmung unnötigerweise begrenzt sind. Der negative Befund unkoordinierter Veröffentlichungswege relativiert sich jedoch erheblich, wenn die zentrale Speicherung und Abrufbarkeit der Informationen als zweiter Schritt des europäischen Offenlegungsregimes am Kapitalmarkt mit in die Betrachtung einbezogen wird.

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Damit erfolgt eine gewollte und geordnete Zweiteilung in unternehmensbezogene Informationen, die auf der Internetseite veröffentlicht werden, und die (hier behandelten) marktbezogenen, Noack, Infobase, Rn. 128 ff. 801 Die in § 175 Abs. 2 Satz 4 AktG im UMAG probehalber aufgenommene Regelung wurde mit dem ARUG in § 124a AktG zum Konzept für alle HV-bezogenen Unterlagen erweitert, Zetsche, Der Konzern 2008, 321, 324. 802 Ziff. 2.3.1., 6.4, 6.8 DCGK i.d.F. vom 18. 6. 2009. 803 Vgl. für den Unternehmenskalender § 67 Abs. 3 BörsO FWB. 804 Grundsätzliche Überlegungen und Alternativvorschläge bei Noack, AG 2003, 537, 549. 805 Noack, AG 2003, 537, 545. 806 Zur Bedeutung der sofortigen Verifizierbarkeit an zentralem Ort, Noack, Unternehmenspublizität, Rn. 11.

II. Publizitätspflichten im geltenden nationalen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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cc) Speicherung und zentrale Abrufbarkeit im Unternehmensregister Mit dem EHUG wurde in Deutschland das elektronische Unternehmensregister als zentrales Speichermedium geschaffen, in dem sämtliche Unternehmensdaten zentral und zeitnah abrufbar sind.807 Nach einer nochmaligen Erweiterung des § 8 b Abs. 2 HGB durch das TUG sollen damit nunmehr für den Anleger sämtliche veröffentlichungspflichtige Unternehmensinformationen unter www.unternehmensregister.de effektiv und schnell zugänglich sein.808 Die Unternehmen werden durch diese Ausgestaltung durch ein einfaches und kostengünstiges Verfahren bei der Erfüllung ihrer Informationspflichten unterstützt.809 Gem. § 8b Abs. 2 HGB sind nunmehr neben den Eintragungen in Handels-, Genossenschafts- und Partnerschaftsregister (Nr. 1 – 3) vor allem die Unterlagen der Rechnungslegung nach den §§ 325 und 339 HGB und deren Bekanntmachung (Nr. 4), gesellschaftsrechtliche Bekanntmachungen im elektronischen Bundesanzeiger (Nr. 5), im Aktionärsforum veröffentlichte Eintragungen nach § 127a AktG (Nr. 6), sämtliche Veröffentlichungen von Unternehmen nach WpHG, WpÜG und BörsZulV im elektronischen Bundesanzeiger (Nr. 7), bestimmte Bekanntmachungen nach dem InvG und InvStG (Nr. 8), Veröffentlichungen und sonstige der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellte Informationen nach den §§ 2b, 15 Abs. 1 und 2, § 15a Abs. 4, § 26 Abs. 1, §§ 26a, 29a Abs. 2, §§ 30e, 30f Abs. 2, § 37v Abs. 1 bis § 37x Abs. 1, §§ 37y, 37z Abs. 4 und § 41 Abs. 4a WpHG, sofern die Veröffentlichung nicht bereits über Nummer 4 oder Nummer 7 in das Unternehmensregister eingestellt wird (Nr. 9), Mitteilungen über kapitalmarktrechtliche Veröffentlichungen an die Bundesanstalt (Nr. 10), sowie bestimmte insolvenzrechtliche Bekanntmachungen (Nr. 11) im elektronischen Unternehmensregister abrufbar. Auffällig an dieser Auflistung ist zunächst, dass fast alle der hier materiell diskutierten Informationsnormen erfasst sind. Das Rechnungslegungsrecht sieht in § 325 HGB für publizitätspflichtige Unternehmen die Veröffentlichung sämtlicher Unterlagen im elektronischen Bundesanzeiger vor. Die Jahresabschlüsse (und ggf. Konzernabschlüsse) werden von dessen Betreiber sodann an das Unternehmensregister übermittelt und dort eingestellt, § 8b Abs. 3 Nr. 1 HGB.810 Der sog. „Bilanzeid“ ist von § 325 Abs. 1 Satz 1 HGB nicht erfasst, wobei dies wohl eine Regelungslücke darstellt, da hier eine zusätzliche Offenlegung nach § 37v Abs. 1 Satz 1 WpHG gerade vermieden werden soll.811 Ferner nicht von § 325 Abs. 1 Satz 1 HGB erfasst ist die öffentlich beglaubigte Abschrift der Niederschrift über die Hauptversammlung und ihre Anlagen nach § 130 AktG, welche aber beim Handelsregister in elektroni-

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Schlotter, BB 2007, 1, 2 f., 5. Ebd., S. 5. Schmidt, DStR 2006, 2272, 2273. Näher dazu Noack, WM 2007, 377, 379. Vgl. Nonnenmacher, in: Marsch-Barner/Schäfer (Hrsg.), § 59, Rn. 10.

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scher Form einzureichen ist, § 130 Abs. 5 AktG812 und somit von § 8b Abs. 2 Nr. 1 HGB erfasst ist. Generell lässt sich eine Sonderrolle der Informationen mit Bezug zur Hauptversammlung feststellen. § 30b Abs. 1 WpHG verpflichtet zwar börsennotierte Unternehmen bestimmte Informationen im elektronischen Bundesanzeiger zu veröffentlichen. Diese sind dann formell aber nicht von der Auflistung in § 8b Abs. 2 Nr. 9 HGB, sondern allenfalls in der Nr. 7 dieser Vorschrift erfasst. Die Veröffentlichungspflicht tritt zudem gem. § 30b Abs. 1 Satz 2 WpHG hinter einer Veröffentlichung nach §§ 121 Abs. 4 Satz 1 , 25 AktG zurück.813 Mit Erweiterung der hauptversammlungsbezogenen Pflichtangaben für börsennotierte Gesellschaften im Rahmen des ARUG wurden mögliche Transparenzlücken hier allerdings geschlossen. Das Auskunftsrecht des Aktionärs nach § 131 AktG ist von keiner Veröffentlichungspflicht erfasst. Verfehlt wäre es allerdings, daraus den Schluss zu ziehen, diesen Informationen käme keine generelle Marktrelevanz in dem Sinne zu, dass eine Einbeziehung in das Veröffentlichungsregime geboten wäre. Vielmehr resultiert es wie gesehen aus der historischen Konzeption des Auskunftsrechts als Mitgliedschaftsrecht, dass dieses nicht in das formelle Informationsregime am Kapitalmarkt einbezogen ist. Konsequent wäre es mithin, sämtliche Informationen mit Bezug zur Hauptversammlung in dieses einzubeziehen. Auch die im Rahmen der „aktiven Verbreitung“ offengelegten Informationen sind im Unternehmensregister zugänglich. Regelmäßig ist hier eine Pflicht des Emittenten begründet, die Meldungen unverzüglich, nicht jedoch vor ihrer Veröffentlichung, dem Unternehmensregister zur Speicherung zu übermitteln, vgl. § 15 Abs. 1 Satz 1, 2. HS WpHG, § 15a Abs. 4 Satz 2, 2. HS WpHG, § 26 Abs. 1, 2. HS WpHG, § 30e Abs. 1 Satz 2 WpHG.814 Im Rahmen der Finanzberichterstattung sehen §§ 37v–x (ggf. i.V.m. § 37y) WpHG vor, die Bekanntmachung (jeweils Abs. 1 Satz 3 der Vorschrift) sowie die vollständigen Unterlagen selbst (jeweils Abs. 1 Satz 4 der Vorschrift) an das Unternehmensregister für fünf Jahre815 zur Speicherung zu übermitteln. Für den Jahresabschluss ist auch in § 37v Abs. 1 Satz 4 WpHG ein Vorrang der handelsrechtlichen Rechnungslegung begründet. Eine Sonderrolle kommt wiederum dem Jährlichen Dokument nach § 10 WpPG zu, welches gem. § 10 Abs. 2 WpPG (gleich einem Prospekt, vgl. § 14 Abs. 1 Satz 1, Abs. 6 WpPG) bei der Bundesanstalt zu hinterlegen ist. Dies hat nach Offenlegung des Jahresabschlusses zu geschehen, § 10 Abs. 2 Satz 1 WpPG. Auf eine enge Abstimmung des jährlichen Dokuments mit der Jahresfinanzberichterstattung deutet auch § 37v Abs. 3 Satz 4 WpHG aus formeller Sicht hin. Auch hier ist die Hinterlegung allerdings, wie bei der Primärmarktpublizität, auf die Bundesanstalt abgestimmt. Die Problematik, dass das Jährliche Dokument selbst nicht im Unterneh812

Vgl. ebd., Rn. 13. Vertiefend Noack, WM 2007, 377, 378. 814 Gleiches gilt für die Ausnahmen und Befreiungen, § 30f Abs. 2, 2. HS, § 37z Abs. 4 Satz 3 WpHG. 815 Vgl. § 24 WpAIV. 813

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mensregister abrufbar ist, wird dadurch relativiert, dass die einzelnen Meldungen dort, wie gesehen, ohnehin zentral zusammengeführt werden. Damit stellt sich aber wiederum die Frage nach der Notwendigkeit und Nützlichkeit eines jährlichen Dokuments,816 wenn dieses nicht auf die Adressaten am Markt, sondern die Bundesanstalt abgestimmt ist.

dd) Zusammenschau, Fazit und Ausblick In einer Zusammenschau von erstmaliger Veröffentlichung und anschließender Speicherung ergibt sich folglich ein relativ einheitliches Bild. Der elektronische Bundesanzeiger wird als Quellmedium für alle gesellschafts- und kapitalmarktrechtlichen Veröffentlichungen ausgebaut; um eine europaweit zeitnahe Verbreitung zu gewährleisten werden anlassbezogene Daten mit besonderer Kapitalmarktrelevanz (u. a. Ad hoc-Mitteilungen, Mitteilungen über Stimmrechtsanteile, Hinweisbekanntmachungen im Rahmen der Finanzberichterstattung) „aktiv verbreitet“. Alle Informationen werden sodann an das Unternehmensregister übermittelt, wo sie zentral zusammengeführt und zum elektronischen Abruf bereit gestellt werden.817 Die Tatsache, dass bei der Schaffung des Unternehmensregisters durch das EHUG auf einen kapitalmarktrechtlichen Alleingang verzichtet wurde und dieses Register gezielt als generelle Lösung für die Unternehmenspublizität konzipiert wurde, welches fast alle korporationsrelevanten Daten zusammenführt, deren Offenlegung an verschiedenen Stellen im Recht verlangt wird,818 verdeutlicht damit auch aus formeller Sicht den gemeinsamen Grundgedanken, der den einzelnen Publizitätspflichten zu Grunde liegt. Diese fügen sich damit auch äußerlich zu dem vermuteten gemeinsamen Konzept zusammen. Solche Informationen, die historisch als Angelegenheiten der Gesellschafter konzipiert sind, vgl. § 131 AktG, werden in dieses auf die Informationsbedürfnisse des Anlegers am Kapitalmarkt abgestimmte Konzept freilich erst dann einbezogen, wenn sie eine gewisse Relevanzschwelle für die Anlageentscheidung überschreiten.819 Die Tatsache, dass einige Meldungen direkt vom elektronischen Bundesanzeiger in das Unternehmensregister eingespeist werden,820 wohingegen andere durch den Emittenten selbst übermittelt werden müssen,821 mag zwar stel816 Am Sekundärmarkt sind die Informationen bereits gebündelt, der Primärmarkt kann hierauf zurückgreifen. 817 Nonnenmacher, in: Marsch-Barner/Schäfer (Hrsg.), § 59, Rn. 3 f. 818 Ausführlich Beurskens, in: Noack (Hrsg.), EHUG, S. 93 ff. 819 Dann wird wie gesehen ggf. eine Meldung nach § 15 WpHG erforderlich; fließt die im Rahmen der Entscheidungsfindung gegebene Information in eine konkrete Entscheidung ein, so gelangt sie über die Niederschrift zur Hauptversammlung gem. § 130 Abs. 5 AktG ins Handelsregister und findet sich damit gem. § 8b Abs. 2 Nr. 1 HGB auch im Unternehmensregister. Ob die anderen im Rahmen des Auskunftsrechts gegebenen Informationen als nicht „wesentlich“ einzustufen sind, ist freilich eine unter Beachtung der Notwendigkeit einer Informationsbegrenzung am Markt zu treffende Abwägungsentscheidung. 820 Vgl. § 8b Abs. 2 Nr. 4 und 7, Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 HGB. 821 Vgl. § 8b Abs. 2 Nr. 9 und 10, Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 HGB.

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lenweise zu einer gewissen Ungleichbehandlung und Mehrbelastung für die Emittenten führen,822 lässt sich aber aus der historisch gewachsenen Vielzahl unterschiedlicher Rechtsquellen erklären und vermag das einheitliche Bild aus Sicht des Adressaten im Ergebnis nicht zu erschüttern. Freilich sei die Anmerkung erlaubt, dass ein von vornherein marktbezogen konzipiertes, auf kapitalmarktorientierte Gesellschaften und die damit verbundenen besonderen Informationsbedürfnisse ausgerichtetes Regelungssystem solche formellen Unausgewogenheiten vermeiden könnte. Die oben geäußerte Kritik, dass ein einheitlicher Informationskanal mit der aktiven Verbreitung der Information nicht erreicht wird, lässt sich folglich unter Einbeziehung der zentralen Speicherung im Unternehmensregister so nicht aufrechterhalten. Vielmehr stehen hier dem Anleger an zentraler Stelle alle periodischen und anlassbezogenen Informationen in Bezug auf einen Emittenten zur Verfügung. Damit wird die Bedeutung der aktiven Verbreitung aber dahingehend reduziert, dass sie allein die frühzeitige Information breiter Marktkreise unterstützt und auf Vollständigkeit verzichtet. Daher lässt sich durchaus bezweifeln, ob der zusätzliche Aufwand für die Emittenten gerade auch vor dem Hintergrund der unmittelbar anschließenden Speicherung an zentraler Stelle gerechtfertigt ist.823 Besonders deutlich wurde dies am Beispiel der Rechnungslegungsunterlagen, die vollständig im elektronischen Bundesanzeiger bekanntgemacht und sodann zusätzlich im Unternehmensregister zur Einsicht bereit gehalten werden. Diese „Doppelpublizität“ wurde insbesondere für KMU824 als unverhältnismäßig angesehen, da eine – nach Vorgaben der Richtlinie zulässige –825 Hinweisbekanntmachung als weniger belastendes Mittel genüge.826 Kritisiert werden insbesondere die Möglichkeit eines automatisierten Datenabgleichs, sowie die damit verbundenen Gefahren einer missbräuchlichen Behandlung personenbezogener Daten und ein Zurücktreten des Gläubigerschutzgedankens.827 Nicht zu bestreiten ist, dass mit dem EHUG eine Erweiterung der Publizität und

822 Noack, WM 2007, 377, 380 weist zu Recht darauf hin, dass bei der Rechnungslegung nach § 325 HGB die Daten vom elektronischen Bundesanzeiger übermittelt werden, wogegen die nach § 37v WpHG rechnungslegungspflichtigen Unternehmen neben der Übermittlung an die Bundesanstalt selbst für die Weiterleitung an das Unternehmensregister sorgen müssen. 823 Daher zu Recht kritisch Nießen, NZG 2007, 41, 46; Noack, WM 2007, 377, 381. 824 Seit dem EHUG unterliegen auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) der Bekanntmachungspublizität, vgl. § 325 Abs. 2 HGB. (Zu den Unterschieden zw. Einsichts-, Hinterlegungs- und Bekanntmachungspublizität Noack, Unternehmenspublizität, S. 82 ff.) Zuvor waren die Unterlagen in der Praxis i.d.R. erst dann zu veröffentlichen, wenn ein Dritter das Handelsregister aufgefordert hatte, ein Zwangsverfahren zu betreiben. Mit der Vollveröffentlichung geht damit eine erhebliche Verschärfung der Anforderungen einher. 825 Art. 3 Abs. 4 Publizitätsrichtlinie 2003/85/EG nennt die Hinweisbekanntmachung ausdrücklich als mögliche Bekanntmachungsalternative ggü. der vollständigen oder auszugsweisen Wiedergabe der Unterlagen. 826 Kuntze-Kaufhold, GmbHR 2009, 73, 76 (unter umfassender Darstellung verfassungsrechtlicher Bedenken). 827 Ebd., S. 73, 75, 77.

II. Publizitätspflichten im geltenden nationalen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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auch eine verbesserte Durchsetzung der Pflichten erreicht wurde.828 Jedenfalls bei der hier allein interessierenden Inanspruchnahme des organisierten Kapitalmarktes erscheinen die Bedenken jedoch gegenüber den Informationsbedürfnissen des Marktes zurückzutreten. Die Doppelpublizität ist eine rein formelle Verdopplung, inhaltlich neue Informationen werden nicht offenbart. Bei Annahme wenigstens partieller informationeller Effizienz ist die zusätzliche materielle Belastung für die Emittenten somit zu vernachlässigen. Die Bundesregierung betont die zusätzliche Transparenz ohne bürokratischen Mehraufwand.829 Auch daran bestehen freilich Zweifel. Wie aufgezeigt wurde, führt ein quantitatives Mehr an Informationen, insbesondere an verschiedenen Stellen, allenfalls zu Verwirrungen bei den Adressaten und Fehlinterpretationen. Da sich die Informationen hier jedoch inhaltlich und in der Darstellung entsprechen, ist diese Gefahr, verglichen mit dem Nutzen einer schnellstmöglichen Verbreitung, gering. Zudem wird sich das Unternehmensregister im Laufe der Zeit zusätzlich etablieren. Dann ist zu erwarten, dass das formelle Parallellaufen zunehmend zurückgenommen wird. Langfristig ist hier davon auszugehen, dass zumindest die geregelten Märkte in Europa hinreichend effizient sind, dass bei Offenlegung und Speicherung in einem zentralen und etablierten elektronischen Register auf die derzeitig noch komplizierten und kostenintensiven Bemühungen bei der Verbreitung verzichtet werden kann. Diese Entwicklung ist bereits absehbar.830 Nach den bisherigen Erkenntnissen über die Funktionsweise von Publizität erscheint aber die Kombination aus schnellstmöglicher Offenlegung und anschließender zeitnaher Zusammenführung der Informationen an zentralem Ort zumindest aus heutiger Sicht als sehr effizienzfördernd und liefert auch aus Gesichtspunkten des Anlegerschutzes zeitnah und europaweit ein durchaus ausgewogenes Bild. ee) Übermittlung und Hinterlegung bei der Bundesanstalt Der dritte Schritt der aktiven Verbreitung durch den Emittenten, der nach der Transparenzrichtlinie in der Übermittlung und Hinterlegung der Information bei der zuständigen Behörde seines Herkunftsmitgliedstaates zu sehen ist,831 wurde hier als nicht marktorientierte Regelung der Überwachung und Durchsetzung weitestgehend ausgeklammert. Zur Vervollständigung des Bildes aus formeller Sicht 828

Mit dem Bundesamt für Justiz wurde zur effektiven Durchsetzung der Pflichten eine eigene Kontroll- und Vollstreckungsbehörde geschaffen, § 335 HGB. Auch wenn die effektive Durchsetzung der Normen nicht Bestandteil dieser Untersuchung ist, erscheint dies unter Gleichheitsgesichtspunkten unerlässlich. 829 Antwort der BReg auf die Kleine Anfrage der Abg. Christine Scheel u. a. und der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN „Evaluierung der neuen Offenlegungspflichten nach dem EHUG“, BT-Drucks. 16/11120, S. 8. 830 Vgl. zu dem Plan, die nationalen Register langfristig zu einem europäischen Datennetz zusammenzuführen, Göres, Der Konzern 2007, Heft 1; Nießen, NZG 2007, 41. Die Bemühungen gehen aber nur schleppend voran. 831 Art. 19 Abs. 1 Satz 1 Transparenzrichtlinie (Richtlinie 2004/109/EG).

370 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

D. Das Publizitätskonzept am organisierten Kapitalmarkt

sei aber angemerkt, dass neben den hier diskutierten Normen nochmals parallel laufende Vorschriften existieren, die eine Übermittlung an die Bundesanstalt,832 teils auch an die Geschäftsführung der Börsen,833 erfordern. Bei der Bundesanstalt wird zudem der Prospekt, § 14 Abs. 1 WpPG, und dessen Veröffentlichung, § 14 Abs. 3 WpPG, hinterlegt und der Prospekt für 12 Monate auf der Internetseite zugänglich gemacht, § 13 Abs. 4 WpPG. Dies stellt aber keine Veröffentlichung dar, primärer Speicherort bleibt das Unternehmensregister.834 Des Weiteren stellt die Bundesanstalt auf ihrer Internetseite unter anderem Datenbanken zu Directors Dealings und Meldungen nach §§ 21 ff. WpHG zur Verfügung. Aufgenommen werden dabei auch solche Meldungen, die auf freiwilliger Basis erfolgen und die gesetzlichen Schwellen nicht überschreiten, so dass auch hier aus Sicht des hoheitlichen Konzeptes allein das Unternehmensregister als zentrale Plattform relevant ist.835 Zudem greift die Bundesanstalt auf Veröffentlichungen in Börsenpflichtblättern zurück, was erhebliche zeitliche Verzögerungen bei der Einstellung zur Folge hat.836 Daher werden die Plattformen der Bundesanstalt hier ausgeklammert. Sie wurden zudem zu einer Zeit geschaffen, als die Informationen noch nicht online beim Unternehmensregister abrufbar waren. Damals stellten sie eine sinnvolle ergänzende Serviceleistung dar.837 Aus heutiger Sicht sei vor allem auf die Gefahr einer Verwirrung und Überinformation des einzelnen Anlegers durch verschiedene Datenbanken hingewiesen, welche mit dem möglichen Zugewinn an Effizienz in Ausgleich gebracht werden muss. Auch kann das Maß materieller Richtigkeitsgewähr durch Veröffentlichung auf einer staatlichen Internetseite von Privatanlegern schwer eingeschätzt werden. Rein formell ließe sich schließlich an eine Entlastung der Emittenten durch eine verbesserte Abstimmung aller Meldeverfahren denken.838 Solche Vorschläge gehen aber über den Bereich dieser Arbeit hinaus, die allein die Information des Marktes, nicht aber diejenige der Aufsichtsbehörden im Blick hat.

5. § 10 WpPG: Abrundung des Konzepts und Ausblick Der hier skizzierte Überblick über die vielfältigen Publizitätspflichten, die ein Unternehmen bei der Inanspruchnahme eines regulierten Marktes nach § 32 BörsG treffen, verdeutlichte, dass der Pflichtpublizität in der Zusammenschau ein ganzheitliches Konzept zugrunde liegt, das konsequent darauf ausgerichtet ist, den Adressaten am Markt eine umfassende, in sich stimmige Grundlage für deren informierte Ent832

Vgl. § 3c WpAIV; etwa §§ 15 Abs. 4, 26 Abs. 2 WpHG. Vgl. § 5a WpAIV (für Ad hoc-Meldungen). 834 Darauf weist die BaFin ausdrücklich hin, www.bafin.de ! Datenbanken & Listen. 835 www.bafin.de ! Datenbanken & Listen ! Mitteilungen nach § 15a WpHG. 836 Siehe dazu die ausdrücklichen Warnungen der Bundesanstalt, ebd.; kritisch auch Schneider, in: Assmann/Schneider, vor § 21 WpHG, Rn. 73 (weitere Nachteile, allerdings auch die zusätzliche Transparenz lobend). 837 Noack, AG 2003, 537, 544. 838 Weiteren Abstimmungsbedarf stellt auch Noack, WM 2007, 377, 381 fest. 833

II. Publizitätspflichten im geltenden nationalen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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scheidung zur Verfügung zu stellen. Auch ausgewählte Einzelfragen, die in diesem Zusammenhang exemplarisch vertieft wurden, bestätigten diesen ganzheitlichen Konzeptgedanken. Historisch hat sich die Unternehmenspublizität mit unterschiedlichen Zielsetzungen und aus unterschiedlichen Informationsbedürfnissen heraus entwickelt, so dass nie ein einheitlicher Tatbestand der Unternehmenspublizität im Recht kodifiziert wurde. Andererseits zeigte der Blick in die USA, wo schon früh ein umfassendes disclosure system eingeführt wurde, dass Publizität auch dort marktbezogen zu verstehen ist und sich mit den verändernden Marktbedingungen ständig weiterentwickelt. Dieses dynamische Verständnis der Publizität hat zur Folge, dass notwendig eine fortlaufende Integration der Pflichten erfolgen muss, um das Konzept mit den aktuellen Bedürfnissen seiner Adressaten am Markt in Einklang zu bringen. Hier soll angeregt werden, das jährliche Dokument nach § 10 WpPG als solchen auf einem inneren Konzeptgedanken basierenden Versuch der Integration zu werten. Dieses bestätigt zunächst umfassend das hier vorgeschlagene konzeptionelle Verständnis. Es fügt (1) jährlich die anlassbezogenen Publizitätspflichten der laufenden Marktteilnahme für das Publikum zusammen, § 10 Abs. 1 Satz 1 WpPG, so dass bei einer Anlageentscheidung schnell und komprimiert verlässliche Informationen zur Verfügung stehen.839 Die Pflichten sind mithin als sich ergänzende Bestandteile eines adressatenorientierten Informationsganzen zu verstehen, die aus Gründen der Aktualität schnellstmöglich zu verbreiten, dann aber für den Adressaten geordnet und gebündelt zusammenzustellen sind. Damit ergänzen sie die Regelpublizität. Dies wird besonders deutlich in der Verpflichtung aus Art. 27 Abs. 3 ProspVO, das Dokument dem Publikum spätestens 20 Arbeitstage nach Veröffentlichung des Jahresabschlusses zur Verfügung zu stellen. Die Tatsache, dass dieser dann nochmals in das Dokument aufgenommen werden kann,840 verdeutlicht, dass beide Informationen inhaltlich untrennbar sind. Konzeptionell erfasst waren auch die zum Handelsregister (nach den gesellschaftsrechtlichen Richtlinien) anzumeldenden Tatsachen, was aber nicht umgesetzt wurde.841 (2) Ebenso schlägt das Dokument die Brücke zwischen Primär- und Sekundärmarktpublizität. Insofern ist § 10 WpPG nicht als Zulassungsfolgepflicht zu sehen, die gesetzessystematisch unzutreffend im WpPG geregelt ist.842 Vielmehr ist die Norm entstehungsgeschichtlich als Überbleibsel eines Versuchs zu werten, einen am US-Vorbild der „shelf-registration“ orientierten, jährlich

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Erwägungsgrund (27) der Prospektrichtlinie (Richtlinie 2003/71/EG). Die BaFin empfiehlt dies „zur Abrundung des Bildes“, dazu sogleich, Fn. 848. 841 Diese (von Art. 10 der Prospektrichtlinie erfassten) Angaben seien zur Beurteilung eines Wertpapiers nicht erforderlich (!), da § 15 WpHG alle kurserheblichen Informationen erfasse, Begr. RegE ProspektRL-UmsG, BT-Drs. 15/5373, S. 50; vgl. Wagner, in: Holzborn, § 10 WpPG, Rn. 17 m.w.N.; zu Recht kritisch Götze, NZG 2007, 570, 572, mit Übersicht weiterer, von § 10 WpPG systematisch unzutreffend nicht erfasster Informationen. 842 So aber Groß, Kapitalmarktrecht, § 10 WpPG, Rn. 1 m.w.N. (§ 1 WpPG: „zugelassen werden sollen“). 840

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D. Das Publizitätskonzept am organisierten Kapitalmarkt

zu aktualisierenden „immergrünen“ Prospekt zu schaffen.843 Die Regelung im Prospektrecht verdeutlicht, dass dieses untrennbar mit der laufenden Publizität verbunden ist und diese Wechselwirkungen berücksichtigen muss – der erste Schritt zu einer Integration von Primär- und Sekundärmarktpublizität auch in Europa. (3) Gleichermaßen zeigt die Einbeziehung in den Veröffentlichungsmodus nach § 14 Abs. 2 WpPG, dass auch die Grenzen des formellen Offenlegungsregimes fließend und die Pflichten somit Bestandteil desselben Konzeptes sind. (4) § 10 WpPG knüpft an die Zulassung zum regulierten Markt an844 und will dem Publikum in diesem Segment eine zusätzliche, leicht verständliche und kohärente Übersicht verschaffen.845 Damit bestätigt die Norm ein nach Intensität der Marktteilnahme abgestuftes und somit auch vertikal umfassend integriertes Konzept. Die Schaffung des § 10 WpPG verdeutlicht somit wie keine andere Norm den inneren Gedanken eines umfassend integrierten Publizitätskonzepts. Läge den Publizitätspflichten nicht ein einheitliches, zusammenhängendes Konzept zu Grunde, wäre eine solche Norm nicht möglich. Gerade das Erkennen des systematischen Zusammenhangs und des gemeinsamen Grundgedankens aller Publizität hat aber zur Folge, dass § 10 WpPG schlicht überflüssig wird: Die einzelnen Pflichten ergänzen sich dann dergestalt, dass die wesentlichen Informationen stets aktualisiert und zugleich übersichtlich zur Verfügung stehen. Eine Zusammenstellung veralteter, als solcher unverändert bleibender Daten846 widerspricht den ökonomischen Erkenntnissen der Informationseffizienz ebenso, wie dem Konzept als Ganzem. Doppelte Dokumentationspflichten847 sind danach überflüssig und wirken den Zielen des Konzepts aufgrund möglichen Verwirrungspotentials sogar entgegen. Zudem findet in § 10 WpPG keine Begrenzung auf wesentliche, übersichtlich gegliederte Informationen statt.848

843

Dazu Elsen/Jäger, BKR 2008, 459, 461; Wagner, in: Holzborn, § 10 WpPG, Rn. 1. Der Adressatenkreis ist auf Emittenten mit Herkunftsmitgliedstaat Deutschland beschränkt, deren Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind. Dies ist seit dem FRUG der regulierte Markt nach § 32 BörsG, vgl. Wagner, in: Holzborn, § 10 WpPG, Rn. 2; weiterführend Götze, NZG 2007, 570, 571. 845 Hamann, in: Schäfer/Hamann, KMG, § 10 WpPG, Rn. 2; vgl. Erwägungsgrund (27) Prospektrichtlinie. 846 Kritisch zur Zielerreichung zu Recht Hamann, in: Schäfer/Hamann (Hrsg.), KMG, § 10 WpPG, Rn. 2. 847 Der Markt verarbeitet nur neue Informationen, danach sind sie ökonomisch wertlos. Bereits veröffentlichte Informationen belasten daher das Marktgeschehen anstelle es zu fördern, vgl. Elser/Jäger, BKR 2008, 459, 461. 848 Die BaFin weist ausdrücklich darauf hin, dass weitere Informationen (etwa der Jahresabschluss) freiwillig ins jährliche Dokument aufgenommen werden können. Eine einheitliche Gliederung des Dokuments besteht nicht, die Reihenfolge des § 10 WpPG ist nicht bindend. Siehe BaFin, Häufig gestellte Fragen zum jährlichen Dokument, unter II.7. und IV.3, abrufbar unter: www.bafin.de ! Häufig gestellte Fragen zum jährlichen Dokument. Einige Informationen können sich sogar doppelt im Dokument finden, Götze, NZG 2007, 569, 572. 844

II. Publizitätspflichten im geltenden nationalen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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Nach dem Erkennen des Publizitätskonzepts zielt der gemeinsame Grundgedanke sämtlicher Offenlegungspflichten darauf ab, dem Anleger alle als wesentlich eingestuften Informationen möglichst zeitnah, vollständig, richtig, einheitlich und übersichtlich an zentralem Ort zugänglich zu machen. Damit läuft es zwingend auf ein zentrales Register hinaus, in dem alle Informationen – vom Prospekt über die hauptversammlungsbezogenen Unterlagen bis zur Ad hoc-Meldung – zusammenlaufen. Entscheidend ist die erstmalige Offenlegung, die möglichst schnell erfolgen, sich aber auch an möglichst vorhersehbarer Stelle und in vergleichbarer Form in die Gesamtmasse einfügen muss. Das Gesamtkonzept wird damit zu einer Art vorgegebenen informationellen Grundgerüsts. Die aufgezeigten unterschiedlichen Verbreitungswege sind derzeit noch erforderlich, um die Informationseffizienz des Marktes zu unterstützen, könnten aber langfristig in dem zentralen Register aufgehen. Mit § 8b HGB ist ein solches Register im Ansatz geschaffen worden. Hier laufen die Informationspflichten systematisch zusammen, so dass die erneute Zusammenstellung einer dieser Datenmasse im Wesentlichen849 entsprechenden Übersicht, wie sie § 10 WpPG vorsieht, schlicht überflüssig wird.850 Verbesserte Integration ermöglicht es somit bei voranschreitender Marktentwicklung, sich überschneidende Doppelpflichten abzubauen. Der Blick auf das EDGAR-System in den USA verdeutlicht aber, dass Europa noch einen langen Weg gehen muss, bis der elektronische Zugang zu wirklich allen Informationen in einem umfassend integrierten disclosure system gewährleistet ist. Konsequenz aus der Erkenntnis des Publizitätskonzepts sollte sein, diesen Integrationsschritt der verschiedenen Vorschriften zur Unternehmenspublizität in der derzeitigen Konsolidierungsphase des europäischen Rechts zu gehen und diese dergestalt zusammenzuführen, dass unnötige Belastungen für Markt und Marktteilnehmer vermieden werden. Der Vorschlag der Kommission, das jährliche Dokument nach Art. 10 Prospektrichtlinie abzuschaffen, da sich die Pflicht mit Inkrafttreten der Transparenzrichtlinie schlicht verdoppelt habe,851 kann als erster Schritt in diese Richtung gewertet werden. Vor allem aber verdeutlicht der Druck des Marktes, der zu dieser Entscheidung geführt hat,852 dass sich heute auch die Marktteilnehmer der Notwendigkeit eines Interessenausgleichs bewusst sind und 849

Ausnahmen können sich auf Grundlage des § 10 Abs. 1 Nr. 3 WpPG aus zusätzlichen Anforderungen der Börsenordnungen (Unternehmenskalender nach § 49 BörsO der FWB i.d.F. vom 1. 11. 2007), aus § 10 Abs. 1 Nr. 4 WpPG oder § 30e Abs. 1 Nr. 3 WpHG ergeben. Eine Aufnahme dieser Daten in den Katalog des § 8b Abs. 2 HGB wäre aber möglich; siehe dazu Götze/Wunderlich, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch, § 11, Rn. 2. 850 Elser/Jäger, BKR 2008, 459 ff. m.w.N.; ebenso jetzt Kommission, KOM (2009) 491 endg., 10. 851 Kommission, KOM(2009) 491 endg., 10 (Vorschlag ÄnderungsRL zu Prospekt- und TransparenzRL), 5.3.9. 852 Zur einhelligen Forderung einer Abschaffung des jährlichen Dokuments, Elsen/Jäger, BKR 2008, S. 459, 460 (Auswertung des Berichts der European Securities Market Expert Group „ESME“, einer Studie des Centre for Strategy & Evaluation Services, sowie eines CESRBerichts über das Funktionieren von Prospektrichtlinie und ProspektVO; alle abrufbar unter: http://ec.europa.eu/internal_market/securities/prospectus/index_de.htm).

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D. Das Publizitätskonzept am organisierten Kapitalmarkt

das Publizitätskonzept somit nicht nur einen Beitrag zu mehr Transparenz, sondern zu besserer, ausgeglichener und gerechterer Transparenz leisten kann, welche die Interessen aller Marktteilnehmer berücksichtigt. Sollte das jährliche Dokument abgeschafft werden, ist allerdings anzuregen, dieses nicht einfach zu streichen, sondern die in § 10 WpPG deutlich gewordenen konzeptionellen Zusammenhänge zu einer weiteren internen Integration der Pflichten zu nutzen. Bis eine umfassende Neuregelung erfolgen kann, wären etwa die Publizitätsanforderungen der Börsenordnungen in den Katalog des § 8b HGB aufzunehmen.853 Bereits mehrfach ist eingeflossen, dass sich das europäische Recht bislang wenig damit befasst hat, ob sich die getroffenen Maßnahmen wirklich mit dem Schutz individueller Kleinanleger rechtfertigen lassen, was scheinbar unterstellt wurde.854 Dementsprechend standen in der Entwicklung des Konzepts die Fragen des Marktfunktions- und des Vertrauenskollektivschutzes ganz im Mittelpunkt. Hier konnte jedoch verdeutlicht werden, dass der Publizität ein markt- und marktteilnehmerorientiertes Konzept zu Grunde liegt, dass zentral an den Informationsbedürfnissen seiner Adressaten am Markt orientiert ist und diese in gerechten Ausgleich bringt. Zu diesen individuell im Schutzkonzept stehenden Adressaten zählt beim regulierten Börsenhandel auch der einzelne Privatanleger, der zwar unterstützend durch einen effektiven Markt und die hier weitestgehend ausgeblendeten Intermediäre geschützt wird, im Ergebnis aber eine eigenständige informierte Anlageentscheidung treffen und Vertrauen in die informationelle Grundlage am Markt haben muss. Insbesondere wenn Publizität (gesellschaftsrechtliche) Governance-Funktionen wahrnehmen soll, muss auch der Minderheitsaktionär sie verstehen. Regelmäßig ist die Information daher in einer dem „verständigen Durchschnittsanleger“ verständlichen Form aufzuarbeiten oder zusammenzufassen. Sollte dies ausnahmsweise nicht möglich sein, ist umfassend über dieses Informationsdefizit zu informieren. Der erwogenen Abschaffung des § 10 WpPG stehen nun Gründe des Anlegerschutzes sicherlich nicht entgegen. Der Einzelne wird durch das jährliche Dokument, welches unsystematisch auf bereits im Preis verarbeitete, veraltete und nicht aufgearbeitete Informationen verweist und wesentliche Aspekte des Schutzkonzeptes, etwa die Erklärung nach § 161 AktG,855 überhaupt nicht erfasst, eher verwirrt als informiert. Dennoch lag der Norm das Ziel einer regelmäßigen Zusammenstellung kohärenter und leicht verständlicher Informationen zu Grunde.856 Es erscheint äußerst fraglich, ob die Möglichkeit zur Einsichtnahme in das Unternehmensregister857 diesem Individualschutzziel des Publizitätskonzepts in ausreichendem Maße gerecht 853

Siehe soeben, Fn. 849; vgl. Götze/Wunderlich, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch, § 11, Rn. 2. 854 Assmann, AG 1993, 549, 559 f. 855 Übersicht nicht erfasster Informationen bei Götze, NZG 2007, 569, 572 (etwa § 15 Abs. 3 Satz 4 WpHG). 856 Vgl. abermals Erwägungsgrund (27) der Prospektrichtlinie. 857 § 9 Abs. 6 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 HGB.

II. Publizitätspflichten im geltenden nationalen Recht 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

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wird. Vielmehr verdeutlicht die Einführung des § 10 WpPG, dass ein Bedürfnis des Einzelanlegers besteht, ein auf das Wesentliche begrenztes Maß an Informationen in regelmäßigen Zeitabständen leicht verständlich zusammengefasst zu bekommen. Wird diese Norm nun, weil sie dem nicht gerecht wird, richtigerweise gestrichen, ist die Streichung zum Anlass zu nehmen, zu überprüfen, ob es der Individualschutzgedanke des Publizitätskonzepts erfordert, dem Einzelnen regelmäßige Zusammenfassungen zur Verfügung zu stellen, damit dieser bei Blick ins Unternehmensregister nicht schon aufgrund der schieren Masse an Meldungen schlicht überfordert ist. Denkbar wäre dies langfristig über die angeregte umfassende Integration aller Publizitätspflichten an zentraler Stelle, die dann durch regelmäßige Zusammenfassungen für den Privatanleger ergänzt werden. Aber auch mittelfristig, so lange etwa Prospektpflicht und laufende Marktteilnahmepublizität nicht abgestimmt sind,858 wären verständliche zusammenfassende Übersichten für Privatanleger, idealerweise im Unternehmensregister, zu fordern. Insgesamt wurde deutlich, dass Doppelpflichten – hier die Pflicht, am Jahresende dieselben Informationen nochmals zu veröffentlichen – dem marktorientierten Publizitätskonzept generell widersprechen, weil sie aus Sicht der Anleger-Adressaten nicht den Grundsätzen der Wesentlichkeit, Werthaltigkeit und Nutzbarkeit gerecht werden. Danach ist ein auf das Notwendige begrenztes Maß an Informationen einmalig, zeitnah, klar und an zentralem Ort allgemein zugänglich offenzulegen. Darüber erfasst das Konzept aber auch die Interessen der zur Publizität verpflichteten Marktgegenseite, die es neben einer materiellen Begrenzung erfordern, den Veröffentlichungsmodus auf das formell erforderliche Maß zu beschränken, wobei direkte und indirekte Kosten (etwa Imageverluste durch Negativmeldungen, deren spätere Wiederholung keinen zusätzlichen Informationsgewinn bringt) zu berücksichtigen sind. Kurzfristig ist die geplante Abschaffung des jährlichen Dokuments daher aus Sicht des Publizitätskonzepts als erster Integrationsschritt umfassend zu unterstützen.

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Überschneidungen ergeben sich etwa durch den zeitlichen Rahmen des § 16 WpPG (Nachtragspflicht vor Schluss des öffentlichen Angebotes oder Einführung oder Einbeziehung in den Handel) mit § 15 WpHG. Auch hier erfolgt bislang eine einzelfallbezogene Abgrenzung, wobei i.d.R. die Informationsbedürfnisse des Marktes für umfassende Ad hoc-Pflichten sprechen. Wie bei den anderen diskutierten Fällen würde jedoch eine gesetzliche Subsidiaritätsregelung keine Abhilfe schaffen, da beide Pflichten sich ergänzen. Die Lösung ist nur über eine umfassende Gesamtkonzeption möglich, die es ermöglicht, bei Neuemissionen auf die laufende Publizität zu verweisen. Vgl. zum Abstimmungsbedarf Hamann, in: Schäfer/Hamann (Hrsg.), KMG, § 16 WpPG, Rn. 30 m.w.N.; Groß, Kapitalmarktrecht, § 16 WpPG, Rn. 19 m.w.N.; Wagner, in: Holzborn, § 16 WpPG, Rn. 28 ff.

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E. Thesen 1. Mittels einer funktionsdogmatischen Analyse konnte herausgearbeitet werden, dass Publizitätspflichten als marktvermittelte Steuerungsinstrumente zu verstehen sind, die dem Schutz der einzelnen Marktteilnehmer sowie der Funktionsfähigkeit des Marktes als Ganzem zu dienen bestimmt sind, und sich somit in den marktrechtlichen Funktionsdualismus einfügen. 2. Aus ökonomischer Sicht wurde dazu zunächst die Notwendigkeit eines hoheitlich festgelegten Pflichtenkatalogs herausgearbeitet. Als anschauliches einführendes Beispiel diente das Modell informationellen Marktversagens. Unvollständiges und asymmetrisch verteiltes Wissen führt danach zu Unsicherheiten und Vertrauensverlusten, Fehlallokationen und letztlich zu einer Abwanderung der Marktteilnehmer. Verschiedene Überlegungen zur Senkung von Kapitalkosten ermöglichten es sodann, sich dem „richtigen Maß“ an Transparenz unter Effizienzgesichtpunkten zu nähern. Empirische Ereignis- und Umfragestudien (letztere als „neuartiger“ Forschungsansatz mit aufschlussreichen Erkenntnissen v. a. seit den 1990er Jahren etabliert) verdeutlichten dabei, dass am Kapitalmarkt erhebliche, oft aber divergierende Informationsbedürfnisse der verschiedenen Marktteilnehmer bestehen. 3. Die funktionsdogmatische Grundlage der Pflichtpublizität konnte über die Erkenntnisse des Neuen Institutionalismus herausgearbeitet werden. Dieser verdeutlichte die Rolle des Staates, der über eine gezielte Vorgabe eines quantitativen und qualitativen Mindestmaßes an Information die markteigenen Mechanismen ergänzen und somit optimieren kann. Das Erkennen der wechselseitigen Abhängigkeit (Interdependenz) von gezielter Markttransparenz und Markteffizienz bildet die Grundlage eines jeden auf informationeller Steuerung basierenden Regelungsmodells. 4. Für die inhaltliche Ausgestaltung eines solchen Modells konnten die Kriterien der Wesentlichkeit, der Werthaltigkeit und Nutzbarkeit, sowie der Einheitlichkeit herausgearbeitet werden, die sich im Grundsatz der Adressatenorientierung zusammenfügen ließen. Nur wenn die auf Seiten der Adressaten bestehenden Wissensasymmetrien umfassend ausgeräumt werden, kann der Markt seiner Steuerungsfunktion gerecht werden. 5. Die institutionellen Vorkehrungen ermöglichen mithin eine Einschätzung des Risikos und eine wohlüberlegte Investitionsentscheidung des Anlegerpublikums. Daher prägen die Informationsbedürfnisse dieser Adressatengruppe – vom privaten Sparer bis zum institutionellen Großinvestor – die kapitalmarktorientierte Information in ganz besonderem Maße. Es konnte jedoch gezeigt werden, dass sich der Gedanke des Individual- und Institutionsschutzes durch Publizität auf sämtliche Kon-

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stellationen übertragen lässt, in denen sich Akteure mit verschiedenem Wissenstand an einem Markt gegenübertreten. Daraus ergibt sich ein Bedürfnis, die oftmals divergierenden Informationsinteressen der verschiedenen Marktteilnehmer, die sich zudem oftmals an verschiedenen Märkten gegenübertreten, in Ausgleich zu bringen. 6. An einem solchen abgestimmten Konzept eines hoheitlich vorab festgelegten informationellen Rahmengerüsts des Marktgeschehens wurde in vielerlei Hinsicht Kritik geübt. Die generellen Vorbehalte gegen eine staatliche Festlegung von Informationsnormen konnten nicht überzeugen. Teilweise muss den Bedenken – etwa der informationellen Überforderung einzelner Marktteilnehmer bei zunehmender Komplexität der Finanzprodukte – durch inhaltliche Ausgestaltung des Konzeptes (z. B. eine nach Adressatengruppen differenzierende Darstellung oder Informationsmittlung durch Intermediäre) Rechnung getragen werden. Weitaus schwieriger scheint es, den durch die Behavioral Law and Economics aufgezeigten Irrationalitäten der Marktteilnehmer mit rationalen Mitteln gerecht zu werden. Diese boten daher Anlass, einerseits die Grenzen der Publizität aufzuzeigen, die den Einzelnen nicht vor unüberlegten oder spekulativen Fehlentscheidungen schützen kann. Über diese Risiken ist vermehrt aufzuklären. Andererseits verdeutlichte die Fehleranfälligkeit des Preisbildungsmechanismus, dass auch bei voranschreitender Markteffizienz noch immer ein erhebliches Bedürfnis nach effektivem Individualschutz besteht, das nicht vernachlässigt werden darf. 7. Die Weite der Auswirkungen eines Publizitätskonzeptes wurde schließlich deutlich, als mit den Governance-Funktionen eine neue Dimension umfassender Offenlegungspflichten aufgezeigt wurde, wonach diese auch dann gerechtfertigt sein können, wenn sie über das zur Erreichung institutioneller Funktionsfähigkeit des Marktes erforderliche Maß hinausgehen. Damit ließe sich eine mögliche „informationelle Überregulierung“ erklären. Bei näherer Betrachtung wurde allerdings deutlich, dass auch die marktvermittelte Verhaltenssteuerung allenfalls eine ergänzende Dimension ist, die den Zieldualismus unterstützen, nicht jedoch ersetzen kann, und sich somit untrennbar in diesen einfügen lässt. Dies gilt auch für das US-amerikanische Recht, in dem sich eine zunehmende Abkehr vom Anlegerschutzgedanken beobachten lässt, der gerade vor den Hintergründen der Finanzkrise (Vertrauensverluste der Marktteilnehmer; Tendenz der Unternehmen, negative Informationen zu „verschleiern“) nicht zu rechtfertigen ist. Jede Publizität ist markt- und damit auch marktteilnehmerorientiert. 8. Im Rahmen der exemplarischen Analyse des § 161 AktG konnten später sowohl die wachsende Bedeutung des kapitalmarktorientierten Corporate Governance-Modells in Deutschland als auch die Grenzen einer solchen Regulierung in einem marktbezogenen Publizitätskonzept aufgezeigt werden. Hier wurde die verhaltenssteuernde Funktion externer Kontrollmechanismen generell bestätigt, die jedoch dem interessenpluralen Ansatz des deutschen Rechts bei einem zwingenden Durchsetzungsinteresse inhaltlich vorgegebener Lösungen oftmals nicht Rechnung tragen kann. An dieser Stelle ist entweder die informierte Entscheidung der Märkte und deren Ge-

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wichtung der verschiedenen stakeholder-Interessen zu akzeptieren oder aber eine zwingende materielle Regulierung zu fordern. Wird versucht, bestimmte, mit dem Marktentscheid divergierende, Gerechtigkeitsvorstellungen durch immer weitere Offenlegungspflichten zu bekämpfen, besteht die Gefahr einer informationellen Überregulierung oder „Überstrapazierung“ des Konzepts, wodurch dieses in seiner Funktionsfähigkeit erheblich beeinträchtigt werden kann. 9. In diesem Sinne können die Governance-Funktionen der Publizität als Schnittstelle zwischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht verstanden werden. Diese bieten etwa die informationelle Grundlage für die Wahrnehmung von Aktionärsrechten, die sodann durch die externe Marktkontrolle unterstützt und ergänzt werden. Eine Zusammenschau der beiden Regelungskomplexe ist dabei – zumindest für die börsennotierte AG – unumgänglich. Anschaulicher Beleg hierfür ist das zunehmende Verständnis des ursprünglich individuellen Auskunftsrechts des Aktionärs nach § 131 AktG als allgemeine, marktorientierte Publizität. 10. Die zunehmende informationelle Ausrichtung lässt sich heute in sämtlichen untersuchten Bereichen des Unternehmensrechts feststellen, wobei die Vorgaben größtenteils auf europäisches Sekundärrecht zurückgehen. Dieses bildet somit die Grundlage eines europaweiten „Informationsmodells“ im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht. Dabei ist von einem Vorrangcharakter von Informationspflichten gegenüber materieller Regulierung insofern auszugehen, als eine bloß parallellaufende Ergänzung von Pflichtpublizität und materiellem Recht eine nicht zu rechtfertigende Doppelregulierung zur Folge hätte (Ersetzungsmodell). 11. Die wachsende Kritik an einem dergestalt absolut verstandenen Informationsmodell, das von einem generellen Vorrang der Transparenz im europäischen Recht ausgeht und dabei insbesondere die Rolle der Wettbewerber nicht ausreichend zu berücksichtigen scheint, bot Anlass, die konzeptionellen Grundlagen eines solchen Modells erneut generell zu hinterfragen. Hierzu treten neben die ökonomischen Überlegungen die rechtlichen Vorgaben des europäischen Primärrechts, welches den sozialen Gerechtigkeitsgedanken zunehmend betont. 12. Die wirtschaftsverfassungsrechtlichen Grundlagen der EU weisen eine besondere Affinität zum Regelungsmittel Publizität auf. Diese entspricht in besonderem Maße den Vorgaben eines wettbewerbsorientierten, marktwirtschaftlichen Binnenmarkts. Als marktorientiertes Regelungsinstrument fördert sie einerseits Markteffizienz und Wettbewerb, andererseits kann sie sie einen hinreichenden – nicht zuletzt aus Gründen sozialer Gerechtigkeit erforderlichen – Ordnungsrahmen bei gleichzeitig weitestmöglicher Wahrung des Grundsatzes der Privatautonomie gewährleisten. 13. In Übereinstimmung mit der europäischen Wirtschaftsverfassung macht die Publizität dabei an den Grenzen des Ökonomischen nicht halt, sondern stärkt über den Marktmechanismus gezielt die individuelle Freiheit des Einzelnen. Die neuesten Initiativen der Kommission bestätigen dies. Sowohl beim Vorschlag zur Änderung von Transparenz- und Prospektrichtlinie als auch beim „Grünbuch über Finanzdienst-

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leitungen für Privatkunden“ erlangt die Information des individuellen Anlegers und Verbrauchers zunehmende Bedeutung. 14. Das ordoliberale Verständnis der Verträge ist letztlich der Grund dafür, dass die Vorgabe von Publizitätspflichten großteils auf Art. 50 Abs. 2 lit. g AEUV gestützt wird: Sie lassen sich als „gleichwertige Schutzbestimmungen“ verstehen, die es „im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter“ zu koordinieren gilt. Auch damit bestätigt sich folglich das Verständnis von Publizität als Korrelat einer europaweiten Inanspruchnahme der Märkte. Neben den Gedanken der Markteffizienz tritt auch hier der Individualschutz. Die Publizität wird als marktorientiertes Regelungsinstrument diesem Binnenmarktverständnis in besonderem Maße gerecht. 15. Danach lässt sich aus primärrechtlicher Sicht ein Vorrang der Publizität bestätigen, sofern diese (a) ein hinreichendes Schutzniveau für alle Marktteilnehmer bei (b) gleichzeitiger Minimierung der Eingriffsintensität in den Marktmechanismus gewährleistet (Übermaßverbot). 16. Ob diese Kriterien erfüllt sind, hängt entscheidend von der konkreten Ausgestaltung des Konzeptes ab. Transparenz ist damit nicht als Ziel in sich, sondern als Regelungsinstrument zu verstehen, das zielgerichtet zur Befriedigung konkreter Informationsbedürfnisse eingesetzt werden kann. Dabei sind neben der Entwicklungsstufe/ Informationseffizienz des jeweiligen Marktsegments die Interessen sämtlicher Marktteilnehmer im Rahmen einer Interessenabwägung im konkreten Einzelfall zu berücksichtigen – auch die gegenläufigen Interessen der zur Offenlegung verpflichteten Unternehmen. Dies entspricht den ökonomischen Erwägungen. 17. Das ständige Hinzukommen immer neuer Publizitätspflichten in Europa, das mit dem Aktionsplan Finanzdienstleistungen 1999 (FSAP) seinen Höhepunkt gefunden hat und im Aktionsplan Gesellschaftsrecht und Corporate Governance 2003 fortgeführt wurde, ließ Bedenken eines informational overkill laut werden. Diese Gefahr wurde noch insofern verstärkt, als (1) die zunehmende Technologisierung eine umfassendere Verbreitung der Daten ermöglicht, (2) die zunehmende Internationalisierung oftmals eigenständige und unabhängige (mithin parallel bestehende) Informationsmassen zur Folge hat, (3) die zunehmende Institutionalisierung zwar eine professionelle und technisch unterstützte Auswertung der Daten zur Folge hat, dadurch aber neu kombinierte Informationen hinzutreten, welche das „Pflichtgerüst“ zum Teil wiederholen, zum Teil aber auch durch eigene Schlussfolgerungen ergänzen, und (4) die zunehmende Disintermediation, in deren Rahmen der Privatanleger dieser Informationsmasse letztlich hilflos gegenübersteht. 18. Diese Entwicklung weist erstaunliche Parallelen zur securities regulation der USA auf. Nachdem sich die Chicago School dort in Reinform nicht hatte durchsetzen können, führten neuinstitutionalistische Ideen schnell zu einer Überregulierung, zum Bedürfnis nach einer Integration der Vorschriften (integrated disclosure system) und zu ergänzendem materiellen Recht (SOX). Die Marktorientierung der Debatte in den USA hat aber zur Folge, dass das Publizitätskonzept dort laufend an die sich wandelnden Rahmenbedingungen des Marktes angepasst wird, sich somit ständig dynamisch

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weiterentwickelt und aus diesem Grund die Grundentscheidung für Publizität als zentrales Regelungsinstrument dauerhaft Bestand hatte. Einen solchen Integrationsschritt haben das deutsche und europäische Recht noch zu leisten. 19. Damit besteht in der derzeitigen Konsolidierungsphase ein verstärktes Bedürfnis, die verschiedenen Publizitätspflichten untereinander abzustimmen und in ihrem Zusammenwirken zu optimieren. Dieses auf einem Systemgedanken basierende Bedürfnis nach Konsistenz ist nicht mit Deregulierung zu verwechseln, kann aber teilweise mit einer solchen einhergehen – etwa wenn am Vorbild einer integrated disclosure Doppelpflichten zusammengefügt werden. 20. Das Publizitätskonzept leistet den erforderlichen Integrationsschritt. Es bestätigt ein voranschreitendes Informationsmodell im europäischen Sekundärrecht, betont jedoch, dass es nur dann primärrechtlich und ökonomisch gerechtfertigt ist, wenn die Pflichtpublizität als marktorientiertes Regelungsinstrument die Interessen sämtlicher Marktteilnehmer in gerechten Ausgleich bringt. Publizität ist danach strikt adressatenorientiert zu verstehen und findet ihre Grenze immer dann, wenn der Adressat nicht selbst durch informierte Reaktionsmöglichkeiten (ggf. unterstützt durch Intermediäre und den Marktmechanismus als Ganzes) seine Schutzinteressen wahrnehmen kann. 21. Die Kritik am Informationsmodell ist somit als konstruktive Kritik zu verstehen, welche die Grenzen der Publizität verdeutlicht und den Systemgedanken wieder in den Mittelpunkt der Debatte rückt. Über ein vertikales „Stufenmodell“, das nach Inanspruchnahme verschiedener Marktsegmente (oder subjektiv anknüpfend nach Unternehmensgröße) differenziert, sowie eine horizontal erfolgende externe wie interne Integration der Publizitätspflichten, kann ein erheblicher Beitrag zur Herausbildung eines allgemeingültigen Tatbestandes der Unternehmenspublizität im Recht geleistet werden. 22. Auch diesen Integrationsschritt leistet das Publizitätskonzept. Die exemplarische Analyse der als besonders systemprägend erkannten Jahresabschlusspublizität bestätigte zunächst die These vom voranschreitenden Informationsmodell. Sowohl bei Einzelabschluss als auch bei konsolidiertem Abschluss stehen die Informationsbedürfnisse des Kapitalmarktes und somit die Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage entsprechenden Bildes ganz im Mittelpunkt. Ein Vergleich mit anderen Marktsegmenten verdeutlichte, dass mit dieser Ausgestaltung den Informationsbedürfnissen der Adressaten am regulierten Markt der Börsen gezielt Rechnung getragen wird. Das zunächst allgemein herausgearbeitete, nach verschiedenen Gruppen differenzierende Adressatenleitbild ließ sich mithin auf den Jahresabschluss übertragen. Dieser bringt im Rahmen seiner konkreten abgestuften Ausgestaltung die unterschiedlichen Informationsinteressen in Ausgleich und kann somit als individual- und institutionsschützendes Institut verstanden werden, das auf einem „Prinzip der Publizität“ beruht. 23. Ergänzt man den Jahresabschluss um die unterjährige Regelberichterstattung und Ad hoc-Publizität, so wird bei einer Zusammenschau deutlich, dass in Deutsch-

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land mittlerweile eine Regulierungsdichte erreicht ist, die über das Maß der USA noch hinaus geht. Damit bekommen die Bedenken eines informational overkill und die Forderungen nach Deregulierung und Integration der Publizitätspflichten zusätzliches Gewicht. Eine kohärente Abstimmung könnte hier ein höheres Maß an Anlegerschutz und Transparenz bei gleichzeitiger Reduzierung der informationellen Überlastung des Marktes zur Folge haben. 24. Ein marktorientiertes Konzept muss neben diesen „kapitalmarktorientierten Publizitätspflichten der laufenden Marktteilnahme“ (für den Jahresabschluss: zunehmend kapitalmarktorientiert) auch die nach herkömmlichem Verständnis verbandsrechtlichen und damit oftmals individuell ausgestalteten Informationsrechte – hier verdeutlicht anhand des Auskunftsrechts in der Hauptversammlung nach § 131 AktG – umfassen. Diese können damit dem Konzept zugeordnet werden, fügen sich jedoch auf formeller Ebene noch nicht hinlänglich in den kapitalmarktorientierten Veröffentlichungsmodus ein. 25. Schließlich bestätigte die Analyse der Erklärung zum Deutschen Corporate Governance Kodex nach § 161 AktG, dass von einem einheitlichen Tatbestand der Unternehmenspublizität im Recht auszugehen ist, von dem sämtliche Bereiche des Unternehmensrechts erfasst sind. Dieses marktbezogene Verständnis wirkt weit in das Unternehmensinnenrecht hinein und umfasst sämtliche unternehmensinterne und externe Vertragsbeziehungen auf verschiedensten Märkten. Dabei verdeutlichen die hier besonders betonten Governance-Funktionen der Publizität zugleich die Grenze des Publizitätskonzepts: Dieses ist marktvermittelt, bedarf mithin immer einer „Rückkopplung“ über den Markt und kann sich dessen informierter Entscheidung nicht widersetzen. Daher ist im Einzelfall gezielt zu hinterfragen, ob der Marktmechanismus wirklich alle Schutzinteressen hinreichend berücksichtigt. 26. Ein dergestalt verstandenes Publizitätskonzept, welches sich der Grenzen der Publizität bewusst ist, kann einen wichtigen Integrationsbeitrag leisten, um das Recht der Unternehmenspublizität zukunftsorientiert zu gestalten. Da alle Offenlegungspflichten im Kern darauf abzielen, die verschiedenen Informationsinteressen aller Marktteilnehmer in Ausgleich zu bringen, können sie in ihrem Zusammenwirken auf dieses Ziel hin optimiert werden. Es ist darum anzuregen, die unternehmensrechtlichen Publizitätspflichten nicht nur in ihrem systematischen Zusammenhang zu erkennen, sondern die dem System zugehörigen Pflichten dergestalt zu einem umfassenden Konzept zu integrieren, dass (1) parallel laufende Doppelpflichten abgebaut werden. Das Gesamtkonzept muss den Funktionskriterien gerecht werden und als Ganzes die Informationsbedürfnisse der verschiedenen Adressatengruppen in Ausgleich bringen. Dabei können einzelne Pflichten mehr dem einen oder mehr dem anderen Ziel, oder auch ganz speziellen Bedürfnissen einzelner Adressaten zu dienen bestimmt sein. (2) Dieses am Markt orientierte Informationsganze ist sodann extern mit anderen Regelungsmechanismen abzustimmen. So kann einerseits überflüssige Publizität, die ihren Regelungszielen nicht gerecht wird, abgebaut werden. Dann besteht weiterhin ein Bedürfnis nach materiell festgelegtem Schutz. Andererseits kön-

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nen weite Bereiche des Verbandsrechts, deren Aufgaben sich besser mit marktorientierten Instrumenten bewältigen lassen, entlastet werden. (3) Es konnte verdeutlicht werden, dass die Grenzen des Publizitätskonzepts als dynamisch zu verstehen sind. Sie verschieben sich laufend mit voranschreitender Marktentwicklung und sind daher stets an die aktuellen Marktbedingungen anzupassen. (4) Das Bedürfnis nach vertikaler Integration, die einen fließenden Übergang zwischen den Marktsegmenten gewährleistet, konnte hier nur am Rande einfließen. Die an weniger effizienten Marktsegmenten aufgezeigten Bedenken gegenüber dem informationellen Regelungsansatz konnten aber nicht auf den regulierten Markt übertragen werden. In ACHTUNGREdiesem Marktsegment besteht ein umfassendes, noch immer zunehmendes und gerechtfertigtes Bedürfnis nach Information. Die hier aufgezeigte ständige Abstimmung der Interessen aller Marktteilnehmer zu einem umfassend integrierten Gesamtkonzept ist aber Grundvoraussetzung, dass Publizität ein dauerhaft tragender Pfeiler im Recht börsennotierter Gesellschaften bleiben kann.

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Verzeichnis der zitierten EU-Rechtsvorschriften 1. Richtlinie (auch Publizitätsrichtlinie): Erste Richtlinie 68/151/EWG des Rates vom 9. März 1968 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften i.S.d. Art. 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten, ABl. EG Nr. L 65 vom 14. 3. 1968, S. 8. 2. Richtlinie (auch Kapitalrichtlinie): Zweite Richtlinie 77/91/EWG des Rates vom 13. Dezember 1976 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften i.S.d. Art. 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter für die Gründung der Aktiengesellschaft sowie für die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten, ABl. EG Nr. L 26 vom 31. 1. 1977, S. 1. 4. Richtlinie (auch Jahresabschlussrichtlinie und Bilanzrichtlinie): Vierte Richtlinie 78/660/ EWG des Rates vom 25. Juli 1978 aufgrund von Art. 54 Abs. 3 lit. g EG über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, ABl. EG Nr. L 222 vom 14. 8. 1978, S. 11. 7. Richtlinie (auch Konzernbilanzrichtlinie): Siebente Richtlinie 83/349/EWG des Rates vom 13. Juni 1983 aufgrund von Art. 54 Abs. 3 lit. g EG über den konsolidierten Abschluss, ABl. EG Nr. L 193 vom 18. 7. 1983, S. 1. 11. Richtlinie (auch Zweigniederlassungsrichtlinie): Elfte Richtlinie 89/666/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Offenlegung von Zweigniederlassungen, die in einem Mitgliedstaat von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen errichtet wurden, die dem Recht eines anderen Staates unterliegen, ABl. EG Nr. L 395 vom 30. 12. 1989, S. 36. Abschluss-Änderungsrichtlinie: Richtlinie 2006/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. 6. 2006 zur Änderung der Richtlinien des Rates 78/660/EWG über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, 83/349/EWG über den konsolidierten Abschluss, 86/635/EWG über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Banken und anderen Finanzinstituten und 91/674/EWG über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Versicherungsunternehmen, ABl. EU Nr. L 224 vom 16. 8. 2006, S. 1. Abschlussprüfungsrichtlinie: Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2006 über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen, zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 84/253/EWG des Rates, ABl. Nr. L 157 vom 9. 6. 2006, S. 87. Aktionärsrechterichtlinie (auch Aktionärsrichtlinie): Richtlinie 2007/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über die Ausübung bestimmter Rechte von Aktionären in börsennotierten Gesellschaften, ABl. Nr. L 184 vom 14. 7. 2007, S. 17.

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Verzeichnis der zitierten EU-Rechtsvorschriften

Änderungsrichtlinie zur Ersten Richtlinie: Richtlinie 2003/58/EG des Europäischen ParlaACHTUNGREmentes und des Rates zur Änderung der Richtlinie 68/151/EWG in Bezug auf die Offenlegungspflichten von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, ABl. Nr. L 221 vom 4. 9. 2003, S. 13. Änderungsrichtlinie zur Zweiten Richtlinie: Richtlinie 2006/68/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. September 2006 zur Änderung der Richtlinie 77/91/EWG des Rates in Bezug auf die Gründung von Aktiengesellschaften und die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals, ABl. Nr. L 264 vom 25. 9. 2006, S. 32. Anlegerentschädigungsrichtlinie: Richtlinie 97/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. März 1997 über Systeme für die Entschädigung der Anleger, ABl. Nr. L 84 vom 26. 3. 1997, S. 22. Bankbilanzrichtlinie: Richtlinie 86/635/EWG des Rates vom 8. Dezember 1986 über den Jahresabschluß und den konsolidierten Abschluß von Banken und anderen Finanzinstituten, ABl. EG Nr. L 372 vom 31. 12. 1986, S. 1. Beteiligungsrichtlinie: Richtlinie 88/627/EWG des Rates vom 12. Dezember 1988 über die bei Erwerb und Veräußerung einer bedeutenden Beteiligung an einer börsennotierten Gesellschaft zu veröffentlichenden Informationen, ABl. EG Nr. L 348 vom 17. 12. 1988, S. 62, nicht mehr rechtskräftig. Börsenzulassungsprospektrichtlinie (auch alte Börsenzulassungsprospektrichtlinie): Richtlinie 80/390/EWG des Rates vom 17. März 1980 zur Koordinierung der Bedingungen für die Erstellung, die Kontrolle und die Verbreitung des Prospekts, der für die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Notierung an einer Wertpapierbörse zu veröffentlichen ist, ABl. EG Nr. L 100 vom 17. 04. 1980, S. 1, nicht mehr rechtskräftig. Börsenzulassungsrichtlinie (auch alte Börsenzulassungsrichtlinie): Richtlinie 79/279/EWG des Rates vom 5. März 1979 zur Koordinierung der Bedingungen für die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Notierung an einer Wertpapierbörse, ABl. EG Nr. L 66 vom 16. 3. 1979, S. 21, nicht mehr rechtskräftig. Fair-Value-Richtlinie: Richtlinie 2001/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. September 2001 zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG, 83/349/EWG und 86/635/ EWG des Rates im Hinblick auf die im Jahresabschluss bzw. im konsolidierten Abschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen und von Banken und anderen Finanzinstituten zulässigen Wertansätze, ABl. EG Nr. L 283 vom 27. 10. 2001, S. 28. Fernabsatzrichtlinie: Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG des Rates und der Richtlinien 97/7/EG und 98/27/EG, ABl. Nr. L 271 vom 9. 10. 2002, S. 16. GmbH & Co. KG-Richtlinie: Richtlinie 90/605/EWG des Rates vom 8. November 1990 zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG über den Jahresabschluß bzw. den konsolidierten Abschluß hinsichtlich ihres Anwendungsbereichs, ABl. EG Nr. L 317 vom 16. 11. 1990, S. 60. Grenzüberschreitende Verschmelzungsrichtlinie: Richtlinie 2005/56/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 26. Oktober 2005 über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten, ABl. Nr. L 310 vom 25. 11. 2005, S. 1.

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Halbjahresberichtsrichtlinie: (auch Zwischenberichtsrichtlinie) Richtlinie 82/121/EWG des Rates vom 15. Februar 1982 über regelmäßige Informationen, die von Gesellschaften zu veröffentlichen sind, deren Aktien zur amtlichen Notierung an einer Wertpapierbörse zugelassen sind, Amtsblatt Nr. EG L 48 vom 20. 2. 1982, S. 26, nicht mehr rechtskräftig. IAS-Übernahme-VO: Verordnung (EG) Nr. 1725/2003 der Kommission vom 29. September 2003 betreffend die Übernahme bestimmter internationaler Rechnungslegungsstandards in Übereinstimmung mit der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. Nr. L 261 vom 13. 10. 2003, S. 1. IAS-VO: Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Juli 2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards, ABl. Nr. L 243 vom 11. 9. 2002, S. 1. Insiderrichtlinie: Richtlinie 89/592/EWG des Rates vom 13. November 1989 zur Koordinierung der Vorschriften betreffend Insider-Geschäfte, ABl. EG Nr. L 334 vom 18. 11. 1989, S. 30, nicht mehr rechtskräftig. Kapitalmarktpublizitätsrichtlinie (auch neue Börsenzulassungsrichtlinie): Richtlinie 2001/34/ EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Mai 2001 über die Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Börsennotierung und über die hinsichtlich dieser Wertpapiere zu veröffentlichenden Informationen, ABl. Nr. L 184 vom 6. 7. 2001, S. 1 (berichtigte Fassung: ABl. Nr. L 217 vom 11. 8. 2001, S. 18), geändert durch Prospekt- und Transparenzrichtlinie. Marktmissbrauchs-DRL (Begriffsbestimmungen): Richtlinie 2003/124/EG der Kommission vom 22. Dezember 2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Begriffsbestimmung und die Veröffentlichung von Insider-Informationen und die Begriffsbestimmung der Marktmanipulation, ABl. Nr. L 339 vom 24. 12. 2003, S. 70. Marktmissbrauchs-DRL (Darbietung): Richtlinie 2003/125/EG der Kommission vom 22. Dezember 2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die sachgerechte Darbietung von Anlageempfehlungen und die Offenlegung von Interessenkonflikten, ABl. Nr. L 339 vom 24. 12. 2003, S. 73. Marktmissbrauchs-DRL (Marktpraktiken): Richtlinie 2004/72/EG der Kommission vom 29. April 2004 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates – Zulässige Marktpraktiken, Definition von Insider-Informationen in Bezug auf Warenderivate, Erstellung von Insider-Verzeichnissen, Meldung von Eigengeschäften und Meldung verdächtiger Transaktionen, ABl. Nr. L 162 vom 30. 4. 2004, S. 70. Marktmissbrauchs-DVO: Verordnung (EG) Nr. 2273/2003 der Kommission vom 22. Dezember 2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates – Ausnahmeregelungen für Rückkaufprogramme und Kursstabilisierungsmaßnahmen, ABl. Nr. L 336 vom 23. 12. 2003, S. 33. Marktmissbrauchsrichtlinie: Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch), ABl. Nr. L 96 vom 12. 04. 2003, S. 16. MiFID (auch Wertpapierdienstleistungsrichtlinie): Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004, über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG

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Verzeichnis der zitierten EU-Rechtsvorschriften

des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates, ABl. EG Nr. L 145 vom 30. 4. 2004, S. 1 (MiFID), zuletzt geändert durch Richtlinie 2007/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. September 2007 zur Änderung der Richtlinie 92/49/EWG des Rates sowie der Richtlinien 2002/83/EG, 2004/39/EG, 2005/68/EG und 2006/48/EG in Bezug auf Verfahrensregeln und Bewertungskriterien für die aufsichtsrechtliche Beurteilung des Erwerbs und der Erhöhung von Beteiligungen im Finanzsektor, ABl. Nr. L 247 vom 21. 9. 2007, S. 1. MiFID-DRL: Richtlinie 2006/73/EG der Kommission vom 10. August 2006 zur Durchführung der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die organisatorischen Anforderungen von Wertpapierfirmen und die Bedingungen für die Ausübung ihrer Tätigkeit sowie in Bezug auf die Definition bestimmter Begriffe für die Zwecke der genannten Richtlinie (MiFID-DRL), ABl. Nr. L 241 vom 2. 9. 2006, S. 26. MiFID-DVO: Verordnung (EG) Nr. 1287/2006 der Kommission vom 10. August 2006 betreffend die Aufzeichnungspflichten für Wertpapierfirmen, die Meldung von Geschäften, die Markttransparenz, die Zulassung von Finanzinstrumenten zum Handel und bestimmte Begriffe im Sinne dieser Richtlinie (MiFID-DVO), ABl. Nr. L 241 vom 2. 9. 2006, S. 1. Modernisierungsrichtlinie: Richtlinie 2003/51/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2003 zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG, 83/349/EWG, 86/635/EWG und 91/674/EWG des Rates über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, von Banken und anderen Finanzinstituten sowie von Versicherungsunternehmen, ABl. EG Nr. L 178 vom 17. 7. 2003, S. 16. OGAW-Richtlinie: Richtlinie 85/611/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren, ABl. Nr. EG L 375 vom 31. 12. 1985, S. 3. Prospektrichtlinie: Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. Nr. L 345 vom 31. 12. 2003, S. 64. Prospektrichtlinie-DVO (auch ProspektVO): Verordnung (EG) Nr. 809/2004 der Kommission vom 29. April 2004 zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die in Prospekten enthaltenen Informationen sowie das Format, die Aufnahme von Informationen mittels Verweis und die Veröffentlichung solcher Prospekte und die Verbreitung von Werbung, ABl. Nr. L 149 vom 30. 04. 2004, S. 1 – 137; berichtigte Fassung in ABl. Nr. L 186 vom 18. 07. 2005, S. 3 – 104; zuletzt erweitert durch Verordnung (EG) Nr. 211/2007 der Kommission vom 27. Februar 2007 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 809/2004 zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die Finanzinformationen, die bei Emittenten mit komplexer finanztechnischer Vorgeschichte oder bedeutenden finanziellen Verpflichtungen im Prospekt enthalten sein müssen, ABl. Nr. L 61 vom 28. 2. 2007, S. 24. Rechnungslegungs-Gleichwertigkeits-VO: Verordnung (EG) Nr. 1569/2007 der Kommission vom 21. Dezember 2007 über die Einrichtung eines Mechanismus zur Festlegung der Gleichwertigkeit der von Drittstaatemittenten angewandten Rechnungslegungsgrundsätze gemäß den Richtlinien 2003/71/EG und 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. Nr. L 340 vom 22. 12. 2007, S. 66.

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Schwellenwertrichtlinie: Richtlinie 2003/38/EG des Rates vom 13. Mai 2003 zur Änderung der Richtlinie 78/660/EWG über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen hinsichtlich der in Euro ausgedrückten Beträge, Abl. Nr. L 120 vom 15. 5. 2003, S. 22. Transparenzrichtlinie: Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, ABl. Nr. L 390 vom 31. 12. 2004, S. 38. Transparenz-DRL: Richtlinie 2007/14/EG der Kommission vom 8. März 2007 mit Durchführungsbestimmungen zu bestimmten Vorschriften der Richtlinie 2004/109/EG zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen sind, ABl. Nr. L 69 vom 8. 3. 2007, S. 27. Übernahmerichtlinie: Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 betreffend Übernahmeangebote, ABl. EG Nr. L 142 vom 30. 4. 2004, S. 12. Versicherungsbilanzrichtlinie: Richtlinie 91/674/EWG des Rates vom 19. Dezember 1991 über den Jahresabschluß und den konsolidierten Abschluß von Versicherungsunternehmen, ABl. EG Nr. L 374 vom 31. 12. 1991, S. 7.

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430 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

Literaturverzeichnis

– Die nächste „kleine“ Aktienrechtsreform: Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie, in: Der Konzern 2008, S. 321 – 332. Zimmer, Daniel: Nach „Inspire Art“: Grenzenlose Gestaltungsfreiheit für deutsche Unternehmen?, in: NJW 2003, S. 3585 – 3592. – Finanzmarktrecht – Quo vadis?, in: BKR 2004, S. 421 – 423. Zülch, Henning/Hoffmann, Sebastian: Bilanzrechtmodernisierungsgesetz: Wesentliche Änderungen des Regierungsentwurfs gegenüber dem Referentenentwurf, in: BB 2008, S. 1272 – 1276. Zweigert, Konrad/Kötz, Hein: Einführung in die Rechtsvergleichung auf dem Gebiete des Privatrechts, 3. Aufl., Tübingen 1996. Zwirner, Christian: IFRS-Bilanzierungspraxis: Umsetzungs- und Bewertungsunterschiede in der Rechnungslegung, Berlin 2007. – Finanzkrise – Auswirkungen auf die Rechnungslegung, in: DB 2009, S. 353 – 356.

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

Sachverzeichnis Abnehmer 89, 114, 171, 181, 182, 178, 239 Abschlussprüfung 219, 261, 304, 339 f. Ad-hoc-Mitteilung 83, 133, 154, 157, 179, 269, 274, 302, 305, 308 ff., 324 ff., 351, 358, 362, 367, 372, 380 Adressatenorientierungsgrundsatz 27, 70, 152, 158 ff., 161 ff., 172 ff., 298, 343 ff., 371, 380 agency-cost-Ansatz 102 f., 110, 143 Akerlof-Modell 51, 72 ff., 102, 119, 173 Aktienanalyse 83 Aktiengesellschaft 23, 35 ff., 66, 73, 189, 191, 222, 251, 256, 331 ff., 349 Aktiengesetz von 1870 37 Aktienrechtsreform 38, 317 Aktionärsinformation 23, 186 ff, 364 Aktionärsinteressen 342 Aktionärsschutz 139 Allokationseffizienzprinzip 53, 112, 140, 203, 240, 353 Analysten 44, 82 ff., 105 ff., 128, 164, 178 ff., 306 ff. Anlageberatung 147, 172 Anleger – aktueller 333 – individueller 54, 304 – informierter 82 – institutioneller 84 ff., 92 ff., 105 ff., 130, 135, 171, 178, 181, 198 ff., 288, 307 ff., 353 – potentieller 54, 72, 171, 180, 289, 320, 333 Anlegerschutz – aktienrechtlicher 36 ff., 54, 97, 187 – informationeller 186 ff. – institutioneller 52 ff. – Rechtsprinzip 51 ff., 186 Arbeitnehmer 30, 132, 171, 181 ff., 191, 224, 243 ff., 278, 342 Aufsichtsrat 37, 87, 276, 281, 304, 311, 336, 341 ff.

Auskunftsrecht 187, 330 ff., 352, 361, 366 Axel Springer-Entscheidung 227 ff. Bank 48, 116, 217, 236, 244, 282, 320, 337, 362 Behavioral Finance 120 ff., 142 Behavioral Law and Economics 108 ff., 120 ff., 144 Bekanntmachung 32, 180, 266 ff., 277, 325, 336, 359 ff. Bereichsöffentlichkeit 164, 180, 337 Berichterstattung, periodische 299 ff., 368 Beteiligungstransparenz 316 ff., 337 Betriebsgeheimnis 234, 261 Bewertungsgrundsätze – Ansatzstetigkeitsgrundsatz 160 – Einheitlichkeitsgebot 160 ff, 269, 273, 284, 320, 322, 352 – Einzelbewertungsprinzip 280 – Imparitätsprinzip 280, 293 – Maßgeblichkeitsgrundsatz 289, 352 – Niederstwertprinzip 280 – Realisationsprinzip 280, 293 – Vorsichtsprinzip 280 Bilanz 78, 184 ff., 208 ff., 229 ff., 243 ff., 257, 276 ff. Bilanzanalyse 135 Bilanzierungsgrundsätze 285, 294 ff. Bilanzierungsvorschriften 294 ff. siehe auch GAAP, IAS/IFRS und HGB-Bilanzrecht Bilanzrecht 23, 31, 181, 206 ff., 246, 276 ff. Bilanzrichtliniengesetz 230, 278, 340 Börse 24, 35 ff., 44 ff., 65 ff., 146 ff. Börsenkurs 75 ff., 108, 164, 199, 317 Börsenordnung 151, 306 ff.. 373 Börsenzulassung 271 ff., 309, 258 Börsenzulassungsprospekt 269 ff. Börsenzulassungsprospektrichtlinie 262, 271, 361 Börsenzulassungsrichtlinie 262, 309

432 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

Sachverzeichnis

Bubble Act 126 Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht 289, 310 ff. Bundesanzeiger siehe E-Bundesanzeiger CalPERS 87, 119 f. capital asset pricing model 81, 125 Cassis-Entscheidung 223 ff. Centros-Entscheidung 211, 223 ff., 248, 294 continuous reporting 300 Corporate Governance 119, 129 ff., 149 ff., 156, 180, 189, 207, 214 ff., 220 ff., 246, 253 ff., 286, 301, 336, 338 ff., 374 Daihatsu-Entscheidung 181, 185, 227 ff. Danzer-Entscheidung 234 f. Datenbank 357, 370 Deutscher Corporate Governance Kodex 86 ff., 165, 180, 207, 331, 338 ff., 364 Directors dealings 263, 316 ff., 356 ff. disclosure – fair disclosure 71, 165 – integrated disclosure 62, 101, 146 ff., 262, 270, 355, 371 ff. – mandatory disclosure 69, 78, 140 ff. – real-time disclosure 159 – selective disclosure 84, 173 disclosure laws 71 disclosure philosophy 24, 71, 194, 212 ff., 301, 354, Disintermediation 397 D&O-Versicherung 347 Doppelregulierung 22, 28, 187, 218, 221, 271, 276, 282, 302, 350, 354 Drittschutz 57 E-Bundesanzeiger 266, 330 ff., 360 ff. economics of information 95 EDGAR 362, 373 Efficient Capital Market Hypothesis 71, 75 ff., 105 ff., 120 Eigenkapital 48, 81 ff., 85, 91, 109, 256 ff. Eigenkapitalgeber 171, 180 ff. Eintragung 365 Einzelabschluss 245, 276, 284, 288, 380 Emissionsprospekt 170 ff. Enforcement 130, 290, 304 ff.

Entscheidungsvorbereitungsfunktion 32, 173 Europäische Union 38 Europäisches Wirtschaftsrecht 194 ff. event studies 79 ff., 131 fair and full disclosure 143 Finanzanalysten 44, 128, 142, 164, 177, 180 Finanzierung 91, 104 ff., 129, 136, 207, 247, 257 f., 288, 344 Finanzkrise 99, 116, 134 ff., 155, 174, 245, 287, 296 f., 347 Firma 317 free-riding-Effekte 114, 170 Freiverkehr 63 Fremdkapitalgeber 32, 48 f., 86, 181, 185, 199 f., 284 Funktionsdogmatik 55 ff., 61, 181 Funktionsfähigkeit – allokative 50 – institutionelle 49 – operationale 50 Funktionsschutz 24, 48, 51 ff., 57, 59, 115, 150, 171, 204, 276, 309, 318 GAAP 85, 91, 290 ff. Geheimnisschutz 234, 261 Geschäftsjahr 273, 303 ff., 313 Gewinn- und Verlustrechnung 230 ff., 280 Gladstonesche Reformen 128 Gläubiger 181 ff., 200, 278 ff., 333, 338 Gläubigerschutz 46, 73, 132, 181 ff., 212, 223 ff., 368 Gleichbehandlung – aktienrechtliche 163 ff., 229 – informationelle 163 ff., 187, 237, 263, 316, 358 – kapitalmarktrechtliche 59, 152, 163 ff., 328 ff. Gleichbehandlungsgebote 166, 263, 328 Gleichbehandlungsgrundsatz 59, 84, 163 ff., 233 GmbH 25, 35 ff., 66, 222 ff., 248 ff. GmbH & Co. KG 64, 230 ff., 245 ff. GmbH & Co. KG-Richtlinie 230 ff. Großunternehmen 116, 183, 239, 278, 297 Grundfreiheiten 195, 203 ff., 208 ff., 224 ff., 240 ff., 260 ff.

Sachverzeichnis 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

Halbjahresbericht 262, 304 Handelsbilanz 289 Handelsrecht 45, 276 ff., 298 ff., 336, 340, 366 Handelsregister 22, 225, 237, 299, 361, 165 ff. Hauptversammlung 25, 38, 136, 165, 187, 280, 328, 330 ff., 361 ff. HGB-Bilanzrecht 184, 246, 257, 287, 293 ff. IAS/IFRS 85 ff., 134, 246 ff., 273, 277, 282 ff. IASC 293 Individualschutz 34 ff., 48 ff., 56 ff., 100, 138, 148 ff., 164, 176, 204, 266, 276, 298, 308 ff., 333, 350 Informationsaktualität 156 ff., 236, 272, 299, 305, 313, 355, 371 Informationsasymmetrien 22 ff., 54 ff., 68 ff., 170, 270, 335 Informationsbedürfnis 21 ff., 36, 87, 97, 139, 161 ff., 185 ff., 207, 244 ff., 285, 301, 325, 333, 359 ff. Informationsbeschaffung 50, 94, 114, 141 Informationseffizienz 51, 75 ff., 97, 100, 133, 143, 180, 217, 252, 333, 354 Informations-free-rider 114, 170 Informationsfunktion 70, 130, 135, 149, 156, 221, 278 ff., 292 ff. Informationsinteresse 183, 284, 295, 315 Informationsmarkt 357 Informationsmodell 23 ff., 39, 57, 67, 70 ff., 98, 130 ff., 182, 185, 189, 192 ff., 262, 298 ff., 348 Informationsökonomie 95 Informationspflicht 29, 114, 133, 169, 177, 188, 192 ff., 365, 373 Informationsproblem 149, 198 f. Informationsrecht 187 ff., 244, 336, 345 Informationsrisiko 58, 79 ff., 134 Informationsüberflutung 153 Informationsüberproduktion 113 ff., 153 Informationsumfang 72 ff., 135, 177, 238, 269, 286, 300, 313, 332 Informationsunterproduktion 114 f. Informationsversorgung 34, 56, 94, 115, 144, 149, 167

433

Innovationsbereitschaft 49, 196, 199, 236, 239 Insidergeschäft 110, 143, 316 Insiderhandel 76, 98, 110, 130, 263, 308 ff., 325 ff. Insiderhandelsverbot 309 Insiderinformation 308 ff. Insolvenz 181, 238, 365 Inspire Art-Entscheidung 224 ff. Institutionenökonomik 30, 92 ff. integrated disclosure system 62, 101, 146 ff., 262, 270, 355, 371 ff. Integration – der Publizitätspflichten 23 ff., 60, 127, 193 f., 202, 205 ff., 219, 252, 256, 259 ff., 270, 282, 324, 349, 371 ff. – europäische 212 ff. interest group legislation 115 f. Intermediär 56, 141 ff., 164, 172, 176 ff., 307 Internationalisierung 118, 159, 198, 261, 283 ff. Internet 159, 164 ff., 179 f., 199, 235, 274, 331, 356 ff. Intransparenz 96 f. Investmentfonds 82, 98, 129 Investor Relations 307, 334 Investorenschutz siehe Anlegerschutz Irrationalität 78, 84, 108, 120 ff., 142, 177 Jahresabschluss 82 ff., 91, 111, 135, 184, 229 ff., 276 ff., 339, 345, 352, 360, 366, 371 Jahresabschlussprüfung 219, 281, 304 f., 339 f. Jährliches Dokument 263, 268, 362, 366, 367 ff. Kapitalallokation 50 ff., 94 ff., 112, 140, 150, 167, 203, 240, 299, 353 Kapitalanlagebetrug 59, 70, 78, 110, 127 f. Kapitalanlagegesellschaft 338 Kapitalaufbringung 184, 212, 223 f., 238, 250, 288 Kapitalerhaltung 184, 238, 248 ff., 254, 277, 279, 282 ff., 294 Kapitalmarkt 36 ff., 259 ff. Kapitalmarktaufsicht 44, 324, 370

434 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

Sachverzeichnis

Kapitalmarkteffizienz 48 ff., 72 ff., 105 ff., 140 ff., 246, 254 ff., 308, 348, 359 Kapitalmarktinformation 266, 357, 362 Kapitalverkehrsfreiheit 195 ff. Key Investors Document 176, 359 Klarheitsgebot 152, 156, 158 ff., 272, 280 Kleinanleger 59, 84, 109, 145, 172 ff., 219, 247, 265, 270, 313, 374 Kleine und mittelgroße Unternehmen 85, 230 ff., 250 ff., 284 ff., 349 Komplexitätsargument 54 f., 109, 118 ff., 175, 227, 290 Konditionenrisiko 58 Konkurrent 91, 112 ff., 232 ff. Konsolidierung 101, 306, 314, 373 Konsument 108, 114, 175, 181 f. Kontrollfunktion 70, 155, 189 Konzern 38, 83 ff., 135, 267 Konzernabschluss 83 ff., 184, 245 ff., 277 ff. Konzernbilanzrichtlinie 208, 230, 261, 282 Konzessionssystem 37 Korrelat – der Haftungsbeschränkung 233 – der Marktteilnahme 141, 169, 189, 207 f., 379 Kreditinstitut 180, 278, 337 f. Lieferanten 89, 181 f., 236, 244, 278 limited company 223, 241, 248 Liquidationsrisiko 58 London Stock Exchange 342 mandatory disclosure siehe disclosure market for lemons 72, 102, 119 Markt – geregelter 63 ff. – organisierter 62 ff. – regulierter 64 ff., 337, 372 Marktbezogenheit 44, 127, 153, 266 Markteffizienz 49 ff., 70 ff., 98, 105 ff., 125 ff., 140, 143, 160, 264, 254, 299, 308, 348, 355, 363 Markteffizienzhypothese siehe Efficient Capital Market Hypothesis Marktentwicklung, Modell voranschreitender 98 ff., 106, 125, 129, 178, 194, 216, 254, 257, 298

Marktintegrität 64, 316 Marktkreis 29, 65 ff. Marktmissbrauchsrichtlinie 53, 65, 141, 253, 263, 309, 316, 356 Marktordnung 61 Marktprozesstheorie 96 Marktschutz 100, 150, 173, 194, 259, 266 Markttransparenz 63, 227, 243, 316 Marktversagen 53, 72 ff., 97, 102, 114 ff., 198, 344 Marktwirtschaft 96, 99, 144, 167 ff., 202 ff. – soziale 168, 204 ff., 242 materiality-Grundsatz 153, 322 Mehrheitsaktionär 186 merit analysis 78 Minderheitenschutz 38, 46, 132, 166 f., 257, 353 Minderheitsaktionär 358, 374 Mindestkapitalvorschriften 184, 212, 223 ff., 248 ff. Mitgliedschaftsrecht 31, 332 ff., 366 Mittelstand 85, 230 ff., 250 ff., 284 ff., 349 MoMiG 184, 248 ff. Musterverfahren 266 Muttergesellschaft 314 Neoklassisches Modell 74, 92 ff., 131, 167 Neuemission 71, 79, 146, 270, 375 New Deal 128 New York Stock Exchange 134, 146, 179, 301 Niederlassungsfreiheit 208 ff. Normativsystem 37 Offenlegung – anlassbezogene 308 ff. – periodische 299 ff. Öffentlichkeitsgrundsatz 32, 160 ff., 183, 187, 207, 278, 296, 303 ff., 325, 332 ff., 356 ff. Ökonomische Theorie 92 ff., 141 ff. Oktroi-System 37 path dependency 115 f. performance studies 82 f. Personenhandelsgesellschaft 276 Preisbildungsfunktion 130 ff., 150 Primärmarkt 50, 61 ff., 262 ff.

Sachverzeichnis 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

Primärrecht, europäisches 29, 193, 203 ff., 259 f. principal 73, 102 Produktmarkt 200, 232 ff., 365 Prognosebericht 135 ff., 295 proprietary cost 113 Prospekt 271 ff. public good theory 114 Publikumsgesellschaft 36 f., 187 ff., 283, 295, 331 Publizität – Ad-hoc-~ 83, 133, 154, 179 f., 269, 274, 290, 308 ff., 324 ff., 337, 351, 359, 362 ff. – Aktienrechtliche 22, 37 f., 187 ff., 318, 328, 333 ff., 360 ff. – Beteiligungs~ 263 f., 316 ff. – Bilanz~ 276 ff. – Börsenzulassungs~ 63, 262, 271 f., 358 ff. – Branchen~ 277, 337 f. – Finanz~ 70 – formelle 142, 156 ff., 327 ff., 354 ff. – freiwillige 24, 33, 69, 87 ff., 109, 147 ff., 193, 280, 306 ff., 353, 364 – gesellschaftsrechtliche 70, 131, 207, 260 ff., 276 ff., 365 – größenabhängige 66, 169, 231, 245 f., 267, 284 – handelsrechtliche 276 ff., 359, 366 – Handelsregister~ 37, 237, 361 ff. – Hauptversammlungs~ 38, 187 ff., 280, 328, 330 ff., 361 – Individual~ 167 – Jahresabschluss~ 82 ff., 184 ff., 207, 222, 230 ff., 276 ff. – Kapitalmarkt~ 41, 139 – Konzernabschluss~ 184, 245, 277 ff., 303 ff. – Lageberichts~ 88, 135 ff., 231, 273, 280 ff., 303 ff., 340 – Markt~ 176, 228 ff., 292 f. – Markteintritts~ 61, 116, 170, 190, 260 ff., 355, 361 – marktendogene 33, 74 f., 100, 102 ff., 167 – Marktteilnahme~ 30, 62, 141, 169, 194, 217, 234, 262 ff., 275 ff., 295, 372 – periodische 299 ff., 386

435

– Pflicht~ 21, 32 ff. – Primärmarkt~ 262, 269 ff. – Prognose~ 76, 135 ff., 154 – Prospekt~ 35, 269 ff. – Rechnungslegungs~ 276 ff. – Register~ 31, 224, 230, 365 ff. – Sekundärmarkt~ 275 ff. – Unternehmens~ 30 ff., 72, 141 – Zwischenberichts~ 276, 300 ff. Publizitätsadressat 32, 52 ff., 147, 169 ff. Publizitätsdogmatik 26, 34, 48, 55 ff., 139, 181, 330, 333 Publizitätsemittent 153 ff., 169, 262 ff., 272 ff., 315 Publizitätskonzept – kapitalmarktrechtliches 30 f., 68 ff. – unternehmensrechtliches 36 ff., 259 ff. Publizitätskosten 50 ff., 74 ff., 94 ff., 195, 241 ff., 297, 355 Publizitätsprinzip 22 f. Publizitätsregime 79, 354 ff. Publizitätsrichtlinie 181, 225 ff., 260 ff., 356 Publizitätssystem 65, 69 Publizitätsverhalten 134, 137, 151 Quartalsbericht

300 ff.

race to the bottom 118 Rating 105, 114 ff., 120, 226, 257 Rationalität 59, 73, 92 ff., 108, 120 ff., 185, 171, 266 Rechnungslegung 83 ff., 276 ff. Rechnungslegungsharmonisierung 276 ff. Rechnungslegungsstandards 135 ff., 185 Rechtsvergleichung 51, 69, 78, 146, 153 Rechtsverkehr 37, 279, 282, 304 Risikosenkungsfunktion 150, 173 Russland 98 ff. safe harbor 112, 148, 155 Sanktionsdogmatik 34 Securities Act 71 Securities and Exchange Commission 71, 81, 126, 143 ff., 158, 213, 290, 321 Securities Exchange Act 71 Securities Regulation 39, 69, 78 ff. Segmentberichterstattung 85 ff., 280, 286

436 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

Sachverzeichnis

Segr-Bericht 40 f., 195 Sekundärmarkt 50, 61 ff., 262 f., 269 ff., 360, 371 f. Sekundärrecht, europäisches 194, 259 ff., 270 Selbstinformation 111, 149, 279 Selbstkontrolle 133, 149, 246 Selbstregulierung 33, 69, 86, 107 f., 168 Selbststeuerung 34, 149 Signal-Theorie 73 ff., 96, 103 ff., 137, 146, 204, 251, 306, 346 Slim-Initiative 38, 218 ff., 253 Societas Europaea (SE) 248 ff. Societas Privata Europaea (SPE) 248 ff. socit  responsabilit limite (SARL) 184, 256, 261 socit anonyme (SA) 317 soft information 77, 112, 155 soft law 47, 131, 264, 353 South Sea Bubble 109, 126 ff. Sozialpolitik 30, 48, 52 ff., 79 f., 127 f., 183, 193, 204 Sozialschutzprinzip 175 Spekulation 51 ff., 59, 78, 108, 121, 125, 128 ff., 171, 297 Staat 29, 37, 74 ff., 107 ff., 167 ff., 217 ff., 244, 277, 333, 346 standard setting 137, 161 Standardisierung 62, 105, 145, 161, 173, 213, 223

Unternehmensregister 160, 180, 299, 329, 257 ff., 365 ff. Unternehmensübernahme 35, 65, 103, 110, 135, 243, 261, 317, 321 ff., 339, 352

Transparenzgebot 223 ff. Transparenzrichtlinie 65, 166, 179 f., 247, 263, 268 ff., 299 ff., 256 ff., 373 true and fair view 245, 273, 293

Werthaltigkeitsgebot 156 ff., 326, 375 Wesentlichkeitsgebot 153 ff., 272, 292, 311, 320, 330, 364, 375 Wettbewerb – als Entdeckungsverfahren 96, 196 – der Rechtsordnungen 195, 198 ff. – der Systeme 72, 104, 117 f., 146, 196 ff. Wettbewerber 49, 85, 88 ff., 116 ff., 137, 154, 160, 167 ff., 182, 202 ff., 230 ff., 235 ff., 280 ff., 360 Wettbewerbsfähigkeit 47, 184, 220 Wettbewerbsfreiheit 205 f., 244 Wettbewerbsordnung 167, 199 ff. Wettbewerbsrecht 85, 90, 182, 204 ff., 239 Wheat-Bericht 81 Wirtschaftskrise 99, 116, 134 ff., 155, 174, 245, 287, 296 f., 347

Überseering-Entscheidung 183, 223 ff., 248 Umfragestudien 58, 84 ff., 235 Umwelt-Audit 149 f., 183 Unionsrecht 38, 40, 194 ff., 206, 222, 226, 242, 259 ff., 264 Unternehmensfinanzierung siehe Finanzierung Unternehmensgröße 35, 66, 81, 247, 267, 279, 286, 291 Unternehmensinnenrecht 25, 253, 333

Verbandsrecht 25, 31, 52, 103, 186 ff., 212 ff., 335 Verbraucher 31, 54, 127, 168, 182, 205, 240 f. Verbraucherschutz 48, 52, 56, 97, 139, 149, 175 ff., 227, 263 Verfassungsrecht 175, 203 ff., 231, 242, 341 Vergleichbarkeitsgebot 85 ff., 123, 134 ff., 156 ff., 199, 211, 265, 269 ff., 282 ff., 290 ff., 300, 308, 326, 352 Verhaltenssteuerungsfunktion 70, 132 f., 143, 173, 183, 200, 215 Verkaufsprospekt 176 Verkehrsschutz 225, 249 ff. Veröffentlichung siehe Publizität Versicherungen 43 f., 227, 278, 323, 337 f. Versicherungsbilanzrichtlinie 282 Vertrauensschutz 54 f., 72, 84, 95, 127, 142, 173, 183 Vertrauenstatbestand 350 Verwaltungsrisiko 57 Vollständigkeitsgebot 72, 152 ff., 184, 272 ff., 326, 368 Vorstandsvergütung 344 ff.

Sachverzeichnis 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44

Wirtschaftsrecht 22, 30 Wirtschaftsverfassung 29 f., 42, 47, 203 ff., 240 ff.

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Zweigniederlassungsrichtlinie 224 ff., 260 Zwischenbericht 276, 300 ff. Zwischenmitteilung 305