Ein Klang - zwei Welten: Blues im geteilten Deutschland, 1945 bis 1990 9783839433874

People like to reduce the blues to a handful of clichés and twelve bars. But in actual fact, behind the seemingly standa

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Ein Klang - zwei Welten: Blues im geteilten Deutschland, 1945 bis 1990
 9783839433874

Table of contents :
Inhalt
Schalt bloß diesen Lärm aus . . .
Einleitung
Kalter Schnitt und schöner Schein
Woher wir wissen, was der Blues ist
Early in the Morning: Aufbruch
Im Kraftfeld der Hot-Club-Bewegung
B.O.A.S.: Blues Overseas American Service
Jazz- und Bluesrezeption in der DDR
Die Eroberung der medialen Grauzonen
Archaische Typen: Blues auf der Bühne
Get off of My Cloud: Emanzipation
Idee und Design der American Folk Blues Festivals
Logistik, Marketing und künstlerische Profile
Die zweite Staffel der American Folk Blues Festivals
Das American Folk Blues Festival in der DDR
Bluesdiskurse: Topoi, Deutungsmuster und Klischees
Standing at the Crossroads: Expansion
Zwischen Pop und politischem Protest
Die Stimme des ›anderen Amerika‹
Der Blues als offizielle Kultur in der DDR
Auf Deutsch: Blues und Muttersprache
Fernab des Mainstreams: L+R Records
I'm Drifting and Drifting: Alltag
Nischen und Biotope: Aktionsräume der Szene
Das Selbstverständnis des German Blues Circle
Nur ein ›Schwarzer‹ kann den Blues singen
Metamorphosen: Blues und Hippiekult in der DDR
Fans im Visier von Staat und Geheimdienst
...dreh doch mai lauter
Resümee
Abkürzungen
Literatur
Bildnachweis
Dank
Personen- und Bandregister

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Michael Rauhut Ein Klang – zwei Welten

Studien zur Popularmusik

Michael Rauhut (Dr. phil.), geb. 1963, Musikwissenschaftler, Rundfunkjournalist und Filmautor, gehörte zu den Gründungsmitgliedern des Forschungszentrums Populäre Musik der Humboldt-Universität zu Berlin. Seit 2008 lehrt er als Professor für Populäre Musik an der University of Agder in Kristiansand/Norwegen.

Michael Rauhut

Ein Klang – zwei Welten Blues im geteilten Deutschland, 1945 bis 1990

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2016 transcript Verlag, Bielefeld

Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlagkonzept: Markus und Michael Rauhut Coverentwurf, Bildbearbeitung und Satz: Markus Rauhut, Trondheim Umschlaggestaltung: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Lektorat: Michael Rauhut Korrektorat: Kristine Balitzki, Berlin Printed in Germany Print-ISBN 978-3-8376-3387-0 PDF-ISBN 978-3-8394-3387-4 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

Für meine Kinder Lily und Markus



% #' Einleitung .......................................................................................................................................................................................... 9

 $  Woher wir wissen, was der Blues ist ............................................................................................................... 19 !  Im Kraftfeld der Hot-Club-Bewegung ........................................................................................................... B.O.A.S.: Blues Overseas American Service ......................................................................................... Jazz- und Bluesrezeption in der DDR ............................................................................................................ Die Eroberung der medialen Grauzonen ..................................................................................................... Archaische Typen: Blues auf der Bühne .....................................................................................................

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 !" Idee und Design der American Folk Blues Festivals ..................................................................... 99 Logistik, Marketing und künstlerische Profile ................................................................................... 109 Die zweite Staffel der American Folk Blues Festivals ............................................................. 124 Das American Folk Blues Festival in der DDR ................................................................................ 135 Bluesdiskurse: Topoi, Deutungsmuster und Klischees ............................................................ 145

  Zwischen Pop und politischem Protest ...................................................................................................... Die Stimme des ›anderen Amerika‹ ............................................................................................................... Der Blues als offizielle Kultur in der DDR ........................................................................................... Auf Deutsch: Blues und Muttersprache ..................................................................................................... Fernab des Mainstreams: L+R Records ....................................................................................................

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( Nischen und Biotope: Aktionsräume der Szene ............................................................................... Das Selbstverständnis des German Blues Circle ............................................................................. Nur ein ›Schwarzer‹ kann den Blues singen ........................................................................................ Metamorphosen: Blues und Hippiekult in der DDR ................................................................... Fans im Visier von Staat und Geheimdienst ........................................................................................

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' Resümee ....................................................................................................................................................................................... 299

   ....................................................................................................................................................................   .....................................................................................................................................................................................     ....................................................................................................................................................................   ................................................................................................................................................................................................        ....................................................................................................................

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    Das klingt doch alles irgendwie gleich, ist sich der Bluesverächter mit dem Globalisierungskritiker einig. Diese zwölf Takte, geronnen zur Norm, aufgebläht mit Virtuosität und Larmoyanz, ein uraltes Muster, das weltweit als Stöhnen der geschundenen Seele vermarktet wird. Wer von den ›blauen Tönen‹ unberührt bleibt, nennt sie musikalische Dutzendware, einen diffusen, enervierenden Lärm. Und der Bluesfan selbst? Gehört er nicht einer absonderlichen Spezies an? Ein Outsider, nach innen gekehrt, kaum gesellschaftsfähig. Schrittmacher sehen anders aus. – Die Stereotype rasten ein, wenn das Phänomen »Blues« auf dem Prüfstand landet. Seine identitätsstiftenden Qualitäten sind mit der Außenperspektive nur schwer zu fassen, sie entziehen sich dem technokratischen Blick. Und doch verraten die sozialen Wirkungen, dass diese Musik auf höchst unterschiedliche wie subtile Weise mit Sinn gefüllt wird. Hinter der scheinbar standardisierten Oberfläche verbergen sich vielfältige Formen der symbolischen Aufladung und lustvollen Aneignung. Dieses Buch wagt den Versuch eines beschreibenden Vergleichs der medialen Vermittlung und des kulturellen Gebrauchs des Blues im geteilten Deutschland. Mit der komparativen Annäherung wählt es eine »oft beschworene, aber noch lange nicht ausgereizte«1 Methode. Seit dem Fall der Mauer häufen sich innerhalb der Geschichtswissenschaft jene Stimmen, die eine wechselseitige Kontextualisierung der Nachkriegsentwicklung beider deutscher Staaten fordern.2 Im Bereich der Popmusikforschung wurde dieser Ansatz bisher kaum verfolgt.3 Dabei birgt er

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Lindenberger, 31. Vgl. stellvertretend Kleßmann sowie Bösch. Dorothee Wierling verweist auf den Bereich der »populären Kultur« als aussagekräftiges Feld. Wierling, 117. Zu den Ausnahmen vgl. stellvertretend Poiger.

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so manche Chance, vermag er doch unser Wissen über gesellschaftliche Wirkungsmechanismen von Musik zu schärfen. Die vorliegende Studie untersucht die spezifischen Bedeutungszusammenhänge, die sich um den Blues in Ost und West rankten. Wie wurden die Sounds und Images, die ursprünglich aus den USA stammten und von dort um die Welt reisten, in den Alltag konträrer Gesellschaftssysteme übersetzt? Welche sozialen Prozesse gerieten in Gang? Wie kommunizierten die Fans den Blues? Was waren prägende, Wahrnehmung strukturierende Diskurse? Welchen Einfluss besaß das offizielle, von den Medien und der Propaganda transportierte Bild? Pointiert gefragt: Klang der Blues tatsächlich über alle Grenzen hinweg ›gleich‹ oder müssen wir nicht vielmehr von sonischen Impulsen sprechen, die mannigfache Resonanz auslösten und erst im kulturellen Gebrauch konkrete Gestalt fanden? Populäre Musik entfaltete sich in Ost- und Westdeutschland unter weitestgehend grundverschiedenen Rahmenbedingungen.4 Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Land in einen sozialistischen und einen kapitalistischen Teil dividiert. In der Bundesrepublik herrschten demokratische Verhältnisse und ein marktwirtschaftlicher Wettbewerb. Massenkulturelle Entwicklungen orientierten sich an amerikanischen Trends.5 Jenseits des großen Geschäfts blieb aber auch genügend Raum für alternative Initiativen und Szenen. Die DDR war zentralistisch organisiert und vom Primat der Ideologie beherrscht. Der Staat schränkte den Handlungsradius privater Akteure erheblich ein und monopolisierte die Produktion und Verbreitung populärer Musik. Er besaß die Entscheidungsgewalt, die sich in einem weit verzweigten Netz von Institutionen und juristischen Direktiven manifestierte.6 Seiner Kontrolle war der komplette Medienbereich und Veranstaltungssektor unterstellt. Gesetzblätter fixierten, wer öffentlich Musik ausüben durfte. Amateure hatten eine so genannte Spielerlaubnis zu erwerben, die neben künstlerischen Fähigkeiten auch politisches Wohlverhalten voraussetzte. Berufsmusiker mussten in der Regel ein Studium absolvieren. Professionalität definierte sich also nicht über den Marktwert, sondern die Ausbildung und Gesinnung des Kandidaten. Ein aufwändiger Sicherheitsapparat wachte über die Dynamik des Livealltags. Kulturelle Bewegungen, die dem sozialistischen Egalitätsprinzip zuwiderliefen und ein Recht auf Individualität einklagten, wurden als politische Bedrohung identifiziert. Auch Presse, Funk und Fernsehen waren gleichgeschaltet. Im Unterschied zum westlichen Pluralismus wurde die öffentliche Meinung zensiert und durch

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Zur vergleichenden Gesellschaftsanalyse vgl. stellvertretend Burrichter sowie Glaser. Zum Einfluss der USA auf frühe Jugendkulturen der BRD vgl. Maase. Detailliert: Wicke/Müller sowie Rauhut: Rock in der DDR 1964 bis 1989, insbesondere 5–20.

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Parteidoktrin geschliffen. Die Propaganda erklärte Songs und Schallplatten, die in den volkseigenen Studios entstanden, zur autarken Schöpfung und sozialistischen Antwort auf das manipulative Industrieprodukt des Kapitals, nur weil sie sich in der Muttersprache artikulierten. Tatsächlich versuchte jeder Musiker, die vom Westen gesetzten Standards und Soundmuster zu kopieren.7 So sehr sich der Staat auch um Totalkontrolle mühte, musste er immer wieder Lücken im System eingestehen. Die auf dem Papier suggerierte monolithische Geschlossenheit wurde durch Interessenkonflikte, Pragmatismus, Korruption und Widerstand untergraben. Einheitliches Handeln blieb eine Illusion. Und auch der Vorsatz, alltagskulturelle Prozesse per Dekret zu steuern, ging nie auf. Selbst das gewaltige Arsenal repressiver Strategien konnte nicht verhindern, dass der Musikfan unablässig Nischen erschloss. Die politisch brisanteste Schutzzone erstreckte sich unter dem Dach der Evangelischen Kirche. Dort waltete das aufrichtige Wort und fanden auch jene Künstler ein Podium, denen die Behörden die Lizenz entzogen hatten. Freiräume dieser Art stehen im Zentrum meiner Untersuchung. Ich möchte Mikrostrukturen jenseits der abgezirkelten Bahnen von Staatspolitik und Großwirtschaft beleuchten, Ost wie West. Auch in der Bundesrepublik spielten Nischen und Biotope eine nachhaltige Rolle. Wie anderswo auf der Welt, waren dort die »Blues-Evangelisten«8 und »kulturellen Mittelsmänner«9 zu Hause, Missionare, die für eine effiziente Verbreitung der von ihnen vergötterten Musik sorgten und ideologische Raster prägten. Sie haben die Entwicklung des Blues auf entscheidende Weise beeinflusst. In einer Zeit, die von den heutigen technischen Möglichkeiten weit entfernt war, knüpften sie reißfeste Netzwerke und steckten sie die diskursiven Koordinaten ab. Wie die Kommunikation funktionierte, gehört zu den Kernfragen meiner Monographie. Die zweite forschungsleitende Kategorie, die sich durch den Text zieht, heißt »Identität«. Populäre Musik fungiert als Klammer über ein vielgestaltiges Reservoir von Symbolen, Verhaltensmustern und Attitüden, die zur Abgrenzung dienen. Nur der Kreis der Eingeweihten kann ihre Codes entschlüsseln. Ihr kultureller Kontext ist ein Raum der Selbstfindung und Selbstverwirklichung. Der britische Soziologe Simon Frith vermerkte zu Recht: »Der erste Grund, der diese Musik attraktiv macht, ist ihr Gebrauch zur Beantwortung von Fragen nach unserer Identität. Wir benutzen Popsongs, um uns eine bestimmte Art von Selbstdefinition zu schaffen, einen bestimmten Platz innerhalb der Gesellschaft. Das Vergnügen, das

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Detailliert: Rauhut: ebd. Vgl. Schwartz: Preaching the Gospel of the Blues. Filene: Romancing the Folk, 5.

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Popmusik produziert, ist ein Vergnügen der Identifikation – mit der Musik, mit den Künstlern, mit anderen, die sie ebenfalls mögen.«10 Prinzipieller formuliert: »Identität ist keine Sache, sondern ein Prozess – ein erfahrungsbezogener Prozess, der sich am deutlichsten als Musik erfassen lässt. Musik scheint ein Schlüssel zur Identität zu sein, denn sie bietet eine hochgradig ausgeprägte Empfindung für das Selbst und die Anderen gleichermaßen, für das Subjektive im Kollektiven an.«11 Die nachfolgende Abhandlung diskutiert die Formierung verschiedenartiger Bluesmilieus und -communities als Akt der Identitätsfindung, sie umreißt Binnenstrukturen und äußere Effekte, ortet ideologische Fixpunkte. Mit dem Blues rückt eine der tragenden Säulen afroamerikanischer Musik in den Fokus.12 Seit er Anfang der 1920er Jahre von den Verwertungsmechanismen der Schallplattenindustrie erfasst wurde, hat er eine enorme Wirkung entfacht. Bis heute fungiert der Blues als ein Idiom der populären Musik, ist sein Einfluss auf zeitgenössischen R & B, Soul oder Hip-Hop13 nicht zu überhören.14 Und er hat selbst etliche Metamorphosen durchschritten, sich zigfach gehäutet, Muskeln antrainiert oder gestylt. Anpassung ist ein Gesetz der Evolution. Auch nach knapp einem Jahrhundert medialer Existenz scheint seine Vitalität und Magie ungebrochen, bleibt der Blues ein Gegenentwurf zur Kurzatmigkeit der Moderne.15 Dabei hat er nur selten die peripheren Regionen verlassen und den Beifall der Massen gefunden. Konjunkturelle Wellen spülten ihn immer mal wieder nach oben.16 Zuletzt stand er kurz nach der Jahrtausendwende im internationalen Rampenlicht. Der US-Senat erklärte 2003 zum »Jahr des Blues«, prominent gesponsert vom

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Frith: Towards an Aesthetic of Popular Music, 140. Frith: Music and Identity, 110. Zu Begriff, Geschichte und Typologie vgl. stellvertretend Hoffmann: Blues; Wicke/ Ziegenrücker: Handbuch der populären Musik, Stichwort »Blues«, 94–102; Wald: The Blues. Zur Definition popmusikspezifischer Begriffe siehe hier und im Folgenden Wicke/ Ziegenrücker: Handbuch der populären Musik. Wer will, kann sogar in der Ästhetik und Attitüde des Punk Blueswurzeln erkennen. Vgl. Rapport. Zum Blues als Ausdruck der Moderne sowie zur Dialektik von Tradition und Fortschritt vgl. Grist und Middleton: O Brother, Let’s Go down Home. Beachtlich bleibt die Rolle des Blues als Teil der amerikanischen Tourismusindustrie, etwa an historischen Orten wie Chicago und Memphis oder im Mississippi-Delta. Vgl. King.

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Automobilkonzern VW. Angeblich hatte hundert Jahre zuvor der afroamerikanische Bandleader und Komponist William Christopher Handy17 diese Musik zum ersten Mal gehört und für den Rest der Welt ›entdeckt‹. In einer »Offiziellen Proklamation« hieß es, der Blues sei die global »einflussreichste Form amerikanischer Roots Music«, ein »historischer Schatz, der für kommende Generationen erhalten, studiert und dokumentiert werden muss«.18 Die Feierlichkeiten von 2003 schlossen zahlreiche Konzerte, Empfänge und Medienaktivitäten ein, darunter die siebenteilige Filmreihe »Martin Scorsese Presents the Blues: A Musical Journey«. Doch nach dieser kurzen Saison verschwand der Blues wieder in den Niederungen, sicht- und hörbar nur noch für eine vergleichsweise kleine, eingeschworene Gemeinde von Fans. Auch ich zähle zum Kreis der Insider. Das zu erwähnen, scheint mir wichtig, weil es die Motivation und Blickrichtung meiner Arbeit partiell erklärt. Schon als Teenager entdeckte ich die Liebe zum Blues, fühlte ich mich von den Klängen und Botschaften, der eigenwilligen Melange aus Leidenschaft und Distanz getroffen. Ich habe in der DDR die besondere Kraft dieser Musik erlebt, war Teil einer Jugendkultur, deren Anhänger sich »Blueser« nannten. Wir mieden den Mainstream und entzogen uns, so gut es ging, den Verlockungen und Zwängen des Systems. Als die Mauer fiel, änderten sich der Zweck und die Optionen, wurde der Rahmen neu justiert. Die politische Spannung entwich, Konturen verschwammen. Informationen und Tonträger waren nicht länger eine Mangelware, sondern quasi unbegrenzt verfügbar, dem Konzertgänger stand die Welt offen. Ich blieb dem Blues als Journalist, Radiomoderator und Akademiker treu, vor allem jedoch als Fan. Die gesamtdeutsche Szene der Gegenwart ist mir genauso vertraut wie ihre Geschichte. Natürlich spielte dieses spezielle Wissen, mein biographischer Background, eine nicht unerhebliche Rolle bei der Themenwahl und kritischen Auseinandersetzung. Subjektive Erfahrung in wissenschaftliche Erkenntnis zu transferieren und somit Kompetenzen zu bündeln, sehe ich als Chance und Herausforderung. Dass es durchaus lohnen kann, diesen Weg zu beschreiten, haben Kollegen wie Paul Oliver, David Evans oder Elijah Wald eindrucksvoll bewiesen. Ihr persönlicher, emotionaler Zugang zum Blues hat das Forschungsinteresse nicht getrübt, sondern sublimiert.

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W. C. Handy (1873–1958) nannte sich selbst den »Father of the Blues«. Entscheidenden Anteil an der Etablierung dieser Legende hatte Handys Freund und Vertrauter Abbe Niles, ein junger, ›weißer‹ Wall-Street-Anwalt und Bluesexperte. Vgl. Hurwitt. Official Proclamation: http://www.yearoftheblues.org/officialProclamation.asp (letzter Aufruf am 27.04.2012).

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Meine Untersuchung stützt sich auf eine Fülle von Quellen. Neben akademischer Lektüre, publizistischen Reflexionen, Wortmeldungen der Fach- und Tagespresse, Fernsehaufzeichnungen, Tonkonserven, E-Mails und mündlichen Informationen sind es vor allem öffentlich zugängliche oder in Privathand befindliche Archivalien, die meine Darstellung grundieren.19 Ein Großteil dieser Dokumente lag bisher im Dunkeln und wird nun zum ersten Mal präsentiert. Vergleicht man die Quellenlage in Ost und West, fallen gravierende Unterschiede auf. Mit der Freigabe des internen Nachlasses von SED und Stasi steht ein riesiger Fundus zur Verfügung. Sein Wert für die Forschung kann kaum überschätzt werden. Die Berichte und Analysen des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR gewähren einzigartige Einblicke in Diktatur und Alltag – einen sensiblen und kritischen Umgang vorausgesetzt. Es entbehrt nicht eines gehörigen Zynismus, dass sich der Geheimdienst und seine Inoffiziellen Mitarbeiter im Nachhinein als Chronisten erweisen. Denn schließlich stützten die von ihnen zusammengetragenen Aktenberge die Observation und »Zersetzung« zahlloser Nonkonformisten und Andersdenkender. Heute können sie als Zeugnisse eines untergegangenen Landes gelesen werden. In den Archiven des Staats- und Sicherheitsapparates finden sich kostbare Daten zum Charakter und Kontext der Bluesszene der DDR. Analoge Quellen existieren für die Bundesrepublik nicht. Dort gaben die Fans ihren musikkulturellen Alltag selbst zu Protokoll. Anders als im Osten konnten sie sich frei artikulieren, nutzten und etablierten sie alternative Kanäle wie Fanzines, Newsletter oder unabhängige Zeitschriften, die weder als Sprachrohr der Industrie fungierten noch schnöde Profitinteressen verfolgten. Ihr unermüdlicher Eifer zielte auf die Vernetzung einer medial kaum wahrgenommenen Minderheit, Distinktionsgewinn und die Demonstration von Deutungsmacht. Am nachdrücklichsten hatte sich der 1976 in Frankfurt am Main gegründete German Blues Circle, ein amtlich eingetragener »Verein zur Förderung des Blues«, dieses Anliegen auf die Fahnen geschrieben. Das von ihm herausgegebene Informationsblatt, welches insgesamt 358-mal erschien, lehnte jedwede Zensur ab. Und so spiegelt es auf fast schon sensationelle Weise das Weltbild jener Klientel, die den Willen zur Selbstdarstellung oder zum Dialog besaß und letztlich die internen Diskurse wie auch die öffentliche Wahrnehmung der westdeutschen Bluesgemeinde dominierte. Von immensem historischen Wert ist ebenso das schriftliche Erbe der Firma Lippmann + Rau. Sie hat den Blues auf die großen europäischen Bühnen gebracht und das Schallplattenangebot mit wegweisenden Independentproduktionen bereichert. Es ist ein Glücksfall, dass die Büros der beiden Geschäftsführer in verschiedenen

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Um den ohnehin voluminösen Quellenapparat nicht noch weiter auszudehnen, haben nur die zitierten Materialien Eingang in das Literaturverzeichnis gefunden.

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Städten lagen und deshalb wichtige Entscheidungen per Brief oder Telex kommuniziert wurden. Die Öffnung der DDR-Archive hat einen regelrechten Aufarbeitungsboom ausgelöst. Inzwischen ist in etlichen Bereichen der Geschichtsschreibung ein Ungleichgewicht zwischen Ost und West nicht mehr zu übersehen. Das betrifft auch die alltagskulturellen und politischen Dimensionen populärer Musik. Sie sind für den sozialistischen Teil Deutschlands weitaus präziser erforscht. Die Auseinandersetzung mit dem Blues tendiert in divergierende Richtungen. Seine Entfaltung östlich der Demarkationslinie ist vor allem als facettenreiches jugendkulturelles Phänomen unter die Lupe genommen worden.20 Der Blick gen Westen konzentriert sich auf mediale, biographische und musikstilistische Aspekte, industrielle Organisationsformen, Strukturen der Livesphäre und regionale Spezifika.21 Auch wenn die getrennte Entwicklung unter dem Vorzeichen der Zweistaatlichkeit längst der Vergangenheit angehört, wir angesichts der Zäsuren von 1945 und 1990 von einem historisch klar umzäunten Terrain sprechen können, bleiben die Informationen und Einsichten im Fluss. Je nach Wahl der Perspektive treten Ausschnitte multipler Zusammenhänge in den Vorder- oder Hintergrund. Die hier zur Diskussion stehende Forschungsarbeit nähert sich dem Komplex mithilfe von vier Fallstudien. Sie alle fragen nach der sozialen Relevanz des Blues in unterschiedlichen Zeiträumen und gesellschaftlichen Konstellationen. Das Buch erhebt weder den Anspruch einer lückenlosen Chronologie noch eines enzyklopädischen Rundumschlages. Vielmehr geht es um das Erhellen konstitutiver Bezüge. Eingedenk der Tatsache, dass einzelne Akteure tiefe Spuren hinterlassen haben, werden manche Kapillargänge der Geschichte betreten. Die zahlreichen Detailinformationen sollen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass vielschichtige Realitäten lediglich punktuell, idealtypisch und modellhaft abgebildet werden können. Weil ungleiche Rahmenbedingungen herrschten, bleiben die Möglichkeiten einer vergleichenden Beschreibung der Genese des Blues in Ost und West begrenzt, sind Disproportionen unvermeidlich. In der Bundesrepublik besaßen ökonomische Relationen eine hegemoniale Dringlichkeit, während unter sozialistischen Verhältnissen die Verbreitung und Rezeption von Musik stärker politisch aufgeladen war. Das Bild, das wir vom Blues haben, unsere Assoziationen, Klischeevorstellungen und Erwartungen, ist historisch gewachsen. Kapitel eins eruiert, woher dieses Wissen stammt. Es wirft ein Schlaglicht auf initiierende Debatten in den USA,

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Vgl. stellvertretend Rauhut/Kochan. Siehe Rauhut/Lorenz sowie Siebers/Zagratzki.

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verfolgt den transatlantischen Ideologietransfer nach Europa und betrachtet spezifische Reflexionsmodi in Ost- und Westdeutschland.

Transformationsprozesse: Bluesforscher Walter Liniger (links) und Sonny Boy Nelson, Greenville, Mississippi, 1991

Das zweite Kapitel verortet frühe Bluesdiskurse im Kontext des Jazz. Die international vernetzte Hot-Club-Bewegung zementierte langfristige Deutungsmuster und protegierte nach dem Zweiten Weltkrieg den Blues als Kunstform, holte ihn auf die Konzertbühnen. Bessie Smith wurde zum Maßstab stilisiert. In der BRD der fünfziger Jahre schlugen Pioniere wie Günter Boas und Horst Lippmann publizistische Schneisen für den Blues. Die DDR-Propaganda hingegen zog ihn kaum ins Kalkül, sondern konzentrierte sich auf den Jazz als ein vermeintliches Mittel gegnerischer Diversion. Kapitel drei ist den American Folk Blues Festivals gewidmet. Die Konzertreihe, die 1962 aus der Taufe gehoben wurde und 1985 zum letzten Mal auf Tournee ging, emanzipierte den Blues als eigenständiges Genre in ganz Europa. Lippmann + Rau verfolgten mit ihrem Projekt eine künstlerische und didaktische Vision und installierten gleichzeitig ein tragfähiges Geschäftsmodell. Sie exportierten das Programm auch in die DDR, wo es eine außergewöhnliche Resonanz fand. In den sechziger Jahren funktionierte die Festivalserie als machtvolles ideologisches Podium, lieferte ihre Vermarktung griffige Schablonen für die politische

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und soziologische Auslegung des Blues. Die Phalanx der Meinungsmacher wurde von Joachim-Ernst Berendt angeführt. Der Dichotomie von Pop und Protest, in die sich die Bluesentwicklung um die Wende zu den Siebzigern gabelte, geht das vierte Kapitel nach. Befeuert durch den Woodstock-Mythos und von den Wogen einer als »progressiv« deklarierten Rockmusik nach oben geschwemmt, erlebte der Blues einen Popularisierungsschub. Er wurde in Gestalt des »Blues Rock« massenkompatibel und rückte nun auch auf die Agenda der Majorfirmen. Am anderen Ende des Spektrums reklamierten gegenkulturelle Strömungen der Bundesrepublik den Blues als Motto antikapitalistischer Subversion. Gleichermaßen kritisch wurde die industrielle Umarmung von orthodoxen Fans kommentiert. Die ostdeutschen Medien identifizierten den Blues als Stimme des ›anderen Amerika‹. Dabei taugte er genauso zum Spiegel der gesellschaftlichen Konflikte des eigenen Landes. Das zeigten die Songs und Auftritte des Ostberliner Musikers Stefan Diestelmann besonders plastisch. In Westdeutschland ragte die Band Das Dritte Ohr heraus. Etliche ihrer Texte prangerten die Deformationen des Kapitalismus an. 1979 nahmen L+R Records den Betrieb auf. Das Independentlabel verschrieb sich dem ›echten‹, ästhetisch ausgereiften Blues der Randzonen. Sein Œuvre schloss Aufnahmen ein, die während exklusiver Field Trips in den USA entstanden. Kapitel fünf thematisiert die Selbstorganisation der Fans in den siebziger und achtziger Jahren. Zu ihrem Output gehörte das 1980 gestartete »Blues Forum«, die erste deutsche Zeitschrift der Sparte. Einer überregionalen Kommunikation und Zusammenarbeit sah sich der German Blues Circle verpflichtet. Sein monatlich verschicktes »Info« avancierte zu einer Plattform, auf der die Glaubenskriege der Szene ausgefochten wurden. Jahrelange Diskussionen kreisten um das Verhältnis von Authentizität, Rasse und Kommerz. In der DDR spielten Deutungskämpfe dieser Art kaum eine Rolle. Dort wurde der Blues zum Soundtrack des stillen Widerstands umgewertet, zur Chiffre einer unangepassten Jugend. Die Leitbilder, Attitüden und das kulturelle Stilrepertoire entstammten der Hippieära. Weil sie dem Ideal der »sozialistischen Persönlichkeit« widersprach, landete die Bewegung im Fadenkreuz der Sicherheitsorgane. Schutz spendeten private Veranstalter und die Evangelische Kirche, die zwischen 1979 und 1986 so genannte »Bluesmessen« ausrichtete. Letztlich zeitigte die Dynamik sozialer Prozesse radikalere Folgen als der Würgegriff der Stasi: Unter dem Konkurrenzdruck nachwachsender Jugendkulturen verlor der Blues dramatisch an Attraktivität und Signifikanz.

 Jeder Akkord, den er anschlug, war echt, genauso gediegen wie ein Dollar.1 DAVID »HONEYBOY« EDWARDS

          Wenn Akademiker das Skalpell ansetzen, landet der Blues schnell in einem ambivalenten Licht. Zwar bleibt seine historische Relevanz unangetastet, wird der Blues als eine Wurzel moderner Popmusik geschätzt – die medialen Stereotype und die quasi-religiöse Verehrung der Fans sind jedoch immer wieder Anlass für zynische Kommentare oder fundamentale Kritik. Dabei haben sich die Mythen und Klischees längst den genetischen Codes dieser Musik eingeschrieben, sie sind Teil der globalen Erbmasse, ein wahrnehmungsleitendes Chromosom. Sie gehören in gleicher Weise zu den konstituierenden Merkmalen des Blues wie seine musikalischen Spezifika und sein Kernsujet, das um den Topos von Schmerz und Verlust kreist.2 Unser Wissen über den Blues speist sich aus vielen Quellen, es mischt harte Fakten, Spekulationen und das Leuchten des schönen Scheins. Die Empfindungen, Erklärungsansätze und Meinungen gehen analog zum Grad der Involviertheit auseinander, sie zersplittern in disparate ›Wahrheiten‹ und stehen sich oft genug unversöhnlich gegenüber. Während er für die einen lediglich clever maskierte Unterhaltung, Rührseligkeit oder autistisches Selbstmitleid verkörpert, erkennen die

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Der Bluesmusiker David »Honeyboy« Edwards über eine Begegnung mit dem Gitarristen Sam Chatmon. Edwards, 209. Zur Rolle von Verlust und Nostalgie im Blues vgl. Middleton: O Brother, Let’s Go down Home.

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anderen im Blues nichts Geringeres als einen essenziellen Hall von Menschlichkeit, eine Art klingende Conditio humana.3 Der Regisseur Wim Wenders4 versichert: »Im 20. Jahrhundert hat kein Manifest, kein Grundgesetz und keine Unabhängigkeitserklärung mehr Freiheit und Identität gestiftet als der Blues.«5 Er ist keine Kunst des Konsens, sondern eine, die polarisiert. Man hört den Blues nicht ›nebenbei‹. Die konkurrierenden Interpretationsstränge zu entwirren und gleichzeitig die unterschiedlichen Motivationen und Interessen zu verstehen, ist alles andere als einfach. Viel zu oft dominiert aseptische Distanz, ein Missverständnis von Objektivität, und ein blinder Fortschrittsglaube, der nur heutige Perspektiven gelten lässt und früheren Sichtweisen den Weitblick abspricht. Dabei ist das, was wir zu wissen meinen, historisch gewachsen. Etliche der bis dato gängigen Attribute haften dem Blues seit dem Beginn seiner medialen Verbreitung vor rund einhundert Jahren an.6 In seinem Ursprungsland, den USA, prägten journalistische, literarische und akademische Reflexionen sowie das Marketing der Plattenfirmen ein Bild, das um die Welt ging. Als besonders resistent und einflussreich erwiesen sich die Deutungsmuster ›weißer‹ Musikologen und Volkskundler. Sie werteten den Blues Anfang des 20. Jahrhunderts zum Forschungsgegenstand auf, rückten diese Musik, die bislang als primitiv geschmäht und deshalb ignoriert wurde, in den Fokus.7 Ihre politischen Ansätze streuten, sie bedienten das gesamte Spektrum von ultrakonservativ über liberal bis marxistisch. Und doch rüttelten sie nicht am Machtprinzip: Sie näherten sich einer fremden Kultur ›von außen‹, aus einer privilegierten sozialen Position, und taxierten sie nach den eigenen Wertmaßstäben. Die divergierenden Schulen der Blues-

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Zum Verhältnis von Kontext und Sinn afroamerikanischer Musik vgl. Gilroy. Wim Wenders hat 2003 »The Soul of a Man« veröffentlicht. Der Streifen gehört zur international viel beachteten, siebenteiligen Dokumentarfilmserie »Martin Scorsese Presents the Blues: A Musical Journey«. Wenders, 12. Kritischen Quellenforschungen zufolge trat der Blues als eigenständiges Genre Anfang des 20. Jahrhunderts mit Notendruck und Schallplatte in Erscheinung. Musikalische Elemente und instrumentale Techniken, die später als bluestypisch identifiziert wurden, kursierten jedoch schon weitaus früher. Vgl. Middleton: Voicing the Popular, 44 und 41. Eine frühe Zäsur setzte der Essay »Folk-Song and Folk-Poetry as Found in the Secular Songs of the Southern Negroes«, den der promovierte Soziologe Howard Washington Odum 1911 im renommierten »Journal of American Folklore« veröffentlichte.

   

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geschichtsschreibung tauchten ihr Forschungsobjekt in ein romantisch-verklärendes Licht, das sich nur hinsichtlich seiner Schattierungen unterschied.8 Egal, ob der Blues als Fenster zur fremden Seele des ›Schwarzen‹, eine Antwort auf die gesellschaftlichen Widersprüche der USA oder gar als Hymne der Revolution identifiziert wurde – die Vorzeichen variierten, der Blick blieb jedoch verhangen. Kritiker lasten der romantischen Attitüde einen unausrottbaren Rassismus an.9 In den rührseligen Schilderungen wie in den radikalen Pamphleten erkennen sie die Arroganz der Macht.10 Abwägende Stimmen geben eine Kehrseite zu bedenken: Erst die schillernde Patina weckte das grenzüberschreitende Interesse am Blues.11 Tatsächlich fußt ein beträchtlicher Teil der Faszination auf seiner verbalen Existenz, der ›Übersetzung‹ des klanglichen Materials in sprachliche Bilder.12 Das Element der Romantik ging von Anbeginn mit einem speziellen Authentizitätsverständnis einher.13 Den Blues sahen die ›weißen‹ Gelehrten niemals nur

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Vgl. Garabedian. Einen wertenden Überblick der Bluesliteratur des 20. Jahrhunderts bietet Evans. In Anlehnung an den Historiker George Fredrickson beschreibt Steven P. Garabedian diesen Zusammenhang als »romantic racialism«. Garabedian, 476–477. Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass in der Folgezeit auch etliche ›schwarze‹ Autoren einen romantischen Zugriff pflegten. So packte etwa der selbst ernannte »Father of the Blues«, der afroamerikanische Komponist und Bandleader William Christopher Handy, seine angeblich erste Begegnung mit dieser Musik, die er ins Jahr 1903 datierte, in markige, werbespotverdächtige Slogans, als er von einem »hageren, gelenkigen« Slidegitarristen berichtete: »Er war in Lumpen gehüllt; seine Füße lugten durch die Schuhe. Sein Gesicht trug die Trauerspuren der Jahrhunderte.« Handy, 74. Ähnlicher Klischees bediente sich die Reklame für Schellackproduktionen, die ab Anfang der 1920er Jahre unter dem Label »Race Records« veröffentlicht wurden. Vgl. Hamilton, 243. Mit der so genannten »Harlem Renaissance«, dem Aufblühen afroamerikanischer Kunst in den 1920er Jahren, avancierte der Blues zum literarischen Gegenstand und Stilelement. Seine Diktion und Phraseologie sowie die typischen Sujets wurden als poetische Kraft erkannt. Kritiker warfen führenden Vertretern der Bewegung wie Langston Hughes oder Carl Van Vechten eine Verzerrung ins Intellektuelle und Groteske vor. Vom Blues ›an sich‹ verstünden sie nichts. Diese Meinung teilte beispielsweise Alfons Michael Dauer. Er kommentierte den Mitschnitt einer Veranstaltung im Rahmen des Newport Jazz Festivals 1960, die sich dem Blues widmete. Unter anderem traten Muddy Waters und John Lee Hooker auf, Langston Hughes hielt einen Vortrag. Dauers Urteil über den »schwarzen Establishment-Angehörigen« fiel vernichtend aus: »Der Dichter hat ein stereotypes Bluesbild, das er an den Vokabeln der journalistischen Jazz-Literatur aufhängt und auf die spätromantischen, exotistischen Ideologien der Harlem Renaissance stützt; es ist ohne Bezug zur Bluesrealität wie auch zur Bluesgeschichte.« Dauer: Langston Hughes und der Blues, 180. Detaillierter: Wicke: Die Leiden des weißen Mannes.

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als bloße Unterhaltung, sondern überhöhten ihn zum unmittelbaren Ausdruck menschlichen Daseins. In dieser Musik erklänge der Schrei des Herzens, artikuliere sich ungefiltertes Leid und Sehnsucht, aber auch latenter Widerstand. Die Konstrukteure der Bluesideologie hielten an einer eindimensionalen Entwicklungslogik fest. Sie präsentierten ihr Objekt der Begierde als eine ›schwarze‹ Kultur, die dem Elend der Sklaverei entsprang, im Schlamm des Mississippi-Deltas gewaltige Blüten trieb und schließlich die Städte eroberte – nun zwar elektrisch verstärkt, doch immer noch rein und unkorrumpiert.

Unser Bild vom Blues: Big Joe Williams, Crawford, Mississippi, 1978

Ein solcher Tenor prägt bis heute die öffentliche Wahrnehmung, ungeachtet der Tatsache, dass wissenschaftliche Recherchen viel komplexere Kausalzusammenhänge nahe legen. Ihnen zufolge ist der Blues ein interethnisches Produkt, das afrikanische und europäische Traditionen verschmolz, sich im urbanen Süden der USA etablierte und dann auch auf die ländlichen Regionen ausstrahlte.14 Der amerikanische Musikethnologe und Anthropologe Charles Keil ging noch einen Schritt weiter, als er 1985 in einem provokanten und von Spekulationen nicht gänzlich freien Essay behauptete, unsere Idee vom Blues sei eine Kopfgeburt, die Vorstellung, die ›Weiße‹ eben von ›Schwarzen‹ besitzen. Zugespitzt formuliert: »Wir können den Blues eine weiße ›Herzkrankheit‹ nennen«. Nach Keil lagen die

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Vgl. stellvertretend Hamilton sowie Middleton: O Brother, Let’s Go down Home.

   

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Anfänge der kommerziellen Verbreitung des Blues in ›weißer‹ Hand und dauerte es rund fünfzehn Jahre, bis er ab der zweiten Hälfte der 1920er von Afroamerikanern als eigenes Identitätssiegel akzeptiert wurde.15 Parallel dazu setzte eine Welle der Ideologisierung ein, die für diese Musik einen Folklorestatus reklamierte. Die Glaubenssätze entkoppelten den Blues seiner industriellen Existenzbedingungen und stilisierten ihn zur Volksmusik. Feldforscher durchkämmten die Südstaaten der USA, um wertvolle Zeugnisse einer vermeintlich ›unberührten‹, langsam aussterbenden Kultur dem Vergessen und der Verflachung zu entreißen. Eine immense, bis zum heutigen Tag nachhallende Autorität besaßen John A. Lomax (1867–1948) und sein Sohn Alan (1915–2002). Sie waren ab 1933 im Auftrag der Washingtoner Library of Congress unterwegs und bauten ihre mobile Aufnahmetechnik vorzugsweise in Zuchthäusern auf, denn dort vermuteten sie den Archetypus des schwarzen Bluesmannes, isoliert vom verwässernden Einfluss moderner Massenkommunikationsmittel und seichter Popkultur. Mit Leadbelly, einem afroamerikanischen Sänger und Gitarristen, hatten sie das perfekte Role Model gefunden.16 Leadbelly war wegen Mordes verurteilt worden und verbüßte eine langjährige Haftstrafe, die 1934 wegen guter Führung vorzeitig endete. In den Augen der Lomaxes konservierte er den Klang einer fernen Ära, funktionierte er als lebendes Bindeglied zu den Wurzeln, ein Rohdiamant, der die Idee des ›Echten‹ personifizierte. Dementsprechend wurde er präsentiert und vermarktet: als ein kostbarer Anachronismus, der »Volksliedfund des Jahrhunderts«,17 ein wildes, ungezähmtes Wesen, das seinen Emotionen freien Lauf lässt. John Lomax fütterte die Boulevardpresse mit reißerischen Vokabeln, als er für 1935 den karrieredienlichen Umzug an die Fleischtöpfe des Entertainments annoncierte: »Leadbelly ist ein Nigger bis auf die Knochen. Außerdem ist er ein Killer. Die Wahrheit erzählt er nur versehentlich. … Er ist so wollüstig wie eine Ziege, und wenn er für mich singt, läuft mir ein Schauer über den Rücken, und manchmal kommen Tränen. All die Gefängniswärter meinen, ich lege keinen Wert auf mein Leben, wenn ich ihn als Reisegefährten benutze. Ich spiele mit dem Gedanken, ihn im Januar nach New York zu bringen.« 18 Im Einklang mit den monetären Interessen des Künstlers, manipulierten die Lomaxes nicht nur Leadbellys Image, sondern auch sein Repertoire, seine Musik

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Vgl. Keil: People’s Music Comparatively, 120–121, Zitat: 120. Huddie William Ledbetter (1888–1949), so sein bürgerlicher Name, wurde erstmals 1933 von John und Alan Lomax während eines Field Trips aufgenommen. Zu Leadbelly und den Lomaxes vgl. Filene, insbesondere 47–75. Ebd., 58. Zit. ebd., 59.

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und Performance. Gemessen am eigenen Anspruch, den Kern der Dinge ohne Vorurteil ans Licht zu fördern, bleibt das Vermächtnis von John und Alan Lomax ausgesprochen problematisch und zwiespältig: Die beiden Forscher haben mit ihrer unermüdlichen Sammlertätigkeit und den begleitenden Publikationen das elitäre Denken ihrer Zeit zwar durchbrochen und afroamerikanische Lieder sowie deren Schöpfer ins Zentrum des Folk-Song-Kanons gerückt, dafür jedoch einen fragwürdigen Preis gezahlt. Sie »kreierten einen ›Authentizitätskult‹, ein Dickicht von Erwartungen und Wertungen«,19 und maßschneiderten jenen Blues, der ihrer romantischen Vorstellung von ›Echtheit‹ entsprach.20 Um der Idee Leben einzuhauchen, rückten sie neben der Musik auch den Künstler ins Blickfeld und thematisierten auf diese Weise den Akt der Schöpfung. Das sollte weitreichende Konsequenzen haben, wurde der klanglichen Ebene doch eine ikonische Dimension hinzugefügt. Die von der Lomax-Dynastie in Stein gemeißelte Definition des ›authentischen‹ Blues und die stillschweigend mitgelieferten Rezeptionsanweisungen zirkulierten in Europa lange nur unter Insidern.21 Ab den fünfziger Jahren diffundierten sie mit den sporadischen Auftritten amerikanischer Bluessänger in die Konzertsäle und Medien. Ein mächtiges Podium fanden sie schließlich um die Wende zu den Sechzigern, als die Welle eines Folk-Revivals bis nach Deutschland brandete.22 In ihrem Kielwasser reisten ›schwarze Originale‹ über den Atlantik und wurden von jungen Intellektuellen und politisch Linken als Botschafter einer bedrohten Spezies begrüßt.23 Die Saat, die John und Alan Lomax einst gelegt hatten, ging nun auch in der Neuen Welt auf. Denn die Festivals und Großveranstaltungen, auf denen sich die alternden Bluesbarden plötzlich wiederfanden, frönten wie die flankierenden Werbe- und Medienkampagnen ihrem »Authentizitätskult«. Die Musik, die man dort als ›ursprünglich‹ und lupenrein feierte und die angeblich

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Ebd., 49. Der Hang zur Verklärung blieb für beide typisch, auch wenn Alan Lomax später einen politisch linken Standpunkt bezog und sich damit vom Konservatismus seines Vaters klar abgrenzte. Vgl. Garabedian, 481. Man fand sie in Fanzines, Fachzeitschriften und den Nischenprogrammen des Rundfunks. Westdeutsche Jazzmagazine beleuchteten schon relativ frühzeitig die Rolle der Lomaxes, sie druckten Porträts von Leadbelly und rezensierten seine Schallplatten. Vgl. stellvertretend Clayton; Rehnberg: Der große Huddie Ledbetter; Hudtwalcker: Leadbelly. Zur zyklischen Wiederkehr von Folk-Revivals im 20. Jahrhundert vgl. Filene. Im Laufe der sechziger Jahre stilisierten gegenkulturelle und radikale Kreise Westdeutschlands den Blues zum Protestsymbol. Sie sahen ihn als Kampfmittel der Bürgerrechtsbewegung, das auch im eigenen Land taugte. Vgl. Siegfried: Authentisch schwarz.

   

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unter dem Schutt der Moderne nur auf ihre Entdeckung wartete, hat in dieser Form nie existiert. Sie wurde von den Architekten des Revivals aus Versatzstücken und Klischees konstruiert und nach ihrem Weltbild redefiniert.24 Etikettiert als »Folk Blues«,25 war ihr ein ›weißes‹ Kunstverständnis eingeschrieben, klang sie geglättet und kultiviert.26 In die Aufbrüche des Folk-Revivals fiel die Veröffentlichung eines Buches, das eine enorme Wirkung entfachen sollte: »The Country Blues« von Samuel B. Charters. Die Studie war das Ergebnis mehrerer Field Trips und diskographischer Recherchen, sie wurde 1959 publiziert und von einer gleichnamigen Langspielplatte begleitet.27 Charters (1929–2015), ein junger amerikanischer Jazz-Liebhaber und aufstrebender Beat-Poet, suchte nach einem »möglichst hohen Grad von Objektivität«,28 weshalb sich seine Künstlerporträts auf die kommerziell erfolgreichsten Musiker konzentrierten. Seine Reflexionen über den Blues verrieten einen Hang zur Dichtkunst, aber auch den Eifer des Missionars. Im Rückblick räumte Charters ein, dass seine flammende Propaganda für den Sound des ›anderen Amerika‹ ein politischer »Schrei nach Hilfe« war, eine Streitschrift und »meine private Revolution«. Er wollte jungen ›Weißen‹ die Augen für eine gesellschaftliche Alternative öffnen, die der Blues mustergültig symbolisiere. Rassismus und Heuchelei, von denen die ›weiße‹ Kultur gleichermaßen durchflutet wäre, hätten das Land an einen Abgrund manövriert. Den »Freimut« und die »Unmittelbarkeit« des »schwarzen Ausdrucks« sah er als Chance für einen Bewusstseinswandel und neuen Kurs. Belehrt durch den Antikommunismus und die Hexenjagd des McCarthyismus, vermied Charters offene Kritik und kämpferische Parolen und kleidete stattdessen seine Visionen in romantische Bilder. Manches klang für ihn selbst ein bisschen »schrill«, wie er im Nachhinein bekannte. »Aber ich wollte erreichen, dass die

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Vgl. Titon, insbesondere 222–223, sowie Feintuch. Zur Geschichte der Kategorie »Folk Blues«, die von Howard Washington Odum eingeführt worden war und im Zuge des Folk-Revivals Ende der fünfziger Jahre eine starke Popularisierung erlebte, vgl. Wicke: Die Leiden des weißen Mannes, 244. Zum Konzept von »Folk Blues« und »Popular Blues« vgl. Evans. Bei aller Kritik dürfen die positiven Effekte des Folk-Revivals und des folgenden Bluesbooms nicht vergessen werden: Sie lösten eine Suche nach kulturellen Alternativen aus, schlossen die Vergangenheit des Blues mit der Zukunft kurz und brachten diese Musik einem Massenpublikum nahe. Vgl. Narváez, 244–246 sowie Groom, 109. Various Artists: The Country Blues, edited by Samuel B. Charters, Folkways Records RF 1, USA 1959. Introduction to the 1959 Edition, in: Charters: The Country Blues, 21975, xviii.

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Leute zuhören, und das schien mir der direkteste Weg, um durchzudringen«. 29 Tatsächlich haben seine Poesie und Wortgewalt dafür gesorgt, dass Samuel B. Charters’ Buch ein Bestseller und Standardwerk geworden ist. Der Autor reist mit dem Leser in eine geheimnisvolle Welt, in der sich Wirklichkeit und Phantasie vermischen. Er schildert die Tristesse des amerikanischen Südens als primären Aggregatzustand des Blues: »armes Farmland« mit »rohen Holzhütten« und »kümmerlichen Weiden«, »Sonnenglut« und »verwahrloste Höfe«. »Nachts erhellt das gelbe Licht einer Öllampe ein regenverschmiertes Fenster, und manchmal tönt ein einsamer Blues über die Felder.« Nur schwer kann man sich Charters’ Bildsprache entziehen. Er erweist sich als Meister der Allegorie, wenn er über »Come on in My Kitchen« schreibt: »Plötzlich imitiert die Gitarre ein sommerliches Unwetter, und der Regen strömt an einer Fensterscheibe herab. Bei Robert Johnson ist der Blues die Personifizierung der Verzweiflung geworden.«30 Samuel B. Charters’ Buch »The Country Blues« wurde bereits 1962 als »Die Story vom Blues« in Westdeutschland veröffentlicht und bis in die neunziger Jahre hinein mehrfach neu aufgelegt. Es hat eine große und begeisterte Leserschaft gefunden. Die zeitgenössische Kritik rühmte Charters’ »ungewöhnliches Gefühl für das tiefe Anliegen der Blues« und sein »fundiertes Wissen«. Hier würde »einer Kunstform gebührender Tribut gezollt, die als einzig wirklich echte Volksmusik Amerikas anzusprechen ist«.31 Der Autor erzähle die »wahren Geschichten«, sein Bericht »fesselt und informiert zugleich«.32 Im Zuge der Zeit wurden aber auch Zweifel wach. Zwar galt »The Country Blues« nach wie vor als »Pionierarbeit«,33 Charters’ politisches Pathos und der puristisch-geschmäcklerische Ton sind jedoch zunehmend hinterfragt worden. Dass er Muddy Waters’ Aufnahmen für die Library of Congress über den grünen Klee lobte, seine Chess-Produktionen dagegen disqualifizierte, weil sie sich »dem Getöse und dem Klamauk untergeordnet«34 hätten, wollte eine neue Generation von Bluesfans nicht mehr hinnehmen.35 Viel gelesen und diskutiert wurden auch die Bücher von Paul Oliver (*1927). Der britische Bluesforscher setzte sich ab den frühen fünfziger Jahren eingehend 29 30 31 32 33 34

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Alle Zitate: Preface to the 1975 Edition, ebd., xii, ix und x–xi. Freie Übersetzung des Originals. Alle Zitate: Charters: Die Story vom Blues, 22 und 201. Alle Zitate: Rehnberg: Samuel B. Charters. Zimmerle: Die Story vom Blues. Pehl: Der Country Blues. Charters: Die Story vom Blues, 239. Samuel B. Charters hat sich später selbst von diesen Passagen distanziert und sie in Neuauflagen gestrichen. Vgl. Charters: The Country Blues, 21975, xv und 250. Deutschsprachige Ausgaben druckten sie nichtsdestotrotz weiterhin. Vgl. Charters: Der Country Blues, 202. Vgl. Wolff: Bluesstile und Kommerz, 4.

   

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mit der von ihm geliebten Musik auseinander und avancierte zum kompetentesten Vertreter seines Metiers.36 Er sah den Blues als eine autarke und lebendige Kunst, holte ihn aus dem Museum. Im Frühjahr 1960 publizierte er die bahnbrechende Studie »Blues Fell This Morning«. Sie begab sich auf die Suche nach der »Bedeutung des Blues«,37 die mit der Analyse von 350 Songs untermauert wurde. Der berühmte ›schwarze‹ Schriftsteller Richard Wright steuerte ein Vorwort bei. Er lobte Paul Olivers Engagement und seine präzisen Methoden. Tatsächlich hatte der Brite das Heimatland des Blues nie bereist – er betrachtete die Musik ›aus der Ferne‹, gestützt durch aufwändige Recherchen.38 Wright schätzte die geographische und psychische Distanz als Vorteil, weil sie den Blick schärfe. Seine Reverenz wertete Olivers Abhandlung auf: »Als ein im Süden geborener Neger kann ich bezeugen, dass Paul Oliver von seinem Gegenstand durchdrungen ist; sein Bezugsrahmen ist so genau und konkret, als sei er selbst in der Lebenswelt des Blues geboren worden. Kann ein Fremder, der das Milieu niemals besucht hat, aus dem eine Familie von Songs gesprossen ist, über diese schreiben? Im Falle eines derart hoch brisanten Gefildes wie dem Blues antworte ich mit einem ausdrücklichen Ja.«39 Bundesdeutsche Kenner adelten »Blues Fell This Morning« zum Meilenstein.40 Das voluminöse Werk »weist den Leser auf viele neue Aspekte hin und vermittelt ihm ein noch tieferes Verständnis für die Unterdrückung und das Leiden der Neger«,41 es sei »unbedingt lesenswert«.42 Nicht minder positiv wurde Paul Olivers profunde und reich bebilderte Sozialgeschichte »The Story of the Blues« rezensiert. Sie erschien 1969 und kam 1978 auch auf den westdeutschen Markt. »Es ist unmöglich, an diesem Buch etwas auszusetzen«, schrieb Fachkollege Ernest Borneman. »Ich kann mir kein besseres Buch vorstellen, das dem Einsteiger

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Sein Verhältnis zum Blues und den Beginn seiner systematischen Forschungsarbeit schildert Oliver im Essay »Taking the Measure of the Blues«. Zu Konzept und Einfluss von Paul Olivers Werk der fünfziger Jahre vgl. O’Connell. Untertitel der englischen Originalausgabe. Im Sommer 1960 unternahm Paul Oliver einen ersten ausgedehnten Field Trip durch den Süden der USA, wo er zahlreiche Musiker traf, interviewte und aufnahm. Er wurde von seiner Frau Valerie und Chris Strachwitz begleitet. Foreword by Richard Wright, in: Oliver: Blues Fell This Morning, 21994, xiii–xvii, Zitat: xvi. Weil das Buch erst drei Jahrzehnte nach seinem Erscheinen ins Deutsche übersetzt wurde, bezogen sie sich auf die englische Originalausgabe. Rehnberg: Blues Fell This Morning. Henning.

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erklärt, worum es im Blues eigentlich geht, und ich kann mir keinen besseren Verfasser vorstellen als Paul Oliver.«43 Während seine Anhänger »St. Paul«44 für die beispielhafte Akribie und Seriosität bewunderten, warfen ihm Kritiker einen nüchternen Stil, Faktenhuberei und mangelnde Stringenz vor. Der Journalist Manfred Miller urteilte gar, »The Story of the Blues« wirke »wie ein gigantisches Puzzle, das von einem gelangweilten oder überforderten Spieler im Stich gelassen worden ist«.45 Letztlich fochten derlei Einwände und Seitenhiebe Paul Oliver nicht an: Sein mehrdimensionaler, analytischer Forschungsansatz, der stets sozialhistorisch unterfüttert war,46 hat Schneisen geschlagen. Die Bücher von Samuel B. Charters und Paul Oliver verliehen der Bluesdebatte in Westdeutschland eine neue Qualität. Sie stifteten einen enormen Zuwachs an Wissen und justierten den Fokus. Über die Jahrzehnte hinweg war der Blues als eine Farbe afroamerikanischer Musik oder die Wurzel des Jazz einsortiert worden.47 Nun trat er aus dem Schatten, emanzipierte sich als Genre. In der Bundesrepublik wuchs die Zahl von Lizenzausgaben, die dem Blues einen prominenten Platz einräumten oder ihn ganz ins Zentrum rückten: Monographien von Giles Oakley, Arnold Shaw, Tony Palmer, Greil Marcus, Charlie Gillett oder Michael Bloomfield.48 Spezialisierte Vertriebskanäle erleichterten den Bezug der tonangebenden britischen und amerikanischen Fachmagazine. Dem Bluesfan stand eine sich zunehmend auffächernde Palette von Informationsmöglichkeiten zur Verfügung. Bezeichnenderweise hatten polemische und nonkonforme Schriften eine geringere Breitenwirkung. Sie störten das Wunschbild. Und so verhallten etwa Charles Keils provokante Gedanken im akademischen Elfenbeinturm. Ähnliches widerfuhr den vom Geist der Black Power durchwobenen Traktaten, die in der ›weißen‹ Sicht und Aneignung des Blues eine moderne Form von Kolonialismus erkannten. Sie wurden außerhalb linksradikaler Kreise kaum ernsthaft diskutiert.

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Borneman: Paul Oliver, The Story of the Blues. Doering: The Story of the Blues. Zit. in: Auswahl von Büchern, 36. Vgl. auch Paul Olivers eigene Positionierung in: Horn, 10. Zur Rezeption afroamerikanischer Musik in Deutschland zwischen dem auslaufenden 19. Jahrhundert und dem Zweiten Weltkrieg vgl. stellvertretend Lotz: Black People; Lotz: Black Music prior to the First World War; Hoffmann: Aspekte zur Jazz-Rezeption in Deutschland. Den größeren Kontext, das traditionelle Bild des ›Schwarzen‹ in der westlichen Popkultur, beleuchtet Nederveen Pieterse. Nach 1945 gerieten Bücher in Umlauf, die den Blues als Fundament des Jazz thematisierten. Vgl. stellvertretend Blesh; Finkelstein; Ulanov. Etliche Fachbuchhandlungen hatten neben den deutschen Ausgaben auch einschlägige englischsprachige Titel im Sortiment.

   

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Der renommierte Musikwissenschaftler und Ethnologe Alfons Michael Dauer ging Anfang der siebziger Jahre mit dem afroamerikanischen Schriftsteller und politischen Aktivisten LeRoi Jones unverhältnismäßig hart ins Gericht, als er warnte, man müsse »ihm aufs tiefste misstrauen, wenn er zu theoretisieren anfängt«. Dem »biederen, kleinen Jones« wurde ein »schabloniertes Denken« unterstellt, »das er wie ein steifes Korsett mit sich herumträgt, um seinen Fanatismus, der manchmal ganz säuerlich nach Fatalismus schmeckt, damit aufrecht zu erhalten«. Immer wieder strapaziere er die These, »Nicht-Neger könnten den Jazz niemals begreifen, weil er – und noch mehr der Blues – eine Musik der Neger sei«. Dauer kreidete dem weltweit geachteten Autor49 ideologische Scheuklappen an, er errichte »sich eine eigene schwarze Mauer«.50 Neben der zusehends leichter verfügbaren internationalen Fachliteratur meldeten sich ab Ende der fünfziger Jahre auch einheimische Autoren zu Wort. Großen Anklang fanden die sozial- und kulturgeschichtlichen, biographischen und textanalytischen Arbeiten von Joachim-Ernst Berendt und Theo Lehmann. Auch sie pflegten die Aura des schönen Scheins, für die so viele Bluesfans anfällig waren. Ein verlesenes Publikum erreichten die ethnographischen und musikwissenschaftlichen Abhandlungen von Janheinz Jahn, Alfons Michael Dauer, Carl Gregor Herzog zu Mecklenburg und Waldemar Scheck. Akademisch ambitioniert, ging ihnen der literarische Duktus eher ab. Wissenschaftliche Verbindlichkeit strebten auch die Essays des deutschen Universalgelehrten Ernest Borneman an, der bis 1960 in britischer, kanadischer und französischer Emigration lebte. Borneman galt ab Mitte der 1940er als einer der »führenden Jazzkritiker und Jazzforscher der Welt«.51 Seine Studien fragten nach den Ursprüngen und rassischen Koordinaten afroamerikanischer Musik, sie deckten ein breites Spektrum ab52 und widmeten sich mehrfach dem Blues.53 Obwohl Ernest Borneman als »Vorreiter

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LeRoi Jones, der sich später Amiri Baraka nannte, veröffentlichte 1963 »Blues People: The Negro Experience in White America and the Music That Developed from It«. Das Buch, das bis auf den heutigen Tag als epochales wie streitbares Manifest und erste kritische Auseinandersetzung eines Afroamerikaners mit dem Blues gilt, wurde ab 1969 mehrfach ins Deutsche übertragen. Zu Hintergrund und Wirkung von »Blues People« vgl. Woodard. Alle Zitate: Dauer: LeRoi Jones, 283 und 284. Zit. bei Siegfried: Moderne Lüste, 43. Einen detaillierten Überblick bietet Siegfried: ebd., 43–140. Vgl. stellvertretend Borneman: The Blues; Borneman: A Critic Looks at Jazz, insbesondere 37–40; Borneman: Boogie Woogie.

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des Bluesproselytismus«54 in die Geschichtsbücher eingegangen ist und eine Instanz wie Paul Oliver ihm bis heute »maßgebliche und wegweisende Aufsätze«55 attestiert, blieb er in Deutschland ein Geheimtipp. Nur eine kleine Riege von Experten nahm ihn zur Kenntnis. Ein ähnliches Schicksal ereilte junge deutsche Bluesenthusiasten, die eine möglichst unmittelbare Nähe zum Gegenstand suchten und deshalb zu Feldforschungen in die USA reisten.56 Der Erste von ihnen, der gewissermaßen auf den Spuren von Samuel B. Charters und Paul Oliver wandelte, dürfte Karl Gert zur Heide gewesen sein. Er traf 1968 den Musiker Little Brother Montgomery in Chicago und brachte zwei Jahre später »Deep South Piano« zu Papier. Das Buch erzählt die Biographie des Kronzeugen und gestattet gleichzeitig wertvolle Einblicke in die Geschichte des Piano-Blues der amerikanischen Südstaaten. Es wurde von einem Londoner Verlag veröffentlicht und war in eine Bluesserie eingetaktet, für die Paul Oliver als Herausgeber verantwortlich zeichnete. Auf Tuchfühlung mit dem ›echten‹ Blues gingen ab den siebziger Jahren auch einige bundesdeutsche Musiker, die sich vor Ort inspirieren lassen und ihr Handwerk verfeinern wollten, sowie beflissene Sammler. Sie waren von der Idee beseelt, den besonderen Ton zu konservieren, weshalb sie noch im entlegensten Winkel der USA ihre Bandmaschinen postierten. Ihr archäologischer Eifer folgte einer Vision, die seit den frühen Field Trips von John und Alan Lomax immer wieder zyklische Wellen schlug. Anfang der sechziger Jahre rollte eine neue, folgenreiche Initiative heran. Sie wurde von orthodoxen Fans getragen, die sich am anschwellenden Bluesboom stießen. Ihrer Meinung nach zielte er in die falsche Richtung. Samuel B. Charters’ Bestseller »The Country Blues« galt den Antipoden als unseliges Indiz. Sie monierten sein Konzept, das kommerziellen Erfolg zum roten Faden von Geschichtsschreibung erklärte, und hielten dagegen, nicht Verkäuflichkeit sei der Gradmesser, sondern Qualität. Wertvoll waren in ihren Augen nur jene Aufnahmen, die dem Axiom der ›primitiven Reinheit‹ genügten. Je obskurer ein Künstler oder Tondokument, desto höher sein Rang. Dieses Credo streute vor allem eine in New York ansässige Clique von Plattensammlern, die sich selbst die »Blues Mafia« nannte. Sie sorgte

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Schwartz: Preaching the Gospel of the Blues, 147. Oliver: »Early Morning Blues«, 27. Ab den sechziger Jahren erkundeten westdeutsche Fans und Journalisten außerdem die lokalen Zentren der amerikanischen Bluesszene. Ihre Berichte wurden von Fanzines und Fachzeitschriften gedruckt. Zu den frühesten Dokumentationen gehörte eine Reportage von Joachim-Ernst Berendt, der im Herbst 1950 zum ersten Mal die Südstaaten besuchte. Vgl. Berendt: Erinnerung an New Orleans.

   

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ab den beginnenden 1960ern für die Wiederveröffentlichung rarer Schellackaufnahmen, die erst von einflussreichen Journalisten und dann vom Rest der Blueswelt als Nonplusultra goutiert wurden.57 Medial vernetzt, reklamierten sie und andere Schiedsrichter des ›guten Geschmacks‹ nicht nur die ästhetische Deutungshoheit, sondern steckten mit ihren Sammelgebieten auch fortan gültige Kategorien wie »Texas Blues« oder »Delta Blues« ab.58 Die »Blues Mafia« reihte sich in die historische Kette von »Evangelisten«59 und »kulturellen ›Mittelsmännern‹«60 ein, die mit ihren Geschichtsbildern und Wertvorstellungen der Entwicklung und Wahrnehmung dieser Musik ganz entscheidende Impulse verliehen haben. Versprach eine Idee Profit, wurde sie nach den Regeln des Marktes geformt. Ein Paradebeispiel lieferte der Kult um Robert Johnson. Mehr als zwei Jahrzehnte lang war der Gitarrist und Sänger nahezu vergessen, bis er 1961 als überlebensgroßer Mythos auferstand. Im Zuge der BluesRenaissance veröffentlichten Columbia Records eine LP, die Robert Johnson zum »King of the Delta Blues Singers« krönte.61 Die Platte läutete eine neue Ära ein. Ihre Vermarktung bescherte dem Blues ein massenwirksames Image, das die Musik bei Weitem überstrahlte.62 Sie erhärtete das Bild des ›authentischen‹ Bluesmannes und erklärte Johnson zur Norm. Alles an ihm sei ›echt‹: seine Songs, die einem blutenden Herzen entsprängen, das rastlose, exzessive Dasein, der frühe Tod durch die Hand eines Nebenbuhlers. Weil nur wenig aus seinem Leben bekannt war, blühte die Phantasie. Fehlende Fakten wurden durch Fiktion ersetzt. Den Hang zur Poesie brachte die Schilderung des faustischen Paktes auf den Punkt, derzufolge Johnson seine Seele dem Teufel verkauft hatte. Im Gegenzug wurde er mit künstlerischer Vollkommenheit belohnt. Eine solche Aura faszinierte auch ein junges Publikum und fand im Rockbusiness dankbare Resonanz, passte sie doch perfekt zum dort herrschenden Starkult. Für viele Rockfans war Robert Johnson die Eintrittskarte in die Welt des Blues, er weichte Zielgruppengrenzen auf.63 Zum anderen verschob die Johnson-

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Detaillierter: Hamilton, 201–246. Vgl. Oliver: Taking the Measure of the Blues, 30. Vgl. Schwartz: Preaching the Gospel of the Blues. Filene, 5. Robert Johnson: King of the Delta Blues Singers, Columbia Records CL 1654, USA 1961. Das Album erschien in der Reihe »Thesaurus of Classic Jazz«. Detailliert: Wald: Escaping the Delta. Höchste Anerkennung zollte auch die Jazzpresse. Das bundesdeutsche »Jazz Podium« rezensierte die europäische Ausgabe von »King of the Delta Blues Singers«. Sie erschien 1962 bei Philips Records, in der Serie »Classic Jazz Masters«. Der Kritiker empfahl die »unsterblichen Aufnahmen« und legte dem Musikfreund nahe, er möge »an derartigen überragenden Beiträgen nicht vorbeigehen«. Robert Johnson.

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Rezeption den Fokus einseitig auf das Mississippi-Delta.64 Das Gros der Bluesliebhaber und -forscher verinnerlichte, dass dort, im ›Kernland‹, die Wiege gestanden hätte, sonstige Regionen gerieten aus dem Blickfeld.65 Robert Johnsons Mysterium besaß in Westdeutschland eine deutlich größere Strahlkraft als im Osten.66 Ein wesentlicher Grund war die ungleiche Verfügbarkeit von Material und Informationen. Während sich in der Bundesrepublik bei entsprechender Solvenz fast jeder Wunsch erfüllen ließ, waltete in der DDR permanente Knappheit. Konzerte mit internationalen Bluesmusikern waren genauso rar wie Schallplatten und Literatur. Man konnte sie kaum im eigenen Handel erwerben, sondern musste dunkle Kanäle bemühen. Die Bluesszene war weniger konsum- als eventorientiert, sie zerfiel weitaus schwächer in konkurrierende Fraktionen. Das, was man hatte, wurde gemeinschaftlich geteilt, der Mangel sensibilisierte und schweißte zusammen. Die üblichen Glaubenskriege, die sich Bluesfanatiker liefern, spielten eine nur geringe Rolle. Einigkeit war wichtiger als Geschmack. Andererseits blieben dem ostdeutschen Aficionado elementare Erfahrungen verwehrt. Ihm fehlte der weltläufige Horizont. Sein Bluesgebrauch war eng mit den sozialen Konflikten der DDR verkoppelt, an den globalen Diskursen partizipierte er kaum. Im Westen dagegen wurde eifrig gestritten,67 man genoss das Privileg uneingeschränkter Reisefreiheit und den Kontakt zum ›Original‹. Die großen amerikanischen Namen lebten nicht auf einem fremden Planeten, sondern sublimierten den Alltag.68

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Sieben Jahre später druckte das »Jazz Podium« einen umfassenden, differenzierten Essay, der die Legende hinterfragte, die Johnson zum »Idol für die Pop-Jünger und einen Halbgott für die Bluesfans machte«. Doering: Robert Johnson, 165. Vgl. stellvertretend Palmer: Deep Blues. Auf diese Verzerrung wies unter anderem Paul Oliver wiederholt hin. Vgl. stellvertretend Horn, 6–7 und 10. Spezielle DDR-Medien widmeten hin und wieder Robert Johnson einen Beitrag. Die Fachzeitschrift »Profil«, die sich der »Methodik zur Tanzmusik« verschrieben hatte, rückte mit der Ausgabe 5/1985 den Blues ins Zentrum und porträtierte auch den sagenumwobenen Musiker. Vgl. Blumenstein. Der harte Kern von Bluesenthusiasten diskutierte die internationalen Standardwerke und pflegte Verbindungen zu den Autoren. Gelegentlich hielten prominente Forscher Vorträge in der Bundesrepublik. So referierte beispielsweise Paul Oliver im Januar 1981 an der Frankfurter Universität über »Blues Origins – Form and Function«. Die Veranstaltung war öffentlich und wurde vor allem von Fans besucht. Einer von ihnen schrieb anschließend: »Im Ganzen gesehen brachte Paul Oliver nichts Neues.« Marschall: Paul Oliver in Frankfurt. Fans und Musiker gaben vielfach das einschneidende Erlebnis der Begegnung bzw. Zusammenarbeit mit Künstlern aus den USA zu Protokoll. Vgl. stellvertretend Gerhard Engbarths Bericht über seine Zeit als Tourneebegleiter von Roosevelt Sykes

   

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Anders als in Ostdeutschland, wo Publikationen eine staatliche Druckgenehmigung voraussetzten und private Medien illegal waren, kommunizierte man im Westen über Fanzines und selbst verlegte Periodika. Dort wurden die internationalen Lehrmeinungen gestreut und mit dem eigenen Weltbild abgeglichen. In endlosen Debatten über den Sinn des Blues kristallisierten sich unversöhnbare Lager heraus. Am dominantesten traten jene Connaisseurs auf, die im Stile der »Blues Mafia« konservative Werte hochhielten und für ein unbedingtes Reinheitsgebot kämpften. Sie repräsentierten zwar nur einen verhältnismäßig kleinen Prozentsatz der Bluesszene, haben die öffentliche Sicht aber nachhaltig geprägt, besaßen die Definitionsmacht. Wer den Blues nur zur Unterhaltung hörte, galt als suspekt. Das apodiktische Urteil eines ›Insiders‹ über vermeintliche ›Outsider‹, welches in Erinnerung an eine Tournee von Afroamerikanern Anfang der siebziger Jahre gefällt wurde, wirft ein bezeichnendes Licht auf die tiefen Gräben: »Als wir nach einem Konzert noch in der Bar des Hotels saßen, setzten sich einige Mitglieder der Bluesund sonstigen Schickeria (…man trägt wieder Blues – Blues ist in…) zu uns an den Tisch: Mittdreißiger Erfolgsmenschen (Akademiker) mit ihren Endzwanziger Frauen (Akademikerinnen, sich jetzt ganz dem Haushalt widmend und dem Tennis-Spiel). Sie versuchten, mit den Musikern ein Gespräch zu beginnen. Ihr Ton war väterlich-kumpelhaft und wollte Gemeinsamkeit andeuten, wo keine Gemeinsamkeiten existierten. Sie begegneten den Musikern mit der vorsichtigen Distanz, die Gebildeten dem Mann aus dem Volk gegenüber eigen ist. ›Tja, der Blues, also ich finde das einfach toll. Dass Ihr Euch da so hinsetzen könnt und singt über Eure Unterdrückung und das alles so cool improvisiert. Das reißt schon mit, das packt einen manchmal so richtig.‹«69 Die Claims wurden klar abgesteckt, jeder verteidigte seine Präferenzen. Sie alle waren legitim. Selbst eine borniert wirkende Attacke wie die zitierte kann, sofern man in die Perspektive des Angreifers wechselt, als Revierverhalten eines bedingungslosen Musikliebhabers verstanden werden. Toleranz ist für ihn keine Option, Identität verlangt nach Abgrenzung. Der nüchterne Beobachter vergisst oftmals zu schnell, dass Musik mediale Qualitäten besitzt und sozialen Zwecksetzungen dient.70 Die Formen der Aneignung sind verschieden. Was aus der Ferne wie ein Konstrukt erscheinen mag, das allein ideologischen Rastern gehorcht,

69 70

sowie die Schilderungen des schweizerischen Mundharmonikaspielers und Bluesforschers Walter Liniger, der jahrelang im Duo mit James »Son« Thomas auftrat. Engbarth: Der Blues vom Blues; Liniger: Vorhang auf! Engbarth: ebd., 26–28. Zur alltäglichen Erfahrung von Musik in modernen Gesellschaften vgl. Hesmondhalgh.

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könnte genauso gut ein perfekt funktionierender, von Emotionen getriebener Organismus sein. Die Phänomene tauchen je nach Blickwinkel und Teilhabe in ein veränderliches Licht. Den romantischen Beigeschmack des Blues kann man als Deformierung interpretieren, aber auch als ästhetisches Ingrediens oder literarische Multiplikation, eine kongeniale Auflösung künstlerischer Grenzen. Seine Adepten nutzen den Blues als Kommunikationsmittel. Sie codieren ihn auf unterschiedliche Weise, schaffen Zeichensysteme, die nur dem jeweiligen Kreis von Eingeweihten zugänglich sind.71 Ein Eric-Clapton-Fan spricht eine andere ›Sprache‹ als der Verfechter des archaischen Kanons. Divers sind auch die Vorstellungen von ›Authentizität‹, ein zentrales Moment der Bewertung des Blues. Sie hängen von ethnischen, geschlechtlichen, sozialen und ideologischen Faktoren ab und variieren mit der Zeit.72 Ein und dasselbe ›Objekt‹ kann konträre Assoziationen entfachen. In seiner Studie »Escaping the Delta«, die sich der »Erfindung des Blues«73 widmet, beschreibt der amerikanische Musiker und Autor Elijah Wald den gegensätzlichen Zugang, den ›Schwarze‹ und ›Weiße‹ zur geheimnisumwitterten Figur von Robert Johnson haben. Wald benutzt die Metapher einer »einzigartigen Brücke zwischen zwei völlig verschiedenen Welten«, wenn er Johnsons Qualitäten als Medium taxiert: Seinen zeitgenössischen, ›schwarzen‹ Anhängern wies er den Weg zu neuen Ufern, heraus aus der provinziellen Trostlosigkeit des ländlichen Südens der USA, weil er die Sounds der Radiostationen und Jukeboxes assimilierte; während die ›weißen‹ Verehrer Johnsons Songs als genuin und Brücke in die umgekehrte Richtung verstehen – tief hinein in das ›Ursprungsgebiet‹ des Mississippi-Deltas. »In beiden Fällen dient Johnson als eine Leinwand, auf die jede Fangruppe ihren eigenen Traumfilm vom Bluesleben projiziert.«74 Die Authentizitätskonzepte, die das Bild des Blues bis in die Gegenwart prägen, haben eine lange Geschichte. Sie sind von komplexen Motiven durchzogen, von ökonomischen, politischen und ästhetischen Interessen. Dementsprechend

71

72

73 74

Peter Narváez illustriert diesen Fakt anhand der Geschichte des amerikanischen Magazins »Living Blues«, das einen Wandel vom elitären Folkverständnis zur Mainstreamorientierung durchlief. Er bezieht sich auf John Fiskes Theorie von »broadcast codes« und »narrowcast codes«. Zu Letzterem vgl. Fiske, 73–77. Benjamin Filene zeigt am Beispiel von Muddy Waters’ Karriere, wie elastisch Authentizitätszuschreibungen sein können: Waters änderte seinen Stil mehrfach, galt aber immer als ›echt‹. Vgl. Filene, 76–132. So der Untertitel. Wald: Escaping the Delta, xv–xvi.

   

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mannigfaltig sind ihre Formen.75 Die Schallplattenindustrie löste einen Dominoeffekt aus, als sie in den 1920ern begann, den Blues als ›authentisch‹ zu vermarkten.76 Geschickt lancierte sie ein Muster von Ursprünglichkeit, das sich als Gegenpol zu den eigenen, kommerziellen Mechanismen verstand. Kalten Analytikern blieb dieses Paradox nicht verborgen, weshalb sie die ganze Authentizitätsdebatte als Bauernfängerei abtaten. Sie übersahen den springenden Punkt: Die Images und Argumente wurden in der Aneignung dynamisch gedehnt, sie landeten in neuen Bedeutungszusammenhängen. Der Bluesfan entwickelte eine andere Auffassung von ›Authentizität‹, er begreift sie als Ideal der Kommunikation, die auf gleichen sozialen Erfahrungen gründet.77 Für ihn ist selbstverständlich, dass Kunst durch Projektionen lebt und nicht als photographische Spiegelung von Realität. Bluesforscher Paul Oliver, in dessen Brust zwei Seelen koexistierten, die des Akademikers und des Fans, wusste um die Ambivalenz der Dinge und die Schwierigkeit, sie zu verbalisieren. Sein Plädoyer klang nicht weniger pathetisch und parteiisch als die blumige Verkaufslyrik der PR-Strategen, kam dem Kern jedoch näher: »Für diejenigen, die den Blues hatten, für die, die den Blues lebten, für die, die mit dem Blues lebten, hatte der Blues einen Sinn. Aber denen, die außerhalb des Blues lebten, entzog sich seine Bedeutung.«78 Wie die Popmusikforschung zeigt, ist das Problem der ›Authentizität‹ ein äußerst differenziertes.79 Viele Theorien ranken sich um dieses Thema.80 Weitgehende Einigkeit besteht in den akademischen Diskursen darüber, dass ›Authentizität‹ keine Dingeigenschaft ist, sondern eine Konstruktionsleistung, eine Zuschreibung. Ray Pratts Konzept des ›determinierten Hörens‹,81 das dem musikalischen Material Nutzungsperspektiven zuerkennt, ist eher eine Ausnahmeposition geblieben. Einen fruchtbaren Ansatz bietet Allan Moores Essay »Authenticity as Authentication«. Der britische Musikwissenschaftler identifiziert die Musiker und Hörer konsequent als Akteure und hebelt auf diese Weise die Manipulationsthese aus. Moores Theorie sei hier kurz umrissen, weil sie eine produktive Wertung der Kontroversen erlaubt.82 75 76

77 78 79 80 81 82

Zur Systematisierung von Authentizitätskategorien vgl. Weisethaunet/Lindberg. Einen Eindruck der Werbestrategien, mit denen Race Records verkauft wurden, vermitteln die Illustrationen bei Charters: The Country Blues; Oliver: The Story of the Blues sowie: Race Records and the Posters of the Era 1900–1927. Vgl. Wiseman-Trowse, 32–61. Oliver: Blues Fell This Morning, 21994, 283. Zur Idee der ›Authentizität‹ in der Popmusikkultur und ihrer wissenschaftlichen Reflexion vgl. Middleton: Voicing the Popular, 199–246. Einen Überblick bietet Jacke. Vgl. Pratt, 59. Alle Zitate und Argumente: Moore.

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Allan Moore zufolge ist ›Authentizität‹ nicht nur eine Konstruktions-, sondern in erster Linie eine Aneignungsleistung. Er unterscheidet verschiedene Arten von ›Authentizität‹, die sich in der Praxis überschneiden: die der ersten Person, die der dritten und die der zweiten. Während die »first person authenticity« und die »third person authenticity« auf die Positionierung des Künstlers zielen, kalkuliert die »second person authenticity« oder »authenticity of experience« den Rezipienten als Handelnden mit ein. Der Hörer sieht in ›authentischer‹ Musik seine Erfahrungen gespiegelt, wie immer diese auch beschaffen sein mögen. Deshalb ist es konsequent, nach dem wer und nicht nach dem was zu fragen, wenn der Prozess der »authentication« im Vollzug einer Performance untersucht wird. Dann spielt auch keine Rolle, ob es sich bei der im Fokus stehenden Musik um kargen Country Blues, soundtechnisch polierte Disco Music oder raffinierte Electronica handelt: Jede Musik kann von entsprechend disponierten ›Nutzern‹ als ›authentisch‹ verstanden werden. Nach Allan Moore ist also die Zuschreibung von ›Authentizität‹ immer an die Konstruktion von Subjektivität gekoppelt. Sicherlich ist Moores Theorie diskussionswürdig, schon weil er strittige Kategorien, wie etwa die der ›Authentizität‹, durch nicht minder anfechtbare Begriffe zu definieren versucht, darunter den der ›Wahrheit‹.83 Trotzdem scheint sein Ansatz praktikabel, denn er führt das Argument der industriellen Totalkontrolle, das jede tiefere Auseinandersetzung blockiert und den Hörer zur Marionette abstempelt, ad absurdum. Außerdem stellt er den Determinismus von Raum, Zeit und Rasse infrage. Aus Moores Blickwinkel ist der Blues eines ›weißen‹ Deutschen nicht per se weniger ›authentisch‹ als der knisternde Sound einer als »Race Music« rubrizierten Schellackplatte aus alten Vorkriegsjahren oder der Gesang des ›schwarzen Mannes‹ in einem Juke Joint, irgendwo am Mississippi. Vielmehr bildet der Nimbus des ›Authentischen‹ den Schnittpunkt zwischen künstlerischer Artikulation und sozialer Erfahrung. So gesehen ist der von seinem Widerpart als hoffnungsloser Fall belächelte Bluesfan weder in den Verhältnissen gefangen noch das blinde Opfer ausgeklügelter Marketingstrategien, sondern ein privilegierter Akteur, ausgestattet mit dem sozialen Resonanzboden für eine Klangwelt, die anderen verschlossen bleibt. Der Außenstehende versteift sich gern auf die ›formale Beschränktheit‹ und ›Monotonie‹ des Blues. Sie gelten ihm als Beleg für Minderwertigkeit. Der Bluesliebhaber dagegen sieht diese Eigenschaften unter umgekehrten Vorzeichen. Für ihn stiften die Standardisierungen den notwendigen, stabilisierenden Rahmen. Das

83

Richard Middleton etwa kritisiert, dass Moores Akzent der »authentication« die Musik selbst zu stark aus dem Blickfeld drängt. Vgl. Middleton: Voicing the Popular, 205–206.

   

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Prinzip der ›Wiederholung‹ besitzt eine anthropologische Dimension, wie Richard Middleton betont.84 Es ist nicht schlichtweg eine negative Qualität von Massenkultur, ein Mittel zur Profitmaximierung und Herrschaft im Adornoschen Sinne und damit Ausdruck politischer und wirtschaftlicher Interessen, sondern vielmehr ein Gebot menschlicher Konditionierung, eine grundlegende Orientierungshilfe. Dass gerade die am stärksten normierten Spielarten des Blues als ›authentisch‹ evaluiert werden, erklärt sich aus diesem Zusammenhang. Vergleicht man Aufnahmen der Vertreterinnen des so genannten »Klassischen Blues« der zwanziger und dreißiger Jahre miteinander, beispielsweise von Bessie Smith oder Ma Rainey, fällt auf, dass alle ›gleich‹ klingen. Wir hören emphatische Frauenstimmen, begleitet von einer Jazzcombo; die Songs sind meist nach dem zwölftaktigen Bluesschema komponiert und haben eine Länge von ziemlich genau drei Minuten. Sie sind ›am Reißbrett‹ entwickelt worden und werden trotzdem als unmittelbarer und zeitloser Ausdruck von Gefühl identifiziert. Normierung und ›Authentizität‹ bilden in der Welt des Blues keinen Gegensatz, sondern eine konstitutive Relation. Normierungen stecken die Koordinaten ab, innerhalb derer ›Authentizität‹ diskursiv verhandelbar wird. Sie sind unabdingbar für den wertenden Vergleich mit musikalischen Formen, die als ›synthetisch‹ oder ›kommerziell‹ diskreditiert werden, aber auch als binnenstrukturelle Kommunikationsbasis, auf der die Mitglieder der Bluescommunity ›Echtes‹ von ›Unechtem‹ scheiden. Diese Normierungen werden von den ›Insidern‹ selbst gar nicht als ›Wiederholungen‹ wahrgenommen, sondern als Fundament einer täglich neuen Kunsterfahrung. Nur der ›Outsider‹, der sich außerhalb der emotionalen Reichweite des Blues bewegt, hört sie als ewig rotierendes, hohles Klischee.

84

Vgl. Middleton: »Play It Again Sam«.

"% #!"  $"$ Der Chor hörte auf zu singen, und die Musik wechselte. Das Orchester begann einen Blues.1 ERICH MARIA REMARQUE: ARC DE TRIOMPHE, 1945

             Bis weit nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Blues in Deutschland als Quelle und Marginalie des Jazz zur Kenntnis genommen. Er war in Fanzirkeln heimisch, die dem Vorbild des 1932 gegründeten Hot Club de France folgten.2 Lange bevor die Medien von dieser Musik Notiz nahmen, fand sie hier einen institutionellen Rahmen, tauchte sie in den Programmen und internen Schriften auf. Jazzliebhaber schlossen sich zusammen, um Insiderwissen und Schallplatten zu tauschen, sie organisierten Vorträge, Jam-Sessions und Konzerte. Schon 1934 bildeten sich in Berlin und Königsberg Hot Clubs, und auch in anderen Städten – wie München, Hamburg, Münster, Leipzig, Magdeburg oder Eisenach – knüpften Fans ihre Netzwerke. Sie wurden von den Nazis zusehends kriminalisiert, unter Druck gesetzt, terrorisiert und in die Illegalität gedrängt.3 Nach Kriegsende formierte sich eine neue, vitale Hot-Club-Bewegung. Um 1947 nahm sie Gestalt an: mit Lizenzvergaben durch die Militärregierungen, öffentlichen Veranstaltungen und Fanzines. 1950 existierten in Westdeutschland zwanzig eingetragene Hot Clubs, deren Mitgliederstamm zwischen einer Hand

1 2 3

Remarque: Arc de Triomphe, 350. Zur Geschichte des Hot Club de France, seinen Aktivitäten und Protagonisten vgl. stellvertretend Fry. Vgl. stellvertretend Kater: Different Drummers sowie Kurz.

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voll und mehreren Dutzend schwankte.4 Sie waren eine eingeschworene, beispiellose Gemeinschaft – keine andere Fankultur hatte sich mit einer derartigen Hingabe der Musik verschrieben. In mühevoller Kleinarbeit trugen sie kostbare, weil äußerst rare Informationen und Schallplatten zusammen, sie bauten internationale Kontakte auf, investierten enorme Energie. Um die regionalen Kräfte zu bündeln und dadurch ihre Mission wirkungsvoller vor den Behörden und Medien vertreten zu können, wurde im Oktober 1951 die Deutsche Jazz-Föderation (DJF) gegründet.5 In der Anfangszeit begriff sich diese Dachorganisation, die formal den Status eines »eingetragenen Vereins« besaß, als »Bollwerk gegen Diffamierung«.6 Sie warb um die gesellschaftliche Anerkennung des Jazz, der auch nach dem Ende des Dritten Reiches auf ästhetische und moralische Vorbehalte stieß, der dem bürgerlichen Kunstverständnis als minderwertig oder gar obszön galt und deshalb ein mediales Nischendasein fristete. Per Satzung erklärte sich die DJF zum Interessenverband all jener Clubs, »die sich das Ziel gesetzt haben, den authentischen Jazz als ernst zu nehmende und künstlerisch-wertvolle Musik zu vertreten und sich dieser Aufgabe durch aufklärende, erzieherische Tätigkeit in uneigennütziger Weise widmen«.7 Zum Vorstand des Vereins gehörten mit Horst Lippmann (Konzertreferent) und Joachim-Ernst Berendt8 (Pressereferent) zwei herausragende Akteure des Nachkriegsjazz, die bald immensen Einfluss im Veranstaltungsalltag und in den Medien gewannen und schließlich die Verbreitung und Deutung des Blues in Deutschland entscheidend prägen sollten.9

4 5

6 7 8

9

Vgl. Hoffmann: Zur westdeutschen Hot-Club-Bewegung der Nachkriegszeit, 67–68. Für Ostdeutschland liegen keine Statistiken vor. Bereits etliche Monate vor der formellen Gründung des Vereins hatten sich die Hot Clubs von Berlin, Frankfurt am Main und Stuttgart »auf demokratischer Basis« zu einer »Deutschen Jazz-Föderation« zusammengeschlossen, »ohne Zentralisierung, ohne eine übergeordnete Leitung oder einen Präsidenten«. Dieses Bündnis war gewissermaßen die Urzelle der DJF. Vgl. Lippmann: Deutsche Jazz-Föderation. DJF: Bollwerk gegen Diffamierung. Deutsche Jazz-Föderation e. V., 1. Hier wie im Folgenden werden Zitate den Regeln der reformierten Rechtschreibung angepasst. Die frühe Schreibweise verzichtete auf den Bindestrich im Vornamen. Hier wie im Folgenden und auch in sämtlichen Quellenangaben wird zur Vereinfachung die spätere Version, Joachim-Ernst Berendt, verwendet. Die Funktion des Präsidenten der DJF bekleidete Dieter Zimmerle. Er leitete die Stuttgarter Redaktion der 1952 gegründeten, deutsch-österreichischen Zeitschrift »Jazz Podium«, die sich zum maßgeblichen Fachorgan profilierte. In den ersten zwei Jahren wurde der Titel des Magazins mehrfach variiert, auf dem Cover stand ursprünglich: »Das internationale Podium. Mit den offiziellen Mitteilungen der Deutschen Jazz-Föderation«. Der Einfachheit halber wird das Blatt hier wie im Folgenden unter der noch heute gültigen Bezeichnung »Jazz Podium« zitiert.

  

  

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Die von der DJF vertretenen Hot Clubs ähnelten einander in Anliegen und Struktur. Sie waren hochgradig organisiert und überaus aktiv, gaben regelmäßig Newsletter und Informationsblätter heraus, richteten eigene Bibliotheken und Schallarchive ein, trafen sich zu Vorträgen, Konzerten oder gemeinsamen Ausflügen. Üblicherweise oblag einem »Präsidenten« die Regie des Clubs. Ihm standen Helfer zur Seite, die ebenfalls ehrenamtlich arbeiteten: Kassierer, Schriftführer, künstlerische Leiter, Pressesprecher etc.10 Anfangs dominierten die älteren Jazzfans, die noch dem ästhetischen Kanon der Vorkriegszeit verpflichtet waren und eine elitäre Vorstellung von ›Authentizität‹ pflegten. In ihren Ohren klangen die tanzbaren und schlageraffinen Varianten wie ein Verrat.

Korso des Hot Circle Darmstadt, 1955

Der Hot Circle Darmstadt erklärte im Januar 1948 den ›echten Jazz‹ folgendermaßen zum Programm: »Er möchte die Art der Jazzmusik, die die ursprüngliche war und heute fast ganz durch die Übermacht des kommerziellen Stoffs verdrängt worden ist. Es sollen also keine ›Swing-Heinis‹ in unseren Club kommen, sondern Leute, die einen Fletcher Henderson wohl von einem Harry James unterscheiden

10

Vgl. Hoffmann: Zur westdeutschen Hot-Club-Bewegung der Nachkriegszeit, 68–70.

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können!«11 Die Idee der Freiheit wurde durch bornierte Grundsätze konterkariert. Der Hot Club Düsseldorf pries im Januar 1950 die Kraft des Jazz: »Wir können manches von ihm lernen: Toleranz und die Synthese von Individualismus und Kollektivismus, wie sie sich im Solo, der Improvisation einerseits und dem Rhythmus, welcher das ganze bindet und ordnet, äußern. Für uns ist jedoch der Jazz nicht eine Mode, eine Eintagsfliege, der Ausdruck von Zügellosigkeit, von verdrängten erotischen Komplexen oder eine Kulisse, ein Freibrief für lümmelhaftes Benehmen.«12 Bevor sich die Hot-Club-Bewegung spaltete, weil die Anhänger neuer stilistischer Strömungen zunehmend mit den Traditionalisten in Konflikt gerieten, stand das so genannte »Golden Age« im Zentrum des Interesses – die »erste Hochblüte des Jazz«13 in den zwanziger Jahren, die mit der Weltwirtschaftskrise und dem kommerziellen Siegeszug des Swing endete. Die Musik dieser Epoche und ihrer Ausläufer war nach Meinung der Apologeten »einfach und unkompliziert, der Stil rein und unberührt«.14 Eine solche Sichtweise schloss an das Credo der Schriften von Hugues Panassié oder Rudi Blesh an, die auch in Deutschland unter ›Kennern‹ kursierten.15 Die Frankfurter »Jazz-Club News« druckten 1945 die Übersetzung einer Polemik von Charles Delaunay. Als leitende Figur des Hot Club de France und emsiger Jazz-Diskograph genoss er weltweite Autorität, sein Wort hatte Gewicht. Delaunay beschwor das »Golden Age«, die »herrlichen Jahre von New Orleans und Chicago«, und fällte ein apodiktisches Urteil: »Die Jazzmusik von gestern, sagen wir einfach die Musik der großen Meister des Jazz – die einzige, die uns allein jemals interessieren sollte –, war ganz Tiefe, während die Musik von heute ganz Oberfläche ist.« Die Kommerzialisierung habe »den Jazz getötet«.16

11 12 13 14 15

16

Zit. ebd., 68. Zit. ebd., 71. Aus der Definition »Golden Age«, in: Das ABC des Jazz. Hot Circle Bergen, Programmblatt Nr. 47, 1. Hugues Panassié gründete 1932 gemeinsam mit anderen Enthusiasten den Hot Club de France und legte zwei Jahre später die einflussreiche wie auch heftig umstrittene Monographie »Le Jazz Hot« vor. Der amerikanische Jazzkritiker Rudi Blesh veröffentlichte 1946 das Standardwerk »Shining Trumpets: A History of Jazz«. In HotClub-Kreisen wurde er als »Vater der Puristen« verehrt. »Seine Arbeiten sind so erstklassig und kompetent, dass es für junge Jazzfreunde wichtiger ist, sich mit Rudi Blesh zu befassen als mit jeb [Joachim-Ernst Berendt, M. R.].« Hot Club Dortmund: A Tribute to Rudi Blesh, 1. Hugues Panassié erfuhr eine ähnliche Würdigung. Als flammender Verfechter des »Golden Age« habe er »die gesamte Jazzwelt wieder zur Besinnung« gebracht, »wofür wir ihm nicht genug dankbar sein können«. Boas: The Golden Age of Jazz, 29.08.1948, 1 und 2. Delaunay, 2. Der Originaltext ist mit 1943 datiert.

  

  

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Analog klangen die romantischen Vorstellungen der deutschen Puristen: King Oliver, Louis Armstrong oder Jelly Roll Morton waren ihrer Meinung zufolge »Idealisten. Sie verdienten nicht viel Geld, sondern spielten aus einer Freude, ohne Rücksicht auf schlaflose Nächte und Gesundheit. Sie legten ihr Herz in ihre Musik!«17 Schließlich waren es »die Weißen, die den Jazz verflachten. Sie machten ihn weiß, sie machten das Geschäft daraus.«18 Weil der Blues den Verfechtern des »Golden Age« »die größte Inspiration zum Improvisieren«19 lieferte, rückte er ebenfalls auf die Agenda. Aufnahmen von Künstlern, deren Plattenkarrieren in jener glorreichen Phase ihren Anfang genommen hatten, gehörten zum Standardrepertoire. Die Club-Postillen und Vorträge heiligten den »klassischen«, urbanen Blues des frühen 20. Jahrhunderts und die ländlichen Spielweisen. Modernen R & B oder den elektrischen Klang der Großstadt strafte man dagegen mit ästhetischen Verdikten oder Ignoranz. Für die Hüter der reinen Lehre waren sie eine künstlerische Billigware, das Resultat kommerzieller Deformation. Im historischen Verständnis der Hot-Club-Pioniere rangierte der Blues als volksmusikalische Wurzel des Jazz. Er habe sich über die Zeiten hinweg als »das Fundament«20 behauptet, sei »ein roter Faden«, die »Grundmelodie des Jazz«.21 Dieses Deutungsmuster, das bis zum Blues Revival der späten fünfziger Jahre dominierte, folgte einem globalen Trend. Auch in anderen Ländern weckten Jazzkreise die Neugier für den Blues.22 Ihre Ansichten speisten sich aus den Geschichtsbildern, die einflussreiche Autoren publiziert hatten. Einige dieser Schriften wurden von bundesdeutschen Verlagen übersetzt und als Lizenzausgaben veröffentlicht. Auf diese Weise erreichten die Leitsätze von Sidney Finkelstein, Barry Ulanov oder Marshall W. Stearns ein großes Publikum – den eingefleischten Jazzfanatikern waren sie ohnehin geläufig.23 Die Autoren verorteten den Blues im Kontext des Jazz, sie priesen ihn als folkloristische Urzelle und nie versiegende Quelle von Kreativität. Oder wie es Ernest Borneman pathetisch zuspitzte: »Der Blues ist wahrlich das Herz des Jazz, und ohne Blues wird der Jazz verfallen wie

17 18 19 20 21 22 23

Boas: The Golden Age of Jazz, 16.02.1948, 3. Boas: The Golden Age of Jazz, 29.08.1948, 2. Boas: Classic Blues, 1. Boas: Blues in modern?, 1. Boas: Rhythm and Blues. Vgl. stellvertretend Schwartz: How Britain Got the Blues, insbesondere 17–28 und 63–88. Die einschlägigen Monographien von Finkelstein, Ulanov und Stearns seien hier lediglich als Beispiele genannt.

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eines Menschen Leib, dessen Herz aufgehört hat zu schlagen.«24 Eine solche Interpretation wertete den Blues auf, sie beendete seine Dunkelhaft – und degradierte ihn doch zum Teil eines höheren Organismus, zum Funktionselement. Nur in dieser Eigenschaft war er für die Exegeten des Jazz relevant. Die kausale Entwicklungslogik schlug sich in den Programmen der Hot Clubs nieder. Bei ihren Treffen drehten sich immer mal wieder wertvolle Schellackplatten von Ma Rainey, Mamie Smith, Memphis Minnie, Blind Lemon Jefferson, Lonnie Johnson, Ida Cox, Leadbelly, Blind Blake, Ethel Waters, Big Bill Broonzy, »Champion« Jack Dupree, Sippie Wallace, Bertha »Chippie« Hill oder Alberta Hunter auf dem Grammophonteller, wie auch Tondokumente obskurer Musiker, von denen man oft nicht mehr als den Namen kannte. Der Referent einer Bluesveranstaltung des Hot Club Frankfurt musste im Fall von Blind Mamie Forehand passen: »Weder Jazzforscher Bill Russell noch Rudi Blesh konnten mir nähere Einzelheiten über die blinde Volkssängerin berichten«.25 Die Vorträge und Diskussionsabende trugen Titel wie: »Golden Age Blues«, »Blues Mood«, »Post Classic Blues« und »Blues the World Forgot«. Ein wiederkehrendes Thema war auch die ›bluesige‹ Seite herausragender Jazzmusiker – etwa von Louis Armstrong, Sidney Bechet, Kid Ory, Duke Ellington, Ella Fitzgerald oder Billie Holiday. Sie galt als klingender Beleg für den evolutionären Zusammenhang zwischen Blues und Jazz. Dem geneigten Hörer wurden Aufnahmen präsentiert, die unermüdliche Sammler aus Großbritannien, Frankreich oder Übersee beschafft hatten – kostbare »78er«, die es in den einheimischen Läden nicht zu kaufen gab. In Westdeutschland blieb das Angebot von Bluesplatten bis weit in die fünfziger Jahre äußerst schmal; in der DDR waren Fans komplett auf den Schwarzmarkt und private Tonkonserven angewiesen. Auch diskographisches, biographisches und musikgeschichtliches Wissen galt als Mangelware. Es wurde mühsam und mithilfe internationaler Kontakte recherchiert und dann in den Zusammenkünften der Hot Clubs weitergereicht. Die Mitteilungs- und Programmblätter sorgten für eine zusätzliche Verbreitung von Informationen: Sie druckten Porträts stilbildender Bluesmusiker, veröffentlichten Katalognummern ihrer Platten, Besetzungslisten und Aufnahmedetails. Überdurchschnittliche Aufmerksamkeit genoss Bessie Smith. Ihre musikalische und personelle Nähe zu den Königen des »Golden Age« prädestinierte sie

24

25

Zit. bei Graves, 7. Freie Übersetzung des Originals: »The blues is the heart of jazz. Jazz lives as long as the pulse of the blues beats in its veins. Jazz dies when it says farewell to the blues.« Borneman: The Blues, 91. Boas: Classic Blues Singer, 1.

  

  

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genauso für diesen Sonderstatus wie die künstlerische Größe und das von Mythen umrankte Schicksal. Für ihre Verehrer stand fest: »Sie ist bis in den heutigen Tag die unbestrittene Kaiserin des Blues und die Mutter des Jazz und wird es auch ewig bleiben.«26 Schließlich sei ihr Format einmalig, ja unübertrefflich. »Ihre Persönlichkeit, ihre Vitalität, ihre ungekünstelte und erdverbundene Natürlichkeit, die immer die Wahrheit sprach, waren es, die Bessie zur größten Volkssängerin aller Zeiten machten.«27

Plattenabend, zweite Hälfte der vierziger Jahre, am Tisch (von links): Johnny Vrotsos (mit Pfeife), Olaf Hudtwalcker, die Sängerin Dolly Anany und Horst Lippmann

Nicht nur Schwärmerei tönte aus solchen Elogen, sondern auch theoretischer Konsens. Bessie-Smith-Biograph Paul Oliver rückte die Sängerin in ein ähnlich strahlendes Licht und die gleichen musikgeschichtlichen Zusammenhänge. Auch der britische Experte suggerierte Hierarchien, in denen der Jazz den Blues überragte. Diese Auffassung drückte in Sätzen durch wie: »Bessies Kunst hat alle Stilwechsel überdauert, und ihr Bluesgesang gehört immer noch zu den Höhepunkten des

26 27

Ebd. The Two Beat Friends: In memoriam Bessie Smith, 1.

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Jazz.«28 Ihre Popularität und Geltung sei nicht allein künstlerischer Genialität geschuldet, sondern auch einem biographischen Potenzial, das nach den Imageregeln des Blues formbar war. »Das Leben von Bessie Smith, der ›Kaiserin des Bluesgesanges‹, enthielt alle Elemente eines großen Dramas: Sie wurde in Armut geboren, sie stieg zu Erfolg und Ruhm auf, sie genoss Jahre des Erfolgs, sie musste langsamen Niedergang und bittere Demütigung erleiden und fand ein trauriges Ende, als sie gerade wieder Hoffnung gefasst hatte.«29 In den Mitteilungsblättern der Hot Clubs und den frühen kommerziellen Jazzmagazinen besaß Bessie Smith einen Ehrenplatz. Sie rezensierten ihre Schallplatten und den historischen Kurzfilm »St. Louis Blues«, beleuchteten biographische Stationen, druckten literarische Gedanken und die Erinnerungen von Weggefährten. Der Frankfurter Hot Club veröffentlichte zu ihrem zehnten Todestag eine Sondernummer seiner News. Hier verneigten sich die Köpfe des Vereins mit tiefsinnigen und würdevollen Essays, wurden Autoritäten wie Charles Delaunay, Bill Coleman und Langston Hughes zitiert. Das Vorwort erteilte dem Leser Regieanweisungen und läutete das Gedenken an Bessie Smith, gerade mal zwei Jahre nach Kriegsende, als Akt essenzieller Selbstbesinnung ein: »Es ist hoffentlich schon dämmerig draußen und Zeit für Beleuchtung im Zimmer? Nein, bitte, drehen Sie das grelle Licht wieder aus, schalten Sie die kleine Lampe hinten in der Leseecke ein – oder, noch besser, vermeiden Sie heute Abend elektrisches Licht, holen Sie sich die letzte noch verbliebene Kerze aus dem in irgendeiner Ecke liegenden Luftschutzgepäck ›von damals‹ und lesen Sie diese Ausgabe der News bei candlelight.«30 Bessie Smith wurde zur Ikone überhöht, zur zeitlosen Künstlerin, auf die sich auch die Puristen einigen konnten. Sie war die erste Bluessängerin, deren Konterfei das Cover des renommiertesten deutschen Jazzjournals, das »Jazz Podium«, zierte.31 Man konnte ausgewählte Schallplatten mit ihrer Musik erwerben – lange bevor der Blues in Serie ging. Bis 1952 kamen acht Songs von Bessie Smith in den bundesdeutschen Handel, veröffentlicht auf Odeon und Columbia. Die vier LPs umfassende Reihe »The Bessie Smith Story«, erschienen bei Philips,32 wurde von der Zeitschrift »Jazz-Echo« zur »Platte des Monats«33 gekürt und erhielt den »Großen Deutschen Jazzplatten-Preis 1953/54« der DJF.34 Schon

28 29 30 31 32 33 34

Oliver: Bessie Smith [deutsche Ausgabe], 7. Ebd., 55. Vorwort, in: Hot Club Frankfurt, 2. Jazz Podium 11/1953. The Bessie Smith Story, Volume 1 bis 4, Philips B 07 002/3/4/5 L. Brown: Platte des Monats. Großer Deutscher Jazzplatten-Preis 1953/54, 3.

  

  

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1959, und damit unmittelbar nach der Veröffentlichung der britischen Erstausgabe, erschien Paul Olivers Bessie-Smith-Biographie in Westdeutschland.35 Weil ihr Leben von Tragödien durchzogen war, nahm auch die Boulevardpresse von der Sängerin Notiz. Die auflagenstarke Bild-Zeitung meinte 1956, sie hätte »Musik aus schwarzen Tränen« destilliert und schilderte die letzten Stunden ihres Lebens. »Im weichen Blues-Rhythmus wiegt sich die stämmige Negerin, die unter lauten Weißen am 24. September 1937 im Omnibus nach Clarksdale sitzt.36 Clarksdale im Staate Mississippi.« Ihr Leben ist vom Alkohol zerfressen, die erfolgreichen Tage liegen weit zurück. Doch man will es noch einmal mit ihr versuchen, der berühmte Plattenproduzent John Hammond hat ein Studio gebucht. »Es ist die letzte Chance für Bessie Smith.« Während sie in Tagträumen versinkt, kommt es zum Unglück. Der Bus kollidiert mit einem Lastkraftwagen, sie wird schwer verletzt. Die Sanitäter lassen die bewusstlose Frau am Straßenrand liegen: »Erst die Weißen… Bessie ist ganz allein.« In Ihrem Kopf läuft ein Film ab. »Ist das nicht Louis Armstrong, der die Trompete hebt? Der St. Louis Blues erklingt, aber Bessie findet den Anfang nicht…« Das Rettungsauto kehrt zurück. »Die Krankenträger, selbst Neger, erkennen ihre ›Kaiserin‹ nicht.« Man fährt sie ins Hospital. »Aber der Pförtner öffnet das Tor nicht. Könnt ihr nicht lesen, ihr Hornochsen? ›Nur für Weiße!‹« Kostbare Zeit verrinnt. »Die dunkelrote Lache auf Bessies Kleid wird immer größer.« Als man sich endlich ihrer annimmt, ist es zu spät. »›Zwanzig Minuten früher‹, sagt der Arzt, ›hätte man sie mit einer Blutübertragung retten können.‹ Denn es war nur der Blutverlust…«37 Während die Yellow Press ihren Tod zum Thriller frisierte, hielten ihn Jazzfans und Kapitalismuskritiker als Symbol eines erbarmungslosen Rassismus hoch, der die afroamerikanische Musik seit jeher begleitete. Die von der Bild-Zeitung im Einklang mit unzähligen Publikationen kolportierte Version gehört zu den hartnäckigsten Legenden der Popgeschichtsschreibung. Ihre Suggestionskraft ist ungebrochen, sie übertönt bis heute alle Zweifel und gegenläufigen Recherchen. Der Talentscout und Produzent John Hammond hatte Bessie Smith schon 1938 zu »einem Beispiel der Grausamkeiten, die Negermusiker mit ihren vierzehn Millionen

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Oliver: Bessie Smith. Die einschlägigen Datenbanken nennen für die deutsche Ausgabe unterschiedliche Veröffentlichungsjahre; das Impressum des Buches verzeichnet keine Angaben. Der Verlag bestätigte auf Nachfrage, dass Original und Übersetzung 1959 erschienen. Vgl. E-Mail der Hatje Cantz Verlag GmbH an den Autor, 12.05.2014. Tatsächlich war es der 26. September 1937. Alle Zitate: Hallenberg, 8 und 9.

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Brüdern in Amerika teilen«,38 erklärt. Sein ambitioniertes Konzert »From Spirituals to Swing«, das der Sängerin gewidmet war und in der ehrwürdigen New Yorker Carnegie Hall über die Bühne ging, sandte die Botschaft in alle Welt.39 Obwohl das international führende Jazzmagazin »Down Beat« 1957 umfangreiche Nachforschungen einleitete und ernsthaft anfocht, dass ›weiße‹ Unmenschlichkeit Bessie Smith verbluten ließ,40 blieb diese Lesart resistent. Sie wurde von Fanzines41 und Fachliteratur42 favorisiert und fand sogar Eingang in die Schulbücher der DDR.43 Dort stellte man die Musikerin als »ein Opfer des Rassenwahns«44 vor. Das Gedicht »Bessie Smith«, verfasst von Jens Gerlach, gehörte zum Lehrstoff des Faches Literatur. Der Lyriker beschrieb das Leben einer Frau, deren Kunst aus Leid geboren war, die ihr Herz vor den ›Weißen‹ entblößte und im Straßenstaub endete. In der letzten Strophe erhob sie ihre Stimme zur bitteren Anklage: »Ich starb vor einem Krankenhaus, vor seinem weißen Tor / Sie sahn mich an wie ein Stück Vieh, als ich mein Blut verlor / Es war ein weißes Krankenhaus, und ich starb schwarz davor.«45

              Der zweifellos ergebenste Anbeter der »Kaiserin des Blues« in deutschen HotClub-Kreisen war Günter Boas.46 Seine Bewunderung grenzte an Obsession. »Es war so etwas wie eine Lebensaufgabe für mich«, bekannte er später, »alles nur

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Dugan/Hammond, 4. John Hammond hatte das Gerücht außerdem in der 1937er Novemberausgabe der USamerikanischen Zeitschrift »Down Beat« gestreut. Vgl. Hoefer. Vgl. ebd. Zu ihren Verfechtern gehörte beispielsweise Günter Boas. Er schrieb: »Noch heute ist dieses Ereignis jedem wahren Jazzfreund, ja jedem demokratisch denkenden Menschen ein Stich ins Herz.« Boas: »Really the Blues«, XII. Vgl. stellvertretend Berendt: Das Jazzbuch 1953, 43. Später hat Berendt »diese Story« angesichts neuer Erkenntnisse revidiert. Vgl. Berendt: Das Jazzbuch 1991, 102–103, Zitat: 102. Dabei hatte Theo Lehmann bereits 1966 mit seinem Buch »Blues and Trouble« auf den Einwand des »Down Beat« verwiesen. Er war also auch in der DDR bekannt. Vgl. Lehmann: Blues and Trouble, 60. Pezold/Herberger, 172. Lesebuch, 301–302, Zitat: 302. Originalabdruck des Gedichts in: Gerlach, 16. Frühe Quellen geben seinen Namen oft als Günter H. Boas an. Der Einfachheit halber wird hier und im Folgenden sowie in allen Literaturnachweisen die kurze Version verwendet.

  

  

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erdenklich Mögliche an Informationen über Bessie zu bekommen.«47 Günter Boas besaß nicht nur sämtliche Originalpressungen ihrer Schallplatten, sondern streute auch die Kunde, wo immer er konnte. Das brachte ihm den Spitznamen »Bessie« ein. Mit jährlichen Hot-Club-Gedenkveranstaltungen, zahlreichen Zeitungsartikeln und Rundfunkbeiträgen stilisierte er die Sängerin zum Monument. Bessie Smith, so Günter Boas, »ist für mich der Inbegriff des Großen, Gewaltigen; sie ist fast die Erscheinung einer Göttin aus einer anderen Welt.« Unter all ihren Aufnahmen, die er immer und immer wieder studierte, konnte er nicht eine einzige schwache entdecken. »Ihre Stimme glich einer Kirchenorgel, Wahrheit und Friedenssehnsucht verkündend«.48 Seine grenzenlose Verehrung schmolz er zum Gedicht »Bessie Smith«49 ein, das er der großen Sängerin anlässlich ihres zehnten Todestages widmete: »Lang war die Straße, die Du gegangen / ein Kind warst Du noch, als der Blues Dich gefangen / Deine Jugend, so hart wie Dein ganzes Leben / hat Dir das Gefühl für den Blues gegeben // Wenn Du sangest, dann war es Dein Herz, das sprach / von qualvoller Plage und Wehmut und Schmach / Deine Stimme war stark, gewaltig und rau / Nur ein Fühlender verstand Dich genau // Du wurdest reich und ›Kaiserin des Blues‹ / Dein Erfolg war groß, doch auch Dein Genuss / Ins volle Leben hineingestellt / fragtest Du nicht nach dem Preis der Welt // Du liebtest den Blues, die Nacht und den Gin / doch stets war die Bitternis in Deinem Sinn / Du kehrtest zurück zu Armut und Leid / um Dich und in Dir war Einsamkeit // Du hattest Recht, als Du sangst so laut: / ›Nobody knows you when you’re down and out‹ / Du warst vergessen bis zu jenem Tag / als Dein Körper blutend auf der Straße lag // Gott nahm Dich zu sich – uns blieb Dein Lied / auf Deinem Grab eine Blume, die jetzt wieder blüht« Der Blues sollte Günter Boas ein Leben lang begleiten. Er brachte eine elementare Saite seines Menschseins zum Klingen, traf ihn mitten ins Herz. Während eines Hot-Club-Treffens im Oktober 1948 beschwor er die Macht des reinen Gefühls: »Wenn ich Ihnen heute Abend dieses Blues-Programm vorführe, so möchte ich bemerken, dass ich Ihnen mein innerstes Erleben zeige. So etwas ist schwer in Worte zu fassen! Soll ich Ihnen erzählen, wo und wie der Blues entstand, wo er zuerst auftrat und gespielt wurde? Ich finde, darüber ist schon fast zuviel geschrieben worden. Für mich ist der Blues ein religiöses Gebot, eine Zuflucht, eine Begebenheit, an der ich mit meinem ganzen Herzen hänge! Oh Blues – du Offenbarung meiner Seele!«50 Wenn auch die Vertreter des jazzinfizierten »Classic Blues« 47 48 49 50

Boas: Bessie Smith. Empress of the Blues, 17. Boas: »Really the Blues«, I. Boas: Bessie Smith. Eine frühere Version des Gedichts findet sich in: Boas: In memoriam Bessie Smith, 1. Boas: The Hymn of Jazz, 18.10.1948, 1.

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der zwanziger Jahre ganz klar zu seinen Favoriten zählten, blieb Günter Boas doch für unterschiedliche Richtungen offen. Er sah im Blues schlechthin »die reinste und ehrlichste Musik«51 sowie »ein großes Geschenk für das Abendland«.52 Sein enzyklopädisches Wissen und die unstillbare Sammelleidenschaft brachten ihm schon in den vierziger Jahren den Ruf des »führenden deutschen Blues-Experten«53 ein.

Lore Boas, Sonny Boy Williamson und Günter Boas (von links), 1963

Günter Boas war ein Kenner und Missionar, ein mitreißender Fackelträger – und doch gehört er bis auf den heutigen Tag zu den nahezu unbesungenen »BluesEvangelisten«54 Deutschlands.55 Er hat »nie die Beachtung gefunden, die er verdient«.56 Ihm fehlten offenbar Sinn und Naturell für das große Geschäft, er wollte »im Rennen um die ersten Plätze«57 nicht mitspielen. Boas war »ein Enthusiast

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Boas: This Is Jazz, 2. Boas: The Hymn of Jazz, 03.04.1950. Hot Club Frankfurt, Programmblatt Nr. 70. In Anlehnung an Schwartz: Preaching the Gospel of the Blues. Die Stadt Lünen, in der er viele Jahre als Verwaltungsangestellter arbeitete, weihte nach seinem Tod eine Günter-Boas-Straße ein. Im Licht und Schatten der Jazz-Szene, 7. Theorie und Praxis.

  

  

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auf leisen Sohlen«.58 Er kämpfte an vorderster Front und verschwand doch bald schon von der Bildfläche, blieb »der Schattenmann des Blues«.59 »Was in der Stille wirkt«, merkte das »Jazz Podium« salomonisch an, »hat oft die nachhaltigste Ausstrahlung.«60 Günter Boas wurde am 15. Februar 1920 in Dessau geboren und wuchs in wohl situierten Verhältnissen auf.61 Schon als Kind entflammte in ihm eine tiefe Liebe zur Musik. Er nahm klassischen Klavierunterricht und bekam seine erste Schallplatte geschenkt: den »Basin Street Blues«, 1928 von Louis Armstrong für das OKeh-Label eingespielt. Für ihn barg die kleine, zerbrechliche Scheibe eine transzendente Erkenntnis, die seinen weiteren Weg bestimmen sollte: die Botschaft »des Individualismus und der Menschlichkeit, der Kraft und des Lebens«.62 Wie ein Talisman begleitete ihn die Schellackplatte durch gute und schlechte Zeiten – durch Krieg, Haft und die Sternstunden in den Clubs, wo Musik die Gesetze der Schwerkraft annullierte. Die nächste prägende Zäsur war der Besuch der Weltausstellung 1937 in Paris. Günter Boas lernte Hugues Panassié kennen, mit dem er bereits vorher in Briefkontakt stand, und er traf Django Reinhardt. Diese Begegnungen und das liberale Flair von Paris, jener tiefe Kontrast zum Terror und Rassenwahn der Nazis, müssen ihm die Augen noch weiter geöffnet haben. Günter Boas wuchs zu einem philosophisch und kulturell vielseitig interessierten Mann heran. Er hatte ein Faible für bildende Kunst, las Erich Mühsam, Egon Erwin Kisch oder Klabund, korrespondierte mit Martin Buber und Lion Feuchtwanger. Die Revolution des Tonfilms nahm ihn gefangen, und er sammelte Schallplatten. Unter großem Aufwand und den Sanktionen des Dritten Reiches zum Trotz, hatte er bis Kriegsbeginn an die 2000 Exemplare erstanden: Jazz, Blues, aber auch deutsche Unterhaltungsmusik. Er verlor sie später bei einem Luftangriff – ein paar Lieblingsplatten ausgenommen, die er stets in einem kleinen braunen Koffer bei sich trug.63

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Lorenz: Vom Anstiften, 257. Heidkamp: There Is a House in Eisenach. Günter Boas. 25 Jahre für den Jazz. Der schweizerisch-amerikanische Bluesforscher Walter Liniger hat eine sensible, in manchen faktischen Details allerdings auch ungenaue Boas-Biographie verfasst. Ihr entstammen etliche Informationen; vgl. Liniger: Windspiele. Wichtige Einzelheiten finden sich auch bei Kater: Interview mit Günter Boas sowie Tandel. Hinzu kommen Porträts und Interviews, die von ›offiziellen‹ Medien gedruckt wurden. Sie werden im Folgenden auszugsweise zitiert. Liniger: ebd., 12. Vgl. ebd., 15 sowie Jazzbummel mit Günter Boas durch die Zeiten hüben und drüben, 16.

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Nach dem Abitur begannen für Günter Boas wechselvolle Jahre. Er reiste für zwei Monate nach London, um die großen englischen Jazzbands zu erleben, schrieb sich in Leipzig an der medizinischen Fakultät ein, wurde zum Kriegsdienst gezogen und setzte anschließend sein Studium in Berlin und Jena fort. Im September 1944 landete er in Haft. Seine Zimmerwirtin hatte ihn bei der Gestapo denunziert, sie meldete, dass ihr Mieter den ›Feindsender‹ BBC und Jazz hörte. Boas wurde in das Strafgefangenenlager des Flugzeugswerks Kahla gebracht, eine Außenstation des KZ Buchenwald. Durch glückliche Umstände überlebte er die Zeit der Depression, des Siechtums und der Gewalt. Am 1. Juli 1945 zog er nach Frankfurt am Main, die aus Trümmern auferstehende Metropole des Jazz in Deutschland. Sie beherbergte nicht nur das europäische Hauptquartier der amerikanischen Streitkräfte, sondern auch den wichtigsten Militärflughafen des Kontinents. In Frankfurt und den umliegenden Kasernen waren mehr GIs stationiert als irgendwo sonst. Und so blühte eine Unterhaltungskultur, die in hohem Maße Jazz und Blues einschloss. Allein in der Stadt gab es etwa 25 verschiedene Army-Clubs.64

Geselliger Abend des Hot Circle Darmstadt im Clubkeller Miroir, 1955, vorn rechts: HotCircle-Präsident Heinz Werner Wunderlich

In Frankfurt traf Günter Boas Gleichgesinnte: Horst Lippmann, Olaf Hudtwalcker, Hans Otto Jung, Carlo Bohländer, Heiner Merkel, Emil und Albert Mangelsdorff.

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Vgl. Schwab: Der Frankfurt Sound, 62.

  

  

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Sie formierten die Phalanx einer Szene, die Schneisen für den Jazz schlug – gegen den Widerstand eines restaurativen Kultur- und Kunstverständnisses, unterschwelligen Rassismus und die Borniertheit kleinbürgerlicher Moral. Auch begann Günter Boas erneut, mit großem Eifer Schallplatten zu sammeln. 1953 umfasste die Kollektion, die »quasi mit dem Swing« endete, bereits 3800 Scheiben, »wovon allein 1600 Bluesaufnahmen«65 waren. Der permanent größer werdende Fundus bildete den Grundstock für ungezählte Vorträge, die er nach Kriegsende hielt. Parallel zu seinen Aktivitäten im Hot Club Frankfurt gründete er 1949 den Hot Circle Bergen.66 Der kleine, zwanglose Kreis von Puristen traf sich samstagnachmittags im Haus der Eltern von Peter Severin67 zu so genannten »PlattenProgrammen«, die Boas größtenteils selbst bestritt.68 Außerdem gab er eine der ersten deutschen Jazzzeitschriften der Nachkriegsära heraus. Das hektographierte Blatt im Format DIN A4 erschien ab April 1949 nach Erteilung einer »Sondergenehmigung« durch den »Publications Control Officer« der Amerikanischen Militärregierung in Hessen,69 es hieß »Jazz Home« und brachte es auf fünf Ausgaben.70 Im August 1952 übernahm Günter Boas die Leitung der deutschen Sektion der weltweit agierenden »The Thomas ›Fats‹ Waller Appreciation Society«. Die »Freunde von Fats« kamen jeden Sonntag in Bergen zu Plattenvorträgen und Sessions zusammen, die ausschließlich dem stilprägenden Jazzmusiker gewidmet waren. Ihre Mitgliederkartei verzeichnete illustre Namen, darunter Hugues Panassié und Rudi Blesh, die Sängerin Lizzie Miles sowie die Pianisten Ralph Sutton und Joe Turner. 1958 zog Günter Boas nach Dortmund, wo er zum Präsidenten des Hot Clubs gewählt wurde; ab 1963 leitete er den Hot Club im nahen Iserlohn.71 Auch im neuen Wirkungsfeld drückte seine Liebe zum Blues durch: mit Referaten, Jams und diversen Veranstaltungen – wie vorher schon in Frankfurt am Main und in Bergen. In Iserlohn organisierte er im November 1963 ein Benefizkonzert für Mamie Smith. Ihm war zu Ohren gekommen, dass die letzte Ruhestätte der »Queen

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Boas: Meeting with a Jazz Collector, 1. Bergen lag knapp zehn Kilometer nordöstlich des Zentrums von Frankfurt am Main, es besaß eigene Stadtrechte und wurde später eingemeindet. Peter Severin fungierte als Sekretär des Hot Circle Bergen. Der erste Plattenvortrag fand am 28. September 1949 statt und trug den programmatischen Titel: »Shining Trumpets of New Orleans. Dedicated to My Dear Friend Rudi Blesh«. Vgl. Boas: Shining Trumpets of New Orleans. Vgl. Military Government for Hesse. Bereits im August 1949 wurde »Jazz Home« wieder eingestellt. Er war im Sommer 1952 gegründet worden und hieß offiziell Hot-Club Iserlohn 52 e. V.

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of the Vaudeville Blues«72 keinen Grabstein besaß. Sie starb völlig mittellos, von der Nachwelt vergessen, beigesetzt in einem anonymen Armengrab.73 Gemeinsam mit seinem Freund Leonard Kunstadt, dem Herausgeber der amerikanischen Zeitschrift »Record Research«, arrangierte Günter Boas eine posthume Würdigung. Kunstadt kümmerte sich darum, dass Mamie Smith umgebettet wurde und eine eigene Grabstelle erhielt und organisierte ein Wohltätigkeitskonzert in New York.74 In Iserlohn sammelte man unterdessen für den Stein, der am 7. Dezember 1963 per Schiff auf die Reise ging. Seine Inschrift lautete: »Mamie Smith, 1883– 1946, First Lady of the Blues. Dedicated from the Hot Club and the City of Iserlohn/Germany«. Nach der Atlantiküberquerung folgte die eigentliche Odyssee. Die US-Behörden verweigerten Günter Boas, der die Veranstaltung in New York besuchen wollte, das Einreisevisum, weil sie ihn für einen Kommunisten hielten. Noch deprimierender war, dass der Gedenkstein nicht aufgestellt werden durfte. Er widersprach den Vorschriften der Friedhofsverwaltung des Frederick Douglass Cemetery. Also verschwand er für Jahre in Leonard Kunstadts Schuppen, bis er endlich doch seinen rechtmäßigen Platz fand. Über die tieferen Gründe für Günter Boas’ Bluesleidenschaft ist gelegentlich spekuliert worden. Vielleicht hing sie mit der Erfahrung des Außenseiters zusammen, die ihn schon früh heimsuchte. Mit acht Jahren erkrankte er an einer Nervenlähmung mit schnell fortschreitender Knochenatrophie. Seine linke Gesichtshälfte wurde entstellt, die Sehkraft beeinträchtigt. Er wusste wohl besser als alle anderen, was Bessie Smith meinte, wenn sie sang: »Nobody knows you when you’re down and out.« Auch das anhaltende Interesse für die Themen »Entfremdung« und »Emigration« mag dem eigenen Schicksal, dem »Kampf um Hoffnung und individuelle Kraft«,75 geschuldet gewesen sein. In seiner privaten Bibliothek standen auffällig viele Bücher, die sich mit diesen Phänomenen beschäftigten.76 Günter Boas verkörperte »die Geschichte des inneren Exils einer deutschen Jugend, die im Blues der Schwarzen, im Jazz der USA die einzige Hoffnung für ein anderes Leben sah, die sich von der deutschen Hochkultur und ihrer Kollaboration

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Boas: Blues, 1. Mamie Smith wird heute als die erste afroamerikanische, »klassische« Bluessängerin verehrt, die Schallplatten aufnahm. Sie ging ab Februar 1920 für OKeh Records ins Studio und landete mit dem »Crazy Blues«, produziert im August des selben Jahres, einen Smash-Hit. Vgl. Kunstadt. Liniger: Windspiele, 14. Vgl. ebd.

  

  

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mit den deutschen nationalsozialistischen Massenmördern lebenslang verabschiedet hat«.77 Ein suchender, kritischer Geist blieb er genauso in politischen Fragen. Ihn faszinierte das Ideal von Gerechtigkeit und Pazifismus, das er in der Vision des Kommunismus aufgehoben glaubte. Im Januar 1947 trat Günter Boas in die KPD ein. Doch schon bald hielt er diesen Schritt für einen Irrtum, weshalb er die Mitgliedschaft nach nur wenigen Monaten wieder quittierte. Sein Weltbild, das von einer unerschütterlichen Parteinahme für die Entwurzelten und Unterdrückten geprägt war, blieb von der Entscheidung unberührt.78 Ungeachtet seiner hohen Sensibilität und Innerlichkeit war Günter Boas ein überaus kommunikativer Mensch. Schon als Teenager knüpfte er Verbindungen in alle Welt, um mehr über die von ihm geliebte Musik zu erfahren. Nach dem Krieg intensivierte er die Kontakte, pflegte er eine umfangreiche Korrespondenz und bereiste die Orte seiner Sehnsucht. Zu seinem außergewöhnlich dichten Netzwerk gehörten Musiker, Konzertveranstalter, Medienleute, Vertreter der Schallplattenbranche und Sammler wie er. Mit etlichen verband ihn eine lebenslange Freundschaft. Schon 1947 lernte er auf dem Postweg Louis Armstrong kennen, der seine Loyalität zu schätzen wusste und ihm versprach: »Deine Liebenswürdigkeit soll niemals vergessen werden.«79 Willie Dixon scherzte in einem Brief, auf die eigene Körperfülle und seine Vergangenheit als Boxer anspielend: »Kümmere Dich um meinen Schatz und küsse all die schönen Mädchen von mir. Ich bin immer noch eifersüchtig. Also wenn Du mein Gewicht erreichst oder ich Deins, werden wir kämpfen.« Dixons witziger Gruß richtete sich an Günter Boas’ Ehefrau Lore und wohl auch an die Photographin Stephanie Wiesand, die er ebenfalls erwähnte. Aus seinen Zeilen an die Deutschen, verfasst im April 1964, sprach Zuneigung: »Ich denke sehr oft an Euch. Haltet die Ohren steif und vergesst nicht, dass ich schon bald da sein werde. Bis zum September ist es ja nur noch ein Weilchen.«80 Beryl Bryden, die britische »Queen of the Washboard«, schrieb der Familie Boas 1965 ins Gästebuch: »Für Günter und Lore, zwei der ›ergebensten‹

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Heidkamp: There Is a House in Eisenach. Auf die Affinität der politisch Linken in den USA und in Europa zu Jazz und Blues ist in der Fachliteratur wiederholt hingewiesen worden; vgl. stellvertretend Cohen; Filene; Wynn. Günter Boas’ Beispiel könnte als idealtypische Verknüpfung von weltanschaulicher Positionierung und Musikgeschmack diskutiert werden. Armstrong. 1952 kam es im Rahmen von Armstrongs Deutschlandpremiere zur ersten persönlichen Begegnung, der weitere folgten. Dixon: Brief an Günter und Lore Boas.

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Jazz People, die ich kenne, mit Herzen, so groß wie ihre Liebe für Jazz und Blues.«81

Worte des Dankes und der Verbundenheit oder die vertrauensvolle Bitte um Vermittlung von Auftritten erreichten Günter Boas auch von Irene Scruggs,82 Sonny Boy Williamson, J. B. Lenoir, Memphis Slim, Howlin’ Wolf, Brownie McGhee, Koko Taylor, Sam Wooding, Eddie Boyd und Fred Below.83 Victoria Spivey und ihr Lebensgefährte Leonard Kunstadt zählten zu den besonderen Bekanntschaften, 81 82

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Bryden. Günter Boas traf die Sängerin, die in den zwanziger Jahren für OKeh Records aufgenommen hatte und mittlerweile in Vergessenheit geraten war, Anfang 1953 in London. Er gilt der Fachwelt als derjenige, der Irene Scruggs ›wiederentdeckt‹ hat. Vgl. Boas: Boas »entdeckt« Irene Scruggs. Diese und zahlreiche weitere Dokumente sind in der Sammlung Günter Boas im International Archive for Jazz and Popular Music of the Lippmann+Rau Foundation Eisenach (IJAE) aufbewahrt. Über seine Begegnungen und Freundschaften mit berühmten Musikern berichtete Günter Boas in der Serie »Ein Leben mit dem Jazz«, die das Westdeutsche Tageblatt (WT) 1962/63 druckte. Hier erinnerte sich Boas, den das WT anerkennend den »Pope of Blues« nannte, neben den bereits erwähnten Künstlern auch an Billie Holiday, Ella Fitzgerald, Duke Ellington, Lionel Hampton, Chris Barber, Joe Turner oder Sonny Criss. Ein paar Artikel widmeten sich den ›goldenen zwanziger Jahren‹ in Berlin, dem Jazz im Dritten Reich und den Aufbrüchen der Nachkriegszeit. In der Rubrik »Platten-Box« rezensierte Boas zudem Blues- und Jazz-LPs.

  

  

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konnte die Sängerin doch aus erster Hand über Bessie Smith berichten. Spivey hatte als junges Mädchen in einer Show der »Kaiserin des Blues« mitgewirkt und war damit eine wichtige Zeitzeugin. Günter Boas flog extra nach New York, um mehr über sein Idol zu erfahren. Einen engen Draht besaß er außerdem zu prominenten Autoren und Forschern, unter ihnen Hugues Panassié, Ernest Borneman, Rudi Blesh, Alfons Michael Dauer und Karl Gert zur Heide. All diese Verbindungen weiteten seinen Horizont, sie nährten die Liebe zum Blues und ließen ihn zum Experten reifen. Unermüdlich teilte und mehrte er sein Insiderwissen, tauschte er Druckerzeugnisse, Fotos und Schallplatten.

Die Two Beat Stompers (am Schlagzeug Horst Lippmann) begleiten Big Bill Broonzy, Erstes Deutsches Jazzfestival, Frankfurt am Main, 1953

Die vielleicht weitreichendsten Folgen löste die Begegnung mit Big Bill Broonzy aus. Günter Boas hatte ihn 1951 in Frankfurt kennen gelernt, am Rande seines ersten Gastspiels in Deutschland. Zwei Jahre später holte er ihn erneut in die MainMetropole. Er wusste, dass Broonzy in Paris gastierte und bat Hugues Panassié um die Adresse seines Hotels.84 Und so stand der Barde am 3. Mai 1953 auf der Bühne des Frankfurter Franz-Althoff-Baus, begleitet von Günter Boas’ eigener Band, den Two Beat Stompers. Diesmal war Big Bill Broonzy privat untergebracht, in der Wohnung des Ehepaares Boas, wo seinem Auftritt eine ausgelassene Party folgte. Neugierig drängte sich die Nachbarschaft in die Mansarde. Der be-

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Vgl. Panassié: Brief an Günter Boas.

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rühmte Gast griff zur Gitarre und sang, man trank, lachte, hörte bis zum Morgengrauen Musik. Zurück in den USA, streute Big Bill Broonzy die Kunde von dem bluesbegeisterten Deutschen, »my old pal«,85 der das Herz am rechten Fleck hatte. So war Günter Boas etlichen Musikern schon ein Begriff, bevor sie ihn überhaupt das erste Mal trafen. Broonzys Wertschätzung hatte Türen geöffnet. In den kommenden Jahren schloss Günter Boas Freundschaft mit einigen Wegbereitern des Blues. Ob Big Joe Williams, Lonnie Johnson, Walter Horton oder Big Mama Thornton – sie alle erkannten in dem schmächtigen ›weißen‹ Mann mit dem Schmerzensgesicht einen Seelenverwandten. Zwischen ihnen herrschte eine große Nähe, geschmiedet durch die Kraft der Musik, vielleicht aber auch »wegen des gegenseitigen Respektes vor ihren individuellen Leiden«.86 Big Bill Broonzy blieb für Günter Boas eine besondere Bezugsperson. Er sah in ihm die zweite Zentralfigur des Blues, nach Bessie Smith. Dass Broonzy zum »President of Honour« des von Boas geleiteten Hot Circle Bergen erklärt wurde, war eine logische Konsequenz. Als 1958 die Nachricht über den Atlantik drang, Big Bill sei an Kehlkopfkrebs erkrankt, initiierte Günter Boas eine groß angelegte Benefizaktion. Die Spendengelder und Einnahmen sollten eine Operation durch einen anerkannten Spezialisten in Köln ermöglichen. In der Fachpresse wurde »die deutsche Jazzgemeinde« mit Annoncen und Aufrufen gebeten, »dieses gute Werk nach Vermögen«87 zu unterstützen. Am 28. Juni 1958 fand in Boas’ Heimatstadt Dortmund ein Wohltätigkeitskonzert statt, veranstaltet vom dortigen Hot Club. Old Time Jazz, Swing und Blues waren angekündigt, dargeboten von den Oimel Jazz Youngsters aus Hamburg, den Spree City Stompers, Berlin, dem Dortmunder Siggi Gerhard Swingtett, Beryl Bryden, The Feetwarmers aus Düsseldorf und der Günter Boas Benefiz Blues Combo.88 Im Programmheft warb Boas für den Blues als »etwas rein Menschliches«, eine Kunst, »aus der die tiefste Seele des Sängers spricht«. Er erzählte von den »vielen Stunden«, die er mit Broonzy verbringen durfte, schilderte ihn als einen Menschen, »frei von Startum, voll von Vitalität, Menschlichkeit und Freundschaftssinn«. Seine Musik wurde als Manifest des Lebens beschrieben, als Klang von Wahrhaftigkeit. »Langsam holte er seine Gitarre hervor, begann zu erzählen, begleitete seine Geschichten mit Bluesakkorden und schrie plötzlich auf … so begann sein Blues. […] Uns standen die Tränen in den Augen, und bewundernd beobachteten wir sein meisterhaftes Gitarrenspiel. Sein Gesang ist ganz mit diesem Instrument verwachsen.« 89 Der Reinerlös des Abends, 85 86 87 88 89

Anrede im Schriftverkehr; vgl. etwa Broonzy: Brief an Günter Boas, 03.04.1954. Liniger: Windspiele, 20. Big Bill Broonzy, in: Schlagzeug. Ursprünglich war auch ein Auftritt von Sonny Terry & Brownie McGhee geplant. Boas: Big Bill Broonzy.

  

  

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exakt 1181,40 DM,90 wurde umgehend nach Chicago überwiesen und kam doch zu spät: Am 15. August 1958 erlag Big Bill Broonzy seiner Krankheit. Das enorme Ansehen, das Günter Boas in der Blueswelt genoss, resultierte in hohem Maße aus der Tatsache, dass er nicht nur ein Fan, Sammler und Apostel war, sondern auch ein geschätzter Praktiker. Kühle Analysen, die das Gefühl ausblendeten, blieben ihm suspekt. Pathetisch klagte er einmal im Programmblatt des Hot Circle Bergen an: »Oh grausame Theorie, die Du das Herz und die Seele vergessen lässt!«91 Boas wusste, wovon er sprach, denn er war selbst zeitlebens als Musiker unterwegs. Seine Karriere begann unmittelbar nach Kriegsende. In Frankfurt trat er zuerst in einem britischen Offiziersclub auf, dann für die amerikanischen Truppen. Diese Verbindung, die sich auch auf das Umland erstreckte und ihn bis nach Mannheim führte, sollte Jahre halten. Günter Boas zog solo oder mit eigenen Combos durch die Clubs, gelegentlich gehörte eine ›schwarze‹ Tänzerin zum Line-up. Er spielte für GIs und hohe Dienstgrade, lieferte die stilvolle Untermalung bei Dinners oder Barbecues und brachte die Tanzfläche zum Kochen. Der McNair Officers’ Club in Frankfurt annoncierte für Samstag, den 16. Oktober 1954, einen »Candlelight Dance« mit den folgenden Worten: »Fackelt die Woche heute mit einem umwerfenden Abend im Club ab. Tanzt zur Musik der Boas Combo.«92 Immer wieder jammte Günter Boas mit afroamerikanischen Musikern in überschäumenden After-Hour-Sessions – sowohl in den anfangs noch abgeschotteten, für deutsche Besucher kaum zugänglichen Kasinos als auch im Treffpunkt des Frankfurter Hot Clubs, dem seit 1951 im Keller der Kleinen Bockenheimer Straße 18a residierenden »Domicile du Jazz«.93 Zeitweise schlug er sogar sein Nachtlager in der Kaserne auf. In Mannheim, wo Günter Boas 1946 vier Monate lang in einer »farbigen Einheit« gastierte, fusionierte sein Trio mit der Army Band und quartierte sich kurzerhand bei den Kollegen ein. »Es ist kaum möglich, die Atmosphäre zu schildern, in der wir da lebten«, schwärmte er noch später. »Freundschaftliche Wärme und Herzlichkeit herrschten dort, wir waren wie zu Hause.«94

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Konzertinitiator Günter Boas legte die Bilanz in allen Details offen. Vgl.: Fast 1200 DM für Big Bill Broonzy. Boas: Puritan, 1. McNair Officers’ Club. Afroamerikanische Armeeangehörige waren offenbar auch als Gäste bei den wöchentlichen Hot-Club-Treffen willkommen. Der sonst moderneren Spielarten des Jazz skeptisch gegenüberstehende Hot Circle Bergen lud im Januar 1950 zu einem Bebop-Abend ein, präsentiert »von zwei farbigen Freunden«. Hot Circle Bergen, Programmblatt Nr. 10. Boas: Neue Ära brach an.

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Die Jahre in den amerikanischen Soldatenclubs waren für Günter Boas eine wichtige Lehrzeit. Sie schärften sein Weltbild, das für stereotype Schwarz-Weiß-Töne und Vorurteile keinen Platz hatte, luden Blues und Jazz mit einer noch tieferen Bedeutung auf. In der transatlantischen Begegnung füllte sich die von ihm verehrte Kultur mit Leben, bekam sie eine neue Qualität. Er baute freundschaftliche und auch beruflich nützliche Kontakte auf, schulte seine Fähigkeiten als Pianist und Sänger. Die bis 1949 zumeist nach Hautfarben getrennten Clubs boten in der Regel zwischen 19 und 23 Uhr Livemusik, geteilt in vier 45-minütige Sets.95 Einschlägige Repertoirekenntnisse, improvisatorisches Geschick und Durchhaltevermögen waren unerlässlich. Im Gegenzug winkten ein in gewisser Hinsicht privilegierter Lebensstil, nah an der geliebten Musik und fernab eines routinierten Alltags, sowie eine verhältnismäßig gute Bezahlung. Parallel zu seinen regelmäßigen Engagements in den GI-Clubs trat Günter Boas in Bars und den Hochburgen der Frankfurter Jazzszene auf. 1949 formierte er die Two Beat Stompers, die anlässlich der Gründung des Hot Circle Bergen ihr erstes Konzert gaben. Die Kapelle spielte Old Time Jazz in mittlerer bis größerer Besetzung,96 sie präsentierte Eigenes und coverte Klassiker von King Oliver, Tommy Ladnier, Kid Ory, Jelly Roll Morton oder Johnny Dodds. Drohte das Publikum im Rausch des Offbeat zu versinken, war es Zeit für einen Blues. Dann erdete Günter Boas die Party durch jene Musik, der er sich mit Haut und Haaren verschrieben hatte. »Die acht Jungen waren wieder mit ganzem Herzen dabei, ihren Jazz so zu spielen, wie sie ihn fühlen«, berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung. »Doch manchmal kam der Tanz zu einem plötzlichen Ende. Das war dann, wenn der Blues aufklang, der uns in Gedanken ins Mississippi-Delta nach New Orleans entführt. Der Blues, von dem Jean-Paul Sartre sagt, dass er in uns den Ekel an der menschlichen Existenz ad absurdum führt.«97 Hin und wieder begleitete die Band profilierte, zuweilen sogar berühmte Solisten, wie etwa Big Bill Broonzy 1953. Die Two Beat Stompers waren überregional aktiv und erfreuten sich großer Beliebtheit. Sie besaßen Amateurstatus, ihre Gagen bewegten sich in

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Vgl. Knauer: »Jazz, GI’s und German Fräuleins«, 82. Das Personal der Two Beat Stompers wechselte häufig. Zur Urbesetzung gehörten Günter Boas (p), Werner Rehm (tp), Walter Müller (cl), Dick Simon (tb), Horst Lippmann (b) und Ata Berk (dr). Weil Günter Boas »nicht einfach Dixieland Musik spielen, sondern echten New Orleans Stil« darbieten wollte, erweiterte er schon bald die Band um Heinz Zimmermann (bj) und Wolfgang Böhm (tu). Vgl.: Die Two Beat Stompers. Der Artikel findet sich als Ausriss im Nachlass von Günter Boas, IJAE, Sammlung Günter Boas. Per Hand wurde der 22.08.1950 als Erscheinungstag vermerkt. Diese Angabe ist nicht korrekt, das tatsächliche Datum konnte nicht ermittelt werden.

  

  

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den Grenzen eines willkommenen, aber schmalen Zubrots. Der Vertrag für einen Auftritt am 5. November 1949 in der Turnhalle Bergen sicherte der damals achtköpfigen Besetzung ein Salär von 120 DM »zuzüglich einer Abendmahlzeit nebst Getränken«. Dafür musste sie acht Stunden spielen, von 19 Uhr bis drei Uhr morgens.98 Günter Boas verließ die Two Beat Stompers nach relativ kurzer Zeit, weil er sich »als Professional der Band nicht mehr so oft widmen konnte«.99 Bis an sein Lebensende war er solistisch unterwegs. Oft verband er diese Auftritte mit Vorträgen und fesselte so sein Publikum auf doppelte Weise – als glühender Redner und als Künstler. Die Fachpresse lobte: »Boas hat als Bluesinterpret im klassischen Stil in Deutschland nicht seinesgleichen. Seine Stärke am Piano: der Lowdown-Blues. Als Sänger bevorzugt er den dramatischen Shout-Stil.«100 Neben seinen ›One Man Shows‹ war Günter Boas immer auch in Bandprojekte eingebunden. Sie alle wurzelten im Blues, selbst als er noch traditionellen Jazz spielte. In Dortmund gründete er 1958 die Günter Boas Blues Combo, die nach seiner Wahl zum Präsidenten als offizielle Formation des Hot Clubs firmierte. Zeitgleich zog er sich aus dem musikalischen Berufsleben zurück, um als Leiter der Jazzabteilung des Dortmunder Fachgeschäfts »Die Schallplatte« und später bei der Stadtverwaltung in Lünen zu arbeiten.101 1970 erlebte Günter Boas sein Comeback. Er sprang für »Champion« Jack Dupree ein, der im Dortmunder Rockclub »Fantasio« angekündigt war, jedoch kurzfristig absagte. Boas stieg auf die Bühne, jammte mit der jungen Krautrockband Epitaph und stellte verblüfft fest, dass seine Musik eine neue Generation begeisterte. Epitaph begleiteten ihn dann auch auf seiner LP »Happy Piano-Blues-Party«,102 von der ein Rezensent meinte, sie fange »die Seele von Blues-Boas« ein, und er klänge wie »einer der authentischen Blues-Leute aus Old New Orleans«.103 Zwischen 1974 und 1979 reiste Günter Boas als Mitglied von Oscar Klein’s Bluesmen durch Europa. Zeitweilig hieß ihr Konzertprogramm »History of the

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Vertrag über einen Auftritt der Two Beat Stompers am 05.11.1949 in der Turnhalle Bergen. 99 Die Two Beat Stompers. 100 Günter Boas sang den Blues. 101 Im August 1960 wurde ihm außerdem von der Firma Philips ein Beratervertrag angeboten. Günter Boas sollte gegen ein monatliches Honorar von 250 DM das Jazzsortiment betreuen, das heißt Vorschläge für die Veröffentlichung von LPs unterbreiten, Informationen »aus dem Musikleben im Sektor Jazz« liefern sowie Texte für Plattenhüllen und Kataloge verfassen. Vgl. Deutsche Philips GmbH. 102 Günter Boas: Happy Piano-Blues-Party, Karussell 2415039, BRD 1972. Die Platte war bereits 1970 im Tip-Studio Hamburg aufgenommen worden. 103 Panke.

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Blues«, man offerierte eine Melange aus »Chicago-Stil, Blues, Boogie, Swing und Harlem Jump«.104 Mit Oscar Klein, dem namhaften österreichischen Trompeter, Gitarristen und Mundharmonikaspieler, für den Boas ein »absoluter Favorit« 105 war, trat er auch in der Duovariante, als Blues Brothers, auf. 1979 hob er eine eigene Gruppe aus der Taufe, die Günter Boas Bluesicians. Egal, in welcher Besetzung er spielte: Günter Boas riss seine Zuhörer mit. Die Presse nannte ihn einen »Erzmusikanten«,106 bescheinigte »Drive« und »unbändige Vitalität« und klärte die Jünger von Alexis Korner und John Mayall auf, »dass eigentlich er der Vater des weißen Blues war«.107 Eine Lanze für den Blues brach Günter Boas auch im Radio. Nicht nur, dass er etliche Songs für dieses Medium produzierte – er war auch journalistisch tätig. Über die Jahrzehnte hinweg gestaltete er Sendungen oder ganze Serien für verschiedene Anstalten, darunter der Südwestfunk, der Hessische und der Nordwestdeutsche Rundfunk, Sender Freies Berlin, der Westdeutsche Rundfunk und die Deutsche Welle. In der Anfangszeit war es immer wieder der »Klassische Blues« und die Musik des »Golden Age«, die er in Specials vorstellte.108 Die tiefsten Spuren hinterließ Boas mit einer Sendereihe, die vom AFN ausgestrahlt wurde. Das American Forces Network war zur kulturellen Betreuung der weltweit stationierten US-Truppen eingerichtet worden.109 Es besaß mehrere Studios in Deutschland, eins auch in Frankfurt am Main.110 Dass Boas in den Dienst eines exterritorialen Massenmediums der Vereinigten Staaten trat, war gewissermaßen folgerichtig. Schließlich kannten ihn einflussreiche Multiplikatoren und Insider als Botschafter afroamerikanischer Musik. Er war, wie Trummy Young, der Posaunist von Louis Armstrong and His All Stars, seinen Namen einmal scherzhaft buchstabierte, »Blues Overseas American Service«.111 Im Frankfurter Treibhausklima blieben weit tragende Begegnungen ohnehin nicht aus. »Die Leute vom AFN«, so erinnerte sich Günter Boas, kamen zu den Plattenvorträgen des Hot Clubs, sie »gehörten mit dazu«.112 Ihr Sender gab ihm die konkurrenzlose

104 Günter Boas & Oscar Klein’s Bluesmen [Flyer]. 105 Im Licht und Schatten der Jazz-Szene, 7. 106 Gschwendner: Oscar Klein’s Bluesmen & Günter Boas. 107 Günter Boas Bluesicians [Flyer]. Die Zitate entstammen dem »Schwarzwälder Boten« und den »Ruhr-Nachrichten«. 108 Vgl. stellvertretend Boas: Der Klassische Blues sowie Boas: Blues aus dem Golden Age. 109 Nichtsdestotrotz rekrutierte sich die Hörerschaft zu schätzungsweise 90 Prozent aus Deutschen. Vgl. Pells, 41. 110 Zur Geschichte des AFN in Deutschland vgl. Schäfers. 111 Zit. bei Lorenz: Vom Anstiften, 257. 112 Transkription nach Stenke, 5.

  

  

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Chance, den Blues wirksam unter die Leute zu bringen. Hier konnte diese Musik der Nische entfliehen – zwar für ein paar Minuten nur, doch mit entscheidender, einen Dominoeffekt auslösender Regelmäßigkeit. Zwischen Februar 1951 und 1957 ging »Blues for Monday« über den Äther,113 Woche für Woche, jeweils eine Viertelstunde.114 Als Erkennungsmelodie erklang »Blues Downstairs« von Woody Herman. Das Konzept war einfach und dennoch revolutionär. Jede Sendung besaß ein Thema und brachte Platten zu Gehör, die sonst nur ein Kreis von eingeschworenen Fanatikern kannte. Anfangs bestückte Günter Boas die Radio Shows aus seiner privaten Sammlung. Er fungierte als Redakteur, Autor und Produzent in Personalunion.115 Die Moderation übernahm Johnny Vrotsos, seines Zeichens Program Advisor und Chief Announcer des AFN Frankfurt. Was Boas an Musik zusammenstellte, galt als Kanon. Die Spannweite reichte von den Majestäten des New Orleans Jazz sowie die »klassischen« Sängerinnen der zwanziger und dreißiger Jahre über die Pioniere des Country Blues und Boogie-Woogie-Heroen bis zu Crossover-Künstlern des frühen R & B. Zu seinen Säulenheiligen gehörten King Oliver und Louis Armstrong, Ma Rainey und Bessie Smith, Josh White, Meade »Lux« Lewis und »Champion« Jack Dupree sowie Jimmy Rushing und Big Joe Turner.116 Günter Boas hatte ästhetische Prinzipien und klare Vorlieben, war aber nicht borniert. Mit den Jahren verschob sich seine Toleranzgrenze, fand er auch an modernen Spielweisen Gefallen. Nach Kriegsende gehörte er zu den Puristen, die einen Werte- und Qualitätsverfall beklagten. Der von ihm gegründete Hot Circle Bergen druckte auf seine Mitgliedsausweise

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Der tatsächliche Start der Reihe ist umstritten. Mehrere Quellen nennen 1949; vgl. stellvertretend Liniger: Windspiele, 17. Das »Jazz Podium« datierte die Premiere auf den 3. Februar 1950; vgl.: Blues for Monday. Den Sendemanuskripten zufolge ging »Blues for Monday« jedoch erst ab dem 19. Februar 1951 on air. Die Ausgabe vom 11. Februar 1952 war als »First Anniversary Program« überschrieben, 1951 scheint somit als Beginn gesichert. Möglicherweise hängt die Verwirrung damit zusammen, dass Günter Boas bereits vor »Blues for Monday«, ab 1946, Sendungen für den AFN gestaltete. Seine Serien trugen Namen wie »B. for the Blues« oder »Saturday Afternoon Swing Session«, eine Live-Show, in der er selbst auch Klavier spielte; vgl. Boas: Neue Ära brach an. 114 Die Sendezeit wechselte im Laufe der Jahre mehrfach. Überliefert sind die Plätze von 13:45 bis 14:00 Uhr, 14:30 bis 14:45 Uhr, 21:15 bis 21:30 Uhr und 22:45 bis 23:00 Uhr. 115 Nach eigener Aussage erhielt er für diese Tätigkeit keinerlei Honorar; vgl. Kater: Interview mit Günter Boas, 5. 116 Einen Einblick in das Sendeprofil der Jahre 1951 bis 1954 erlaubt der im IJAE aufbewahrte Nachlass von Günter Boas. Die Themen vom 19. Februar 1951 bis zum 11. Februar 1952, das erste Jahr der Reihe, sind lückenlos aufgelistet. Sie weisen einen hohen Jazzanteil aus.

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unmissverständlich »Society for the Care of Traditional Jazz«.117 Boas zog damals gegen Swing und Bebop zu Felde, der von »unerträglichen Orchestern« verbreitet wird und »die jungen Pseudofans aufschreien lässt und veranlasst, dumme Grimassen zu schneiden, kindliche Laute von sich zu geben und ihre Kleidung danach zu tragen. Welch armseelige Geschöpfe!«118

Günter Boas (rechts) und AFN-Chefsprecher Johnny Vrotsos im Studio, Frankfurt am Main, ca. 1950

Neben Dizzy Gillespie und Woody Herman zählte er Benny Goodman namentlich an. Doch schon bald sollte Günter Boas sein harsches Urteil revidieren: Er setzte »the great Charlie Parker«119 auf die Playlist, und selbst Benny Goodman, der einst geschmähte »King of Swing«, fand in »Blues for Monday« seinen Platz.120

117 Vgl. IJAE, Sammlung Günter Boas. 118 Boas: Shining Trumpets of New Orleans, 1. 119 Boas: Blues for Monday – Blues for the Hot Club of Frankfurt. 120 »Blues for Monday« widmete sich am 22. Juni 1953 und 12. April 1954 ausschließlich der Musik von Benny Goodman; vgl. die Sendemanuskripte.

  

  

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Binnen kurzer Zeit eroberte sich die Sendung ein immenses Prestige, das über das Territorium der Bundesrepublik hinausstrahlte.121 Sie bestach nicht nur durch die exquisite Musikauswahl, auch die Präsentation setzte Maßstäbe. Johnny Vrotsos traf einen vertraulichen und trotzdem nie peinlichen Ton. Er sprach seine Hörer wie Verbündete an, begrüßte sie mit »good afternoon friends«122 und schickte zum Schluss ein »so long everybody«123 an die Bluesgemeinde. Auch vergaß er nie, Günter Boas »of the Hot Club of Frankfurt« für dessen Arbeit im Hintergrund zu danken.124 Gern streute Vrotsos den Slogan ein: »This is the program that brings you the blues – as you like ’em.«125 Das Publikum sollte auf entspannte und dennoch anspruchsvolle Art unterhalten werden. »Wenn Ihr in einer bluesigen Stimmung seid und ein Medium braucht, um diese Gefühle zu teilen, schließt Euch uns für die nächsten 15 Minuten an. Denn AFN präsentiert ›Blues for Monday‹«.126 Wie in den Newslettern der Hot Clubs, wurden die Informationen knapp und sachlich gehalten, im Zentrum stand das klangliche Produkt. Zwischen den Songs erfuhr man biographische Details und Eckpunkte des musikhistorischen Kontextes. Günter Boas vertrat einen zusehends breiteren Bluesbegriff, der sich modernen Spielarten öffnete und jungen Künstlern wie Jimmy Witherspoon oder »dem kerngesunden Big City Blues von Jimmy Rushing«127 Raum ließ.

          Auch im Osten Deutschlands hatte die AFN-Serie viele Fans. Als Günter Boas das erste Mal offiziell in die DDR reiste, eilte ihm ein fast schon legendärer Ruf voraus. Das Programmheft eines fünftägigen Festivals, von der Hallenser Arbeitsgemeinschaft Jazz im Dezember 1956 organisiert, vermerkte lakonisch, dass der Westdeutsche als »Autor der Sendung ›Blues for Monday‹« hinlänglich bekannt sei – ohne den AFN expressis verbis zu nennen. Dieser Nebensatz kam einem

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Das »Jazz Podium« vermeldete, dass Vrotsos und Boas Post aus 13 Ländern erhielten. Vgl.: Blues for Monday. 122 Siehe z. B. Boas: Blues for Monday, Manuskript für die Sendung am 05.03.1951. 123 Siehe z. B. Boas: Blues for Monday, Manuskript für die Sendung am 22.10.1951. 124 Vgl. stellvertretend Boas: Blues for Monday, Manuskript für die Sendung am 19.03.1951. 125 Vgl. stellvertretend Boas: Blues for Monday, Manuskript für die Sendung am 26.03.1951. Zu Deutsch: »Hier ist das Programm, das Euch den Blues bringt – wie Ihr ihn mögt.« 126 Boas: Blues for Monday, Manuskript für die Sendung am 29.03.1954. 127 Boas: Blues for Monday, Manuskript für die Sendung am 27.04.1953.

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politischen Fauxpas gleich, galt der Sender doch als ›feindliches‹ Medium. Weiter war zu lesen: »Er verhandelt gegenwärtig mit der DEFA um einen Jazzfilm, der das Leben der großen Bluessängerin Bessie Smith zum Thema haben soll, sowie mit einem DDR-Verlag über die Herausgabe eines Jazzbuches.«128 Günter Boas wurde mit dem Vortrag »Really the Blues: Blues, gesungen und gespielt – Negerlyrik129 und Bluesdichtung« angekündigt. Sein Auftritt gehörte zu den Höhepunkten der Festivalwoche, wie das »Jazz Podium« resümierte. In einem zweistündigen »Schallplattenprogramm« hatte Boas »mit einfachen, aber ergreifenden Worten durch die Erzählung persönlicher Erlebnisse die ganze Welt des Blues erstehen« lassen. Danach setzte er sich an den Flügel, sang und spielte seine Musik, begleitet von einer Hallenser Rhythmusgruppe. Dieser Konzertteil »wurde nicht durch theoretische Erläuterungen, sondern durch Gedichtvorträge von Langston Hughes und James Weldon Johnson sowie die Nachdichtungen einiger Bluestexte unterbrochen«. Erst nach drei Zugaben und unter »frenetischem Beifall« durfte er von der Bühne.130 Ähnlich gefeiert wurde er auch von den Jazzclubs in Dresden und Berlin. Die DDR-Presse fand lobende Worte.131 Sie würdigte ihn als einen Vorkämpfer, der »neben Joachim-Ernst Berendt wohl der bedeutendste deutsche Jazzwissenschaftler«132 sei. Günter Boas zog es immer wieder in den Osten, bis zu seinem Tod am 14. Dezember 1993. Am 2. und 3. Februar 1978 trat er mit Oscar Klein’s Bluesmen sogar im Großen Saal des Berliner Palastes der Republik auf, in einem gemeinsamen Programm mit Ken Colyer’s All Star Jazzmen. Ein Jahr später, im April 1979, tourte die Band durch Thüringen. Auf Einladung der Arbeitsgemeinschaft Jazz gastierte sie auch in Eisenach. Deren Vorsitzender, Manfred Blume, hatte einen besonderen Draht zu den Bluesmen: Sein Bruder Roland, der im Westen lebte, spielte in dieser Formation Altsaxophon und Klarinette. Kurze Zeit später war Roland Blume erneut in der DDR, diesmal als Mitglied der inzwischen formierten

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Arbeitsgemeinschaft Jazz Halle in der FDJ-Organisation der Martin-Luther-Universität. 129 Der Begriff »Neger« war in Ost- und Westdeutschland bis in die siebziger und teilweise achtziger Jahre hinein als weitgehend wertfreies Synonym für »Afroamerikaner« bzw. »Schwarzer« gebräuchlich. 130 Jazzfreunde aus Ost und West in Halle, 9. 131 Intern wurden die Aktivitäten allerdings argwöhnisch verfolgt. Vor allem die Hallenser »Jazz-Woche« rief kritische Stimmen auf den Plan. Das Ministerium für Kultur stieß sich am deutsch-deutschen Programm und der Tatsache, dass die westliche Presse bereits »Halle als die Hochburg des Jazz« feierte. Die Ostberliner Zentrale mahnte untergeordnete Instanzen zur Wachsamkeit und schickte Beobachter zum Festival; vgl. Neukranz. 132 Nicky.

  

  

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Günter Boas Bluesicians. Sie spielten in Gotha und Erfurt. Wenige Wochen vor der Währungsunion kam es zu einem letzten Gastspiel: Das Günter Boas Quartett trat im Mai 1990 in Leipzig und Eisenach auf, dann war die deutsche Teilung Geschichte. Neben den offiziellen Veranstaltungen pflegte Günter Boas über die Jahrzehnte hinweg private Kontakte in die DDR. Das hing zum einen mit seiner Biographie zusammen: Er war in Ostdeutschland aufgewachsen, hatte vor dem Krieg den Leipziger Jazzclub unterstützt und teilte eine wichtige Wegstrecke mit den Hot-Pionieren in Berlin, Dessau oder Halle. Zum anderen entstanden auf Initiative von Jazz- und Bluesfans aus der DDR ständig neue Verbindungen. Sie kannten Günter Boas aus den Medien und verehrten ihn als einen Spezialisten, der nie die Bodenhaftung verloren hatte, der quasi einer von ihnen war. Boas korrespondierte mit Sammlern, Journalisten, Musikern und Szeneaktivisten – unter ihnen Kurt Michaelis alias »Hot-Geyer«, Gerhard Rückert, Herbert Flügge, Karlheinz Drechsel, Wolfgang Muth, Hans Georg Korn, Manfred Blume und Reinhard Lorenz.133 Natürlich stand immer wieder die Bitte nach Schallplatten und Sachinformationen im Vordergrund, denn sie waren in der DDR äußerst limitiert. Die Basis der nie abreißenden Kommunikation bildete jedoch ein gegenseitiges Interesse, freundschaftliche Verbundenheit und die Erfahrung der kulturellen Nische, egal, in welchem Gesellschaftssystem man lebte. Günter Boas reiste oft privat in die DDR. Er wurde zu Familienfeiern, informellen Jam-Sessions und gemeinsamen Ausflügen eingeladen. Oder er traf sich mit seinen Briefpartnern im tschechischen Slaný, unweit von Prag, wo jedes Jahr ein internationales Jazzfestival stattfand. Im Gegenzug für die regelmäßigen Geschenkpakete bekam Günter Boas Aufnahmen geschickt, die in seiner Sammlung noch fehlten. Seine Freunde durchkämmten die Antiquariate und Flohmärkte nach Schellackplatten und rarem Vinyl, sie besorgten im Ostblock produzierten Jazz oder Folklore. Auch Fotos, Bildbände und Belletristik gingen über die Grenze. Karlheinz Drechsel, der beim Rundfunk der DDR und als Conférencier arbeitete, versprach, alte Archivbänder umzuschneiden und sich um Engagements zu kümmern.134 Es war ein Geben und Nehmen. Neben der obligatorischen Fachsimpelei und dem stetigen Zuwachs von Expertenwissen haben die intensiven und herzlichen Kontakte wohl auch Günter Boas’ Sensibilität für das andere Deutschland geschärft. Sie erlaubten einen Blick hinter die Kulissen. Dass sein Nachlass später keinem der einschlägigen westdeutschen Institute übereignet wurde, sondern im thüringischen Eisenach landete und

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Die umfängliche Sammlung von Briefen ist Teil des Nachlasses von Günter Boas, den das IJAE verwaltet. Vgl. Drechsels Briefe an Boas vom 04.03.1978 und 05.06.1978.

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dort 1999 den Grundstock des Internationalen Jazzarchivs bildete, folgte einer gewissen Logik. Günter Boas’ Verbindungen in den sozialistischen Landesteil waren symptomatisch: Zu allen Zeiten und selbst unter widrigsten Umständen existierten zwischen den Jazz- und Bluesfans in Ost und West stabile Netzwerke. Meist gingen die Impulse von einzelnen Enthusiasten in der DDR aus, denn dort herrschte ein permanenter Mangel an Schallplatten und soliden Informationen. Die erste Generation verband zudem eine biographische Brücke. Sie war durch die illegalen Aktivitäten der Vorkriegszeit zusammengeschweißt und verlor sich auch nach der politischen Teilung Deutschlands nicht aus den Augen. Die in allen Sektoren entstehenden Hot Clubs pflegten einen grenzüberschreitenden Austausch. Auf diese Weise zirkulierten Ideen, Publikationen und Personal. Frühe Zeitschriften und ›graue Literatur‹ blickten über den eigenen Tellerrand hinaus und berichteten Neues aus anderen Städten. Der Hot Circle Bergen widmete seine Veranstaltung am 19. September 1950 augenzwinkernd »dem Puristencircle in Leipzig«. Das Intro verkündete: »Unser heutiges Plattenmeeting soll ein Gruß an unsere ›Hotbrüder‹ in Leipzig sein. Ein junger Freund aus Lipsia ist heute unter uns und soll unsere hiesige Kost mit Genuss einatmen und diese ›drüben‹ oder ›down in Lipsia‹ wieder beim Geyer, Kuli und Hot Pudding aushauchen.«135 In den fünfziger Jahren wurde neben den Traditionalisten eine junge Garde von Jazzfans aktiv, die den Bebop und andere moderne Spielarten auf die Agenda setzte. Die neuen Töne justierten die Szenen in Leipzig, Dresden, Berlin und KarlMarx-Stadt, aber auch in Jena, Plauen, Görlitz, Zwickau, Jüterbog, Gotha, Gera, Frankfurt/Oder, Magdeburg, Greifswald oder Rostock. Dort entstehende Clubs waren meist der sozialistischen Jugendorganisation FDJ formell unterstellt, denn sie kümmerte sich ressortmäßig um die Freizeitgestaltung der Heranwachsenden. Andere gingen eine institutionelle Verbindung mit Kultur- oder Bildungseinrichtungen ein. Private Vereinsgründungen wie in der Bundesrepublik waren nicht gestattet. Sie galten als Angriff auf das Macht- und Kontrollmonopol des Staates. Im Laufe der Jahre wurden so genannte »Arbeitsgemeinschaften« oder »Interessengemeinschaften« für Jazz an den Hochschulen der DDR heimisch. Schließlich rekrutierten sich die Anhänger dieser Musik mehr und mehr aus einer studentischen, intellektuellen Klientel.136

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Boas: Cotton and Corn, 1. Die 62 Mitglieder der IG Jazz Leipzig setzten sich beispielsweise wie folgt zusammen: »26 % Arbeiter, 5 % Intelligenz, 47 % Studenten, 22 % Angestellte. Das Durchschnittsalter beträgt 22 Jahre. 13 % sind Angehörige der SED, 67 % Mitglieder der FDJ.« Schott.

  

  

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Die AG Jazz in Halle/Saale gehörte ab 1955 unter maßgeblicher Regie von Siegfried Schmidt, Alfons Zschockelt137 und Günter Herbsleb zu den Vorreitern dieser Entwicklung. Sie war an der Martin-Luther-Universität angebunden, organisierte attraktive wie bahnbrechende Veranstaltungen und besaß mit dem »Jazz-Journal« ein eigenes Mitteilungsblatt. Überregionale Bekanntheit genoss auch die am 27. Januar 1959 in Eisenach gegründete und von Manfred Blume geleitete AG Jazz. Sie war pro forma der FDJ-Gruppe des städtischen Automobilwerks angegliedert, schuf sich aber beachtliche Freiräume. Quasi als Hausband fungierten die Down Beat Stompers, in denen Blume Posaune spielte. Sein Instrument stiftete den Namen für die ab April 1959 in loser Folge erscheinenden, handgefertigten Clubnachrichten. Das Heftchen glich den westlichen Postillen, es veröffentlichte Essays, Rezensionen, Biographien sowie diskographisches Wissen und verkündete Neuigkeiten aus der Jazzwelt. Bereits die dritte Nummer der »Posaune« rückte den Blues ins Blickfeld. Die Rubrik »ABC des Jazz« lieferte eine auf künstlerische Parameter fokussierte Definition. Der Blues spalte sich in »drei gegeneinander nicht genau abzugrenzende Arten« auf: den »ländlichen (oder volkstümlichen)«, den »klassischen« und »modernen«. Letzterer hielte sich nicht mehr zwangsläufig »an den langsamen Vortrag und nur noch bedingt an das ursprünglich streng beachtete Bluesharmonieschema«.138 In der gleichen Ausgabe wurde der Gitarrist und Sänger Lonnie Johnson porträtiert. Aus der halben Seite Maschinenschrift sprach nicht nur der Kenner, sondern auch der Romantiker: »Lonnie ist noch ein Stück ›farbige Tradition‹, ein aufrichtiger, stets freundlicher Mensch, der ganz für seine Familie lebt, mit der er ein kleines Häuschen in der Nähe Chicagos bewohnt.« 139 Auch im Osten Deutschlands wurde der Blues bis in die frühen sechziger Jahre von Jazzkreisen unter engen ästhetischen und geschichtlichen Prämissen wahrgenommen. Das lag in entscheidendem Maße an den Quellen, die auf beiden Seiten Deutungshoheit erlangten. Über dunkle Kanäle sickerte die meinungsbildende, internationale Literatur genauso in die DDR, gingen Bücher von Hugues Panassié, Rudi Blesh oder Sidney Finkelstein als Zeugnisse des ›freien Geistes‹ von Hand zu Hand. Und so konnte es kaum verwundern, dass Lonnie Johnson von den Eisenachern »nicht nur als Bluesgitarrist« vorgestellt wurde, sondern auch als

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Siegfried Schmidt, später Schmidt-Joos, studierte in Halle Germanistik, Pädagogik und Musikwissenschaft und profilierte sich zu einem der führenden Kulturjournalisten Deutschlands. Alfons Zschockelt leitete eine Dixielandband, in der er Gitarre und Banjo spielte. Beide flohen 1957 in die Bundesrepublik. 138 ABC des Jazz. 139 Unser Porträt: Lonnie Johnson.

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Künstler, der »mit den bedeutendsten Musikern des ›Golden Age‹«140 zusammengearbeitet hatte. Die nächste Nummer der »Posaune« sortierte dann Big Bill Broonzy in die Kategorie »Pioniere unter den Jazzsolisten« ein.141 Selbst wenn der Blues mit solchen und ähnlichen Publikationen einen tendenziösen Beigeschmack bekam, wurde ihm doch plötzlich eine neue Form von Aufmerksamkeit zuteil. In den staatlichen Medien spielte er seinerzeit eine verschwindend geringe Rolle, tauchte er lediglich als musikalische Garnitur oder politisches Stichwort auf. Es waren Jazzfanatiker, die ihm endlich Gehör verschafften. Genau wie im Westen, reisten die eifrigsten von ihnen mit Schallplattenvorträgen durchs Land. Die Programme von Karlheinz Drechsel, Dieter Wagner oder Werner Sellhorn zollten immer wieder dem Blues Tribut.

Potsdam, 1962

Oft wurde die dominierende Lesart, die ihn zur Wurzel des Jazz stutzte, auch als pragmatisches Argument gegen politische Widersacher benutzt. Jazzanhänger hielten den ›archaischen‹, ländlichen Blues, gewissermaßen das Erbgut, wie ein schützendes Feigenblatt vor die von ihnen geliebte Musik. Denn er galt als unantastbar. Auch in Eiszeiten hörte die Propaganda im Country Blues einen Aufschrei des ›schwarzen‹ Proletariats, die Stimme der Unterdrückten. Die Bewertung der

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Ebd. Pioniere unter den Jazzsolisten: Big Bill Broonzy.

  

  

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›kommerzialisierten‹ Folgeprodukte war dagegen erheblichen Schwankungen unterworfen. Wie eine Sinuskurve pendelte das offizielle Urteil zwischen Pro und Kontra. Weil der Jazz die damals populärste Form afroamerikanischer Musik war, stand er im Zentrum der Debatten. Er blieb bis Ende der fünfziger Jahre eine Zielscheibe heftiger ideologischer Anfeindungen. In den Kontroversen drückte die politische Großwetterlage des Ostblocks durch, wie sie von den Sowjets diktiert wurde. So setzte etwa mit der Entstalinisierung unter KPdSU-Chef Nikita S. Chruschtschow eine Tauwetterperiode ein.142 Der Jazz zog in die Medien, es wurden Clubs gegründet und Konzerte veranstaltet. In Krisenzeiten wendete sich das Blatt. Mit den Volksaufständen in Ungarn, Polen und der DDR selbst143 sowie den Hochphasen des Kalten Krieges geriet der Jazz in die Schusslinie, wurde er als Lockmittel des Westens und Sirenengesang der Konterrevolution torpediert.144 Musiker und Fans sahen sich kriminalisiert und tauchten in den ›Underground‹ ab. Zum Kontext der Anti-Jazz-Kampagnen gehörten die wenigen offiziellen Verlautbarungen über den Blues. Bevor er als eigenständiges Phänomen zur Kenntnis genommen wurde, irrlichterte er durch die Fußnoten der Amerikanistik und die Streitschriften der Musikwissenschaft. Sie lieferten der SED die Munition für einen angeblich theoretisch fundierten Kampf gegen die westliche ›Diversion‹. Nach einer ersten Periode der Anerkennung geriet der zeitgenössische Jazz ins Fadenkreuz der Kulturpolitik.145 Er wurde als Auswuchs von »Dekadenz« und »Korruption«,146 als »primitiv, verlogen« sowie »schlüpfrig-erotisch«,147 eine »Affenkultur«148 und »Verfallserscheinung«149 diffamiert. Jazz sei »ein Instrument der Kriegsvorbereitung«,150 vom ›Klassenfeind‹ geschickt lanciert, um auch

142 Der XX. Parteitag der KPdSU rechnete im Februar 1956 mit den Verbrechen unter Josef W. Stalin ab und öffnete den Weg für Reformen, die als »Entstalinisierung« in die Geschichte eingegangen ist. 143 Die DDR, Ungarn und Polen wurden 1953 bzw. 1956 von Streiks und massiven Demonstrationen für mehr Demokratie und gerechtere gesellschaftliche Verhältnisse erschüttert. 144 Vgl. Poiger, insbesondere 150–167. Eine plastische, biographisch gefärbte Beschreibung liefert Rudorf: Jazz in der Zone. 145 Einen kursorischen Überblick bietet Noglik sowie Bratfisch: Die fünfziger Jahre. Zum Jazz im Rundfunk der SBZ und DDR der vierziger und fünfziger Jahre vgl. Rauhut: Kunst und Klassenkampf. 146 Knepler: Jazz und die Volksmusik, 6. 147 Rudorf: Die Tanzmusik muss neue Wege gehen, 13. 148 Müller, 5. 149 Rosenberger, 20. 150 Knepler: Musik, ein Instrument der Kriegsvorbereitung, 24.

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die Jugend im Osten »moralisch zu verrohen«.151 Die Abrechnung war doppelt motiviert: In den erbitterten Injurien schlugen ästhetische Ressentiments genauso durch wie die SED-Politik der Abgrenzung von ›Verwestlichung‹ und ›Amerikanisierung‹. Der Jazz wurde als Bastion des ›Gegners‹ identifiziert, als ein Trojanisches Pferd, durch das Unsitte und Zerfall eingeschleust werden sollten. Am meisten beunruhigte den Staat die soziale Kraft dieser Musik, ihre gemeinschaftsstiftende Wirkung. Deshalb ging er mit Härte gegen die Leitfiguren vor. So mancher musste seinen Einsatz für den Jazz mit Verfolgung oder gar Haft bezahlen.152 Noch Ende 1961 wandte sich das Ministerium für Kultur »entschieden gegen jede Form einer Organisierung der Jazz-Bewegung, da das keiner gesellschaftlichen Notwendigkeit entspricht«.153 Lediglich der »Ur-Jazz«, ein Abkömmling der »Negerfolklore«, erhielt in den Pamphleten Absolution. Verbreitet nach dem Ersten Weltkrieg, hätte er »echte Bedürfnisse der Werktätigen« erfüllt. Allerdings wurde diese Musik »schon in sehr frühem Stadium von der amerikanischen Industrie ausschließlich zum Zweck des Profitmachens aufgegriffen«154 und damit ihres progressiven Charakters beraubt. Nun zögen Monopole die Fäden und missbrauchten den Jazz zur Infiltration. Diese Entwicklung, die »weder mit Musik noch mit Kultur etwas zu tun hat«, sei »ungesund und abstoßend«.155 Deutungsmuster solcher Couleur dockten unmittelbar an den Schiedssprüchen der Puristen an, sie beriefen sich auf die entsprechende westliche Literatur. Die Trennlinie verlief zwischen frühzeitlichem Jazz, ländlichem Blues und religiösem Liedgut auf der einen Seite sowie Swing, Modern Jazz, R & B und Rock ’n’ Roll auf der anderen. Der renommierte Musikwissenschaftler und Rektor der Ostberliner Musikhochschule Georg Knepler meißelte das abenteuerliche Wertmaß in Stein: »Es gibt keine ›echtere‹ Negermusik als Blues oder Spirituals, und beide fallen keineswegs unter den Begriff ›hot‹. […] Jeder Takt, den Paul Robeson singt, wird uns bereichern. Platten der unvergleichlichen Bessie Smith und Marian Anderson kann man gar nicht oft genug hören.«156 Sie wären das tonkünstlerische Pendant zur industriellen Verflachung. »Als sich 151

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Rudorf: Für eine frohe, ausdrucksvolle Tanzmusik, 7. Alle Zitate entstammen der Zeitschrift »Musik und Gesellschaft«, dem Organ des Verbandes Deutscher Komponisten und Musikwissenschaftler, der die frühe Jazzdebatte in der DDR dominierte. Zu den prominentesten Fällen zählte der Leipziger Philosoph und Journalist Reginald Rudorf. Er wurde am 25. März 1957 verhaftet und im August zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt, unter anderem wegen angeblicher Spionage, »konterrevolutionärer Tätigkeit« und »Boykotthetze«. Vgl. Rudorf: Nie wieder links, 144. Diller. Meyer, 162. Knepler: Zweierlei Jazz, 38. Knepler: Jazz und die Volksmusik, 6 und 7.

  

  

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die Schlager- und Schallplattenproduzenten am Broadway des Blues annahmen, um aus den beliebten Negerliedern möglichst viel Kapital zu schlagen«, resümierte der Philologe Ernst Bartsch, »war es bald um diese geschehen. Der melancholisch-klagende Gesang der Neger wurde zum sentimentalen ›Sweet‹ umgeschmolzen, um ihn dem weißen, anspruchslosen Publikum noch schmackhafter zu machen.«157 Der Komponist, Musikwissenschaftler und SED-Funktionär Ernst Hermann Meyer158 witterte in der ›Verwässerung‹ politisches Kalkül. Sein einflussreiches Buch »Musik im Zeitgeschehen« brach über blues- und jazzinspirierte Tanzmoden den Stab: »Der heutige ›Boogie-Woogie‹ ist ein Kanal, durch den das barbarisierende Gift des Amerikanismus eindringt und die Gehirne der Werktätigen zu betäuben droht. Diese Bedrohung ist ebenso gefährlich wie ein militärischer Angriff mit Giftgasen – wer wollte sich nicht gegen eine Lewisitattacke schützen? Hier schlägt die amerikanische Amüsierindustrie mehrere Fliegen mit einer Klappe: Sie erobert den musikalischen Markt der Länder und hilft, deren kulturelle Unabhängigkeit durch den Boogie-Woogie-Kosmopolitismus zu untergraben; sie propagiert die degenerierte Ideologie des amerikanischen Monopolkapitalismus mit seiner Kulturlosigkeit, seinen Verbrecher- und Psychopathenfilmen, seiner leeren Sensationsmache und vor allem seiner Kriegs- und Zerstörungswut.«159 Schon die schwammige Terminologie, die sich nicht selten mit ›brauner‹ Rhetorik mischte, verriet, dass jedes Mittel recht war, um ein Inferno zu suggerieren. Moderne, rhythmische Strömungen afroamerikanischer Musik wurden in Bausch und Bogen unter das effektvoll lautmalerische Etikett ›Boogie Woogie‹ subsumiert, was zwar den stilgeschichtlichen Tatsachen widersprach, aber perfekt ins propagandistische Konzept passte. Auch die urbanen Varianten des Blues, die ab den dreißiger Jahren die Tanzböden eroberten, mussten als klischee- und assoziationsreiche Chiffre herhalten. Ernst Hermann Meyer räsonierte über »reaktionäre, weltflüchtige, egoistische Haltungen und Kräfte« in der Musik und stellte fest: »Der heutige Blues, der den modernen Menschen Opiumrauschträume von Schlössern im Mond vorgaukelt, gibt z. B. eine solche Scheinlösung. Es schläfert in den werktätigen Zuhörern aktive, kämpferische Impulse ein, durch die allein

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Bartsch, 248. Ernst Hermann Meyer gehörte zu den mächtigsten Figuren des ostdeutschen Musiklebens. Sein 1952 erschienenes Buch »Musik im Zeitgeschehen« galt als Standardwerk und wurde mit dem Nationalpreis der DDR ausgezeichnet. Meyer, 162.

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von ihnen, den Werktätigen, die sozialen Probleme wirklich gelöst werden können. Auf diese Weise lässt sich die Musik leider nur zu gut im Sinne eines sozialen Rückschritts verwenden.«160 In den sechziger Jahren änderte sich das Verhältnis des Staates zu Jazz und Blues grundlegend. Nun banden Twist und Beatmusik die Aufmerksamkeit der Politiker und rückten ins Kreuzfeuer ideologischer Rundumschläge. Schritt für Schritt gelangte der Jazz zu offizieller Anerkennung. Die tanzsaalkompatible Combo-Variante, damals hoch im Schwange, wurde von den Medien als Alternative zur westlichen Beatwelle gepriesen. 1967 ist das Thema »Jazz« in den Lehrplan der Polytechnischen Oberschulen eingeführt worden.161 Der Musikunterricht der zehnten Klasse sah zwei Stunden zur Behandlung dieser Stoffeinheit vor. In der ersten wurden »die Schüler mit Work Song, Spiritual, Blues, Ragtime und New-Orleans-Jazz bekannt gemacht« sowie in musiktheoretische Grundsätze eingewiesen. Die zweite schlug einen Bogen bis in die Gegenwart: »An charakteristischen Beispielen, wie sie der Lehrer jeweils zur Verfügung hat, werden die Weiterentwicklung bzw. der Verfall dieser Musizierweise durch die Kommerzialisierung und die sich jetzt vollziehende Neuformung deutlich gemacht.«162 Einstmals pauschal verfemt, galt der Jazz nun »als Ausdruck der Protesthaltung gegen Ausbeutung und Rassenunterdrückung«.163 Die propagandistischen Stereotype lösten sich allmählich in ihrer Antithese auf: »Der Jazz ist Bestandteil der sozialistischen Musikkultur in der DDR«, hieß es später. »Er trägt zur Entfaltung sozialistischer Lebensweise bei und kommt dem Anspruch der Werktätigen der DDR nach niveauvoller Unterhaltung und Geselligkeit sowie musikalischer Bildung entgegen.«164 Clubs, Künstler und Veranstaltungen genossen Subventionen und beachtliche Publizität, es gediehen die unterschiedlichsten Konzepte und Handschriften, die Szene erwarb internationalen Ruf. Im breiten stilistischen Spektrum des Jazz blieb der Blues, nun in all seinen künstlerischen Schattierungen, bis zum Mauerfall ein Fixpunkt. Wie weltweit üblich, gab es kein größeres Mainstream-JazzFestival in der DDR, das nicht auch dieser afroamerikanischen Musiktradition seinen Tribut zollte.

160 Ebd., 109 und 110. 161 Vgl. Ministerrat der Deutschen Demokratischen Republik, 14 und 49–50. In der Abiturstufe wurde die Lehreinheit »Jazz« vertieft. Auch hier betonte man den sozialkritischen Impetus, der in die Geschichte der Sklaverei zurückreiche. Vgl. Schubert: Musik, 18–23. 162 Ministerrat der Deutschen Demokratischen Republik, 49 und 50. 163 Pezold/Herberger, 167. 164 Kulturbund der DDR, 1.

  

  

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              Die Jazzdebatten der vierziger und fünfziger Jahre wiesen in Ost- und Westdeutschland etliche Analogien auf. Hier wie dort rieben sich konservative und avantgardistische Positionen, stritt man über ästhetische und moralische Normen und Werte. Nur wurden die Diskussionen in der Bundesrepublik nicht auf politischer Ebene, sondern vom inneren Zirkel der Jazzfanatiker ausgetragen. Jener war von verbissener »Intoleranz« zerspalten, man sägte am eigenen Ast, wie eine »selbstkritische Betrachtung« ironisch konstatierte: »Es äsen eher fünfhundert Flöhe einträchtig nebeneinander auf einem einzigen Hundefell, ohne sich die Weidegründe streitig zu machen, als dass ein Purist und ein progressiver Fan nur eine halbe Stunde lang ohne Meinungsverschiedenheiten bleiben!«165 Die einzelnen Fraktionen lieferten sich einen zähen »Stilkrieg«,166 sie polemisierten über den »wahren Jazz«, die »authentische, originellste, künstlerisch wertvollste«167 Form. Während die eine Seite an den unbedingten Sieg des Fortschritts auch in der Musik glaubte, beschwor die andere schon Mitte der vierziger Jahre eine »Jazz-Dämmerung« herauf. Der neue Sound sei nichts als ein »Gequäke und Gequieke«,168 »Pseudo-Jazz«, mit dem die Hörer »von einigen Hohlköpfen im Radio überschwemmt werden«.169 Die »Amerikanisierung der Sitten«, so war zu lesen, lösten »bei uns eine entwürdigende Verminderung des Niveaus«170 aus, das ›Showbusiness‹ hätte das Kommando übernommen, der Jazz stünde »am Scheideweg«.171 Grelle Schlagzeilen dramatisierten die Kontroverse und fragten: »Stirbt der Jazz«,172 »gibt es eine Zukunft«,173 ist er ein »Symptom des Zerfalls«,174 eine »akademische Pseudo-Wissenschaft«?175 Die Kernargumente der Traditionalisten und Hardliner fanden sich eins zu eins in der frühen SED-Propaganda wieder, sie wurden aus der Westpresse einfach abgekupfert. Das Machtwort des Herausgebers der Kasseler Monatszeitschrift »Jazz

165 Kunst, 28. 166 Vgl. Berendt: Vom Stilkrieg im Jazz. 167 Ebel, 7. 168 Höffer, 7. 169 Panassié: Der Jazz in Gefahr! 170 Heinrich: Jazz und Amerikanismus, III. 171 Gerloff, 239. 172 Smith. 173 Brown: Jazz-Echo fragte, 38. 174 Für und wider den Jazz in Darmstadt. 175 Berenbrok.

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Tempo«, Rudolf Ebel, klang beispielsweise keinen Deut anders als die Richtersprüche des östlichen Nachbarn. Er erkannte im »New-Orleans-Stil«, der »Urform des Jazz«, ein »wahres Kunstwerk«, den immerfort gültigen Maßstab. Sämtliche andere Richtungen flachten dagegen ab. »Dixieland-Jazz und verwandte Stilarten, Swing, Bebop, ›Cool Jazz‹ und wie die verschiedenen Jazzformen alle heißen, sind innerlich unbalanciert, wenn nicht gar bloße Effektmusik, und haben keinen künstlerischen Wert.«176 Geschmäcklerische Urteile dieser Art, mit denen Fronten definiert wurden, lieferten den ostdeutschen Demagogen Kraftstoff für ihre ideologischen Gefechte. Öl ins Feuer gossen westliche Kommentare, die den Jazz in den Kontext der Militarisierung rückten. Sie heizten die politische Auseinandersetzung mit afroamerikanischer Musik in der DDR erheblich auf. Weidlich zitiert wurde die 1958er Oktoberausgabe der NATO-Zeitschrift »Revue militaire générale«.177 Dort war ein Ausschnitt des Buches »La Paix révolutionnaire riposte à la Subversion«178 abgedruckt, das Kapitel »Tension psychologique«.179 Der Autor thematisierte die außenpolitische Relevanz populärer Musik und forderte »produktivere Techniken« als die »groben antikommunistischen Aktionen« des McCarthyismus. Man müsse die »bedingten Reflexe« des Gegners ansprechen und ihn so zur »Flucht aus den ideologischen Grenzen« bewegen. Bezogen auf die Macht der Töne hieß es weiter: »Ein gewisser Beitrag könnte mithilfe des Jazz geleistet werden; Musik ist ein allen Menschen verständliches Mittel, und die sowjetische Jugend versteht mehr als jede andere diese Art des Sich-Entziehens. Die Ablenkung kann mühelos von einigen in der Nähe der Grenze zu den kommunistischen Ländern gelegenen Radiostationen übernommen werden, und sie würde zu einer Form des Sich-Entziehens führen, die in ihrer Reaktionsweise eine bisher unbekannte Richtung nehmen könnte. Mehr noch, eine gewisse ideologische Entgiftung könnte sich durchsetzen, wenn sie mit musikalischer Faszination einherginge. Die sowjetischen Führer haben diese Gefahr so gut erkannt, dass sie alle Formen barbarischer Musik auf ihrem Territorium verbieten […]. Jedesmal, wenn sich ein Rock and Roll oder ein Calypso in ein kommunistisches Bewusstsein prägt, dient

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Ebel, 7. Das Periodikum war mehrsprachig, es enthielt auch deutsche und englische Artikel und Zusammenfassungen. Auf dem Titelblatt stand gleichberechtigt »Allgemeine Militärrundschau« neben »General Military Review«. 178 Deutsch etwa: »Der revolutionäre Frieden führt einen Gegenschlag wider die Zersetzung«. 179 Deutsch: »Die Psychologische Spannung«.

  

  

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er dazu, etwas Anderes auszulöschen, und dieses Andere hat immer mit Ideologie zu tun.«180 Tatsächlich wurde die politische Einordnung angloamerikanischer Musik durch die DDR-Führung mit Verlautbarungen und Aktivitäten der Westmächte in eine gewisse Richtung gelenkt. Am 6. November 1955 verkündete die New York Times: »United States Has Secret Sonic Weapon – Jazz«.181 Die bundesdeutsche Presse berichtete kurze Zeit später, dass das State Department der USA beträchtliche Summen für die weltweite Entsendung ›kultureller Botschafter‹ bewilligt habe. Es wurde Theodore Streibert, der Leiter der United States Information Agency, zitiert: Er sei »begeistert von der Idee, Jazzmusik als Waffe im Kalten Krieg zu gebrauchen«.182 Populäre Musik, vor allem afroamerikanischer Prägung, wurde als Banner der Demokratie und Völkerverständigung hochgehalten. Über zwei Jahrzehnte hinweg finanzierte das State Department Tourneen mit prominenten Jazz-, Blues- oder Rockbands durch Afrika, Asien und Osteuropa, begleitet von verdeckten Operationen der CIA.183 Besonders empfindlich reagierte der SED-Staat auf Äußerungen bundesdeutscher Militärs. Schließlich war die Kritik am Gesellschaftssystem des kapitalistischen Landesteiles ein wesentliches Moment der Selbstdarstellung. Hohe Wellen schlug ein Interview mit Verteidigungsminister Franz Josef Strauß, das im Sommer 1958 durch die Medien ging. Strauß betonte, dass ihn weniger musikalische, sondern »psychologische Faktoren« interessieren. Er attackierte die »totalitären Regierungssysteme«, die »im Jazz ein feindliches, zerstörerisches Element« sähen, und verglich sie mit dem Dritten Reich. Dem »Jazz in ›Reinkultur‹«, so der Minister, wohne die Kraft inne, »Gesinnungsgemeinschaften zu bilden«, was er ausdrücklich begrüße. Er wolle im Rahmen der Bundeswehr »gern sehr bald eine ›Leit-Jazz-Kapelle‹ ins Leben rufen«, die dann »richtungsweisende Arbeit leistet«.184 Das Interview wurde von Joachim-Ernst Berendt, dem Pressereferenten der Deutschen Jazz-Föderation, geführt.

180 Montirian, 404, 405 und 400. 181 Zit. bei Poiger, 163. Zu Deutsch: »Die Vereinigten Staaten haben eine geheime akustische Waffe – Jazz«. 182 Vgl. Leonard Feather berichtet aus USA. 183 Durch die DDR führten die außenpolitisch motivierten Gastspiele allerdings nie. Zu den komplexen Intentionen und Wirkungen der Tourneen vgl. Eschen. 184 Alle Zitate: Minister Strauß hält Jazz bei der Bundeswehr für absolut förderungswürdig. Das vollständige Interview wurde in etlichen Zeitungen und Zeitschriften abgedruckt, unter anderem vom Informationsdienst der Bundeswehr; vgl. Die Bundeswehr und der Jazz. Hier bekam Joachim-Ernst Berendt außerdem Gelegenheit, mit einem gesonderten Artikel die Frage zu beantworten: »Was ist Jazz?«; vgl. Berendt: Was ist Jazz?

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Berendt kämpfte seinerzeit auch für die Anerkennung des Jazz im kirchlichen Raum. Er hielt zwischen 1954 und 1958 zahlreiche Vorträge an evangelischen Bildungseinrichtungen der BRD. Hier warb er für eine ekstatische Body-&Soul-Erfahrung, die er als »authentisch« erachtete.185 Schon in seinen frühen Publikationen hatte er die religiösen Wurzeln des Jazz und seine heilende Kraft betont.186 Der Bericht über eine Tagung zu »Kirche und Jazz«, die Anfang 1955 Joachim-Ernst Berendt, fünfziger Jahre von der Evangelischen Akademie Baden veranstaltet worden war, resümierte: »Joachim E. Berendt wies darauf hin, dass die gottesdienstliche Form, wie sie heute in den Kirchen Harlems und der anderen Negerstädte Amerikas praktiziert wird, bis in Einzelheiten dem Kultus der Urchristen entspricht […] Der swingende Jazz-Rhythmus, wie man ihn heute überall in den Negerkirchen hört, ist damit Teil einer Welt, die der eigentlich idealen Form des Christentums – der urchristlichen – näher steht als die europäischabendländische der Neuzeit.«187 Auch solche Zungenschläge, die das atheistische Regime der SED genau registrierte, trieben die Politisierung afroamerikanischer Musik weiter voran. Sie war die Folie, vor der bis in die achtziger Jahre hinein auch der Blues im Osten Deutschlands offiziell bewertet wurde. Dass Joachim-Ernst Berendt und seine Mitstreiter keine Gelegenheit ausließen, für den Jazz zu missionieren,188 kann als Indiz einer ambivalenten sozialen 185 Vgl. Hurley, 42–43. 186 Vgl. stellvertretend Berendt: Vom Choral zum Swing. 187 Kirche und Jazz. 188 Berendt hielt auch Vorträge an staatlichen Bildungseinrichtungen. Die Einladung zu einer entsprechenden Veranstaltung in der Volkshochschule Rheda warb für Toleranz: »Eltern! Ihr stellt sicherlich oft mit Verwunderung oder auch mit gelindem Schaudern fest, dass Eure Söhne und Töchter sich von einer neuen Musik faszinieren lassen, die unter dem Namen ›JAZZ‹ immer mehr um sich greift. Es ist zwecklos und unklug, sich von vornherein diesem Verhalten Eurer Kinder und dieser Musik ablehnend gegenüberzustellen. Denn so notwendig und selbstverständlich es ist, dass die Jugend die Anschauung der Älteren ehrt und achtet, so richtig und gut wird es sein,

  

  

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Grundstimmung im Westdeutschland der Nachkriegsjahre gedeutet werden. Auch in der Bundesrepublik rief der Einfluss der USA auf Lebensweise und Kultur Skepsis hervor. »Amerika war Traum und Alptraum zugleich, Symbol für eine erhoffte oder befürchtete Zukunft, Ausdruck von Technisierung, Rationalisierung und Fortschritt oder Beispiel für Seelenlosigkeit im technischen Zeitalter.«189 Der rasante Wandel, das Wirtschaftswachstum und der »Durchbruch zur Konsumgesellschaft«, kontrastierte mit den »noch lange bestehenden kulturellen und mentalen Kontinuitäten«. Kritische Intellektuelle charakterisierten »die Republik der Adenauerzeit als abendländisch-hinterwäldlerisch«, sie »wandten sich gegen das schlaffe Klima und die zweideutige Moral«. Die »Nachkriegskultur« besaß durchaus eine »muffige« und »biedere« Note, deutlich repräsentiert durch die Renaissance des ›Heimatfilms‹ und »die spießige Rührseligkeit und die Verlogenheit der Schlagerwelt«.190 Jazzanhänger schätzten zwar das Glück, auf der ›richtigen‹ Seite der innerdeutschen Grenze zu leben, beklagten aber auch eine restaurative Tendenz des Kulturbetriebs, sie spürten »Ressentiments«191. Ihre Musik sah sich bisweilen mit konservativen Vorurteilen und latentem Rassismus konfrontiert. Pädagogen, Klerus und Kleinbürger scholten sie als Krach und Einfallstor des sittlichen Niedergangs. Kreppsohlen, »Ringelsocken, Hochwasserröhren und bunte Schlipse«,192 die »modisch entgleiste Mischung zwischen kurzem Mantel und langer Jacke« sowie die »schiefe und schräge Musik« der »Swing-Heinis«193 stießen genauso auf Widerwillen wie die verkopfte ›Coolness‹ der schwarz gewandeten ›Existenzialisten‹. Die Jazzpresse meldete Beispiele einer offenen Kampfansage. Das Magazin »Westjazz« berichtete im Oktober 1957 unter der Headline »Entartete Kunst?« von einem gescheiterten Antrag des Hot Club Dortmund. Er hatte die Instanzen gebeten, die Vergnügungssteuer für ein Konzert »in einer kleinen hessischen Kreisstadt« zu erlassen. Der abschlägige Bescheid »des Regierungspräsidenten in Kassel« führte zur Begründung unter anderem an: »Jazz als künstleri-

dass auch die Eltern versuchen sollten, ihre Kinder zu verstehen und das kennen zu lernen, wofür sie sich begeistern. Diesem Zweck soll eine Veranstaltung der VHS dienen, die unter dem Thema JAZZ und ALTE MUSIK am Sonnabend, d. 26. Januar 1957, 20.00 Uhr in der Aula der Realschule stattfindet (wobei durchaus nicht daran gedacht bzw. beabsichtigt wird, jemanden etwa zur Jazzmusik bekehren zu wollen).« Kleine. 189 Wolfrum, 183. 190 Ebd., 75, 168, 165 und 164. 191 Vgl. die 1958 veröffentlichte Selbstdarstellung »Über den Hot Club Dortmund«. 192 Zenetti, 6. 193 Düsing.

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sches Element des Musiklebens ist ein Experiment. Negative und schädliche Einflüsse auf das deutsche Musikleben sind augenfällig. Daher wird der künstlerische Wert solcher Veranstaltungen bestritten.«194 Aus Iserlohn wurde im Frühjahr 1956 bekannt, dass »das Kultusministerium des Landes Nordrhein-Westfalen« und der »Oberregierungsrat für das Schulwesen« einem Lehrer einer staatlichen Berufsschule ein Disziplinarverfahren androhten, weil er für die Bibliothek das Buch »Jazz – optisch« von Joachim-Ernst Berendt angeschafft hatte. Der nicht nur in Jazzkreisen hoch gelobte Bildband wurde als »für eine Schulbücherei völlig ungeeignet« bezeichnet, »eine Überprüfung in sittlicher Hinsicht« sei »unbedingt erforderlich«.195 Ernüchterung löste auch eine Umfrage der Zeitschrift »Schlagzeug« aus. Die Kultusminister der Länder wurden 1959 gebeten, zum Thema »Subvention« Stellung zu beziehen. Das Echo war gemischt, tendierte aber in die negative Richtung. Eine Förderung kommerziell schwächerer Konzerte, so lautete die Antwort, sei »weder angebracht noch gerechtfertigt«. Denn wenn der Jazz »nicht von selbst zündet, nicht den Nerv der Jugend trifft, hat er sich von seinem ursprünglichen Wesen schon entfernt«.196 Dass die Lage der freiberuflichen Künstler alles andere als rosig war, daran erinnerte ein Artikel im »Jazz Podium«. Der »überwiegenden Zahl unserer Jazzmusiker« gehe es »in wirtschaftlicher Hinsicht mehr als erbärmlich«. Sie seien »ein trauriges Kapitel Sozialpolitik« und »am deutschen Wirtschaftswunder unbeteiligt«.197 Auch in den Medien fristete der Jazz lange Zeit ein eher marginales Dasein. Gegen diese Misere legte die DJF als Dachverband der Hot Clubs ihr Veto ein. Sie richtete 1952 einen »offenen Brief« an die staatlichen Rundfunkgesellschaften. »Wir wissen wohl«, erklärte der Verein, »dass die Jazzmusik gerade in Deutschland sehr umstritten ist«. Die Platzierung im Radio sei ein Spiegel der geringen Wertschätzung. »Auf Grund der Tatsache, dass die deutschen Rundfunkstationen ihre Jazzsendungen in die späten Nachtstunden legen, wird buchstäblich eine ganze Generation junger und jugendlicher Jazzliebhaber dazu verleitet, ihre Nachtruhe zu opfern. Uns scheint, dass diese Praxis dem pädagogischen Anliegen des Rundfunks auf eklatante Weise widerspricht.«198 Die DJF schloss mit einem Appell: Dem Jazzfan, der ein besonders rühriger Hörer sei, solle Gerechtigkeit

194 Zit. in: Entartete Kunst? 195 Zit. in: Ein skandalöses Ereignis. 196 Zit. in: Jazzpress Nr. 17/2. 197 Am deutschen Wirtschaftswunder unbeteiligt, 15. 198 Offener Brief der Deutschen Jazz-Föderation an die deutschen Rundfunkgesellschaften.

  

  

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zuteil werden. Das Schreiben wurde von den Vertretern eines Dutzend Hot Clubs unterzeichnet. Etliche von ihnen waren selbst als freie Journalisten aktiv. Zu den Vorkämpfern des Jazz und Blues im Rundfunk gehörte Horst Lippmann. Am 17. März 1927 in Eisenach geboren und ab 1928 in Frankfurt am Main wohnhaft, entdeckte er als Teenager seine Liebe zur Musik.199 1940 begann er den »Aufbau einer Jazz-Discothek«,200 die dank wohlhabender Verhältnisse binnen eines Jahrzehnts auf rund 5000 Exemplare anwuchs.201 Schon zu tiefsten Kriegszeiten bestückte er das Grammophon im Lokal seiner Eltern mit diesen Platten. Das Restaurant, unweit des Frankfurter Hauptbahnhofes gelegen, avancierte zu einem Treffpunkt der Szene. Hier konnte die Stammkundschaft nicht nur verbilligt essen, sondern auch jederzeit Jazz hören.202 1941, unmittelbar nach seiner Gründung, schloss sich Horst Lippmann dem Hot Club Frankfurt an. Jenen Kameraden, die zum Kriegsdienst eingezogen wurden, schickte er ab 1943 regelmäßig »Mitteilungen für die Freunde moderner Tanzmusik« an die Front. Hinter dem unverfänglichen Namen verbarg sich ein maschinenschriftlicher, per Durchschlag vervielfältigter Rundbrief, der über Neuigkeiten in der Jazzwelt informierte, Theorien austauschte und auf ›feindliche‹ Radiosendungen der Briten und Amerikaner hinwies – »was die Gestapo nicht so gerne sieht«, wie er später lakonisch kommentierte. Er geriet ins Visier des Geheimdienstes und wurde kurzzeitig inhaftiert.203 Während des Krieges lernte Horst Lippmann mit Dietrich Schulz-Köhn, Carlo Bohländer, Hans Blüthner, Günter Boas, Hans Podehl, Emil Mangelsdorff, Hans Otto Jung oder Gerd Peter Pick wichtige Vertreter der »›alten Garde‹ des Jazz in Deutschland« kennen. Außerdem eroberte er praktisches Terrain: Er stieg bei illegalen Jam-Sessions als Schlagzeuger ein und wurde Mitglied verschiedener Amateurcombos. Lippmann gehörte im Mai 1945 zum Line-up der »ersten USlizenzierten Jazz-Band nach dem Krieg«.204 Noch im selben Jahr ging das Hot Club Sextett für Radio Frankfurt, einen Sender der Amerikanischen Militärregierung, ins Studio.205 Nicht minder prägende Erfahrungen bescherten ihm Auftritte

199 Er lebte bis zu seinem Tod 1997 im Frankfurter Einzugsgebiet. 200 Horst Lippmann [autobiographische Skizze]. Die Schilderung des Lebenslaufs reißt 1959 ab und geht dann in feuilletonistische Betrachtungen über, was ein Hinweis auf die Entstehungszeit des Manuskripts sein könnte. 201 Vgl. Lippmann: Interview mit mir selbst. 202 Vgl. Rieth, 26. 203 Lippmann-Biograph Michael Rieth erwähnt, dass man den minderjährigen Jungen mit einem dreiwöchigen »Arrest« bestrafte, »ohne dass auch nur die Eltern über seinen Verbleib informiert wurden«. Ebd., 68. 204 Alle Zitate: Horst Lippmann [autobiographische Skizze]. 205 Vgl. ebd.

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in GI-Clubs, durch die er mit seinem Freund Günter Boas tingelte. Weitere Stationen waren ein Modern Jazz Trio und die Two Beat Stompers. Dort bediente er zuerst den Bass, später die Drums. Gemeinsam mit Günter Boas und Olaf Hudtwalcker organisierte Horst Lippmann 1945 den Neuaufbau des Hot Club Frankfurt. Unterstützung erhielten sie von den amerikanischen Besatzern. Allerdings bedurfte es mehrerer Anläufe, bis die formelle Gründung des Clubs genehmigt wurde. Ein Gesuch, das Günter Boas im Namen der Aktivisten aufgesetzt hatte, nannte ihre Motive.206 Man wolle »den jungen Menschen, die zweifellos schon von der Musik begeistert sind, den wahren Idealismus und die wahre Seele des Jazz beibringen«. Der Verfasser ließ an der Ernsthaftigkeit des Projekts keinen Zweifel: »Getanzt wird im Club prinzipiell nicht.« Auch wurde unterstrichen, dass die Mitglieder »niemals in der NSDAP oder deren Gliederungen wie SA oder SS« waren. Vielmehr seien sie weltoffen und solidarisch gesinnt, Wissen werde geteilt, nicht monopolisiert. Günter Boas ließ seine Zeit in Leipzig anklingen. Dort hatte man einen Pool von »1820 amerikanischen Jazzplatten« zusammengetragen, »die alle innerhalb des Clubs besprochen wurden«.207 Die Hartnäckigkeit zahlte sich aus: 1947 gelang es den Frankfurter Jazzenthusiasten nach etlichen fehlgeschlagenen Versuchen, »gegen ein Heer von deutschen Beamten bis zu den leitenden Amerikanern vorzudringen«.208 Der Hot Club erhielt eine vorläufige Lizenz, die im Januar des folgenden Jahres entfristet wurde.209 Auch in praktischer Hinsicht waren die US-Behörden behilflich: Von 1951 bis zum Frühjahr 1954 fungierte das Amerika-Haus in der MainMetropole als Domizil des Clubs. Diese Anbindung löste das leidliche Raumproblem und bot zugleich diverse infrastrukturelle und logistische Vorteile. Die 27 Amerika-Häuser, die von der United States Information Agency zur Vermittlung demokratischer Werte und kultureller Leistungen in Westdeutschland eingerichtet worden waren,210 besaßen Bibliotheken, Schallplattenarchive und Veranstaltungsräume. Weil eine inhaltliche Zusammenarbeit nahe lag – schließlich handelte »es sich beim Jazz ja um eine in Amerika gewachsene Musik« –, wurde die Kooperation zur bundesweiten Norm.211 In Frankfurt besaß sie eine besondere Note. Am

206 Vermutlich wurde dieser Brief 1946 geschrieben. 207 Alle Zitate: Boas: Gesuch zur Gründung eines Jazz-Clubs in Frankfurt am Main. 208 Lippmann: Im Scheinwerfer. Bei diesem Dokument, das die Seitenzahlen 34 und 35 trägt, handelt es sich offenkundig um einen Teil der Ausgabe der »Jazz-Club News« von März/April 1947. 209 Vgl. Lippy. 210 Vgl. Pells, 50. 211 Vgl.: Amerika-Häuser als Domizile der Jazzkreise.

  

  

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3. Mai 1953 ist im dortigen Amerika-Haus das Erste Deutsche Jazzfestival eröffnet worden. Die Fäden dieses bahnbrechenden Events, das ursprünglich als gesamtdeutsche Leistungsschau konzipiert war und bis heute alljährlich stattfindet, zog Horst Lippmann. Er managte außerdem zahlreiche lokale Bands, bekleidete die Funktion des Konzertreferenten der DJF und stand dem Hot Club als Präsident vor.212 Binnen weniger Jahre stieg er nicht nur zum wichtigsten Mann der ›Jazzhauptstadt Deutschlands‹213 auf, sondern etablierte sich auch als führender Veranstalter der gesamten bundesdeutschen Szene.214 Horst Lippmann hegte neben seinem organisatorischen Talent journalistische Ambitionen. Er war ein feinsinniger wie profunder Autor, bestach durch eine »detailgenaue musikalische Beobachtungsgabe und das sich daraus ableitende sichere Urteilsvermögen«.215 Puristischer Dünkel lag ihm fern, sich und seine Weggefährten nannte er gern selbstironisch »alte Hotböcke«.216 Lippmann spürte die Faszination des Neuen, er schwärmte bereits für Bebop, als seine Hot-Club-Freunde noch die Barrikaden des »Golden Age« verteidigten.217 Tradition und Avantgardismus schlossen sich in seinen Augen nicht aus, Jazz war für ihn eine »Lebenseinstellung«218 und keine Frage von Geschmack. Dieser Impetus schlug sich im Profil des Frankfurter Hot Clubs nieder. Nach eigener Auskunft bestritt Horst Lippmann 90 Prozent der wöchentlichen Schallplattenvorträge,219 die ein breites Spektrum abdeckten und mit denen er nicht selten auch seine literarisch-humoristische Ader ausreizte. Günter Boas erinnerte sich an glorreiche Zeiten: »Unsere Plattenabende endeten jedesmal in heißen Diskussionen, die sich für gewöhnlich bis 3 Uhr morgens ausdehnten.«220 212

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Horst Lippmann veranstaltete ab 1948 Jazzkonzerte. Zu Beginn arbeitete er mit dem amerikanischen Sergeant Dave McCarthy zusammen und wurde durch das GYAProgramm finanziell unterstützt. Das geflügelte Wort, Frankfurt am Main sei nach dem Krieg die »deutsche Jazzhauptstadt« gewesen, sah Joachim-Ernst Berendt kritisch. Er wies völlig zu Recht darauf hin, dass Berlin eine reichere Musiktradition besaß. Frankfurt, so Berendt, errang dank umtriebiger Organisatoren und Journalisten seine exponierte Stellung. Vgl. das Kapitel »Kleine Geschichte des deutschen Nachkriegsjazz (1945–1960)«, in: Berendt: Ein Fenster aus Jazz, 163–214. Anfangs war Horst Lippmann nach eigener Aussage »hauptberuflich im elterlichen Hotelbetrieb tätig«, alle anderen Beschäftigungen liefen »nebenher«. Lippmann: Interview mit mir selbst. Schwab: Der Frankfurt Sound, 79. Vgl. Rieth, 59. Vgl. Boas: Neue Ära brach an. Lippmann: Gedanken. Vgl. Lippmann: Interview mit mir selbst. Boas: Neue Ära brach an.

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Horst Lippmann zeichnete als Herausgeber und Hauptautor auch für die »Jazz-Club News« verantwortlich. Sie führten die Idee der »Mitteilungen für die Freunde moderner Tanzmusik« weiter. Erstmalig am 30. August 1945 erschienen und dann im zweimonatigen Turnus veröffentlicht, kursierten die News in einer Auflage von 14 Exemplaren.221 Mit der Ausgabe Juli/August 1947 stieg die Zahl der Kopien des Heftes, das inzwischen »Hot-Club News« hieß, auf 50.222 Es wurde handgetippt und anfangs per Kohlepapier, später im Fotoverfahren vervielfältigt.223 Bis man das Blatt 1948 nach 28 Nummern einstellte, hatte es Pionierdienste geleistet. Kenntnisreiche Periodika wie Horst Lippmann im Studio, fünfziger Jahre die »Hot-Club News« zirkulierten trotz ihrer niedrigen Stückzahl durch die ganze Republik, West wie Ost. Sie vernetzten die regionalen Szenen, prägten Sichtweisen und legten den Grundstein für eine systematische Jazz- und Blueskritik in Deutschland, ebneten den Einzug ins Feuilleton. Schneisen schlug Horst Lippmann auch im Rundfunk. Gemeinsam mit Olaf Hudtwalcker betreute er ab 1947 die Jazzsendungen von Radio Frankfurt.224 Während Lippmann die Musik auswählte und die Manuskripte schrieb, wurde Hudtwalckers sonore Moderatorenstimme zum Markenzeichen. Ihre Programme waren

221 Vgl. Schwab: Der Frankfurt Sound, 54 und 58. 222 Vgl. ebd., 73. Die Ausgabe umfasste 36 Blatt und begriff sich aufgrund der »Unebenheiten in der Größe der einzelnen Seiten und im Druck selbst« als »Versuchsnummer«. Vgl. Hot Club Frankfurt: Hot-Club News Nr. 23/24, 35. 223 Das aufwändige Herstellungsverfahren war allerdings nicht der Hauptgrund für die niedrige Auflage. Sie hing vielmehr mit der allgemeinen Papierknappheit zusammen. 224 Ab 1948 Hessischer Rundfunk. Zur Häufigkeit heißt es in Lippmanns telegrammstilartigem Selbstporträt von 1952: »Organisator der beiden wöchentlichen Jazz-Sendungen des Hessischen Rundfunk, besser bekannt als Radio Frankfurt«. Lippmann: Interview mit mir selbst.

  

  

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in der Anfangszeit als medialer Beitrag des Hot Club Frankfurt ausgewiesen.225 Sie hießen »Swing Party«, »Jazz Club« oder »Jazz aus Frankfurt«226 und liefen zum Teil über viele Jahre. Immer wieder räumte Horst Lippmann dem Blues einen exponierten Platz ein. Die gängige Interpretation dehnend, sah er in ihm »Anfang und Ende der Jazzmusik«. Der »Jazz Club« vom 5. November 1954 widmete sich tief schürfenden »Gedanken über den Blues«. Ausgestrahlt ab 22:20 Uhr, offerierte er eine Melange aus Fachwissen und Reflexion. Mit Scharfsinn und Pathos philosophierte Horst Lippmann über das Wesen des Blues. Er erinnerte daran, dass die Individualität des Hörers entscheide, welche Saite letztlich schwinge. Den Blues beschrieb er wie ein Gefäß, dessen Gestalt durch Klang und Geschichte zwar definiert sei, das aber stets aufs Neue mit Bedeutung gefüllt werden müsse. »Er ist immer Improvisation und nie Schablone, er ist Spiegelbild unseres Lebens, unseres Denkens, unseres Fühlens und unserer Umwelt.« Wenngleich »klein und schmächtig, banal und simpel«, bilde der Blues den »Ausgangspunkt für einige der größten Kunstwerke des 20. Jahrhunderts«. Er »ist mehr als ein Volkslied«, de facto eine »Musik von harmonischer Dichte und konsequenter Planung, vergleichbar den abstrakten Schöpfungen unserer Gemäldegalerien, den surrealen Eindrucksschilderungen unserer Dichter und den Experimenten zeitgenössischer Komponisten«. Dass er obendrein eine zutiefst poetische Dimension besitzt, unterstrich Horst Lippmann mit Zitaten von Langston Hughes, Richard Wright und Duke Ellington. Wie ein roter Faden zog sich das Motiv des Leidens durch die Sendung. »Der Blues ist nichts als ein kalter, grauer Tag – und bleibt es Nacht für Nacht«, paraphrasierte Lippmann die Suite »Black, Brown and Beige« von Duke Ellington. »Sie spielen den Blues, wenn man an die Toten denkt oder an die Heimat, die man niemals kannte«. Er sei aber auch die »in Musik umgesetzte Lebensgier«, Ausdruck der »Kraft und Vitalität eines Volkes, das nach 300-jähriger Sklavenzeit zum Leben erwacht«. Blues sprenge »die jahrhundertealten Fesseln«. Seine Geschichte begann, »als die ersten Sklavenschiffe den Atlantik überquerten und das Stöhnen aus den heißen, verpesteten Schiffsleibern sich zu einer schauerlichen Melodie formte«. Horst Lippmann spielte mit den Versatzstücken einer Moderni-

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Gelegentlich war auch Günter Boas beteiligt. Vgl. stellvertretend Hudtwalcker/Boas sowie Boas: Jazzclub Frankfurt. In beiden Fällen hieß das Thema »Blues aus dem Golden Age«. Sendezeit: 23:20 bis 24:00 Uhr. Das Sendemanuskript für den 2. Mai 1956 erwähnt, dass »Jazz aus Frankfurt« bislang wöchentlich um 22:00 Uhr lief, von nun an jedoch 14-tägig, mittwochs, ab 21:00 Uhr. Die Dauer betrug 45 Minuten. Vgl. Lippmann: Jazz aus Frankfurt, Manuskript für die Sendung am 02.05.1956, 5.

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sierungskritik, die dem Wirtschaftsboom der Nachkriegsjahre skeptisch gegenüberstand. Ohne den Begriff ›authentisch‹ auch nur ein einziges Mal zu benutzen, stimmte er das Hohelied auf ein ›unverfälschtes‹ Leben an. »Der Blues, das ist die Fähigkeit zu träumen … die Fähigkeit, inmitten einer kalten, materialisierten Welt in einem Baumwollfeld zu liegen und den süßen Duft der Magnolien zu atmen. Oder mit fünf Cents in der Tasche und zerschundenen Kleidern durch das jagende Getriebe der großen Städte zu schlendern und von einer großen Zukunft zu träumen.« Allen Winkelzügen und blumigen Klischees zum Trotz, war Lippmanns Text ein Manifest des musikalischen wie menschlichen Liberalismus. »Unerschöpflich sind die Stimmungen des Blues, unerschöpflich wie seine Melodien, die der Augenblick entstehen lässt. Der Blues: das ist alles und nichts, lachen und weinen, Freund und Feind, Leben und Tod. Was ist der Blues?«227 Eine Antwort wagte die von ihm ausgewählte Musik. Art Tatum, Charlie Christian, Lester Young, Louis Armstrong und Dizzy Gillespie waren genauso zu hören wie Blind Lemon Jefferson, Bessie Smith und Tiny Bradshaw.

             

  Analog zur publizistischen Wahrnehmung stand auch die Live-Präsentation des Blues im Zeichen des Jazz. Jede Old-Time-Combo hatte Standards wie »Trouble in Mind« oder »St. James Infirmary« im Programm. Den Neutönern diente der Blues als Rohstoff zur Improvisation, und auch im Tanzsaal war er heimisch. Dort läutete ein gedämpfter Zwölftakter gern die ›langsamen Runden‹ ein. Künstler und Kapellen, die ein erklärtes Faible für den Blues besaßen oder sich diesem Idiom gar mit Leib und Seele hingaben, waren dagegen ausgesprochen selten. Kaum ein Dutzend ragte aus der medialen Grauzone heraus. Zu ihnen gehörten Günter Boas, der Saxophonist Benno Walldorf, die Boogie-Woogie-Pianisten Manfred Frenz, Rafi Lüderitz, Leopold von Knobelsdorff und Manfred Roth sowie die Sänger Wolfgang Sauer, Toby Fichelscher und Bill Ramsey, später, um die Wende zu den sechziger Jahren, auch Joy Fleming und Knut Kiesewetter. Sie lebten zwar alle im Westen, waren vor dem Mauerbau aber auch in Ostdeutschland aktiv. William McCreery Ramsey, 1931 in Cincinnati/Ohio geboren, kam im Sommer 1952 als GI nach Deutschland und wurde ein Jahr später Chefproduzent von AFN Frankfurt. Nebenbei war er als Entertainer in amerikanischen Soldatenclubs tätig. Er fand Freunde im Hot Club und zählte schon bald zu den Stammgästen des

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Alle Zitate: Lippmann: Der Jazz Club, Manuskript für die Sendung am 05.11.1954. Die Passagen finden sich auf den Seiten 2, 1, 2, 8, 1, 2, 3, 7, 4 und 5.

  

  

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»Domicile du Jazz«, dem Eldorado der Szene. »Big Bill«, wie er sich damals nannte, sang »Blues, moderne und alte«. Zeitgenössische Berichte feierten ihn als Attraktion. Die »Abendpost« zeichnete im Sommer 1955 ein plastisches Bild: »Wenn Big Bill Ramsey singt, röhrt, schluchzt, schreit – dann tobt sein Publikum. Selbst Ella Fitzgerald, die Königin der Blues, war bei ihrem Frankfurter Besuch begeistert von ihm, als er in Jimmys Bar für sie sang und sagte: ›Man braucht nur die Augen zu schließen, und man meint, es singt ein Schwarzer.‹ So sehnsüchtig, so grotesk, so elementar macht er seine Musik.«228 Neben dem Blues, der anfangs sein Œuvre dominierte, war Bill Ramsey auch in anderen Stilen zu Hause. Jazz und Schlager bildeten die Pole, zwischen denen er sich chamäleonartig und doch souverän bewegte. Als Horst Lippmann »unserem ›Amerikaner in Frankfurt‹« 1956 eine Radiosendung widmete, beleuchtete er die weniger bekannten Facetten. »Er singt heute nicht den Blues, wie üblich«, schickte Lippmann vorweg, sondern amerikanische und schottische Folksongs sowie Negro Spirituals.229 Unter Kennern, Fans und Medienleuten galt lange Zeit Wolfgang Sauer als unangefochtene Nummer eins. 1928 im bergischen Elberfeld geboren, trat er bereits als Abiturient in britischen und amerikanischen Clubs auf. Mit 21 Jahren gründete er die No Name Band, eine Kapelle, die Swing und Dixieland spielte. »Man kannte bessere deutsche Combos«, urteilte ein Rezensent. Doch dann stimmte der Pianist einen Blues an. Ein blonder, frühzeitig erblindeter junger Mann, der »mit seiner gewaltigen, dunklen Stimme« noch den letzten Zuhörer fesselte. »Wie eine große weiche Wolke umfängt einen Traurigkeit.«230 Wenn auch Wolfgang Sauers Bass »vielleicht etwas zu gepflegt, zu ›europäisch‹« klänge, »gemessen an den schwarzen Barden, die seine Vorbilder sind«, so würde er dennoch »in Fachkreisen schon heute als Europas bedeutendster Bluessänger bezeichnet« werden. »Auch aus den USA ist kein weißer Sänger bekannt, der wie er das Wesen des Blues so intuitiv erfasst hat.«231 Für Irritationen sorgte, dass der wandlungsfähige Künstler 1953 seinen Schwerpunkt in eine lukrativere Branche verlagerte – er schloss einen Exklusivvertrag mit dem Major-Label Decca als Schlagerinterpret ab. Doch parallel blieb er dem Blues, Jazz und Gospel treu und genoss unter Insidern ungeteilte Anerkennung. Der Kritiker-Poll der DJF wählte ihn Ende 1953 zum besten deutschen Sänger.232 Die gleiche Position ergab eine

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Ein Amerikaner in Frankfurt. Vgl. Lippmann: Jazz aus Frankfurt, Manuskript für die Sendung am 08.02.1956, 2–3. 230 Düdder: Das Podium-Porträt. 231 Düdder: Blinder Sänger als Nachfahr schwarzer Barden, XII und XI. 232 Vgl. Kritiker-Jazz-Poll der Deutschen Jazz-Föderation.

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Umfrage im »Jazz-Echo«, der monatlichen Beilage des Magazins »Gondel«.233 Auch im nächsten Jahr stand Wolfgang Sauer mit weitem Vorsprung an der Spitze. Er erhielt 2108 Leserstimmen. Auf Platz zwei rangierte Toby Fichelscher mit 489 Punkten.234 Doch langsam schien sich das Blatt zu wenden. Während Wolfgang Sauers »Pionierarbeit« auch künftig unbestritten blieb, rückte Mitte der fünfziger Jahre der Westberliner Pianist, Schlagzeuger und Sänger Tobias »Toby« Fichelscher (1927–1992) als »der authentischste Blues-Vokalist«235 nach. Er war schon als Teenager dem Boogie Woogie verfallen, sah seinen Lebenshunger im Rhythmus der heißen Tasten perfekt gespiegelt. In den GYAClubs236 der zerbombten Frontstadt lernte er Rafi Lüderitz und Manfred »Many« Frenz kennen, beide drei Jahre jünger als er selbst. Zu dritt begaben sie sich auf die Spuren von Albert Ammons und Jimmy Yancey. Sie traten dem Hot Club Berlin bei, der 1948 das Duo Many und Toby erstmals öffentlich präsentierte – vierhändig am Klavier, »in bunten Hawaii-Hemden mit Crew-Cut und auch sonst total auf Ami getrimmt«.237 1949/50 gehörten die zwei zum Personal der AFN-Reihe »Blues in the Night«. Live sah man sie im Schlepptau von Swing- und Dixielandkapellen, die sie als Pausenfüller buchten. Im März 1953 gab Fichelscher seinen Job als Dolmetscher auf und wurde Sänger der Spree City Stompers. Außerdem leitete er eine eigene Band, Toby’s Blues Combo.238 Überregionale Bekanntheit erwarb er beim Dritten Deutschen Jazzfestival 1955, wo er mit den Spree City Stompers auftrat. Organisator Horst Lippmann zog ein hoffnungsvolles Resümee. Wenn Fichelscher »auch im Konzert selbst nicht mit Wolfgang Sauer konkurrieren konnte, so beweisen seine Aufnahmen, dass er zweifellos zu den besseren europäischen Blues-Sängern gerechnet werden darf«.239 Davon konnte man sich ebenfalls im sozialistischen Teil Deutschlands überzeugen. Toby Fichelscher trat

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Es hatten sich 807 Leser für Wolfgang Sauer entschieden. Vgl.: Erstaunliches Resultat beim Gondel-Poll. Vgl. Deutscher Jazz-Poll 1954/55, 43. Lippmann: Jazz aus Frankfurt, Manuskript für die Sendung am 04.11.1956, 4. Das »German Youth Activities Program« der US-Army sollte Bildung, Kultur und Sport fördern und auf diese Weise einen Beitrag zur »Reeducation« leisten. Entsprechende Clubs, die in Westberlin und etlichen bundesdeutschen Städten eingerichtet wurden, fungierten auch als wichtiger Treffpunkt von Jazzfans. Zu Geschichte, Anliegen und Profil des Programms vgl.: The U. S. Armed Forces German Youth Activities Program 1945–1955. Schneider: …und abends Swing, 73. Vgl.: Berlin-Jazz stellt vor. Lippmann: Jazz aus Frankfurt, Manuskript für die Sendung am 02.05.1956, 2–3.

  

  

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in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre wiederholt im Osten auf, meist gemeinsam mit Manfred Frenz,240 aber auch als Gast hiesiger Formationen.241

Toby Fichelscher (Mitte) im Spielfilm »Tobby«, 1961

Im März und April 1957 produzierte er jeweils zwei Titel für das staatliche Unterhaltungslabel Amiga, begleitet von einer tschechoslowakischen Dixielandband um Gustav Brom bzw. seiner eigenen Combo.242 Für die Aufnahmesession am 18. April 1957 komponierte er eigens den »Blues on Amiga«.243

240 Vgl. Sellhorn, 8. 241 So musizierte er beispielsweise 1956 im Ostberliner Künstlerclub »Die Möwe« mit einer Hallenser Gruppe um Alfons Zschockelt. Vgl. Rudorf: Nie wieder links, 125. 242 Die Songs sind 1957 bzw. 1961 auf zwei EPs veröffentlicht worden, beide unter der Künstlerbezeichnung »Toby Fichelscher/Gustav Brom’s Dixielandband«; Amiga 5 50 027 und Amiga 5 50 123. Später brachte sie Amiga auf verschiedenen Samplern erneut heraus; vgl. Brüll, 165–166, 175–176 und 296–297. 243 Titel 1, Seite 2 auf der EP: Toby Fichelscher/Gustav Brom’s Dixielandband, Amiga 5 50 123, veröffentlicht 1961.

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Zeitgenossen stellten Toby Fichelscher als »ausgeprägte Persönlichkeit« dar, als »Aussteigertypus«244 und unbestechlichen Musiker.245 Das Mitteilungsblatt des Jazz-Club Berlin schrieb Ende 1957: Er hätte »bisher allen Lockungen der Schlagerindustrie standhaft getrotzt. Da man dies im allgemeinen nicht von Jazzsängern behaupten kann, wünschen wir ihm von ganzem Herzen auch mit ›nur‹ Jazz viel Erfolg!«246 Wie etliche andere Bewunderer, war der namhafte Kritiker JoachimErnst Berendt davon überzeugt, dass Fichelschers Verdienste nicht hoch genug geschätzt werden können. Er hätte »echtes schwarzes Blues-Feeling«247 und nähme »auf der deutschen Szene etwa die Position ein, die Alexis Korner in England besaß. Er war ein authentischer Bluesmann in einer Zeit, in der es kaum weiße Musiker, die echten Blues spielen konnten, gab. Wenn die deutsche Szene so lebendig wäre wie die englische, dann hätte sich Toby in Deutschland ähnlich entwickeln können, wie sich Alexis Korner in England entwickelt hat.« 248 Dass der Blues bis Anfang der sechziger Jahre tatsächlich ein Schattendasein fristete, belegten die äußerst dünn gesäten Gastspiele ausländischer Bands und Solisten. Afroamerikanische Musiker, die sich den ›blauen Tönen‹ verschrieben hatten, traf man in den GI-Clubs und bei informellen Sessions. Verließ ein dunkelhäutiger Blues-Shouter den Kokon, wurde er nicht selten wie ein exotisches Wesen bestaunt oder gar belächelt. Al Fats Edwards, der in München stationiert war und nach der Entlassung aus der Army durch die Konzert- und Tanzsäle tingelte, hätschelte die Presse als »singenden Brummbär«. Aus ihren Schilderungen klang Ehrfurcht, aber auch Distanz. »Zweihundertdreißig Pfund schwer, dreiunddreißig Jahre alt, schwarz wie die Nacht, mit einem Atem so lang wie ein D-Zug und einer Stimme so tief wie ein Bergwerk: das ist Al Fats Edwards, der Blues-Sänger, dem man voraussagen kann, daß er bald an der Spitze der lebenden Jazz-Prominenz marschieren oder vielmehr singen wird.«249

244 Schneider: …und abends Swing, 73 und 74. 245 Diesem Tenor folgte auch der Spielfilm »Tobby« [sic!], der 1961 nach einem Drehbuch von Hansjürgen Pohland und Siegfried Hofbauer entstand. Regie und Produktion: Hansjürgen Pohland. Die Hauptrolle wurde von Fichelscher selbst übernommen. 246 Berlin-Jazz stellt vor. 247 Berendt: Ein Fenster aus Jazz, 211. 248 Undatierter und nicht näher bezeichneter Rundfunkbeitrag von Joachim-Ernst Berendt. Die Aufnahme befindet sich auf der von Gudy Fichelscher herausgegebenen CD »Toby Fichelscher. Ein Porträt 1953–1988«. Der Tonträger ist als »nichtkommerzielle Fan-Edition« deklariert. 249 Mit einer Stimme so tief wie ein Bergwerk, 03.10.1956. Der Zeitungsausschnitt, dessen Quelle nicht identifiziert werden konnte, befindet sich im Bestand des JID. Offenbar handelt es sich um ein Medium aus dem Raum Düsseldorf.

  

  

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Künstler von internationalem Rang sah man nur sporadisch auf heimischen Bühnen. Während in der DDR das Eis erst 1964 brach, bekam ein auserlesenes bundesdeutsches Publikum schon 1951 einen Vorgeschmack geliefert. Im September präsentierte die DJF zwei Konzerte mit Graeme Bell and His Australian Jazz Band in Düsseldorf und Frankfurt am Main, ausgerichtet von den jeweiligen Hot Clubs.250 Die achtköpfige Kapelle wurde als »eine der zur Zeit berühmtesten« ihres Metiers angekündigt, »die wesentlich zu dem so genannten ›Dixieland Revival‹ der letzten Jahre beitrug«. Sie spielte traditionellen Jazz und Ragtime, darunter etliche Evergreens von Jelly Roll Morton und Klassiker wie »High Society«, »It Don’t Mean a Thing (If It Ain’t Got That Swing)« oder den »Snake Rag«. Als Stargast der Tournee war Big Bill Broonzy engagiert, »einer der letzten authentischen Blues-Sänger«.251 Unisono mit Broonzys Selbstvermarktung, stilisierten ihn salbungsvolle Annoncen zum Relikt längst vergangener Zeiten.252 Er verkörpere den »primitiven« Blues, »der der originellste und reichste Teil der amerikanischen Negerfolklore war, aus welcher der Jazz und besonders der New-OrleansStil hervorging«.253 Big Bill hätte sich niemals den Gesetzen des Marktes gebeugt und »auch nur eine kommerzielle Platte bespielt«, die »Bretter des musikalischen Kabaretts«254 seien ihm fremd. Broonzys Legendenstatus war keine Erfindung deutscher Fantasten, sondern weltweiter Konsens. Den Stein hatte der amerikanische Jazzkritiker, Talentscout und Produzent John Hammond ins Rollen gebracht. Er zeichnete für die epochale Gala »From Spirituals to Swing« verantwortlich, die am 23. Dezember 1938 über die Bühne der prestigeträchtigen New Yorker Carnegie Hall ging. Im Untertitel »An Evening of Amercian Negro Music«, bot das Konzert einen historischen Überblick von den religiösen Frühformen bis zum modernen Jazz. Die vierte Sektion war dem Blues gewidmet. Sie stellte, neben anderen Künstlern, »Big Bill« als Urbild vor: ein Mann und seine Gitarre. Broonzy, der seit fast 20 Jahren in Chicago lebte und dessen Repertoire weit über kargen Country Blues hinausreichte, wurde zum Naturburschen reduziert. Er komme »von einer Plantage in Arkansas«, klärte das Programmheft auf, und verdinge sich zwischen seinen Studiosessions für »Race Records« als »Hilfsarbeiter auf dem Land«. Die Show in der Carnegie

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Die DJF war zu diesem Zeitpunkt noch nicht formell gegründet, existierte aber bereits als ständig wachsende Kooperative westdeutscher Hot Clubs. Das Programmheft der Bell-Broonzy-Show wies sie als »Deutsche Jazz-Federation« aus. Deutsche Jazz-Föderation präsentiert. Dieser Strategie folgte auch die von Yannick Bruynoghe herausgegebene und kommentierte Autobiographie »Big Bill Blues«. Vgl. Bruynoghe/Broonzy. Deutsche Jazz-Föderation präsentiert. Böhm, 1.

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Hall wäre »sein erster Auftritt vor einem weißen Publikum«.255 In den Liner Notes des 1959 veröffentlichten Mitschnitts ging John Hammond noch einen Schritt weiter. Weil Robert Johnson, der ursprünglich zum geplanten Line-up gehörte, ermordet wurde, hatte man »Big Bill Broonzy überredet, Farm und Maultier in Arkansas zu verlassen und seinen allerersten Marsch in die Großstadt anzutreten«.256 Hammonds Behauptungen waren mitnichten das Resultat von Unwissenheit oder Verblendung, sondern reines Kalkül. Er wollte ein Zeichen setzen, provokant überspitzt und damit weithin sichtbar. Publicity hieß seine Intention. Den afroamerikanischen Fackelträgern sollte Gerechtigkeit widerfahren. Schwerer als die romantische Verzerrung, die bald eine fatale Eigendynamik entwickelte, wog nach dieser Logik die suggestive, Aufmerksamkeit heischende Story.257 John Hammond war ein Freigeist und Visionär. »Ich hörte keine Rassenschranken in der Musik«, erinnerte er sich an seine Motivation. »Der Oberhoheit des Schwarzen im Jazz zur Anerkennung zu verhelfen, war die effektivste und konstruktivste Form des gesellschaftlichen Protestes, die ich mir vorstellen konnte.«258 Dass hinter der Idee von »From Spirituals to Swing« nicht nur ein enormes künstlerisches, sondern auch ein dezidiert politisches Sendungsbewusstsein steckte, illustrierte die Wahl der Sponsoren. Die Veranstaltung wurde vom marxistischen Magazin »New Masses«259 und dem Theater Arts Committee, einer »offen linksorientierten Organisation«,260 unterstützt. In einem solchen Kontext repräsentierte Big Bill Broonzy weitaus mehr als ein Stück schützenswerte ›Volksmusik‹. Er avancierte zum Symbol einer besseren Welt, seine Songs schmeckten nach sozialer Anklage – egal, was er spielte.261

255 Something About the Artists, 11. 256 Hammond, 8. 257 Dennoch verschwand Big Bill Broonzy bald in der Versenkung. 1950 wurde er vom belgischen Bluesfan Yannick Bruynoghe in Chicago ›wiederentdeckt‹. Er initiierte nicht nur die Autobiographie »Big Bill Blues«, sondern erledigte für Broonzy auch das Booking in Europa. Vgl. Broonzy: Brief an Günter Boas, ohne Datum [1954]. 258 Statement von John Hammond, in: From Spirituals to Swing [Booklet], 1. 259 »New Masses« war der Kommunistischen Partei der USA eng verbunden. 260 Liner Notes, in: From Spirituals to Swing [Booklet], 3. 261 Auf dem europäischen Kontinent schürten zwei Konzerte, die im September 1951 in der Londoner Kingsway Hall stattfanden, den Broonzy-Mythos. Die Moderation und umfängliche Einführung übernahm Alan Lomax, damals einer der weltweit mächtigsten Bluesideologen. Er hatte die USA wegen der grassierenden Kommunistenverfolgung verlassen und verkündete seine Mission, den Schutz des ›archaischen‹ Liedgutes, nun auch in Großbritannien. Big Bill Broonzys Auftritte wurden von einem beachtlichen Medienecho begleitet und legten den Grundstein für sein hohes Ansehen. Die Musikwissenschaftlerin Roberta Freund Schwartz spricht Broonzy einen bahn-

  

  

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Auch in Deutschland blieb Broonzys Bild schief. Nur wurde hier die Kritik am Rassismus, den man allein in den USA verortete, von antimodernistischen Zungenschlägen und ästhetischer Beckmesserei übertönt. Der Musiker produzierte sich in Düsseldorf und Frankfurt keineswegs als eindimensionaler, larmoyanter Bluesbarde, sondern als wandlungsfähiger Songster und stimmte zum Schluss mit Graeme Bells Band gar ein schmissiges »When the Saints Go Marching Home« an. Trotzdem nahm ihn die Öffentlichkeit als Exponent einer aussterbenden Spezies wahr, als einen Interpreten »voll archaischer Einfachheit und erschütternder Kraft«.262 Das Moment der Unterhaltung und den stilistischen Variantenreichtum blendete die Presse kurzerhand aus. »Der lange, schwarze Big Bill«, so berichtete ein Tageblatt über das Debüt in der Bundesrepublik, habe »ganz unaufdringlich« die Bühne bestiegen und war doch der »Höhepunkt des Abends«. Das Publikum, das ihn »stürmisch begrüßt«, wird nicht enttäuscht: »Mit gesunder, überzeugender Vortragskunst breitet er als echter Volkssänger die amerikanische Folklore vor uns aus.«263 Der tendenziöse Blick war ganz im Sinne des Veranstalters. Die DJF wollte mit dem Konzert auch eine Bresche für den Jazz schlagen. Denn dieser Musik mangelte es fortdauernd an Akzeptanz, sie wurde von ihren Kontrahenten schnell als ›Krawall‹ oder billige Mode abgetan. Dem Antrag auf Genehmigung des Gastspiels fügten die Frankfurter Organisatoren eine Reihe von künstlerischen und moralischen Argumenten per Anlage bei. »Die echte Jazzmusik«, so strichen die zwei an das Hessische Kultusministerium adressierten Schreibmaschinenseiten heraus, habe sich »in nahezu allen nichtkommunistischen Ländern die Anerkennung als ein Teilgebiet der modernen, zeitgenössischen Kunst erworben«.264 Jean Cocteau, Maurice Ravel und Arthur Honegger wurden als Gewährsmänner zitiert, man vergaß nicht zu erwähnen, dass der Papst kürzlich Louis Armstrong zur Privataudienz empfangen hatte. Ein Hochkulturrecht klagte auch der Düsseldorfer Hot Club ein. Dort konnte für den 15. September 1951 der ehrwürdige, 1200 Plätze fassende Robert-Schumann-Saal gebucht werden. Dem Auftritt von brechenden Einfluss zu: Er »veränderte die Landschaft der britischen populären Musik sicherlich genauso wie die Beatles ein Jahrzehnt später«. Schwartz: Preaching the Gospel of the Blues, 155. Zu Alan Lomax’ Zeit in Großbritannien von 1950 bis 1958 und der immensen Wirkung, die er dort hatte, vgl. Cohen. 262 Personalien. 263 Echter Blues und australischer Jazz [von cie]. Der Artikel findet sich als Ausriss im Nachlass von Günter Boas; IJAE, Sammlung Günter Boas. Per Hand wurde der 19.09.1951 als Erscheinungstag und das Medium »A. Z.« vermerkt. Die tatsächliche Quelle konnte nicht ermittelt werden. 264 An das Kultusministerium des Landes Hessen. Das Schreiben wurde offenbar von Horst Lippmann verfasst.

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Graeme Bell und Big Bill Broonzy ging ein Appell an das Publikum voraus. Conférencier Olaf Hudtwalcker bat um Respekt vor der heiligen Halle, die Zuhörer sollten nicht pfeifen und schreien, sondern ihre Beifallsbekundungen auf ein pietätvolles Klatschen beschränken. Broonzy konterte den Geist der Andacht mit einem nach jedem Song stoisch heruntergeleierten »Thank you, thank you, thank you!«.265 Noch zweimal beehrte der Bluessänger die Bundesrepublik. Er schätze den deutschen Kunstsinn, ließ das »Jazz Podium« wissen: »In den Staaten tritt er meist in Shows auf, in denen er sich kaum entfalten kann und die seinen besonderen Qualifikationen in keiner Weise entsprechen.«266 Am 3. Mai 1953 gehörte Big Bill Broonzy zum Programm des Ersten Deutschen Jazzfestivals in Frankfurt am Main. Neben seinen solistischen Einlagen wurde er von den Two Beat Stompers begleitet. Drei Jahre später, im April 1956, war er in Westberlin und Hamburg als Teil eines Tourpakets zu erleben. Beide Konzerte standen unter keinem günstigen Stern. Der Auftritt in der Hansestadt wurde, wie eine Rezension vermerkte, von den »Schwächen des deutschen Publikums« getrübt, »das zu wenig Ahnung von dieser Art Jazz hat«. Big Bills Ansagen und »rezitative Texte« störten jugendliche Hitzköpfe »durch Hupen und Hineinklatschen«. Sie wollten den Rhythmus spüren, fühlten sich vom kontemplativen Fluidum gelangweilt. »Völlig anders wurde Lil Armstrong aufgenommen, die bei ihren Rags und Boogies sang, ins Mikrophon quietschte und auf ihrem Stuhl herumhopste«.267 Nun tosten Begeisterungsstürme. Auch die Show im Berliner Sportpalast war von Dissonanzen flankiert; sie endete mit einem Desaster. Weil der Kartenvorverkauf schlecht lief, wurde dem Headliner des Abends, der Big Band um Max Greger, nahe gelegt, »vom Vertrag zurückzutreten«. Während das Publikum Big Bill Broonzys Set noch »sehr ruhig und gesittet« lauschte, erregte die Nachricht von Gregers ›Absage‹ den »Unwillen des Volkes«.268 Es kam zu einer handfesten Randale. Zwiespältige Reaktionen löste auch ein Konzert von Sister Rosetta Tharpe Anfang 1958 in Stuttgart aus. Die Blues- und Gospelinterpretin besaß in Jazzkreisen seit langem einen Namen. Hot-Club-Vorträge und Fanzine-Artikel widmeten sich dem Schaffen der ausgefallenen Künstlerin, ihre Schellack-Single »Use Me Lord«

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Vgl. die auf CD veröffentlichten Ausschnitte des Konzerts vom 15. September 1951 im Düsseldorfer Robert-Schumann-Saal sowie die Kommentare des Booklets. Big Bill Broonzy in Concert with Graeme Bell & His Australian Jazz Band: Germany, September 1951, Jasmine Records JASMCD 3007, Großbritannien 2002. News. Kobelt, 11. Schneider: »Wer bannt die Geister, die ich rief?«

  

  

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c/w »The Lord Followed Me«269 erhielt den »Großen Deutschen Jazzplatten-Preis 1953/54« der DJF in der Kategorie »Folklore«.270 Als sie am 13. Februar 1958 erstmals live zu erleben war, gingen die Meinungen auseinander. Das »Jazz Podium« fand wohlwollende Worte. »Es gab wohl niemanden, der sich ihrer ungewöhnlichen Ausdruckskraft hätte entziehen können«, hieß es euphorisch. Auch suche »die optische Wirkung« ihresgleichen. »Jede Bewegung, jedes Mienenspiel unterstreicht den stark gefühlsmäßigen Gehalt der Musik, und wer wüsste nicht um die angeborene mimische Begabung, die dem Neger zu eigen ist.«271 Etliche Zuschauer waren dagegen enttäuscht. Sie hatten den Eindruck, dass die E-Gitarre spielende Entertainerin das Publikum auf »billige« Art und Weise um den Finger wickeln wollte, »mit ihrem Kleid, mit ihrem Hüftwackeln und anderen optischen Tricks«.272 Viel eher trafen Sonny Terry & Brownie McGhee den Nerv. Das Duo war von Big Bill Broonzy nach Europa vermittelt worden und tourte dort mit Chris Barber. 1958 kamen die »zwei Botschafter des alten, volkstümlichen Jazz« auch nach Deutschland, wo ihnen die wohlverdiente »Aufmerksamkeit«273 zuteil wurde. Günter Boas, der die beiden zu einer Autogrammstunde nach Dortmund einlud, erkannte in dem Gitarristen und dem Mundharmonikaspieler die Personifizierung des Blues: »Da kommen zwei großartige Künstler auf die Bühne, ein Blinder, geführt von einem Gehbehinderten. Ihre Kunst jedoch ist beseelt von einer so unmittelbaren Ausdruckskraft, dass die Zuhörer in den Bann geschlagen werden.«274 Ähnliche Lobeshymnen waren nach »Champion« Jack Duprees Konzerten zu vernehmen. Er reiste 1960 in mehreren Etappen kreuz und quer durch Westdeutschland – so ausgiebig, wie kein anderer zuvor. Der »alte Barrelhouse-Troubadour«, der gerade mit der »Ungehobeltheit seines Pianospiels« zu überzeugen wusste, galt der Jazzkritik als Original. »Dupree berührt die Essenz aller großen Kunst«, schrieb Olaf Hudtwalcker, »er schöpft Grundwasser von den Wurzeln, und seine Aussage hat Gewicht und durchlebte Substanz«.275 Die Besucher der Essener Jazz-Tage trieb »der athletische Vulkan von einem Kerl« fast zur Ekstase. Niemand, der sich seiner Aura entziehen konnte. »Bei Jack ist die Form gar nichts und der Ausdruck alles. Wen kümmert es, wenn er mal die falsche Taste greift, wenn er aufspringt, mitgerissen und mitreißend, wenn er mit den Knöcheln auf die

269 Sister Rosetta Tharpe und das Sam Price Trio, Brunswick 82721. 270 Vgl. Großer Deutscher Jazzplatten-Preis 1953/54, 3. 271 Jubel um Sister Rosetta Tharpe. 272 Nake. 273 Sonny Terry und Brownie McGhee kamen mit Chris Barber. 274 Boas: 100 Sekunden Bluesgeschichte. 275 Hudtwalcker: Champion Jack Dupree.

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schwarzen und weißen Flächen haut, weil die Fingerspitzen einfach zu schwach sind, um die Gewalt auszuhalten, von der er zu bersten scheint«, schwärmte ein Reporter. »Und was der Champion auch tut, ob er flüstert, ruft, spricht, singt: Immer erzählt er etwas, immer sagt er etwas aus. Das Publikum hätte ihn am liebsten nicht von der Bühne gelassen. Das Publikum hatte Recht.«276 Im Frühsommer 1960 war der Meister aus New Orleans auf großen Open-Air-Bühnen zu erleben, gemeinsam mit britischen, amerikanischen und französischen Kollegen. Danach, im Herbst des selben Jahres, begleitete ihn die dänische Papa Bue’s Viking Jazzband in nahezu zwei Dutzend westdeutschen Städten. Es war die bislang umfangreichste Tournee eines prominenten, afroamerikanischen Bluesmusikers durch die Bundesrepublik. Big Bill Broonzy, Sister Rosetta Tharpe, Sonny Terry & Brownie McGhee sowie »Champion« Jack Dupree – die Bilanz der fünfziger Jahre blieb überschaubar, auf eine Hand voll großer Namen beschränkt. Das war in anderen westeuropäischen Ländern ähnlich. Lediglich Großbritannien und Frankreich ragten heraus. Dort standen neben den genannten Künstlern etwa auch Leadbelly, Josh White, Memphis Slim, Little Brother Montgomery, Sonny Boy Williamson, Bo Diddley, Blind John Davis und Muddy Waters im Rampenlicht. Alberta Hunter und Lonnie Johnson gastierten sogar schon vor dem Zweiten Weltkrieg in London, Paris oder Nizza. Englische und französische Musikliebhaber schlugen eine Brücke in die Neue Welt, sie ebneten den Weg und holten den Blues nach Europa. In Frankreich erforschten Hot-Club-Aktivisten bereits Anfang der dreißiger Jahre die ›Quellen des Jazz‹. Hugues Panassié, Charles Delaunay und Jacques Demêtre kümmerten sich um den Import und die Verbreitung von Bluesplatten und verfassten flammende Essays. Auf Einladung seines Freundes John Hammond war Panassié 1938 Ehrengast der Carnegie Hall. Er erlebte den Urknall der Veranstaltung »From Spirituals to Swing«, was ihn in seiner Haltung bestätigte und inspirierte. Vor Ort recherchierten auch Jacques Demêtre und Marcel Chauvard, zwei emsige Sammler und Autoren. Sie reisten im Herbst 1959 in die USA, wo sie etliche Bluesheroen interviewten und den Status quo der Szenen von Chicago, Detroit und New York dokumentierten. Ihr Bericht, den die Zeitschrift »Jazz Hot« als sechsteilige Serie druckte und der in mehrere Sprachen übersetzt wurde, sorgte für einige Furore. Er widerlegte all die Pessimisten, die den Blues schon für tot erklärt hatten.277

276 277

Alle Zitate: Nass, 102 und 103. Vgl. Springer, 243.

  

  

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Nicht minder starke Impulse kamen aus Großbritannien. Dort war es vor allem Chris Barber, der folgenreiche Kontakte einfädelte und ab 1954 afroamerikanische Musiker über den Atlantik holte. Der Posaunist und Bandleader hatte sich dem Old Time Jazz verschrieben, stand daher quasi mit einem Bein im Blues. Weil die britische Gewerkschaft Auftritte amerikanischer Jazzmusiker massiv behinderte, kündigte Barber seine Gäste entweder als »Varietékünstler« an oder rückte sie in die unverdächtige zweite Reihe, zwischen die eigenen Sets. Er protegierte und begleitete zahlreiche Solisten, darunter Big Bill Broonzy, Sonny Terry & Brownie McGhee, Sister Rosetta Tharpe, Muddy Waters, Otis Spann, »Champion« Jack Dupree, Memphis Slim, Little Brother Montgomery und Sonny Boy Williamson. Auch Chris Barbers Gitarrist und Banjospieler Lonnie Donegan füllte die Konzertpausen gern mit Blues und Folk. Seine Coverversion des LeadbellyKlassikers »Rock Island Line« stürmte 1956 die Charts und entfesselte einen wahren Skiffleboom. Hinter diesem Phänomen verbarg sich eine Rückbesinnung auf die ›volkstümlichen‹ Ursprünge des Jazz, der Wunsch, ihn von professionellen und kommerziellen Zwängen zu befreien. Junge Fans, die hauptsächlich einem studentischen Milieu entstammten, griffen selbst zu Instrumenten und formierten eine Amateurbewegung beispiellosen Ausmaßes. Ihr Repertoire mischte amerikanische Folk Music und Country Blues mit traditionellem Jazz. Die Skifflebegeisterung trat eine Welle los, die den Siegeszug von Beat und Rock katalysieren sollte und auch den Blues in ein neues Licht rückte. Hier war er nicht länger ein museales Artefakt, verwaltet von Puristen, sondern lebendige Gebrauchskunst. Frankreich und Großbritannien funktionierten als frühe Umschlagplätze des Blues in Europa. Einflussreiche und ambitionierte Persönlichkeiten wie Hugues Panassié oder Chris Barber stellten die Weichen und lösten einschneidende Kettenreaktionen aus. Über die internationalen Netzwerke drang die Botschaft nach Ost und West. Das Kräfteverhältnis kehrte sich 1962 um. Zwei deutsche Konzertpromoter traten mit einem Konzept an die Öffentlichkeit, das den Wert des Blues auf ungewohnte Weise taxierte und seine Wahrnehmung nachhaltig veränderte.

 ! " Bo-o-o-oy, it was just like the President or Jesus comin’ in.1 JOHN LEE HOOKER

                 Als am 4. Oktober 1962 im Großen Kursaal von Baden-Baden das Licht erlosch und sich ein Spot auf die Bühne richtete, begann eine neue Ära. Nun trat der Blues endgültig aus dem Schatten des Jazz. Er zeigte sich als selbstbewusstes und vitales Genre, sprach ein Massenpublikum an. John Lee Hooker fiel die Rolle des Verkünders zu. Er griff in die Saiten seiner Gitarre, stampfte mit den Füßen und eröffnete das erste »American Folk Blues Festival« (AFBF), veranstaltet von Horst Lippmann und Fritz Rau.2 Die Konzertserie, die 1985 in die Annalen einging, ist vielfach kritisiert worden – und doch steht ihr historisches Verdienst außer Frage.3 Paul Oliver, der Nestor der internationalen Bluesforschung, nannte sie schlichtweg »bahnbrechend«.4 Für Rolling-Stones-Bassist Bill Wyman waren Lippmann & Rau Visionäre, die den Blues wirklich »im großen Stil«5 hatten. Ihre Festivalreihe »erwies sich als ein reiches Vermächtnis für Musiker in ganz Europa«. Ohne

1 2 3

4 5

Murray, 313. Zur Geschichte und Wirkung der AFBF vgl. stellvertretend Schwab: Auf der heißesten Volkshochschule der Welt sowie Adelt, 78–97. In Eisenach fand vom 30. August bis 1. September 2002 die Veranstaltung »First Time I Met the Blues« statt, eine Hommage an »40 Jahre American Folk Blues Festival 1962–2002«. Es traten unter anderem Hubert Sumlin, Carey Bell, Bob Stroger, Louisiana Red und Colin Hodgkinson auf. Oliver: Taking the Measure of the Blues, 36. Wyman/Havers: Bill Wyman’s Blues Odyssey, 326.

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diesen Initialfunken »hätten sich die Dinge in Großbritannien um einiges anders entwickelt«.6 Die Idee der AFBF besaß eine lange Vorgeschichte, sie reifte über viele Jahre. Horst Lippmann war die treibende Kraft, ein Akteur, der musikalisches Sachverständnis und organisatorisches Know-how in Personalunion verkörperte. Als ›Jazzfan der alten Schule‹ hatte er seit jeher eine starke Neigung für den Blues. Schon kurz nach dem Krieg stellte er sein Wissen und tiefes Interesse in Hot-ClubVorträgen, Fanzineartikeln und Rundfunkmanuskripten unter Beweis. Lippmann war es auch, der mit Big Bill Broonzy 1951 den ersten Auftritt eines afroamerikanischen Bluesmusikers von Rang in Deutschland koordinierte. Broonzys Debüt deutete den weiten Horizont des späteren Großveranstalters an, einen künstlerischen Kosmos mit fließenden Grenzen. Fritz Rau, Horst Lippmanns Geschäftspartner, spürte genauso den magnetischen Sog des Blues. Er arbeitete ab 1956 als Assistent und Tourneeleiter für den amerikanischen Impresario Norman Granz, betreute die bahnbrechende Konzertreihe »Jazz at the Philharmonic«.7 1957 hatte Fritz Rau sein »Schlüsselerlebnis«. Der Pianist des Modern Jazz Quartet, John Lewis, spielte ihm eine Platte von Muddy Waters vor. »Da habe ich zum ersten Mal authentischen Big City Blues gehört«,8 erinnerte sich Rau. Auch den folgenschweren Kontakt zu Willie Dixon, so will es die Legende, vermittelte eine Koryphäe des Jazz. Lippmann und Rau bekamen die Adresse des Chess-Produzenten und umtriebigen Musikers, der ihr wichtigster Verbindungsmann in Sachen Blues werden sollte, vom Saxophonisten »Cannonball« Adderley. Sie landete zu guter Letzt bei Joachim-Ernst Berendt, dem tonangebenden Jazzpublizisten der Bundesrepublik. Als Berendt 1960 mit dem Fotografen William Claxton für reichlich drei Monate durch die USA reiste, führte ihn sein Weg auch zu Willie Dixon. Diese Begegnung erschloss ihm eine völlig neue Welt, sie widerlegte all jene Pessimisten, die den Blues schon totgesagt hatten. »Jesus Christus, der Blues lebt«,9 soll Joachim-Ernst Berendt nach seiner Rückkehr in Deutschland ausgerufen haben. Die Erleuchtung wäre ihm in einer Garage gekommen, mitten im südlichen Ghetto von Chicago. Dort hatte Berendt »eine riesige Blues-Party« erlebt, arrangiert vom Schlagzeuger Jump Jackson. »Nachmittags gegen drei Uhr begann sie, und als am nächsten Morgen die Sonne aufging, swingte sie immer noch auf vollen Touren. Wie das auf der South Side, dem schwarzen Teil der Stadt, so üblich ist, nahm 6 7 8 9

Wyman: Foreword. Parallel zu seiner frühen Tätigkeit im Konzertgeschäft absolvierte Fritz Rau (1930– 2013) ein Jurastudium. Blues before Sunrise, 395. Zit. bei Dixon/Snowden, 126.

     

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inzwischen die ganze Nachbarschaft daran teil. Ich habe das Ganze aufgenommen und daraus eine Sendereihe zusammengestellt, die über den Südwestfunk lief.« Während dieser Session, die nahezu alles vereinte, »was auf der BluesSzene Chicagos Rang und Namen besaß«, »entstand die Idee zu den American Folk Blues Festivals«. Ins Mark getroffen, fragte Berendt »bei den verschiedensten europäischen Konzertveranstaltern« nach. Doch »überall bekam ich Absagen. Blues bedeutete damals nicht viel – bis ich schließlich mit Horst Lippmann und Fritz Rau sprach. Sie griffen zu. Horst flog sofort nach Amerika, setzte sich mit Jump John Lee Hooker (vorn), Big Mama Thornton Jackson in Verbindung, holte John und J. B. Lenoir während einer Fernsehproduktion im Rahmen des American Folk Blues Lee Hooker aus Detroit und schloss Festivals, Baden-Baden, 1965 10 die Verträge.« Lippmann und Rau korrigierten diese Darstellung, sie reklamierten den Festivalgedanken für sich. Ihnen zufolge wollte Joachim-Ernst Berendt die Musiker für seine Fernsehsendung »Jazz – gehört und gesehen« engagieren und bat die Agentur um Unterstützung. »Das geht nur, wenn wir eine Tournee dranhängen«, soll »der realistische Lippmann«11 erklärt haben. Und so nahmen die Dinge ihren Lauf. Am Anfang war die Skepsis groß, denn niemand glaubte so recht an die kommerzielle Tragfähigkeit des Unterfangens. Fritz Rau: »Als Horst 1961 das erste Mal von seiner Bluesreise durch die USA zurückkam und sagte: ›Die Musiker sind klar, nun buch’ die Tournee‹, hatte ich Bauchschmerzen, ob es uns gelingen

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Berendt: American Folk Blues Festivals 1962–1972 und 1980, 2. Zur Entstehungsgeschichte der AFBF nach Berendtscher Fasson vgl. auch Lippmann/Berendt/SchmidtJoos, 181. Zit. bei Brigl/Schmidt-Joos, 130. Diese Version geht mit Horst Lippmanns Erinnerungen konform. Vgl. Dixon/Snowden, 126. An anderer Stelle schrieb er hingegen: »Die Idee, ein Blues-Festival zu veranstalten, stammt von Joachim-Ernst Berendt.« Lippmann: American Folk Blues Festival 1963, 4. Auch Siegfried Loch sieht Berendt als den Erfinder des AFBF. Vgl. Loch, 36.

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würde, für diesen zusammengewürfelten Haufen obskurer Blues-Musiker, die kein Mensch kannte, örtliche Veranstalter zu finden – und wenn, ob dann auch Publikum käme.«12 Horst Lippmann war offenbar davon überzeugt, dass die Zeit für den Blues reif sei. »Selten hat er so im Mittelpunkt des Jazzgeschehens gestanden, wie in den letzten Jahren«,13 resümierte sein Radiospecial »Gesungener Blues«, das der HR am 11. Januar 1962 ausstrahlte. Ungeachtet aller Schwarzmalerei glückte Lippmann und Rau das Kunststück, Anspruch und Geschäft auf symbiotische Weise zu verbinden. In der Rückschau wird gern die Pioniertat hervorgehoben oder gar Idealismus suggeriert und dabei vergessen, dass sich hinter den AFBF ein wohl durchdachter Masterplan verbarg. Sowohl der enorme Aktionsradius, der zahlreiche west- und osteuropäische Länder einschloss, wie auch das ausgeklügelte Vermarktungskonzept waren Schlüssel zum Erfolg und wiesen künftige Richtungen. Von Beginn an wurden zugkräftige Sponsoren an das Projekt gebunden, sorgten die Veranstalter für eine effektvolle Werbung und die größtmögliche audiovisuelle Verwertung. Das Festival lieferte die Blaupause einer innovativen Präsentation, es ließ Netzwerke wachsen, begeisterte eine neue Generation und die arrivierten Medien für den Blues. Es etablierte diese Musik als Marktsegment. Eine entscheidende Rolle spielte, dass potente Mitstreiter und Multiplikatoren gewonnen werden konnten. Sie alle zogen an einem Strang. Der Triumph des Unternehmens war letztlich auch ein Resultat von Teamwork. Lippmann und Rau steckten etliche Exponenten der Branche mit ihrem Eifer an und blieben selbst für Anregungen offen. In der Aufbruchsphase gehörte Günter Boas zu den maßgeblichen Inspiratoren. Er war es, »der Lippmann immer wieder drängte: ›Du musst die großen alten Blueser holen, solange sie noch leben!‹«14 Substanzielle Aufbauarbeit leistete Joachim-Ernst Berendt. Er warb in Presse, Funk und Fernsehen für die AFBF, war ihr lautstärkster Propagandist. Außerdem gewährte er logistische

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Brigl/Schmidt-Joos, 133. Lippmann: Der Jazz Club, Manuskript für die Sendung am 11.01.1962, 1. Rieth, 156. Dass Günter Boas dann während der AFBF mit keinerlei offizieller Funktion betraut wurde und im Hintergrund verschwand, hat ihn wohl schmerzlich getroffen; vgl. Liniger: Windspiele, 20. Gelegentlich tauchte Boas am Rande auf. So hat er etwa Victoria Spivey für das 1963er Programmheft porträtiert – vgl. American Folk Blues Festival 1963 – und 1965 die Shows in Düsseldorf und Iserlohn angesagt. Letztere ging in eine informelle Party über: »Es war um Mitternacht, im Keller des Hot Club Iserlohn, als die Atmosphäre am dichtesten wurde. Da kreisten die Whiskyflaschen, Günter Boas saß am Klavier, der Gitarrist Lonesome Jimmy Lee stand am Bass, und die füllige Sängerin Big Mama Thornton bediente das Schlagzeug.« Düdder: Der Blues ist auch hart drängender Beat.

     

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Hilfe. Berendt brachte die Bluesshow in der renommierten TV-Serie »Jazz – gehört und gesehen« unter, die er seit 1954 beim SWF betreute.15 Damit verschaffte er dieser so stiefmütterlich behandelten Musik nicht nur eine völlig neue Form von Aufmerksamkeit, sondern spülte auch Geld in die Kassen der Konzertagentur. Für das optische Design der AFBF war der Graphiker Günther Kieser zuständig.16 Er hat auf kongeniale Weise den Sinn und die Ideologie der Veranstaltung mit seinen Plakaten, Programmheften und Bühnendekorationen visualisiert. Auch Plattenproduzent Siegfried Loch sowie der Journalist und Rundfunkredakteur Siegfried Schmidt-Joos gehörten zum inneren Zirkel.17 Sie kümmerten sich um die Konservierung der Musik und rekrutierten ein Publikum. Nicht zuletzt standen Lippmann und Rau Kollegen und Gleichgesinnte in den USA zur Seite. Die Labelmanager Leonard Kunstadt und Chris Strachwitz spürten legendäre, inzwischen von der Bildfläche verschwundene Künstler auf, sie trafen Reisevorbereitungen, besorgten Papiere und Pässe.18 Zum Teil fungierten sie als Tourneebegleiter in Europa. Der wichtigste Mittelsmann vor Ort war Willie Dixon. Als Musiker und Komponist zahlreicher Hits sowie Produzent, Arrangeur und Studiobandleiter der Chicagoer Firma Chess Records besaß er die unangefochtene Autorität einer »Vaterfigur«.19 Über seinen Tisch liefen inhaltliche und organisatorische Absprachen sowie vertragliche Details. Horst Lippmann flog mehrfach in die Vereinigten Staaten, um mit ihm am Konzept zu feilen. Dixon erwies sich als verlässliche Kontaktperson, profunder Kenner der Szene und unschätzbares Bindeglied zwischen den Welten. Er war »der richtige Mann für den Job«, betonte Lippmann, und keineswegs bloß ein »Regieassistent«, sondern wirklich ein Partner. »Wir haben wie Brüder zusammengearbeitet«, pflegten eine »sehr, sehr gute Kooperation«.20 Willie Dixon führte Horst Lippmann zu den Brutstätten des urbanen Blues. Unter seinem Schutz tauchte der Deutsche in das Getriebe der Bars und Kneipen von Chicago ab, die sonst kaum ein ›Weißer‹ betrat. Lippmann war von der ›Urkraft‹ fasziniert und beschloss, sie in die europäischen Konzertsäle zu transferieren. Die 15

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Die erste Ausgabe wurde am 11. Januar 1955 gezeigt. »Jazz – gehört und gesehen« war »die meistausgezeichnete Fernseh-Musiksendung, die es bisher gegeben hat«, schätzte Joachim-Ernst Berendt 40 Jahre später ein. Berendt: Günther Kieser – Eine Epoche – Sichtbar gemacht, 87. Bis Mitte der sechziger Jahre in Kooperation mit seinem Kollegen Hans Michel. Siegfried Loch produzierte von 1963 bis 1966 die AFBF-Alben für Philips, Siegfried Schmidt-Joos arbeitete seinerzeit bei Radio Bremen. Chris Strachwitz war der Eigentümer von Arhoolie Records, Leonard Kunstadt und Victoria Spivey betrieben Spivey Records. Horst Lippmann über Willie Dixon. Zit. bei Dixon/Snowden, 127. Zit. ebd.

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Programme der ersten AFBF wiesen vorwiegend Künstler aus dem Hause Chess auf. Sie wurden von Willie Dixon zusammengestellt. Er selbst war bis 1964 sowie 1970 als Bassist, Sänger und Gitarrist auf den Festivalbühnen zu erleben. Mit Dixon gehörte ein Weichensteller zum Organisationsteam, der sich über die Jahrzehnte hinweg ein elastisches Bluesverständnis bewahrt hatte. Besser als alle anderen erkannte er den immensen Spielraum des Genres. Er glaubte, dass diese Musik genug Pop-Appeal besäße, um sich immer wieder neu zu definieren und so den Bedürfnissen nachwachsender Generationen gerecht werden zu können.21 Den Beweis lieferte er mit etlichen Kompositionen, die Hitstatus erlangten. Die beachtliche Kette von Megasellern eröffnete Dixons Song »(I’m Your) Hoochie Coochie Man«. Er wurde am 7. Januar 1954 von Muddy Waters für Chess Records aufgenommen. Seine Flexibilität brachte Willie Dixon auch in die Architektur der AFBF ein. »Mitte der Fünfziger hatte Dixon ›Hoochie Coochie Man‹ benutzt, um zu zeigen, dass ein afroamerikanisches Publikum einen stärker poporientierten Sound als legitimen Blues akzeptieren würde«, strich der Historiker Benjamin Filene heraus. »Zehn Jahre später traf er eine ähnliche Aussage bei den AFBF, indem er demonstrierte, dass sich der Chicago-Sound unter weißen Anhängern des Blues-Revivals als eine authentische Roots Music durchsetzen könnte.«22 Willie Dixons Strategie wurde von Lippmann und Rau mit einer ideologischen Patina umhüllt. Sie fungierte als Lockmittel und Kommunikationsfolie, glich die künstlerischen Feinheiten und den Farbenreichtum der Veranstaltung aus und brach die Botschaft auf eine griffige Formel herunter. Anders als in zeitgemäßen Schlagworten wäre die Idee nicht effektiv zu vermitteln gewesen, hätte sie niemals eine größere Öffentlichkeit erreicht. Im Untertitel verhießen die AFBF »Eine Dokumentation des authentischen Blues«. Der Slogan spiegelte eine damals weit verbreitete Sehnsucht nach ›Ursprünglichkeit‹, er atmete den gleichen Geist wie das Folk-Revival, dessen jüngste Welle gerade aus den USA herüberschwappte. Im Weltbild dieser Bewegung rangierte der ›archaische‹ Blues als Symbol des ›wahren‹ Lebens, eines auf den Kern reduzierten Daseins, das noch nicht durch Technik und Kommerz korrumpiert war. Versatzstücke einer solchen Philosophie prägten die Inszenierung und Wahrnehmung der AFBF. Lippmann und Rau stellten ein Modell von ›Authentizität‹ zur Diskussion, das die herkömmliche Folkästhetik nur noch als eingeführtes Argument benutzte. Denn tatsächlich fußte ihr Festival auf dem Prinzip der stilistischen Vielfalt. Die Zuschauer bekamen solistischen Country Blues genauso dargeboten wie einen Ausflug in die ›klassische‹ Ära der

21 22

Vgl. Filene, 76–132. Ebd., 121.

     

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Vorkriegszeit, sie wurden vom Chicago-Sound zum Mitklatschen animiert und konnten Spurenelemente des Soul entdecken. Im Lichte dieses biegsamen Konzepts erschien der Blues per se authentisch, war er eine ›Roots Music‹, die immer neue Blüten aus altem Holz trieb. Allein die Hautfarbe der Künstler, mit der einschlägige soziale Erfahrungen assoziiert wurden, markierte den Grenzverlauf, sie galt als Kriterium der ›Echtheit‹. Bis zum Schluss ist kein einziger ›weißer‹ Musiker ins Rampenlicht der AFBF getreten. Gerade in der Etablierungsphase des Festivals koppelten Werbetexte und feuilletonistische Akklamation den Wert des Blues vom klanglichen Material ab. Joachim-Ernst Berendt fand für seinen Beitrag im 1963er Programmheft eine starke Metapher: »In jeder Kultur gibt es eine bestimmte Gruppe von Menschen, die – um den biblischen Ausdruck zu gebrauchen – das ›SALZ‹ der betreffenden Gesellschaft sind: nur in kleinster Dosis vorhanden und trotzdem den ›Geschmack‹ des Ganzen verändernd. Die Blues-Musiker sind das ›Salz‹ der amerikanischen – und vielleicht überhaupt der modernen westlichen – Gesellschaft. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass diese Gesellschaft sich dieses ihres ›Salzes‹ nicht bewusst ist. Der Blues-Musiker lebt im Untergrund – in einer Katakombenwelt; was dort hinuntersinkt, ist durch alles hindurchgesunken, was darüberliegt – und davon gesättigt. Deshalb gibt es in der Welt des Blues noch jene Identität zwischen dem Mann und seinem Leben, die es sonst nirgends mehr in unserer Gesellschaft gibt.«23 Während Joachim-Ernst Berendt im Blues eine »Kunst nackter Existenz«24 sah, entdeckte Horst Lippmann »schlichte, echte Menschlichkeit«. »Troubadoure« wie Sonny Boy Williamson oder Memphis Slim »gehören in den Konzertsaal«, weil sie zu den »großen Persönlichkeiten der wichtigsten, lebendigen Volkskunst« zählen, »die in unserer Zeit entstanden ist«. Lippmann porträtierte die Musiker als moderne Schamanen. »Kraft angeborener künstlerischer Potenz« sängen sie »von menschlichen Nöten und Schwächen des Alltags«, um »sich und uns« davon »zu befreien«.25 Der Eroberung neuen Territoriums haftete ein didaktischer Impetus an. Fritz Rau erinnerte sich: »Wir wollten den Blues als Volksmusik einer unterprivilegierten schwarzen Minderheit präsentieren. Daher das ›Folk‹ im Titel. Der Zuhörer sollte die unterschiedlichen Traditionen kennen lernen: Country Blues, Delta Blues, City Blues, Chicago, West Coast, Texas usw. Das war schon ein bisschen

23 24 25

Berendt: About the Blues. Berendt: twen präsentiert: American Folk Blues Festival, 55. Alle Zitate: Lippmann: Sehr verehrter Konzertbesucher!

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Volkshochschule. Wir haben unser Anliegen in der Moderation und in den Programmheften mit deutscher Gründlichkeit erläutert und vermittelt. Rührend!«26 Im besten Sinne raumgreifend war das Erscheinungsbild der AFBF. Horst Lippmann wusste, dass Neugier ein visuelles Versprechen voraussetzte. Deshalb legte er größten Wert auf eine ansprechende Optik. »Von Anfang an«, schon seit den frühen Tagen als Jazzveranstalter, nutzte er »künstlerisch gestaltete Plakate, die den Gehalt der Musik reflektieren sollen«.27 In Günther Kieser fand Lippmann den perfekten Partner. Der drei Jahre jüngere Graphikdesigner lotete den Sinn des Blues Tourneeplakat von Günther Kieser auf subtile Weise aus. Seine Kunst war aufwändig und komplex, sie verriet den tiefen Blick und wirkte doch nie konstruiert. Wie ein Resonanzboden nahm sie die emotionalen Schwingungen des Klangs auf und verlängerte sie ins Bildliche. Oder, aus einer anderen Perspektive betrachtet: »Für uns ist das Plakat nicht ein Werbemittel, sondern ein ›prelude to a kiss‹«, so Fritz Rau. »Unsere Konzerte beginnen mit Günther-Kieser-Plakaten.«28 Kieser wählte den Korpus einer Naturgitarre, den er von Jahr zu Jahr aufs Neue mit Assoziationen füllte, als Leitmotiv.29 Er wurde zum Logo der AFBF. Um »unübersehbar zu sein«, druckte man die Ankündigungen im Format DIN A0. »Das war mehr, als alles andere auf der Litfaßsäule«, erklärte Günther Kieser. »DIN-A1-Plakate waren die Norm. Wir fragten uns, was kann man machen, um den Leuten zu sagen: Das ist was Besonderes.« Lippmann und Rau wollten einer noch nicht vom Mainstream verschluckten Zielgruppe signalisieren: »Du musst

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Blues before Sunrise, 400. Horst Lippmann [autobiographische Skizze]. The Prelude, 34. Ein Großteil der AFBF-Plakate ist abgebildet in: Museum für Kunsthandwerk.

     

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das unbedingt hören. Wenn du darauf verzichtest, dann versäumst du etwas ganz Entscheidendes.«30 Kiesers Arbeit war von Emphase durchzogen. Sie stellte den Blues tatsächlich als »existentielle Kunst«31 dar, operierte mit Bildern des Leids, aber auch des Widerstands. Schon frühzeitig mischte sich ein dezidiert politischer Ton in die Botschaft. Anders als in seinem Heimatland war der Blues nicht länger eine Form von Unterhaltung, die zusehends antiquierte Züge trug, sondern auch ein klares, hochaktuelles Statement. Die Festivalveranstalter hörten in dieser Musik den Aufschrei des diskriminierten Afroamerikaners und schlossen sie mit der Bürgerrechtsbewegung kurz. Der Blues wurde zum Protest stilisiert. Poster und opulent ausgestattete Programmhefte thematisierten die Unterjochung der ›Farbigen‹ und ihre miserablen Lebensbedingungen in Wort und Bild. Grobkörnige Fotos und Collagen zeigten knüppelnde Polizisten, Zuchthäuser, eine schwarze Taube hinter Gittern, von einem Heiligenschein umflort, Baumwollfelder, die deprimierende Öde der Slums und Symbole der Hoffnung, wie etwa das Konterfei von Martin Luther King. Das 1965er AFBF hob den Gitarristen und Sänger J. B. Lenoir als besondere Entdeckung hervor. Der 36-jährige Musiker, der mit Songs wie dem »Eisenhower Blues« oder »Vietnam« den Finger in die Wunde legte, wurde als mahnende Stimme einer neuen Generation gepriesen. Sein »Alabama Blues« war das Eröffnungsstück des Abends.32 »I never will go back to Alabama, that is not the place for me. You know they killed my sister and my brother, and the whole world let them peoples go down there free«, klagte J. B. Lenoir den Rassismus der amerikanischen Südstaaten an. »You got my people behind a barbed wire fence, now you tryin’ to take my freedom away from me.«33 Einen kritischen Blick in Richtung USA warf auch das Festival von 1966. Das Frontispiz des Programmheftes zeigte ›weiße‹ Biedermänner vor der amerikanischen Flagge und veröffentlichte nebenstehend eine unkommentierte Statistik. Sie fragte »How White Views of the Negro Have Changed«. Das Ergebnis war niederschmetternd: Zwischen 1963 und 1966, dem Erhebungszeitraum, hatte sich kaum etwas an der durchweg negativen Einstellung geändert.34

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Zit. bei Schwab: Auf der heißesten Volkshochschule der Welt, 137 und 388. Berendt: twen präsentiert: American Folk Blues Festival, 55. Auch die Fernsehproduktion begann mit diesem Song. Sie blendete die deutsche Übersetzung der Lyrics ein. Vgl. Berendt: 4. American Folk Blues Festival 1965, 1. Der Songtext wurde, allerdings fehlerhaft, im Programmheft abgedruckt und mit einem ganzseitigen Foto illustriert. Auf ihm waren drei ›weiße‹ Polizisten zu sehen, die einen ›Schwarzen‹ zu Boden rangen. Vgl. American Folk Blues Festival 65 [Programmheft]. Vgl. American Folk Blues Festival ’66 [Programmheft].

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Suggestive Bilder lieferte auch das Fernsehen. Bis 1966 taktete der SWF die AFBF in Joachim-Ernst Berendts Reihe »Jazz – gehört und gesehen« ein.35 Die Shows wurden entweder im Studio inszeniert oder live gefilmt. Horst Lippmann war für die Regie verantwortlich,36 Berendt übernahm die Produktion, synchronisierte aus dem Off und sprach ein paar einführende Worte. Der Rest der Dreiviertelstunde gehörte den Musikern. Sie sagten sich gegenseitig an, »in einer kettenartigen Folge, die während der ganzen Sendung an keiner Stelle unterbrochen werden sollte und dem ganzen Programm Zusammenhalt gibt. Schnitte oder Umbauten müssen – wo sie erforderlich sind – so weit kaschiert werden, dass dieses ›Weiterreichen‹ von Solist zu Solist an keiner Stelle unglaubwürdig erscheint.«37 Durchgestylt waren auch die Kulissen. Sie holten den Zuschauer nach Amerika, in den urbanen Dschungel mit seinen Leuchtreklamen, Straßenkreuzern und Telegraphenmasten, sie luden auf die Veranda eines Südstaatenhauses ein, wo die Zeit stillzustehen schien, oder ahmten die After-Hours-Atmosphäre einer ›schwarzen‹ Kneipe nach. Joachim-Ernst Berendt begrüßte das Publikum der TVPremiere »vor Onkel Toms Hütte«,38 wie es die Regieanweisung formulierte. Für die Aufzeichnung des 1962er Jahrgangs engagierte man in Zivil gekleidete GIs und ihre ebenfalls dunkelhäutigen Partnerinnen. Sie lauschten einer »Jam-Session im Super-Club«,39 wippten mit den Köpfen, klatschten und sprangen schließlich von den Stühlen. Die Sequenz hatte etwas Prophetisches: Dynamische, junge Paare wurden vom guten, alten City Blues gepackt, den sechs betagte Herren und die 1913 geborene Sängerin Helen Humes für sie spielten. Doch die Tänzer bewegten sich nicht nach gestriger Manier, sondern gingen zum modischen Twist in die Knie.40

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Ab 1967 zeichneten neben dem SWF verschiedene andere Sendeanstalten das AFBF auf, darunter der WDR. Horst Lippmann war seit 1959 für die SWF-Serie »Jazz – gehört und gesehen« als Regisseur tätig. Für die AFBF warb er außerdem regelmäßig in der Radiosendung »Jazz Club«. Vgl. stellvertretend die Specials von 1962 und 1965. Lippmann: Der Jazz Club, Manuskript für die Sendung am 27.09.1962 sowie Lippmann: Der Jazz Club, Manuskript für die Sendung am 21.10.1965. Südwestfunk, 1. Ebd., 2. Ebd., 8. Vgl. den Track »The Blues Ain’t Nothin’ But a Woman« auf der DVD »The American Folk Blues Festival 1962–1969«, Volume Three, Reelin’ in the Years Productions, L. L. C., 0602498628980, USA 2004.

     

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               Die Beiträge für die Serie »Jazz – gehört und gesehen« wurden in den SWFStudios von Baden-Baden produziert. Hier bezogen die Musiker nach ihrer transatlantischen Anreise für knapp eine Woche Quartier. Sie wurden in Programmdetails eingewiesen, probten ihren Part und standen vor den Fernsehkameras, ehe sie das erste reguläre Konzert der Tournee im Großen Kursaal gaben. Die beschauliche Stadt im Südwesten Deutschlands war der ideale Ort, um sich zu akklimatisieren. Der Tross von Lippmann und Rau und langjährige Freunde wie Lore und Günter Boas oder die Photographin Stephanie Wiesand kümmerten sich um das Wohl der Künstler und sorgten für eine familiäre Atmosphäre. Die meisten von ihnen waren zum ersten Mal in Europa, sahen sich mit einer völlig neuen Welt konfrontiert. Daheim wurden sie wie Bürger zweiter Klasse behandelt, und auch ihre Musik galt nicht mehr viel. Sie sank langsam, aber sicher zu einem Anachronismus herab. Jüngere Afroamerikaner wussten ihr Lebensgefühl viel besser von Soul und R & B widergespiegelt. Und ein größeres ›weißes‹ Bluespublikum, das über den eingeschworenen Kreis von Studenten und Intellektuellen hinausreichte, gab es in den USA noch nicht. Als die Crew des ersten AFBF auf dem Flughafen Frankfurt am Main landete, wurde sie mit allen Ehren und einem Ständchen empfangen. Horst Lippmann hatte eine Sondergenehmigung für die Benno Walldorf Blues Combo41 erwirkt, die auf dem Rollfeld wartete und die amerikanischen Kollegen begrüßte. Noch Jahrzehnte später schwärmten die Gäste von jener Welle der Begeisterung, die ihnen entgegenbrandete. John Lee Hooker erlebte seine Auftritte als Offenbarung: »Mannomann, es war als ob der Präsident oder Jesus reinkäme.«42 Joachim-Ernst Berendt erinnerte sich an »ihr ungläubiges Staunen«, wenn die Musiker »die modernen Konzerthallen und die ehrwürdigen Philharmonien der großen europäischen Städte betraten und ein Publikum vor sich sahen, das zu Tausenden zählte«. Schließlich seien viele »ihr Leben lang nur in den Kaschemmen des Südens und dunklen, zwielichtigen Ghetto-Kneipen«43 unterwegs gewesen. Der Chicagoer Mundharmonikaspieler Carey Bell erzählte vor laufenden Kameras, dass er zu Hause bei einer abendfüllenden Session zehn bis 15 Dollar verdiene. 44 Die von

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Die Combo war 1956 gegründet worden und besaß ab ca. 1960 einen ›echten‹ afroamerikanischen Sänger, den in Wiesbaden stationierten Reverend James W. Parks. Murray, 313. Berendt: American Folk Blues Festivals 1962–1972 und 1980, 3. Vgl. das Kapitel »American Folk Blues Festival 1969« der DVD »The Famous Lippmann + Rau Festivals 1965–69«, Volume 3: »Legends of the American Folk Blues Festivals«, Tropical Music 68.364, BRD 2008.

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Lippmann und Rau gezahlten Gagen wirkten dagegen generös. Verglichen mit den in Europa üblichen Preisen der Sparten »populärer Jazz« oder gar »Entertainment« waren sie jedoch äußerst moderat. Andernfalls hätten die AFBF nie stattgefunden. Der gern zitierte »Idealismus«45 und »selbstlose Einsatz«46 der Agentur, der finanzielle Aufopferung meint, ist eine blanke Fiktion.47 Sicherlich gingen Lippmann und Rau weiter als alle anderen, waren sie von einer Idee Benno Walldorf (rechts) empfängt die Teilnehmer des American Folk Blues Festivals 1962 auf dem Frankfurter beseelt. Doch letztlich musste ihr Unternehmen Rhein-Main-Flughafen wirtschaftlich funktionieren. Die kaufmännische Rentabilität besaß oberste Priorität, ihr waren sämtliche künstlerischen Aspekte und Imagefragen nachgeordnet. Oder anders, zugespitzt formuliert: Der kommerzielle Kern wurde von einem passgerechten Design ummantelt. Die Konzertreihe verkörperte von Anbeginn ein cleveres und weit blickendes Geschäftsmodell. Ihre Folkästhetik, die auf Ursprünglichkeit und Schlichtheit rekurrierte, war nicht allein pures Marketing. Sie folgte auch ökonomischen Zwängen. Dass Lippmann und Rau kaum Scheuklappen kannten, bewies Jahr für Jahr das künstlerisch breit gefächerte Line-up. Die beiden Impresarios waren vermutlich viel offener und flexibler, als ihre Kritiker glauben ließen. Selbst die aufstrebenden Stars des Blues, die als modern und ›cool‹ galten, weil sie Soul und R & B absorbierten, hätten – entsprechend verpackt – problemlos ins Konzept gepasst. 45 46 47

Vgl. stellvertretend Schwab: Auf der heißesten Volkshochschule der Welt, 138. Köhler. Schon Zeitgenossen widersprachen der Legende des Altruismus: »Was hier als Hilfsaktion hochgespielt wird, ist nichts als normaler, auf Gewinn bedachter Geschäftsbetrieb.« Macht der Jazz uns doch frei?

     

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Verträge scheiterten am Budget, nicht an Ressentiments. »Schon damals eine Nummer zu groß war B. B. King«, gestand Fritz Rau im Nachhinein. »Den konnten wir nicht ins Festival einbauen, sondern haben ihn 1968 auf eine eigene Tournee geschickt.«48 Die elf Musiker des AFBF von 1964 erhielten für die vierwöchige Konzertreise laut Joachim-Ernst Berendt eine Gesamtgage von rund 70.000 DM.49 Etwa zeitgleich wurde Horst Lippmann ein Engagement des Jazzstars Sarah Vaughan offeriert. Die Sängerin verlangte eine Nettosumme von 3500 USDollar für ein Doppelkonzert, 5000 $ für einen Fernsehauftritt.50 Jimmy Rushing, der für das 1963er Festival angeboten wurde, lehnten Lippmann und Rau ab, weil ihnen das Wochenhonorar von 750 $ zu hoch erschien. Die Schmerzgrenze läge bei 500 $.51 »Lippmann und ich hatten messerscharf kalkuliert«, verriet Fritz Rau. »Wir haben die Leute anständig bezahlt, aber gemessen an den Gagen, die später üblich wurden, war die Produktion des Festivals verhältnismäßig preiswert. Unter den Bluessängern gab es tatsächlich welche, die am Rande des Existenzminimums lebten. Jeder Hundert-Dollar-Schein war in der ökonomischen Wüste der South Side von Chicago ein Segen. Dadurch blieb das wirtschaftliche Risiko überschaubar. John Lee Hooker spielte damals für einen Bruchteil von dem, was er später bekam.« Die Frühphase der AFBF funktionierte nach dem Win-win-Prinzip. »Unterm Strich waren wir in der Lage, das Paket an die europäischen Veranstalter zu Konditionen weiterzugeben, die ihnen Konzerte in Sälen mit achthundert oder tausend Plätzen erlaubten. Das hat sich nachher aber geändert.«52 In den Augen ihrer Klienten waren Lippmann und Rau faire Geschäftspartner. Sie zahlten nicht nur gut, sondern behandelten die Musiker auch mit großem Respekt. Zu Hause, in den USA, herrschten oftmals ganz andere Sitten. Horst Lippmann, der Mitte der sechziger Jahre mit Chess Records einen Rechtsstreit bezüglich der Vermarktung von Sonny Boy Williamson auszufechten hatte, bezichtigte die Brüder Leonard und Phil Chess der schamlosen Ausbeutung und »einer neuen Art von Sklaverei«. Sie

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Blues before Sunrise, 401. Vgl.: Macht der Jazz uns doch frei? Die Honorare waren nach dem ›Marktwert‹ der Künstler gestaffelt. »Der schlechtestbezahlte Musiker des Blues-Festivals hat immerhin 3800 Mark pro Monat verdient«, so Berendt. Ebd. Vgl. Green. Die hier und im Folgenden zitierten absoluten Zahlen können lediglich Dimensionen und Trends andeuten. Eine genauere Interpretation setzt die Kenntnis weiterer Faktoren voraus: Eintrittspreise, Nebenkosten, Steuersätze, Provisionen, Abgaben an Verwertungsgesellschaften etc. Zu bedenken ist auch der damals hohe Außenwert des U$. Der Umtauschkurs Dollar in DM lag seinerzeit bei etwa 1:4. Vgl. Lippmann: Depesche vom 20.12.1962. Alle Zitate: Blues before Sunrise, 397 und 398.

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hätten viel für den Blues getan, mehr aber noch fürs eigene Portemonnaie.53 Dass er dieser mit so harten Bandagen arbeitenden Firma die Stirn bot, »löste wirklich einen gewaltigen Sturm unter ihren Blueskünstlern aus«54 und brachte dem Deutschen zusätzliche Achtung ein. Er kommentierte lakonisch, seine »Erfahrungen mit der Gestapo« hätten ihn gestählt, und Chess wäre die kleinere Herausforderung gewesen.55 Lippmann half auch Willie Dixon, seine Autorenrechte besser zu schützen und somit für einen angemessenen Tantiemenfluss zu sorgen.56 Zum reibungsarmen Start der AFBF trugen neben zugkräftigen Medien potente Werbepartner und Sponsoren bei. Allein die Programmhefte 1963/64 druckten Anzeigen von zwei Dutzend Wirtschaftsunternehmen, darunter die Fluggesellschaften Air-India und Lufthansa, Major-Labels wie CBS oder Philips, die Instrumentenhersteller Hohner und Sonor, HiFi-Ausstatter Braun und SABA sowie die Zigarrettenmarke Roth-Händle und Coca-Cola.57 Finanzielle Unterstützung und zusätzliche Publicity garantierten Mitschnitte der AFBF und Porträt-LPs beteiligter Künstler. Mit Ausnahme von 1968 wurden alle Festivals auf Vinyl verewigt. Das AFBF 1962 erschien bei Brunswick, die Jahrgänge 1963 bis 1967 brachte Fontana heraus.58 Dann stiegen Lippmann und Rau selbst ins Plattengeschäft ein. Sie veröffentlichten die Events auf ihrem eigenen Scout-Label,59 später, ab 1979, unter L+R Records. Gerade in der Anfangszeit, als der Bluesmarkt noch überschaubar war, ernteten die Sampler große Aufmerksamkeit und wohlwollende Kritik. Die 1962er Kompilation lag in einem vom »Jazz Podium« abgedruckten Experten-Poll deutlich vorn60 und gewann, wie dann auch die Long Player von 1963 und 1964, den »Deutschen Jazz-Plattenpreis« der Kategorie »Folklore«.61

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Zit. bei Dixon/Snowden, 202 und 203. Lippmann: Brief an Jimmy Dawkins, 14.10.1981, 1. Zit. bei Dixon/Snowden, 203. Später behauptete Lippmann sogar, er wüsste von Willie Dixon, dass die Chess-Brüder einen »Mann angeheuert hatten, der mich töten sollte« – nur weil er sich vehement für die Rechte von Williamson einsetzte. Lippmann: Brief an Jimmy Dawkins, 14.10.1981, 1. Vgl. Dixon/Snowden, 166. Für das AFBF von 1962 wurde kein Programmheft gedruckt, sondern nur ein Faltblatt. Die Tournee ist durch die Jugendzeitschrift »twen« ausgiebig angekündigt worden. Sublabels der Deutschen Grammophon Gesellschaft bzw. von Philips. Das AFBF von 1969 war die erste Festivalproduktion für Scout. Vgl.: American Folk Blues Festival Platte in Front. Vgl.: Der Deutsche Jazz-Plattenpreis sowie: Der deutsche Plattenpreis 1965. Die LP von 1962 wurde nachträglich und gemeinsam mit dem Sampler von 1963 ausgezeichnet.

     

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Wie essenziell gut funktionierende und strapazierfähige Medienkontakte für die AFBF waren, zeigte schon die Geburt der Reihe. Das 1962er Debüt wurde von zwei Präsentatoren begleitet: der DJF und dem Jugendmagazin »twen«. Horst Lippmann und Fritz Rau arbeiteten als Konzertreferenten für die DJF und konnten sich auf ein organisch gewachsenes Netzwerk stützen. Dass sie dennoch nicht das »Jazz Podium«, gewissermaßen das Zentralorgan der Föderation, zum Sprachrohr wählten, sondern lediglich als parallelen Multiplikator nutzten, war ein klu- Big Mama Thornton und J. B. Lenoir, Badenger Schachzug. Offenbar sollten Baden, 1965 größere Kreise gezogen und die hermetischen Zielgruppengrenzen orthodoxer Jazzzirkel durchbrochen werden. Denn »twen« richtete sich als Lifestyle-Journal an eine junge, aufgeschlossene Generation. Es diskutierte über Mode, Musik und Freizeit, Sexualität, Kultur und Politik, plädierte für Hedonismus und antiautoritäre Selbstbestimmung und überzeugte durch ein zukunftsweisendes Layout. Das Blatt ragte aus der damaligen Presselandschaft heraus – »twen war so etwas völlig anderes, so etwas völlig Neues«,62 ein »Identifikation stiftendes Medium«.63 Derart platziert, wirkte der Blues plötzlich weitaus zeitgemäßer und attraktiver als in den angestammten Postillen der Jazzfraktion. Außerdem war »twen« auflagenstärker, erreichte unbekanntes Terrain.64 Und in der Tat: Die Idee der Landnahme ging auf. Das Festival traf »mitten ins Herz einer neuen Jugendkultur«,65 die den Blues als adäquaten Soundtrack entdeckte. Per ganzseitigem Artikel kündigte »twen« im September 1962 »die erste Blues-Dokumentation der Welt mit den besten authentischen Blues-Sängern Amerikas« an. Joachim-Ernst Berendt, Jazzredakteur und »twen-Mitarbeiter der

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Till. Koetzle: twen, Klappentext. Pro Ausgabe wurden etwa 100.000 Exemplare gedruckt. Vgl. Koetzle: Die Zeitschrift twen, 35. Fritz Rau, zit. bei Brigl/Schmidt-Joos, 128.

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ersten Stunde«,66 weckte Neugier, als er behauptete, man dürfte »Vitalität und Ausdrucksstärke im Überfluss erwarten«. Der Blues, so erklärte er den potenziellen Ticketkäufern, wäre »das einzige Volkslied unserer Zeit«, das nicht vom »Bruch« zwischen Tradition und Popularität betroffen sei. Er »ist so lebendig und aktuell wie der neueste Tagesschlager«. Das AFBF böte die einmalige Chance, sich von dieser magischen Kraft zu überzeugen. Berendt schloss mit einem Appell: »Versäumen Sie es nicht!«67 In der nächsten Ausgabe von »twen« vertiefte der rührige Propagandist seine Bluesphilosophie und porträtierte die annoncierten Künstler.68 Außerdem stellte er für die »Philips-twen-Plattenreihe« eine LP zusammen.69 Vorschusslorbeeren verteilte auch die DJF. Sie feierte das AFBF als »interessanteste Tournee der bevorstehenden Konzertsaison 1962/63«.70 Tatsächlich geriet das Experiment zum fulminanten Erfolg. Nicht nur die Presse rühmte ein »abenteuerliches wie faszinierendes Unternehmen«71 – auch das Publikum war begeistert. Lippmann und Rau hatten »mittelgroße Säle« mit einer Kapazität von bis zu zweitausend Zuschauern gebucht und füllten sie bis auf den letzten Platz.72 Das erste AFBF fand vom 4. bis 21. Oktober 1962 statt, es begann in Baden-Baden und endete in Manchester. Neun bundesdeutsche Städte standen auf dem Plan, außerdem Stationen in Österreich, der Schweiz, Frankreich und Großbritannien. Zwar lag Blues schon ›in der Luft‹, weil ihn die alte Garde von Jazzfans protegierte und er am Folk-Revival partizipierte, doch die Dimensionen blieben überschaubar. Er erreichte lediglich eine verlesene Schar von Insidern, führte ein Nischendasein. Mit den AFBF wurde der Quantensprung vollzogen.73 Nun reisten nicht mehr einzelne Solisten und angemietete Bands durch die Clubs, sondern wurde diese Musik ›im Paket‹ präsentiert. Das war ein ausgesprochenes Novum. Zu Recht kündeten die Schlagzeilen vom »ersten Blues-Festival der Welt«.74

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Koetzle: twen, 317. Alle Zitate: Berendt: twen präsentiert: American Folk Blues Festival 1962. Vgl. Berendt: twen präsentiert: American Folk Blues Festival. Vgl. ebd., 86. Die Schallplattenserie wurde von der Redaktion zusammengestellt und gestaltet, für die technische Realisierung war Philips zuständig. Man konnte die LPs nur über »twen« beziehen, zum Stückpreis von 17 DM. Vgl. Joppig, 142. Lippmann/Berendt/Schmidt-Joos, 181. Burkhardt: »Öffnet die Ohren, der Blues zieht übers Land«. Fritz Rau, zit. bei Brigl/Schmidt-Joos, 133. Paul Oliver argumentiert, dass Lippmann und Rau mit ihren AFBF gegen einen Trend steuerten: Nach einer ersten Welle von Auftritten afroamerikanischer Bluesmusiker in Europa setzte Ende der fünfziger Jahre eine gewisse Stagnation ein. Vgl. Oliver: »Early Morning Blues«, 30–31. Erstes Blues-Festival der Welt.

     

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Zur 1962er Besetzung gehörten Helen Humes, John Lee Hooker, Memphis Slim, Willie Dixon, Jump Jackson, Sonny Terry & Brownie McGhee, Shakey Jake und T-Bone Walker – Künstler, die bislang nur eine kleine Loge von Erleuchteten kannte.75 Ihr Programm war nach Art einer Revue konzipiert und durchlief eine dramaturgische Steigerung. Es lösten sich Solisten, Duos und variable Formationen ab, die jeweils eine Hand voll Songs spielten. Musiker führten unterschiedliche Rollen aus: Sie standen während des eigenen Sets im Spotlight und begleiteten ihre Kollegen als Instrumentalisten. Zum Schluss des Konzerts gab es eine mitreißende Session. Dieses Schema wurde über die Jahre hinweg beibehalten. Auch der Anspruch, mit jedem Festival eine geschlossene und »grundlegende Einführung in die Welt des Folk Blues und alle Bereiche des lebendigen Blues«76 zu bieten, blieb gültig. Werbewirksam wurden ›Wiederentdeckungen‹ und verschollen geglaubte ›Legenden‹ angekündigt, darunter Big Joe Williams, Victoria Spivey, John Henry Barbee, Mississippi Fred McDowell, Lightnin’ Hopkins, Doctor Ross, Bukka White, Son House und Skip James. Mitte der sechziger Jahre zeigten sich erste Krisensymptome. In gewisser Weise kam der Erfolg des Aufbruchs als Bumerang zurück. Lippmann und Rau hatten große Erwartungen geschürt, die Hoffnung auf ein Schneller-höher-weiter, die sie weder erfüllen wollten noch konnten. Sie hielten am Leitmotiv fest und ›dokumentierten‹ den Blues als ›authentische Volksmusik‹ der Afroamerikaner. »Das ist nun einmal nicht zu ändern: Eine Idee nutzt sich ab«, urteilte Dieter Zimmerle, Chefredakteur des »Jazz Podiums«, 1964. Man sei »auf dem Weg, verwöhnt zu werden und als selbstverständlich zu empfinden, was zuvor noch außergewöhnlich war. Und so konnte es geschehen, dass Bluesfreunde, die nun bereits zum dritten Mal ›ihrem‹ Festival beiwohnten, die Nase über dieses und jenes zu rümpfen begannen und hie und da ein Haar in der Bluessuppe entdeckten.«77 Der Hamburger Journalist Werner Burkhardt, der das AFBF von Anfang an fachkundig und engagiert begleitet hatte, streute schon 1962 dezente Kritik in seine Rezension. Er bezweifelte die Angemessenheit des hochkulturellen Aufführungsrahmens. Die Musiker kämen »unmittelbar aus der Vorstadtkneipe oder dem Nachtklub« und stünden nun auf der Bühne eines Konzertsaals. »Man gönnt es ihnen von Herzen, aber man hat das Gefühl, sie wissen selbst nicht recht, wie ihnen geschieht.«78 Vier Jahre später fand Burkhardt das Festival gar »zum Gähnen«. Er fragte: »Ist man des primitiven Tons ein wenig satt?« Die Antwort lag auf der 75 76 77 78

Als zusätzlichen Begleitpianisten hatte man den kroatischen Jazzmusiker Davor Kajfeš engagiert. Er wurde in der Werbung nicht gesondert erwähnt. Lippmann: Sehr verehrter Konzertbesucher! Zimmerle: American Folk Blues Festival 1964, 299. Burkhardt: »Öffnet die Ohren, der Blues zieht übers Land«.

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Hand. »Schnell verflüchtigt sich der Zauber des nur Archaischen.« Und so stoße der alte Leitgedanke bloß noch auf »mäßige Gegenliebe«.79 Ähnliche Bedenken äußerte Werner Burkhardt auch bei der Fernsehaufzeichnung des AFBF von 1968. Er traf Fritz Rau im WDR-Studio, um mit ihm den Status quo zu diskutieren. Die beiden waren von Siegfried Schmidt-Joos eingeladen worden. Der namhafte Publizist gehörte seit jeher zu den Förderern und Inspiratoren des Festivals, sein Wirkungsfeld schloss die Printmedien genauso ein wie Rundfunk und TV. Er produzierte und moderierte zahlreiche Specials, schrieb profunde Beiträge für Programmhefte und Plattenhüllen. Nun saß er mit Fritz Rau und Werner Burkhardt vor der Kamera und stellte bohrende Fragen. Siegfried Schmidt-Joos verwies auf die wachsende Zahl von »Kritikerstimmen, die davon sprechen, dass das Produktionsschema dieser Tournee, die Dokumentation, verbraucht sei«. Sein Kollege Werner Burkhardt sekundierte: »Das nun wirklich brisant Neue vermisse ich ein wenig auf diesem Festival.« Auch fehle eine klare politische Haltung, »die großen sozialen Probleme« blieben »fast unerwähnt«. Fritz Rau verteidigte das Konzept der AFBF und meinte, die Veranstaltungsreihe sei stilistisch eindeutig definiert. Wer Soul oder ›weißen Blues‹ hören möchte, solle zu den entsprechenden Konzerten gehen, die seine Agentur ja auch in Fülle anböte. Man wolle die ursprüngliche Festivalidee nicht durch Beliebigkeit verwässern oder »umfunktionieren«, sondern weiterhin »die alten und jungen Meister« des Genres präsentieren.80 Die Fernsehproduktion von 1968 führte vor Augen, dass sich sowohl das Publikum wie auch das mediale Bild des Blues geändert hatte. Nachdem die AFBF nicht mehr in Joachim-Ernst Berendts Serie »Jazz – gehört und gesehen« eingebunden waren und der WDR die Aufzeichnung übernommen hatte, wich die Aura des Musealen. Die Mitschnitte wurden als Happenings inszeniert, sie beförderten den Zuschauer zum Teil des Geschehens. Man war vom Konzertsaal in den Club umgezogen, wo eine legere Stimmung herrschte. Statt der ›Authentizität‹ verströmenden Dekoration von Günther Kieser kamen modische Kameraeffekte zum Einsatz. Siegfried Schmidt-Joos, der das AFBF in seiner Fernsehreihe »Swing-in« untergebracht hatte, war um Distanzabbau bemüht. Den Blues stellte er als integralen Bestandteil der Popkultur vor. Schmidt-Joos zeigte sich offen und kommunikativ, er scherzte mit den Musikern, wippte im Takt. Koko Taylor kündigte er als »Soulsängerin« an. Die Frau mit der gewaltigen Stimme griff zum Mikrophon

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Alle Zitate: Burkhardt: Zum Gähnen etwas Blues. Alle Zitate: Kapitel »American Folk Blues Festival 1968« der DVD »The Famous Lippmann + Rau Festivals 1965–69«, Volume 3: »Legends of the American Folk Blues Festivals«, Tropical Music 68.364, BRD 2008.

     

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– und sang einen waschechten Blues.81 In den Pausen wurden die Zuhörer befragt. »Was fasziniert Sie an dieser Musik?« Ein junger Mann: »Es ist Musik, die praktisch jeden Menschen sich selber ausdrücken lässt.«82 Noch deutlicher wurde der Generationswechsel 1969, im Jahr von Woodstock. Der SWF hatte in Kooperation mit dem Schweizer Fernsehen stimmungsvolle Bilder eingefangen und sie der Hippie-Ästhetik angepasst. Das Publikum setzte sich nicht mehr aus steifen Anzugträgern zusammen, sondern wurde von alternativ gekleideten Freaks dominiert. Wie bei den regulären Konzerten,83 tauchten »fast nur noch Teenager« auf, welche den Sound »von John Mayall und anderen weißen Sängern mit Begeisterung gehört haben und die nun einfach von dem Wort Blues angezogen werden«.84 Auf dem Bildschirm waren lange Haare, Bärte und extravagante Brillen zu sehen, Lederjacken, Parkas, Ponchos, Halstücher und FlowerPower-Hüte. Ein Paar umarmte sich innig, die Glut wurde von Zigarette zu Zigarette weitergereicht. Diesmal führte Chris Strachwitz durch das Programm. Stärker als Joachim-Ernst Berendt und Siegfried Schmidt-Joos, die ein tadelloses Schlips-und-Kragen-Image sowie einen intellektuellen Sprachduktus pflegten, vermittelte er ein Gefühl von Bodenständigkeit. Seine Ansagen waren flüssiger, sie wirkten unangestrengt und trotzdem sachkundig. Chris Strachwitz wusste genau, wovon er sprach. Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg war der gebürtige Niederschlesier, damals 16 Jahre alt, in die USA gezogen. 1960 gründete er in Kalifornien das bedeutende Blues- und Roots-Music-Label Arhoolie Records. Dem AFBF und seinen Organisatoren war er eng verbunden, er stand ihnen beratend und vermittelnd zur Seite. Strachwitz stellte das 1969er Line-up zusammen und brachte es dem Fernsehpublikum nahe.85 Die Sendung war eine äußerst gelungene Kreuzung aus Konzert und Roadmovie. Chris Strachwitz führte die Künstler mit kleinen Geschichten ein und interviewte sie im Tourbus. Der Zuschauer durfte einen Blick hinter die Kulissen werfen. Er sah die Musiker backstage, im Hotel und auf dem Flughafen, wie sie Witze rissen, rauchten und tranken, ihre Instrumente warm spielten. Die Kamera zoomte auf eine Hand, die schwungvoll Autogramme gab, sie beobachtete den Pianisten Alex

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Vgl.: Kapitel »American Folk Blues Festival 1967«, ebd. Kapitel »American Folk Blues Festival 1968«, ebd. Aufschlussreich ist ein Bericht über B. B. Kings erste Deutschlandtournee, im Januar 1968 von Lippmann + Rau veranstaltet. Der Rezensent beobachtete während des Konzerts in Karlsruhe eine Gruppe von Jugendlichen, die besonders lange Beifall klatschten: »Die Jungen sahen aus, als hörten sie sonst eher Hippie-Songs als Blues.« Miller: King ist King. Strachwitz: Mit dem American Folk Blues Festival in Europa, 403. Außerdem begleitete er die Tournee als Roadmanager.

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Moore beim Schreiben einer Ansichtskarte – Analphabeten waren das nicht. Carey Bell klappte seinen Mundharmonikakoffer auf, in dem neben all den Instrumenten ganz selbstverständlich eine Flasche schottischer Whisky lag, Earl Hooker traktierte seine Gitarre mit den Zähnen. Der Blues war auch visuell im Reich des Pop angekommen. Ungeachtet der attraktiven Fernsehbilder kämpfte das AFBF Ende der sechziger Jahre mit Verschleißerscheinungen. Lippmann und Rau sahen sich in einer schwierigen Situation. Zum einen war der ›volkshochschulhafte‹ Gestus ausgereizt, die Idee der Zeitreise, die jedes Mal stoisch vom Country zum City Blues führte. Und auch die nostalgische Suche nach dem ›verklingenden Ton‹ wirkte mehr und mehr penetrant. Joachim-Ernst Berendt resümierte 1966 eine halbe Festivaldekade und gab zu bedenken: »Der Slogan, dieser oder jener Blues-Mann sei ›der letzte große Vertreter‹ dieser oder jener Blues-Richtung, hat sich in diesen fünf Jahren totgelaufen. Neulich schrieb ein amerikanischer Kritiker, er wirke lächerlich. Es leben heute mehr hervorragende Blues-Musiker, als je gestorben sind. Wer Blues nur genießen kann, indem er glaubt, er wohne den letzten Zuckungen einer sterbenden Kunst bei, ist Masochist aus romantischem Trübsinn.«86 Sarkastische Worte fand Werner Burkhardt. »Sleepy John Estes, sehr alt und sehr blind, ist noch ganz in der Welt des Country Blues zu Hause, und es hängt sicher mit der Tagesverfassung des Hörers zusammen, ob er das Unorthodoxe von Phrasierung und Intonation für die eindrucksvolle Beschwörung eines gelebten Mythos oder für musikalisches Analphabetentum hält.«87 Zum anderen wurde es schwieriger, Kosten und Gewinn zu tarieren. Die Margen verkleinerten sich. Der Marktwert des Bluesinterpreten war gestiegen, während die Festivalproduktion konstant aufwändig blieb und die Ticketverkäufe eher stagnierten oder sogar abnahmen. Lippmann und Rau mussten auf die erste Liga verzichten, in die auch einige ihrer Klienten inzwischen aufgerückt waren. Trotzdem boten sie Qualität. Nur wurde dieser Fakt von den starfixierten Medien nicht immer angemessen gewürdigt – die durch die Veranstalter einstmals selbst gesetzten Maßstäbe waren einfach zu hoch. Und so standen ihre Programme völlig »zu Unrecht im Konjunkturschatten«88 der großen Namen, wie das österreichische Magazin »blues notes« monierte. Tatsächlich verpflichteten Lippmann und Rau durch die 1960er hinweg etliche hochkarätige Musiker. Zu ihnen zählten ab Mitte des Jahrzehnts, also der viel zitierten ›Krisenphase‹, beispielsweise Buddy Guy,

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Berendt: Es begann auf einer Party… Burkhardt: Zum Gähnen etwas Blues. Didi, 27.

     

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Big Walter »Shakey« Horton, Junior Wells, Otis Rush, Little Walter, Eddie Boyd, Big Mama Thornton, Jimmy Reed, Clifton Chenier oder Magic Sam. Lippmann und Rau arbeiteten weiterhin mit amerikanischen Konzertagenturen und Plattenfirmen zusammen. Sie suchten nach preiswerten und gleichzeitig vielversprechenden Künstlern, die ein anhaltendes Publikumsinteresse generierten. Auf diese Weise leisteten sie, bei allen kommerziellen Motiven, eine nicht zu unterschätzende Entwicklungshilfe für den Blues. Dreh- und Angelpunkt blieb der Kostenfaktor. Hound Dog Taylor etwa war 1967 »völlig unbekannt in Europa«, wie Fritz Rau dem Management gegenüber argumentierte, weshalb die geforderte Gage von »450 bis 500 US$ pro Woche« noch verhandelt werden konnte.89 Buddy Guy, bald ein Komet am Bluesfirmament, rief in den Mittsechzigern lediglich 480 $ auf,90 die bekannte Sängerin Big Mama Thornton akzeptierte 450 $.91 Snooks Eaglin verlangte 1500 $ und musste daraufhin von der Wunschliste gestrichen werden.92 Die 1970er Ausgabe des AFBF sollte den schleichenden Resonanzverlust stoppen und eine Trendwende einleiten. Lippmann und Rau dehnten diesmal den Genrerahmen, sie annoncierten ein »American Blues + Gospel Festival« und hofften auf einen Synergieeffekt. Beflügelt vom frühen Erfolg des AFBF, hatte die Agentur seit 1965 weitere ›authentische Dokumentationen‹ auf diverse Europatourneen geschickt. Nach einem ähnlichen Muster präsentierte sie Spirituals und Gospelsongs, Flamenco, Country Music, Bossa Nova, französische Chansons und argentinische Folklore. Die Fusion von Blues und Gospel sollte zwei angeschlagene Projekte zu einer neuen Güteklasse addieren. Allerdings ging die Rechnung nicht auf. Die Tournee startete mit gerade mal 700 Besuchern, die in das Heinz-Hilpert-Theater der Stadt Lünen gepilgert waren, um neben Bukka White oder Sonny Terry & Brownie McGhee auch Sister Rosetta Tharpe und die Robert Patterson Singers zu hören. Gemischte Reaktionen rief gleichfalls die Tonkonserve hervor. Das sonst wohl gesinnte bis parteiische »Jazz Podium« verlieh dem Sampler nur das Prädikat »befriedigend«.93 1971 legten Lippmann und Rau eine Zwangspause ein. Im folgenden Jahr fand das AFBF zum vorerst letzten Mal statt. Es wurde in zwei Etappen, im März und

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Rau: Brief an Willie Dixon. Der Preis galt für eine Woche und beinhaltete bereits die Provision. Vgl. Dixon: Brief an Horst Lippmann, 2. Preis pro Woche. Vgl. Strachwitz: Brief an Horst Lippmann und Fritz Rau. Thornton bat zusätzlich um ein Flugticket für ihren Manager, der sie begleiten wollte. Diesen Posten billigte die Agentur nur teilweise. Vgl. Rau: Brief an Chris Strachwitz, 1. Preis pro Woche, zuzüglich Transport, Kost und Logis. Vgl. Waltzer. American Folk Blues Festival 1970.

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Oktober 1972, veranstaltet und mit dem markigen Slogan »Blues Giants – Rock Creators« beworben.94 Doch auch dieses Etikett vermochte das Dilemma nicht zu kaschieren. Die Uhr, so schien es, war unweigerlich abgelaufen. Dabei konnte man bis zum Schluss neben den vielen kritischen Stimmen genauso vehementes Lob vernehmen. Das Programm von 1972 wäre »ein durchaus zufriedenstellendes«,95 wenn nicht sogar »eines der besten«96 überhaupt gewesen, applaudierte die Fachpresse. »Wird es noch einmal ein Folk Blues Festival geben«, lautete die bange Frage der Sympathisanten. »Es ist sehr zu hoffen.«97 Über die Jahre hinweg haben die AFBF hunderttausende Musikfans begeistert. Lippmann und Rau brachten den Blues mit Geschick und Engagement einem ungeahnt großen Publikum nahe, sie sorgten für Freude und Unterhaltung. Das allein gäbe Anlass zu einer positiven Bilanz. Doch tatsächlich war ihr Verdienst noch weitaus größer. Sie haben eine Kettenreaktion ausgelöst, kulturelle Prozesse in Gang gebracht und den Verlauf der Popmusikgeschichte erheblich beeinflusst. Mit den AFBF wurde der Blues in Europa heimisch. Die Tourneen zogen durch zahlreiche Länder, unter ihnen Großbritannien, Irland, Schottland, Frankreich, Spanien, Italien, Belgien, die Niederlande, Schweden, Dänemark, Norwegen, Finnland, Österreich, die Schweiz, West- und Ostdeutschland, die Tschechoslowakei und Polen. Etliche Künstler verlängerten ihren Aufenthalt durch zusätzliche Konzerte und Plattenproduktionen.98 Jahr für Jahr setzte sich eine Blueskarawane in Bewegung, die tiefe Furchen ziehen sollte. Außerdem zollten die Medien dieser Musik fortan größere Beachtung. In ganz Europa wurden die Festivalmitschnitte von Rundfunk und Fernsehen ausgestrahlt, LPs und Presseerzeugnisse veröffentlicht. Nicht wenige hiesige Bluesinterpreten bezeichneten die AFBF als Triebfeder ihrer eigenen Karrieren. Sie waren der »Kristallisationskern, um den herum sich, quasi aus dem Nichts heraus, eine (bundes-)deutsche Bluesszene anzulagern begann«.99 Weitreichende Folgen hatten die Festivals in Großbritannien. Sie katalysierten den Bluesboom, der seit den beginnenden sechziger Jahren hochkochte und 94 95 96 97 98

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Weil die Frühjahrs- und die Herbstversion von 1972 unterschiedliche Künstler auf die Bühnen brachten, werden sie manchmal als AFBF Nummer zehn und elf gelistet. Hess: American Folk Blues Festival ’72, 23. Gschwendner: Bericht vom AFBF 72/2. Doering: American Folk Blues Festival, 164. So ging beispielsweise im November 1966, also direkt im Anschluss an das AFBF, eine Splittergruppe auf eigene Tournee. Die Nachlese stand unter dem Motto »Alabama Blues«. Ähnliche separate ›Minifestivals‹ waren auch in den anderen Jahren üblich. Hinzu kamen ausgedehnte Konzertreisen der Frontfiguren, die oftmals von einheimischen Kollegen begleitet wurden. Miller: Und Blues ritt das Karnickel, 33.

     

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die Rockmusik erdete. Junge Bands wie die Rolling Stones, Animals oder Yardbirds bezogen aus der Begegnung mit ihren Idolen Inspiration. Eine Schlüsselfigur war Giorgio Gomelsky. Er fungierte als Geschäftspartner von Lippmann und Rau, vermittelte die AFBF auf nationaler Ebene. Anders als die Jazzagenten, mit denen sie bis dahin kooperierten, hatte Gomelsky den Finger am Puls einer aufblühenden Jugendkultur. Er managte die Rolling Stones und betrieb in London den Crawdaddy Club, der zu den herausragenden Horten der Szene gehörte. Einer zeitgenössischen Selbstdarstellung zufolge, hatte der »Rhythm-’n’-Blues-Club in Richmond, Surrey, 4000 Mitglieder« und avancierte zu einem »Zentrum, von dem neue Stile und Gepflogenheiten in puncto Kleidung, Mode und Konversation ausgehen«.100 Nachdem der erste Jahrgang des AFBF lediglich in der Free Trade Hall von Manchester vor mäßig gefüllten Reihen gastierte,101 arrangierte Gomelsky 1963 sechs Termine.102 Sie alle waren ausverkauft. Die kommende Saison drehte die Erfolgsspirale weiter und zog schätzungsweise 50.000 Briten in die Konzertsäle.103 1968 standen zehn Städte im Vereinigten Königreich auf dem Plan. Das nächste Jahr brachte schließlich den Absturz mit nur einer einzigen Station, der Londoner Royal Albert Hall.104 Der Durchbruch in Großbritannien weckte die Konkurrenz. Mit Unterstützung von Harold Davison, Lippmann und Raus britischem Partner, schickte George Wein Ende April 1964 die American Folk Blues and Gospel Caravan im UK auf

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National Jazz Federation. Der Pressetext geht offensichtlich auf Giorgio Gomelsky zurück. Die hier zitierte Passage entstammt einem Abschnitt, der folgende Überschrift trägt: »Der Blues ist der mächtigste musikalische Einfluss unseres Jahrhunderts«. 101 Das Programm wurde dort zweimal hintereinander aufgeführt. Nach eigener Aussage hatte Giorgio Gomelsky etwa 20 Karten für die Konzerte besorgt, die er an junge Londoner Bluesmusiker verteilte, unter ihnen die Rolling Stones. Vgl. Dixon/Snowden, 134. Ungeachtet der Tatsache, dass die Halle höchstens zu zwei Dritteln besetzt war, lobte die Jazzpresse das Event als »herrliche Offenbarung«. Vgl. Lambert. 102 Das »American Negro Blues Festival«, so der britische Titel, war 1963 viermal in der Fairfield Hall des Londoner Vorortes Croydon zu erleben sowie in Manchester und Birmingham. Die Tickets für die ersten zwei Shows in Croydon waren binnen einer Woche ausverkauft, weshalb Zusatzkonzerte anberaumt wurden. Vgl.: National Jazz Federation. 103 Vgl. Schwartz: How Britain Got the Blues, 157. 104 Die Publikumsresonanz war insgesamt großen Schwankungen unterworfen. Einen massiven Einbruch verzeichnete das AFBF 1965. Die Zuschauerkapazität der britischen Veranstaltungsorte wurde etwa nur zur Hälfte ausgelastet, was in erster Linie einer äußerst mangelhaften Werbung anzukreiden war. Vgl. Oliver: Blues Festival ’65, 18. Mit neun Stationen in England, Irland und Schottland erwies sich die Tour als überdimensioniert. Allein in London wurde das Programm viermal aufgeführt.

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Tournee. Sämtliche Tickets für die 17 Termine gingen weg, die Presse spendete überschwänglich Beifall.105 George Wein gehörte als Organisator des Newport Jazz Festivals und des Newport Folk Festivals zu den internationalen Köpfen der Branche. Nun wilderte er im fremden Revier und umwarb genau »jene Leute in den verschiedenen kontinentaleuropäischen Städten, die Deinem und unserem Ring von Promotern gegenüberstehen«,106 empörte sich Horst Lippmann in einem Brief an seinen Kollegen Norman Granz.107 Am meisten störte ihn, dass auch Muddy Waters für George Wein arbeitete, hatte er doch den Paten des elektrischen Blues in weiser Voraussicht per Langzeitvertrag vom 18. April 1963 an seine Agentur gebunden.108 Der entsprechende Passus sicherte dem Deutschen drei Jahre lang das Exklusivrecht für »alle europäischen Auftritte« des Künstlers.109 Muddy Waters ließ über Chess Records, seine Plattenfirma, verlauten, er sei Analphabet, hätte den Kontrakt gar nicht lesen können und bitte um Nachsicht.110 Marshall Chess appellierte an Horst Lippmanns Edelmut: »Ich hoffe, Du hast genügend Herz, ihm diese Chance zu geben.«111 Lippmann verwies zu Recht darauf, dass »das neue Interesse« an Muddy »hier bei uns aufgrund meiner Tour« entstanden sei, dass er ihn »in Europa aufgebaut« habe.112 Doch dann lenkte er ein. Um Waters nicht in »hoch komplizierte Probleme« zu bringen, erteilte er der Mitwirkung am American Folk Blues and Gospel Caravan seinen Segen.113 Im Kielwasser der AFBF trafen die afroamerikanischen ›Originale‹ und ihre englischen ›Adepten‹ aufeinander. Sicherlich besaß der Blues in einem Land, in dem die Sprachbarriere fehlte und diese Musik auch ihre verbale Wirkung voll entfalten konnte, eine besondere Anziehungskraft und Dringlichkeit. Die Türen standen weit offen. Man jammte miteinander, trat gemeinsam vors Publikum oder die Kameras und Aufnahmemikrophone in Fernseh-, Rundfunk- und Plattenstudios.114 Auf Initiative von Horst Lippmann nahmen Sonny Boy Williamson und

105 Vgl. Schwartz: How Britain Got the Blues, 153. 106 Lippmann: Brief an Norman Granz. 107 Lippmann und Rau veranstalteten 1970 selbst ein »American Blues + Gospel Festival«, das auch in Großbritannien zu erleben war. 108 George Wein hatte Muddy Waters bereits 1960 zum Newport Jazz Festival eingeladen, wo das Publikum während seines Konzertes »völlig ausflippte«. Aldin, 5. 109 Vgl. Lippmann: Brief an McKinley Morganfield, 02.04.1964. 110 Horst Lippmann verwahrte sich gegen diese Behauptung. Außerdem hätte er Muddy Waters den Vertrag haarklein mündlich erläutert. Vgl. Lippmann: Brief an Marshall Chess. 111 Chess. 112 Lippmann: Brief an Marshall Chess. 113 Vgl. Lippmann: Brief an McKinley Morganfield, 21.04.1964. 114 Detaillierter: Brunning.

     

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die Yardbirds Anfang Dezember 1963 eine LP im Crawdaddy Club auf. Wenige Tage später traf Williamson mit den Animals in Newcastle upon Tyne zusammen; auch dieses Konzert wurde aufgezeichnet.115 John Lee Hooker tourte 1964 mit John Mayall & The Bluesbreakers sowie den Groundhogs, T-Bone Walker verpflichtete Mayalls Band im folgenden Jahr. Die Kombination von jungen, aufstrebenden Musikern und den verdienten Veteranen aus Übersee setzte Achtungszeichen. Auch auf diese Weise wurde eine Bresche für den Blues geschlagen. Eine zentrale Rolle spielte er- Willie Dixon, Baden-Baden, 1964 neut Willie Dixon. Er war »eine Art Guru«,116 wie sich der Sänger und Londoner Bluespionier Long John Baldry erinnerte. Die englischen Youngster verehrten Dixon als »den Archetyp des Bluesman. Seine physische Präsenz und die Art seines Auftretens bekräftigte ihre Auffassung, dass der Blues eine dynamische Alternative zur bürgerlichen britischen Kultur verkörperte. Dixons Songtexte, mit ihrem aggressiven, sexuell aufgeladenen Ton, haben diesen Eindruck sicherlich verstärkt.«117 Der Chicagoer Selfmademan zeigte sich auch in Großbritannien kommunikativ und geschäftstüchtig. Er behandelte die ›weißen‹ Novizen wie Partner und forderte sie auf, seine Songs zu covern. Dixon hat wohl geahnt, dass der Prophet, wurde er erst einmal auf der anderen Seite des Atlantiks gehört, auch im eigenen Lande gilt. Und in der Tat: Die AFBF strahlten auf die USA zurück. »Natürlich werden die Leute neidisch oder so, denn hier liegt eine Goldmine hinter meinem Haus, und ich habe es nicht gewusst. Aber da drüben machen sie Geld«, schätzte Willie Dixon ohne Umschweife ein. »Deshalb entschied Amerika, zum Blues zurückzukehren, weil sie

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In beiden Fällen war Giorgio Gomelsky maßgeblich involviert. Er managte die Yardbirds und stand den Animals fördernd zur Seite. 116 Zit. bei Dixon/Snowden, 136. 117 Filene, 123.

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herausgefunden haben, dass in den europäischen Ländern jeder auf den Blues abfuhr und dass er all diese verschiedenen Rockgruppen und Dinge hervorbrachte.«118

                Nach knapp achtjähriger Pause wagten Lippmann und Rau die Reanimation. Zwischen 1980 und 1985 schickten sie das AFBF abermals auf Tournee, mit einer Unterbrechung im Jahr 1984.119 Längst hatte sich eine kleine, aber stabile Bluesszene in Deutschland etabliert. Dank ihrer rockigen Variante, die in zyklischer Regelmäßigkeit medienkompatible Stars produzierte, besaß diese Musik eine Schnittstelle zum Mainstream. Und auch in der Firmenpolitik setzte der Blues inzwischen neue Akzente. Lippmann und Rau hatten 1979 L+R Records gegründet, ein eigenes Schallplattenlabel, das zur Vermarktung die Bühne brauchte. Die Zeit schien also reif für eine Renaissance des Bluesfestivals. Wenn auch entschlackt und modifiziert, schloss das Konzept an die sechziger Jahre an. Wieder waren es exklusiv afroamerikanische Musiker, die ins Scheinwerferlicht geholt wurden. Angebote ›weißer‹ Interpreten lehnte man ab. »Der Ausschuss, der die Künstler für das nächste American Folk Blues Festival auswählt, hat sich erneut für eine rein schwarze Besetzung entschieden«,120 teilte Horst Lippmann im Vorfeld des 1982er Jahrgangs auf eine entsprechende Anfrage mit. 1985 zog er dann doch eine Mischung in Erwägung und wollte Jim Kahr, einen L+R-Klienten in spe, engagieren. Lippmann, der sich selbst, »wenn es um Qualität geht«, für »farbenblind« hielt, verriet: »Ich habe den armen Kerl jahrelang übersehen, nur weil er in Deutschland lebt und weiß ist.«121 Doch schon nach wenigen Tagen hat er diesen Gedanken »wieder fallen gelassen«.122 Sicherlich steckte nüchternes Kalkül dahinter. Wenn man sich schon auf Musiker der unteren Preisklassen beschränken musste, sollte wenigstens das Pfund der vorgeblichen ›Authentizität‹ ausgereizt werden. ›Schwarzen‹ Bluessängern und -instrumentalisten haftete der lockende Schein des ›Echten‹ an, sie ließen sich leichter verkaufen. Lippmann wies gelegentlich darauf hin, dass die Eingrenzung aber auch einer 118 119

Dixon/Snowden, 141. Sie wurde intern mit dem kritischen Gesundheitszustand von Horst Lippmann begründet. Vgl. stellvertretend Gawlitta: Brief an Walter Bartel. 120 Lippmann: Brief an Anthony »Jarfly« Griffin, 1. 121 Lippmann: Brief an Manfred Miller, 15.04.1985, 2. 122 Lippmann: Brief an Manfred Miller, 25.04.1985, 1.

     

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Political Correctness geschuldet sei. In einem Brief an den Chicagoer Gitarristen Jimmy Dawkins, der etliche neue Kontakte für die AFBF einfädelte, hieß es: »Wir können nicht verhindern, dass ein paar britische Jungs verkünden, sie wären die Blues Band und dass sie ein höllisches Geld mit drittklassigen Versionen der Musik des schwarzen Mannes verdienen.«123 Doch sollten die wahren Schöpfer, die den Stein ins Rollen brachten, zu ihrem Recht kommen.

Horst Lippmann (links) und Fritz Rau, 1985

Auch die zweite Festivalserie ließ einen didaktischen Touch erkennen. »Es gehört zur Tradition der American Folk Blues Festivals, nicht nur authentischen Blues mit jenen Künstlern vorzustellen, die ihn kreieren, sondern mit jeder Produktion auch gleichzeitig eine Einführung in die vielfältigen Spielweisen des Blues für alle diejenigen zu bieten, die ihm in seiner echten, unverwässerten Form zum ersten Mal begegnen«, erklärten Lippmann und Rau. Diesem Anliegen seien sie »treu geblieben«. Nur holte man statt der alten, zu Unrecht vergessenen Heroen zusehends eigene ›Entdeckungen‹ an Bord. Im Auftrag der beiden Impresarios durchforsteten Bluesscouts die versteckten Winkel der amerikanischen Großstädte und ländlichen Regionen und förderten interessantes Potenzial zu Tage, manchmal

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Lippmann: Brief an Jimmy Dawkins, 14.10.1981, 2.

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aber auch obskuren Rohstoff. Diese Musiker nahmen Lippmann und Rau als ›Recording Artists‹ unter Vertrag. Eunice Davis, Cephas & Wiggins, Lonnie Pitchford oder Blind Joe Hill gehörten zum Katalog des L+R-Labels. Den Blues verteidigten die Veranstalter als nie versiegende Quelle und soziales Korrektiv einer technisch hochgerüsteten, kalten Welt. Er wäre »keine sterbende Volkskunst, sondern so lebendig und wichtig wie schon immer. In einer Zeit, die – von Computer und Disco geprägt – immer mehr zur Vereinsamung des Menschen führt, haben junge schwarze Musiker die Bedeutung, die im Blues liegt, verstanden, eine Botschaft, die zutiefst menschlich ist.«124 Die Neuauflage des AFBF von 1980 wurde gespannt, aber auch voller Skepsis erwartet. Lippmann und Rau kehrten mit einem Paket zurück, das in weiten Teilen wie ein zweiter Aufguss wirkte. Sunnyland Slim, Carey Bell, Hubert Sumlin, Eddie Taylor und Odie Payne – also fast die Hälfte des gesamten Line-ups – kannte man bereits von früheren Festivals. Als Brücke zwischen den Generationen wurde Louisiana Red125 vorgestellt. Er war nicht nur ein bemerkenswerter Gitarrist, Sänger und Storyteller, sondern ließ sich aufgrund seiner bitteren und mythenumrankten Lebensgeschichte auch optimal vermarkten. Folglich stieg er zum »verkaufsstärksten Blues-Künstler«126 von L+R Records auf. »Louisiana Reds Biographie spiegelt das Schicksal der schwarzen Amerikaner«, lautete der Kernsatz der Werbestrategie. Seine Mutter starb nach der Geburt, der Vater wurde vom Ku-KluxKlan ermordet. Red zog in eines der Ghettos von Pittsburgh, wo »die Gewalt so alltäglich ist wie Sonnenaufgang und Sonnenuntergang«. Seine Bahn war vorgezeichnet. Er wurde Mitglied einer »Street Gang«, landete in der »Strafkolonie« und musste, »mit schweren Eisen« an die Mithäftlinge gekettet, »im Steinbruch« schuften. Anschließend verdingte er sich auf den »Baumwollfeldern des Südens«. Dort wurde er ein »Repräsentant der Farmworkers’ Union, kämpfte in der Bürgerrechtsbewegung«.127 »Fallschirmjäger in Korea« hieß die nächste Station eines Leidensweges, der in der Musik ein Ventil fand. »Seine Texte sind aggressiv, sozialkritisch und manchmal anklagend«, wurde in den Pressemappen erklärt.128 Er singt »von Unterdrückung und Ausbeutung, beschreibt die Schattenseiten des

124 Alle Zitate: Lippmann/Rau. 125 Bürgerlich: Iverson Minter. 126 Hartmann: Brief an Herrn David. 127 Alle Zitate: Louisiana Red. 128 Alle Zitate: Lippmann + Rau Concert Büro: American Folk Blues Festival 1980 – über die Künstler, 1.

     

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›American way of life‹«.129 Dass die Details der Vita, die Louisiana Red mit inszenatorischem Gespür in die Welt gesetzt hatte, durchaus zweifelhaft waren,130 spielte im Vermarktungskontext keine Rolle. Red avancierte zum Fixstern der zweiten Staffel des AFBF, er wurde 1980, 81 und 83 engagiert. Selbst wenn der Wirkungsradius von vornherein enger bemessen war, zielten Lippmann und Rau auch in den achtziger Jahren auf ein europäisches Publikum. Für das 1980er Festival waren rund zwei Dutzend bundesdeutsche Städte avisiert sowie Auftritte in Österreich, der Schweiz, Frankreich, Dänemark und Großbritannien. Weil der Vorverkauf äußerst schleppend lief, musste ständig umdisponiert und gestrichen werden.131 Große Säle wurden vielfach storniert und gegen kleinere ausgetauscht. Ende März, drei Wochen vor Tourneestart, brachte ein erster Kassensturz Ernüchterung. An der Spitze stand Frankfurt am Main, dort gingen 115 Tickets vorab über den Tisch. In Berlin waren es 68, in München 39 und in Hamburg ganze acht Billetts.132 Tatsächlich schrieb die vierwöchige Konzertreise von 1980 tiefrote Zahlen. »Trotz massiver Werbung« – neben diversen Annoncen und einer aufwändigen Plakatierung erschienen punktgenau neun LPs und ein Sampler mit den zu erwartenden Künstlern bei L+R Records – lockten die 17 Shows in Westdeutschland gerade mal 12.000 Besucher an. Insgesamt musste man ein Minus von 100.000 DM verbuchen,133 in Horst Lippmanns Worten »ein riesengroßer finanzieller Flop«.134 Das Presseecho war geteilt, es deckte die ganze Skala ab, vom Verriss bis zur Hymne. Während die einen »technische Perfektion gepaart mit einer unglaublichen Spiellaune« attestierten, fanden es die anderen »ein bisschen schnöd-blass«.135 Hart zogen eingefleischte Bluesfans mit den Veranstaltern ins Gericht. Der Musiker Udo Wolff sah seine »Bedenken gegen diese Art von Festivals« bestätigt. Die »musikalische Qualität« blieb bei den »zusammengewürfelten Sessions« zwangsläufig auf der Strecke. An jenem Abend in Hannover, den Wolff erlebt hatte, war der Grat zur Peinlichkeit schmal. »Zu viele Breaks gingen in die Hose, um es noch unter ›Folk‹ abbuchen zu können. Bob

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Louisiana Red. Vgl. Justin. Von den 28 geplanten Konzerten blieben 21 übrig. Die Shows in Frankreich wurden komplett abgesagt, ebenso die Auftritte in London und Aarhus sowie drei Termine in Deutschland. Vgl. Gutberlet: American Folk Blues Festival. 132 Vgl. Rau: Brief an Horst Lippmann, 27.03.1980. 133 Zitat und Zahlen: Hess: American Folk Blues Festival ’80, 29. Die Größenordnung des Verlustes wurde von Fritz Rau bestätigt. Vgl. Schwab: Auf der heißesten Volkshochschule der Welt, 141. 134 Lippmann: Brief an Jimmy Dawkins, 18.06.1980, 1. 135 Zit. bei Hess: American Folk Blues Festival ’80, 28 und 29.

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Stroger und Odie Payne schauten oft genug schmerzlich zur Saaldecke, als sei ihnen die Plombe rausgefallen.«136

Bob Margolin, Muddy Waters und Jerry Portnoy (von links), »Rockpalast«, Grugahalle Essen, 1981

Lippmann und Rau investierten ungeheure Energie, um das Festival, dessen »Einfluss kaum überschätzt werden kann«,137 am Leben zu halten. Bereits vor den Tourneen brachten sie Porträt-LPs und Sampler heraus, die das Programm vorstellten und bewarben.138 Die teilweise auf Englisch verfassten Liner Notes führten die Künstler ein und gaben die Termine der AFBF bekannt. Rundfunk und Fernsehen sendeten Mitschnitte. Am liebsten hätten die Veranstalter ihr Event im »Rockpalast« platziert, weshalb sie in Vorbereitung des 1981er Jahrgangs einen Vorstoß wagten. Die 1976 gestartete TV-Reihe, die vom WDR produziert und per

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Wolff: Eine Institution lebt auf, 12 und 13. Der Bassgitarrist Bob Stroger und Schlagzeuger Odie Payne bildeten die Rhythmusgruppe. 137 Groh: Liner Notes des Samplers »American Folk Blues Festival ’81«. 138 Das Doppelalbum »American Folk Blues Festival ’81« wurde in einer Erstauflage von 5000 Exemplaren veröffentlicht. Ihr lag der aktuelle L+R-Katalog bei. Vgl. Hartmann: Brief an Winfried Merkle.

     

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Eurovision ausgestrahlt wurde, besaß seinerzeit den Ruf der maßgeblichen Institution für ›handgemachte‹ Popmusik und »im Blues verankerten Gitarrenrock«.139 Nächtelange Live-Übertragungen von Konzerten mit Rory Gallagher, Muddy Waters, der Paul Butterfield Band, Johnny Winter, ZZ Top oder Little Feat bannten ein internationales Fernsehpublikum. Eine Kooperation hätte die AFBF entschieden aufgewertet. Doch der WDR lehnte eine Präsentation auf herkömmliche Weise ab, hielt das Angebot für zu speziell. Die Redaktion meinte, »dass ein derartiges Programm an den Erwartungen des inzwischen zahlreichen Stammpublikums vorbeigehen würde. Denn erwartet wird Uptempo-Rockmusik, natürlich von hoher Qualität und durchaus mit Balladen-Einschüben.«140 Allerdings sicherte sich der Sender die Aufzeichnungsrechte und schickte das AFBF gesondert bzw. in den Umbaupausen des »Rockpalastes« über den Äther.141 Lippmann und Rau betrieben ein umfangreiches Marketing. Sie brachten Flyer und Sticker in Umlauf, ließen 1981 deutschlandweit 50.000 DIN-A1-Plakate kleben und verschickten 1075 Pressemappen,142 sie druckten ganzseitige Anzeigen in einschlägigen Branchenblättern und im agentureigenen, kostenlosen Journal »Concert«.143 Ein großer Coup war das Sponsoring durch den Elektronikhersteller Blaupunkt. Nach dem finanziellen Desaster von 1980 half der Werbedeal, das Risiko zu minimieren. So konnten die Eintrittspreise gegenüber dem Vorjahr um ein Viertel gesenkt werden.144 Lippmann und Rau lobten das »Mäzenatentum« des Unternehmens und übertrugen ihm »das Patronat«.145 Auf allen Druckmaterialien – vom Handzettel, Plattencover und Poster bis zur Eintrittskarte – war zu lesen: »Blaupunkt presents American Folk Blues Festival ’81«. Im Gegenzug wurde von

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Rüchel: Kurze Nächte, 232. Rüchel: Brief an Fritz Rau. Für »die uneingeschränkten Rechte« der Fernsehausstrahlung des 1981er AFBF in Deutschland bot der WDR Lippmann und Rau ein Bruttopauschalhonorar von 29.999 DM an. Vgl. WDR. 142 Stand Anfang Februar 1981. Vgl. Hartmann: Telex vom 10.02.1981. 143 Die Januarausgabe von »Concert ’81«, die das AFBF ausgiebig ankündigte, hatte eine geplante Auflage von 250.000 bis 300.000 Stück. Vgl. Lippmann + Rau Concert Büro: Protokoll der Besprechung »AFBF« ’81 am 16.1.81 in Dreieich-Buchschlag. Das Augustheft von »Concert ’83« warb in einer »450.000er Auflage mit Artikel über AFBF und Produktanzeige«. Vgl. Privatsammlung Horst Lippmann, nicht näher bezeichnetes Dokument. 144 Ein Ticket für das AFBF-Konzert 1980 in Hannover kostete 17 DM. Vgl. Wolff: Eine Institution lebt auf, 13. 145 Lippmann: Telex an Fritz Rau. Der zitierte Text war ein Entwurf, den Lippmann an Rau zur Abstimmung schickte.

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der Firma ein »Gesamtkostenzuschuss in Höhe von DM 120.000« zuzüglich Mehrwertsteuer »erwartet«,146 also erkleckliche Sponsorengelder. Das Geschäft mit Blaupunkt sorgte für einige Irritationen. Lippmann und Rau hatten selbst wiederholt in die Kerbe der Bluespuristen gehauen, als sie absurde Feindbilder heraufbeschworen. Im Programmheft des AFBF von 1981 zogen sie gegen »Computer und Disco« zu Felde, nagelten sie den Fetisch ›Technik‹ lauthals ans Kreuz.147 Doch auf dem Umschlag derselben Broschüre prangte das Blaupunkt-Logo und hieß es in wuchtigen Lettern: »Wir haben mitgeholfen, dass 1981 wieder das American Folk Blues Festival stattfinden kann. Und wir tun auch etwas dafür, dass Sie Blues ›original‹ hören können, wenn das Konzert vorüber ist: HiFi für zu Hause und im Auto«.148 Kritiker straften die verkaufsstrategischen Winkelzüge als Verrat ab, das Konzertbüro hätte eklatant an Glaubwürdigkeit verloren. Von »Werbedummbeutelei des Jahres«149 war die Rede oder »Publikumsfopperei«.150 Lippmann und Rau gerieten in den Ruch, nur noch am dicken Reibach interessiert zu sein. Der geschätzte Journalist Manfred Miller feuerte eine empfindliche Breitseite ab. Er tadelte »die Unehrlichkeit des Prinzips«, mit dem alten Markenzeichen »AFBF« hausieren zu gehen. Genau genommen sei die Neuauflage ein Etikettenschwindel, eine krampfhafte Nummernrevue und keine umfängliche »Dokumentation«, wie versprochen. Miller fragte, warum man die Show nicht ehrlicherweise gleich »The L+R Blues All Stars« nenne. »Denn darum geht es doch letztlich: auf L+R Records veröffentlichten Künstlern eine Promotiontournee zu organisieren.« Das Engagement der Veranstalter für den Blues stünde außer Frage. »Aber bitte: keine Festival-Faxen mehr, ja?«151 Der Affront traf tief. Er wurde zwar nur von einem kleinen, semiprofessionellen Magazin, dem »Blues Forum«, gedruckt,152 erreichte jedoch die entscheidenden Leute, zog »ziemliche Kreise«.153 Blaupunkt echauffierte sich über die negative Rezension, die Horst Lippmann als »blödsinnig«, »überheblich« und »gehässig« abtat. Der Werbepartner zog Konsequenzen in Betracht. Fassungslos informierte Lippmann seinen Kompagnon Fritz Rau über

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Lippmann + Rau Concert Büro: Protokoll der Besprechung »AFBF« ’81 am 16.1.81 in Dreieich-Buchschlag. Vgl. Lippmann/Rau. American Folk Blues Festival ’81 [Programmheft], Back Cover. Karcher: Werbedummbeutelei des Jahres. Miller: AFBF = American Fopp Blues Festival?, 21. Alle Zitate: ebd., 20 und 21. Laut Horst Lippmann hatte das »Blues Forum« eine Auflage von 1500 Stück. Vgl. Lippmann: Brief an Fritz Rau, 21.09.1981, 1. Lippmann: Brief an Winfried Merkle, 1.

     

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den aufschäumenden Missmut. Aus der scheinbaren Lappalie drohte eine ernste Angelegenheit zu werden. »Es kann doch einfach nicht angehen«, so Lippmann, »dass ein einziger Miesmacher in einer kaum gelesenen Zeitung zum Anlass genommen wird, dass auch das für Blaupunkt so positiv angelaufene Projekt AFBF ’81 für ’82 abgewürgt wird.« Er setzte die Millersche Dissonanz ins Verhältnis »zu den nahezu 90 % positiven, ja begeisterten Kritiken in den Tages- und Fachzeitschriften und dem begeisterten Publikum in den größtenteils ausverkauften Konzertsälen«.154 Zweifellos dominierten auch in den achtziger Jahren die beifälligen Reaktionen. Durch die Presse gingen Superlative wie »Riesenerfolg«155 oder »großartiger Abend«.156 Augenzeugen berichteten von starken Emotionen: »Die Leute waren schier aus dem Häuschen.«157 »Das Festival hat sich verjüngt, es ist vitaler, muskulöser geworden, die ethnischen Demonstrationsobjekte spielen keine so große Rolle mehr«,158 verkündete die stimmgewaltige Frankfurter Allgemeine Zeitung. Noch 1985 lautete die Diagnose, »dass das Interesse an dieser bodenständigen Musik bis heute keineswegs erloschen ist«.159 Schwerer als das Lob wog der distanzierte Blick. Setzte er doch Diskussionen in Gang, die an den Grundfesten rüttelten. Alle fünf Ausgaben des AFBF der Achtziger sahen sich mit dem Vorwurf der Eintönigkeit konfrontiert. »Die immer gleichen Namen tauchten auf den Plakaten auf«, bemängelten Fans, das Angebot sei stereotyp und blutleer. Statt echter »Persönlichkeiten, die Bluesgeschichte geschrieben hatten«, kämen »nun überwiegend Epigonen«.160 Man wünschte sich »mehr Abwechslung« und »frischen Wind«.161 Doch der Finanzrahmen setzte Grenzen. Lippmann und Rau engagierten nach wie vor Künstler des unteren Preissegments. Frontfiguren wie Louisiana Red, Hubert Sumlin, Margie Evans oder

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Alle Zitate: Lippmann: Brief an Fritz Rau, 21.09.1981, 1. Auf lange Sicht siegte geschäftlicher Pragmatismus über sämtliche Animositäten: 1985 verhandelte Horst Lippmann mit Manfred Miller, der als Redakteur beim Südwestfunk arbeitete, über eine Aufführung des AFBF im Rahmen des Lahnsteiner SWF-Bluesfestivals. Vgl. stellvertretend Lippmann: Brief an Manfred Miller, 25.04.1985. Svacina: American Folk Blues Festival ’81 im Wiener Konzerthaus, 6. Conrad, 8. Steinike. Olshausen: Verjüngt in die Jahre gekommen. Metzner. Reitz. Feldmann, 11.

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Carey Bell bekamen 1980/81 ein Wochengehalt von 1200 US-Dollar, unbekanntere oder jüngere Musiker erhielten weniger.162 Die Mitwirkung am obligatorischen Live-Album wurde mit einer »einmaligen Zahlung« von 100 US$ pauschal vergütet.163 Ab 1982 sanken die Honorare sogar noch tendenziell. Carey Bell und Louisiana Red mussten sich beispielsweise nun mit 1000 $ wöchentlich begnügen.164 Laut Kalkulation fiel 1983 eine tägliche Gesamtgage von rund 1100 $ pro Konzert an,165 1985 lag sie bei 1000 $.166 Ein neuralgischer Punkt blieb die Beschränkung auf ›schwarze‹ Künstler. Schon 1969 hatte Chris Strachwitz »ein gemischtes Programm« angeregt. Man »könnte John Mayall, Paul Butterfield oder andere gute weiße Bluesgruppen holen, die ein großes Publikum anziehen, und dazu Vertreter des alten Blues stellen. Ich glaube, das könnte ein recht gutes Konzert geben.«167 Lippmann und Rau steuerten mit einer moderneren musikalischen Gangart gegen den Imageverlust und bewiesen einmal mehr, dass ihr Konzept des »Folk« kein stilistisches, sondern ein ideologisches war. Lurrie Bell, Margie Evans, Billy Branch, Eddie »Cleanhead« Vinson, Queen Sylvia oder Cash McCall spielten einen zeitgemäßen Blues, sie kannten keine Berührungsängste mit Jazz Rock, Gos-

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Eunice Davis und John Cephas stand zum Beispiel nur ein Wochenhonorar von 600 $ zu. Vgl. Agreement between Lippmann + Rau and Eunice Davis, 1 sowie Agreement between Lippmann + Rau and John Cephas, 1. Mit diesen Preisen lagen Lippmann und Rau offensichtlich im Trend. So bot ihnen zum Beispiel Earwig Music, ein amerikanisches Independent-Label, die Bluesveteranen David »Honeyboy« Edwards und Floyd Jones zu je 750 $ pro Woche an, das meinte sechs Nächte à drei Stunden. Vgl. Frank. 163 Vgl. stellvertretend Agreement between Lippmann + Rau and Iverson Minter, 03.02.1981, 2. Dieser Betrag blieb über die Jahre hinweg für alle Musiker konstant. 164 Vgl. Agreement between Lippmann + Rau and Carey Bell, 1 sowie Agreement between Lippmann + Rau and Iverson Minter, 21.04.1983, 1. Die Verringerung der Honorarsätze war offenbar eine Reaktion auf den gestiegenen Außenwert des USDollars. Unter dieser Entwicklung litt die ganze Konzertbranche. Das »Blues Forum« klagte 1984: »Amerikanische Bluesmusiker nach Deutschland zu holen, wird für die Buchungsagenten und Veranstalter ein immer schwierigeres Unterfangen. Schuld daran ist der Dollar-Kurs, der die berechtigten Gagenvorstellungen der Künstler (in Dollar gerechnet) zunehmend unerschwinglich macht und/oder ihre (in DM gezahlten) Nettoeinnahmen bei der Rückkehr in die USA auf ein erbärmliches Taschengeld zusammenschmelzen lässt, sofern überhaupt noch was übrig bleibt.« Trebron [Bericht in der Länderrubrik »Deutschland«]. 165 Vgl. Lippmann: Brief an Fritz Rau und Hermjo Klein, 2. 166 Vgl. Lippmann: Brief an Fritz Rau, 25.04.1985, 2. Beide Summen setzten sich ausschließlich aus den Honoraren für jeweils neun Künstler zusammen. 167 Strachwitz: Mit dem American Folk Blues Festival in Europa, 404.

     

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pel, Funk und Soul. Die Parade der ›Neutöner‹ wurde von ›alten Meistern‹ kontrastiert, die das Gespür für die Wurzeln wach halten sollten. Zu ihnen gehörten Willie Mabon, Sunnyland Slim, Archie Edwards, Jimmy Rogers, Lovie Lee und Hubert Sumlin. Bis zum Schluss reizten die Organisatoren den plakativen Dualismus von Country und City Blues aus. Das ländliche Milieu vertraten etwa Cephas & Wiggins oder James »Son« Thomas, flankiert von Exoten wie Washboard Doc, Lucky & Flash oder Blind Joe Hills One-Man-Band. Die Angriffe, denen sich Lippmann und Rau in den achtziger Jahren ausgesetzt sahen, waren mehr als ein purer Reflex auf ihre Arbeit. Sie zeigten, dass sich Interpretations- und Wertmuster verschoben hatten. Nun stritten verschiedene Fraktionen um die Definitionsmacht. Der Alleinvertretungsanspruch, den die Konzertagentur in den Sechzigern genoss, galt nicht mehr. Fans, unabhängige Medien, Labels und Kleinveranstalter klagten jeweils ihre spezifische Vorstellung vom Blues ein. Es wurden Claims abgesteckt, Gräben gezogen und Glaubenskriege ausgefochten. Weil sie nach Effizienz strebten, bemühten sich Lippmann und Rau um einen Schulterschluss mit der Bluesszene. Sie verpflichteten Insider als Tourneebegleiter, Scouts und künstlerische Berater und dockten an die Netzwerke der Enthusiasten an. Das war oftmals hochproblematisch, prallten doch konträre Interessen aufeinander. Liebhaberei und Geschäft gerieten immer wieder in Konflikt. Davon zeugte etwa der Versuch einer Zusammenarbeit mit der Szenezeitschrift »Blues Forum«. Ein Jahr, nachdem dort die Attacke von Manfred Miller abgedruckt worden war, bahnte sich eine Kooperation an. Lippmann und Rau wollten Anzeigen schalten, der Herausgeber sein Blatt während der Konzerte verkaufen.168 Er bat außerdem um »einen kurzen Hinweis auf die Existenz von Blues Forum« im Covertext der »Programmschallplatte« des Festivals.169 Schon bald wurde klar, dass man nicht am selben Strang zog. Das »Blues Forum« wollte von der Publicity des AFBF profitieren, gleichzeitig aber auch kritischen Abstand wahren. Lippmann und Rau wurde der Entwurf einer Rezension des 1982er Jahrgangs zugespielt, die das Magazin zu veröffentlichen gedachte.170 Der Tenor war nicht neu: Man unterstellte der Agentur, dass sie künstlerische Qualität weitaus geringer schätze als klingende Münze. Schließlich promote sie nur das eigene Label und kündige »lauter Sensationen« an. Das Programmheft sei

168 Vgl. Gutberlet: Brief an Fritz Rau. 169 Gutberlet: Brief an Horst Lippmann, 10.09.1982. 170 Das Manuskript wurde vom Kulturamt der Stadt Kamen an Lippmann und Rau weitergeleitet. Der Rezensent bezog sich explizit auf ein Konzert des AFBF in diesem Ort. Vgl. Brill.

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von »Lobhudeleien« durchsetzt. »So bitte nicht, Herr Lippmann!«,171 kam der Autor in Fahrt. »Sich oder anderen was in die Tasche zu lügen, sieht zu sehr nach reinem Marketing aus. Und ein AFBF zu veranstalten, müsste auch heute noch mit Idealismus zu tun haben.« Zum Schluss fuhr der Verfasser das Totschlagargument des ›Früher war alles besser‹ auf. Die »älteren Zuhörer«, die an die seligen sechziger Jahre »zurückdachten, spürten wehmütig, dass es damals so viel eindringlicher war«. Das 1982er Festival wird man dagegen »schnell vergessen haben. Sind das, Herr Lippmann, ›…die Blueskünstler von heute…‹? Gibt es wirklich nicht wichtigere?«172 Zwar wurde der zynische Ton in der Druckversion leicht entschärft – die Botschaft blieb jedoch die gleiche. Das Pamphlet löste, wie zu erwarten, große Verärgerung aus. Fritz Rau erkannte in dem Papier »das heftige Bemühen der BluesFreunde, unsere Abnehmer des American Folk Blues Festivals so zu versauern, dass sie früher oder später keine Konzerte mehr übernehmen. Hier handelt es sich nicht nur um eine negative Veröffentlichung, sondern um eine gezielte Intrige.«173 Horst Lippmann, der im Artikel mehrfach persönlich angezählt wurde, schrieb einen Brief an Thomas Gutberlet, den Herausgeber des »Blues Forums«. Er hätte »nichts gegen sachliche und fachliche Kritik, im Gegenteil«. Doch trachteten die »Verunglimpfungen« danach, ihn »in der Konzertszene generell anzugreifen. Man muss langsam den Eindruck gewinnen, als ob hier eine gezielte Kampagne gegen das American Folk Blues Festival läuft.« Sollte die Meinungsmache »Anti-Lippmann-Rau« nicht aufhören, würde die »zwischen Ihnen und mir angestrebte Zusammenarbeit« wohl »noch sehr lange auf sich warten lassen«.174 Thomas Gutberlet entgegnete, er sähe nicht ein, »dass man alles gut finden muss, was bunte Prospekte versprechen, und den Anspruch, für Besseres eintreten zu wollen, kann ich weder als Anti noch als ›Intrige‹ empfinden«. Er appellierte an gegenseitiges Verständnis: »Noch mehr Bluessekten nützen niemandem.«175 Während sich Fritz Rau nach wie vor »angeekelt«176 zeigte, lenkte Horst Lippmann ein. Er wusste wohl, dass ein Kleinkrieg im Stile David gegen Goliath nur Verlierer hervorbringen würde. Mit einem versöhnlichen Schreiben bot er Thomas Gutberlet an, auf

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Klemme: American Folk Blues Festival 1982. Wehmut nach den Anfängen [Entwurf], 1 und 2. Klemme: American Folk Blues Festival 1982, Kamen, 19–20 und 20. Rau: Brief an Horst Lippmann, 27.11.1982. Lippmann: Brief an Thomas Gutberlet, 07.12.1982, 1 und 2. Gutberlet: Brief an Horst Lippmann, 13.01.1983, 2. Rau: Brief an Thomas Gutberlet.

     

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der Plattenhülle des nächsten AFBF-Samplers für das »Blues Forum« zu werben. Diese Geste des guten Willens »wäre sicherlich im Sinne aller Blues-Freunde«.177 Dass Lippmann und Rau kein Pardon kannten, wenn verbriefte Rechte angetastet wurden, belegte die juristische Klage gegen das Robin-Hood-Gebaren eines Freaks. Er hatte einen Rundfunkmitschnitt vom AFBF 1980178 vervielfältigt und bot ihn per Inserat über ein Fanzine »zum Selbstkostenpreis«179 an. Gemeinsam mit dem Vertriebspartner Bellaphon erwirkten L+R Records eine einstweilige Verfügung. Sie untersagte den weiteren Vertrieb der Kassette und drohte ein »Ordnungsgeld bis 500.000 DM« bzw. eine »Ordnungshaft bis zu 6 Monaten für jeden Fall der Zuwiderhandlung« an.180 Der Delinquent, ein »Bluesfreund ohne böse Absichten«, war bestürzt. Seine Initiative sei als »Aktion zur Förderung der Bluesmusiker und -musik« gedacht gewesen und zielte in keinerlei Weise auf »finanzielle Vorteile«. Er versicherte, dass lediglich zwei Exemplare der illegalen Kopie verschickt worden waren.181 Der Beschuldigte kam mit einem blauen Auge davon, die Streitsache wurde zu den Akten gelegt.

              Während das AFBF in der Bundesrepublik sukzessive Format und Geltung einbüßte und auch weiterhin rote Zahlen schrieb,182 blieb das Interesse im Osten Deutschlands konstant. Das Festival löste dort 1964 und 66 sowie 1982, 83 und 85 regelrechte Begeisterungsstürme aus. Der anhaltende Erfolg hatte mehrere Ursachen. Internationalen Konzerten haftete in der DDR ein Nimbus von Exklusivität an, sie waren rar und wurden nicht en passant konsumiert, sondern vom Zuschauer als krönendes Ereignis zelebriert. Der allgegenwärtige Mangel, der genauso das Angebot von Schallplatten und Druckerzeugnissen beherrschte, sorgte für eine besondere Sensibilität und Empfänglichkeit. »Man kann die alte DDR unmöglich preisen für ihre Behinderungen«, schrieb der Publizist Christoph Dieckmann, »aber sie hat uns die Musik so teuer wie möglich gemacht. Man liebt

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Lippmann: Brief an Thomas Gutberlet, 07.02.1983. Der RIAS zeichnete am 29. April 1980 ein Konzert im Internationalen Congress Centrum Berlin auf und sendete es in Ausschnitten. 179 Anzeige in: GBCI 44/1980, 15. 180 Landgericht Frankfurt am Main. 181 Zitate und Angaben: Donisch: Brief an die Rechtsanwälte Burkhardt und Renz, 2 und 1. 182 Vgl. Schwab: Auf der heißesten Volkshochschule der Welt, 141.

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doch nur, was man erkämpfen muss, und Kunst handelt von dem, was fehlt.«183 Die AFBF ragten aus dem dünnen Angebot von internationalen Events heraus. In dieser Ballung, als ausschließlich mit amerikanischen ›Originalen‹ bestücktes Festivalpaket, war populäre Musik im deutschen Osten sonst nie zu erleben. Auch wenn die Qualität der Darbietungen schwankte, blieb den Gästen tosender Applaus gewiss. Westliche Künstler genossen beim DDR-Publikum einen Dauerbonus, sie wurden als Gesandte einer Welt der ›unbegrenzten Möglichkeiten‹ und Inkarnation des ›Echten‹ gefeiert. Hinzu kam, dass der Blues in einem Land, das sich mit Mauer und Stacheldraht abschottete, eine einzigartige Symbolkraft und Relevanz besaß. Er mischte den melancholischen Grundton des Alltags mit Trotz und Verweigerung. Blues war in der DDR weitaus mehr als der Soundtrack einer eingeschworenen Gemeinschaft von Musikfans – er übersetzte soziale Konflikte in Klang und Aktion und stiftete politische Identität, fasste in Töne, was man nicht aussprechen durfte. Deshalb hatte er eine höhere Halbwertszeit als anderswo, blieb gegen Moden und Trends immun. Im Unterschied zum Westen, wo Lippmann und Rau die örtlichen Veranstalter des AFBF auf rein kommerzieller Ebene rekrutierten, verhandelten sie im Falle der DDR faktisch mit dem Staat. Sowohl die Medien wie auch der Livesektor wurden durch die SED gesteuert. Sie kontrollierte die Öffentlichkeit von Kunst und Kultur, schloss Verträge und wachte über die Programme. Deutsch-deutsche Geschäfte setzten Kompromissbereitschaft und Fingerspitzengefühl voraus. Horst Lippmann wusste um die Empfindlichkeit der Dinge und verfuhr nach bewährtem Prinzip: Er steckte Gleichgesinnte mit seinem Enthusiasmus an und gewann Mittelsmänner vor Ort. Der wichtigste ostdeutsche Kontakt hieß Karlheinz Drechsel (*1930). Er gehörte als Rundfunkmoderator, Conférencier und Autor zu den prominentesten Förderern des Jazz im sozialistischen Teil der Republik.184 Lippmann schätzte Drechsels Kompetenz, er nannte ihn den »Jazz- und Blues-Papst in der DDR«.185 Beide verband über die Jahrzehnte hinweg ein freundschaftlicher Draht. Nachdem sie einige Zeit miteinander korrespondiert hatten, lernten sie sich im Frühjahr 1964 persönlich kennen. Horst Lippmann reiste nach Ostberlin, um den Kollegen für seine Pläne zu gewinnen und als »Brückenbauer« 186 in Anspruch zu nehmen. Karlheinz Drechsel hatte Treffen mit Vertretern des Rundfunks, des VEB Deutsche Schallplatten und der Künstleragentur eingefädelt. Diese Institutionen

183 Dieckmann: My Generation, 11. 184 Im Januar 2004 wurde ihm dafür das Bundesverdienstkreuz verliehen. 185 Lippmann: Brief an Winfried Merkle, 2. 186 Drechsel/Drechsel: Zwischen den Strömungen, 93.

     

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besaßen das Monopol im jeweiligen Ressort, private Konkurrenz existierte nicht. An den offiziellen Stellen führte kein Weg vorbei.187 Mit Drechsels Unterstützung konnte Lippmann die staatliche Künstleragentur für eine DDR-Tournee des Albert Mangelsdorff Quintetts gewinnen.188 Sie fand Anfang September 1964 statt. Mangelsdorff, ein Posaunist mit glänzender Zukunft, wurde damals von Lippmann und Rau gemanagt. Außerdem konfrontierte Horst Lippmann die Genossen mit seiner Vision, das AFBF hinter dem Eisernen Vorhang zu präsentieren. Auch in dieser Frage stand ihm Karlheinz Drechsel zur Seite. Er hatte im Vorfeld bereits angedeutet, wie man ein solches Projekt den Entscheidungsträgern ›verkaufen‹ könne, nämlich »im besten Sinne als Politikum«.189 Das Etikett »American Folk Blues Festival« war zweifellos erklärungsbedürftig. Drechsel erinnerte sich, dass »in der Künstleragentur kein Mensch mit dem Begriff etwas anfangen konnte« und dass er quasi als Bürge fungierte. »Horst Lippmann hat natürlich viele Details erzählen können, aber irgendwie war es den Leuten wichtig, dass da auch einer aus dem eigenen Lande dabei ist und etwas sagt. Eine grundsätzliche Einigung konnte recht schnell herbeigeführt werden«,190 nur die Finanzierung schien ein Problem zu sein. Der DDR-Seite mangelte es an harter Währung. Dabei klangen Lippmanns Konditionen relativ kulant. Er bot das komplette Programm für 12.000 DM an. In dieser Summe waren bereits sämtliche Reisekosten enthalten, außerdem räumte sie dem DDR-Rundfunk das Recht ein, den Konzertmitschnitt zu übertragen. Die Offerte galt für die Aufführung des AFBF in Ostberlin vor kalkulierten 12.000 Besuchern.191 Lippmann und Rau lenkten ein und schlugen vor, das Honorar zu splitten. »Allerdings müsste bei dieser Veranstaltung mindestens ein Betrag von DM 3500 in westlicher Währung ausgezahlt werden und für den Rest Einkaufs- und Ausfuhrgenehmigungen erteilt werden.« Aus diesem Entgegenkommen würden alle Seiten ihren Nutzen ziehen, denn sicherlich sei neben »dem kommerziellen Erfolg eine solche Veranstaltung auch ein großer Prestige-Erfolg«.192

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Zur Geschichte, Funktion und Wirkungsweise des kulturpolitischen Verwaltungsapparates der DDR vgl. Herbst/Ranke/Winkler sowie Wicke/Müller, 251–261. Nur die Künstleragentur der DDR durfte internationale Gäste engagieren und Verträge abschließen. 1960 gegründet, firmierte sie bis 1968 als Deutsche KünstlerAgentur GmbH Berlin. Drechsel: Brief an Horst Lippmann, 1. Drechsel/Drechsel: Zwischen den Strömungen, 94 und 94–95. Möglicherweise sollte das Konzert, wie damals durchaus üblich, zweimal hintereinander dargeboten werden. Angaben und Zitate: Lippmann: Brief an Frau Berliner.

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Alternativ stand eine Gruppe von fünf Musikern zur Disposition, die unter dem Titel »Big City Blues« als Ableger des AFBF in verschiedenen Ländern tourte.193 Es handelte sich um Howlin’ Wolf, Willie Dixon, Sunnyland Slim, Hubert Sumlin und Clifton James. Auf diese reduzierte Version einigte man sich schließlich, erübrigte sie doch die kostbaren Devisen. Stattdessen wurde per Kompensationsleistung vergütet. Die Künstler gingen am 1. November 1964 für Horst Lippmann ins Ostberliner Amiga-Studio. Auf Howlin’ Wolf musste man verzichten, er war vertraglich an Chess Records gebunden. Das verbleibende Quartett spielte eine LP ein, die auch das staatliche Unterhaltungslabel herausbringen durfte.194 Dessen Rechte »zur Auswertung der Aufnahmen« beschränkten sich auf die DDR »und sämtliche anderen sozialistischen Länder einschließlich Jugoslawien und Kuba«. Im Vertrag hieß es weiter: »Herr Lippmann erhält für die Auswertung für die übrige Welt von DS einen Umschnitt der Aufnahme.« Der VEB Deutsche Schallplatten hatte ein Bruttohonorar von 7500 DDR-Mark zu zahlen, mit dem die künstlerische Leistung und das Veröffentlichungsrecht abgegolten wurde, Valuten fielen nicht an.195 Die Platte war eine kleine Attraktion, brachte sie doch seltene Musikerkonstellationen zu Gehör.196 Willie Dixon und seine vier Mitstreiter traten 1964 in Ostberlin, Dresden und Potsdam auf. Am Vormittag der Plattenproduktion gaben sie ein kurzfristig anberaumtes Zusatzkonzert in Dresden, dann fuhren sie nach Berlin. Die Shows fanden in mittelgroßen Sälen statt,197 sie waren durchweg ausverkauft und wurden »stürmisch gefeiert«.198 »Die Leute haben sich die Hände wund geklatscht, es wurde ein Riesenerfolg«,199 bestätigte Karlheinz Drechsel. Einhelliges Lob zog sich durch die Presse. Die Künstler, die als »Negermusiker«200 oder »Jazzer aus Chicago« bezeichnet wurden, hätten die Essenz des Blues auf die Bühne gebracht.

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Das dezimierte Programm war beispielsweise in der Bundesrepublik und beim Warschauer Jazz Jamboree zu erleben. 194 American Folk Blues, Amiga 8 50 043, DDR 1964. 195 Zitat und Angaben: Vertrag zwischen den Herren Sunnyland Slim, Willie Dixon, Hubert Sumlin, Clifton James, vertreten durch Herrn Horst Lippmann, und dem VEB Deutsche Schallplatten, 2. Die Abkürzung DS steht für VEB Deutsche Schallplatten. 196 Insgesamt wurden 26.040 Exemplare verkauft. Angaben nach Sony Music Entertainment Germany GmbH. Die Firma vermarktet den Backkatalog von Amiga. E-Mail an den Autor, 12.06.2014 197 Berlin: Filmtheater Kosmos, 30.10.1964; Potsdam: Haus der Offiziere, 31.10.1964; Dresden: Steinsaal im Deutschen Hygiene-Museum, 29.10. und 01.11.1964. 198 Neues Deutschland vom 02.11.1964, 4 [Notiz, ohne Titel und Autor]. 199 Drechsel: Leuchtfeuer, 403. 200 Neues Deutschland vom 02.11.1964, 4 [Notiz, ohne Titel und Autor].

     

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»Was bei uns oft als Abklatsch erscheint, hörten wir ursprünglich und unverfälscht, das allein war schon ein Genuss.«201 Zwei Jahre später, am 16. Oktober 1966, reiste das AFBF abermals nach Ostberlin. Diesmal entschied man sich für das vollständige Line-up und präsentierte es um elf Uhr im renommierten Friedrichstadt-Palast. Er war trotz der frühen Stunde bis auf den letzten Platz gefüllt und bebte vom Applaus. »Lippmann konnte es kaum fassen«, entsann sich Karlheinz Drechsel. »Mit dem Blues kamen schwarze Künstler in die DDR – das war schon etwas Besonderes. Aber ich glaube nicht, dass die gewaltige Resonanz nur durch die Exotik zu erklären ist. Vielleicht spürte man im Osten noch deutlicher die Brisanz, die in dieser Musik steckt, das Oppositionelle, die Kontrahaltung.«202 Das Konzert im Friedrichstadt-Palast wurde mitgeschnitten und von Amiga auf zwei LPs veröffentlicht.203 Beide verkauften insgesamt 148.340 Einheiten.204 Die DDR-Presse rückte das AFBF tendenziell in ein politisches Licht. Sie identifizierte den Blues als »Musik des anderen Amerika«,205 erkannte in ihm eine »Stimme der Menschlichkeit, die sich ihres kommenden Sieges über die Unmenschlichkeit bewusst ist«.206 Anlässlich des Jahrgangs 1964 hieß es: »Stets der Eingebung des Augenblicks folgend, brachten die Gäste aus den USA die Empfindungen der Neger angesichts der Rassendiskriminierung zum Ausdruck, spielten und sangen sie von bitteren und traurigen, aber auch von alltäglichen, heiteren Begebenheiten.«207 Zum Aushängeschild des 1966er Festivals geriet der »Vietnam-Blues«208 von Junior Wells, weil er »den Wunsch der Bewohner der NegerGhettos für ein Amerika ohne Unterdrückung und Krieg«209 verkörpere. Er wurde mit Attributen wie »protestierend, anklagend, fordernd« und schlichtweg »ergreifend« versehen.210 Ein neues Selbstbewusstsein formiere sich in den USA, das »auf die den Negern versprochenen Bürgerrechte nicht länger wartet, sondern sie lautstark fordert, auch mit dem Blues. Mit seinem ›Vietnam-Blues‹ steht Junior

201 Beide Zitate: Großstadtblues vom 5. Kontinent. 202 Drechsel: Leuchtfeuer, 403–404. 203 American Folk Blues Festival 66, Teil 1 und 2, Amiga 8 50 114 und 8 50 126, DDR 1966. 204 Angabe nach: Sony Music Entertainment Germany GmbH, E-Mail an den Autor, 12.06.2014. 205 Vgl.: Musik des anderen Amerika. 206 Drechsel: American Folk Blues 1966, 25. 207 Blues aus Chikago. 208 Im Original: »Vietcong Blues«. 209 American Folk Blues. 210 Drechsel: American Folk Blues 1966, 24 und 22.

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Wells mit in der vordersten Reihe der progressiven Künstler des ›anderen‹ Amerika.«211 Konsequenterweise wurde der Song aus dem Konzertmitschnitt ausgekoppelt und als Single veröffentlicht.212 Die politische Lesart unterschied sich kaum von den Interpretationen der bundesrepublikanischen Linken und dem Inszenierungskonzept von Lippmann, Rau und Kieser. Tatsächlich färbten diese Muster nicht unerheblich auf den ostdeutschen Blick ab, sie drückten bis in die spezifische Wortwahl durch. Karlheinz Drechsel, der sämtliche Auftritte des AFBF in der DDR moderierte, erinnerte sich: »Die Informationen bekam ich schriftlich von Horst Lippmann. Ich stellte in den Ansagen die Künstler vor, erzählte ihre Geschichte. Dass diese großartigen Musiker in den USA kaum beachtet wurden und mancher von ihnen am Rand des Existenzminimums lebte, das hat uns schon bewegt. Genauso das Thema ›Rassismus‹. Die Inhalte der Songs spielten ebenfalls eine zentrale Rolle. Daran lag dem Veranstalter, dass man erfährt, wovon eigentlich gesungen wird. Was ja auch keine schlechte Idee war.«213 Als das AFBF 1980 reanimiert wurde, stand die DDR erneut auf der Agenda. Horst Lippmann signalisierte Karlheinz Drechsel, dass er »mit Amiga und der Deutschen Künstler-Agentur gerne wieder ins Gespräch kommen« würde. Außerdem könne er hochkarätige Acts aus dem L+R-Katalog anbieten. »Ich denke da vor allem an Louisiana Red, mit dem ich jetzt zwei LPs produziert habe, die noch sozialkritischer sind als Lenoirs ›Alabama Blues‹214 oder Junior Wells’ ›Vietnam Blues‹. Ich glaube, dass man dafür in der DDR bestimmt Interesse hätte – wie überhaupt Red unter meiner Produktionsleitung zum zur Zeit stärksten BluesKünstler in den USA und überhaupt geworden ist. Das sage nicht ich, das sagen

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Drechsel: American Folk Blues Festival 66. Junior Wells: Vietnam-Blues c/w Big Joe Turner: Roll ’em Pete, Amiga 4 50 599, DDR 1966. 213 Karlheinz Drechsel im Gespräch mit dem Autor am 17. Juni 2003. 214 Für die gleichnamige LP, die 1965 von Horst Lippmann produziert worden war, erwarb Amiga die Lizenz. J. B. Lenoir: Alabama Blues, Amiga 8 50 176, DDR 1969.

     

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andere.«215 Im Dezember 1980 schrieb Horst Lippmann die Künstleragentur direkt an und fragte parallel Karlheinz Drechsel, ob er »etwas nachhaken«216 könne. Er wolle das AFBF wieder in der DDR veranstalten. Auch an die staatliche Plattenfirma trug er seinen Wunsch heran. In einem Brief, der sich ausdrücklich auf entsprechende Unterredungen »mit meinem Freund Karlheinz Drechsel« bezog, schlug Lippmann verschiedene Finanzierungsmodelle vor. Der mit D-Mark zu begleichende Honoraranteil könne durch den abermaligen Mitschnitt einer Live-LP abgedeckt werden, und auch für den in DDR-Währung zu zahlenden Rest sei eine Kompensation denkbar. Koproduktionen und die Lizenzierung von Aufnahmen ostdeutscher Künstler für den westlichen Markt wären eine Option zu beiderseitigem Nutzen. Horst Lippmann erwähnte den Bluesmusiker Stefan Diestelmann, der in der DDR Kultstatus genoss und kürzlich sein zweites Album vorgelegt hatte.217 »Diese Platte würde ich gerne in der BRD veröffentlichen oder, falls die Rechte hierfür schon vergeben sind, mit dieser Gruppe im Anschluss an das American Folk Blues Festival in einem Studio der VEB Deutsche Schallplatte eine Neuproduktion durchführen. An der Platte gefällt mir besonders gut, dass Stefan Diestelmann für mich der bisher erste deutschsprachige Künstler ist, der die Besonderheiten des Blues aus dem Englischen ins Deutsche transformiert hat. So wäre ich auch, falls so eine Neuproduktion möglich ist, unbedingt [daran] interessiert, dass Diestelmann und die Sängerin Regine Dobberschütz ihre Bluestexte in Deutsch singen.«218 Wenngleich zu guter Letzt andere Vertragswege beschritten wurden, stieß Horst Lippmanns Grundidee doch auf offene Ohren. Am 6. November 1982 war das AFBF wieder in der DDR zu Gast. Dieses Mal wurde die Konzerthalle Carl Philipp Emanuel Bach in Frankfurt/Oder, eine ehemalige Klosterkirche, zum Austragungsort gekürt. Als örtlicher Veranstalter fungierte der staatliche Rundfunk. Auf seinen Frequenzen hatte das Festival seit jeher einen Platz; auch diejenigen Jahrgänge, die nicht den Osten bereisten, wurden zum Teil ausgestrahlt. Per Schreiben vom 6. September 1982 bestätigten Lippmann und Rau die vereinbarten Konditionen: »Die Künstler erhalten ein Honorar in Höhe von 4000 BRD-DM und einen weiteren Betrag in DM-DDR,219 der den Flugkosten Berlin-Schönefeld –

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Lippmann: Brief an Karlheinz Drechsel. Hartmann: Brief an den Direktor der Künstler-Agentur der DDR. Horst Lippmann schickte einen Durchschlag des Briefes an Karlheinz Drechsel und vermerkte seine Bitte handschriftlich. 217 Stefan Diestelmann Folk Blues: Hofmusik, Amiga 8 55 793, DDR 1980. 218 Alle Zitate: Lippmann: Brief an Dr. Büttner, 1 und 2. 219 Gemeint sind DDR-Mark.

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Wien – Berlin-Schönefeld für 13 Personen entspricht,220 und ein großzügig bemessenes Taschengeld für alle Beteiligten. Die Beträge sind netto, d. h. frei von jeglichen Abzügen, und werden am Konzertabend ausbezahlt.« Hinzu kamen die Übernachtung in einem Ostberliner Hotel, der Transfer nach Frankfurt/Oder und die Bereitstellung von Ton- und Lichttechnik sowie einzelner Instrumente. Das Konzert wurde zweimal dargeboten, um 17 bzw. 21 Uhr, und vom Rundfunk aufgezeichnet. Vereinbart war: »Für die Übertragung der Senderechte für den Bereich der sozialistischen Länder erhalten wir eine Kopie des Bandmitschnittes zu unserer freien Verfügung in der westlichen Welt.«221 Amiga wählte acht Songs aus und brachte sie auf LP heraus,222 gegen ein Nettohonorar von 7000 DDR-Mark.223 Der Long Player verkaufte sich 54.850-mal.224 Wie kaum anders zu erwarten, wurde das Konzert in Frankfurt/Oder als »ein unvergessliches Erlebnis«225 gefeiert. »Die größtenteils bärtige Blues-Gemeinde, von weither angereist, lauschte begeistert«226 und dankte den Künstlern »mit euphorischem, lang anhaltendem Beifall für das echte, tiefe Blues-Gefühl, das von der Bühne kam«.227 Der als »DT 64 Jugendkonzert«228 angekündigte Abend folgte minutiös Horst Lippmanns Dramaturgie. Die Show war nach schulmeisterlich-dokumentarischer Manier in zwei Sektionen unterteilt, die man mit »Country Blues«

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Das AFBF reiste am 7. November 1982 nach Wien und am nächsten Tag zurück nach Berlin, wo es im Westteil der Stadt gastierte. Die anfallenden Flugkosten hatte die DDR-Seite ausgleichend zu tragen. Zitate und Angaben: Rau: Brief an Herrn Jahn, 2 und 1. Der Preis für die elf Musiker des AFBF plus zwei Begleiter war vergleichsweise moderat. Lippmann und Rau boten im selben Schreiben weitere Künstler an. Eine 60-minütige Show mit Helen Schneider with The Kick kostete 5000 DM und 7000 DDR-Mark, Nana Mouskouri verlangte pro Auftritt 5000 DM und 20.000 DDR-Mark netto. Hinzu kamen Spesen, Übernachtungen in »First-Class-Hotels« und die Garantie von Ausfuhrgenehmigungen. Das Gastspiel von Nana Mouskouri war auch davon abhängig, ob sie einen Konzertflügel der Firma Blüthner in der DDR erwerben durfte. Vgl. ebd., 2–4. American Folk Blues Festival ’82, Amiga 8 56 016, DDR 1983. Vgl. Künstler-Agentur der DDR. Die ostdeutsche Plattenfirma durfte die LP in der DDR und den »anderen sozialistischen Staaten« veröffentlichen. Vgl. Vereinbarung zwischen der L+R Records GmbH und dem Rundfunk der DDR. Angabe nach: Sony Music Entertainment Germany GmbH, E-Mail an den Autor, 12.06.2014. Lorenz: Blues aus erster Hand. Eik, 1502–1503. Gehl, 21. DT 64 war das Jugendprogramm des DDR-Rundfunks. Nachdem es fast 22 Jahre lang über die Frequenzen des Berliner Rundfunks ausgestrahlt wurde, erhielt es im März 1986 den Status eines eigenständigen Senders.

     

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und »City Blues« überschrieb. Das Programmheft229 stellte die Musiker vor und reservierte eine Seite für »Lexikalisches«. Hier wurden etliche Klischees weitergereicht und eine fragwürdige Terminologie bedient. Die ländliche Spielart, so war beispielsweise zu lesen, wurzele »in der afrikanischen Negerfolklore« und sei von »wandernden, zumeist blinden Volkssängern« verbreitet worden. Unter den Quellenangaben fand sich der Verweis: »Promotionsmaterial Concert-Büro Lippmann/Rau«.230

Auch die nächste Ausgabe des AFBF wurde als »DT 64 Jugendkonzert« präsentiert. Am 14. November 1983 hob sich um 17 und 21 Uhr der Vorhang des Dresdner Kulturpalastes für das sehnsüchtig erwartete Spektakel. Es sollte an einen wenige Monate zuvor verstorbenen Pionier des Genres erinnern und trug deshalb den Untertitel »In memoriam Muddy Waters«. Die Presse war wieder des Lobes voll und schwärmte von einer »Delikatesse besonderen Formats«.231 Das Publikum wäre nur so von den Stühlen gerissen worden, es »wollte der Beifall kein Ende nehmen – Beifall für eine lebendige Art zu musizieren, in der – wie kaum in einem anderen Bereich – Kunst und Leben zu einer Einheit verschmelzen«.232 Lediglich Karlheinz Drechsels Ansagen kamen nicht bei allen gleich gut an. Aus seinem Mund war »manch ernüchternder Unterton zur sozialen Situation der Künstler zu hören, was ein paar ›Fans‹ offensichtlich störte«.233 Kritische Saiten zog die Rezension eines ostdeutschen Connaisseurs auf, die das Westberliner Magazin »Blues Forum« druckte. Sein Einspruch wäre in den DDR-Medien kaum möglich gewesen. Denn die dort regierende Zensur hatte auch den Fortbestand von ›Westkonzerten‹ zu sichern und nicht durch Polemik infrage zu stellen. Zwar wusste der Autor wie alle anderen von einem Saal zu berichten, 229 Es vermied im Titel jeden Hinweis, dass es sich um das AFBF handelte. 230 Alle Zitate: DT 64 Jugendkonzert. 231 Lorenz: Blues in memoriam von Muddy Waters. 232 Flügge. 233 Folk Blues.

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der »tobte, kochte, wogte« – ihn selbst jedoch hätte die künstlerische Qualität nur streckenweise überzeugt. »Arg enttäuscht« war er von Louisiana Red, der sich wie »ein musikalisch und technisch fast dilettantischer« Fehlgriff gerierte und »nur Show« bot. Jimmy Rogers saß »wie ein Opa auf seinem Stühlchen«, und Carey Bell »tutete relativ erbärmlich auf seinem Instrument herum«. Larry Johnson war entweder »völlig aus der Übung, oder aber er hatte keine besondere Lust zu spielen«. Auch Moderator Karlheinz Drechsel kam schlecht weg. Er zeigte sich »leider inkompotent wie immer, weswegen er doch besser bei seinem Fach, dem Jazz, bleiben sollte«. Der Artikel schloss mit einem versöhnlichen Fazit: »Trotz mancher Schattenseiten genug Glanzlichter, um sagen zu können, dass das AFBF ’83 sich gelohnt hat. Für das Festival im kommenden Jahr hoffe ich, dass Produzent Horst Lippmann auch endlich die Zeit findet, uns einmal Blueskünstler aus den anderen Blueszentren neben Chicago und Mississippi zu präsentieren.«234 Am 27. Oktober 1985 stoppte das AFBF noch einmal in der DDR. Um elf und um 16 Uhr betrat die neunköpfige Crew die Bühne des Ostberliner Metropol-Theaters. Die Veranstaltung, eine Koproduktion von DT 64 und dem staatseigenen Jugendfernsehen, war in die Reihe »Hier um 11« eingebunden. Abermals drängten sich hunderte Bluesfans, die keine Karte bekommen hatten, vor der Tür, wieder wurden »orkanartige Begeisterung, totale Kommunikation« und »Standing Ovations«235 rapportiert. Radio und TV zeichneten das Konzert auf, doch die erhoffte Plattenproduktion fiel ins Wasser. Wie 1982 bot Amiga 7000 DDR-Mark netto »für die Überlassung der Auswertungsrechte«,236 Lippmann und Rau forderten allerdings 2000 DM.237 Das war exakt die Summe, die der Rundfunk entgegen früherer Absprachen als »Gesamtlizenzgebühr« für den Bandmitschnitt verlangte. »Über diese mangelnde Kooperation«, so Horst Lippmann in einem Brief an die Künstleragentur, »sind wir sehr verärgert und enttäuscht«.238 Die LP scheiterte an festgefahrenen Interessen, der ostdeutsche Bluesliebhaber ging leer aus. Ungeachtet dieser Zwistigkeit freute sich DT 64 auf eine Fortsetzung der Festivalserie.239 Doch dazu sollte es nicht mehr kommen, die AFBF waren Geschichte.

234 235 236 237 238 239

Alle Zitate: Freyer: American Folk Blues Festival, Dresden, 14. Nov. 1983, 26 und 27. Drechsel: American Folk Blues Festival ’85, 13. Kammel. Vgl. Heinrich: Brief an Inge Gawlitta. Beide Zitate: Gawlitta: Brief an Kammel. Vgl. Bartel.

     

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                Die AFBF holten den Blues nicht nur ins Rampenlicht, sie leisteten auch seiner Ideologisierung Vorschub. Einst in den elitären Kreisen der Jazzexegese gefangen, eroberten die Glaubenssätze das Feuilleton. Dort avancierten sie zum Gemeingut und trieben neue Blüten. Die zentrale Kategorie, auf die sich sämtliche Auseinandersetzungen reduzieren ließen, hieß ›Authentizität‹. Ob in ästhetischer, sozialer oder politischer Hinsicht – der Blues galt als eine Kunst, die keine Verkleidung braucht, sondern ›die Dinge‹ unmittelbar ausspricht. Seine Anhänger erkannten in ihm den Klang des Daseins. Oder wie es Willie Dixon pathetisch formulierte: »Der Blues kommt aus deinem Leben; wenn du ein Leben besitzt, hast du bereits den Blues.«240 Mit den AFBF setzte die Assimilation einer Musik ein, die von vielen als fremd und exotisch empfunden wurde. Anfangs regierte eine Art gespannte Distanz, wie am Darbietungskonzept deutlich ablesbar war. Kritiker beanstandeten die sterile Atmosphäre des Konzertsaals, weil sie den Blues aus seiner »lebendigen Umgebung« risse und die Zwischentöne »nivelliere«.241 Der Journalist und Augenzeuge Konrad Heidkamp bemerkte im Rückblick: »Es herrschte jener museale Hauch, der auch all die verdienstvollen Dokumentationen umweht, die aufzeichnen und bewahren wollen, was die weiße Zivilisation systematisch unterpflügt und einebnet, um die eigene Ideologie zu säen.«242 Chris Strachwitz, der die angestammten Verhältnisse nur zu gut kannte, fand es riskant, »echte Volksmusik auf der Bühne vorzuführen. Es ist einfach nicht der rechte Rahmen«. Denn »die Musiker verstehen ja meist gar nicht, welche Rolle sie hier spielen, und sie entsprechen in keiner Weise einem formellen Konzertverlauf«. Sie »brauchen eine gewisse Anfeuerung durch das Publikum. Erst dann spielen sie wirklich gut. Wenn aber das Publikum nicht richtig mitmacht – und im Konzertsaal fühlen sich eben viele gehemmt –, sind sie nicht routiniert genug, um auch ohne diesen Kontakt aus sich herauszugehen.«243 Ein vernichtendes Urteil fällte Charles Keil. Der amerikanische Musikethnologe und Anthropologe verspottete Lippmann und Rau als Archäologen und degradierte das 1964er Festival zur »drittklassigen Minstrel Show. Die gleiche Show

240

So zitiert auf dem Back Cover der LP »American Folk Blues Festival ’85«, L+R Records, LR 50.003, BRD 1985. 241 American Folk Blues Festival ’66 [von D. Z. = Dieter Zimmerle]. 242 Heidkamp: Einen Blues spielte er nicht, 159. 243 Alle Zitate: Strachwitz: Mit dem American Folk Blues Festival in Europa, 404.

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würde von einem Negerpublikum in Chicago (vorausgesetzt, man könnte es überhaupt dazu verleiten, sich eine Parade von Invaliden anzuschauen) mit Spottgeschrei, Pfiffen und Gelächter aufgenommen werden.« In London jedoch, wo Keil das Konzert erlebt hatte, lauschte das Auditorium in »ehrfürchtiger Stille«. Und »je absurder die Performance war, desto donnernder schallte der Applaus«.244 Charles Keils Verriss fand sich im 1966 veröffentlichten Buch »Urban Blues«. Die einflussreiche, bis heute kontrovers diskutierte Monographie war als Analyse und poEddie Boyd, »Lonesome« Jimmy Lee Robinson litisches Manifest konzipiert, das und Fred Below (von links), Baden-Baden, 1965 gegen die Knechtung der Afroamerikaner in den USA protestierte.245 Keils Sicht auf das AFBF wurde von Bob Groom neutralisiert. Seine Stimme hatte besonderes Gewicht, gehörte sie doch einem Zeitgenossen und Insider. Groom gab seit 1965 das britische Magazin »Blues World« heraus. In seiner Studie »The Blues Revival« wies er Keils Injurie als »bitter und ungerechtfertigt« zurück: »Er unterstellte, dass die meisten Bluesmen, die dort [auf dem AFBF, M. R.] aufgetreten sind, zur Zeit seiner Niederschrift alt, gebrechlich und musikalisch unfähig waren, eine Kritik, die sehr weit von der Wahrheit entfernt ist. In Wirklichkeit sind alle Künstler, die am FBF246 teilnehmen, im vollen Besitz ihrer musikalischen Fähigkeiten, und es gibt eine beachtliche Vielfalt in der Zusammensetzung jedes Festivals, ohne Betonung auf irgendeinen speziellen Stil oder eine Generation. Alten und neuen Blues kann man nicht vergleichen, sondern nur kontrastieren,

244 245

246

Alle Zitate: Keil: Urban Blues 1970, 37. Vgl. Keil: Urban Blues 1991, Nachwort, 226. Aufschlussreich ist der Entstehungshintergrund des Buches. Bei »Urban Blues« handelt es sich um Charles Keils Masterarbeit, die er am Anthropologischen Institut der University of Chicago einreichte; vgl. E-Mail von Keil an den Autor, 19.02.2007. Keil war damals ein junger, kämpferischer und auch von Illusionen getriebener Mann. Entgegen weit verbreiteten Vermutungen ist seine Hautfarbe weiß. FBF = American Folk Blues Festival.

     

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und die Bluesfestivals dienen dazu, ein weites Spektrum des Blues zur Aufklärung und Unterhaltung allen Beteiligten darzubieten, Publikum und Interpreten. Dies und die Bühnenpräsentation von Künstlern, welche die meisten Bluesliebhaber ansonsten keine Gelegenheit hätten zu sehen, ist ihre Rechtfertigung – sofern eine Rechtfertigung für solch einen vitalen Teil der Bluesszene nötig ist.«247 In eine ähnliche Richtung wie Charles Keils Attacke zielte ein Angriff von Baldur Bockhoff, den die konservative, evangelische Wochenzeitung »Christ und Welt« Ende 1964 druckte. Der Verfasser, ein Journalist und Laienmusiker, höhnte: »jene in diesem Folk Blues Festival gebotenen Marotten und Mätzchen, jenes hilflose Stammeln und Lallen, sie gehören ins Archiv. Da wissen einige der von den deutschen Jazzpäpsten mit Lorbeeren überschütteten Musikanten nicht, wo die Eins, die Zwei, die Drei und die Vier sind, nicht, in welcher Tonart man spielt. Soziologisch freilich war das Konzert interessant: denn was hier an lustigen Vögeln auf der Bühne versammelt war, machte die Schau sehenswert – und doch zum Panoptikum. Aber bekanntlich schrecken Manager vor nichts zurück. Selbst den geisteskranken Bud Powell haben sie vor Jahren auf die Bühne geschickt. Das Folk Blues Festival spielte vor ausverkauften Häusern, die Kritiker überschlugen sich, und für die Gage, die einige der lebenden Raritäten kassierten, würden nicht einmal Dixieland-Amateure auftreten. So sieht die Kehrseite des Idealismus aus.«248 Der Affront rief prominente Gegenwehr hervor. Joachim-Ernst Berendt, den die Presse als »Jazz-Papst« hofierte und der sich von Bockhoff unverhohlen ins Visier genommen sah, erkannte eine »genaue Erfüllung des Tatbestandes ›übler Nachrede‹«.249 Jazzavantgardist Albert Mangelsdorff verteidigte die Pionierleistung von Lippmann und Rau. Er bescheinigte dem Konzertbüro absolutes »Verantwortungsbewusstsein und Seriosität« und unterstrich mit Blick auf das AFBF, »dass es noch nie eine so vorbildliche und ernsthafte Dokumentation einer Volksmusik im Konzertsaal gegeben hat wie in diesem Fall«.250 Baldur Bockhoffs polemischer Hieb war keine Ausnahme. Ästheten, Nostalgiker und vor allem die ›Jazzpolizei‹ mokierten sich selbst über den leisesten Anflug von Entertainment. So warfen sie beispielsweise Howlin’ Wolf vor, dass er »den wilden Mann mimt«251 und »sich in erotischer Brutalität« sonnt,252 sie tadelten Sugar Pie DeSantos Nachtclubschick und sinnierten über die »modischen

247 Groom, 86–87. 248 Bockhoff: Auch der Jazz macht nicht frei, 17. 249 Macht der Jazz uns doch frei? 250 Mangelsdorff. 251 Zimmerle: American Folk Blues Festival 1964, 299. 252 Burkhardt: Zwang zur Zwanglosigkeit.

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Haarwellen«253 von Otis Rush und Junior Wells. Buddy Guy, der seine Gitarre »wie ein Maschinengewehr benutzte«,254 kreideten sie flamboyante Tanzschritte an und dass er James Brown coverte. Den Veranstaltern wurde empfohlen, sie mögen T-Bone Walker, »ein charakteristischer Vertreter« der »kabarettistischen Blues-Vortragsart«,255 »zu etwas dezenterer Mimik anhalten«.256 Dabei hatten Lippmann und Rau ihre Klienten bereits vorsorglich gebeten, auf akrobatische Showeinlagen zu verzichten. Im Fernsehen galten sie ohnehin als Tabu, wie sich Günther Kieser erinnerte: »Das war uns alles peinlich, was ich im Nachhinein gar nicht so richtig finde, weil wir da mit unserem allzu weißen Kopf reingeredet haben. Wir wollten halt die Akzeptanz dieser Musiker erreichen und nicht wieder aus ihnen Neger machen, die irgendwelche lustigen Sachen machen und sich selbst desavouieren.«257 Mit gespielter Entrüstung streuten Voyeure Berichte über Alkoholexzesse ein, die sie hinter den Kulissen beobachtet hatten. Man könnte im Dunkeln leicht »über die leeren Flaschen stolpern«,258 hieß es süffisant. Und was »die Umstellung auf die klaren Schnäpse Europas«259 während der Fährfahrt von Dänemark anrichtete, überließ man der Phantasie des Lesers. Deutlicher wurde ein Foto, das im »Jazz Podium« zu sehen war. Es zeigte Shakey Jake in unpässlicher Pose – mit dem Kopf auf der Tischplatte, offenbar im Vollrausch. Die despektierliche Bildunterschrift lautete: »Liegt im Blues«.260 Der puristische Zugriff, wie er die Frühphase der AFBF kennzeichnete, wurzelte in den Festschreibungen der Jazztheoretiker und den Prämissen des FolkRevivals. Sie sahen im Blues den Mutterboden, das nährstoffreiche und stabile Fundament. Die Festivalwerbung behauptete sogar, er sei »die einzige echte Volkskunst, die das 20. Jahrhundert bisher hervorgebracht hat«.261 Der wichtigste Bluespropagandist der Anfangszeit war Joachim-Ernst Berendt (1922–2000). Seine Sicht prägte das ideologische Design der AFBF in entscheidendem Maße. Berendt hatte sich als äußerst umtriebiger und produktiver Publizist und Medienexperte der afroamerikanischen Musik verschrieben. Nach dem Krieg gehörte er zu den Gründern des SWF und leitete die dortige Jazzredaktion.262 1953 brachte

253 254 255 256 257 258 259 260 261 262

American Folk Blues Festival ’66 [von D. Z. = Dieter Zimmerle]. Oliver: Blues Festival ’65, 19. Zimmerle: American Folk Blues Festival 1962. Burkhardt: »Öffnet die Ohren, der Blues zieht übers Land«. Zit. bei Schwab: Auf der heißesten Volkshochschule der Welt, 139. Burkhardt: »Öffnet die Ohren, der Blues zieht übers Land«. Burkhardt: Zwang zur Zwanglosigkeit. Illustration zu: Zimmerle: American Folk Blues Festival 1962. Lippmann: Der Jazz Club: Gesungener Blues – Zum 1. Folk Blues Festival, 1. Zum Leben und Schaffen von Joachim-Ernst Berendt siehe Hurley.

     

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er die erste Ausgabe seines viel gelesenen »Jazzbuches« heraus.263 Der Blues tauchte hier nur in knappen Passagen auf, die ihn als formspendende »Kraftquelle«264 charakterisierten. Vier Jahre später legte Joachim-Ernst Berendt eine gesonderte Monographie vor, ein schmales, 123 Seiten umfassendes Bändchen, schlicht »Blues« betitelt. Bezeichnenderweise listete das Impressum Günter Boas in der Rubrik »Musikalische Mitarbeit« auf, und zwar an erster Stelle, vor drei weiteren Namen. Mit seiner 1957er Publikation verließ Berendt die interpretatorische Einbahnstraße, in der dem Blues lediglich eine evolutionäre Erfüllungshilfe zugedacht war und die da meinte, »es wird ihn geben, solange es Jazz gibt«.265 Um die Wende zum 20. Jahrhundert, so der korrigierende Tenor, »bildeten sich zwei Zweige der Bluesentwicklung: ein folklorehafter und ein anderer, der zum Jazz führte. Oder anders ausgedrückt: der Blues wurde Jazz, aber unabhängig davon bestand das Volkslied des Blues weiter.«266 Berendts Buch kombinierte Songtexte im Original und als Übersetzung, Notationsfragmente und einen einleitenden Essay, der hermeneutische und ideologische Standards setzen sollte. Seine Definition betonte die »soziologische Bestimmung« des Blues und charakterisierte ihn als »die Musik eines ländlichen und später die eines städtischen Proletariats, dem es schlecht geht«.267 Die »rassische« Komponente umriss der Autor mit einem Schlagwort: »›Ein weißes Lied – schwarz‹: das ist – auf eine vereinfachende Formel gebracht – Blues.«268 An diesem Satz, der den Tatbestand der Akkulturation einfangen wollte, die Vermischung unterschiedlicher Musiktraditionen, entzündete sich Kritik. Janheinz Jahn, studierter Kunsthistoriker, Theaterwissenschaftler und Arabist, legte 1958 ein vehementes Veto ein. Sein Buch »Muntu« setzte sich mit philosophischen und kognitiven Konzepten afrikanischer und afroamerikanischer Kulturen auseinander und gestattete dem »meist völlig missdeutete[n] Blues«269 ein eigenes Kapitel. Berendts Floskel sei »eine weit verbreitete Meinung«,270 die das Kräfteverhältnis verzerre und von falschen Formungsprinzipien ausgehe. Jahn verwies

263

264 265 266 267 268 269 270

Es wurde in mehr als ein Dutzend Sprachen übersetzt und in verschiedenen Auflagen veröffentlicht. Bis heute gilt es als weltweit meistverkauftes Standardwerk seiner Art. Vgl. Hurley, xiii. Berendt: Das Jazzbuch 1953, 105. Berendt: Was ist der Blues? Berendt: Blues 1957, 26. Ebd., 13. Ebd., 11. Jahn: Muntu, 225. Ebd.

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auf die Arbeiten des Jazzforschers Alfons Michael Dauer: »Nicht die Bluesformel ist demnach das eigentliche Kennzeichen des Blues, sondern der Bluesstimmenablauf, der sich auf afrikanischen Wechselgesang gründet.«271 Mit seiner Theorie hatte der zitierte Kollege gängige Deutungsmuster vom Kopf auf die Füße gestellt und harmonische Normierungen im Bereich der »Grundlagen« angesiedelt, ohne die »der ganze Bau zusammenfallen« würde. Das »eigentlich schöpferische Element des Blues« sah Dauer »ausschließlich im melodischen Geschehen: es ist das Schema zur Erfindung der Bluesstimme, der Bluesstimmenablauf«.272 Wenn auch Joachim-Ernst Berendts Schriften eine größere Breitenwirkung in der Bundesrepublik entfalteten, weil er als Medienmann seine Botschaft unters Volk zu bringen wusste und weil sie besser in massenkompatible Klischeevorstellungen passte, repräsentierten die zeitgleichen Untersuchungen von Janheinz Jahn und Alfons Michael Dauer den tatsächlichen Stand der Forschung. Natürlich waren auch ihre Veröffentlichungen nicht frei von Irrtümern und gewagten Prognosen. Jahns politisch gemeinte Polemiken, die sich gegen Kolonialismus in Wort und Tat richteten, gerieten immer wieder als idealtypisch-spekulativ und empirisch dünn in die Schusslinie. Und Dauers Aufspaltung des »zeitgenössischen Blues« in die Kategorien »postklassisch«, »dekadent« und »künstlich«,273 ursprünglich eingeführt vom Jazzpuristen Rudi Blesh,274 wirkt zumindest aus historischem Abstand streitbar. Dennoch haben beide mit neuen wissenschaftlichen Akzenten und dem Angriff auf abendländische Mythen, der etwa »die Mär vom ›melancholischen‹ Blues«275 und die »rührselige Romantisierung«276 des Afroamerikaners ins Visier nahm, eine lohnende Richtung gewiesen. Später, als das AFBF bereits auf Hochtouren lief, bekräftigten Janheinz Jahn und Alfons Michael Dauer ihre Thesen mit einer gemeinsamen Publikation. »Blues und Work Songs« verfolgte Traditionslinien afrikanischer Dichtung, reflektierte über den Zusammenhang von »Improvisation und Regelstrenge«,277 die Gesetze musikalischer Tektonik, den Rhythmus und die Funktion der instrumentalen Begleitung.278

271 272 273 274 275 276 277 278

Ebd. Dauer: Der Jazz, 73. Ebd., 85–87. Vgl. Blesh, 112–114. Jahn: Muntu, 227. Dauer: Der Jazz, 78. Vgl. Jahn: Wie der Blues gedichtet wird, Zitat: 12. Vgl. Dauer: Wie der Blues gesungen wird.

     

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Ihr Fazit sah »den Blues als eine vollendete Form afroamerikanischer Volkskunst«,279 die inzwischen auch ein jugendliches Publikum in Europa fasziniere. »Der Blues ist Mode geworden«, ohne dass ein adäquates Sachverständnis erkennbar sei. »Einmal geprägte Fehlurteile werden wie harte Münzen weitergereicht«,280 klagte die Studie. Punktgenau im Jahr 1962, zum Start der AFBF, brachte Joachim-Ernst Berendt eine Sammlung von Bluestexten heraus, die dem nun einsetzenden Boom Rechnung trug. »Die Blues-Renaissance ist großartig«, jubelte der Verfasser, bemerkte aber auch die Kehrseite der Medaille: »Die ›schwachen Punkte‹ der BluesRenaissance werden deutlich etwa bei Brownie McGhee und Sonny Terry. Dieses wichtige Blues-Gespann aus dem Süden beschäftigt sich mit einem Male fast nur noch mit netten und vergnüglichen Songs, bei denen man schließlich auch am Elend der schwarzen Gefangenen im Angola-Zuchthaus Spaß zu haben beginnt. Nun gab es gewiss immer schon fröhliche Blues, aber es ist auffällig, dass die fröhliche und parodierende Seite des Blues plötzlich in den Vordergrund getreten ist. Die Blues-Songs der neuen Blueswelle gewinnen etwas ›jugendbewegtes‹: jeder muss mitsingen können und alles muss so sein, dass niemand etwas dagegen haben kann.« Berendt hob den Zeigefinger: »Man hat schon einmal versucht, den Blues einem großen Publikum zu erschließen. Damals wurde der Rock ’n’ Roll daraus.«281 Die 1962er Broschüre stellte ein hierarchisches Modell vor, das sich haargenau im musikalischen Konzept der AFBF wiederfand. Entgegen jener Periodisierungsversuche, die eine lineare Abfolge von Stilen favorisierten, schlug JoachimErnst Berendt vor, »den Folk-Blues als ›Mainstream‹, als Hauptstrom zu sehen. Er fließt in gleichbleibender Stärke und Beständigkeit von den Anfängen, noch bevor es eigentlich Jazz gab, durch die Plantagen und Dörfer des Südens und durch die Strafgefangenen-Gangs und Gefängnisse bis in die heutige Blues-Hauptstadt Chicago. Und all die anderen Blues-Arten sind Seitenarme, die irgendwann einmal den Hauptstrom verlassen haben und dann auch wieder dorthin zurückfließen, wenn sie nicht vorher in gar zu seichtem Grund versickert sind.«282 Berendts Theorien wurden immer wieder kritisiert. Seine schärfsten Gegner warfen ihm vor, ein Dünnbrettbohrer zu sein, der »schon an musikalischer Propädeutik scheitert«. »Er vermag weder Takt, Tempo, Metrum, Rhythmus voneinander, noch ein Intervall von einem Akkord zu unterscheiden.«283 Dabei war es der 279 Ebd., 36. 280 Jahn: Wie der Blues gedichtet wird, 5. 281 Alle Zitate: Berendt: Schwarzer Gesang II – Blues, 108 und 109. 282 Ebd., 110–111. 283 Baldur Bockhoff in: Macht der Jazz uns doch frei?

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soziologische Blickwinkel, den Joachim-Ernst Berendt präferierte. Er bereiste die ganze Welt, um die Verhältnisse vor Ort zu studieren. Schon 1950 pilgerte er zur ›Wiege des Jazz‹ in den Südstaaten der USA. Auf der Bourbon Street von New Orleans drang aus einem geöffneten Fenster »eine seltsam gutturale Stimme zu einer langsamen, traurigen Klaviermusik« an sein Ohr. Sie traf den Deutschen mitten ins Herz: »dies war der großartigste Blues-Gesang, den ich je gehört hatte«. Alle Versuche, den Namen des Künstlers zu erfahren, liefen ins Leere – niemand kannte ihn. »Es war wie ein Symbol für die Anonymität großer Kunst, die ihren Ursprüngen nahe ist.«284 Zehn Jahre später begegnete Berendt dem Blues in Metropolen wie Chicago, Detroit, Saint Louis oder Memphis, aber auch im Angola State Prison von Louisiana, das er wie die großen Feldforscher besucht hatte. Dank hochrangiger Ämter und einer allumfassenden Medienpräsenz wuchs Joachim-Ernst Berendt eine Definitionsmacht zu, die in Deutschland ihresgleichen suchte. Dass die Auslegung von Kunst stets auf dünnem Grat balanciert, war ihm wohl bewusst. Bereits frühzeitig mahnte er: »Jede noch so großartige Musik tritt, sobald sie mit Ideologie verbunden wird, automatisch hinter der Ideologie zurück.«285 Er selbst hat diese Erkenntnis oft genug in den Wind geschlagen und systematisch eine Monopolstellung aufgebaut. Dafür ist er vielfach verurteilt worden. Doch vielleicht wird seiner bahnbrechenden wie schillernden Rolle am ehesten der Verweis auf die historischen Um- und Widerstände gerecht, denen er als Anwalt von Jazz, Blues und World Music trotzte: »Berendt war zur richtigen Zeit am richtigen Ort«, er verstand nicht nur die Musik, sondern auch die Strukturen, innerhalb derer sie gedeihen konnte.286 Joachim-Ernst Berendt musste seinen Status gegen äußere und innere Kontrahenten verteidigen. An der Deutung von Jazz und Blues entflammte so manche Fehde. Nicht immer ging es dabei nur um ›die Sache‹ selbst, oftmals verbargen sich hinter den Debatten zähe Verteilungskämpfe – es wurde um Karrieren, Kontrolle und Geld gestritten. Diese Motive funktionierten als kaum zu überschätzender Hebel. Ernsthafte Konkurrenz bekam Berendt durch Siegfried Schmidt-Joos (*1936). Auch er wusste die mediale Klaviatur virtuos und in allen Registern zu spielen, er war ein hochprofessioneller Journalist und kein Buchstabengelehrter.287 Wie sein Kollege verschaffte sich Schmidt-Joos vor Ort, in den USA, Kenntnis

284 Berendt: Erinnerung an New Orleans, 4. 285 Berendt: Jazz als Ideologie, 106. 286 Vgl. Knauer: Epilogue, 237. 287 Siegfried Schmidt-Joos arbeitete in den sechziger Jahren als Musikredakteur für Radio Bremen, später war er unter anderem beim Nachrichtenmagazin »Der Spiegel«, dem RIAS und SFB beschäftigt.

     

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von den Dingen, über die er schrieb. Anders als sein »Vorbild«288 war er jedoch auch an den vermeintlichen Niederungen der ›Massenkultur‹ interessiert und lieferte fundierte Einblicke in die Sphären des Musicals, von Schlager, Rock und Pop. Pluralität hieß sein Prinzip. Schon in einer Rezension des AFBF von 1963 wandte er sich gegen tödliche Klischees, wie etwa »die Abstempelung jeglicher Blues-Spezies als archaisch-anonyme Folklore«, und beschwor »die Vieldimensionalität der Blueswelt«. Diese Musik gliche »jenen geschnitzten, chinesischen Puppen, die man aufschraubt, um in ihrem Leib immer noch kleinere Puppen bis zur Apfelkerngröße zu finden; und jede Puppe hat ein anderes Gesicht.«289 Siegfried Schmidt-Joos, der als Kulturwissenschaftsstudent Vorlesungen von Adorno und Horkheimer gehört hatte, befasste sich frühzeitig mit den industriellen Existenzgrundlagen der populären Musik. Und so konnte es nicht verwundern, dass auch seine Auseinandersetzung mit dem Blues konsumkritisch gefärbt war. »Ist der Blues kommerziell?«, fragte er 1959 im »Jazz Podium«. Hintergrund des Aufsatzes war die Beobachtung, »dass wir in einer echten, dritten Blueswelle leben, von den Ausmaßen der Blueswelle der Frühzeit des Jazz am Ende des vergangenen Jahrhunderts und der zwanziger Jahre um Bessie Smith.« Der Autor wollte wissen: »Haben wir die Blueswelle, weil es ein Geschäft ist, Blues zu spielen, oder verkauft sich der Blues, weil wir die Blueswelle haben?!« Schmidt-Joos bat Journalistenkollegen um ein Urteil und zitierte ihre Statements. Er wägte das Für und Wider ab, zog Vergleiche zum Schlager und Rock ’n’ Roll und landete schließlich im Patt. Mit Schwarz-Weiß-Denken sei dem Fakt der ›Verkäuflichkeit‹ nicht beizukommen, nach genauerer Betrachtung werde »Kommerzialität« als unterscheidendes Kriterium »immer fragwürdiger, zumal als Wertbegriff«. Es »scheint die These berechtigt, dass unsere Maßstäbe korrekturbedürftig sind«.290 Das war eine revolutionäre Feststellung, hob sie doch die Axiome der Traditionalisten aus den Angeln. Mehr noch: Sie rührte am Dogma der ›Authentizität‹, ohne das Reizwort selbst auch nur ein einziges Mal zu verwenden, entlarvte die Ambivalenz dieser Basiskategorie. Dabei verzichtete der gerade mal 23-Jährige auf jeglichen Kunstgriff – er zog den modernen R & B genauso ins Kalkül wie die ›klassisch-goldenen‹ Zwanziger. Ihm ging es weniger um den Aspekt des wirtschaftlichen Erfolgs als um soziale Relevanz. Und in diesem Punkt lag der Blues weiterhin vorn.

288

Siegfried Schmidt-Joos über Joachim-Ernst Berendt. Schmidt-Joos: Jazzpapst Revisited, 48. 289 Schmidt-Joos: American Folk Blues Festival 1963, 41 und 40. 290 Alle Zitate: Schmidt: Ist der Blues kommerziell?, 171 und 173.

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Beim Schlager, der massentauglichsten Gattung populärer Musik, vermisste Siegfried Schmidt-Joos eine solche Dringlichkeit. Er liefere vielmehr ein »Plastik-Gefühl vom Fließband« und betreibe »Raubbau an der Seele«.291 Der Blues dagegen »spricht die Dinge aus, wie sie sind, es gibt in ihm kein Versteckspielen«, erklärte er als Moderator der Fernsehaufzeichnung des AFBF von 1967. »Die Jugend in aller Welt wendet sich von der Schlagerkonfession mit ihren süßlichen Texten ab und sucht eine eigene Ausdruckswelt. Dieses Ausdrucksmittel fand sie im Blues der amerikanischen Neger.«292 Während Schmidt-Joos trotz gelegentlicher Polemik prinzipiell für eine friedliche Koexistenz der sich zusehends auffächernden musikalischen Strömungen plädierte, zogen sich härtere Fronten durch die Presse. Sie verteidigten den Wertkonservatismus des ›Volksliedes‹, identifizierten den Blues »als Maßstab«293 und Korrektiv. In ihren Augen versinnbildlichte diese Musik eine vormoderne, ›heile Welt‹, die noch nicht von Gier und Geld korrumpiert war. Entsprechend militant zogen sie gegen die ›Auswüchse‹ der Kulturindustrie zu Felde. Den Blues sahen sie als Kontrapunkt zum lasziven Hüftschwung und »die scheußliche Form des Rock ’n’ Roll«,294 jener »Barbarei«,295 die sich vom »unvermeidlich schlechten Geschmack der Allgemeinheit«296 nähre. Ähnliche Tiraden richteten sich später gegen Soul, Beatmusik und Funk. Die Medien waren in weiten Teilen dem ›schönen Schein‹ des Klischees erlegen, ließ er sich doch viel besser vermarkten als die nüchterne Analyse. Zu den unausrottbaren Stereotypen zählte das Motiv des Leids. Wie auch anderswo auf der Welt, interpretierte man den Blues als Aufschrei der geschundenen Seele, als Zeichen von Ausgrenzung und Entwurzelung. »Ruhelosigkeit und Ungeborgenheit«, so schrieb Joachim-Ernst Berendt, wären »eine Grundsituation des BluesSängers«. Er befände sich zeitlebens »on the road«.297 Armut sei sein Begleiter, von der Kindheit bis zum Tod. Das Schicksal meine es nicht gut mit ihm, wie die Presse und die Selbstdarstellung der AFBF immer wieder betonten. Als erschütterndstes Beispiel, das dennoch »so typisch ist«,298 wurde die Biographie von John

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Schmidt-Joos: Geschäfte mit Schlagern, 11 und 158. Später schätzte Siegfried Schmidt-Joos sein Buch »Geschäfte mit Schlagern« als »Zeitdokument«, aber »inhaltlich überholt« ein. Brigl: Alles wieder auf Anfang, 34. Kapitel »American Folk Blues Festival 1967« der DVD »The Famous Lippmann + Rau Festivals 1965–69«, Volume 3: »Legends of the American Folk Blues Festivals«, Tropical Music 68.364, BRD 2008. Hudtwalcker: Blues als Maßstab. Dietrich Schulz-Köhn, zit. bei Schmidt: Ist der Blues kommerziell?, 172. Rosenberg: Wo Empörung zur Pflicht wird… Bruynoghe: Blues Today, 170. Berendt: Über den Blues. Berendt: Blues 1970, ohne Seitennummerierung.

     

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Henry Barbee zitiert, der 1964 zur Festivalcrew gehörte. Sein Leben sei »ein einziger dramatischer Blues«, erklärte Horst Lippmann im Programmheft. »Er durchwanderte den ganzen Süden als Straßen- und Feld-Sänger«, bis er »Mr. Charlie« traf, einen »weißen Mann«, der »ein Auge auf Barbees Mädchen geworfen« hatte. »Alles Bitten, von ihr abzulassen, half nichts.« Es kam zum Handgemenge, der Musiker zückte eine Waffe und schoss auf den Nebenbuhler, fügte ihm »eine unbedeutende Fleischwunde« zu, »von der er sich bald erholte«. John Henry Barbee »flüchtete, sprang in einen Fluss und blieb verschollen«. Weil er glaubte, den Weißen getötet zu haben, lebte er 25 Jahre lang »in Verstecken« und sang »für Kinder auf Hinterhöfen den Blues«. Dann wurde er von Willie Dixon »wiederentdeckt«.299 Doch auch sein Auftritt beim AFBF war vom Unglück überschattet. Die Gesundheit versagte ihren Dienst, er musste vorzeitig abbrechen und reiste zurück in die USA. »Barbee flog gern«, so sponn Joachim-Ernst Berendt die Geschichte weiter, »denn er wusste: Jetzt endlich – nach der erfolgreichen Blues-Tour – hatte er das Geld, um sich behandeln lassen können. Jahrelang hatte er sich – trotz schwerer Krebs-Krankheit – keinen Arzt leisten können. Aber bereits einen Tag nach seiner Ankunft wurde Barbee wieder aus dem Krankenhaus entlassen: hoffnungslos. Weil er das Geld, das er auf seiner Blues-Tournee verdient hatte, nicht ins Krankenhaus tragen konnte, trug er es zu einem Autohändler. Er kaufte sich einen wunderschönen, chromblitzenden Wagen. Aber er hatte keinen Führerschein. Er hatte auch noch nie am Steuer eines Wagens gesessen.« Die Katastrophe nahm ihren Lauf. »John Henry Barbee wollte nur einfach ein Auto: Zeichen dafür, dass er, der arme, kranke Bluessänger aus Tennessee, es doch noch ›geschafft‹ hatte. Stolz raste er los. Er überfuhr einen Menschen, kam ins Gefängnis, starb dort einen Tag später.«300 Ein Mann wie John Henry Barbee, daran bestand kein Zweifel, »singt nicht bloß Blues. Er lebt Blues. Die Lebensläufe der großen Bluessänger gehören zum Abenteuerlichsten, Bewegendsten, Dunkelsten, was man sich ausdenken mag«,301 meinte Joachim-Ernst Berendt. Weil sie über einen besonderen Realitätssinn verfügten, galt ihre Kunst als universell. Sie war durch die Erfahrung harter Arbeit geerdet, den Kampf um die Existenz. Die Fernsehproduktion des AFBF von 1969 porträtierte John Jackson mit assoziativen Schrifteinblendungen, die jeglichen Kommentar erübrigten: »Gitarre- und Banjospieler, Sänger, Farmer, Hufschmied,

299 Alle Zitate: Lippmann: John Henry Barbee. 300 Berendt: Blues 1970, ohne Seitennummerierung. 301 Ebd.

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Hausmeister, Totengräber«.302 Solche Musiker konnten über alles singen: »Gefängnis-Gangs und Schnapsbrennereien, von Spelunken, Frauen, Eisenbahnlinien, Landstraßen, Bus-Linien, Krankheiten, Arbeitslagern, von Tuberkulose und Rauschgift, von Pfirsichen und Whisky und vom Präsidenten Roosevelt«,303 wie Berendt, bezogen auf Big Joe Williams, resümierte. Sie besaßen eine Autorität und soziale Kompetenz, die ohnegleichen war. Ihre Songs reichten über introspektive Versenkung hinaus, sie wirkten kathartisch, spendeten Kraft. Unter der Oberfläche bargen sie einen politischen Kern. Auf diese Qualität fokussierten die Medien und die Partei nehmende Fachliteratur nur allzu gern, sie war ihnen wichtiger als das Moment des Entertainments. Im Blues, so die Argumentation, sedimentiere sich die Erfahrung einer geknechteten Rasse. Er wäre genetisch eingepflanzt, seit die ersten Sklavenschiffe an den Gestaden Amerikas landeten. Weil die Gesellschaft den Schöpfern dieser Musik jegliche Freiheit raubte, mussten sie sich maskieren. Der Blues war die »einzige Möglichkeit der Erlösung«.304 Er drückte mit individuellen Bildern aus, was die Gemeinschaft der Leidenden empfand. »Und immer schwingt – und sei es indirekt – Rebellion mit«, insistierte Janheinz Jahn. »Die Melancholie ist Tarnung, in der ›Klage‹ ist die Anklage verborgen.«305 Oder wie es Hugues Panassié formulierte: »Der Blues ist eine Klage, ein Schrei der Auflehnung, der sich der Seele der Schwarzen entriss, erst durch die Sklaverei verursacht, dann durch die Unterdrückung, die nach deren Abschaffung weiter auf der schwarzen Rasse lastete.«306 So gesehen, war er ein Medium des politischen Protests – egal, ob sich das Unbehagen klar, im Geiste der Bürgerrechtsbewegung artikulierte oder von den Allegorien und Andeutungen des ›Double Talk‹ zwischen die Zeilen versteckt wurde. Nach Alfons Michael Dauer führten solche Interpretationen in die Irre, sagten sie doch mehr über den Betrachter aus als über die Betroffenen selbst. Er zweifelte »das Bild vom armen Sklaven« an, »der sehnsuchtsvoll seiner verlorenen Freiheit nachsingt«. Es sei »ein Trugbild mit einer schwarzen Haut und darunter einer weißen Seele«, schlichtweg eine »Romantisierung«. Der ›Weiße‹ passe das Phänomen des Blues, welches viel differenziertere kulturelle Dimensionen besitzt, dem Raster seiner Vorstellungen und Interessen an. Und in diesem Raster sei der

302

Vgl. das Kapitel »American Folk Blues Festival 1969« der DVD »The Famous Lippmann + Rau Festivals 1965–69«, Volume 3: »Legends of the American Folk Blues Festivals«, Tropical Music 68.364, BRD 2008. 303 Berendt: Big Joe Williams. 304 Weckelmann. 305 Jahn: Muntu, 227. 306 Panassié: Die Geschichte des echten Jazz, 11.

     

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›Schwarze‹ kein ebenbürtiger Partner, sondern ein exotisches Wesen. Eine derartige »Einstellung«, so Dauer, »basiert auf der Idee vom ›edlen Wilden‹«, der sich europäischen Maßstäben zu beugen habe.307 Wie sehr seine Kritik den Finger in die Wunde legte, zeigten bedenkliche Tendenzen der Rezeption und Darstellung des AFBF. Der klassisch geschulte, afroamerikanische Jazzpianist Oscar Peterson warf Lippmann und Rau vor, sie würden eine Art »Onkel-Tom-Politik« betreiben, weil sie »archaische Typen wie Big Joe Williams auf die Bühne stellen«.308 Peterson schämte sich für das Klischee vom singenden Analphabeten und meinte: »Das ist überhaupt keine Musik.«309 John Lee Hookers Biograph Charles Shaar Murray stellte bezüglich der frühen Festivaljahre treffend fest: »Wie man es auch dreht und wendet, es war ein schwerer Kulturschock für alle Beteiligten.«310 In der gediegenen Atmosphäre blattgoldverzierter Konzertsäle prallten zwei Welten aufeinander. Und nicht selten klagte die Hochkultur ihr Hausrecht ein. Intellektueller Dünkel degradierte die Künstler zu »herrlich kaputten, liebenswert verdrehten Käuzen«.311 Die distanzierte Fachpresse warnte vor den »Modefans im Jazzbetrieb« und snobistischen Konzertbesuchern: »Sie gehen zu den Blues wie in den Zoo oder das natur- und völkerkundliche Museum.«312 Davon zeugten etliche Reportagen. Howlin’ Wolf wurde, sicher nicht entgegen seinen Intentionen, als unbändiges Tier beschrieben: »›Asked her for water, she brought me gasoline…‹, die harmloseste Frage aus seinem Mund schien stets eine Antwort zu zeugen, die ihn in Rage brachte, ja schon bei der harmlosesten Frage geriet er in erschreckende Erregung. Der Zuhörer konnte noch gar nicht mit Begreifen begonnen haben, da standen ihm schon trotz kalten Luftzugs die Schweißtropfen auf der Stirn, überflossen sein Gesicht, weichten ihn auf bis zur Verzerrung. Man zollte noch einem übergroßen Schauspieler Bewunderung, da packte einen schon das schlechte Gewissen, ob das nicht doch Martyrium sei.«313 Was sich hier und in zahlreichen ähnlichen Zungenschlägen äußerte, war eine mehr oder weniger subtile Diskriminierung afroamerikanischer Musik und ihrer Urheber, wie sie nach dem Ende des Nationalsozialismus weiterschwelte. Die Bundesrepublik hatte es versäumt, sämtlichen Formen von Rassismus konsequent

307 Alle Zitate: Dauer: Jazz – die magische Musik, 47, 48 und 49. 308 Blues before Sunrise, 398. 309 Zit. bei Brigl/Schmidt-Joos, 133. 310 Murray, 313. 311 Burkhardt: Zwang zur Zwanglosigkeit. 312 Zimmerle: Der Blues ist überall, 232. 313 Sofa des Psychoanalytikers.

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den Kampf anzusagen,314 und so wurden kulturelle Unterschiede oftmals weiterhin aus ideologischer Perspektive bewertet.315 Auch in der Musikpresse drückten absurde Fremdbilder durch, die zwar kaum negativ konnotiert waren, aber den Sachverhalt verdrehten und biologistischen Irrsinn reklamierten. »Musik erfreut des Negers Herz«316 wurde beispielsweise behauptet oder dass in »jener schwülstigen Lippenform, um die ihn jeder weiße Sänger beneidet«, die »unbeschreibliche, voluminöse, reizvolle Klangfärbung« begründet läge.317 In einem »Streitgespräch um den wahren Jazz« merkte der Herausgeber der westdeutschen Zeitschrift »Jazz Tempo« an: »Der Neger, besonders der Bewohner der amerikanischen Südstaaten, ist noch bis heute wenig von der seelenzersetzenden Zivilisation angefressen worden. Bei ihm spielt der Intellekt sowieso nicht die Hauptrolle, sondern das Gefühl. Reiches, ungetrübtes Gefühl strömt uns überall aus den OriginalJazzformen entgegen. Hier finden wir, was uns fehlt.«318 Eine unrühmliche Rolle spielte die Pädagogik. Sie verlieh der Abneigung des Spießbürgers gegen den »Kulturschlamm«319 der afroamerikanischen Musik eine pseudowissenschaftliche Stimme und machte unter der Hand ›braunes‹ Gedankengut wieder salonfähig. Ein Paradebeispiel lieferte Wilhelm Twittenhoffs Buch »Jugend und Jazz« von 1953. Der promovierte Erzieher und Leiter einer Jugendmusikschule in Dortmund charakterisierte den Jazz, der als Königsdisziplin der ›schwarzen‹ Musik auch den Blues einschloss, als ein Konglomerat aus »Urwald und Großstadt«, das Resultat der Wechselwirkung »zwischen der Vitalität des Negers und dem Intellekt des Weißen«.320 »Wir sind uns mit den überzeugten Gegnern des Jazz vermutlich darin einig«, so Twittenhoff, »dass diese Musik ein Durchbruch des Magischen, des Dionysischen, ja des Untergründig-Chaotischen darstellt, wie er in solcher Intensität während der ganzen abendländischen Musikgeschichte noch nicht geschah.«321 Die »triebhaft-vitale« Komponente »bildet die eigentliche Gefahrenquelle« des Jazz, der »ganz eindeutig der ›Unterwelt‹ entsprungen und ihr bis heute verhaftet ist«.322 Dem Blues, ehemals eine Quelle des Jazz und dann von ihm »völlig absorbiert«, widmete der Autor nur ein paar fade 314 Vgl. stellvertretend Bielefeld. 315 Zum generellen Zusammenhang von Popkultur und Rassismus siehe Nederveen Pieterse. 316 Schomburgk. 317 Winckel. 318 Ebel, 7. 319 Zit. bei Hoffmann: Von der Liebe der deutschen Musikpädagogik zum Jazz-Kunstwerk, 289. 320 Twittenhoff, 11 und 27. 321 Ebd., 111. 322 Ebd., 118 und 25.

     

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Floskeln. Er sei das Lied »der Dämmerung, der Trauer und Schwermut«, aus dem »die Seele des Negers unmittelbar spricht«.323 Während Wilhelm Twittenhoff und seine Brüder im Geiste unverhohlen auf Diskreditierung zielten und den ungeliebten Sound als Projektionsfläche für ihre konservativen Moralvorstellungen missbrauchten, war die rassistisch getönte Verklärung seitens der »Protektoren und Importeure des Blues« gegensätzlich motiviert. Die Stereotype wurden von ihnen benutzt, wie der Historiker Detlef Siegfried präzise erkannte, »um einen positiven Resonanzraum in der Öffentlichkeit zu schaffen: Schwarze standen für Ursprünglichkeit, Emotionalität und Körperlichkeit, der Blues galt als reinste Form afroamerikanischer Musik, die sich jenseits aller populären oder esoterischen Verfälschungen in den Milieus der Ausgegrenzten erhalten hatte und nun freigelegt werden sollte.«324 Trotzdem blieb die Argumentation fragwürdig. Sie griff wider besseres Wissen auf Interpretationsmuster zurück, die zwar nicht hundertprozentig korrekt und fair waren, aber Aufmerksamkeit versprachen. Lippmann und Rau, Berendt und all die anderen wählten ihre Mittel nach dem Erfolgsprinzip. Kritische Gegenstimmen gab es genug. Nur wurden sie viel zu selten gehört.

323 Ebd., 87 und 81. 324 Siegfried: Time Is on My Side, 372.

 Mit einem Mal gibt es eine Reihe weißer Gruppen, die so schwarzen und ausdrucksstarken Blues spielen, als hätten sie die Hautfarbe gewechselt.1 JOACHIM-ERNST BERENDT, 1968

         Der Vorwurf des Verschleißes, dem sich das AFBF ab Mitte der sechziger Jahre ausgesetzt sah, lief mit einer wachsenden Kommerzialisierung und Diversifikation des Blues parallel. Eine neue Generation begann sich für diese Musik zu interessieren und sie entsprechend ihres Lebensgefühls mit Sinn zu füllen. Der treibende Impuls kam aus Großbritannien, wo Bands wie die Rolling Stones, Animals oder Yardbirds die Songs der ›schwarzen Originale‹ in den Soundtrack einer sich formierenden Jugendkultur übersetzten.2 Von Industrie und Medien aufgegriffen und systematisch hochgeschaukelt, trug die Welle nicht nur das klangliche Material, sondern auch die Images, Attitüden und ideologischen Normen des Blues in die Welt hinaus. Dort zogen sie folgenreiche Kreise. Der Blues diente als Quelle und Inspiration, sein Einfluss war bis in die Interaktionen zwischen den jungen Bands und ihrem gleichaltrigen Publikum spürbar, er stiftete Identität und Gemeinschaft. Formen, Techniken und Diktion wurden von der aufkeimenden Rockmusik absorbiert und damit Teil der Norm.3 Dieser Prozess lief in beiden Teilen Deutschlands nahezu simultan ab. Im Osten partizipierten Kapellen wie die Lunics, Butlers,

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Berendt: »The Blues Got White – Got He?«, 316. Zum British Blues Revival der frühen sechziger Jahre vgl. Schwartz: How Britain Got the Blues, insbesondere 73–184. Vgl. Oliver: Blue-eyed Blues, 228 und 238–239.

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Spotlights oder das Diana-Show-Quartett am Bluesboom, im Westen die Boots, Rattles, Hounddogs, Kentuckys, Team Beats Berlin und Parka Blues. Einen weiteren Popularisierungsschub spendete die vom Woodstockmythos gekrönte Hippiewelle. Jimi Hendrix avancierte zum Gitarren- und Sexgott, zum Großstadtpartisan, der seinen subversiven Blues aus der Hüfte schoss. Die perfekte Synthese von Tradition und Hightech destillierte »widerstreitende Definitionen von Authentizität«4 und schlug eine Brücke in die siebziger Jahre. Der Blues hatte sich als unerschöpfliche Batterie moderner Popmusik emanzipiert. »Es ist wie in den alten Mythen – Mutter Erde, die an ihren schweren Brüsten zahllose Kinder säugt, gezeugt mit Vätern, deren Namen seither in den Papierbergen vergilbt sind, es sind doch immer ihre Kinder geblieben«, deklamierten die Liner Notes eines 1972 in der Bundesrepublik erschienenen Samplers mit frühen Aufnahmen von Fleetwood Mac. »Mutter Erde – in der Musik unserer, Deiner und meiner Generation, das ist der Blues. Was der Rock seit seiner Entstehung auch gesehen haben, in welchen modisch aufgeputzten Kleidchen er auch einhergeschritten sein mag, er kam doch allemal wieder ›back to the roots‹, des verlorenen Sohnes Heimkehr ist stets vorausschaubar geblieben, die Bands der 70er verdanken dem Blues keine Flocke weniger als die Gruppen der späten 50er, der frühen 60er Jahre. Nur, dass er damals reiner, mehr ›down to earth‹, vielleicht auch eine Spur ehrlicher war, möchte wohl niemand bestreiten.«5 Die Transformationen des Blues wurden in der bundesdeutschen Fachpresse kontrovers diskutiert. Kritiker deuteten die Expansion der Stile und Szenen sowie das Wechselspiel der Genres als gewinnfixierte Manipulation und eine Verwässerung der Grundidee. Nach den Auseinandersetzungen um R & B und Rock ’n’ Roll gerieten Anfang der sechziger Jahre Soul und Beatmusik ins Visier. Das »Jazz Podium« orakelte 1963, dass die »Blues-Renaissance« zur »Blues-Hysterie« entarte. Der Autor, ein in der Zwölftontechnik geschulter Absolvent der Musikakademie Zürich und Bebop-Pianist, fuhr schwere Geschütze gegen die »manischen Formen« des »Soul-Blues« auf, der »magische Düsternis und Besessenheit in Permanenz« zelebriere. »Er reduziert die seelischen Inhalte auf ein Nichts und beschwört die Instinkte. Der klassische Blues war schöner, er war reicher an Inhalten und Gemüt, er war entspannter, menschlicher und daher ergreifender. Auch der Mainstream-Blues war und ist es.«6 Seine Annäherung an die Popkultur führe unweigerlich zur Verflachung. Profitinteressen, so der gängige Tenor, zögen

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Gilroy, 121. Baron. Alle Zitate: Rosenberg: Von der Blues-Renaissance zur Blues-Hysterie…

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im Hintergrund die Fäden und entwerteten den Blues zur konsensfähigen Massenware. Pessimistische Zwischentöne dieser Couleur waren durch die Jahrzehnte hinweg immer wieder zu vernehmen. Sie wurden von Kapitalismuskritikern und Puristen geäußert. Ihnen standen liberale Stimmen gegenüber, die musikalische Veränderung und Anpassung als Gebot der Evolution verteidigten. Auch sie fanden in den Fachorganen Gehör. Das »Jazz Podium« druckte eine Reihe von Artikeln, die für Offenheit plädierten. Weil sie zumeist aus der Feder anerkannter Autoritäten stammten, besaßen sie ein besonderes Gewicht. Siegfried Schmidt-Joos brach 1967 eine Lanze für die jungen, bluesaffinen Rockbands und lobte ihr Traditionsbewusstsein: »Viele von ihnen, so die Rolling Stones, die Animals oder die Spencer Davis Group, spielen so ›schwarz‹, dass ihre Platten sogar in den Negerstädten zu den Bestsellern zählen.« Im Blues erkannte Schmidt-Joos »einen musikalischen Archetyp«, dessen »imponierende formale Geschlossenheit« ihn zum idealen »Bindeglied zwischen verschiedenen Stilformen« prädestiniere. Und auch seine Botschaft besäße globale Gültigkeit, sie entspräche »allgemein anthropologischen Gegebenheiten«, sei von der Rassenerfahrung unabhängig. Diese Qualitäten würden den Blues zum perfekten Katalysator adeln und letztlich »seine universale Bedeutung für die Populärkultur« erklären.7 Nicht weniger freisinnig sah Alexis Korner die Dinge. Der Gitarrist und Sänger, den die Presse gern zum »Vater des Blues-Revivals« stilisierte und welcher »unbestritten« als »der beste und populärste Blues-Interpret Englands« galt, konnte an der kommerziellen Häutung jener Musik keinerlei Makel entdecken. In einem Interview mit dem »Jazz Podium« beschrieb er 1968 die Situation in seiner Heimat und meinte, »dass die meisten jungen Leute« inzwischen »am liebsten Blues hören. Es gibt viele große Pop-Bands, wie die von John Mayall, Pete Green, die Chicken Shack, Ten Years After, Cream, die echten Blues spielen, damit ein Pop-Geld verdienen und auch einen Pop-Erfolg haben. Es ist das erstemal, dass wir Pop-Blues-Erfolge in England verzeichnen können.« Der Journalist hakte nach: »Wo ziehen Sie eine Grenze zwischen Pop und Blues?« Korner: »Überhaupt nicht, es gibt wirklich keine Grenze zwischen Pop und Blues. Es kommt nur auf das Blues-Gefühl an. Wenn ein Stück dieses Gefühl hat, dann kann man es Blues nennen.«8 In derselben Ausgabe des »Jazz Podiums« widmete sich Manfred Miller einer Serie von Schallplatten, die CBS »unter dem zunächst irritierenden Etikett ›Un-

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Alle Zitate: Schmidt-Joos: Musikalische Koexistenz oder Integration?, 221. Alle Zitate: Broder.

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derground‹« auf den deutschen Markt gebracht hatte. Das reißerische Label haftete Bands und Künstlern wie Janis Joplin, Michael Bloomfield, Moby Grape, Electric Flag, den Chambers Brothers oder Blood, Sweat & Tears an. Miller beschwichtigte die Leser: Hier handele es sich nicht, wie leicht und vorschnell zu vermuten, um eine bloße Finte der Entertainmentindustrie, sondern um zukunftsweisende Musik. Auch sie bezöge aus der Urquelle des Blues ihre Kraft. Der Autor warb um Verständnis: »Die Sprache ist die gleiche geblieben, der Dialekt aber hat sich gewandelt, hat das einer neuen gesellschaftlichen Umgebung angemessene Vokabular entwickelt. Aus den aufreizenden Glissandi ist das markerschütternde Kreischen der verzerrenden Verstärker geworden, die bewegten Bluesfiguren verdichten sich zu kleinen Klangexplosionen. Es scheint«, so sponn Manfred Miller den Gedanken weiter, »als entstünde im Untergrund das wirklich zeitgenössische Bluesidiom, ein Idiom, das neue musikalische und gesellschaftliche Erfahrungen angemessen zu formulieren vermag.«9 Den Traditionalisten und Hütern der reinen Lehre ging eine solche Interpretation zu weit. Sie verurteilten die popkulturellen Metamorphosen des Blues, der mehr und mehr zum Sammelbegriff verkäme, als sinnentleerend. »Gewinnsüchtige Rücksichtslosigkeit« degradiere die einstige »Seelenmusik« zur belanglosen Mode.10 Den Fans werde ein Surrogat verkauft, das von der Erfahrung rassischer Unterdrückung abgekoppelt sei und dem es folglich an sozialer Relevanz, Gefühlstiefe und ›Authentizität‹ mangele. Dass die Industrie genau diese Werte reklamiere und für ihr Marketing ausschlachte, wurde als blanker Zynismus empfunden. Dem Blues werde auf diese Weise nicht nur das künstlerische Potenzial geraubt, sondern auch seine Identität. Tatsächlich riefen die westdeutschen Plattenfirmen und Medien in zyklischer Regelmäßigkeit einen ›Bluesboom‹ aus. Nach dem Durchbruch des AFBF und der ›British Invasion‹ rollte Ende der sechziger Jahre eine neue Flut heran. Sie propagierte ein Mischprodukt, das bald unter dem Signum ›Blues Rock‹ firmierte. Von Ausnahmen wie Jimi Hendrix und Taj Mahal abgesehen, waren seine Protagonisten ›weiß‹ und entstammten mittelständischen Milieus. Zur frühen Phalanx gehörten etwa Janis Joplin, Joe Cocker, The Doors, Ten Years After oder Johnny Winter. Sie bevorzugten eine rhythmisch prägnante, den Soundmustern der Rockmusik verhaftete ›elektrische‹ Variante des Blues, die tradierte Zielgruppengrenzen sprengte und den Mainstream eroberte. Der Blues Rock wurde mit der Starkultmaschinerie des Pop kurzgeschlossen und erwies sich als erkleckliches wie langlebiges Geschäft. In seinem Kielwasser recycelte die Schallplattenindustrie auch

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Alle Zitate: Miller: Space Age Blues, 313 und 315. Brunnbauer, 34.

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das afroamerikanische Erbgut. Das deutsche Major-Label Polydor verkündete in einer großen Annonce, »1970 hat Blues Vorfahrt« und empfahl dem Einzelhandel: »Verdienen Sie viel am Blues. Verkaufen Sie die richtigen Platten«, womit Aufnahmen von John Mayall und Taste, Mitschnitte des AFBF oder Highlights aus dem Chess-Katalog beworben wurden.11 Zehn Jahre später waren es aufstrebende Gitarristen wie George Thorogood, Robert Cray und Stevie Ray Vaughan, die als Indiz einer abermaligen Konjunktur gehandelt wurden. Die Poppresse ging langsam auf Distanz, weil der Blues Rock angesichts blühender, alternativer Jugendkulturen den Geruch eines Anachronismus bekam.

Blues-Rock-Star Rory Gallagher bei einer spontanen Jam-Session in der Bar des Hotels Schwarzer Bock, Wiesbaden, 1979

Das Musikmagazin »Sounds« registrierte die Wiedergeburt in Zeiten der Neuen Deutschen Welle12 mit gespielter Verblüffung: Wer hätte geglaubt, »dass die nun auch noch mal ausbrechen würde, die Blueswelle meinen wir. Also, wir nicht!«13

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Ganzseitige Anzeige in: Der Musikmarkt 1/1970, 17. Kommerzielles Etikett für die deutschsprachige, vom britischen Punk Rock beeinflusste Variante der New Wave. The Blues Band.

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Konkurrenz und Krittelei zum Trotz, blieb der Blues Rock die einzige massenkompatible Strömung des Genres und ein signifikanter Markenartikel. Er behauptete über sämtliche Tiefphasen hinweg einen soliden Platz in den Medien und im Konzertalltag der Bundesrepublik. Dort waren auch alle anderen Spielarten des Blues etabliert, wenngleich sie tendenziell eine Nischenexistenz fristeten. Ab den sechziger Jahren breitete sich der Blues im audiovisuellen und Printbereich sowie in der Livesphäre merklich aus. Parallel zur ersten Staffel der AFBF präsentierten Lippmann + Rau große Namen wie B. B. King, John Mayall, Jimi Hendrix, The Doors, Canned Heat, Janis Joplin, Led Zeppelin, Eric Clapton, Ten Years After, The Band, Jethro Tull, The Rolling Stones, Free oder Eric Burdon & War. Später stiegen weitere Impresarios in das Metier ein und sorgten dafür, dass die Tourneen der internationalen Stars durch die Bundesrepublik führten. Insidertipps und Künstler der unteren Chargen, die nur ein kleines Publikum zogen, kamen meist auf Initiative eng spezialisierter Ein-Mann-Agenturen in die Clubs und Kneipen. Von Bluesenthusiasten gegründet und ab Anfang der siebziger Jahre aktiv, leisteten sie einen immensen Beitrag für ein reiches Konzertangebot. Sie bestückten auch die zusehends an Popularität gewinnenden Festivals, die entweder den Blues in gemischte Programme einsortierten oder ihm Exklusivität gewährten. Jedes größere Jazzevent erinnerte mit gesonderten Slots an die ›Wurzeln‹, selbst wenn diese aus verkaufsfördernden Gründen oft eine deutliche Nähe zur Rockmusik aufwiesen.14 Eine Pioniertat war der Auftritt von Alexis Korner beim honorigen Deutschen Jazzfestival am 24. März 1968 in Frankfurt am Main. Laut Mitorganisator Siegfried Schmidt-Joos wurde bei dieser Matinee »zum erstenmal in Deutschland auf einer Jazzbühne ausschließlich Blues und Soulmusik gespielt« – für »das wohl anspruchsvollste und gegenüber kommerziellen Klängen allergischste Publikum, hartgesottene Jazzfans allesamt«.15 Der Blues hatte sich gewissermaßen »in die Höhle des Löwen«16 begeben. Auch die renommierten Berliner Jazztage17 blickten mit Gästen wie Odetta, B. B. King, James Booker, Margie Evans, Helen Humes, John Hammond, den Nighthawks, Fabulous Thunderbirds

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Neben den im Folgenden genannten Veranstaltungsreihen besaß der Blues unter anderem einen festen Platz beim Jazz Life in Dortmund, dem Jazzfestival Balver Höhle, der Jazz- und Bluesnight in Schwalbach am Taunus sowie im Rahmen des Frankfurter Hot Jazz & Blues Weekends, der Internationalen Jazzwoche Burghausen und des Münchner Jazzfestes. Schmidt-Joos: Bluesdaddy Goodbye, 22. Schmidt-Joos: Kronzeuge ohne Krone, 49. Die Berliner Jazztage wurden 1964 aus der Taufe gehoben und seitdem jährlich im Westteil der Stadt veranstaltet. Als künstlerischer Leiter fungierte bis einschließlich 1971 Joachim-Ernst Berendt. 1981 wurde die Reihe in Jazzfest Berlin umbenannt.

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und Neville Brothers über den Tellerrand hinaus. Das Echo war geteilt, prallten doch in der Vielfalt disparate Erwartungen und Geschmäcke aufeinander. Die Nachlese des 1977er Jahrgangs echauffierte sich über einen »unsäglich monotonen Bluesabend, bestritten von zu Recht unbekannten jüngeren Chicagoer Musikern«. Der Rezensent ließ an dem »Flop« kein gutes Haar und merkte hämisch an: »Aber nun, die Berliner Jazztage brauchen außer den Subventionen auch eine Menge selbstverdientes Geld; und dieses Konzert war das am schnellsten ausverkaufte.«18 Empörte Fans wiesen den Verriss als borniert zurück und sahen die alte Krux bestätigt: »die Haltung vieler Jazzfreunde und -kritiker, nicht einsehen zu wollen, dass Blues mehr ist als die Zwölftaktform, mehr als eine archaische Vorform oder ein wesentliches Element des Jazz«.19 Eine steigende Zahl von Großveranstaltungen widmete sich ausschließlich den verschiedenen Facetten des Blues. Zu ihnen gehörte die Serie American Blues Legends,20 das durch mehrere Städte reisende Chicago Blues Festival,21 die Stuttgarter Bluestage,22 das German Blues Meeting,23 die Blues Night Lünen,24 das Defilee der American Blues Stars,25 die Hamburger Blueswoche,26 das Blues Festival Unna,27 das Bluesfest Bonn, Blues in Lehrte28 oder das Bluesfest Leverkusen.29 Wie viele Traditionsreihen ging das 1978 ins Leben gerufene Gaildorfer Bluesfest auf den Elan umtriebiger Fans zurück.30 Andere wurden von öffentlich-rechtlicher Hand gefördert. So unterstützte der WDR seit 1974 das Internationale Blues und Boogie Woogie Festival in Bonn bzw. Köln, der SWF richtete das Bluesfestival in Lahnstein aus. Letzteres wurde 1981 geboren und steht seitdem alljährlich unter

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Olshausen: Berliner Jazztage 1977, 21–22. Groh: Thema: Blueskonzert der Berliner Jazztage 1977. Britische Festivalreihe, die seit Anfang der siebziger Jahre auch mehrfach durch verschiedene Städte der Bundesrepublik tourte. Ab 1974. Erstmalig im März 1977 veranstaltet. Erstmalig 1978 in Ludwigshafen veranstaltet. Die Reihe ging aus dem seit 1977 stattfindenden Festival Jazz Lights hervor. Festivalprogramm, das ab 1980 in der Bundesrepublik auf Tournee ging. Erstmalig im März 1981 veranstaltet, ab 1987 Hamburger Bluesfestival. Seit 1983. Beide ab 1984. Zu Geschichte, Anspruch und Dimensionen des Festivals Blues in Lehrte vgl. Verein zur Förderung der Musik- und Jugendkultur – Blues in Lehrte e. V. Seit 1986. Impressionen, Fotos und eine Übersicht aller Programme des Gaildorfer Bluesfestes bietet: Kulturschmiede Gaildorf. Ein Abriss der Geschichte ist nachzulesen bei: Eichele/Karcher.

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einem Motto. Die Themen lauteten beispielsweise »Frauen im Blues – Bluesfrauen« (1982), »Blueropa« (1986) oder »Harp & Harp« (1988).31 Sukzessive steckte der Blues seinen Claim auch in der Medienlandschaft ab, selbst wenn die Dimensionen überschaubar blieben. Die Pop- und Jazzpresse berichtete über Konzerte und besprach Neuerscheinungen der Schallplattenbranche.32 Fanzines und von Idealisten herausgegebene Non-Profit-Periodika lieferten detaillierte Informationen, sie boten ein Diskussionsforum und trugen erheblich zur Vernetzung der Szene bei. Hier wurde auch die neueste Fachliteratur debattiert, egal, ob sie in der Bundesrepublik oder dem angloamerikanischen Raum erschienen war. Im Laufe der Jahre kamen etliche Standardwerke als Übersetzungen auf den westlichen Markt – Bücher von Samuel B. Charters, Paul Oliver, LeRoi Jones, Charlie Gillett, Arnold Shaw, Giles Oakley, James H. Cone, Tony Palmer oder Greil Marcus. Die frühen Monographien von Joachim-Ernst Berendt, Janheinz Jahn, Alfons Michael Dauer, Carl Gregor Herzog zu Mecklenburg und Waldemar Scheck sowie Karl Gert zur Heide ausgenommen, beschränkten sich die Publikationen bundesdeutscher Autoren auf lexikalische Einträge und Aufsätze in Sammelbänden.33 Üppiger sah das Sortiment von Tonkonserven aus. Mit der Zeit waren prinzipiell alle einschlägigen Plattenproduktionen verfügbar. Gemessen am Umfang ihrer Veröffentlichungen und an der Vertriebsleistung, lagen die Firmen Bellaphon, Intercord und Teldec34 vorn. Sie sorgten dafür, dass die LPs zahlreicher ausländischer Labels auch in Deutschland problemlos und preiswert bezogen werden konnten. Neben Spitzenreitern, deren Absätze im fünfstelligen Bereich rangierten, fand sich das eine oder andere prestigeträchtige Projekt. Teldec startete 1979 die Lizenzserie »Blues Roots«, deren erster Zyklus ein Dutzend Long Player der Kategorie »Country Blues« umfasste.35 Mit Kritikerpreisen dekoriert, amortisierte sich die Investition nur langsam. Innerhalb des ersten Quartals »waren keine 500

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Eine komplette Auflistung sämtlicher Mottos und Künstler findet sich bei Schroeder, 394–395. Lange Zeit blieb das »Jazz Podium« tonangebend. Dort wurden gelegentlich auch moderne Bluesplatten von Buddy Guy, Otis Rush, Alexis Korner, Janis Joplin oder Johnny Winter rezensiert. Hier sei stellvertretend auf die verdienstvolle Buchreihe »Rock Session. Magazin der populären Musik« hingewiesen, die ab 1977 im Rowohlt Taschenbuch Verlag erschien. Der siebente Band widmete sich dem Thema »Schwarze Musik«. Vgl. Frederking/Humann. Zur Firma gehörte seit 1975 der Teldec Import Service, kurz TIS. Für die Zusammenstellung und Produktion zeichnete der Rockmusiker Wolfgang Michels verantwortlich, die Liner Notes verfasste Manfred Miller.

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pro Titel verkauft, und das trotz hervorragender Qualität«.36 Nach anderthalb Jahren resümierte der zuständige Produzent, dass rund 2000 Exemplare je LP abgesetzt werden konnten. Der Break-even-Point lag bei 3000 Stück.37 Weil immer mehr Sampler und Reissues klassischer Aufnahmen verramscht wurden, witterte mancher Bluesfan einen »Ausverkauf«.38 In den achtziger Jahren expandierte der Markt mit einer Geschwindigkeit, die selbst emsigste Sammler überforderte. Sie »kriegen bei der Menge Platzangst«, spöttelte ein Kommentar, »und wüssten gar nicht mehr, wohin damit«.39 Ein »Gefühl der Übersättigung und der Gleichgültigkeit« sei die Negativseite der »Plattenflut«.40 Orientierungslosigkeit breite sich aus. Diesen fatalen Trend versuchten kleine Independent-Labels zu bremsen. Ornament,41 Taxim42 oder CrossCut Records43 gaben nicht nur jenseits des Mainstreams operierenden Künstlern die Chance einer Produktion, sie boten außerdem rare Importware per Mailorder an und hielten ihre Kunden mit umfänglichen, aber trotzdem übersichtlichen Katalogen auf dem Laufenden.44 Wer Blues im Radio hören wollte, musste mit knapp bemessenen und hinteren Sendeplätzen vorlieb nehmen, zur Prime Time ging diese Musik kaum über den Äther. Ab den sechziger Jahren bedienten etliche Stationen die Sparte.45 Überregional bekannt waren Sendungen von Manfred Miller (SDR und SWF), Tom Schroeder (HR), Alexis Korner (BFN Germany), Tony Sheridan (NDR), Tiny Hagen und Christian Graf (beide RIAS), Hans W. Ewert (WDR) sowie Claus Groh

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Hess: Der Blues – Alter Kram oder neuer Boom?, 49. Zahlen nach Wolfgang Michels, zit. ebd. Groh: Ausverkauf in Sachen Blues? Hess: Der Blues – Alter Kram oder neuer Boom?, 49. Long Play Slim. Ornament Records wurden 1976 von Siegfried Christmann in Koblenz gegründet. Taxim Records wurden 1977 von Hans-Hermann Pohle und Bernd Jürgen Link in Bremen gegründet. CrossCut Records wurden 1981 von Detlev Hoegen in Bremen gegründet. Zur Geschichte von Label und Versand vgl. Der Blues ist keine Weltmusik. Auch der links orientierte Verlag pläne, der sich auf Liedermacher und World Music spezialisierte, hatte etliche Blues-LPs in seinem Importprogramm. Sie stammten vorzugsweise aus dem Hause Folkways Records. Die Entwicklung lässt sich in groben Zügen anhand der Rubrik »Jazz im Funk« rekonstruieren, die das »Jazz Podium« regelmäßig druckte. Zeitweise war dieser Service auch mit »Jazz-Rundfunkprogramme«, »Funk-Jazzprogramme« oder ähnlich überschrieben. Hinweise liefern des Weiteren die Ankündigungen und Übersichten im »Blues Forum«, GBCI und GBG.

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(SDR). Am stiefmütterlichsten behandelte das Fernsehen den Blues. Hin und wieder wurden Konzertmitschnitte46 und Musikerporträts ausgestrahlt, thematische Dokumentationen waren dagegen äußerst selten. Zu den Sternstunden zählte die zwölfteilige Rockgeschichtsreihe »Sympathy for the Devil« von 1972, eine Gemeinschaftsproduktion des NDR und SWF. Sie wurde mehrfach wiederholt und in Fankreisen eifrig diskutiert. Zwei Teile widmeten sich dem Blues unter der Überschrift »Magara oder Das Glück, Angst zu haben. Zur Sozialgeschichte der populären Musik der Afro-Amerikaner«. Idee und Manuskript stammten von Manfred Miller, für die Redaktion zeichnete Horst Königstein verantwortlich. Miller rückte in den siebziger Jahren zu den profiliertesten Journalisten der Bereiche Rock, Blues und Jazz auf. Er veröffentlichte fundierte Essays47 und gehörte zum Team einer 41 Folgen umfassenden »Geschichte der Popmusik«, die Radio Bremen zwischen 1973 und 1975 unter dem Titel »Roll over Beethoven« sendete.48 Dann verfügten »die Aufsichtsgremien« ein »vorläufiges Ende« des Großprojekts, weil sie »politische Indoktrination« fürchteten.49 Erst 1984 konnte die Reihe fortgesetzt werden.50 Ihr Konzept ähnelte dem Ansatz von »Sympathy for the Devil«: Populäre Musik wurde aus einer marxistischen Perspektive als soziales Medium begriffen und seziert.51 46

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Neben den Aufzeichnungen der AFBF, diverser Bluesslots im Rahmen von Jazzfestivals und der Konzertreihe »Ohne Filter«, die ab 1983 vom SWF produziert wurde, war der Blues vor allem im »Rockpalast« heimisch. Die 1976 vom WDR gestartete TV-Reihe übertrug die Shows zahlreicher Künstler der Gattungen »Blues« und »Blues Rock«, darunter Muddy Waters, Bukka White, Albert Collins and The Icebreakers, »Champion« Jack Dupree, Rockin’ Dopsie and His Cajun Twisters, Alexis Korner, Louisiana Red, Rory Gallagher, die Paul Butterfield Band, Johnny Winter, Joe Cocker, ZZ Top, Lynyrd Skynyrd, Van Morrison, Eric Burdon, Little Feat, Roger Chapman, Dr. John, The Fabulous Thunderbirds, John Hiatt, Mitch Ryder, George Thorogood and The Destroyers, Stevie Ray Vaughan und Taj Mahal. Eine Auflistung sämtlicher Künstler des ersten Jahrzehnts, das gemeinhin als ›klassische‹ Phase des »Rockpalast« gilt, findet sich bei Rüchel/Wagner, 17. Zur Geschichte des »Rockpalasts« vgl. Rüchel: Kurze Nächte. Vgl. stellvertretend Miller: Blues sowie Miller: Blues heute. Die Sendemanuskripte, die sich mit der Entwicklung bis 1947 auseinandersetzten, wurden 1976 in Buchform veröffentlicht. Kuhnke/Miller/Schulze: Geschichte der Pop-Musik, Band 1. Zur Genesis der Reihe siehe Miller: Und Blues ritt das Karnickel, 36–37. Miller/Schulze. Die schriftliche Version inklusive 52 CDs erschien 1998. Kuhnke/Miller/Schulze: Geschichte der Pop-Musik, Band 2. Nach Auskunft der Autoren war »die Anwendung des historischen und dialektischen Materialismus auf die Musikgeschichte« das Grundprinzip von »Roll over Beethoven«. Kuhnke/Miller/Schulze: Geschichte der Pop-Musik, Band 1, 5.

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In den zwei Blueskapiteln stand Manfred Miller mit Alexis Korner ein ›Kronzeuge‹ von internationalem Rang zur Seite. Korner zählte zu den ›Vaterfiguren‹ des britischen Bluesbooms der beginnenden sechziger Jahre, seine Band Blues Incorporated fungierte als Nukleus der Szene und als herausragende Talentschmiede. Schon frühzeitig pflegte er intensive Kontakte nach Deutschland.

Alexis Korner und die Rockband Percewood’s Onagram, ca. 1970, Sendesaal des NDR in Hamburg: Eddy Muschketat, Wolfgang Michels, Alexis Korner, Jojo »Ludi« Ludwig (von links)

Ab 1946 war er für zweieinhalb Jahre als Soldat in Bremerhaven stationiert und moderierte Rundfunkspecials bei BFN und dem NWDR. Hin und wieder tauchte er bei Jazz-Sessions im Hamburger Hafenviertel auf.52 Als Manfred Miller den Sänger und Gitarristen für seine TV-Serie engagierte, genoss dieser in der Bundesrepublik bereits einen gewissen Prominentenbonus. Alexis Korner war mit unterschiedlichen Bands und solo durch die Konzertsäle gereist. Nun stand er neben Miller vor der Kamera. Gemeinsam erzählten sie die Geschichte des Blues, wobei der Künstler als Zeitzeuge, musikalischer Sachverständiger und Kommentator auftrat. Er griff in die Saiten seiner Gitarre, untermalte Wort und Bild mit bluesigen Floskeln, zog das Publikum in den Bann. Weil er ein fließendes Deutsch sprach, wirkten die knappen Erläuterungen auf besondere Weise intim. Hier äu-

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Biographische Details sind nachzulesen bei Schmidt-Joos: Kronzeuge ohne Krone.

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ßerte sich kein abgehobener Star, sondern jemand, den die Macht der Musik genauso umtrieb, wie den Zuschauer selbst. Manfred Miller lieferte mit distanzierten, analytischen Sätzen das Pendant zu Korner. Beckmesser warfen ihm eine »intellektuell überfrachtete«53 Sicht vor und vergaßen dabei die Intention der zweimal 45 Minuten, die sich als »Sozialgeschichte« definierten. Andere, wie der Hamburger Bluesmusiker Abi Wallenstein, lobten die »enorm wichtige, inspirierende«54 Arbeit. In der Tat setzte »Magara oder Das Glück, Angst zu haben« Maßstäbe. Die zweiteilige Dokumentation lieferte Zahlen und Fakten, sie kombinierte stimmige Filmsequenzen und Liveaufnahmen, die zu Herzen gingen. Songs von Bessie Smith, Nina Simone, B. B. King, »Champion« Jack Dupree, Aretha Franklin, Maggie Bell oder Joe Cocker wurden mit deutschen Untertiteln versehen und in neue Sinnzusammenhänge gestellt. Manfred Miller verlieh seinen Argumenten Tiefe und Gewicht, indem er Charles Keil, LeRoi Jones, Allen Ginsberg, Hanns Eisler, Langston Hughes, Martin Luther King und Ralph Ellison als Bürgen zitierte. Wie ein roter Faden zog sich die Frage nach den Werten, die der Blues transportiere, durch die historischen Exkurse. Sie stünden der »bürgerlichen Populärkultur« diametral gegenüber. Zum Beleg wurde die Schwärmerei des Schlagers »Ganz in weiß« mit dem Realismus von »Tobacco Road« konfrontiert. Miller erklärte: »Zweimal wird geträumt, entscheidend ist der Unterschied. Roy Black träumt über die Wirklichkeit hinweg, er darf sie nicht berühren, damit sie bleibt, wie sie ist. Lou Rawls träumt der Wirklichkeit voraus, er berührt sie, um sie zu verändern.«55 Das sei die Funktion des Blues. Am besten fänge der Begriff »Magara«, der auf die Philosophie der Bantu zurückginge, diesen Wirkungsmechanismus ein. Er stehe für »Menschlichkeit«, »Lebenskraft« und »das Recht, glücklich zu sein«. Den Blues charakterisierte Manfred Miller als solidarische Kunstform: Er stärke »das Ich« und fordere zum kollektiven Handeln auf. Ihn als »Klage« zu identifizieren, ginge am Kern vorbei – denn tatsächlich spiegele diese Musik die gesellschaftlichen Verhältnisse. Deshalb sei sie universal und letztlich von Hautfarbe, Zeit und Ort unabhängig. Auch dem frustrierten, sich ausgegrenzt fühlenden ›weißen‹ Jugendlichen diene sie als Sprachrohr. Dass der Blues durchaus eine kämpferische Dimension besitzt, thematisierte das letzte Kapitel des Films. Miller schlug einen Bogen zur Sklaverei und rückte den alltäglichen Rassismus der USA in den Fokus. Der Ton wurde

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Ebd., 62. Wallenstein, 237. Alle Transkriptionen nach einem privaten Mitschnitt der zwei Sendungen.

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härter: »Blues verändert Wirklichkeit nicht, aber er hält ihre Veränderungsbedürftigkeit im Blick. Und er hilft dir, in der Lage zu bleiben, Wirklichkeit zu verändern. Die Black Panthers singen neue Texte zu alten Melodien.« Dann folgte eine Collage aus Schlagworten wie »Say it loud: I’m black and I’m proud« oder »R-es-p-e-c-t«, Statistiken zur Unterdrückung und miserablen Lage der Afroamerikaner und mehrere Statements des eingekerkerten, radikalen Bürgerrechtlers Bobby Seale. Er stellte ohne Umschweife klar: »Wenn man auf uns schießt, schießen wir zurück. Wir sind kein Freiwild für diese pigs, für diese Polizeischweine.« Zum Schluss wurde eine bereits mehrfach gezeigte Szene erneut eingeblendet, in der ein entnervter Vater die Stopptaste eines Kassettenrekorders drückt und Joe Cockers inbrünstigen Gesang abwürgt. »Klingt ja wie Urwaldmusik!« Sein Sohn trotzig: »Du hast Recht, es ist Urwaldmusik.« Manfred Millers Zweiteiler illustrierte die politische Aufladung und Interpretation des Blues, wie sie seit den 1960ern beobachtet werden konnte. Vielen galt diese Musik als Ausdruck und Kommentar der gesellschaftlichen Umbrüche. Es röche förmlich »nach Frühling, frischem Wind und Freiheit«, hieß es im Vorwort der deutschen Ausgabe von Michael Bloomfields Erinnerungen an Big Joe Williams. »Die sechziger Jahre sind wie eine Riesenflutwelle, die sich vom Meer losgelöst hat«. Der Zeitgeist fordere zur »Selbstverwirklichung« heraus, »die Segel blähen sich. Alle sind gespannt. Stellen sich auf die Fußspitzen. Sie lauschen fernen, fremden Klängen. Und die Fremdheit daran, das Unbekannte darin vermittelt eine seltsam vertraute Schönheit. Ein lang vermisstes Gefühl«.56 Den Blues reklamierte auch eine dezidiert kapitalismuskritische Flanke für sich. Im Kontext der westdeutschen Gegenkultur und der Studentenproteste, die 1968 ihren Höhepunkt erreichten, avancierte er zum schillernden Symbol.57 Alternative Milieus priesen den Blues als identitätsstiftendes Medium und gesellschaftliches Korrektiv, weil in ihm die Erfahrung der Diskriminierung zum Klang geronnen sei. Die Jugendkultur der ›Flower Power‹ schätzte seine ›Progressivität‹ und ›Hipness‹. Sie wurde als Antithese zu Kommerz und bürgerlicher Entfremdung behauptet. Im Gegensatz zu jener Form der Aufwertung und Idealisierung ›schwarzer‹ Kultur, die schnell ins Räderwerk des Konsums geriet und für die der Ethnologe Moritz Ege den leicht satirisch gemeinten Begriff »Afroamerikanophilie«58 prägte, deuteten linksmilitante Zirkel Musik, Literatur und Habitus zur Kampfansage an das kapitalistische Regime um. Der Blues diente ihnen als

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Alle Zitate: Schmitt, ohne Seitennummerierung. Detailliert: Siegfried: Authentisch schwarz sowie Siegfried: Time Is on My Side, insbesondere 366–398. Ege, insbesondere 9–22.

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Chiffre, sein künstlerisches Naturell wurde von der Idee des Umsturzes komplett absorbiert. In Westberlin gab sich um 1970 eine subkulturelle Strömung den Namen »Blues«. Dem Weltbild und der Tradition politisierter »Gammler«59 verhaftet, kreiste ihr Sendungsbewusstsein um ein »radikalisiertes Lebensstilkonzept«, das dem »Postulat unmittelbarer Bedürfnisbefriedigung« folgte.60 Der Blues taugte nach ihrem Verständnis nicht nur deshalb als perfektes Motto, weil er in Knechtschaft wurzele, sondern sich auch dagegen Militante Westberliner Subkultur: Schriftstück der Beauflehne. Ein programmatiwegung 2. Juni, unter Verwendung einer Zeichnung von scher Text erklärte den Zu- Robert Crumb sammenhang wie folgt: »Der Blues – das war zuerst der Gesang amerikanischer Negersklaven. Später eine Musikrichtung, die fast nur von Schwarzen ausgeübt werden konnte: Denn sie hatten das feeling, das die Grundlage des Blues bildete, ja praktisch mit der Muttermilch reingekriegt: Zu leben auch in der größten Scheiße. Zu leben mit Ketten, vor den Gewehrläufen, hinter Knastgittern. Und hin und wieder n Supermarkt ausräumen oder einen der ermordeten Brüder rächen«. An der eigenen »Front« blicke man einer »profitgierigen, idiotischen Industrie«, »einer riesigen Wahnsinnsmaschine« und »Versammlung von Halbgreisen und Scheintoten« ins Auge. »Wir fühlen, dass irgendetwas nicht stimmt an diesem ganzen System.« Widerstand sei

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Bezeichnung für eine jugendliche Subkultur der sechziger Jahre, die durch lange Haare, Müßiggang, Alkohol- und Drogenkonsum sowie ihre Attitüde der Lässigkeit und fanatische Liebe zur Rockmusik auffiel. Zum westdeutschen Phänomen des »Gammlers« vgl. Siegfried: Time Is on My Side, 399–428. Siegfried: Authentisch schwarz, 224.

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ein Gebot des Hier und Jetzt. »Der Blues geht weiter«, lautete die Parole, »unser Krieg gegen die Alten wird anders sein als ihre Kriege je waren.« 61

          Auch in der DDR besaß der Blues einen politischen Beigeschmack. Die Propaganda maß ihm positive Attribute bei, verkörperte er doch das ›andere Amerika‹.62 Sie hörte den Blues als Protest des ›schwarzen Proletariats‹, das gegen Unmenschlichkeit und Repression aufbegehrte. Im Unterschied zu linken Kreisen des Westens sah sie das revolutionäre Potenzial allerdings untrennbar an die soziale Situation der USA gebunden – der Blues künde von Ungerechtigkeit, meine aber nicht die hiesigen Verhältnisse. Die Koordinaten der offiziellen Bewertung dieser Musik waren durch die Axiome der ›Systemauseinandersetzung‹ vorgegeben. Nach kommunistischer Definition trieben die Vereinigten Staaten das Prinzip des Kapitalismus auf die Spitze. Sie hätten sein »höchstes und letztes« Stadium erreicht, den Imperialismus, der von Agonie sowie einer nach innen und außen gerichteten Aggressivität gekennzeichnet und daher als »Hauptfeind der Völker« zu betrachten sei. Die Lehrmeinung der SED lautete: »Kristallisationspunkt der Zuspitzung aller krisenhaften Erscheinungen des Imperialismus im internationalen Maßstab sind die USA. Der USA-Imperialismus ist das reaktionäre Zentrum des Welt-Imperialismus. Er ist bestrebt, die Rolle eines Garanten und Schutzpatrons des internationalen Systems der Ausbeutung und Unterdrückung zu spielen, überall zu herrschen, sich in die Angelegenheiten anderer Völker einzumischen.« Der »konsequenteste und stärkste Gegner der Macht der Monopole, das Zentrum für die Sammlung aller antiimperialistischen Kräfte«, sei die Arbeiterklasse.63 Sie werde letztlich den Sieg erringen und auch Amerika zum Sozialismus führen. Bis in die frühen siebziger Jahre fochten die Medien der DDR heftige ideologische Schlachten gegen die USA aus. Sie standen im Zeichen des Kalten Krieges und bedienten eine entsprechend militante Rhetorik. Zum Arsenal gehörten auf-

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Alle Zitate: Der Blues, Band I, 137. Zur politischen Bewertung afroamerikanischer Musik in der DDR vgl. Rauhut: The Voice of the Other America. Stichwort »Imperialismus«, in: Kleines politisches Wörterbuch, 347–352, Zitate: 347, 349, 350, 351–352.

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wändige Sende- und Publikationsreihen, mit denen »die Wahrheit über Amerika«64 verkündet werden sollte. Als schlagendes Indiz der Unmenschlichkeit des US-Imperialismus galt die Unterjochung der ›schwarzen‹ Bevölkerung. Sie sei Rassismus und Lynchjustiz ausgeliefert und diene »als Kanonenfutter für die Wallstreet«.65 Immer wieder wurden Parallelen zum Dritten Reich gezogen. Ein Rundfunkbeitrag über die angebliche »Demokratie« in »Gottes eigenem Land« wies die Beteuerungen des amerikanischen Präsidenten als »scheinheiliges Gewinsel« und »unverschämte Heuchelei« zurück und erklärte: »Weder besteht zwischen den Negerverfolgungen in den Vereinigten Staaten und der Judenverfolgung unter Hitler ein Unterschied – es sei denn ein quantitativer –, noch in der Absicht dieser scheußlichen Verbrechen: Sie sollen ablenken; ablenken von den Verbrechen, die am eigenen Volk und an den Völkern der Welt begangen werden, ablenken von dem Krieg, den man vorbereitet, ablenken vom Kampf gegen diese drohende Kriegsgefahr; sie sollen in denen, die man bereit machen will, Krieg zu führen, das Gefühl der Überheblichkeit, den Dünkel erwecken, ein Herrenmensch zu sein, einer Herrenrasse anzugehören.«66 Später, in den siebziger Jahren, zogen moderatere Töne ein. Unter Erich Honecker löste sich die weitgehende internationale Isolation der DDR, und auch die »rigorose Nichtanerkennungspolitik«67 der USA fand ihr Ende. Im September 1974 nahmen beide Staaten diplomatische Beziehungen auf. Das Bild vom ›anderen Amerika‹ sah der Agitationsapparat der SED am wirkungsvollsten durch die Sprache der Kunst vermittelt. Neben Literatur und Film artikuliere sich ein mächtiges »antiimperialistisches Widerstandspotential« in den verschiedenen Formen afroamerikanischer Musik. Sie entsprängen der »Kultur des Kampfes« und wären eine vollkommene »Mischung von Freiheitssehnsucht und Aufbegehren, von Klage und Lebenszuversicht«. Der Blues spielte in den propagandistisch gefärbten Wortmeldungen zwar kaum eine separate Rolle, war aber als Grundelement des Kanons ›schwarzer‹ Musik omnipräsent. Er wurde in einem

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So hieß eine Rubrik, die auf den Frequenzen des Deutschlandsenders, des MDR Leipzig und Berliner Rundfunks seit Ende der vierziger Jahre an fünf Tagen pro Woche ausgestrahlt wurde. Antiamerikanische Propaganda betrieb auch die ab 1950 vom Deutschen Funk-Verlag herausgegebene Monatsillustrierte »USA in Wort und Bild«. Beide Medien waren eng miteinander verbunden und sind regelmäßig von der Programmzeitschrift »Der Rundfunk« per Vorab- oder Nachdruck zitiert worden. Aus dem Titel eines Fotos, das den regulären Teilabdruck des Journals »USA in Wort und Bild« in »Der Rundfunk« illustrierte. Vgl.: Die im Schatten leben. Aus einem Kommentar der Sendung »Die Wahrheit über Amerika«. Schnitzler. Ostermann, 272.

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Atemzug mit Jazz, Gospel oder Soul genannt und wie diese als »spezifischer Beitrag der Afroamerikaner zur Weltkultur« geschätzt.68 Die politische Verortung war keine Erfindung der DDR, sie berief sich auf systemkritische Intellektuelle und Künstler der USA.69 Ihnen widmeten die ostdeutschen Medien besondere Aufmerksamkeit. Über die Jahrzehnte hinweg wurde Harry Belafonte als exponierter ›Bündnispartner‹ und »Stimme von Millionen«70 geehrt. 1983, am Rande eines umjubelten Auftritts im Palast der Republik, berief die Ostberliner Akademie der Künste den einstigen ›Calypso-König‹ zum Korrespondierenden Mitglied. Die Laudatio würdigte das »Leben und Wirken eines großen Künstlers und Kämpfers für den Frieden«.71 Belafonte sei das leuchtende Beispiel eines geradlinigen Mannes, »der sich durch verlockende Angebote und kapitalistischen Starkult nicht kaufen ließ«.72 Bis weit in die siebziger Jahre wurde Paul Robeson als Inkarnation des ›anderen Amerika‹ medial inszeniert. Die Präsenz des international geachteten Sängers und Schauspielers war einzigartig – kein anderer Afroamerikaner genoss in der DDR eine derart nachhaltige Publizität und Geltung.73 Auch wenn der Blues eher zu den Spurenelementen seines Œuvres zählte,74 färbte die prinzipielle Auseinandersetzung mit dem Robesonschen Repertoire auf die politische Lesart dieser Musik ab. Paul Robeson interpretierte ›unverfälschte‹ Folklore und doppelbödiges religiöses Liedgut, Songs, die vom Leiden und Zorn der ›Schwarzen‹ kündeten. Sie übersetzten das Vermächtnis der Sklaverei in revolutionären Elan. William Patterson, Mitglied des Nationalkomitees der Kommunistischen Partei der USA, schrieb: »Diese Lieder kommen aus der Dunkelheit, aber sie weisen in das Licht.«75 Robesons künstlerische Klasse, die »Ausstrahlungskraft dieser schwärzesten aller schwarzen Bassstimmen, die es in unserem Jahrhundert gegeben hat«,76 forme das Erbe zur ›materiellen Gewalt‹. Der Dichter Arnold Zweig erblickte in ihm den »freiesten und menschlichsten Sänger unserer Tage. Wo immer

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Alle Zitate: Hajek, 7, 14, 7 und 20. Vgl. Merkel. Koch, 255. Ehrung in der Akademie der Künste für Harry Belafonte. Berger/Görtz. Zur internationalen Rolle von Paul Robeson vgl. stellvertretend Creighton. Schaffen und Wahrnehmung des Künstlers im Zeitalter des Kalten Krieges sind das Thema einer umfangreichen Studie von Perucci. Paul Robesons Stärken lagen im konzertanten Stil, er war kein Bluessänger. »Als er das bluesige ›King Joe‹ aufnahm, begleitet vom Count Basie Orchestra, bemerkte Basie, dass Robeson den Blues nicht singen könne«. Creighton, 127. Patterson, 17. Paul Robeson singt.

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seine Stimme erklingt, singt der unterdrückte Mensch, aber so, dass man schon fühlt, was für Kräfte zum Wohle aller befreit sein werden, wenn die Gehirne der Weißen von ihrem Gruppendünkel einmal entlaust sein werden.«77 Robesons Werk sei vom Geist des Internationalismus durchdrungen. Er selbst war davon überzeugt, »dass es eine weltumfassende universale Volksmusik gibt«.78 In seinen Vorträgen und Schriften verfocht Paul Robeson kommunistische Visionen. Von der US-Regierung lange Zeit boykottiert und verfolgt, Walter Ulbricht (rechts) verleiht Paul Robeson den führte ihn die Mission für eine »Stern der Völkerfreundschaft« am 5. Oktober 1960 friedliche und gerechtere Welt in der Deutschen Sporthalle, Ostberlin 1934 erstmals in die Sowjetunion und 1960 schließlich auch zu einem Besuch und Konzert nach Ostdeutschland. Staatschef Walter Ulbricht zeichnete Robeson mit dem »Stern der Völkerfreundschaft« aus, die Humboldt-Universität verlieh ihm die Ehrendoktorwürde. In seiner Dankesrede appellierte der Künstler an die Studenten: »Glaubt nicht, was euch die Leute auf der anderen Seite des Brandenburger Tores von dem gelobten Land Amerika erzählen. Wir führen einen schweren, erbitterten Kampf – es gibt zwei Amerikas. Auch in unserem Lande wollen Millionen den Frieden und befreit sein von der Furcht vor den Atombomben. Doch eines Tages siegen bei uns auch die Kraft und der Wille des Volkes.«79 Die SED rühmte Paul Robeson als »schwarzen Vorkämpfer der Menschheit«, »einen Großen der Geschichte dieses Jahrhunderts«80 und »treuen Freund der

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Zweig, 39. Robeson: Mein Lied – meine Waffe, 179. Vgl. des Weiteren Robeson: Gedanken über Musik. Robeson: Aus der Rede vor Studenten der Humboldt-Universität. Norden.

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Deutschen Demokratischen Republik«.81 »Fast beispiellos ist seine Fähigkeit, Rationales und Emotionales in seiner propagandistischen Arbeit zu verbinden und seine Kunst in den Dienst des Klassenkampfes zu stellen. Von ihm stammt die Losung: ›Mein Lied, meine Waffe‹,82 hinter der eine marxistisch-leninistische Theorie der Kunst steht, die er nur in konsequenter Auseinandersetzung mit imperialistischen und revisionistischen Kunstauffassungen realisieren konnte. Robeson gelang es, die Kultur der amerikanischen Schwarzen, ihre Lieder und Spirituals aus dem Abgrund offizieller Ächtung in die führenden Konzertsäle Amerikas zu bringen und das kulturelle Erbe des internationalen Proletariats in seine Kunst einfließen zu lassen.«83 Die Schriftstellerin Anna Seghers verglich Paul Robesons Aura mit einem Naturereignis: »Wie einen der erste Anblick des Meeres oder der Gletscher erregen kann, so erregte uns diese Stimme.« Sie hatte ihn zum ersten Mal in der Zeit der Weimarer Republik gehört. Robeson verzahnte schon damals unterschiedliche Welten, führte Spirituals und »Kampflieder« auf. »Mitreißend war er immer und überall. Was er sang und wie er es sang – es machte die Menschen, die ihm zuhörten, für den Kampf brennen.«84 Die Liste der offiziellen Würdigungen ist lang: 1964 konstituierte sich das Paul-Robeson-Komitee der DDR, 1965 wurde ein Robeson-Archiv an der Akademie der Künste gegründet; Straßen, Schulen, Chöre und Arbeitskollektive sowie eine Gedenkmedaille trugen bald seinen ›Ehrennamen‹. Politische Kampagnen ernannten ihn zum Schirmherren. Der Staat suggerierte eine tiefe emotionale Verbundenheit des ›einfachen Volkes‹ mit dem Künstler. Im Brief eines Ostberliner Mädchens an Robeson, 1961 vom Deutschen Friedensrat veröffentlicht, hieß es: »Ich bin 8 Jahre alt. Und meine liebste Puppe heißt Jimmi und ist ein Negerkind. Bleibe lieber bei uns in der DDR. Wenn Du in Amerika bist, habe ich immer Angst um Dich.«85 An der tendenziösen Präsentation afroamerikanischer Musiker und den unverhohlenen Vereinnahmungsstrategien entflammte so manche interne Kontroverse. Ein beredtes Beispiel lieferte der Fall Aubrey Pankey. Ursprünglich aus Pittsburgh, gastierte der Sänger 1955 in der DDR und bezog dort ein Jahr später seinen Dauerwohnsitz.86 Er wurde an der Deutschen Hochschule für Musik in Ostberlin

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Ulbricht. So lautete auch der Titel der deutschen Übersetzung von Paul Robesons Biographie »Here I Stand«. Beide Ausgaben, Original und Lizenz, erschienen 1958. Loeser, 7. Seghers. Deutscher Friedensrat, 35. Pankey hatte vorher, ab 1950, in Frankreich und Großbritannien gelebt. Beide Länder wiesen ihn aufgrund politischer Aktivitäten aus. Vgl. Adam-Beyer.

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als Pädagoge tätig und blieb auf den Konzertbühnen aktiv. Der klassisch geschulte Bariton interpretierte europäische Hochkultur, aber auch das amerikanische »Neger-Volkslied«87 in allen Schattierungen. Eine von Aubrey Pankey herausgegebene Notensammlung enthielt die Eigenschöpfung »Legend«,88 die seine Nähe zur Folklore illustrierte. Er selbst bezeichnete das Werk als »Protestlied gegen Unterdrückung und Ausbeutung des Neger-Volkes in den USA«. Eine Passage lautete: »Man spricht über Freiheit, ’s ist Lüge und Not, du willst sie im Süden, das ist dann der Tod.«89 Die Medien reihten Aubrey Pankey in die Heldenloge »unserer schwarzen Brüder« ein, neben Paul Robeson, Louis Armstrong, den Fisk Jubilee Singers und Harry Belafonte.90 Der Künstler sah sein Image mit gemischten Gefühlen. In einem Brief an das Rundfunkkomitee der DDR wandte er sich gegen die Instrumentalisierung seiner Hautfarbe. Die Staatsoper hatte ihn 1959 nach Jim-Crow-Manier in der »Eigenschaft als Neger« besetzen wollen, wogegen Pankey intervenierte. Er wäre nicht als Sänger gefragt gewesen, sondern »einzig und allein«, um dem Programm ein bisschen exotische »Negeratmosphäre zu verleihen«.91 Sein Schreiben landete auf kurzem Dienstweg bei der Parteispitze. Alfred Kurella, Leiter der Kulturkommission beim Politbüro des ZK der SED, versuchte die Wogen zu glätten. Es wäre an der Zeit, »einmal in der Öffentlichkeit gegen die Pseudosympathien für ›Neger‹ aufzutreten, hinter denen sich tatsächlich eine rassistische Einstellung verbirgt.« Der hochrangige Funktionär zeigte vollstes Verständnis für den gekränkten Musiker. »Ich finde überhaupt, dass auch in dem unkritischen Kult, den gewisse Leute leider auch bei uns noch mit den Spirituals treiben, dieselbe herablassende und herabsetzende Haltung gegenüber ›Negern‹ steckt.«92 Parteiintern regte der Leiter der Agitationskommission beim Politbüro, Albert Norden, an, es solle »generell untersucht werden, wie solche Leute wie Pankey bei uns behandelt werden«.93 Die Fassade, so meinte auch er, dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die althergebrachte Diskriminierung maskiere: »Bei gewissen Leuten steckt hinter ihrer sehr laut betriebenen Propaganda für die ›armen Neger‹ und das, was sie als deren Kultur bezeichnen, tatsächlich ein Rassenhass mit umgekehrten Vorzeichen!«94

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Amerikanische Neger-Volkslieder, 2. Text und Musik: Aubrey Pankey. Offizielle Übersetzungen. Amerikanische Neger-Volkslieder, 37 und 33. Vgl.: Musik unserer schwarzen Brüder. Pankey, 1 und 2. Kurella: Brief an Aubrey Pankey. Norden: Brief an Alfred Kurella. Kurella: Brief an Albert Norden.

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Fingerspitzengefühl war auch gegenüber Etta Cameron gefragt. Die afroamerikanische Sängerin debütierte Anfang 1968 in der DDR, wo sie während der folgenden Jahre hunderte Konzerte und diverse Fernsehauftritte absolvierte. Gemeinsam mit ihrem Ehemann bewohnte sie bis 1972 ein Appartement in Berlin-Prenzlauer Berg.95 Etta Cameron stieg schnell zum Star auf, sie wurde als hinreißende Interpretin von Jazz, Blues, Gospel und Soul gefeiert. Zu ihren Begleitern gehörten die Besten des Fachs: Duettpartner Etta Cameron und das Hannes-Zerbe-Quintett, Zella St. wie Manfred Krug, die Blasii, 1972 Bands von Klaus Lenz, Hannes Zerbe oder Günther Fischer und die Dresdner Tanzsinfoniker. Etta Cameron war auf den prominentesten Bühnen Ostdeutschlands zu Hause, konnte aber auch regelmäßig in Kirchen erlebt werden. Das löste Unmut aus, verschanzte sich

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Einer weit verbreiteten Legende zufolge verlor Etta Cameron 1968 auf einer Konzertreise ihren amerikanischen Pass bzw. wurde dieser gestohlen, weshalb sie die DDR für die nächsten fünf Jahre nicht mehr verlassen konnte. Vgl. stellvertretend Østlund, insbesondere 119–171. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass hinter ihrer Zeit in Ostberlin persönliche Zwänge und ein geheimdienstliches Komplott steckten. William Flyckt, Etta Camerons Gatte und Manager sowie Betreuer etlicher DDR-Künstler, verpflichtete sich 1965 zur Zusammenarbeit mit dem MfS. Zwei Jahre später wurde der dänische Staatsbürger von der Hauptabteilung XX/4, zuständig für die Überwachung der Kirchen und Religionsgemeinschaften, als IM angeworben. Flyckt stand unter den Tarnnamen »Bill« bzw. »Henry« auf der Gehaltsliste der Stasi und wurde »für die Bearbeitung der vor allem von der BRD ausgehenden und gegen die DDR gerichteten politisch-klerikalen Aktivitäten« eingesetzt. Weil er »auf diesem Gebiet eine ausgezeichnete Arbeit« leistete, war man an einer langfristigen Kooperation interessiert. MfS, Hauptabteilung IX/2, 144 und 145.

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nach dem Glauben der marxistischen Ideologie dort doch die bürgerliche Reaktion. Zähneknirschend nahm der Staat den Spagat hin. »Von einem administrativen Vorgehen gegen das Auftreten dieser Sängerin wird prinzipiell abgeraten, da dies von ihr als ein ›Rassenproblem‹ gewertet wird«,96 hieß es in einer vertraulichen Information der SED. Auf politisch weniger brisantem Boden bewegte sich der ›schwarze‹ Entertainer James W. Pulley. Sein Milieu waren die Unterhaltungsshows und Tanzsäle der DDR. Pulley, der aus Philadelphia stammte, diente als US-Soldat in Bayern. 1955, mit 19 Jahren, desertierte er nach Ostdeutschland und startete eine Karriere als Sänger.97 Ende der fünfziger Jahre sorgten seine Rock-’n’-Roll-Einlagen für Furore. Auch als er später die Gefilde des Schlagers eroberte, baute James W. Pulley so manchen Blues und Gospel ins Programm. Das entsprach seinem künstlerischen Selbstverständnis und war gleichzeitig einer reflexartigen Erwartungshaltung geschuldet, mit der er sich als Afroamerikaner konfrontiert sah.

                 Das Bild des ›anderen Amerika‹ durchzog nicht nur die parteipolitische Propaganda, sondern auch die Fachliteratur und journalistische Wahrnehmung des Blues.98 Kaum eine längere Abhandlung verzichtete auf die agitatorischen Versatzstücke, mit denen das Terrain ›widerständiger‹ Kunst abgezirkelt wurde. 1966 erschienen zwei Publikationen, die den Blues zum ersten Mal in Buchform beleuchteten. Sie avancierten auf unterschiedliche Weise zum Standard. »Jazz: Analysen und Aspekte« von Andre Asriel ordnete den Blues in größere stilgeschichtliche Zusammenhänge ein und widmete ihm ein gesondertes Kapitel. Der studierte Komponist und Dozent für Tonsatz untersuchte musiktheoretische Parameter, be-

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Kanther, 1. Die Gründe der Fahnenflucht waren nicht politischer, sondern privater Natur: James W. Pulley hatte sich in ein Mädchen aus Sachsen-Anhalt verliebt. Mit diesem Etikett wurden auch die wenigen medienpräsenten Vokalisten versehen, die schon in den fünfziger und sechziger Jahren Blueselemente in ihr Repertoire integrierten. Fred Frohberg etwa ist dafür gelobt worden, dass er »die Musik der amerikanischen Neger, die Musik des anderen, des wahren Amerika« in der DDR popularisierte. Vgl. Malsch. Der Schauspieler und Liedermacher Reiner Schöne trat in den Sechzigern als Folk-Blues-Interpret auf. Für Amiga produzierte er den »Ledernacken-Blues«, ein Agitpropsong gegen den Vietnamkrieg, vorgetragen im Dixielandstil. Reiner Schöne/Jazzin’ Kids: Pauls Traum c/w Ledernacken-Blues (Mr. President), Amiga 4 50 582, DDR 1966.

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mühte aber auch ideologische Phrasen. Den gesellschaftlichen Nährboden beschrieb er wie folgt: »Es ist bezeichnend, dass sich das erwachende Selbstbewusstsein der Neger gerade in einem Liedtyp wie dem Blues manifestierte. Der Blues ist dem Namen und dem Inhalt nach ein trauriges Lied. Wäre die Abschaffung der Sklaverei eine echte Befreiung gewesen, hieße das Individuallied der Neger vielleicht ›Joys‹: Freuden. Der tragische Charakter des Blueslieds deutet an, dass die Befreiung der Neger aus der Sklaverei nicht mehr war als ein Übergang zu zeitgemäßeren, kapitalistischen Formen der nationalen und sozialen Unterdrückung.« Analog zu den Traditionalisten des Westens, die Andre Asriel in seiner Bibliographie ausgiebig zitierte, lag den Betrachtungen ein enges Authentizitätsverständnis zugrunde. Alles, was sich vom folkloristischen Hauptstrom entfernte, fiel einem apodiktischen Urteil zum Opfer. »Vollends indiskutabel sind die vielfältigen kommerziellen ›Verwurstungen‹ des Blues«, stellte Asriel klar.99 Sein Buch, das mehrfach überarbeitet und erweitert wurde, hat manches Veto provoziert,100 ist aber nichtsdestotrotz bis weit in die achtziger Jahre hinein an den Schulen als Lehrmaterial genutzt worden. Ebenfalls 1966 kam Theo Lehmanns »Blues and Trouble« auf den Markt, in der DDR die erste Monographie zum Thema. Im Hauptberuf evangelischer Pfarrer, zählte Lehmann zu den wenigen Kennern afroamerikanischer Musik, die es in Ostdeutschland gab. Er hatte 1963 über Negro Spirituals aus theologischer Sicht promoviert101 und veröffentlichte später eine viel gepriesene Mahalia-Jackson-Biographie.102 Sein Bluesbuch unterschied sich von ähnlichen Schriften durch das Fehlen der gängigen politischen Kotaus.103 Zwar rückte auch Theo Lehmann die Erfahrung des Leids in den Fokus, reduzierte sie aber nicht auf das Schicksal der Afroamerikaner. Er meinte genauso die Unfreiheit im eigenen Land, wie er rückblickend erklärte. »Ich hatte deshalb mit Bedacht die Widmung meines Buches gewählt: ›Für alle, die den Blues haben.‹ Von denen gab es in der DDR mehr als genug.«104

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Beide Zitate: Asriel, 66 und 68. Asriels Studie, die 1968 auch in der BRD veröffentlicht wurde, ist unter anderem »mangelndes Jazzverständnis« vorgeworfen worden. Straka, 215. 101 Gleichzeitig in Ost- und Westdeutschland veröffentlicht als Lehmann: Negro Spirituals. 102 Lehmann: Mahalia Jackson. Das Buch erschien 1981 auch in der BRD. 103 Zur Entstehung: Lehmann: Freiheit wird dann sein, 79–82 sowie Lehmann: Blues & Trouble. Das erste Bluesbuch der DDR. 104 Ebd., 139.

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Das Konzept des knapp 200 Seiten starken Werkes erinnerte an die frühen Arbeiten von Joachim-Ernst Berendt. Der historische Abriss schloss Übersetzungen und Analysen von Songtexten, biographische Details sowie Fakten zur sozialen Situation der USA und dem Alltag des Bluessängers ein. Großformatige SchwarzWeiß-Fotos gaben dem Wort, das die Nähe zur Poesie suchte, zusätzliches emotionales Gewicht. Einen »Hauch von Internationalität«105 spendete die Einleitung. Sie stammte von Martin Luther King. Die Galionsfigur der Bürgerrechtsbewegung sah im Protest der Afroamerikaner »etwas, das dem universalen Kampf des modernen Menschen verwandt ist. Jeder hat den Blues. Jeder sehnt sich nach sinnvollem Leben. Jeder will lieben und geliebt werden. Jeder wünscht sich, in die Hände zu klatschen und glücklich zu sein. Jeder sehnt sich nach Glauben.« Im Blues, der »Musik sieghafter Überwindung«, sei »ein Mittel gegeben, zu alledem zu kommen«.106 Das waren exakt die Ideale und Visionen, die Theo Lehmann mit »Blues and Trouble«, aber auch seiner täglichen Seelsorge als Pfarrer vermitteln wollte. Nur kamen sie hier nicht aus seinem Munde, sondern dem einer umworbenen politischen Ikone. Gegen eine solche Autorität war jeglicher Einwand machtlos. Wer zwischen den Zeilen lesen konnte, spürte den DDR-Bezug und die Dringlichkeit der Lehmannschen Studie. Immer wieder neu aufgelegt, bewegte sie Heerscharen von Musikern und Fans. Das Lob war einhellig, hüben wie drüben. Die ostdeutsche Presse stufte das Buch als »bedeutendes sozialkritisches Werk« ein und meinte, es enthalte alles, »was man über den Blues wissen muss«.107 Theo Lehmanns Opus bestäche »mit einer feinfühligen Interpretation« der Lyrics und »ungewöhnlich eindrucksstarken Fotos«.108 Es schlösse eine »Lücke«109 und sei, so befand man im Westen, »sehr flüssig, in schöner Erzählform, ohne Pathos, jedoch mit großer Anteilnahme geschrieben«. Selbst ein Blatt wie das bundesdeutsche »Blues Forum«, das für die Strenge seines Urteils bekannt war, sparte nicht mit Anerkennung: »Deutschsprachige Bluesbücher dieser Art sind rar, und es sollte daher in keiner Jazz/Bluesbibliothek fehlen.«110 Der Beifall wog doppelt, hatte der Autor doch trotz der DDR-typischen Beschränkungen hinsichtlich Materialbeschaffung und Recherche bleibende Wertarbeit geliefert.

105 Ebd., 138. 106 King jr. 107 Wagner. 108 Musikliteratur in Neuauflage: Blues & Trouble. 109 Auswahl von Büchern, 37. 110 Beide Zitate: Klose: Blues & Trouble.

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Nach langer Pause erschien 1982 mit »Blues in Vergangenheit und Gegenwart« von Rainer Bratfisch eine weitere monographische Rundumbetrachtung.111 Sie gehörte zur Reihe »In Sachen Disko« und verstand sich als Handreichung für den ›Schallplattenunterhalter‹, wie der DJ offiziell bezeichnet wurde. Westliche Kritiker gingen mit der 40-seitigen Broschüre nicht gerade zimperlich um. Ihr gebräche es an Kompetenz, die Quellenkenntnis sei schlichtweg katastrophal, monierte ein österreichisches Fachjournal. Als DDR-Bürger wäre der Verfasser »leider von den letzten zwanzig Jahren Bluesforschung abgeschnitten«.112 Tatsächlich hatte man im Osten einen äußerst begrenzten Zugriff auf internationale Veröffentlichungen. Sie wurden nicht verlegt, nur wenige Bibliotheken führten ausgewählte Titel.113 Wer westliche Standardwerke lesen wollte, hatte sie in der Regel über komplizierte Kanäle zu beschaffen.114 Der Verriss endete mit einem gönnerhaften Epilog. »Eine ermutigende Anmerkung für Rainer Bratfisch muss jedoch unbedingt gemacht werden: seine Begeisterung und seine Ernsthaftigkeit legen den Schluss nahe, dass wenn er Zugang zu dem Schallmaterial und der Literatur seiner westlichen Kollegen besäße, er sicherlich eine Arbeit vorgelegt hätte, die viele sogenannte hiesige ›Experten‹ beschämen würde.«115 Die Scharte versuchte Rainer Bratfisch 1987 auszuwetzen, als er gemeinsam mit Volker Albold »Blues heute« herausgab – ein umfängliches, ambitioniertes Werk, das ebenfalls den Anspruch einer mehrdimensionalen Gesamtdarstellung erhob.116 Hier fand der Leser eine Fülle von Informationen zur Sozial- und Regionalgeschichte dieser Musik in den USA seit 1945, die Biographien einschlägiger Künstler, lexikalisches Wissen, Textübertragungen und diskographische Hinweise. Volker Albold und Rainer Bratfisch wollten den Blues in seiner Komplexität porträtieren: als »Batterie« der populären Musik, künstlerisches »Phänomen« und »unverändert aktuellen Zeitkommentar, als Aufschrei der Unterdrückten, Unterprivilegierten dieser Erde«.117 Ein Kapitel ortete Spuren des »Blues in Europa«. Dass neben den westlichen Ländern auch der Ostblock, inklusive DDR, auf die

111 Bratfisch: Blues in Vergangenheit und Gegenwart. 112 Hortig: Rainer Bratfisch. 113 Dazu gehörten beispielsweise die Deutsche Staatsbibliothek in Ostberlin, die Deutsche Bücherei in Leipzig und die Sächsische Landesbibliothek in Dresden. Über sie waren teilweise auch Fernleihen möglich. Eine relativ gute Ausstattung besaß die Präsenzbibliothek des Forschungszentrums Populäre Musik der Humboldt-Universität zu Berlin. 114 Die private Einfuhr von Druckerzeugnissen aus dem Westen war reglementiert. Bücher wurden meist in die DDR geschmuggelt. Vgl. Goll. 115 Hortig: Rainer Bratfisch. 116 Zur Entstehung: Albold: Wie Muddy Waters nach Kahla kam, insbesondere 485–488. 117 Albold/Bratfisch: Blues heute, 10.

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Agenda rückte, war ein besonderes Verdienst. »Blues heute« hatte eine Auflage von 12.000 Exemplaren und verkaufte sich schnell. »Das war natürlich der Mangelsituation in der DDR geschuldet«, wie Volker Albold relativierend einschätzte. »Veröffentlichungen über Musik aus ›dem Westen‹ waren rar und deshalb sehr gefragt.«118 An der beachtlichen Fleißarbeit schieden sich die Geister. Das Magazin »Unterhaltungskunst« druckte eine ausführliche Buchbesprechung, der streckenweise die nötige Sachlichkeit abging. Den Autoren wurde mangelndes Engagement und »Verantwortungsbewusstsein« angelastet, sie hätten ihren Gegenstand zu technokratisch und oberflächlich behandelt. Eine genaue Prüfung offenbare »Ungenauigkeiten und Fehler zuhauf. Resultat ungenügender Gründlichkeit in der Recherche.« Es folgte eine Litanei von Korrekturen. »Alles in allem«, schloss der Rezensent, »ist mein Eindruck von dieser Publikation der einer international verpassten Gelegenheit. Da hätte die Chance bestanden, den deutschsprachigen Raum um eine von wissenschaftlicher Grundsätzlichkeit getragene Wortmeldung zu bereichern.«119 Volker Albold und Rainer Bratfisch wehrten sich mit einer Gegendarstellung. Sie dementierten etliche Vorwürfe und konterten bissig: »wie geht doch gleich das Glashaus-Sprichwort?«120 Neben den wenigen separaten Abhandlungen fand der Blues in diversen ostdeutschen Lexika und Musikgeschichtsbüchern seinen Platz.121 Internationales Spitzenniveau repräsentierten die Forschungsarbeiten des Musikwissenschaftlers Peter Wicke, namentlich sein »Handbuch der populären Musik«122 und »Anatomie des Rock«.123 Gelegentlich tauchte der Blues in der Fach- und Tagespresse auf. Sie berichtete über Konzerte, stellte Künstler vor und druckte Plattenkritiken. »Was ist der Blues?«, fragte das Jugendmagazin »neues leben« 1988 in einem der seltenen Specials. Er sei kein »Museum, sondern eine Musik, die mit der Zeit geht«.124 Am häufigsten widmete sich »Melodie und Rhythmus« dem Thema. Die einzige Popmusikzeitschrift der DDR taktete den Blues in Geschichtsserien wie

118 Zahl und Zitat: Albold: Wie Muddy Waters nach Kahla kam, 486 und 487. 119 Lorenz: Volker Albold, Rainer Bratfisch: Blues heute, 23. Dieselbe Rezension druckte auch das GBCI 8/1988, 4–6. 120 Albold/Bratfisch: Zu »Medienkritik« Uk 7/88. 121 Aufschlussreich waren die Interviews mit Wolfram Bodag, dem Chef der Gruppe Engerling, und Jürgen Kerth, die in Jürgen Balitzkis Buch »Rock aus erster Hand« veröffentlicht wurden. Sie gestatteten seltene Einblicke in die Bluesszene der DDR. Vgl. Balitzki, 39–47 und 59–67. 122 Vgl. das Stichwort »Blues«. Wicke/Ziegenrücker: Rock, Pop, Jazz, Folk, 65–76. 123 Vgl. den Abschnitt »Blues und Rhythm & Blues«. Wicke: Anatomie des Rock, 22– 30. 124 Bratfisch: Was ist der Blues?, 18.

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»Schauplatz Beat« oder »Jazz: Swingende Stationen zwischen Baumwollfeld und Phon-Ekstase« ein, sie verfolgte globale Trends und veröffentlichte umfangreiche Porträts der Heroen des Genres sowie den einen oder anderen theoretischen Beitrag.125 Mit den Jahren setzte sich ein nüchterneres Sachverständnis gegen die politischen Zungenschläge im journalistischen Sektor durch. Stereotype Kniefälle, die hier und da eingestreut wurden und auch schon mal Wladimir Iljitsch Lenin als Gewährsmann zitierten,126 überblätterte der ›gelernte DDR-Bürger‹ als legitimierendes Beiwerk. Mit Nischen und Randzonen musste sich der Blues auch im audiovisuellen Bereich begnügen. Plattenproduktionen blieben einer professionellen Oberschicht vorbehalten. Amiga, das staatliche Label für populäre Musik, brachte bis zum Mauerfall 18 LPs und sieben Singles von insgesamt zehn einheimischen Bands und Solisten heraus. Hinzu kamen ein Sampler mit Amateurkapellen, die Kompilationen der American Folk Blues Festivals und eine Hand voll Long Player in der firmeneigenen Jazz-Reihe mit Klassikern wie Bessie Smith, Big Bill Broonzy und J. B. Lenoir, plus je eine Übernahme von Alexis Korner und The Blues Band.127 1985 startete Amiga die Lizenzserie »Blues Collection«. Sie deckte eine hohe Genrebreite ab, von ländlichen Spielarten à la Sonny Terry & Brownie McGhee bis zum Blues Rock eines Johnny Winter, und erreichte 18 Ausgaben, davon fünf im Jahr 1990. Spitzenreiter waren Muddy Waters und B. B. King mit 128.000 bzw. 75.000 verkauften Exemplaren,128 ansonsten schwankten die Auflagen der »Blues Collection« zwischen 30 und 60.000 Einheiten.129 Als letzte LP überhaupt verließ der Mitschnitt eines 1977er Konzerts von James Booker das ehemals volkseigene Presswerk in Potsdam-Babelsberg. Die heute gesuchte Rarität entstand in Privatinitiative und wurde auf 1000 Stück limitiert.130 Das Angebot an Tonträgern war also überaus schmal. Es wurde exklusiv vom VEB Deutsche Schallplatten, dem Branchenmonopolisten, erstellt. Ein weiterer Tropfen auf den heißen Stein waren osteuropäische Bluesproduktionen, die man in den Kulturzentren der ›Bruderländer‹ kaufen konnte, allen voran die ungarischen, polnischen 125 Vgl. stellvertretend Pfeiffer. 126 Vgl. Bratfisch: Was ist der Blues?, 18. 127 Details siehe Rauhut: Amiga sowie Brüll. 128 Muddy »Mississippi« Waters: Live, Blues Collection 1, Amiga 8 56 128, DDR 1984 [veröffentlicht 1985]; B. B. King, Blues Collection 3, Amiga 8 56 180, DDR 1985 [veröffentlicht 1986]. 129 Angaben nach Sony Music Entertainment Germany GmbH. E-Mail an den Autor, 12.06.2014. 130 James C. Booker: Let’s Make a Better World! Live in Leipzig, 29. Oktober 1977, Amiga 001–91, BRD 1991. Die LP ist lediglich als ›Weißmuster‹ erschienen. Zur Entstehung: Heinicke.

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und tschechoslowakischen. Auch die Intershops, die westliche Waren gegen harte Währung offerierten, boten hin und wieder Blues-LPs an.131

Alexis Korner, 1978

Den eklatanten Mangel an Vinyl kompensierte der Fan durch Tonbandumschnitte. Platten wurden vervielfältigt, Radiofrequenzen nach brauchbarem Material abgesucht. Im DDR-Rundfunk lief nur selten Blues. Auf versteckten Plätzen waren sporadisch Konzertaufzeichnungen zu finden, und auch die wenigen regelmäßigen Sendungen gehörten zum Nachtprogramm.132 Mehr als übersichtlich blieben die Aktivitäten des Fernsehens.133 Ein Highlight war der knapp 60-minütige Zusammenschnitt eines Soloauftritts von Alexis Korner in einem Ostberliner TV-Studio

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Für das Musiksortiment der Intershops war ebenfalls der VEB Deutsche Schallplatten zuständig. 132 Stellvertretend seien genannt: »Jazz vor zehn« (Radio DDR I), »Blues – Jazz – Rock« (Radio DDR II), »Das Jazz-Panorama«, »Stars – Sounds – Hits« (beide Stimme der DDR) sowie »Mitternachtsblues« (Jugendradio DT 64). Die Sendung »Trend – Forum populärer Musik«, ebenfalls auf den Wellen von DT 64 zu empfangen, hatte Ende der achtziger Jahre die Reihe »Blues-Geschichten« im Programm. 133 Detailliert: Breitenborn.

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am 19. November 1979. Korner bannte das handverlesene Publikum mit emphatischen Songs, die er auf Gitarre und Klavier begleitete, und seiner unwiderstehlichen Aura. Jedes einzelne Wort schien von tiefer Menschlichkeit durchzogen. Lächelnd betrat er die Bühne und sagte in leicht gebrochenem Deutsch: »Guten Abend! Es ist wirklich sehr schön, hier zu sein. Endlich muss so was klappen. Man versucht es, und man versucht es… Endlich! Also Blues werde ich auf jeden Fall spielen. Ob Sie es alles als Blues erkennen werden, weiß ich noch nicht. Es ist meine Anschauung, dass es ein feeling ist, nicht eine Note.« Alexis Korners Ansagen wirkten spontan, sie bildeten einen tiefen Kontrast zur steifen Rede, die man vom Fernsehen gewöhnt war. Das Stück »Rock Me Baby« kündigte er wie folgt an: »Hier ist ein Blues, ein ur-, uralter Blues, über Rock and Roll, bevor es tanzen war. Zur Zeit, als es einfach ›bumsen‹ bedeutete: Rock and Roll all night long.« Aufrichtig und unprätentiös zeigte sich der Musiker auch in den zwei kurzen Talkrunden, die den Konzertmitschnitt unterbrachen. »Sie werden ›Vater des weißen Blues‹ genannt, wie finden Sie das?« »Schlimm!« »Und warum?« »Ich bin einfach älter als die anderen. Das war nur das, nichts anderes. Es bringt eine Verpflichtung, die ich nicht freiwillig akzeptieren wollte. Ich habe gelernt, wie man damit lebt, aber es ist nie angenehm, wirklich nie angenehm.« »Sie hatten heute als Gast des Jugendfernsehens zum ersten Mal Kontakt mit jungen Leuten aus der DDR. Mit welchen Eindrücken fahren Sie nach Hause?« »Sehr warmen, sehr, sehr warmen, wirklich sehr warmen. Und sehr offen. Es war mein erster Tag, erster ganzer Tag in der DDR. Man hatte mir gesagt, dass es ein sehr warmes Publikum sein würde. Ich hatte mit Memphis Slim in Cork ein Konzert vor ungefähr drei, vier Wochen gespielt. Und Slim war in der DDR gewesen und hat mir gesagt: Es wird dir Spaß machen, es sind wirklich warme Leute. Also ich glaube Slim, wir kennen einander sehr gut, und wir haben zusammengearbeitet. Und wenn er mir das sagt, ja. Ich wusste es. Aber es war trotzdem eine Überraschung.« Unter dem Beifall der Zuschauer erklärte Alexis Korner seine Philosophie: »Blues war immer Popmusik, weil Popmusik ist ›popular music‹. Und ›popular‹ bedeutet auf Englisch ›people‹, und ›people‹ sind Volk, und Popmusik ist dafür Volksmusik.«134 So einfach konnte man die Dinge sehen. Ende der achtziger Jahre stieg die Häufigkeit von Bluessendungen im DDRTV. Der Hintergrund war eine kulturpolitische Öffnung, die dem Livealltag des Landes spürbaren Auftrieb gab. Ab 1987 profilierte sich der kommunistische Jugendverband FDJ als Arrangeur internationaler Großkonzerte.135 Er lud auch den

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Alle Transkriptionen nach einem privaten Mitschnitt der Sendung. Erstausstrahlung im DDR-Fernsehen am 19. Mai 1980. Detailliert: Rauhut: Schalmei und Lederjacke, insbesondere 128–178.

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einen oder anderen Bluesact ein. Handelte es sich um zugkräftige Namen, wurden die Auftritte vom Fernsehen gefilmt. Etliche bewegten sich an den Nahtstellen zu Rock und Soul und trafen den Nerv einer breiten Zielgruppe. Karten für die Shows von John Mayall & The Bluesbreakers,136 Santana,137 der Climax Blues Band,138 Luther Allison,139 Alvin Lee,140 Mitch Ryder,141 Joe Cocker,142 Canned Heat143 oder das »New Orleans Soul Festival«144 waren begehrt und schnell ausverkauft. Einen Stammplatz besaß der Blues in alljährlichen Konzertreihen, die von der FDJ organisiert wurden. Der traditionelle »Liedersommer« und »Rocksommer«, zwei attraktive Open-Air-Serien, reservierten ganze Tage für in- und ausländische Vertreter dieser Musik. Auch DT 64, das ostdeutsche Jugendradio, hatte als Veranstalter seine Meriten. Am 25. Mai 1978 richtete es eine »Blues-Party« im voll besetzten Großen Saal des Palastes der Republik aus. Regine Dobberschütz, Stefan Diestelmann und Hansi Klemm standen als Vokalisten auf der Bühne, begleitet vom Jazz-RockOrchester Fusion. Danach trieb Memphis Slim die 2800 Besucher von den Sitzen, er wurde »enthusiastisch gefeiert«145. Zum Schluss lud der Grandseigneur seine ostdeutschen Kollegen zur Jam-Session ein – »mehr als nur eine freundliche Geste, auch herzliche Anerkennung ihrer Leistung«, wie die Presse befand. Der Abend wurde als »ein unvergessliches Erlebnis«146 gerühmt, als »Großeinsatz in Sachen Blues«, der »den Zuhörer schon mächtig in Schwingungen versetzen konnte«.147 Er firmierte unter »DT 64 Jugendkonzert«. Diesen Titel trugen ebenso

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Konzerte in Leinefelde, Halle und Ostberlin, 03. bis 05.04.1987. Ostberlin, Palast der Republik, 05. und 06.04.1987. Ostberlin, Insel der Jugend, 12.07.1987. Konzerte in Ostberlin und Halle, Oktober 1987. Ostberlin, Palast der Republik, 17.01.1988. Ostberlin, Palast der Republik, 18.01.1988. Open-Air-Konzerte in Ostberlin und Dresden, 01. und 02.06.1988. Ostberlin, Werner-Seelenbinder-Halle, 05.10.1989. Mit Solomon Burke, Johnny Adams, Irma Thomas, Barbara Cole und den Neville Brothers. Ostberlin, Werner-Seelenbinder-Halle, 17. und 18.03.1987. 145 Baumert. 146 Beide Zitate: Linzer: Konzert. 147 Baumert.

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Events, die Eddie Boyd und Jim Kahr,148 Roger Chapman & The Shortlist,149 Albert C. Humphrey und Denny Lee Hostler150 oder Al Rapone & The Zydeco Express151 präsentierten. Fernab des großen Rampenlichts fanden international bestückte Blueskonzerte auch auf intimeren Bühnen und in der ›Provinz‹ statt. Das Angebot war für DDRVerhältnisse geradezu üppig, es übertraf die Frequenz westlicher Rock- und Popkonzerte bei weitem. Der hauptsächliche Grund lag in den vergleichsweise niedrigen Kosten. Amerikanische oder englische Bluesmusiker des mittleren bis gehobenen Popularitätssegments wurden zumeist von kleinen bundesdeutschen Agenturen zu günstigen Konditionen angeboten. Der Kölner Veranstalter Rolf Schubert beschrieb das Reglement: »Die Gage für einen Einzelinterpreten wie Louisiana Red oder Little Willie Littlefield lag damals im ›Westen‹ bei 1000 DM pro Konzert (plus/minus). Mit der Künstleragentur der DDR pendelte sich folgender Modus ein: 20 bis 30 Prozent dieser normalen Gage wurden als D-Mark gezahlt. Der Rest mit vier, fünf oder sechs multipliziert und als Mark der DDR ausgezahlt, also für ein Louisiana-Red-Konzert 250 DM und 3000 bis 4000 Mark der DDR. Es war der Künstleragentur relativ egal, wieviel DDR-Mark sie zahlen musste, verhandelt wurde immer nur über die Höhe der Devisenbeträge.«152 Das Veranstaltungsrisiko tendierte gegen null: Auch ohne aufwändige Werbung waren Tickets rasch verkauft. Kleine Clubs litten allerdings unter der Provision, die sie an die Künstleragentur zu entrichten hatten. Deshalb versuchten sie, deren Dienste zu meiden. Der Programmgestalter des Dresdner Jazzclubs »Tonne« erklärte hinter vorgehaltener Hand das wünschenswerte Procedere: »Es sollten Ausländer unter Umgehung unserer Agentur verpflichtet werden, da diese doch immer sehr hohe Abgabepreise bei Sonderkonzerten fordert. Das ist auch unser Problem. So mussten wir vor etwa zwei Jahren für ein Konzert mit Vince Weber 2000 M und

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DT 64 Jugendkonzert »Blues-Geschichten«, Ostberlin, Palast der Republik, 15.10.1981. Außerdem waren Angelika Weiz, Stefan Diestelmann und Jürgen Kerth dabei. 149 DT 64 Jugendkonzert »Blues & Rock«, Ostberlin, Palast der Republik, 03.06.1982. Die DDR-Szene wurde von der Hansi Biebl Band repräsentiert. Roger Chapman trat bis 1985 mehrfach in Ostdeutschland auf. 150 DT 64 Jugendkonzert »Big Band aktuell«, Ostberlin, Filmtheater Kosmos, 24.10.1983. Albert C. Humphrey, der seit 1974 in München lebte, trat wiederholt in der DDR auf. 151 DT 64 Jugendkonzert »Die Geige in der Rock- und Jazzmusik«, Ostberlin, Palast der Republik, April 1985. 152 E-Mail von Rolf Schubert an den Autor, 11.08.2014.

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für ›Philadelphia‹ Jerry Ricks gar 3000 M[ark der DDR] zahlen. Und das alles bei nur 200 Plätzen in der ›Tonne‹ und ohne finanzielle Unterstützung von außen.«153 Ende 1976 setzte ein nicht mehr abreißender Strom von Bluesimporten ein. Die lange Liste verzeichnete Künstler mannigfaltiger stilistischer Couleur, unter ihnen Johnny Shines und Robert Jr. Lockwood, James Booker, Willie Mabon, Louisiana Red, James »Blood« Ulmer, Little Willie Littlefield, Tommy Tucker, Piano Red, Philadelphia Jerry Ricks, Rosay Wortham, Johnny Mars, Doctor Ross, Frank Edwards, Big Walter Price, Errol Dixon, Charlie Musselwhite, Cephas & Wiggins, Gene »Mighty Flea« Conners, Johnny Copeland, Queen Yahna, Erwin Helfer, Katherine Davis sowie Dave Peabody & Bob Hall. Gelegentlich kam es zu Ost-West-Kollaborationen: Engerling etwa tourten mit Johnny & The Drivers, der Mick Clarke Band und Lou Martin, die Jonathan Blues Band fungierte als Begleitung für »Champion« Jack Dupree, Peter Thorup und Paul Millns. Nach den Konzerten wurde oft im privaten Rahmen gefeiert. Künstler, Journalisten und Mäzene fädelten lockere Begegnungen ein. Katie Webster setzte sich im Frühjahr 1984 während einer familiären Party in Zeuthen ans Klavier, Stefan Diestelmann holte Louisiana Red zu sich nach Hause, um mit ihm zu jammen. James Booker gab am 22. Dezember 1976 im Ostberliner Haus der Jungen Talente vor rund 200 Auserwählten sein DDR-Debüt und konnte anschließend zu einem Clubbesuch überredet werden. Dort brillierte er für eine weitere halbe Stunde auf den schwarzen und weißen Tasten, »aus allen Poren« schwitzend – denn »von seiner Gage hatte er sich einen Pelzmantel zugelegt, den er trug«.154 Das Presseecho der Westkonzerte klang durchweg positiv, nur höchst selten waren tadelnde Zwischentöne zu vernehmen. Zu den Ausnahmen gehörte die Kritik an Cooper Terry, der vom SED-Organ Neues Deutschland als »ein Vertreter billigster Blues-Kost«155 gescholten wurde, oder die Einschätzung, das DT 64 Jugendkonzert »Blues-Geschichten« hätte sich zu »einer recht strapaziösen Mammut-Veranstaltung«156 ausgewachsen. Internationale Gäste wurden sowohl durch die Medien wie auch vom Publikum mit Vorschusslorbeeren bedacht, symbolisierten sie doch Weltläufigkeit und ›Authentizität‹. Umgekehrt hielten viele Musiker die Erfahrungen heilig, die sie hinter dem Eisernen Vorhang sammelten. John Mayall zeigte sich vom Flair tief beeindruckt: »Es war phantastisch. Die

153 Wache: Brief an Thomas Gutberlet, 16.09.1985, 1. 154 Freyer: James Booker in Ost-Berlin. 155 Starke. 156 Wicke: Blues-Geschichten.

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Blues-Freunde trieben uns wie eine Welle empor, was ja für einen Musiker ungeheuer wichtig ist.« Das Publikum hätte er als ausgesprochen »sachkundig« erlebt.157 Ähnlich euphorisch äußerte sich Rolf Schubert, dessen Klienten regelmäßig durch den Osten tourten.158 »Die Leute liebten die Musik, und die nächtelangen Gespräche und Diskussionen wirkten noch lange nach«, erklärte er rückblickend. »Ein Gig ist mir besonders in Erinnerung geblieben. Errol Dixon spielte im Rahmen einer BetriebskulKatie Webster, Zeuthen bei Berlin, 1984 turveranstaltung vor der versammelten Belegschaft der Neptun-Werft in Rostock. Da saßen die Arbeiter im Blaumann, hörten zum ersten Mal in ihrem Leben Boogie-Woogie und Rhythm & Blues. Nach einer halben Stunde sprang der Funken über, und für Errol war es eines der schönsten Konzerte seiner Laufbahn.«159 Unterm Strich zählte der ideelle Gewinn mehr als der pekuniäre. Die Künstler hatten oftmals Mühe, ihre Gagen sinnvoll in der DDR auszugeben. Weil er ein ständiger Geschäftspartner war, gewährte man Rolf Schubert größeren Spielraum: »Für mich wurde eine Art Konto bei der Künstleragentur eingerichtet, zudem erhielt ich eine Bescheinigung, dass ich Waren in beliebigem Wert aus der DDR ausführen durfte (Ausnahme: Meissener Porzellan). Auch durfte ich private Hotelaufenthalte in Mark der DDR zahlen. Ich kann mich an einen sehr schönen Ostseeurlaub in Kühlungsborn erinnern, den ich mit meiner Familie in einem Ferienheim einer Gewerkschaft verbracht habe. Als BRDler waren wir dort schon ziemliche Exoten. Ansonsten habe ich jahrelang meine Weihnachtseinkäufe in Ostberlin getätigt.«160

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Grosser. Schubert vermittelte unter anderem Louisiana Red, Little Willie Littlefield, Robert Jr. Lockwood & Johnny Shines, Errol Dixon, Dr. Ross, Archie Edwards sowie Al Rapone & The Zydeco Express. Schubert: Fiskus, Fans und Formulare, 360. E-Mail von Rolf Schubert an den Autor, 11.08.2014.

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Voll des Lobes waren auch bundesdeutsche Musiker. Über die Jahre hinweg traten etwa Knut Kiesewetter, Joy Fleming, die Dusty Broom Blues Band, Das Dritte Ohr, Vince Weber, das Electric Blues Duo,161 Gerhard Engbarth, die Delta Bluesband, Peter Bursch, The International Blues Duo,162 Olaf Kübler sowie die Blues Company im sozialistischen Teil Deutschlands auf. Bernd Haake gab seine Eindrücke für das DKP-Blatt »Unsere Zeit« zu Protokoll. Er hatte 1988 mit der nach ihm benannten Bluesband in Dresden, Leipzig, Ostberlin und Halle gespielt. Bei aller Sympathie für die DDR war Haakes Blick keineswegs einseitig. Er erwähnte den Smog in Sachsen, städtebauliche Tristesse und die astronomischen Preise der Luxusrestaurants. Während eines Gesprächs mit den Musikern der ostdeutschen Jonathan Blues Band wurde ihm »sehr schnell deutlich, welch traumhafte Bedingungen Künstler in diesem Land haben. Finanzielle Sorgen kennen sie nicht, können sich daher ganz auf ihr Schaffen konzentrieren.« Trotzdem sähen sie den Westen durch die rosarote Brille. »Als wir ihnen unsere konkrete Situation schildern, fallen sie fast vom Hocker. Und uns bleibt die Spucke weg, als sie von ihrem 250.000 Mark Equipment erzählen. Sie klagen darüber, dass sie das eine oder andere Instrument in der DDR nur schwer erhalten können, ich möchte mir einfach nur diese Instrumente mal leisten können.« Auch die warmherzigen Reaktionen des Publikums zeigten, »dass wir uns in einer anderen Welt befinden«. Zutiefst berührt fuhr die Band nach Münster zurück. »Und nach zwei Tagen ruft mich mein Gitarrero an: ›Sag mal, hast du auch so tierische Probleme, dich hier wieder einzufinden?‹ ›Hab ich!‹«163

             Den Elogen der Bernd Haake Band hätten sicherlich viele ostdeutsche Kollegen widersprochen. Sie erlebten den Alltag der DDR in Permanenz und aus einer anderen Perspektive, kannten seine autoritären und grauen Seiten. Gerade Bluesmusiker wussten, wie dünn das Eis war. Schnell gerieten sie in die Schusslinie der Sicherheitsorgane, weil ihr Milieu politische und erzieherische Normen brach. Entgegen der Propaganda, die ihn zum kapitalismuskritischen Medium kürzte, wurde der Blues von vielen seiner Anhänger als direkte Antwort auf die gesellschaftlichen Konflikte der DDR interpretiert. Er diente einer langlebigen Jugendkultur, die nach Alternativen suchte, als Soundtrack und Motto. Die Szene traf

161 Electric Blues Duo: Colin Hodgkinson und Frank Diez. 162 The International Blues Duo: »Detroit« Gary Wiggins und Christian Rannenberg. 163 Alle Zitate: Haake.

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sich an den Wochenenden zu Konzerten, wo man für ein paar Stunden im Exzess trieb und dem Regelwerk des Systems entfloh. Etlichen Bands, die dort zu hören waren, haftete der Nimbus des ›Underground‹ an. In den Medien tauchten sie nicht auf, und auch die offiziellen Bühnen blieben ihnen verwehrt. Sie besiedelten den Schutzraum privater Tanzsäle, operierten in dörflicher Abgeschiedenheit oder auf dem Hoheitsgebiet der Evangelischen Kirche. Andere Blueskapellen warben um staatliche Anerkennung. Sie wollten ein möglichst großes Publikum erreichen, Schallplatten produzieren, hoch dotierte Festivals bespielen und im Ausland auftreten. Wer diesen Weg wählte, fand sich nicht selten im Zwiespalt zwischen Glaubwürdigkeit und Geld wieder. Denn die mediale Öffentlichkeit und amtliche Förderung setzte Kompromisse voraus, sie barg das Risiko des Gesichtsverlusts.

Stefan Diestelmann Folk Blues Band, Rostock, ca. 1982 (von links): Alexander Blume, Stefan Diestelmann und Hans Wintoch

Wie schmal der Grat war, zeigte die Biographie von Stefan Diestelmann, dem größten Bluesstar der DDR.164 1949 in München geboren, siedelte er als Kind mit

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Detailliert: Könau.

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seinen Eltern nach Ostdeutschland über. Der Sänger, Gitarrist und Mundharmonikacrack gehörte verschiedenen Amateurcombos an, stieß 1975 zu Vaih hu und hob zwei Jahre später ein eigenes Projekt aus der Taufe. Sein Name war Programm: Stefan Diestelmann Folk Blues Band.165 Auf dem Werbeflyer stand: »Wesentliche Vorbilder der Gruppe sind u. a.: Sonny Terry & Brownie McGhee, Muddy Waters, B. B. King, T-Bone Walker, Taj Mahal, Robert Johnson u. v. a.« Über den Bandleader war zu erfahren: »Er beschäftigt sich vorwiegend mit den Interpreten des Schwarzen Blues, übernimmt viele ihrer Titel und arbeitet sie um.«166 Stefan Diestelmann ragte aus der von rockigen, ›weißen‹ Varianten dominierten Szene heraus, er favorisierte akustische Instrumente, verzichtete auf ein Schlagzeug. Akribischer Sammler und Autodidakt, trat er eine Folk-Blues-Welle los und hatte binnen weniger Monate unzählige Fans. Seine Konzerte zogen wahre Pilgerströme an. Der quasi über Nacht einsetzende Erfolg und das hohe künstlerische Niveau weckten das Interesse der Medien. Amiga produzierte 1978 eine LP, die Standards von Willie Dixon, Big Bill Broonzy oder T-Bone Walker mit Kompositionen aus Diestelmanns Feder mischte.167 Etliche Arrangements ließen Violine, Saxophon und Mellotron Raum und wiesen eine Nähe zum Jazz auf. Fans stuften die Platte als hochkarätig und ›echt‹ ein. Sicherlich kam ihr zugute, dass sämtliche Coverversionen die englischen Lyrics beibehielten, hingegen die eigenen Stücke durchweg Instrumentals waren. So wurde das ungeschriebene Gesetz der DDR-Medien umschifft, demzufolge einheimische Produktionen deutsche Texte aufzuweisen hatten. Den ›Authentizitätsgrad‹ erhöhte außerdem der Song »Rockin’ the House«. Er war am 25. Mai 1978 während der von DT 64 veranstalteten »BluesParty« im Palast der Republik mitgeschnitten worden und präsentierte den Mundharmonikasolisten Stefan Diestelmann neben Memphis Slim. Der Bluesgigant hatte den Shooting Star und die Jazz-Rock-Formation Fusion zum Jam auf die Bühne gebeten. Als einen Mann der Basis wies ihn auch die Plattenhülle aus.168 Sie zeigte Diestelmann vor einer bröckelnden Häuserwand, in die verschiedene Schmuckelemente, architektonische Finessen und zwei Blues Harps der bundesdeutschen Firma Hohner montiert waren. Die Collage führte divergierende Welten zusammen: Ost und West, Kunst und Verfall, Härte und Sentiment. Präziser

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Urbesetzung: Stefan Diestelmann (voc, g, bj, harm, perc), Rüdiger Philipp (b), Dietrich Petzold (v), Bernd Kleinow (harm). 166 Stefan Diestelmann & Co. Folk-Blues-Band-Berlin [Flyer]. 167 Stefan Diestelmann Folk Blues Band, Amiga 8 55 633, DDR 1978. 168 Gestaltung: Bernd Scheubert.

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konnte man ein Lebensgefühl kaum visualisieren. Der Musiker selbst trug die Insignien der Bluesszene: lange Haare, Vollbart, kariertes Hemd, Jeans und Jesuslatschen. Stefan Diestelmanns Debüt-LP verkaufte exakt 201.355 Einheiten, mehr als jedes andere Bluesalbum in der DDR,169 und wurde wohlwollend besprochen. Man applaudierte einem »handwerklich gut präparierten Musikanten«, der »Feeling« besitzt, »das typische Gespür für Phrasierungen, Gestaltungsvarianten usw.«. Geht er ganz aus sich heraus, »erstrahlt« seine Stimme »in voller Wärme«.170 Das Jugendmagazin »neues leben« meinte sogar, »jeder Titel ist ein Glanzstück für sich«.171 Zweifellos sei die Platte »ein wirklicher Volltreffer«.172 »Diestelmann hat den klassischen Blues auf eine originelle, niemals aber effekthascherische oder modische Weise in unsere Umgebung transponiert, und was er da – zusammen mit vielen hochbegabten Freunden und Kollegen – musiziert, ist mitreißend, teilweise lustig, fast immer optimistisch, niemals billig.« 173 Schritt für Schritt weitete sich sein Aktionsradius und künstlerischer Horizont. Er war zwar immer noch im Dorfsaal oder Jugendclub unterwegs, wurde aber auch von Rundfunk und Fernsehen engagiert. Stefan Diestelmann schrieb Theater-, Hörspiel- und Filmmusiken, Tourneen führten ihn ins sozialistische Ausland. Beinahe kometenhaft stieg er zur Riege der Arrivierten auf und verprellte manchen Fan der ersten Stunde. Nun warben von der Bluesszene verachtete Konzertreihen

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Angaben nach Sony Music Entertainment Germany GmbH, E-Mail an den Autor, 12.06.2014. Alle Zitate: Lasch. Martin: Stefan Diestelmann Folk Blues Band, 34. Neumann. Kusche, 127–128.

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wie »Soli-Beat«174 und »Rock für den Frieden«175 mit seinem Namen. Auf die Frage, weshalb er 1979 beim »Festival des politischen Liedes«176 auftrete, antwortete er ohne Umschweife: »Es wird Leute geben, die nicht verstehen werden, warum ich mich hier beteilige. Ich bin jedoch der Meinung, dass man auch als Bluesmusiker zu einer Qualifizierung einer solchen Veranstaltung beitragen kann und sollte. Manchmal habe ich den Eindruck, dass wir zu wenig durch uns selber lernen, unsere eigenen Potenzen nicht voll nutzen.« Wieso artikuliere er sich dann in seinen Songs auf Englisch? »Man kann zwar Blues mit deutschen Texten machen, aber ich finde, das geht nicht los. Denn beim Blues bilden Text und Musik eine Einheit. Wenn man also diese klangvolle und dehnbare englische Sprache mit der deutschen zu ersetzen sucht, geht etwas verloren, wird der Blues amputiert.«177 Die zweite Langspielplatte sollte dieses Urteil revidieren. Sie erschien 1980 unter dem Titel »Hofmusik« und zeigte Stefan Diestelmann von einer neuen Seite.178 Nun sang er in seiner Muttersprache über den Alltag der DDR, porträtierte Mitmenschen, die das heile Bild des Sozialismus störten und von den Medien normalerweise ignoriert wurden: Lumpenproletarier, Alkoholiker, Schwache, Egoisten. Gleich zu Beginn wies Diestelmann die Pharisäer und Zweifler in die Schranken, die ihm seine Hautfarbe vorwarfen: »Ich spiel’ den Blues des Schwarzen / weil er wollte, dass auch wir ihn versteh’n«. An die Adresse jener ›Fans‹, denen der Lifestyle wichtiger sei als die Musik, richtete er die Zeilen: »Blues braucht Verständnis und Liebe / und ich spiel’ ihn nach meinem Will’n / Und deswegen solltest du hier sein / und dein Herz statt deinen Magen füll’n«.179 Die Platte bekräftigte Stefan Diestelmanns Image des volksverbundenen, kritischen Barden. Er erzählte vom Hinterhof in Berlin-Prenzlauer Berg, dem traditionellen Arbeiterviertel mit seinem rauen Klima, und inszenierte sich selbst auf dem Cover als Kohlenträger. Geschickt zog er eine Grenze zu den Linientreuen und Opportunis-

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Ab 1974 durchgeführte Benefizkonzertserie zur Unterstützung der sozialistischen Außenpolitik und Entwicklungshilfe des Staates. Ihr Erlös wurde dem Solidaritätskomitee der DDR zur Verfügung gestellt. Als zentrale Veranstalter fungierten bis 1981 die »Neue Berliner Illustrierte« (NBI) und DT 64, danach die Generaldirektion beim Komitee für Unterhaltungskunst. Zwischen 1982 und 1987 jährlich im Palast der Republik ausgerichtetes thematisches Rockfestival. Veranstalter: Palast der Republik, Generaldirektion beim Komitee für Unterhaltungskunst und, ab 1983, Zentralrat der FDJ. Ab 1970 jährlich in Ostberlin stattfindende internationale Veranstaltungsreihe unter Regie der FDJ. Heese/Scholz. Stefan Diestelmann Folk Blues: Hofmusik, Amiga 8 55 793, DDR 1980. Aus dem Song »Blues Geschichte«. T/K/A: Stefan Diestelmann.

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ten. En passant zitierte Diestelmann die Puhdys, die erfolgreichste und gleichzeitig von vielen als ›angepasst‹ geschmähte DDR-Rockband, mithin ein Symbol. Sarkastisch bellte er: »Und im Hinterhaus singt einer besoffen, falsch und träge / Und der singt so ’n Song von den Puhdys: ›Geh’ dem Wind nicht aus dem Wege‹«.180 Die meiste Aufmerksamkeit erntete »Der Alte und die Kneipe«. Musikalisch hart an der Grenze zur Popballade, demonstrierte Diestelmann auch hier den realistischen Blick. Er kleidete das Thema »Vereinsamung« in eine rührende Geschichte, die das trübe Dasein eines Witwers schildert. Weil er keine Alternative sieht, treibt es ihn immer wieder an den Ort seiner Demütigung. »Und nachmittags brüllt sich in die Kneipe / was Säufernachwuchs ist / Man schiebt den Alten beiseite: / Mensch, hau ab, und mach’ keinen Mist / Dann steht er auf der Straße / und er denkt: Warum seid ihr nicht fair? / Und er sagt sich schon zum hundertsten Mal: / Hier gehst’e nie wieder her // Doch am nächsten Tag, da kommt er wieder / weil die Einsamkeit ihn dazu treibt / Und da er nichts anderes hat / tut er das, was ihm noch bleibt.«181 Der Titel lief oft in Rundfunksendungen und Diskotheken und stürmte die Hitparaden der DDR. Das Album »Hofmusik« wurde an nur einem Tag live eingespielt. Neben bewährten Mitstreitern holte Stefan Diestelmann den knapp 19-jährigen, hoch talentierten Pianisten Alexander Blume ins Amiga-Studio sowie Sessiongäste aus Kuba und der Tschechoslowakei. Beim »Blues von der guten Erziehung« trat Regine Dobberschütz ans Mikrophon. Sie sang im berlinerischen Dialekt vom prügelnden Ehemann und hielt ihren Eltern vor: »Na wozu ham ’se mich mit aller Jewalt / so furchtbar jut erzogen? / Wenn se mich am Ende / um det Wichtigste betrogen / Und statt mir das Laufen auf eignen Füßen beigebracht / meine Füße zu den ihren gemacht«.182 Offensichtlich hatte Stefan Diestelmann einflussreiche Fürsprecher in den Medien. Brisante Themen wurden zwar hier und da ins Radio oder auf Vinyl geschmuggelt, doch derart geballt blieben sie eine leuchtende Ausnahme. Praktisch jeder Song, den Diestelmann für seine zweite Platte textete, kratzte am Lack der Gesellschaft. Die Veröffentlichung der LP löste eine starke Presseresonanz aus. Interviews und Rezensionen charakterisierten den Musiker als unbequemen und streitbaren Zeitgenossen, der »Ehrlichkeit« genauso sein Credo nannte wie »die Konversation

180 Aus dem Song »Hof vom Prenzlauer Berg«. T/K/A: Stefan Diestelmann. 181 Aus dem Song »Der Alte und die Kneipe«. T/K/A: Stefan Diestelmann. 182 Aus dem Song »Blues von der guten Erziehung«. T/K/A: Stefan Diestelmann.

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mit Leuten, mit meinem Publikum, mit meinen Nachbarn«.183 Ein zugetaner Journalist meinte, Diestelmann gelänge es aufzurütteln und »unser Verantwortungsgefühl« zu mobilisieren, »weil er nicht beschönigt und nicht schwarzmalt, nicht verklärt und nicht klagt, nicht resigniert und nicht moralisiert, sondern sagt, wie’s ist, und suggeriert, was er von jedem seiner Zuhörer erwartet: mehr Verständnis füreinander, Achtung vor dem anderen, Freundlichkeit«.184 Stefan Diestelmanns Erfolg blieb im Bluessektor einmalig. Auch »Hofmusik« erreichte eine stattliche Auflage, es gingen 155.200 Exemplare über den Ladentisch.185 Das waren deutlich mehr, als die anderen ostdeutschen Bluesidole verbuchen konnten – selbst wenn ihre Absätze generell als exorbitant eingeschätzt werden müssen, gemessen an der kleinen, rund 17 Millionen Einwohner zählenden DDR. Engerling verkauften pro LP maximal 85.100 Stück,186 die Hansi Biebl Band 81.025,187 Jürgen Kerth 52.000,188 Monokel 35.575,189 Zenit 26.200190 und die Jonathan Blues Band 23.300.191 Gewissermaßen außerhalb der Wertung lag die Amiga Blues Band mit 149.850 Einheiten – eine kurzzeitig existierende AllStar-Formation, die Standards coverte und der neben bekannten Bluesmusikern auch Rockprominenz wie Peter Gläser, Frank Gahler, Gerhard Laartz, Georgi Gogow und Herbert Junck angehörte.192 Trotz seiner triumphalen Karriere passte Stefan Diestelmann letzten Endes nicht in das Raster des sozialistischen Unterhaltungsbetriebs. Das Weltbild des Blues war zu sperrig, es blieb ideologisch inkompatibel – entweder man spielte ihn mit aller Konsequenz und rieb sich an den Verhältnissen oder wurde zur Irrelevanz verdammt. Dass er gern wider den Stachel löckte und seinen medialen Status konterkarierte, zeigten Diestelmanns Liveauftritte in den Hochburgen der Szene, jene Konzerte, die Blitzlicht und Kameras mieden. Dort entfalteten die Songs ihre volle, packende Wirkung. Der interne Bericht des Kulturministeriums über eine Veranstaltung im thüringischen Ilmenau Mitte Mai 1979 tadelte, »dass Diestelmann die durch den Alkohol hervorgerufene Stimmung im Saal ausnutzte

183 Zit. bei Martin: Diestelmann’s »Bluesgeschichte«, 34. 184 Hönig: Stefan Diestelmann, 35 und 36. 185 Diese und die folgenden Angaben nach Sony Music Entertainment Germany GmbH, E-Mail an den Autor, 12.06.2014. 186 Engerling, Amiga 8 55 597, DDR 1978. 187 Hansi Biebl Band, Amiga 8 55 716, DDR 1979. 188 Jürgen Kerth: Komm herein, Amiga 8 55 780, DDR 1980. 189 Monokel: Fünf nette, junge Herren, die 1a Kraft-Blues machen!, Amiga 8 56 233, DDR 1986. 190 Zenit und Big City Blues Band: Dr. Blues, Amiga 8 56 115, DDR 1985. 191 Jonathan Blues Band: Überdruck, Amiga 8 56 297, DDR 1987. 192 Amiga Blues Band: Not Fade Away, Amiga 8 55 991, DDR 1983.

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und mit einer Art von ›Tendenzliedern‹ Stimmung machte.« Er spielte genau diejenigen Stücke, die ein Jahr später auf der LP »Hofmusik« veröffentlicht wurden. »Inhaltlich waren diese Lieder nicht vertretbar, sie beschrieben das Milieu wahrscheinlich heruntergekommener Musikerexistenzen im Prenzlauer Bezirk Berlins (die Zimmer stinkend, weil ein Haufen in der Ecke lag, und nebenan war das Fenster offen, und sie machten es immer bei offenem Fenster).« Zwischen den Songs streute Stefan Diestelmann ketzerische Ansagen ein. Er erklärte, »dass man es als junger Musiker und Texter bei uns in der DDR sehr schwer hat und mit ständigem Auftrittsverbot rechnen muss«. Ihn selbst hätte man »schon in 7 Bezirken der Republik gesperrt«, wie er nicht ohne den Anflug »eines gewissen Stolzes« erwähnte. Diestelmann, so äußerten »einzelne Besucher«, ähnele einem »Biermannverschnitt«.193 Er sei ein Agent Provocateur, »ein Vertreter zweifelhafter Berufskünstler, die ihre Publikumswirksamkeit zur schädlichen Beeinflussung der Jugendlichen missbrauchen«. Immer wieder ließe er sich zu unverhohlenen politischen Feindseligkeiten hinreißen, etwa der »Behauptung, wer die Puhdys hört und die Sendung ›rund‹194 sieht, frisst auch kleine Kinder« oder »dass unser Staat ein ›Scheiß-Staat‹ ist«.195 Die Angelegenheit schaukelte sich hoch, der renitente Künstler wurde dauernd zu Aussprachen vorgeladen und war bald für die Funktionäre ein rotes Tuch. Andere hielten solange es ging die schützende Hand über ihn. In der »Wochenpost« vom 22. Mai 1981 durfte sich Stefan Diestelmann mit einem längeren Artikel zu den grassierenden Verboten äußern. Vermutlich hatte sein Freund Bernhard Hönig, der als Kulturredakteur für das Blatt arbeitete und Diestelmanns offizieller Mentor war,196 nicht nur das Thema durchgesetzt, sondern den Text auch verfasst.197 Wer ihn aufmerksam las, erkannte die Tragweite und dass es um weitaus

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Alle Zitate: Wagner: Brief an Jürgen Schuchardt, 11.06.1979, 1 und 2. Wolf Biermann: Liedermacher und Dissident, der 1976 aus der DDR ausgebürgert wurde. 194 Politisches Jugendmagazin des DDR-Fernsehens, das Rockmusik als Köder benutzte. 195 Alle Zitate: Wagner: Brief an Jürgen Schuchardt, 06.07.1979, 2. 196 Mentoren sollten die Entwicklung von Künstlern kulturpolitisch-beratend begleiten. Sie arbeiteten meist in der Medienbranche und wurden für die zusätzliche Tätigkeit entlohnt. Bernhard Hönig kümmerte sich im Auftrag der Generaldirektion beim Komitee für Unterhaltungskunst um Stefan Diestelmann. 197 Inwieweit das MfS involviert war, kann nur spekuliert werden. Bernhard Hönig, der »bis 1981 inoffiziell mit der HVA zusammengearbeitet« hat, bat die Staatssicherheit im Fall Diestelmann um Hilfe. Man vereinbarte, gemeinsam dafür zu sorgen, dass »echte Bindungen Diestelmanns an die DDR« geschaffen werden. »St. Diestelmann muss spüren, dass er in der DDR arbeiten kann. Ihm muss aber auch deutlich gemacht

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mehr ging, als den konkreten Fall, dass Prinzipienfragen im Raum standen. Als Aufhänger diente der Brief eines nicht näher identifizierten »Rates der Stadt«, der unter dubiosem Vorwand ein Konzert storniert hatte. »Werter Kollege Diestelmann«, lautete die Anrede. »Nach Rücksprache mit den örtlichen Organen möchten wir doch von diesem Termin Abstand nehmen, weil anlässlich des Wahlsonntags hier andere Dinge geplant sind.« Der Empfänger drückte sein Bedauern aus und konterte: »Wahltag und Blues, wie wir ihn spielen, passen sehr gut zusammen. Ich wäre ja wohl ein schlechter Stefan Diestelmann, 1980 Staatsbürger, wenn ich mich, alle, die den Blues spielen, und alle, die den Blues mögen, ins gesellschaftliche Abseits stellte. Dort nämlich stand gerade der Blues nie – nicht in seinen Anfängen, als sich in ihm das schwere Leben, der Protest hart arbeitender, sozial deklassierter, gesellschaftlich diskriminierter Afroamerikaner artikulierte, und nicht hier und heute«. Der Musiker zitierte Erich Honecker und den X. Parteitag der SED und beteuerte: »Ich schreibe heute kein Lied ›nur so‹. Was ich ausspreche, habe ich erlebt, gesehen, erfahren. Wenn jemandem manche meiner Erlebnisse nicht gefallen – mir gefielen sie auch nicht, und ich erzähle von ihnen, damit wir alle bessere Erfahrungen miteinander machen.«198 Mit dem Zeitungsartikel, der Stefan Diestelmann pro forma als Autor auswies, trat man die Flucht nach vorn an. Der Text war beides: eine Loyalitätsnote und das Plädoyer für einen Künstler, der zum Rufmordopfer zu werden drohte. Ähnli-

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werden, dass er die Gesetze der DDR einzuhalten hat, z. B. die Veranstaltungsordnung.« Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Berlin, Abteilung XX/7: Bericht zum Kennenlernen, 373 und 374. Alle Zitate: Diestelmann: Kein Lied »nur so«.

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che Fälle gab es zuhauf. Immer wieder stürzten Karrieren ab, fielen Stars in Ungnade und verließen desillusioniert das Land. Sie zerbrachen an den begrenzten Möglichkeiten und der Taktiererei, die ihnen eine janusköpfige Kulturpolitik abverlangte. Anders als es die Deklarationen der SED vermuten ließen, war das System keine monolithische Konstruktion. Die zentralen Vorgaben wurden institutionell und regional unterschiedlich mit Leben ausgefüllt, vielfach waltete blanker Pragmatismus.199 Was dem VEB Deutsche Schallplatten kommerziell interessant schien, musste nicht automatisch in das ideologische Korsett des Rundfunks passen, und so wurde ein Song vielleicht zigtausendfach verkauft, aber nicht gesendet. Musikern, die den staatlichen Berufsausweis trugen, das Unterpfand höchster Qualifizierung, blieb trotzdem manche Tür verschlossen. Tasteten sie ästhetischen Starrsinn oder ein kleinbürgerliches Ruhebedürfnis an, entzogen ihnen despotische Funktionäre die Auftrittserlaubnis. Sie gaben vor, dass die ›Ordnung und Sicherheit‹ nicht garantiert sei und blockten mit diesem Totschlagargument sämtliche Einwände ab. Die bezirksweise ›Sperrung‹ von Künstlern, eine Umschreibung für das faktische Verbot, war weit verbreitete Praxis. Auf diese Weise entledigte man sich eines »Rattenfängers«200 wie Stefan Diestelmann und seiner großen, schwer zu kontrollierenden Anhängerschaft. Mochte er auch vor den Fernsehkameras beim »Festival des politischen Liedes« singen – in Magdeburg oder KarlMarx-Stadt durfte er nicht spielen. Stefan Diestelmanns Laufbahn illustrierte die Schizophrenie des Apparats. Er wurde gleichzeitig gefeiert und verunglimpft, gefördert und behindert. Ab August 1980 stellte ihn das MfS unter Operative Personenkontrolle (OPK), ist er rund um die Uhr observiert worden.201 Zur Begründung hieß es, in seinen Songtexten »sind politisch-negative Tendenzen sichtbar. Er verfügt über umfangreiche Westverbindungen und über Verbindungen zu bevorrechteten Personen aus der BRD. Hierbei handelt es sich vor allem um Journalisten.« Außerdem hätte er während einer »Bluesmesse« in der Ostberliner Samariterkirche mehrere aufsässige Titel vorgetragen. Die OPK fixierte als Ziel: »Es sind die wahren Motive für das Auftreten des D. in der Öffentlichkeit zu erarbeiten. Seine Verbindungen und deren Charakter sind aufzuklären. Maßnahmen zur Einschränkung seiner politisch-negativen

199 Detailliert: Wicke/Müller. 200 Ironische Selbsteinschätzung. Vgl. Wagner: Brief an Jürgen Schuchardt, 06.07.1979, 1. 201 Zur OPK als Strategie der Staatssicherheit vgl. Suckut, 271–272.

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Öffentlichkeitswirksamkeit sind einzuleiten.«202 Diestelmann sollte durch »Disziplinierung«203 in die Knie gezwungen werden. Aufgrund seiner Kontakte zu bundesdeutschen Medien wie dem ZDF, RIAS und NDR sowie den Wochenmagazinen »Stern« und »Die Zeit« ist ihm die Gefährlichkeit »eines personellen Stützpunktes des Gegners«204 beigemessen worden. Der Stasi war auch nicht entgangen, dass er wiederholt befreundete Musiker aus der BRD illegal auf die Bühne holte, ohne deren Identität preiszugeben. Den Hamburger Boogie-Woogie-Pianisten Gottfried Böttger kündigte er beispielsweise als »Hans aus Rostock« an. Um möglichst wenig Staub aufzuwirbeln, wollte man dem Delinquenten Steuerhinterziehung nachweisen und den heiklen Fall »mit der Einleitung strafprozessualer Maßnahmen«205 zu den Akten legen. Diestelmann, so lautete die geheimdienstliche Logik, würde empfindlich an Glaubwürdigkeit einbüßen und wäre als Krimineller ein für alle Mal diskreditiert. »Die gegen ihn gerichteten Schritte müssen so gestaltet werden, dass sie geeignet sind, seine Öffentlichkeitswirkung spürbar zu verringern, das persönliche Ansehen im eigenen Wirkungskreis nachhaltig herabzusetzen und das Entstehen von unerwünschter Solidarisierung mit ihm zu verhindern.«206 Westlicherseits wurde Stefan Diestelmann als systemkritischer Künstler hofiert. Aber auch die Fach- und Insiderpresse nahm von ihm Notiz. Das Informationsblatt des German Blues Circle druckte ein Selbstporträt aus »Melodie und Rhythmus« nach207 und veröffentlichte eine eher verhaltene Besprechung des ersten Albums. Der Rezensent vermisste musikalische Homogenität, trotzdem lautete sein Fazit: »Allein das Erscheinen dieser Platte ist ein Erfolg! Durch sie wurde Neuland betreten und hoffentlich auch weiter erschlossen«.208 Der Autor wusste, wovon er sprach, stammte er doch aus der DDR. Über den tieferen Blick verfügte ebenso Bernie Ringe, ein Bluesharpspieler aus Hildesheim. Er hatte trotz aller Barrieren mehrfach mit Diestelmann zusammengearbeitet und verteidigte ihn gegen das herablassende Pauschalurteil eines Kollegen, der mangelnde ›Authentizität‹ ankreidete. Ringe erwiderte: »Was meinst Du eigentlich, über welche Themen

202 Übersichtsbogen zur operativen Personenkontrolle, 6. 203 Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Berlin, Abteilung XX/7: OPK Stefan Diestelmann, 239. 204 Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Berlin, Abteilung XX/7: 3. Sachstandsbericht zur OPK »Diestel«, 371. 205 Beide Zitate: ebd. 206 Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Berlin, Abteilung XX/7: Maßnahmeplan zur OPK »Diestel«. 207 Stefan Diestelmann aus Melodie und Rhythmus 9/80 (DDR). 208 Stefan Diestelmann Folk Blues Band, 26.

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die Musiker in der DDR singen sollten: Darüber, dass sie die Mauer einreißen möchten, oder dass sie am liebsten gegen das Lenin-Denkmal pinkeln würden? Das hören die West-Deutschen, glaube ich, am liebsten.« Doch Diestelmann »denkt nicht daran, für einige westdeutsche Bluesfreaks zum Märtyrer zu werden. Und das ist gut so!«209 Am 13. Juni 1984 setzte sich Stefan Diestelmann in die Bundesrepublik ab. Die Vorgeschichte seines Seitenwechsels belegte erneut, wie zerrissen der Machtapparat war. Das MfS hatte 1982 eine »Sperre der Ausreise nach nichtsozialistischen Staaten und Westberlin« veranlasst. Es wollte damit dem Kulturministerium zuvorkommen, das ihn »zu einem Studienaufenthalt nach WB210 zu schicken« beabsichtigte.211 In den Augen der Stasi war das eine Fehlentscheidung, schließlich galt der Musiker als Abtrünniger und potenzieller Flüchtling. Wegen seiner »ungeklärten Verbindungen zum politischen Untergrund und zu BRD-Korrespondenten«212 wurden alle Westkonzerte abgelehnt. Diestelmann, dem etliche Angebote vorlagen, wehrte sich im Oktober 1983 mit einer Eingabe an Erich Honecker. Sie erfüllte ihren Zweck und bewirkte, dass er als ›Reisekader‹ bestätigt wurde. Ab März 1984 trat er solistisch in mehreren Städten der BRD auf. Vom Hildesheimer Festival »Jazztime« kehrte er nicht mehr zurück. Die Westmedien berichteten ausgiebig über die ›Republikflucht‹. Sie verbreiteten ungeprüft von Stefan Diestelmann in die Welt gesetzte Legenden, schmückten vermeintliche Kontakte nach Hollywood aus, stilisierten ihn zum Barrikadenkämpfer des ›Prager Frühlings‹213 und »Großverdiener der DDR«.214 Die BildZeitung deutete seinen Fall als »ein deutsches Schicksal«,215 besiegelt durch jenen ›Unrechtsstaat‹, dessen Kürzel sie konsequent in Gänsefüßchen setzte. Nach den Motiven für die Ausreise gefragt, gab Diestelmann vor allem künstlerische Gründe an. Zwar hätte er »sehr viel Bewegungsfreiheit« im Osten gehabt und könne sich prinzipiell »eigentlich nicht beklagen«, aber die Willkür, Trägheit und Inkompetenz der Instanzen würde auf lange Sicht jegliche Kreativität lähmen.216 Deshalb musste er die Reißleine ziehen. Während der bundesdeutsche Blätterwald

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Ringe. WB = Westberlin. Ministerrat der DDR: Fahndungsersuchen zur Einleitung einer Reisesperre, 262 und 263. MfS, Hauptabteilung XX/7. Vgl. Bockhoff: Ein Blues-Veteran aus der DDR. Stefan Diestelmann. Bester Blues-Sänger der »DDR« bleibt bei uns. Transkription eines Interviews mit Stefan Diestelmann, das der Deutschlandfunk am 15.06.1984 um 6:05 Uhr sendete. Staatliches Komitee für Rundfunk, 13.

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rauschte, schwiegen die DDR-Medien Stefan Diestelmann tot. Der einst bejubelte Musiker sank zur Persona non grata herab. Seine dritte Amiga-LP,217 die soeben das Presswerk in einer 30.000er Auflage verlassen hatte, wurde vernichtet, bereits ausgelieferte Tonkassetten zog man aus dem Handel zurück.218 Es war Diestelmanns bestes Opus, das da im Reißwolf landete: künstlerisch ausgereift, stimmig produziert, textlich relevant. Er wollte weiterhin »über Dinge in der Nähe singen, Dinge, die veränderbar sind«.219 Als »Folk Blues & Boogie« im Jahr der Wiedervereinigung auf CD veröffentlicht wurde, hat das Album kaum noch jemand interessiert.220 Die Verkäufe bewegten sich im vierstelligen Bereich.221 Im Westen verschwand Stefan Diestelmann schnell von der Bildfläche; schon nach kurzer Zeit verabschiedete er sich aus dem Musikgeschäft. Deutschsprachiger Blues besaß in der BRD den Ruch der Ambivalenz. Bands, die nicht Englisch sangen, galten orthodoxen Fans als zweite Wahl und weniger ›authentisch‹. Dennoch sahen sich immer wieder Künstler der klaren Aussage verpflichtet. Respektable Songs und Platten in der Muttersprache oder im mundartlichen Idiom stammten etwa von Gerhard Engbarth, der Charly Schreckschuss Band, Willy Michl, der Delta Bluesband, Williams Wetsox und der Blues Company. Am populärsten wurde die Hildesheimer Formation Das Dritte Ohr. 1968 als Duo gegründet und bald zum Quartett erweitert,222 wählte sie bewusst einen deutschen Namen. Er war als Identitätsausweis und augenzwinkerndes Statement gedacht. Die Entscheidung fiel in eine Zeit, »wo du ein drittes Ohr gebraucht hast, weil die beiden anderen mit psychedelischem Zeug zugekleistert wurden«. 223 Die erste LP wies allerdings noch durchweg englische Lyrics auf. »Aber während des großen Streiks der Druckindustrie zu Beginn der Siebziger empfand ich keine rechte Lust mehr, vor Gewerkschaftskollegen in einer ihnen fernen Sprache zu singen«, erklärte Frontmann Udo Wolff. »Dazu war die Sache zu real.«224

217 Stefan Diestelmann: Folk Blues & Boogie, Amiga 8 56 042, DDR 1984. 218 Die Kassette hatte eine Auflage von 7000, davon wurden 1500 vor dem Stopp verkauft. Alle Angaben nach Sony Music Entertainment Germany GmbH, E-Mail an den Autor, 12.06.2014. 219 Zit. bei Hönig: Stefan Diestelmann Anfang 1984 – was blieb, was wurde?, 3. 220 Stefan Diestelmann: Folk Blues & Boogie, musiCando 2160 025, BRD 1990. 221 Auskunft nach Sony Music Entertainment Germany GmbH, E-Mail an den Autor, 16.07.2014. 222 Das Dritte Ohr: Udo Wolff (voc, harm), Tom Schrader (g, voc), Helmut Meyer (b), Ferdi Peters (dr). 223 Udo Wolff, zit. bei Albold/Bratfisch, 274. 224 Wolff: Auf Deutsch gesagt, 104. Später präzisierte Udo Wolff seine Angaben: Der Streik fand 1976 statt, Das Dritte Ohr komponierte eigens zu diesem Anlass den »Drucker-Blues«. Vgl. E-Mail von Udo Wolff an den Autor, 25.09.2014.

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Den Blues identifizierte er als »schwarze Arbeitermusik«,225 die man nicht kopieren, jedoch phantasievoll auf die eigene Situation beziehen könne. »Blues hat was mit Erfahrungen zu tun«. Selbst wenn »wir keine Baumwollfelder haben«, würde man »aber Fließbänder kennen«. »Deine Art Blues holst Du Dir, wenn Dir die Frau oder der Mann abhaut, wenn Du keine Kohlen hast oder im Betrieb Druck bekommst. Und solcher Blues wächst auch auf niedersächsischem Rübenacker reichlich. Der eine besäuft sich, der andere schlägt um sich (zwei starke niedersächsische Bräuche), der dritte rennt weg, und der vierte organisiert sich. Von solchen Sachen wollen wir mit unserer Musik etwas mitteilen.« Dabei möchte man »durchaus unterhalten, wenn auch nicht um jeden Preis«. Im Kern sei der Blues »eine Sache von Skepsis«.226

Das Dritte Ohr: Udo Wolff (links) und Tom Schrader, Blue Note, Göttingen, 1980

Das zweite Album vollzog die sprachliche Wende und etablierte den Ruf der Band, mit genauen Alltagsschilderungen und sozialkritischen Texten die gesellschaftliche Realität der Bundesrepublik zu hinterfragen. Es hieß »Zahltag« und wurde 1980 von Teldec veröffentlicht.227 Der Titelsong gab dem Underdog eine

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Wolff: Das Dritte Ohr/Bluesbrüder. Alle Zitate: Udo Wolff, zit. bei: Das Dritte Ohr. Das Dritte Ohr: Zahltag. Wetterfester Blues & Boogie in unserer Sprache, Teldec 6.24397 AP, BRD 1980.

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Stimme: »Ich ging am Zahltag runter zum Bahnhof / meine Kippen kaufen / Sagte, bin gleich wieder da / Zwei Tage braucht’ ich / denn ich fing an zu saufen«.228 Das Dritte Ohr spottete über die »Disco-Fuzzies«, besang leere Betten und gebrochene Herzen. »Kalte Wut« rechnete mit der Verlogenheit westlicher Hochglanzpropaganda ab: »In der Schule erzähl’n sie / hier sei alles frei und fair / Kein Grund zum Jubeln, Junge / oder kennst du ’n arbeitslosen Millionär?«229 Die deftige Sprache und der »wetterfeste Blues & Boogie«, den »Zahltag« im Untertitel versprach, war einigen Rundfunkredakteuren zu riskant. »Mordwest-Stadt« setzten süddeutsche Stationen sogar auf den Index, weil der Song einen »Hauch von zu stark entschlossenem Atheismus«230 barg, wie Udo Wolff sarkastisch anmerkte. Grund war die Zeile: »Gäb’s einen Gott / müsste er schon längst seinen Arsch aus den Wolken strecken / um dieses Viertel zuzuscheißen / wo die Leute im Beton verrecken.«231 Etwas dosierter setzte die nächste LP, »Himmel oder Hölle«,232 politische Themen ein. »Wo stehst Du« ragte heraus. »Auch ohne dicke Bücher kann ich das kapier’n / es sind nie die Präsidenten / die im Krieg krepieren / Und was bist Du?«233 Das Dritte Ohr streute Sand ins Getriebe, erregte Anstoß, wusste aber auch einflussreiche Sympathisanten hinter sich. Wolfgang Michels stand ihnen als Produzent zur Seite,234 Manfred Miller schrieb für »Zahltag« die Liner Notes. Er schnitt das Dilemma an, dem die Hildesheimer trotzig die Stirn boten: »Wer hierzulande Blues spielen will, sieht sich [mit] der unangenehmen Tatsache konfrontiert, dass kaum jemand zuhört – die einen nicht, weil sie nichts davon wissen wollen, und die anderen nicht, weil sie schon alles davon wissen.« Das Dritte Ohr

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Aus dem Song »Zahltag«. T: Udo Wolff, K: Traditional, A: Tom Schrader/Udo Wolff. 229 Aus dem Song »Kalte Wut«. T: Udo Wolff, K/A: Udo Wolff/Tom Schrader. 230 Wolff: Auf Deutsch gesagt, 105. 231 Aus dem Song »Mordwest-Stadt«. T: Udo Wolff, K/A: Udo Wolff/Tom Schrader. 232 Das Dritte Ohr: Himmel oder Hölle, Teldec 6.25140 AP, BRD 1982. 233 Aus dem Song »Wo stehst Du«. T/K: Ellas McDaniel, deutscher Text: Udo Wolff. 234 Wolfgang Michels erinnerte sich an monatelange Debatten, bis die Firma Teldec als Partner gewonnen werden konnte. »Da ich der Vermittler des Deals war und der Produzent der Aufnahmen sein sollte und wollte, bestand ich darauf, dass wir völlige künstlerische Freiheit haben. Insofern half ich stark nach. Es gab keinerlei Kompromisse. Als die erste Teldec-LP, also ›Zahltag‹, fertig war, konnten die Verantwortlichen damit fast gar nichts anfangen, sie zeigten sich eher geschockt. Die dann sehr guten Verkaufszahlen und Medienreaktionen überraschten sie völlig.« E-Mail von Wolfgang Michels an den Autor, 20.07.2014. Udo Wolff fügte hinzu: »Sie akzeptierten Deutsch wohl, weil Lindenberg ihre Nummer war, was uns Rückenwind gab.« Der Rocksänger legte vermutlich auch ein gutes Wort für Das Dritte Ohr ein. Ansonsten hatte Wolff »immer das Gefühl, dass der Teldec-Apparat im Kern nicht begriff, was wir da trieben«. E-Mail von Udo Wolff an den Autor, 25.09.2014.

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schlage den Weg des geringsten Widerstands aus und serviere »das beinharte, unverdünnt schmutzige Zeug«,235 einen treibenden, elektrischen Blues, der seine Lektion bei Elmore James, John Lee Hooker, Bo Diddley oder Little Walter gelernt habe. »Zahltag« erhielt den »Preis der deutschen Schallplattenkritik« und avancierte mit 32.000 Einheiten zur »bestverkauften westdeutschen Bluesproduktion«.236 Während die Popjournale über »diesen Haufen Blues-Verrückter« eher lächelten, an »einer gewissen Hausbackenheit« und »Holpereien«237 herummäkelten oder die Band gar als »Säufertruppe« abkanzelten, »der 100 Jahre John Mayall ins eine Ohr rein und zum anderen Ohr rausgegangen sind«,238 zollte die Fachpresse Anerkennung. Auch wenn ihr Sound »sicherlich nichts für Puristen«239 sei, wären sie doch eine »Ausnahmeerscheinung«240 und gehörten »zu den besten Blueskapellen Europas«.241 Live sorge »Deutschlands Ur-Blues-Band«242 für so manche »rammelvolle Tanzfläche«243 und beweise, dass an ihrem Konzept »einfach alles« stimme.244 Obwohl die vier Musiker unablässig tourten, blieben sie in der Nische gefangen. »Mit Blues ist dickerer Taler hier nicht zu erhaschen. Der gut organisierte Facharbeiter hat ein besseres Einkommen unterm Strich als das ClubtourBandmitglied auf’m Strich«, konstatierte Udo Wolff ironisch. Dem Novizen gab er einen Rat: »Versuch’ eigene Fehler zu machen und sieh zu, dass du wenigstens auf dich selbst immer weniger hereinfällst. Oder werd’ einfach was Anständiges. Fleischereifachverkäufer mit amtlichem Mettschein zum Beispiel. Sonst läufst du Gefahr, mit leeren Taschen vor hohen Mauern zu singen.«245

  

         Dass ein Multi wie Teldec Das Dritte Ohr unter Vertrag nahm und keine substanziellen Kompromisse verlangte, war ein Sonderfall. Deutschsprachiger Blues fiel

235 Miller: Das Dritte Ohr. 236 Wolff: Auf Deutsch gesagt, 104–105. 237 Zahltag. 238 Zit. bei Ehnert/Kinsler, 86. 239 Meier: Das Dritte Ohr: Zahltag, 39. 240 Das Dritte Ohr. 241 Meier: Das Dritte Ohr: Himmel oder Hölle. 242 Eigenwerbung des Dritten Ohrs. 243 Seitz. 244 Paul: Das Dritte Ohr im Jazzkeller. 245 Wolff: Auf Deutsch gesagt, 98 und 107.

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normalerweise in das Ressort von Independent-Labels. Ihr Einsatz amortisierte sich auch ohne größere Verkäufe und Publicity. Gewisse Ambitionen hegten L+R Records, die Plattenfirma von Lippmann und Rau. Sie war »prinzipiell«246 an der Übernahme des zweiten Albums von Stefan Diestelmann bzw. Eigenproduktionen mit dem ostdeutschen Künstler interessiert.247 1983, in einer Hochphase des globalen Wettrüstens, veröffentlichten sie Gerhard Engbarths LP »Blues vom Frieden«.248 Der Sänger, Gitarrist und Mundharmonikaspieler, der sich selbst als »Bluesikant und Ein-Mann-Band«249 bezeichnete, brach die Existenzfrage auf eine persönliche Ebene herunter: »Mmmh, ich würde jeden Menschen gern lieben / nie mehr lügen und betrügen / Ich mag mit keinem Streit haben / ich hätte gern mit jedem Frieden«. Das Verständnis für den anderen schloss ökologisches Denken zwangsläufig ein: »Und ich brauch’ auch keinen Atomstrom / Was ich brauch’, sind warme Füße / Und ich würde gern mal wieder angeln / im Rhein und anderen Flüssen«.250 L+R Records knüpften an die Herausgabe des Long Players harte Bedingungen und minimierten auf diese Weise das eigene finanzielle Risiko. Gerhard Engbarth hatte die Studiokosten zu tragen und bekam »ein einmaliges, selbst zu versteuerndes Pauschalhonorar« von 1000 DM.251 Dass er in Louisiana Red einen prominenten musikalischen Begleiter fand, erhöhte die Absatzchancen.252 Mit L+R Records sublimierten Horst Lippmann und Fritz Rau ihr Firmenkonzept. Sie hatten sich 1964 vollends aus dem institutionellen Kontext der Deutschen Jazz-Föderation gelöst253 und die Lippmann + Rau Concert Büro GmbH + Co. KG gegründet.254 Fritz Rau brachte die anfängliche Arbeitsteilung auf eine kompakte Formel: »Horst war der Einkäufer, ich der Verkäufer.«255 Oder wie es Siegfried

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Lippmann: Brief an Michael Henkels. Vgl. Lippmann: Brief an Dr. Büttner, 2. Außerdem wollte man »neue Künstler der DDR auf dem Gebiet der Liedermacher und des deutschsprachigen Rock auf dem L+R-Label« präsentieren. Rau: Brief an Horst Lippmann, 06.09.1982. Gerhard Engbarth: Blues vom Frieden, L+R Records, LR 44.011, BRD 1983. Gerhard Engbarth. Beide Zitate: aus dem Song »Blues vom Frieden«. T/K/A: Gerhard Engbarth. Zitiert nach Abdruck auf dem Back Cover der LP. Vertrag zwischen L+R Records und Gerhard Engbarth, 2 und 1. Louisiana Red wirkte bei acht Titeln als Gitarrist und Mundharmonikaspieler mit. Er erhielt dafür ein einmaliges Honorar von 400 DM. Vgl. Contract between L+R Records and Iverson Minter, 09.02.1983, 2. Horst Lippmann und Fritz Rau leiteten das Konzertreferat der DJF. Zur Firmengeschichte vgl. Hennessey. Fritz Rau, zit. bei Brigl/Schmidt-Joos, 146.

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Schmidt-Joos formulierte: »Lippmann war der Visionär, Fritz Rau der Praktiker.«256 Schon frühzeitig reifte der Wunsch, Musik nicht nur auf die Bühne zu bringen, sondern auch zu konservieren. Horst Lippmann ließ die AFBF mitschneiden und produzierte an den freien Tagen einige der Künstler. Einen legendären Ruf genießt bis heute die Liaison von Sonny Boy Williamson und den Yardbirds, am 8. Dezember 1963 im Londoner Crawdaddy Club aufgezeichnet. Zum Line-up gehörte ein 18-jähriger »Mister Nobody«257 als Gitarrist, der später zu Weltruhm gelangen sollte und den kommerziellen Wert des Dokuments nachträglich in die Höhe trieb: Eric Clapton. Lippmann hatte den Plattenvertrag mit Giorgio Gomelsky ausgehandelt, dem Manager der Yardbirds. Das Schriftstück wurde in zwei Versionen aufgesetzt, beide sind per Hand unterzeichnet.258 Variante eins sah für die jungen Musiker eine Abfindung von jeweils 20 britischen Pfund vor, damit waren alle Rechte abgegolten.259 Die zweite Fassung sicherte jedem Yardbird zehn Pfund pro Titel zu. Der Band wurden die Exklusivrechte für Großbritannien freigegeben, im Gegenzug musste sie die Hälfte der Produktionskosten übernehmen. Außerdem war es ihr über einen Zeitraum von sechs Jahren untersagt, die Songs irgendeiner anderen Plattenfirma oder Mediengesellschaft zur Neueinspielung anzubieten. Horst Lippmann behielt die Verwertungsrechte der LP für Amerika und Kontinentaleuropa.260 Sonny Boy Williamson, dem Bluesass und eigentlichen Grund der Aufnahme, wurde ebenfalls ein einmaliges Salär gezahlt.261 Das Opus ist unmittelbar nach Williamsons Tod durch Philips vermarktet worden.262 Lippmann hatte die Rechte für zehn Jahre gegen eine Gewinnbeteiligung von sechs Prozent abgetreten.263 Nachdem der Clubmitschnitt lange ungenutzt im Panzerschrank lagerte, war er »schließlich froh«, dass er ihn

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Schmidt-Joos: American Folk Blues Festival. Lippmann: Liner Notes der LP »Sonny Boy Williamson & The Yardbirds with Eric Clapton«. Welcher der beiden Verträge letztlich bindend war, bleibt ungeklärt. Die zitierten Zahlen sollen finanzielle Größenordnungen verdeutlichen. Vgl. Contract between Horst Lippmann and Giorgio Gomelsky, 07.12.1963, Version 1. Vgl. Contract between Horst Lippmann and Giorgio Gomelsky, 07.12.1963, Version 2, 1. Das Honorar konnte nicht zweifelsfrei ermittelt werden, weil die Vertragskopie schadhaft ist. Offenbar handelte es sich um einen kleineren dreistelligen Betrag. Vgl. Contract between Horst Lippmann and Sonny Boy Williamson. Erstausgaben in Europa: Sonny Boy Williamson & The Yardbirds, Fontana SFJL 960 (stereo) und TL 5277 (mono), UK 1965. In den USA und Westdeutschland erschien die LP 1966. Vgl. Vertrag zwischen Lippmann & Rau und Philips, 1–3.

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»an Philips verkaufen konnte, um wenigstens einen Teil meiner Kosten herauszubekommen«.264 Das Timing erwies sich jedoch als denkbar schlecht: Im Kielwasser des aufschäumenden internationalen Erfolgs der Yardbirds erzielte die Produktion bald ungeahnte Profite, die nun nur zu einem Bruchteil an Lippmann + Rau zurückflossen. Vielleicht trug diese Lehre zur Gründung eines eigenen Labels bei. 1966 wurden Scout Records aus der Taufe gehoben, ein eher bescheidenes und kurzlebiges Pilotprojekt. Auf Scout erschienen eine Hand voll Bluesplatten sowie ein Jazzsampler.265 Ende der siebziger Jahre starteten die zwei Unternehmer mit L+R Records einen neuen, diesmal weitaus größer dimensionierten Versuch. Horst Lippmann hatte sich inzwischen fast komplett aus dem Konzertalltag verabschiedet. 1974 übernahm Fritz Rau die alleinige Geschäftsführung der gemeinsamen Agentur, sein Kompagnon war nur noch mit zehn Prozent beteiligt.266 Als Rückzugsgründe wurden gesundheitliche Probleme genannt und dass er sich stärker um das von seinen Eltern geerbte Hotel kümmern wolle. Tatsächlich war es eine bewusste Abkehr von der Gigantomanie des Business. Lippmann + Rau hatten sich auf das Schneller-Höher-Weiter der Branche eingelassen, sie veranstalteten nun die ›Megastars‹ des Rock und Pop in riesigen Hallen oder Sportstadien. Horst Lippmann zog die Notbremse und steuerte ›back to the roots‹.267 In einem Interview bekannte er: »Ich habe mich ausgeklinkt, ich habe mich auch ausgeklinkt gefühlt, weil der Fritz eine ganz andere Auffassung hatte. Ich habe mich nicht mehr angesprochen gefühlt, ich habe mich nicht mehr gefordert gefühlt.«268 Er konzentrierte sich wieder auf das ursprüngliche Kerngeschäft, auf Jazz und Blues, fischte abseits des Mainstreams, wollte künstlerische Prozesse kreativ begleiten.

264 Lippmann: Brief an Bernhard Mikulski. 265 Den Vertrieb organisierte CBS. 266 Später holte Fritz Rau verschiedene »Juniorpartner« in die Geschäftsleitung, unter ihnen Mike Scheller, Rüdiger Hoffmann und Hermjo Klein. Vgl. Rau: 50 Jahre Backstage, 132–134. 267 Auch wenn die Geschlossenheit der Firma nach außen gewahrt blieb, entwickelten sich die Ambitionen von Horst Lippmann und Fritz Rau in unterschiedliche Richtungen. Etliche Quellen beschreiben die beiden als gegensätzliche Charaktere: Lippmann sei »eher introvertiert« gewesen, Rau robust und cholerisch, »im Innersten ein Moneymaker«. Rieth, 164 sowie Adelt, 97. Die positive Lesart sah Fritz Rau als »richtige Kombination von Musik und Geschäft«. Hess: Fritz Rau. 268 Zit. bei Rieth, 203. Die Passage entstammt einem Tonbandmitschnitt, dessen Druckversion Horst Lippmanns hessischen Dialekt wiedergibt. Sie wurde hier ins Hochdeutsche übertragen.

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Im September 1979 wurde die Geburt von L+R Records notariell besiegelt. Horst Lippmann hatte ein Startkapital von rund einer Million D-Mark investiert.269

Horst Lippmann in seinem Büro, 1979

Die Büroadresse war mit seiner Privatanschrift im Frankfurter Vorort DreieichBuchschlag identisch. Zum Team gehörten neben ihm, dem Chefproduzenten und Creative Director, der frühere CBS-Mitarbeiter Heinz Hartmann als Geschäftsführer und der Graphiker Günther Kieser. Den Grundstock des neuen Labels bildeten alte Studio- und Liveaufnahmen, die Lippmann und Rau ab Anfang der fünfziger

269

Vgl. L+R Records, 4.

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Jahre veranlasst hatten und deren Lizenzen nun zum Teil zurückgekauft wurden.270 Im Backkatalog befanden sich »ca. 100 LP-Produktionen«,271 darunter die Mitschnitte der AFBF, Alben von J. B. Lenoir, Hubert Sumlin oder Eddie Boyd sowie das gemeinsame Werk von Sonny Boy Williamson und den Yardbirds. Letzteres ist 1980 mit veränderter Songauswahl und dem Zusatz »with Eric Clapton« rekompiliert worden.272 Auf die historische Begegnung griff auch die Yardbirds-LP »London 1963. The First Recordings!« 273 zurück. Sie vereinte Takes aus dem Crawdaddy Club und Studioeinspielungen. Die Fachpresse setzte hohe Erwartungen in L+R Records, bürgten die Namen der Impresarios doch für Qualität. »Gute Musik« bilde den Schwerpunkt, worunter in erster Linie Jazz und Blues verstanden wurde, aber auch Folk, Gospel, R & B, Soul oder Rock. Neben den Reissues kämen Künstler zum Zuge, »die bisher ihre Kreativität nur wenig oder überhaupt nicht auf Schallplatten darstellen konnten«.274 Horst Lippmann und Heinz Hartmann planten ein Veröffentlichungsvolumen von rund 30 LPs pro Jahr.275 Als Independent-Label waren L+R Records auf externe Vertriebswege angewiesen.276 Weil eine größtmögliche Reichweite angestrebt wurde, boten sie diversen Firmen in Europa, den USA und Asien Kooperationsgeschäfte an.277 Nach anderthalb Jahren Existenz musste man allerdings einräumen, dass die Bemühungen Grenzen hatten, und so waren L+R Records ledig-

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Das Abkommen mit Phonogram ist dokumentiert. L+R Records mussten für die Rückübertragung der Verwertungsrechte »pro LP-Band DM 1000 plus Mehrwertsteuer« zahlen. Kommerell/Schmökel, 2. Hartmann: Protokoll über Gespräch Horst Lippmann/Heinz Hartmann am 08.06.79 in Buchschlag/Frankfurt, 1. Sonny Boy Williamson & The Yardbirds with Eric Clapton, L+R Records, LR 42.020, BRD 1980. The Yardbirds: London 1963. The First Recordings!, L+R Records, LR 44.001, BRD 1981. Beide Zitate: Neues deutsches Plattenlabel: L & R. Vgl. Hartmann: Protokoll über Gespräch Horst Lippmann/Heinz Hartmann am 08.06.79 in Buchschlag/Frankfurt, 2. Außerdem wurden die Künstler aufgefordert, ihre Platten bei den Konzerten zu verkaufen. Sie hatten pro LP 12,50 D-Mark plus Mehrwertsteuer an L+R Records zu zahlen. Der empfohlene Ladenpreis lag »nicht unter DM 17,90«. Hartmann: Rundbrief an alle L+R-Künstler. Die Spanne der Kontakte reichte von großen und renommierten Firmen bis zu rührigen Kleinstlabels. Sie schloss etwa die Vanguard Recording Society und Flying Fish (USA) ein, die Société Française de Productions Phonographiques (Frankreich), EMI und Flyright Records (Großbritannien), EDIGSA (Spanien), Young Records (Italien), Hilversum Music (Niederlande) und Victor Musical Industries (Japan).

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lich in der BRD, Schweiz, Österreich, Frankreich und Spanien »exklusiv vertreten« – das heißt per Vertrag langfristig an Partner gebunden. Weiterhin wurde verlautet: »Non-exklusiv exportieren wir z. B. schon nach Großbritannien, Niederlande, Belgien, Luxemburg, Italien, Dänemark und USA, was uns aber nicht hindern soll, dort weitere Abnehmer aufzutun.«278 Am 1. August 1979, noch vor ihrer juristischen Gründung, schlossen L+R mit Bellaphon Records279 einen »Vertriebs- und Lizenzvertrag«. Bellaphon deckte die Bundesrepublik, Österreich und die Schweiz ab und besaß »das weltweite Exportrecht«, sofern keine anderweitigen Abkommen berührt wurden. L+R Records verpflichteten sich, jährlich mindestens zehn LPs zu produzieren, Bellaphon garantierte für den gleichen Zeitraum »die Abnahme von insgesamt 30.000 Langspielplatten«. Beide waren für die Promotion zuständig. Sofern Bellaphon die Tonträger direkt vom Presswerk bezog und die Fertigungskosten sowie GEMAGebühren trug, wurde gegenüber L+R ein »Netto-Betrag von DM 5,50 pro LP und DM 4,80 für MusiCassetten« fällig. Exporte hatten einen Abgabepreis von 2,70 D-Mark je Long Player.280 Der Vertrag zwischen L+R Records und Bellaphon ist nach zwei Jahren neu verhandelt worden und war nun bis zum 30. Juni 1986 gültig.281 Er stärkte die Position von Bellaphon Records, denen fortan der »weltweite exklusive« Vertrieb sowie die komplette Logistik und Produktion oblag. L+R sicherten einen Jahresausstoß von sechs LPs zu, die Preise und Umsatzbeteiligungen wurden korrigiert, Bellaphon übernahm die Werbung.282 Um die eigenen Rechte und die seiner Künstler besser schützen und kontrollieren zu können, gründete Horst Lippmann die Edition Lipra.283 Der Verlag war in die neuen Projekte involviert und kümmerte sich um eine Klärung von schwierigen Fällen des Backkatalogs. Gerade im Bluesbereich galt manche Autorenschaft als umstritten. Aufnahmen aus den sechziger Jahren bewegten sich oft in juristischen Grauzonen. Lippmann ließ alte Verträge und Copyrights prüfen, kontaktierte Nachfahren und sicherte die Verlagsrechte. Seriosität blieb sein Prinzip, genauso wie der Wille zum Höchstniveau.

278 Hartmann: Brief an Jürgen Hofius, 1. 279 Deutsche Tonträgergesellschaft mit Sitz in Frankfurt am Main und Wien. 280 Alle Zitate und Informationen: Vertriebs- und Lizenzvertrag zwischen L+R Records GmbH (in Gründung) und Bellaphon Records GmbH & Co. KG, 1, 4, 5, 6 und 7. 281 Seit 1986 werden L+R Records als Imprint von Bellaphon Records geführt. 282 Zitat und Informationen: Lizenzvertrag zwischen L+R Records GmbH und Bellaphon Records GmbH & Co. KG, 2 und 5–6. Eine spätere Zusatzvereinbarung weitete den Vertrag auf das neue Medium Compact Disc aus. Vgl. Anhang zum Vertrag vom 01.07.1981 zwischen L+R Records GmbH und Bellaphon Records GmbH & Co. KG. 283 Lipra war dem MOP-Musikverlag Hans Sikorski KG angeschlossen.

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L+R Records pflegten eine gediegene Corporate Identity, sie legten Wert auf Unverwechselbarkeit und Klasse. Horst Lippmann verfasste oft selbst die Liner Notes, Günther Kieser sorgte für ein ansprechendes Design. Die Klangqualität der Schallplatten richtete sich nach »dem allgemeinen Standard für Klassikpressungen«.284 Durch großzügige Bemusterung sollte eine angemessene Publizität erreicht werden. Zehn Prozent jeder Auflage wurden als Rezensionsexemplare abgeschrieben. Sie gingen an Redakteure und freie Autoren sowie Multiplikatoren verschiedenster Couleur. Auf der Liste standen auch einige ostdeutsche Journalisten. Scharfrichter und unsachliche Kritiker liefen Gefahr, aus dem Verteiler gestrichen zu werden. Horst Lippmann erwog, »Miesmachern« die Zusammenarbeit zu quittieren.285 In der Regel wurden Produkte des Hauses L+R von Fachleuten und Fans als Wertarbeit geschätzt. Sie lobten den nonkonformistischen Impetus, der jene Jugendliche ansprechen dürfte, die »den Rock der zwei Akkorde satt haben, denen der Discosound zu dürftig, zu stupide geworden ist«. Die Veröffentlichungen hätten ausnahmslos eine »hervorragende Aufnahme- und Pressqualität« und glänzten »durch sachkundige Liner Notes und gute Fotos«. Das Material sei »insgesamt großartig«.286 Bluesliebhaber frohlockten, weil sich endlich ein deutsches Label ernsthaft ihrer Musik annahm. Sie honorierten den Traditionsgeist, der nicht mit windschnittigen Sounds flirtete. Horst Lippmann hatte sich über Jahrzehnte hinweg die Affinität zum Blues, den er als Ausdruck von »Lebensfreude«287 empfand, bewahrt. Das Œuvre seiner Plattenfirma konnte sich sehen lassen. Neben den AFBF-Samplern wurden zahlreiche Porträt-LPs veröffentlicht, beispielsweise von Piano Red, Big Joe Williams, Willie Mabon, Lurrie Bell & Billy Branch, Margie Evans, Eddie Taylor, Magic Sam, »Philadelphia« Jerry Ricks & Oscar Klein, Sunnyland Slim, Eunice Davis sowie Al Rapone & The Zydeco Express.

284

Vertriebs- und Lizenzvertrag zwischen L+R Records GmbH (in Gründung) und Bellaphon Records GmbH & Co. KG, 4. 285 Auslöser war ein polemischer Angriff von Manfred Miller auf das AFBF. Vgl. Lippmann: Brief an Winfried Merkle, 1. 286 Die Zitate wurden folgenden Medien zugeschrieben: »Main-Echo«, »German Blues Circle Info«, »tip« und »Jazz Podium«. Blues auf L+R Records – Pressestimmen, 1 und 2. 287 Statement auf dem Cover der LP »American Folk Blues Festival ’85«, L+R Records, LR 50.003, BRD 1985.

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Trotz allem Applaus blieb der kommerzielle Erfolg begrenzt.288 Die Lage sei generell dramatisch, bemerkte Lippmann 1981. »Momentan befindet sich die Musikindustrie in einer sehr schlechten Verfassung und verkauft kaum Platten«.289

Louisiana Red, Blues & Boogie Festival, Köln, 1983

Zu den L+R-Bestsellern im Bluessegment gehörten die AFBF, umsatzstärkster Künstler war Louisiana Red. Doch auch seine Bilanzen wirkten eher bescheiden. Die LPs »New York Blues«290 und »Reality Blues«291 brachten 1980, also direkt nach der Veröffentlichung und damit im Hauptwerbezeitraum, Tantiemen von insgesamt 2170,13 D-Mark ein.292 Louisiana Red war seit 24. Juni 1979 exklusiv an 288

Selbst prestigeträchtige Produktionen setzten nur geringe Stückzahlen ab. Die Yardbirds-LP »London 1963. The First Recordings!« und »Sonny Boy Williamson & The Yardbirds with Eric Clapton« standen im 1. Halbjahr 1981, also unmittelbar nach Erscheinen, an der Spitze des Exports von L+R Records. Sie verkauften innerhalb dieser Zeitspanne 717 bzw. 610 Einheiten. Vgl. Exporte 1. Halbjahr 1981. 289 Lippmann: Brief an Willie Mabon, 2. 290 Louisiana Red: New York Blues, L+R Records, LR 42.002, BRD 1979. 291 Louisiana Red with Sunnyland Slim Blues Band & Carey Bell: Reality Blues, L+R Records, LR 42.011, BRD 1980. 292 Vgl. Gawlitta: Brief an Iverson Minter. Schätzungen zufolge verkaufte Louisiana Red in den ersten anderthalb Jahren rund 4000 LPs. Vgl. Hess: Der Blues – Alter Kram oder neuer Boom?, 49.

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L+R Records gebunden.293 Laut Vertrag hatte er pro Jahr mindestens ein Album einzuspielen und für weitere Aufnahmen zur Verfügung zu stehen. Ihm wurden in der Bundesrepublik sieben Prozent Gewinnbeteiligung zugesprochen, in anderen Ländern die Hälfte.294 Normalerweise bekamen Klienten von L+R Records Pauschalhonorare. Die Spanne reichte von ca. 400295 bis 1000 US-Dollar296 für die Produktion einer Langspielplatte, Sidemen konnten mit etwa 300 $297 rechnen. Eingeführte Namen und hoffnungsvolle Künstler erhielten bessere Konditionen. Margie Evans, die auf deutschen Bühnen für Furore sorgte und von Horst Lippmann als »unvergleichliche Bluessängerin«298 gepriesen wurde, sind 600 Dollar Gage299 angeboten worden plus Tantiemen von vier bzw. zwei Prozent,300 zahlbar ab 7500 Exemplaren.301 Markige Worte fand die Werbung auch für Louisiana Red. Er »ist wie ein Naturereignis. Red ›spielt‹ niemals den Blues. Red hat den Blues, oder vielmehr, der Blues hat ihn ergriffen, immer und überall.«302 Vom harten Schicksal gezeichnet, aber nicht gebrochen, sei er »ein ›umherziehender Fremder‹, ohne Ziel und Bleibe«. Seine Songs besäßen eine gewaltige Poesie, sie wären voller »Gestaltungssinn, Dynamik and Intensität, die niemand vor ihm jemals erreicht hat«.303 Horst Lippmann steckte viel Energie in die Zusammenarbeit und löste manche Dissonanz. Der Musiker brach in mehreren Fällen den Exklusivvertrag mit L+R

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Der Vertrag hatte eine Laufzeit von drei Jahren und wurde anschließend mehrfach erneuert. Die letzte nachweisliche Verlängerung erstreckte sich bis Juni 1986. Vgl. Agreement between L+R Records and Iverson Minter, 24.06.1984, 1. Alle Informationen: Contract between L+R Records and Iverson Minter, 24.06.1979, 1–2. Die Tantiemen berechneten sich nach dem Großhandelspreis minus Herstellungskosten, Steuern und sonstige Abgaben. Für jede LP stand Louisiana Red eine Mindestgarantie von 1000 US-Dollar zu. Vgl. stellvertretend Contract between L+R Records and Doctor Joseph »Washboard Doc« with Lucky & Flash, 1. Jeder der drei Künstler bekam 400 US-Dollar. Vgl. stellvertretend Contract between L+R Records and »Doctor Feelgood Piano Red« Willie Perryman, 1. Vgl. stellvertretend Contract between L+R Records and Hubert Sumlin, 1. Lippmann: Liner Notes der LP »Margie Evans: Mistreated Woman«. Ihre sechs Begleitmusiker erhielten insgesamt 1600 Dollar. Vier Prozent galten für die BRD, zwei in allen anderen Ländern. Der Berechnung lag der Großhandelspreis zugrunde, welcher mit 50 Prozent des Einzelhandelspreises veranschlagt wurde. Vgl. Contract between L+R Records and Margie Evans, 1 sowie Rider to Contract between L+R Records and Margie Evans for the Album »Mistreated Woman«, 1. Engbarth: Liner Notes der LP »Louisiana Red: Anti-Nuclear Blues«. Lippmann: Liner Notes der LP »Louisiana Red: New York Blues«.

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Records und bot seine Dienste auch amerikanischen und britischen Labels an.304 Weil er eine wachsende Fangemeinde um sich scharte, hielt Lippmann an ihm fest.305 Anfang der achtziger Jahre stieg Louisiana Red »zum meistbeschäftigten und wohl auch bekanntesten Bluesmusiker in Europa«306 auf. L+R arrangierten gemeinsame Tourneen mit Eric Burdon und Klaus Doldinger’s Passport, sie buchten ihn für Jazzfestivals und das AFBF. Fritz Rau taktete den Sänger und Gitarristen, der 1981 aus den USA nach Hannover übergesiedelt war,307 in Wahlkampfveranstaltungen für Die Grünen ein.308 Mehrfach bereiste Louisiana Red die DDR. Er trat in familiären Clubs und bei großen Open Airs auf und wurde 1984 von Stefan Diestelmann bei »Rock für den Frieden« im Palast der Republik begleitet. Über sein erstes Konzert in Ostberlin, am 23. November 1977, schwärmte ein Fan: »Mein Zustand, sowohl psychisch als auch physisch, lässt sich im Nachhinein schwer beschreiben. Es war die nie zu erwartende Erfüllung eines Traumes.«309 Bevor Louisiana Red von L+R vertraglich gebunden wurde, verschafften ihm umtriebige Fans und kleine Agenturen in der Bundesrepublik Gehör. Sie nahmen ihn privat auf und veranstalteten Konzerte, schrieben Rezensionen und Porträts. Diese Kreise, die über beachtliches Expertenwissen und weitläufige Kontakte verfügten, leisteten eine unschätzbare Basisarbeit für den Blues. Ohne ihren Einsatz wäre die zwar überschaubare, aber dennoch vitale und vielfarbige Szene nicht lebensfähig gewesen. Horst Lippmann erkannte, dass die Existenz in der Nische den Willen zur Kooperation voraussetzte und strebte beizeiten eine Vernetzung an. Er bat die Mitstreiter um Informationen, Ratschläge und Promotion, engagierte sie

304 Vgl. Contract between L+R Records and Iverson Minter, 09.02.1983, 1. 305 Louisiana Red wurde neben seinen Studioverpflichtungen von Lippmann + Rau anfangs auch veranstaltet. Konzerte blieben für ihn die Haupteinnahmequelle. Eine 24tägige Tournee im April und Mai 1980 brachte ihm beispielsweise 4800 US-Dollar ein. Vgl. Agreement between Lippmann + Rau and Iverson Minter, 16.07.1979, 1. 306 Concert Büro Rolf Schubert, 1. 307 Ab den sechziger Jahren schlugen einige amerikanische und britische Bluesmusiker ihren Wohnsitz in Westberlin oder in der Bundesrepublik auf, unter ihnen Eb Davis, Sidney Selby, Nick Katzman, Queen Yahna, Curtis Jones, Rosay Wortham, Gary Wiggins, »Champion« Jack Dupree, Willie Mabon, Jim Kahr, Albert C. Humphrey, Jerry Ricks, Tom Shaka und Steve Baker. 308 Louisiana Red gehörte 1983 zur »Grünen Raupe«, einer Serie von bundesweiten Wahlkampfveranstaltungen. Dort traten neben Politikern Künstler aus der Öko- und Friedensbewegung auf. Fritz Rau zeichnete für die Organisation verantwortlich. 309 Freyer: Blues-Forum. Louisiana Red bestritt gemeinsam mit Doctor Ross und Tommy Tucker das abendfüllende Programm »Blues USA«, das am 23. und 24. November 1977 im Auditorium maximum der Ostberliner Hochschule für Ökonomie aufgeführt wurde. Als Veranstalter zeichnete das Kreiskulturhaus Berlin-Mitte verantwortlich.

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als Veranstalter, Tourneebegleiter und für die Aufzeichnung von Konzerten. Ein Teamwork besonderer Art verband ihn mit Siegfried Christmann und Axel Küstner. Christmann besaß einschlägige Branchenerfahrungen, er betrieb seit 1971 die Agentur Ziggi Music und hatte 1976 das Blueslabel Ornament Records gegründet.310 Küstner war für seine sensiblen Künstlerfotos bekannt, die während ausgedehnter Exkursionen entstanden. 1978 durchkreuzte er sechs Monate lang die USA. Er wollte herausfinden, was vom Country Blues übrig geblieben war.

»Champion« Jack Dupree mit einer von Siegfried Christmann produzierten LP, Blues & Boogie Festival, Köln, 1983

Zurück in Deutschland, wertete er mit seinem Freund Siegfried Christmann die mitgebrachten Tonaufzeichnungen aus. Weil sie »so überzeugend« waren, entschloss man sich, »einen Auftraggeber für eine zukünftige, besser organisierte

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In den frühen Jahren wurden auf Ornament unter anderem LPs von John Lee Hooker, Blind John Davis, Sunnyland Slim & Big Time Sarah, Louisiana Red, Doctor Ross, Willie Mabon, Memphis Piano Red & Guitar Slim und Richard Bargel veröffentlicht. Bestseller war »Champion« Jack Dupree. Seine LP »Alive, ›Live‹ and Well« hatte bis Anfang 1980 rund 4500 Exemplare verkauft. Vgl. Christmann: Brief an Horst Lippmann, 27.02.1980, 1; Champion Jack Dupree: Alive, »Live« and Well – Oh Lord, What Have I Done…, Chrischaa CB–30.3302, BRD 1976.

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Reise mit technisch professioneller Ausrüstung zu finden«, erinnerte sich Christmann. »Dass dies nur Horst Lippmann sein konnte, dürfte jedem klar sein, der ihn als begeisterten Bluesfan und von vordergründig kommerziellen Interessen unbelasteten Tournee- und Schallplattenproduzenten kennt.«311 Im Herbst 1980 zogen Axel Küstner und Siegfried Christmann schließlich für L+R Records durch die Vereinigten Staaten.312 Die beiden suchten nach Musikern, die unbeachtet von den Medien am ›authentischen‹ Klang festhielten. Anders als zahlreiche Liebhaber und Feldforscher vor ihnen, dachten sie jedoch nicht daran, eine sterbende Kultur zu konservieren. Küstner beschrieb die eigene Motivation wie folgt: »Von Anfang an war es unsere Absicht, keine trockene, wissenschaftliche Recherche zu betreiben, die vermutlich nur ein paar Insider erreichen würde, sondern eine unterhaltsame Sammlung von gutem Country Blues zu präsentieren, die beim Schallplatten kaufenden Publikum Anklang findet.« Gleichzeitig sollte der Sinn für die Tradition geschärft werden, das Bewusstsein der Wurzeln. Dreh- und Angelpunkt der Idee war, die Musiker nicht im Studio, sondern in ihrer natürlichen Umgebung mit mobilem Equipment aufzunehmen.313 Die Expedition dauerte zweieinhalb Monate, in denen Küstner und Christmann 16.000 km mit dem Auto zurücklegten, um 35 Künstler auf 54 km Tonband zu verewigen und hunderte Fotos zu schießen.314 Horst Lippmann brachte die Aufnahmen in der Serie »Living Country Blues USA« heraus. Sie startete 1981 mit einer Doppel-LP, die das komplette Spektrum umriss und als Einführung sowie Kaufanreiz gedacht war. Bis 1983 folgten zwölf reguläre Teile.

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Christmann: Living Country Blues USA – Introduction [Entwurf der Liner Notes], 1. Ähnlich lobend äußerte sich Christmann auch an anderer Stelle über Lippmann. Er sei »nach wie vor ein leidenschaftlicher Blues-Liebhaber ohne jede Attitude des ›harten‹ Geschäftsmannes«. Christmann: Zu dieser LP [editorische Notiz]. Sie hatten sieben Monate zuvor Horst Lippmann ihre Idee unterbreitet. Vgl. Christmann: Brief an Horst Lippmann, 27.02.1980. Zitat und Informationen: Küstner: Liner Notes der Doppel-LP »The Introduction to Living Country Blues USA«. Die Ausrüstung umfasste eine Bandmaschine, ein Mischpult, Mikrophone und diverse Kabel, sie wog 86 kg. Vgl. Christmann: Living Country Blues USA – Introduction [Entwurf der Liner Notes], 1. Informationen nach einem editorischen Vermerk, der auf den Plattentaschen der Serie »Living Country Blues USA« abgedruckt war. Siegfried Christmann zufolge handelte es sich um 56 km Band, also ca. 43 Stunden, und rund 7000 Fotos. Vgl. Christmann: Living Country Blues USA – Introduction [Entwurf der Liner Notes], 3.

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Die einzelnen Ausgaben widmeten sich verschiedenen Bundesstaaten, Regionen oder Städten315 und besaßen spezielle Mottos. Sie lauteten zum Beispiel »The Road Is Rough and Rocky«, »Afro-American Blues Roots« und »Mississippi Moan«. Sorgfältig gegliedert und mit kenntnisreichen Liner Notes kommentiert, entwarfen Axel Küstner und Siegfried Christmann eine akustische Landkarte des Country Blues in Amerika. Die meisten LPs waren als Sampler konzipiert, ein paar lieferten geschlossene Künstlerporträts. Der Querschnitt reichte von hochbetagten Veteranen wie Sam Chatmon und Hammie Nixon bis zum Duo Cephas & Wiggins, das den Country Blues auf elegante Weise ins Hier und Heute transferierte. Othar Turner & The Rising Star Fife and Drum Band führten zu den Quellen Afrikas, Flora Molton, Boyd Rivers und Cora Fluker brachten eine Gospelnote zum Schwingen. Walter Brown, Joe Savage und Lonnie Pitchford reduzierten den Blues auf seine archaische Essenz, während Lottie Murrell, Guitar Slim und Arzo Youngblood ihren Instrumenten einen ausgelassenen »Country Boogie« entlockten. In den USA wurden diese Musiker kaum beachtet, galten sie als antiquiert und unverkäuflich. Horst Lippmann ging das Risiko ein und gab den unbekannten, vergessenen oder obskuren Künstlern ein Forum. Vielleicht erhoffte er einen ähnlichen Effekt, wie ihn seinerzeit die American Folk Blues Festivals ausgelöst hatten. Mit der Reihe »Living Country Blues USA« griff Lippmann das alte Prinzip der »authentischen Dokumentation« wieder auf und spitzte es konsequent zu. Die Platten firmierten als »Original Field Recordings« und richteten sich an ein internationales Publikum. Ihr Design bestach durch Stringenz und Tiefe. Axel Küstners schwarz-weiße Coverfotos zeigten ins Spiel versunkene Musiker, sie fingen das harte, entbehrungsreiche Milieu des ländlichen Südens kongenial ein. Seine Bilder verrieten den Blick fürs Wesentliche, sie strahlten Würde und Lebensweisheit aus. Der aufmerksame Betrachter konnte in ihnen sich selbst entdecken. Küstner zeichnete auch für die versierten Liner Notes verantwortlich, die nüchterne Fakten einer schillernden Patina vorzogen und den Leser mit auf die Reise nahmen. Er erinnerte daran, dass die Kompetenz des Bluesmusikers aus seiner sozialen Erfahrung resultiere. Über Memphis Piano Red, »einem lässigen, wuchtigen Mann von 77 Jahren und exzellenten Barrelhouse-Pianisten«, hieß es: »Er ist zur selben Existenz von der Hand in den Mund gezwungen, die er 50 Jahre zuvor durchmachen musste, als er schwarz mit Güterzügen fuhr.« James »Son« Thomas aus Mississippi »lebt immer noch im ›Armeleuteviertel‹, hinter der Bahnlinie im

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In erster Linie waren das: Virginia, der Highway 61, Washington, D. C., Tennessee, Arkansas, das Mississippi-Delta, Louisiana, Delaware, North Carolina, Maryland und die East Coast.

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schwarzen Bezirk von Leland, einem heruntergekommenen und rauen Stadtteil«. Viele, die dort ihr Dasein fristen müssen, »haben keinen anderen Weg, der Hoffnungslosigkeit und dem Elend des Alltags zu entfliehen, als sich zu betrinken oder zu berauschen. Hier kommt der Blues her, da gibt es nichts romantisch zu deuten.«316

Siegfried »Ziggy« Christmann, Bluesfest Bonn, 1985

L+R Records bewarben »Living Country Blues USA« vollmundig als »eine kleine Sensation«. »Seit Alan Lomax vor mehr als 20 Jahren sein heute schon legendäres ›Field Recordings‹-Projekt durchführte, hat es bisher nichts annähernd Vergleichbares gegeben«, ist unter Verdrehung der Tatsachen behauptet worden. Die Serie gehöre »zu den aufwendigsten Projekten, die je unternommen wurden, um die lebendige ›country music‹ der schwarzen Bevölkerung Amerikas zu dokumentieren«, sie sei »einmalig«.317 Der Bezug zur ethnologischen Pionierarbeit, den Horst Lippmann demonstrativ herausstrich, deutete an, dass es sich hier nicht um ein zuvörderst kommerzielles Produkt handelte, sondern um ein Prestigeobjekt. Ob sich der finanzielle Aufwand amortisiert hat, bleibt fraglich. Pro LP stand ein

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Küstner: Liner Notes der Doppel-LP »The Introduction to Living Country Blues USA«. Alle Zitate: L+R Records News, 1 und 2.

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Budget von 1900 D-Mark zur Verfügung. Damit waren alle Ausgaben bis zur physischen Herstellung zu decken, das heißt Siegfried Christmanns und Axel Küstners Einsatz, sämtliche Künstlerhonorare, Verlagsrechte, Reisen sowie die Coverfotos und -texte. Christmann, der als Produzent und Vertragspartner fungierte,318 erhielt eine »Umsatzbeteiligung« von zwei bzw. einem Prozent.319 Die Gagen der Musiker wirkten angesichts des schmalen Etats fast großzügig.320 Sie lagen zwischen 100321 und 400 US-Dollar plus Tantiemen bis zu 40 Cent pro verkaufter LP.322 Insgesamt lief eine Honorarsumme von 5400 Dollar auf.323 Siegfried Christmann beanstandete mehrfach den engen Finanzrahmen. Das Geld reiche »vorne und hinten nicht«, schrieb er aus den USA. »Allein die Benzinkosten haben sich seit dem Zeitpunkt, zu dem wir unsere Kalkulation gemacht hatten, verdoppelt«.324 Er und Küstner hätten 29.144,30 D-Mark investiert und damit 10.000 DM aus eigener Tasche zugeschossen.325 Horst Lippmann war vom Fortgang der Dinge frustriert. Die vertraglich vorgesehene Option, nach der ersten Staffel der Reihe »Living Country Blues USA« mindestens zehn weitere LPs zu veröffentlichen,326 wurde fallen gelassen. Intern gab Lippmann zu, dass ihn das Material nicht befriedige, »die Qualität reicht von

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Laut Impressum war Axel Küstner der zweite Produzent, Horst Lippmann rangierte als »Executive Producer«. Informationen und Zitat: Produzentenvertrag zwischen L+R Records GmbH und Siegfried Christmann, 2 und 3. Ein Prozent Umsatzbeteiligung galt im Ausland, zwei in der BRD. Die Sätze halbierten sich »für Verkäufe in der Low-Price Kategorie«, also »wenn der unverbindliche Endverbraucherpreis über 25 % unter dem Vollpreis liegt«. Ebd., 3. Bei der Interpretation der nachfolgend zitierten Beträge muss beachtet werden, dass der Umrechnungskurs von US-Dollar in D-Mark damals etwa 1:1,9 betrug. Vgl. stellvertretend Agreement between Siegfried A. Christmann and Arzo Youngblood. Der Künstler hatte über den Zeitraum eines Jahres für »diverse« Aufnahmen zur Verfügung zu stehen. Vgl. stellvertretend Agreement between Siegfried A. Christmann and Archie Edwards. Verkäufe außerhalb der BRD, im Low-Price-Segment, per Mailorder, durch Buchclubs o. Ä. wurden mit 50 Prozent des Tantiemensatzes vergütet. Vgl. Rider to the Contract Dated November 30, 1980 between L+R Records GmbH and Archie Edwards. Vgl. Christmann/Küstner. Musikern, die einen nur geringen Beitrag leisteten bzw. ausschließlich als Begleitung fungierten, wurden 40 bis 80 Dollar gezahlt. Christmann: Brief an Heinz Hartmann und Horst Lippmann. Vgl. Christmann/Küstner. Vgl. Produzentenvertrag zwischen L+R Records GmbH und Siegfried Christmann, 5.

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gut bis durchschnittlich«. Außerdem beklagte er sich über eine schlechte Zusammenarbeit mit Siegfried Christmann und Axel Küstner, die ihn reichlich Kraft gekostet habe, es ginge »alles« viel zu »zögernd« voran. Vereinbarungen seien ignoriert worden. Christmann hätte doch tatsächlich »den Nerv besessen, Aufnahmen aus seiner Amerika-Reise auf seinem eigenen Label Ornament herauszubringen«.327 Gemeint war eine LP von Memphis Piano Red und Guitar Slim. 328 Horst Lippmann empfand es als »makaber«, dass er »beinahe ein Jahr auf die Bänder, Texte und Fotos für die Veröffentlichung der Serie« gewartet hatte, während »andererseits bei Ornament schon jetzt eine Platte aus dieser Produktionsreise vorliegt«.329 Für ihn war das ein »eklatanter Vertragsbruch«,330 der gegen seine Exklusivrechte verstieß. Siegfried Christmann wehrte sich und verwies auf eine generelle Schieflage. Enthusiasten wie ihn würde man als »nützliche Idioten« missbrauchen. »Natürlich ist es allgemein so, dass das (Blues-)Geschäft in erster Linie von Leuten getragen wird, die für ihre Arbeit kaum oder nicht angemessen bezahlt werden; aber genau davon habe ich die Schnauze voll.« Er und Axel Küstner hätten zu schlechten Konditionen »so viel Mühen auf uns genommen, wie das nur echte Fanatiker (oder vielleicht: Dummköpfe) machen. Wir haben uns derart einschränken müssen, dass wir sogar viele Nächte im Auto gepennt haben und unter Bedingungen aufgenommen (mal abgesehen davon, dass wir in den 3 Monaten fast keine freien Tage hatten), die kein Profi akzeptiert hätte. Hierfür verlangen wir nicht, am Arsch geleckt zu werden, aber es ist von uns nicht zu verlangen, dass gerade bei uns dann Kosten eingespart werden, um das Projekt letztlich ökonomisch zu realisieren.« Die Idee der strittigen Ornament-LP entstand, als sich abzeichnete, »dass wir wohl diejenigen sein würden, die mal (wieder) zubuttern sollten«. »Auf diese Weise erhofften wir, wenigstens einen kleinen Teil der zusätzlichen Aufwendungen, die wir von unserem privaten Geld in den Staaten aufbrachten, kurzfristig wieder hereinzubekommen.« Trotz der Verstimmung unterstrich Christmann, dass er »die Situation keinesfalls als so verfahren betrachte, dass nicht doch noch eine fruchtbare Zusammenarbeit möglich wäre«. Er denke, »dass wir alles demnächst bereinigen können«.331 Horst Lippmann lenkte ein und verzichtete auf einen Rechtsstreit. Auch versprach er, gegenüber seinem Vertriebspartner Bellaphon Records, dem er Rechenschaft schulde, die Angelegenheit nicht »publik zu machen«. Das Fazit

327 Alle Zitate: Lippmann: Brief an Heinz Hartmann, 2. 328 Memphis Piano Red & Guitar Slim: Play It a Long Time, Daddy. Old Time Barrelhouse Blues, Ornament CH–7.516, BRD 1981. 329 Lippmann: Brief an Siegfried Christmann und Axel Küstner, 31.08.1981. 330 Lippmann: Brief an Siegfried A. Christmann, 3. 331 Alle Zitate: Christmann: Brief an Horst Lippmann, 21.12.1981, 2, 1, 2 und 3.

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klang versöhnlich: »Ich freue mich, dass der erste Teil unserer Serie nun doch zu einem für alle Teile erfreulichen und positiven Abschluss erfolgt ist und dass wir auch in Zukunft bei allen sich bietenden Gelegenheiten eng zusammenarbeiten werden.«332 Tatsächlich kreuzten sich die Wege erneut.333 Vorhaben größeren Stils kamen allerdings nicht mehr zustande. Die spannungsreiche Kooperation hatte unterschiedliche Auffassungen von Professionalität, Redlichkeit und Geschäftssinn offenbart. Man liebte dieselbe Musik – und zog doch nicht an einem Strang.

332 Lippmann: Brief an Siegfried Christmann und Axel Küstner, 07.04.1982, 3. 333 Horst Lippmann veröffentlichte »Field Recordings« von Big Joe Williams, die Axel Küstner zwischen 1973 und 1980 angefertigt hatte. Big Joe Williams, L+R Records, LR 42.047, BRD 1983. Küstner erhielt für das Masterband, die Liner Notes und Fotos ein einmaliges Pauschalhonorar von 2500 D-Mark. Vgl. Vertrag zwischen L+R Records GmbH und Axel Küstner, 1.

! Stell dir vor Du stehst am Fenster Und machst die Arme breit Und die Luft um dich wird ganz weich Und dann fliegst du Und dann fliegst du Einfach los1 HANSI BIEBL BAND/THOMAS SCHMITT

                 Auch wenn die bundesdeutschen Medien hin und wieder eine Blueswelle ausriefen, mit der Zielgruppengrenzen überschwemmt und das traditionsbewusste Rockpublikum geködert werden sollte, blieb diese Musikkultur doch ein Nischenphänomen. Weitgehend unbeachtet von der Industrie, organisierte sich die Szene selbst. Engagierte Fans, Künstler und Kleinunternehmer sorgten für reißfeste Netzwerke, Plattenproduktionen und Konzerte. Sie arbeiteten aufopfernd und effektiv, verzichteten auf kostspielige Apparate und üppige Margen und blieben auf diese Weise relativ krisenresistent. »Den Clubs und Veranstaltern authentische Blues-Musiker zu einem akzeptablen Preis zu vermitteln«,2 sei sein Ziel, ließ Siegfried Christmann verlauten. Ähnlich wie die von ihm seit 1971 betriebene Agentur Ziggi Music, füllten das Concert Büro Rolf Schubert3 oder Norbert Hess4 jene

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Aus dem Song »Stell dir vor«. T: Thomas Schmitt, K/A: Hansi Biebl. Hansi Biebl Band, Amiga 8 55 716, DDR 1979. Folk Blues Stars in Deutschland. Es wurde 1971 in Köln gegründet. Detailliert: Schubert: Fiskus, Fans und Formulare. In Westberlin ansässiger Veranstalter.

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beträchtliche Lücke, die außerhalb des kommerziellen Horizontes der Branchenmultis klaffte.5 »Die siebziger und achtziger Jahre waren die große Zeit des Blues in Deutschland«, erinnerte sich Schubert. »Es gab unzählige Auftrittsmöglichkeiten. Die Städte hatten Geld und unterhielten noch richtige Kulturämter. Tourneen mit 30 bis 50 Terminen waren keine Seltenheit. Es entstanden die ersten Bluesfestivals. Die örtlichen Veranstalter zahlten für einen Soloauftritt – viele Pianisten, einige Gitarristen – zwischen 500 und 1000 D-Mark. Der Musiker erhielt 150 bis 300 Dollar pro Konzert. Ich entlohnte (nicht allzu gut) den Roadmanager, und irgendwie blieb für mich genug übrig.«6 Auch wenn der Grat zur Selbstausbeutung schmal war, fühlte sich der kaufmännische Laie »privilegiert«: »Ich konnte all diese tollen Musiker treffen und ihre Geschichten hören.«7 Rolf Schuberts positiver Rückblick, der einem Vergleich mit späteren Dürrejahren entsprang, wird durch zahlreiche zeitgenössische Klagen relativiert. Das Liveangebot sei »fast schon zu groß und zeitlich und geldlich kaum zu schaffen«, hieß es 1979 in einem Resümee des German Blues Circle. Künstler und Agenten »machen ihr Geschäft, für denjenigen, der den Musiker bucht, ist das Konzert in der Regel jedoch ein Zuschussgeschäft«. Die Risiken wären erheblich, wie ein Exempel belegen sollte: »Ein Konzert mit Homesick James und Snooky Pryor hätte in Frankfurt zwischen 3000,– und 4000,– in einem Saal für 500 Personen gekostet. Der Eintrittspreis müsste also zwischen 6,– und 8,– liegen, um ± 0 abzuschließen, vorausgesetzt, das Konzert ist ausverkauft. Dieser Eintrittspreis ist aber in der musiksatten Frankfurter Szene und beim Bekanntheitsgrad der Musiker nicht zu realisieren. Außerdem ist es mehr als fraglich, ob der Saal voll wird. Es müsste also von vornherein ein Defizit von ca. 500,– bis 1000,– einkalkuliert werden.«8 Niederschmetternde Erfahrungen gäbe es zur Genüge. So hätte Doctor Ross in Kaiserslautern und Mainz gerade mal 15 Zuschauer angelockt. »Die Situation des Blues in Deutschland ist wegen der im kulturellen Bereich schlechten marktwirtschaftlichen Situation nicht sehr gut«, lautete der pessimistische Bericht zur Lage.9

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Nicht selten führten Konzertveranstalter auch eigene Plattenlabels. So gründete Siegfried Christmann Ornament Records, Karsten Jahnke Happy Bird, Hans Ewert startete Bluesbeat, und Dieter Nentwig hob Joke Records aus der Taufe. Schubert: Fiskus, Fans und Formulare, 356. Ebd. Editorial, GBCI 36/1979, 1. Information und Zitat: Protokoll der 2. ordentlichen Mitgliederversammlung des German Blues Circle am 25.2.1978 in Frankfurt/M., 103.

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Immer wieder gerieten Veranstalter ins Kreuzfeuer der Kritik. Als Rolf Schubert die Gründe, unter denen Willie Mabon eine für Anfang 1979 avisierte Tournee absagte, »fadenscheinig« nannte, wurde ihm Skrupellosigkeit angekreidet. Mabon hatte familiäre Probleme vorgeschoben, offenbar nur, um lukrativere Shows in der Schweiz und Italien zu spielen. Ein Kollege echauffierte sich coram publico über die angebliche Raffgier von Rolf Schubert und drohte an, er werde es »nicht versäumen, Musiker vor ihm zu warnen«. Seine Attacke zielte unter die Gürtellinie: »Es ist unerträglich zu sehen, wie schwarze Musiker ohne Rücksicht auf ihr persönliches Wohlergehen auf Tourneen gejagt werden und weiße Herren wieder das Geld einstreichen und sich ansonsten einen Dreck darum scheren, wie es den Menschen geht, die für sie Geld verdienen.«10 Rolf Schubert antwortete mit einer umfangreichen Gegendarstellung und gab den Blick hinter die Kulissen frei. Er rechnete minutiös vor, »wie die Organisation einer solchen Bluestournee vonstatten geht: Der entsprechende Musiker wird für einen bestimmten Zeitraum, meistens drei oder vier Wochen, für eine Festgage verpflichtet. Diese Gage liegt zwischen 600 und 1100 $ die Woche pro sechs Konzerte. Bei einer Dreiwochentournee ist der Musiker also verpflichtet, 18 Konzerte zu spielen, drei Tage hat er frei. Egal, ob der Musiker nun alle 18 Konzerte spielt oder nicht, er erhält die fest vereinbarte Gage«. Hinzu kämen die Flugtickets, Hotels und Fahrten, Werbematerialien, ein Roadmanager sowie die stattlichen Büro- und Verwaltungskosten der Agentur. »Die meisten Clubs«, fuhr Schubert fort, »fassen 100 bis 200 Zuschauer, größtenteils junge Leute, Studenten, Schüler, sodass die Höhe der Eintrittspreise auch beschränkt ist. Die mit den Clubs vereinbarten Gagen sind also alles andere als rosig.« Es sei hirnrissig zu glauben, »man könne mit diesem Geschäft reich werden«. Auch das Klischee des Künstlersklaven ginge an der Realität vorbei: »Die Geschichte vom weißen Herrn, der die armen schwarzen Musiker ausbeutet, stimmt schon lange nicht mehr, zumindest nicht hier in Europa. Die meisten Musiker, die auf Tournee kommen, verdienen hier mehr in drei oder vier Wochen, als sie in den Staaten in einem Jahr zu sehen bekommen. Es hat bisher noch keinen einzigen Musiker gegeben, den ich auf eine Tournee ›gejagt‹ hätte, vielmehr war es so, dass mich die Musiker gebeten und angefleht haben und es noch immer tun, sie doch möglichst bald wieder auf Tournee zu holen.«11 Nach Rolf Schuberts »offenem Brief« schaltete sich Willie Mabons Management ein und erhob schwere Vorwürfe gegen den Kölner,12 welche dieser wiederum mit einer Replik entkräftete.13

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Köhsel. Alle Zitate: Schubert: Offener Brief an Ulli Köhsel, 3 und 4. Vgl. Leiser. Vgl. Schubert: Antwort auf Willy Leisers Brief.

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Aussage stand gegen Aussage. Das »German Blues Circle Info«, das den »WillieMabon-Leserbrief-Krieg« abgedruckt hatte, bedauerte, dass es »keinen Waffenstillstand« gäbe und entzog den streitenden Parteien schließlich das Wort.14 Ähnlich heftige Schelte erntete die Agentur Christmann & Schaaf nach einer Konzertreise von John Lee Hooker. Auch dieser Fall wurde in aller Öffentlichkeit ausgetragen. Er illustrierte den Mangel an Streitkultur, der weite Teile des westdeutschen Bluesbiotops prägte. Fans verschanzten sich in Fraktionen und fochten hitzige Grabenkämpfe aus, sie konstruierten absurde Regelwerke, legten haarklein fest, wer den Blues spielen dürfe, wie er zu klingen habe und wem es gestattet sei, damit Geld zu verdienen. Ihre tiefe Liebe zur Musik besaß eine fragwürdige Kehrseite, auf der Hypersensibilität und Intoleranz regierten. Das bekamen auch Christmann & Schaaf zu spüren. Sie hatten im Juni 1976 John Lee Hooker nach Deutschland geholt und das Publikum mit einem kontrastreichen Vorprogramm auf die Folter gespannt. Als der Star des Abends endlich ans Mikrophon trat, waren viele von Hookers ›kommerzieller‹ Wandlung enttäuscht. Sie wollten den kargen Sound des einsamen Barden hören und nicht die phonstarke Coast to Coast Blues Band, die ihn begleitete. Ein Rezensent empörte sich über den »kaltschnäuzigen, betäubenden Elektroterror« und sprach John Lee Hooker schuldig: »Auffallend rasch fädelte er sich bei der heute üblichen Rockmasche ein, in der die Provokation von einst zum ästhetischen Prinzip reduziert und verboten ist. Rock, ja Blues als Faschismus – die Haare des Blues- und Jazzfreundes sträuben sich.« Hooker hätte »den Blues am Rande des Skandals« zelebriert, mit »Herrschaftsgebärden« und »der kalten Besessenheit eines Hordenführers«. Das Schlussurteil klang vernichtend: »Was sich in der elektrifizierten populären Musik von heute anbahnt, ist der blanke Machtrausch, für den die ökonomische Kategorie des Profits zu eng ist, denn hier scheint sich die Macht selbst, ihre Eskalation und Irrationalität auszukosten.«15 Verhaltenere Kritiker äußerten die Hoffnung, »dass Herr Christmann bei der kommenden Tournee Hookers auf diesen einwirkt, den Stil der früheren Konzerte nicht völlig beizubehalten. Vielleicht sollte er einmal allein spielen, das Publikum nach dem einen oder anderen Musikwunsch fragen und die ›Einheizer‹ nicht so lange« ihre Instrumente malträtieren lassen.16 Siegfried Christmann wies die Anschuldigungen als überzogen zurück. »Natürlich ist Hooker kommerziell, natürlich passt er sich an modische Strömungen an, spielt rockig und funky… Sozialmusikromantiker sind in einem Hooker-Konzert fehl am Platz.« Man sollte nie aus dem Auge verlieren, »was das Publikum

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Vgl. Editorial, GBCI 36/1979, 2. Bachmann. Rubrik »Konzertberichte«, GBCI 2/1976.

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von Leuten wie Hooker erwartet und mit Recht erwarten kann: nämlich ›Fun‹! Sind Freude, Boogie, Lust etc. etwa konterrevolutionär? Es wird höchste Zeit, dass einmal über den unterschwelligen Rassismus professioneller ›Blues-Fans‹ öffentlich reflektiert wird!«17 Besucher, die bei den Konzerten tatsächlich Spaß hatten, ergriffen für Siegfried Christmann Partei. Sie missbilligten das aggressive Vokabular und perfide Faschismusverdikt und hielten den Scharfrichtern einen Spiegel vor: »Deutsche Blues-Fans wirken – im Vergleich mit dem Publikum anderer, auch europäischer Länder – manchmal gerade lächerlich steif, aber daraus für die Erwartungshaltung ein Prinzip zu machen, entbehrt nicht einer gewissen rührenden Komik.«18

Abi Wallenstein (rechts) und David Johnson Band, Anti-Atomkraft-Kundgebung, Hamburg, ca. 1975

Vorbehalte und Widerstände richteten sich genauso gegen einheimische Künstler. Puristen, die ein enges Authentizitätsverständnis pflegten und deshalb von liberaleren Musikliebhabern als ›Blues-Polizei‹ verspottet wurden, degradierten sie zur zweiten Garnitur. Ihnen fehle die soziale Schwungkraft afroamerikanischen Leidens, aus der ›echter‹ Blues entstünde. Dabei hatte sich in den siebziger Jahren eine qualifizierte Szene entwickelt, an deren Spitze Namen wie Das Dritte Ohr, die Blues Company, Abi Wallenstein, Lösekes Blues Gang, Richard Bargel, die

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Christmann: Thema: Blues am Rande des Skandals – John Lee Hooker. Gebhard: Thema: Blues am Rande des Skandals.

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Frankfurt City Blues Band, Christian Rannenberg, die Pee Wee Bluesgang, Axel Zwingenberger oder Vince Weber rangierten.19 Sie besetzten einen wichtigen Teil der Nische, waren unablässig unterwegs. Die Osnabrücker Blues Company, eine der umtriebigsten Kapellen, absolvierte nach eigenem Bekunden etwa 3000 Konzerte innerhalb von knapp dreißig Jahren.20 Das Dritte Ohr brachte es 1978 auf 117 Gigs, die einer monatlichen Nettodurchschnittsgage von 800 D-Mark pro Mitglied entsprachen.21 Um ihre Interessen besser schützen und Netzwerke ausbauen zu können, schlossen sich Musiker hin und wieder in Vereinen zusammen. Eine vergleichsweise lange Lebensdauer war dem Action Issue Network, Anfang der achtziger Jahre von Manfred Paul Galden in Wuppertal gegründet, und der Blues Cooperative Berlin beschieden. Letztere wurde 1979 von zwei ortsansässigen Bands aus der Taufe gehoben. Ihr Ziel war es, »sich auch mal außerhalb des Kneipenmiefs und -gerangels kennen zu lernen, sich gemeinsam gegen die Ausbeutung und Unterbezahlung durch einige Veranstalter zu wehren, Erfahrungen und Informationen auszutauschen, das Konkurrenzdenken abzubauen, gemeinsam zu musizieren, dem Gerangel um Auftritte und Gagen zu entgehen, besser für sich werben zu können und selbst Veranstaltungen zu organisieren«. Binnen eines Jahres rekrutierte die Cooperative 30 Künstler als Mitglieder, die ihre Stadt angemessen repräsentierten. Sie sorgten für »regelmäßige Bluesprogramme in verschiedenen Berliner Kneipen« sowie diverse Konzerte und brachten mit den »Blues Tagen 1980« vom 20. bis 22. Juni ein erstes Festival auf die Bühne. Hier hatten die täglich rund 600 Besucher Gelegenheit, »sämtliche Berliner Bluesmusiker kennen zu lernen«. Man wollte Kommunikationsschranken aufbrechen, das Gefühl der Gemeinschaft stärken. Deshalb fand jeden Nachmittag »ein kostenloser Blues-Workshop« statt, bei dem »Erfahrungen zwischen Anfängern, Interessenten und Musikern« ausgetauscht wurden.22 Eigeninitiative war auch im medialen Bereich gefragt. Die großen Musikjournale behandelten den Blues als Marginalie und widmeten nur jenen Spielarten breiteren Raum, die an den Schnittstellen zu Rock und Soul siedelten. Wer spezielle Informationen suchte, war auf alternative Kanäle angewiesen. Im November

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Zum exemplarischen Werdegang eines bundesdeutschen Bluesmusikers, der sich bereits in den sechziger Jahren, nach einer Beatphase, diesem Genre verschrieb, vgl. Galden. Vgl. Todorovic, 7. Die Blues Company wurde 1976 gegründet. Vgl. Rüb. Alle Zitate und Informationen: Donisch: Blues-Szene Berlin, 13 und 14.

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1980 erschien mit dem »Blues Forum« die erste deutsche Zeitschrift, die ausschließlich dem Genre vorbehalten war.23 Wenn auch von Laien getragen, wollte sie sich im kommerziellen Sektor behaupten und von der bewusst ausgestellten, demokratisch gemeinten Unprofessionalität der Fanzines abheben. Als Herausgeber zeichnete der Westberliner Chemiestudent Thomas Gutberlet verantwortlich. Er wurde ab Heft Nummer vier von Norbert Hess redaktionell unterstützt. Das »Blues Forum« kam vierteljährlich auf den Markt, es überzeugte durch seine Themenvielfalt, den Kennerblick und ein ansprechendes Layout. Unter den freien Mitarbeitern befanden sich profilierte Autoren, Musiker und Photographen wie Axel Küstner, Teddy Doering, Klaus Kilian, Götz Alsmann,24 Tiny Hagen, Udo Wolff, Fritz Marschall, Siegfried Christmann, Manfred Miller, der belgische Bluesforscher Robert Sacré sowie der renommierte Musikwissenschaftler und Ethnologe Alfons Michael Dauer, Professor für Afro-Amerikanistik an der Kunstuniversität Graz. Im Editorial der ersten Ausgabe legte Thomas Gutberlet Motivation und Anspruch dar. Ungeachtet seiner musikgeschichtlichen Bedeutung und aktuellen Popularität handele es sich beim Blues um »den am wenigsten beachteten Stil« überhaupt. »Ausführliche und tiefer gehende Informationen« seien Mangelware. Dieses Defizit wolle man lindern.25 Dem Leser wurden auf rund 30 bis 60 schwarzweißen DIN-A4-Seiten umfangreiche Künstlerporträts, historische Abhandlungen und Reiseberichte sowie Konzert-, Platten- und Buchkritiken geboten,26 er erfuhr von anstehenden Neuerscheinungen, Tourneen, Rundfunk- und Fernsehsendungen.27 Thomas Gutberlet und seine Mitstreiter folgten einem weiten Genrebegriff, sie setzten auf Vielfarbigkeit und Pluralismus. Pioniere und Veteranen fanden ge-

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Bereits vorher wurden in Österreich deutschsprachige Bluesperiodika veröffentlicht, die auch der Bundesbürger per Mailorder beziehen konnte. Zu ihnen gehörten »blues notes«, 1969 bis 1978, und »Blues Life«, 1978 bis 1995. Während »blues notes« vom Blues Club Linz herausgegeben wurde, definierte sich das in Wien erscheinende Magazin »Blues Life« als unabhängiges Medium, es war weder ein Fanzine noch das Informationsblatt eines Vereins. Zu Anspruch und Geschichte vgl. Svacina: Die ersten zehn Jahre. Unter dem Pseudonym »Prof. Bop«. Vgl. Gutberlet: Lieber Bluesfreund. Der Rezensionsteil schloss internationale Festivals und Veröffentlichungen sowie akademische Literatur ein. Hinzu kamen teils ganzseitige Annoncen, die von Plattenfirmen, Agenturen, Musikverlagen, Zeitschriften, Instrumentenherstellern, Technikausstattern und Verleihfirmen geschaltet wurden. Auf den hinteren Seiten des Heftes waren private Kleinanzeigen zu finden.

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nauso ihren Platz wie verheißungsvoller Nachwuchs. Das »Blues Forum« war hinsichtlich Form und Inhalt ein modernes Magazin.28 Es grenzte sich von der üblichen Retromanie ab und rückte den Blues der Gegenwart in den Fokus. Davon kündete bereits das Cover der Startausgabe: Es zeigte mit Albert Collins einen Musiker, der den Weg in eine neue Ära wies. Im Unterschied zu den Insiderplattformen der Traditionalisten wehrte sich die Zeitschrift gegen einen ästhetischen Fatalismus und feierte die Evolution. Die Generation nachrückender Künstler wurde nicht geringschätzig belächelt und als kalkulierter Ausverkauf abgeschrieben, sondern mit Respekt behandelt. Robert Cray war für das Blatt »der wichtigste Blues-Erneuerer der 80er Jahre«.29 Eine Plattenkritik von 1984 klärte die Fronten: »Nicht erst in diesem Orwellschen Jahr wurde oftmals die Frage aufgeworfen: Hat der Blues eine Zukunft? Viele werden schon mit krokodilstränenfeuchten Augen das Grab für den Blues geschaufelt haben, andere halten inzwischen seit Jahren ihr Requiem, in Gedenken an die gute alte Zeit, als der Blues noch ehrlich und rein war. Mögen diese sich weiterhin in ihrem Kämmerchen verkriechen, vom traurigen Cottonpicker träumen und sich jeglicher Entwicklung der Umwelt und den daraus resultierenden musikalischen Reaktionen verschließen. Wie und warum soll sich eine Musik, die so extrem auf Emotionen und persönliche Erfahrungen und Erlebnisse aufbaut – was ja alles im höchsten Maße umweltbedingt ist –, gegen Veränderungen verschiedenster Art sperren?«30 Ein Beitrag über Sugar Blue, dessen Mundharmonika dank des Rolling-Stones-Hits »Miss You« auch dem Discogänger geläufig war, titelte provokant: »Wir haben nicht mehr 1950!«31 Stevie Ray Vaughan, der dem Nostalgiker Ohrenschmerzen bereitete, nannte die Zeitschrift »ein Phänomen«32 und einen »Vollblut-Bluesmusiker«. Gleichzeitig vermied es der Autor, in den Chor der Claqueure einzustimmen. Er stellte den Trend zur »hochgezüchteten Fingertechnik und der schillernden Show« infrage, entdeckte hinter dem kometenhaften Aufstieg des Gitarristen die Logik des Starkults. »Die steile Karriere des Stevie Ray Vaughan hat also nicht so sehr mit seiner musikalischen Substanz, seiner Einmaligkeit oder seiner künstlerischen Bedeutung für den Blues zu tun«, sondern

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Dagegen blieben Sprachstil und Orthographie über weite Strecken unbefriedigend. Leser beschwerten sich, »dass es von Druckfehlern nur so wimmelt«. Marschall: Zwei Blueszeitschriften, 6. Auch der Serviceteil, namentlich der Tourneekalender, ließe in puncto Verlässlichkeit und Aktualität zu wünschen übrig. Vgl. stellvertretend Rocha. Inhaltsverzeichnis, Blues Forum 20/1987, 3. Hoyer: The Robert Cray Band. Holzheuser: Sugar Blue. Hoyer: Stevie Ray Vaughan and Double Trouble.

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mit der Tatsache, dass ihn die Medien »aus dem Nichts heraus zur ›Legende‹ (!) hochstilisiert« haben. So funktioniere eben das »Business«.33 Die andernorts erbittert ausgefochtenen ideologischen Schlachten fanden im »Blues Forum« nur dosiert statt. Das Dauerthema, ob denn ein ›Weißer‹ den Blues spielen könne, wurde lediglich gestreift und drückte hier und da zwischen den Zeilen durch. »Der Blues lebt nicht nur durch das Wort«, hieß es in einer Buchbesprechung, »er ist eng mit der persönlichen Lebenssituation des Betreffenden verknüpft und ist das Spiegelbild seiner Stimmungslage und des gesellschaftlichen Umfeldes. Den Blues fühlen, bedeutet die Sonnenseiten und Schattenseiten des schwarzen Amerika durchleben. Nur wer in diese Umwelt hineingeboren wurde, kann hier Antwort geben – uns bleibt diese Gefühlswelt fast verschlossen. Diese tief liegenden Aspekte beim Blues lassen sich auf unsere Realität nicht übertragen, ohne unecht zu wirken.«34 Heft 16 widmete dem »alten Streit« einen gesonderten Essay. Der Verfasser charakterisierte den Blues als das Produkt komplexer Transkulturationsprozesse und erklärte seine anhaltende Wirkung aus dem Individualitätsverlust der Moderne. Diese Erfahrung beträfe jeden. Das, »was so gern als die ›Schwärze‹ des Blues bezeichnet wird, ist im Grunde etwas ganz anderes, nämlich die Echtheit und Aufrichtigkeit des Gefühls, welches ein Musiker – gleich welcher Hautfarbe – auf die Bühne und in die Rille bringt.« Die unausrottbaren Zuschreibungen, denen zufolge Afroamerikaner »emotional reagierende und besonders im körperlichen Bereich starke und schöne Menschen seien«, während der ›Weiße‹ über eine strikt rationale Disposition verfüge, seien »Rassismus übelster Sorte«. Das Fazit lautete: »Der weiße Blues ist als solcher so legitim wie der schwarze.«35 Verglichen mit den endlosen Debatten, die von Fanatikern und Pharisäern geführt wurden, war diese Erkenntnis fast schon revolutionär. In einem Punkt unterschied sich das »Blues Forum« kaum von anderen Medien: Das heimische Milieu wurde nur am Rande gestreift. »Deutsche Blues Bands«, so schätzte Nummer 13 selbstkritisch ein, »sind in 12 Ausgaben Blues Forum, dem einzigen deutschen Blues-Magazin, nicht gerade üppig vertreten gewesen, obwohl sich seit Mitte der 70er Jahre eine lebhafte Szene entwickelt hat.« 36 Hiesige Kapellen fand man lediglich im Rezensionsteil und in der Sammelrubrik »Alles (Un-)Mögliche«. Dort war ihnen jedoch eine ähnliche Aufmerksamkeit sicher, wie sie internationale Künstler genossen. Die Hoochie Coochie Blues Band aus Hanau wurde für ihre unbändige Spielfreude gelobt und zu deutschen Texten

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Alle Zitate: Trebron: Stevie Ray Vaughan, 13 und 12–13. Klose. Alle Zitate: Trebron: Der »weiße Blues«, 15, 19 und 21. Holzheuser: Al Jones Blues Band, 29.

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ermutigt. Ein leuchtendes Beispiel, wie man sich fernab üblicher Peinlichkeiten in der Muttersprache artikulieren könne, gäbe die Charly Schreckschuss Band. Ihre Songs seien nur selten »vom verbissenen Ernst und der Kraftmeierei« getrübt, »die manche andere deutsche Gruppe an den Tag legt«. Auch hätte sie sich aus dem Schatten der großen Vorbilder gelöst und kontinuierlich »eine musikalische Identität erarbeitet«.37 Christian Rannenberg, der gemeinsam mit dem Saxophonisten »Detroit« Gary Wiggins als The International Blues Duo jeden »Schubladendenker« herausfordere, bescheinigte man, »ein ausgezeichneter Bluespianist« zu sein. The International Blues Duo: Christian Rannenberg Er würde »nach einer anfänglich (links) und »Detroit« Gary Wiggins, 1985 allzu wilden Boogie-Manie inzwischen längst auch die langsamen Tempi und die sparsam gesetzten Noten mit herausragender Authentizität« beherrschen.38 Die ostdeutsche Szene fand im »Blues Forum« so gut wie gar keine Beachtung. Sporadisch wurden Berichte über Konzerte gedruckt, die amerikanische Künstler in der DDR gaben. Sie stammten aus der Feder von Winfried Freyer, einem der aktivsten und kundigsten Bluesliebhaber des Landes. Im thüringischen Kahla wohnhaft, ließ Freyer kaum eine Gelegenheit verstreichen, seine Musik live zu erleben. Dafür reiste er kreuz und quer durch die DDR, nach Polen, Ungarn und in die Tschechoslowakei. Der Mangelwirtschaft und den rigiden Einfuhrbeschränkungen des SED-Regimes zum Trotz akkumulierte er ein enormes Fachwissen und baute ein umfangreiches Tonarchiv auf. Unermüdlich arbeitete er an einem Blueslexikon, ein etliche Jahre verschlingendes, ausuferndes Projekt, für das sich letztlich jedoch kein Verlag erwärmen konnte, weder im Osten noch im

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Alle Zitate: ebd., 30 und 31. Alle Zitate: Trebron: Christian Rannenberg & »Detroit« Gary Wiggins.

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Westen.39 Winfried Freyer pflegte Kontakte zu Branchenkennern und Fans in aller Welt, er tauschte Platten, Druckerzeugnisse und Informationen. Auch den eingefleischten Sammlern der Bundesrepublik war er bekannt. Päckchen und Briefe gingen hin und her, man traf sich in der DDR. Selbst wenn sie eine Mauer trennte, gehörte Winfried Freyer dazu. Am 2. Mai 1983 fragte Thomas Gutberlet postalisch an, ob der Ostdeutsche gelegentlich »Artikel und/oder Rezensionen zu Blueskünstlern aus dem CountryBlues-Bereich« für das »Blues Forum« schreiben könne. Als »Gegenleistung« bot er Freiexemplare, Schallplatten und Bücher an.40 Freyer war von der »verlockenden« Idee begeistert und antwortete: »Kann natürlich nicht verhehlen, dass ich großes Interesse hätte, für’s Blues Forum einige Platten zu rezensieren, zudem ja wohl ein free copy rausspringen würde & somit sicher einige heiße Träume meinerseits in Erfüllung gingen. Für die Blues Music interessiere ich mich seit 1967,41 mit Hauptaugenmerk auf pre- and post-war Country Blues sowie den Chicago Blues. Jedoch habe ich mit den Jahren meinen Horizont etwas erweitert, & zwangsläufig interessiert mich jeder Aspekt & jede Stilrichtung dieser Musik. Seit 8 Jahren nun beschäftige ich mich ›ernsthaft‹ mit der ganzen Sache, d. h. werte das mir zugängliche Material (it’s another story!) mehr oder weniger aus, weil’s mir halt irren Spaß macht – nur bräuchte ich bald ’n Computer, um nicht den Überblick zu verlieren.«42 Freyer, der bereits mehrfach für das bundesdeutsche »German Blues Circle Info« und andere westeuropäische Magazine geschrieben hatte, lieferte Gutberlet den einen oder anderen Beitrag, beispielsweise über Al Rapone & The Zydeco Express43 und das »American Folk Blues Festival« in Dresden.44 Auch Theo Lehmanns Name tauchte ab und zu im »Blues Forum« auf.45 Weil seine Adresse von anderen westdeutschen Medien publiziert wurde und illegale Kopien der Zeitschrift kursierten, avancierte Herausgeber Thomas Gutberlet für so manchen Bluesfan der DDR zum Anlaufpunkt. Fast immer wurde er um Schallplatten und Bücher gebeten. Im Gegenzug bot man ihm Amiga-LPs,

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Winfried Freyer vervielfältigte das permanent wachsende Manuskript im Ormig-Verfahren und verteilte es unter Interessenten und Multiplikatoren der DDR und BRD. Vgl. Gutberlet: Brief an Winfried Freyer. Winfried Freyer wurde 1951 geboren. Freyer: Brief an Thomas Gutberlet, 12.05.1983, 1. Winfried Freyer verfasste seine Briefe nach Brechtscher Manier in reiner Kleinschreibung. Die zitierten Passagen wurden den orthographischen Regeln angepasst. Vgl. Freyer: Al Rapone & The Zydeco Express. Vgl. Freyer: American Folk Blues Festival. Vgl. stellvertretend Lehmann: Martha Bass sowie Lehmann: Bessie Griffin.

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Produktionen des Ostblocks, Fotobände und Sachliteratur an. Gutberlet hatte Verständnis für die prekäre Lage jenseits der Grenze und half, wo er konnte. Mitarbeiter von Jazzclubs fragten an, ob er Kontakte zu internationalen Agenturen besäße und hielten ihn über die eigenen Aktivitäten auf dem Laufenden.46 Freie Journalisten schickten Proben aus der DDR-Presse, sie erbaten Fachauskünfte sowie Adressen westlicher Plattenfirmen und offerierten ihre Dienste. Gutberlet signalisierte, »dass wir an jeglichen Informationen über Eure Bluesszene interessiert« sind, »ein Artikel ›Blues in der DDR‹ wäre sehr interessant«. Porträts ostdeutscher Musiker möchte man aber »vorerst nicht berücksichtigen«, »weil das Schwergewicht von Blues Forum auf dem schwarzen Blues liegt und wir zuallererst die Künstler berücksichtigen, die hier jeweils gastieren«.47 Natürlich war sich jeder Briefschreiber bewusst, dass die Korrespondenz mit einer Westzeitschrift Unannehmlichkeiten bis hin zu juristischen Konsequenzen auslösen konnte. Deshalb waltete das nüchterne Wort. Zwar berichtete der eine oder andere aus seinem Privatleben, politische Themen oder gar Kritik blieben jedoch tabu. Nur Winfried Freyer nahm kein Blatt vor den Mund, wenn er vom »Scheißverein«48 Nationale Volksarmee sprach, die Mitarbeiter der staatlichen Plattenfirma als »fuckin’ amigos«, inkompetent und »ignorant«49 bezeichnete und ihre »Blues Collection« zum »Schrott«50 erklärte oder wenn er »from behind the Wall«51 grüßte. Post wurde kontrolliert, manche Sendung abgefangen. Das »Blues Forum«, das Thomas Gutberlet und Norbert Hess neben Studium und regulärem Job in ihrer Freizeit förmlich aus dem Boden stampften, hing mehrfach am seidenen Faden. Immer wieder hatte man mit Finanznot und Terminschwierigkeiten zu kämpfen. Ab Nummer fünf wurde der Preis pro Einzelheft von 3,50 auf vier D-Mark angehoben,52 im Juni 1985 erschien die Zeitschrift nach einer »übermäßigen Verspätung« nur als Doppelausgabe. Gutberlet und Hess hatten ihre Belastungsgrenze erreicht und rechneten dem Leser vor, wie kräftezehrend ihr »Hobby« war: »Das fängt beim Beschaffen sämtlicher Beiträge, Abbildungen

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Thomas Gutberlet bekam regelmäßig die Programme des Dresdner Jazzclubs »Tonne« zugeschickt. Dort fand vom 11. bis 14. April 1985 zum dritten Mal ein »Blueswochenende« statt, worüber sein Magazin informierte. Vgl. die Notiz in der Rubrik »Alles (Un-)Mögliche«, Blues Forum 17–18/1985, 46–47. Gutberlet: Brief an Rainer Bratfisch. Freyer: Brief an Thomas Gutberlet, 02.11.1984, 1. Freyer: Brief an Thomas Gutberlet, 21.01.1987, 2. Freyer: Brief an Thomas Gutberlet, 12.06.1989, 1. Freyer: Brief an Thomas Gutberlet, 12.05.1983, 2. Ab Nr. 14 kostete das einzelne Heft 4,50 DM, mit Nr. 16 stieg der Preis auf fünf DMark.

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und Anzeigen an, dann das Überarbeiten der Manuskripte, Satzvorbereitung, Korrekturlesen, Probe-Layout und das endgültige Druck-Layout bis zum aufwendigen Versand und zur Buchführung.«53 Mit Nummer 20 stellte das »Blues Forum«, das pro Heft zwischen 700 und 1200 Exemplare verkaufte,54 im Mai 1987 sein Erscheinen schließlich ein.55 Der lakonische Kommentar der Redaktion lautete: »Zu wenige Mitarbeiter + nicht genug Inserenten + zu wenige Abonnenten + kein Geld + wenig Zeit = keine Lust mehr!«56

                       Der Start des »Blues Forum« ging auf die Initiative des German Blues Circle (GBC) zurück. Schon lange hegte man dort den Wunsch einer eigenen Zeitschrift. Nach etlichen Anläufen57 erklärte sich Thomas Gutberlet im Sommer 1980 bereit, die Dinge in die Hand zu nehmen.58 Ihm wurde ein Darlehen von 1000 D-Mark gewährt. Der GBC war am 21. April 1976 von ein paar Enthusiasten aus Frankfurt am Main gegründet worden. Er sollte sich als maßgebliche überregionale Bluesorganisation Deutschlands behaupten. Zum Vorstand gehörten Friedemann Heinze, Friedrich Marschall und Hans Pehl – Angestellte mittleren Alters.59 Um verbindliche Strukturen zu schaffen, ließ man sich als »Verein zur Förderung des Blues« registrieren; der Status der Gemeinnützigkeit, mit dem ein Zugriff auf öffentliche Gelder möglich gewesen wäre, wurde von den Behörden allerdings verwehrt. Sie sahen elementare Voraussetzungen nicht erfüllt, denen zufolge »die Allgemeinheit ausschließlich (§ 56 AO) und unmittelbar (§ 57 AO) in selbstloser

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Alle Zitate: Die zwei Redakteure. Die Druckauflage umfasste anfangs 2000, dann 1500 Stück. Die Herstellungsprobleme waren mittlerweile dermaßen gravierend, dass zwischen der Auslieferung von Nummer 19 und 20 fünfzehn Monate verstrichen. Gutberlet/Hess. Die Idee nahm im Mai 1977 mit einem Stufenplan erstmals konkrete Gestalt an. Er sah eine Probephase vor, in der ein thematisches Jahrbuch veröffentlicht werden sollte. Anschließend wollte man zu einem quartalsweisen Turnus übergehen. Vgl. Editorial, GBCI 9/1977, 2. Weil die Bereitschaft zur Mitarbeit äußerst gering blieb, hieß es bereits sieben Monate später: »Unser Projekt ›Zeitschrift‹ ist erst einmal gestorben.« Editorial, GBCI 16/1977, 1. Es wurde in der Folgezeit immer wieder neu diskutiert. Vgl. Protokoll der außerordentlichen Mitgliederversammlung des »German Blues Circle« am 5. Juli in Gaildorf, 28. Hans Pehl (*1940), Friedrich »Fritz« Marschall (*1943) und Friedemann Heinze (*1951).

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Weise (§ 55 AO) gefördert wird«. Stattdessen stünde die regelmäßige Herausgabe eines Informationsblattes »im Vordergrund der Vereinsbetätigung«, das »in erheblichem Umfang kommerziellen Zwecken dient«.60 Auch wenn sich Widerstand regte, weil eine solche Interpretation die tatsächlichen Absichten verfehlte, war an der Entscheidung der zuständigen Stellen nicht zu rütteln. Die Gemeinde des Blues besaß eben »keine starke Lobby«.61 Laut Satzung hatte der GBC folgende Hauptziele: »Die Beschäftigung mit dem Blues und verwandten Musikstilen anzuregen und zu koordinieren. Eine von Sachkenntnis getragene Verbreitung des Blues als kulturelles Phänomen innerhalb der populären Kulturszene zu fördern und somit der Volksbildung zu dienen.« Per Präambel wurde definiert: »Der Blues ist die Volksmusik der Afro-Amerikaner und eine wichtige Quelle des Jazz und der Unterhaltungsmusik; zugleich ist er eine künstlerische Ausdrucksform dieser immer noch diskriminierten Minderheit. Unter diesem musikalischen und sozialen Aspekt verdient der Blues mehr Anerkennung als ihm bisher zuteil geworden ist. Der ›German Blues Circle‹ wurde ins Leben gerufen, um eine Verbindung unter den deutschen Bluesfreunden herzustellen und dem Blues mehr Gehör zu verschaffen.«62 Bis zum Schluss stand der ›schwarze‹ Blues im Zentrum – die ›weißen‹ Spielarten sollten erklärtermaßen »nur am Rande«63 touchiert werden, sie blieben ein hartnäckig umkämpftes Streitobjekt und Zielscheibe von Kritik. Neben der Befruchtung einer landesweiten Kommunikation wollte man kameradschaftliche Nachwuchspolitik betreiben. Es wurde angeregt, dass »die ›alten Hasen‹ den jüngeren Bluesfreunden helfen und sie mal persönlich beraten«. Schließlich gelte es, »das Interesse der Anfänger wachzuhalten und deren Kenntnisse zu erweitern«.64 Bis zum 30. November 1976 traten dem GBC 98 Mitglieder bei; ein Jahr später lag ihre Summe bei ca. 250, Tendenz steigend. Im Juni 1980 waren rund 410 Namen eingeschrieben.65 Das Gros rekrutierte sich aus Männern, die ihre Jugend be-

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Finanzamt Frankfurt (Main)-Börse, 3 und 4. Dahlhausen: Zur Ablehnung des GBC-Antrages auf Gemeinnützigkeit, 4. Beide Zitate: Satzung des »German Blues Circle«, 44. Editorial, GBCI 2/1976. Editorial, GBCI 8/1977. Angaben nach: Vorwort, GBG 1976; Editorial, GBCI 15/1977; Editorial, GBCI 45/1980, 2. Die Eigenwerbung des GBC rundete die Zahlen großzügig auf. Innerhalb von fünf Jahren, so hieß es, hätte man ca. 500 Mitglieder gewonnen. Vgl. Annonce in Bloomfield, ohne Seitennummerierung.

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reits hinter sich gelassen hatten. Laut Erhebung vom Dezember 1977 lag der Altersdurchschnitt bei 27 Jahren.66 Frauen bildeten eine verschwindende Minorität; die Liste von 1979/80 verzeichnete gerade mal ein gutes Dutzend.67 Eigentlich, so dozierte die GBC-Leitung, sollten die Proportionen ganz anders aussehen, weil »Frauen eher gefühlsorientiert« sind. Und es hieße ja immer: »Blues Is a Feeling«. »Sie müssten also besonders gut über den Blues Bescheid wissen.«68 Ein weibliches »Noch-nicht-Mitglied« antwortete: »Ich habe mich mit dem Blues sehr angefreundet, da in ihm meine Traurigkeit, Frustration und Aggression, aber auch Lebenskraft und -freude ausgedrückt sind. Was mich vom Eintritt in den GBC abgehalten hat, ist die männerspezifische Ausrichtung. So werden Frauen von vielen Bluesfreunden als Begleitperson, dekorativer Schmuck oder als Groupie abgestempelt.« Wenig förderlich sei zudem »das Frauenbild«, wie es von zahlreichen Lyrics ausgestellt wird. »Zusammengefasst habe ich den Eindruck, die Frau habe dem Mann nichts zu sagen, habe hübsch und treu zu sein (treu sollte nur die Frau nicht sein, die mann [sic!] gerade anmacht). Fehlt nur noch, dass sie möglichst doof sein soll. Der erfolgreiche Mann kann ruhig viele Frauen anmachen und ist sehr selbstbewusst-überheblich, auch auf Kosten der Frauen.« Trotz allem, fuhr die Kritikerin fort, werde sie dem GBC beitreten, denn Verständnis setze ein gegenseitiges Kennenlernen voraus. »Ich fände es äußerst wünschenswert«, schloss ihre Wortmeldung, »würden sich meine Ausführungen als falsch erweisen.«69 Dem Anliegen der Vernetzung entsprach das Prinzip der Transparenz. Keine Mitgliedschaft blieb anonym. Noch 1976 veröffentlichte der GBC die erste Ausgabe des »German Blues Guide«, eine Broschüre, die in aller Regel jedes zweite Jahr erschien und sämtliche organisierte »Bluesfreunde« auflistete.70 Hier fand

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Statistischer Mittelwert nach den Auskünften der Mitglieder, abgedruckt im GBG 1977/78. Vgl. Mitglieder-Liste nach Mitgliedsnummern. Einschränkend muss bemerkt werden, dass von den insgesamt 258 gelisteten Personen 23 Prozent auf eine Altersangabe verzichteten. Auch wies das Spektrum eine große Streuung auf: Das älteste Mitglied war 56, das jüngste 13 Jahre alt. Am stärksten waren die 20- bis 27-Jährigen vertreten; auf sie entfielen 56 Prozent. Vgl. Mitglieder-Liste nach Alphabet. Editorial, GBCI 39/1979–80, 1. Alle Zitate: Lie. Zwischen 1976 und 1988 wurden sieben Ausgaben des »German Blues Guide« veröffentlicht.

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man nicht nur Adressen und Telefonnummern, sondern auch Angaben zu musikalischen Vorlieben und knappe »persönliche Mitteilungen«.71 Die Datenbank erlaubte eine gezielte Suche nach Gleichgesinnten und Tauschpartnern. Auf diese Weise sollte deutschlandweiten Kontakten der Weg geebnet werden. Des Weiteren war an praktische Hilfe gedacht. Bluesliebhaber zeichneten sich durch eine beachtliche Mobilität aus, sie reisten zu Festivals und speziellen Konzerten. Da war es von Vorteil, wenn man mit wenigen Handgriffen ortsansässige Fans lokalisieren konnte, um seinen »Übernachtungswunsch« zu äußern.72 Der »German Blues Guide« von 1976 verzeichnete außerdem die wichtigsten Clubs der Bundesrepublik, Konzertbüros, internationale Organisationen, Archive, Plattenfirmen, Versandhäuser und Zeitschriften sowie einschlägige Sendungen in Rundfunk und Fernsehen. Spätere Auflagen weiteten den Serviceteil aus. Nun wurden etwa auch »wichtige Bücher« mit allen bibliographischen Details verzeichnet,73 amerikanische Musiker und ihre Promoter74 oder deutsche Künstler.75 Darüber hinaus sind amtliche Dokumente und Vereinsinterna abgedruckt worden: Satzungen, Versammlungsprotokolle und Finanzberichte. Einzelne Mitglieder des GBC hatten ihren Wohnsitz im Ausland, darunter Österreich, die Schweiz und Niederlande, Italien, Belgien, Dänemark, Großbritannien sowie die USA. Nur eine Hand voll stammte aus der DDR. Zu ihnen gehörten Winfried Freyer, Theo Lehmann und Reinhard Lorenz. Ihr Wunsch nach grenzenlosem Austausch war größer als die Furcht, wegen der Angehörigkeit einer westlichen – sprich: ideologisch ›feindlichen‹ – Organisation juristisch belangt zu werden. Die Namensliste des GBC beherbergte etliche bundesdeutsche Bluesmusiker und den einen oder anderen prominenten Branchenvertreter bzw. Wissenschaftler. Dazu zählten etwa Alfons Michael Dauer und Robert Sacré, L+R Records, CrossCut-Inhaber Detlev Hoegen, die Veranstalter Rolf Schubert und Siegfried Christmann sowie die Radiomoderatoren Manfred Miller und Tom Schroeder. Sie alle

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In späteren Ausgaben des »German Blues Guide« bekamen GBC-Mitglieder Gelegenheit, sich selbst in aller Kürze vorzustellen, Freundschaftsdienste anzubieten oder Suchanfragen zu schalten. Es war etwa zu lesen: »Ich habe Interesse an der Gründung/Mitwirkung einer Blues-Gruppe in Baden-Baden«. »Offen für alle afro-amerikanischen Stilrichtungen, Übernachtungsmöglichkeit.« »Wer tauscht Textblätter-Kopien von japanischen Blues-LPs und anderen LPs?« »Unterhalte mich gern über Musik, freue mich über Interessantes, Neues, eine Übernachtungsmöglichkeit.« Vgl. Persönliche Mitteilungen, Zitate: 18, 20, 22 und 23. Vorwort, GBG 1976. Vgl. stellvertretend: Wichtige Bücher. Vgl. stellvertretend: Performers/Promoters. Der »German Blues Guide« 1979/80 führte zum ersten Mal Kontaktdaten von Bands und Solisten auf, die in der Bundesrepublik wohnhaft waren. Vgl.: Bands & Musiker.

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sahen im GBC zumindest zeitweise eine nützliche Plattform und Schaltzentrale des Blues. Miller und Schroeder standen der jungen Vereinigung zudem mit Rat und Tat zur Seite. Im Dezember 1976 arrangierte der Vorstand ein Treffen, um Kooperationsmöglichkeiten zu erörtern und die »Basisarbeit« abzustimmen. »Dazu gehört«, wie ein auswertender Bericht vermerkte, »dass wir jüngeren Bluesfreunden grundlegende Bücher und Platten vorstellen wollen.« Die sympathisierenden Rundfunkprofis warben in ihren Sendungen für den GBC und sorgten für ganze »Stapel von Post«.76

Aktivisten des German Blues Circle: Klaus »Mojo« Kilian, Fritz Marschall und Friedemann Heinze (von links), Bluesfest Bonn, 1985

Zu den mit Akribie geführten Vereinsgeschäften gehörte die Rechenschaft über den Finanzhaushalt. Der GBC trug sich durch die Abonnements seines Infoblattes und dort geschaltete Kleinanzeigen, den Verkauf von eigenen Publikationen und T-Shirts sowie mittels Spenden und Auktionen. Mitgliedsbeiträge wurden nicht

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Editorial, GBCI 6/1977.

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erhoben.77 Weil jegliche Mitarbeit ehrenamtlich war, konnte ein kleines Polster erwirtschaftet werden. Die 1977er Bilanz wies ein »Barvermögen« von 2261,10 D-Mark aus.78 In ähnlichen Größenordnungen bewegte sich auch das Plus der Folgejahre. Über die Verwendung der Mittel wurde demokratisch abgestimmt. Sie flossen etwa in Konzerte, die sonst nicht realisierbar gewesen wären, und Annoncen des Vereins.79 Man förderte die Errichtung eines Grabsteins für Elmore James, Bluespianist und GBC-Ehrenmitglied Henry Gray, der existenzielle Sorgen hatte, bekam einen Scheck über 100 US-Dollar. Wenn auch die einzelnen Beträge eher geringfügig waren, trugen sie doch symbolischen Charakter, signalisierten sie ein gesteigertes Problembewusstsein und den Willen zur Veränderung. Man wollte Zeichen setzen, den Zusammenhalt stärken. Der Idee einer großen Solidargemeinschaft dienten gleichermaßen Benefizaktionen und Unterschriftensammlungen für amerikanische Künstler und Branchenleute, die in eine Notlage geraten waren.80 Außerdem verfolgte man die ökonomischen und medialen Rahmenbedingungen des Blues in Deutschland mit kritischem Blick. Als der Südwestfunk im August 1978 das von Manfred Miller moderierte Special »Bluestime« abwickelte, wandte sich der GBC an den Intendanten der öffentlich-rechtlichen Anstalt und rief zusätzlich seine Mitglieder auf, »persönliche Protestschreiben« zu schicken.81 Tatsächlich ging »eine solche Fülle« von Briefen und Karten beim SWF ein, dass man offiziell reagieren musste. Joachim-Ernst Berendt, Leiter der Jazzredaktion, versuchte die Wogen zu glätten.

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Zur Begründung hieß es: »Ein regulärer Beitrag sei nicht anstrebenswert, da stets mit finanziellen Leistungen der Mitglieder eine Leistung vonseiten des Vereins verbunden sein müsse.« Protokoll der 1. ordentlichen Mitgliederversammlung des German Blues Circle am 18.12.1976 in Frankfurt/M., 99. Vgl. Anlage zum Protokoll der 2. ordentlichen Mitgliederversammlung des German Blues Circle am 25.2.1978 in Frankfurt/M. Selbst als Veranstalter tätig zu werden, lehnte der GBC ab. Zur Begründung hieß es: »Die Preise, die schwarze Bluesbands und deren Impresarios verlangen, sind unserer Meinung nach zu hoch«. Editorial, GBCI 21/1978, 1–2. Im September 1976 schrieb der GBC-Vorstand einen Brief an den amerikanischen Präsidentschaftskandidaten Jimmy Carter, um gegen die Inhaftierung des Plattenproduzenten Roy Ames zu protestieren. Er war wegen der Verbreitung pornographischen Materials zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilt worden. Die Vereinsleitung warf den US-Organen Bigotterie vor. Abdruck in: GBCI 2/1976, 4. Der GBC forderte seine Mitglieder auf, Unterschriften zu sammeln und gewann Verbündete in Holland sowie Australien. Vgl. Editorial, GBCI 6/1977. Ein weiteres Beispiel war die Spendenaktion für die Chicagoer Clubbetreiberin Theresa Needham. Als der Vermieter ihr legendäres Etablissement »Theresa’s Lounge« 1986 zwangsräumen ließ, sollte ihr über das finanzielle Desaster hinweggeholfen werden. Vgl. Editorial, GBCI 6/1987. Vgl. Editorial, GBCI 26/1978, 1.

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Er selbst hätte »bis zuletzt gegen die Streichung dieser Sendung protestiert«, die dennoch nicht zu verhindern gewesen sei und »freilich auch durch finanzielle Gründe ausgelöst« wurde.82 Über tiefere Ursachen konnte der Hörer nur spekulieren. Auch die Kürzung der Reihe »Blues Box«, ausgestrahlt vom Süddeutschen Rundfunk, nahm der GBC nicht hin. Erneut forderte er alle »Bluesfreunde« auf, mit Nachdruck zu opponieren.83 Unterschriftenlisten wurden meist über so genannte »GBC-Repräsentanten« in Umlauf gebracht. Das waren besonders engagierte Mitglieder, die für einen optimalen Informationsfluss und ein reges Vereinsleben in den Regionen sorgen sollten. Natürlich gehöre auch eine ansprechende »Reklame für den GBC« zu ihren Aufgaben, wie der Vorstand betonte. »Wichtiger« sei jedoch »der unmittelbare und persönliche Kontakt der Mitglieder untereinander«. Diesen hätten die Außenposten »zu koordinieren«.84 Weiterhin obläge ihnen »die Anknüpfung und Aufrechterhaltung von Kontakten zu regionalen Konzertveranstaltern, BluesClubs, lokaler Presse, Rundfunk etc.«.85 Binnen weniger Jahre spannte man ein fast flächendeckendes Netz, das sich von Hamburg bis ins schweizerische Basel erstreckte. 1979 waren »Repräsentanten« in 20 großen Städten registriert.86 Wie die von ihnen organisierten örtlichen Treffen abliefen, umriss ein Rapport der Frankfurter Keimzelle. Deren wöchentlichen Zusammenkünfte besaßen folgendes Schema: »1. Allgemeiner Informationsaustausch, 2. GBC-Probleme mit Diskussion, 3. Jeder stellt irgendein Musikstück vor, das ihm gut gefällt und erzählt was dazu, 4. Einer hält ein Kurzreferat über ein Thema, das ihn bewegt und stellt Musikbeispiele vor, 5. Small talk, blues and booze.«87 Der Westberliner »GBCRepräsentant«, Peter Donisch, gab sogar ein kostenloses »Info« heraus. Es hieß »Home Town Blues« und erschien ab März 1981 im zweimonatlichen Rhythmus.88 Das Fanzine bot einen umfangreichen Service, der von Berichten aus der Szene, Musikerporträts, Rezensionen und Veranstaltungsterminen bis zu Kleinanzeigen reichte.

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Alle Zitate: Berendt: An den German Blues Circle. Vgl.: Aufruf. Alle Zitate: Editorial, GBCI 38/1979, 1. Aufruf des GBC-Vorstandes! Vgl. Editorial, GBCI 35/1979, 2. Editorial, GBCI 38/1979, 1. Das Heft, das knapp 20 Seiten umfasste und laut Impressum in einer Auflage von 1000 Exemplaren erschien, widmete sich dem Bereich »Blues und Bluesverwandtes«, schloss »also auch Jazz, Rock, Folk« ein. Donisch: Zur Diskussion »Blues Forum«.

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Auf zentraler Ebene fanden regelmäßig Mitgliederversammlungen und Partys statt. Auch wenn die allgemeinen Verlautbarungen des GBC manchmal den Eindruck knöcherner »Vereinsmeierei«89 erweckten, ging es im Kern doch um den Spaß an der Sache. Man wollte die Begeisterung für den Blues teilen, fachsimpeln und feiern, sich im kollektiven Rausch treiben lassen. Alkohol gehörte unweigerlich dazu. Auf den großen Festen gab es Freibier, »Blues« und »Booze« wurden gern in einem Atemzug genannt. Die Reportage über eine Exkursion nach Österreich, im März 1977 von GBC-Vertretern unternommen, illustrierte, dass Arbeit und Exzess Hand in Hand gingen. »Nach ›durchzechter‹ Nacht« kam die kleine Reisegruppe nur schwer auf die Beine. Man konnte »erst eine Stunde später abfahren«, als ursprünglich geplant. Dann begann ein ambitioniertes Programm, das für Ruhephasen kaum Platz ließ. »Der erste Tag fand seinen Abschluss in einem kleinen ›Zechgelage‹«, und auch am nächsten hatte man »gut getankt«. Immer wieder streute der Berichterstatter die Getränkepreise der besuchten Lokalitäten ein, erwähnte die abendliche Whiskeyrunde und die diversen »Flaschen Rot- und Weißwein (Bier gab es leider nicht)«, die man bis zum Morgengrauen leerte. En détail schilderte er das umfangreiche Fachpensum der Tour. Man besuchte in Wien und Umgebung etliche Blueskonzerte, traf den dortigen »GBC-Repräsentanten«, Musiker und die Redakteure der Zeitschrift »Blues Life«. Die nächste Station hieß Graz, wo man mit Alfons Michael Dauer verabredet war und einem seiner Seminare an der Kunstuniversität beiwohnte. Der Ausflug, der nach einer Woche endete, wurde als »sehr eindrucksvolles Erlebnis« verbucht.90 Die Mischung war perfekt: Man amüsierte sich, begegnete neuen Leuten und erweiterte seinen Horizont. Ähnliches bezweckten die alljährlichen Zusammenkünfte des GBC, zu denen jeder eingeladen war. Am 27. August 1977 bat man ab zehn Uhr zum ersten »Sommer-Treffen« auf eine Grillwiese im Taunus. Es wurde Freibier ausgeschenkt und reichlich gejammt. Wer wollte, zog am Abend nach Frankfurt und erlebte ein Konzert mit Jimmy Witherspoon und Chris Barber. Insgesamt waren mehr als 40 Personen dem Ruf an die Dattenbachquelle gefolgt. Das nächste Sommerfest fand im baden-württembergischen Städtchen Gaildorf statt. Dort war im selben Jahr der eingetragene Verein »Kulturschmiede« gegründet worden, den der GBC als Kooperationspartner gewinnen konnte. Man schlug zwei Fliegen mit einer Klappe: Ab 1978 ging in Gaildorf ein Bluesfestival über die Bühne, das sukzessiv an Größe und Attraktivität zulegte und gleichzeitig als musikalischer Rahmen der sommer-

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Storcks. Vgl.: Report, Zitate: 4, 5 und 6.

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lichen GBC-Treffen fungierte. Schon 1979 konnte mit J. B. Hutto ein hochkarätiger amerikanischer Künstler aufgeboten werden. Er leitete den Reigen internationaler Headliner ein, die künftig das Event krönen sollten. Die Presse war des Lobes voll, sie honorierte die »fast familiäre Atmosphäre« und die konstant niedrigen Preise, freute sich, dass »die Sache wächst und gedeiht«.91 Philister und ›BluesPolizisten‹ sahen Reviergrenzen verletzt und beobachteten den Erfolg mit Argwohn. Sie beklagten, dass die Festivalserie »immer mehr zur Massenveranstaltung« mutiere. Man hätte »den Eindruck, dass in dieser abgelegenen Gegend Deutschlands das Fest für viele Jugendliche ein Ventil ist, sich hier für 2 Tage total gehen zu lassen – die Art der Musikberieselung ist dabei letztendlich egal«.92 Die Bilanz von Gaildorf bewies, dass der Blues auch in den achtziger Jahren kein sterbendes Genre war. Nur ließ er sich nicht bürokratisch bändigen. Der vom GBC verfolgte Plan, diese Musik nach allen Regeln deutscher Verwaltungskunst zu fördern, sollte letztendlich scheitern. Schon bald flaute die Euphorie der Anfangszeit ab, Krisenstimmung kam auf. Nach dem Hoch von 1980 gingen die Mitgliederzahlen zurück, an der Basis war kaum noch jemand zu handfester Vereinsarbeit bereit. Immer wieder wurde der Vorwurf der Passivität laut. Die erschreckende Mehrheit seien »Karteileichen«, welche im »Dauerschlaf« verharren.93 Dieser Fakt verstieß gegen das Selbstverständnis eines basisdemokratischen Bündnisses, in dem der Vorstand nur koordinierende Funktion besaß. Für Bewegung sorgte lediglich eine dünne Schicht von Akteuren. Im März 1980 schickte ein emsiger Bluesfan dem GBC »einen ganzen Packen mit Kopien von Schreiben, die er an die verschiedenen Stellen gerichtet hatte«. Unter den Empfängern befanden sich Bands, Konzertveranstalter, Schallplattenfirmen, Stadtverwaltungen, Medien und sonstige potenzielle »Bluesförderer«. Zwar fiele »teilweise die Resonanz recht entmutigend« aus, dennoch wäre ein Weg gewiesen, »wie man etwas anpacken kann«. Die GBC-Leitung fand die Initiative »Spitze« und publizierte sie als Muster von »Basisarbeit«, in der Hoffnung, dass sie »ein Ansporn für andere sein« würde.94 Durchschläge der besagten Briefe sind auf Anfrage an jeden Interessenten versandt worden. Auch Udo Wolff, Sänger der Kapelle Das Dritte Ohr und »GBC-Repräsentant« in Hildesheim, wollte die allgemeine Tatenlosigkeit nicht hinnehmen. Weil er sich »bei vielen Konzerten« mit »GBC-Mitgliedern« austauschen konnte und ihm ein größerer Zusammenhalt »am Herzen« lag, veröffentlichte er im Dezember 91 92 93 94

Karcher: Bluesfest in Gaildorf, 16. Schulze. Philippi, 14. Alle Zitate: Paul: Brief an den German Blues Circle e. V./Anmerkung der Redaktion, 11, 10 und 11.

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1978 einen Fragebogen. Die Erhebung verfolgte zwei Ziele: »Erstens tatsächlich ein Meinungsbild zu erstellen, das nicht zufällig ist, um damit arbeiten zu können. Zweitens aber abgesichertes Material in der Hand zu haben, um Leuten zu begegnen, die wirklich nur schlicht motzen, ohne jemals selbst die Hand gerührt zu haben, um etwas zu verbessern.«95 Das Echo war erstaunlich, von rund 300 Mitgliedern füllten 186 das Formular aus. Die meisten Punkte bezogen sich auf Inhalt und Form des GBC-Infoblattes, ein paar schnitten das leidige Thema der Mitwirkung an. Auf die Frage »Bist Du bereit, regional organisatorische Arbeit für den GBC zu übernehmen?« antworteten 40,32 Prozent mit »ja«, die Neinstimmen deckten 50,68 Prozent ab, der Rest äußerte sich »nicht eindeutig«.96 Ungeachtet aller aktionistischen Wellen und temporären Lichtblicke mangelte es dem Verein an Relevanz. Darüber konnte auch die Betriebsamkeit des Vorstands nicht hinwegtäuschen. Es war ein struktureller Defekt, an dem der GBC von Anbeginn litt. Die Mehrzahl der Mitglieder interessierte sich ausschließlich für den Bezug des monatlichen Infos. Sie wollten sich individuell aus dem Pool von Neuigkeiten bedienen, über das Livegeschehen und Plattenproduktionen auf dem Laufenden gehalten werden, und lehnten steuernde Eingriffe in ihren Alltag ab. Dem »Freak« ging naturgemäß jeglicher »Vereinsbeitritt« gegen den Strich.97 Das Problem war bekannt und wurde immer wieder diskutiert. Im Mai 1980 resümierte Berlin-»Repräsentant« Thomas Gutberlet vier Jahre GBC. Er verhehlte nicht, dass ihn »recht gemischte Gefühle« beschlichen, weil kaum positive Ergebnisse zu verzeichnen wären. Die »Kontaktvermittlung« und der »Informationsfluss« seien »einfacher geworden dank des GBG,98 eine gute Dienstleistung«. Auf der anderen Seite hätten fast alle geplanten Projekte das Ideenstadium nicht überlebt. Gutberlet forderte eine konsequente Trennung von Verein und Informationsblatt. Ersterer müsse sich gemäß seiner Satzung wirklich um die »Verbreitung und Förderung des Blues« kümmern und nicht nur davon reden. Um Handlungsfähigkeit zu erlangen, sei ein Mitgliedsbeitrag unerlässlich. Das Info solle in eine professionelle, sich finanziell selbsttragende Zeitschrift überführt werden.99 Der Vorschlag wurde an alle Stimmberechtigten weitergereicht und schließlich abgelehnt.100

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Wolff: Brief an den GBC, 2–3. Fragebogen-Auswertung zur 2. Fragebogenaktion unter GBC-Mitgliedern vom Januar 1979, 1 und 3. Küppers: Fragen zum Editorial in Info 37, 3. GBG = German Blues Guide. Alle Zitate und Informationen: Gutberlet: We Are Only in It for the Money, 2 und 3. Ein Teil der Gegenargumente ist in der Rubrik »Leserbriefe« des GBCI abgedruckt worden. Vgl. GBCI 44/1980, 4–10.

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Nach etlichen Querelen, Personalwechseln und Schlammschlachten verfügte die Jahreshauptversammlung am 5. März 1983 die Auflösung des GBC. Mit Wirkung vom 1. Januar 1984 wurde die alte Rechtsform annulliert. Offiziell hieß es: »Hauptgrund dafür war das Desinteresse der Mitglieder, aktiv an der Vereinsarbeit teilzunehmen: So fand sich z. B. niemand bereit, für den Vorstand zu kandidieren.«101 Neben der Erkenntnis, dass sich die Szene nicht bürokratisch verwalten ließ, schlug ein verhältnismäßig hohes wirtschaftliches Defizit zu Buche. Per 31. Dezember 1983 war ein Verlust von 6716,40 D-Mark zu konstatieren.102 Nicht minder schwer wog der moralische Verschleiß. Permanente Streitigkeiten hatten immense Kraft gekostet. So klein die Bluesszene auch war – sie litt unter zermürbenden Eitelkeiten, Sektiererei und erbitterten Grabenkriegen.103 Geschützt durch die demokratische Konstruktion des GBC, die jede Meinung gelten ließ, kamen viel zu oft die Fanatiker und Egomanen zum Zug. Sie verzerrten das Bild des Bluesliebhabers, denn tatsächlich waltete ein beachtlicher Grad an Toleranz. Davon legten etwa die knappen Selbstdarstellungen im »German Blues Guide« Zeugnis ab. »Ich interessiere mich für alle Formen beseelter Musik, sei es Blues, Jazz, Folklore oder auch klassische Musik«, war beispielsweise zu lesen, oder: »Ich mag Blues, aber auch Boogie, Rockabilly, Swing, Rock ’n’ Roll.«104 Anhaltende Kritik richtete sich gegen die Führungsriege des GBC. Man warf ihr elitäres oder snobistisches Gebaren vor, kanzelte sie als »hohe Herren mit den niedrigen Mitgliedsnummern«105 und »Mafia«106 ab. Auslöser solchen Unmuts war die durchaus legitime Selbstdefinition des Bündnisses. Die Initiatoren hielten am afroamerikanischen ›Original‹ als Maß aller Dinge fest. Frank und frei erklärten sie: »Der GBC hat sich nun mal dem Schwarzen Blues verschrieben, und wir sind deshalb auch wohl so etwas wie ein ›Spezialistenverein‹«. Man wisse durchaus, »dass unser Verständnis vom Blues nicht dem der großen Masse entspricht«.107 Verfechter der stilistischen Vielfalt unterstellten dem GBC ein verhängnisvolles Schubladendenken. Es gäbe reaktionären Geistern Auftrieb, jener vergleichsweise kleinen Kaste, die kraft ihrer Geschäftigkeit über eine hohe Deutungsmacht verfüge. Der liberalen Fraktion war klar: »Die deutsche Bluesszene

101 Notiz in der Rubrik »Alles (Un-)Mögliche«, Blues Forum 9/1983, 37. 102 Vgl.: Vorläufige Gewinn- und Verlustrechnung des GBC per 31.12.1983. Der Löwenanteil der Ausgaben umfasste die Kosten für den Druck und Versand des GBCI. 103 Ähnliches wurde auch aus anderen Ländern berichtet. Vgl. stellvertretend Hortig: Schattenseiten des Blues in Österreich. 104 Persönliche Mitteilungen, 21 und 26. 105 Kulla: Blues in Gaildorf, 7. 106 Lorenz: Oh Lawdy Lawd!, 13. 107 Editorial, GBCI 37/1979, 1.

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ist zu einem großen Teil von Blues-Puristen geprägt: Für sie muss Blues schwarz sein, der Musiker mindestens 75 und der Auftritt irgendwo im Museumssaal… Der Bluesmusiker wird bestaunt wie ein Löwe im Zoo, seine Musik wird in feinste Details zerlegt, analysiert, darüber debattiert. Etwa auf die Musik und ihr Feeling zu achten, liegt ihnen (leider) fern. Man muss den Blues erleben und nicht versuchen, ihn ›zu verstehen‹ (etwa wie eine mathematische Formel).«108 Der orthodoxe Fan wurde als merkwürdiges Wesen karikiert, das zwischen Individualismus und Einsiedelei changiere. Ein entsprechender Brief an den GBC goss Wasser auf die Mühlen. Sein Verfasser wollte »den Begriff des ›Bluesfreundes‹ mal aus psychologischer Sicht ein wenig beleuchten, indem ich mir einige kritische Fragen zu meinem Verhältnis zur Bluesmusik stelle«. Es stecke voller »Gefahren«, soviel sei sicher. »Im Blues, da werden Probleme verarbeitet. Und ich verarbeite meine Probleme mithilfe des Blues anderer Menschen. Verarbeite? Verdränge ich sie nicht vielmehr? Ich flüchte vor meiner Wirklichkeit in die Musik, die in eine Drogenfunktion schlüpft, mir gewissermaßen jede Religion ersetzt. Eine halbe Stunde Illusionen vom Glück, Kompensation der eigenen Probleme im Schicksal anderer. Blues ist Schicksal. Unabwendbar. Steigere ich nicht mein Selbstmitleid? Kennzeichnen nicht totale Ichbezogenheit und Resignation meine Situation?«109 Die grüblerischen Zeilen sind vom »German Blues Circle Info« (GBCI) veröffentlicht worden, dem Zentralorgan des GBC.110 Das Blatt erreichte bis zu zwölf reguläre Ausgaben pro Jahr111 und wurde auch nach der Auflösung des Vereins weitergeführt, nunmehr »privat«.112 Man hatte seinerzeit, Ende 1983, über den Fortbestand abgestimmt. Das Votum fiel eindeutig aus: Die Redaktion erhielt mehr als »300 positive Zuschriften«.113 Im August 1976 aus der Taufe gehoben,

108 Schütt jr., 43. 109 Alle Zitate: Dahlhausen: Gedanken zum Blues, 23, 24 und 23. 110 Das GBCI ist an GBC-Mitglieder für neun D-Mark verschickt worden. Dafür wurden jährlich mindestens acht Hefte garantiert. Im Juni 1977 erhöhte sich der Satz auf 15 DM, ab Mai 1978 sind zehn Ausgaben zugesichert worden. 1981 stieg der Preis um weitere fünf D-Mark, per 1. Januar 1982 lag er bei 25 DM. Anfang der achtziger Jahre wurden pro Nummer ca. 100 Exemplare »als Werbung und an Informanten« verteilt. Editorial, GBCI 43/1980. 111 Ab Ende 1980 experimentierte man mit »zwei Sorten von Infos«: Monatlich erschien ein dünnes Heftchen, lediglich »mit aktuellen Tourneedaten, Anzeigen usw.«, im Zweimonatsrhythmus gab es eine umfangreichere Version, die auch Beiträge und Fotos enthielt. Vgl. Editorial, GBCI 49/1980, 1. 112 Editorial, GBCI 12/1983. Ab Heft 2/1984 verzeichnete das Impressum die einstigen GBC-Gründungsmitglieder Friedemann Heinze und Fritz Marschall als Herausgeber. 113 Editorial, GBCI 11/1983.

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war das Periodikum als Non-Profit-Unternehmen und nicht professionelles Sprachrohr konzipiert. Ursprünglich wollte es ein »Spiegel dessen« sein, »was sich beim GBC tut«.114 Die schmucklose, maschinenschriftliche Postille im Format A5,115 deren Umfang zwischen vier und sechzig Seiten schwankte, kündigte Tourneen an, druckte Platten-, Konzert- und Buchrezensionen, sie sortierte Medienaktivitäten, streute Neuigkeiten aus der Blueswelt und blickte in die Geschichte, berichtete über Reisen durch das »Promised Land«,116 diskutierte die Glaubensfragen der Szene, übersetzte Texte aus führenden angloamerikanischen Zeitschriften117 und versuchte sich gelegentlich an akademisch gemeinten Essays.118 Nach eigener Auskunft waren die Livetermine »das Wichtigste am GBC-Info«. Sie sollten als »indirekte Aufforderung an alle Blues-Freunde« verstanden werden, »die Konzerte zu besuchen«.119 Der internationalen Presse wolle man keine Konkurrenz bieten. Vielmehr könne das GBCI »nur eine Ergänzung zu den führenden Blueszeitschriften sein, wobei wir die deutsche Szene mit aktuellen Daten herausstellen. Der Bezug des Infos kann nicht ein Abo von ›Blues Unlimited‹ und/oder ›Living Blues‹ ersetzen. Wir meinen, dass jeder Bluesfreund eine oder beide Zeitschriften halten sollte.«120 Sämtliche Eigenbeiträge des GBCI stammten von Abonnenten und Fans. Jeder war zur Mitarbeit aufgerufen. Die Redaktion bat um maschinenschriftliche, »druckreife Artikel« nach Formatvorgabe.121 Einheimische Musiker, die sonst kaum ein Podium hatten, nutzten die Chance der Selbstdarstellung. Sie gaben Kontaktmöglichkeiten durch und beschrieben in Steckbriefen ihr Profil. Hier konnten sie nach Belieben für sich werben. Der Kölner Gitarrist und Sänger Richard Bargel pries seine Künste als »Allround-Artist«122 an, Dr. Friebe und Kollegen meinten augenzwinkernd, sie seien »Berlins ›schwerste‹ Bluesband«. Ob damit auf eine gewisse Korpulenz angespielt wurde – »ca. 510 Kilogramm bringen die sechs Musiker auf die Waage« – oder die Vorbilder von Canned Heat bis

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Editorial, GBCI 23/1978. Die ersten acht Ausgaben besaßen das Format A4. Editorial, GBCI 26/1978, 2. Vgl. stellvertretend Harms sowie Marschall: Going to Louisiana. Darunter »Living Blues« und »Blues Unlimited«. Hin und wieder wurden komplette Ausgaben des GBCI für den Abdruck universitärer Prüfungsarbeiten reserviert. Vgl. stellvertretend Jessen sowie Eck. Editorial, GBCI 26/1978, 2. Editorial, GBCI 7/1977. »Blues Unlimited« erschien seit 1963 in Großbritannien, das amerikanische Magazin »Living Blues« wurde ab 1970 herausgegeben. Vgl.: Wichtig! Ab Heft 4/1989 wurde das GBCI mithilfe eines PC erstellt. Richard Bargel.

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ZZ Top gemeint waren, blieb der Phantasie des Lesers anheim gestellt.123 Über Gerhard Engbarth erfuhr man, dass seine deutschen Texte »von persönlichen Erfahrungen« geprägt seien, »z. B. aus der Zeit des Studiums der Sozialpädagogik«. Ein Soloauftritt koste in der Regel 300 D-Mark, »bei Jugendzentren freilich lässt er mit sich reden«.124 Anlässlich seiner Übersiedlung in die Bundesrepublik bat der amerikanische Gitarrist Jim Kahr die Herausgeber des GBCI, »ihm bei der Vermittlung von Engagements behilflich zu sein«. Außerdem sei er »an Kontakten zu Musikern interessiert«, weil er eine Band zusammenstellen wolle. »Hoffentlich folgen viele Bluesfreunde unserem Appell«, schloss das Inserat, »diesem jungen Musiker mit großer Spielerfahrung im Ursprungsmilieu des Blues einen angenehmen Aufenthalt in Deutschland zu bereiten und sein Kommen ein Ansporn für die deutsche Bluesszene werden zu lassen.«125 Ab und an erlaubte das GBCI einen Blick hinter die Kulissen des alles andere als glamourösen Tourneealltags. Udo Wolff schilderte einen Abend mit Willie Mabon in der Hildesheimer Bischofsmühle am 18. Oktober 1980. Der Künstler trifft nach einer Odyssee mit der Bahn schweißnass in letzter Minute ein. »Im Club gähnt die Leere. Die Plakate für die Veranstaltung sind nach Aussagen des Veranstalters erst am Vortag eingetroffen. 26 Zuhörer. Ohne Soundcheck auf die Bühne. Ein Mikrolein fürs Piano, eins für den Gesang. Bisher hat Mabon heute noch keine Zeit gehabt, etwas zu essen. Das Piano stellt sich als total verstimmt heraus, eigentlich nur als Feuerholz zu gebrauchen. Mabon spielt. Um den linken Zeigefinger ein Pflaster. Das Piano des Vorabends war so schlecht, dass er sich drauf wund hämmern musste. Nach dem ersten Set schnell drei Käsebrote reingeschoben. Er spielt bis 11.30 Uhr. Profi. Das Publikum mag ihn. Zugaben. Ins Hotel nach Mitternacht, eine ausgesprochene Pufferbude am Güterbahnhof. Warmes Essen? Ja, halbe Hähnchen mit Pommes haben wa noch auf Lager, dauert abba ’n bisschen. Um sieben Uhr am nächsten Morgen zum Bahnhof, um rechtzeitig den Zug zu bekommen.«126 Das Spiel beginnt von vorn. Nach einigen Startschwierigkeiten wurden im GBCI auch einheimische LPs vorgestellt. Anfangs herrschten Ignoranz und Skepsis. Die Redaktion hatte Mühe, »in unserem Zirkel jemand zu finden, dessen Ich so stark ist, dass er Platten deutscher Bluesbands bespricht«.127 Mit der Zeit brach das Eis, wenngleich die Zahl der Rezensionen überschaubar blieb. Den Hauptgrund bildeten weniger ästheti-

123 Donisch/Steinike, 45. 124 Gerhard Engbarth. 125 Jim Kahr. 126 Wolff: Musikerleben – oder so, 16–17. 127 Pehl [Rubrik »Neu eingegangen«].

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sche Ressentiments als die banale Ökonomie: Im Unterschied zur Flut internationaler Veröffentlichungen war der Ausstoß hiesiger Produktionen äußerst gering. Bis 1984, so schätzten Insider, hatten etwa 30 bundesdeutsche Kapellen LPs auf den Markt gebracht.128 Die meisten Plattenkritiken, die das GBCI druckte, wurden von Sympathie und Fairness bestimmt. Richard Bargel konnte der Rezensent »nur wärmstens empfehlen«. Er bewunderte das »gewaltige Stimmorgan« und die ausgefeilte Spieltechnik. »Es gibt meiner Meinung nach keinen Blueser in der BRD (jedenfalls habe ich noch keinen gehört), der den Prewar-Blues überzeugender, authentischer und mitreißender interpretiert«.129 Auch der Charly Schreckschuss Band wurde reichlich Tribut gezollt: »Über deutsche Texte mag man denken, wie man will, auf jeden Fall liefert Charly nichts Abgedroschenes, die Lyrik ist zwar einfach, der Reim wird auch nicht als Muss angesehen, aber die Wörter knallen gut rein, man kann sich beim Hören nicht den Texten entziehen.« Die Songs seien schlichtweg »ehrlich«.130 Das GBCI reizte die ganze Urteilsskala aus. Während das Debüt der Blues Company als »eine der besten LPs von deutschen Bluesbands«131 gelobt wurde, klänge das zweite Opus der Frankfurt City Blues Band »wirklich schaurig«.132 Wichtige Dienste leistete der »German Blues Guide«. Dort konnten Künstler ihre Kontaktdaten gebührenfrei veröffentlichen, Angaben zum Repertoire und zur Besetzung unterbringen und Referenzen platzieren. Die Zahl derjenigen, die sich konsequent dem Blues verschrieben hatten, wuchs kontinuierlich. Der GBG 1979/80 verzeichnete 50 Bands und Solisten,133 das 1988er Kompendium brachte es auf mehr als 120 Einträge.134 Hinzu kam eine sicherlich beachtliche Dunkelziffer von Kapellen, die zwar nicht unter »Blues« rubriziert werden wollten, diese Musik aber als signifikantes Mischelement in ihre Programme integrierten.135 Ostdeutsche Bluesacts tauchten gar nicht im GBG auf, und auch das GBCI räumte ihnen nur höchstselten ein paar Zeilen ein. Das tendenzielle Desinteresse war beidseitig: DDR-Bands durften sowieso nicht in die Bundesrepublik reisen,

128 Vgl. Holzheuser: Al Jones Blues Band, 29. 129 Kilian: Richard Bargel. 130 Kilian: Charly Schreckschuss Band. 131 Kilian: Blues Co. 132 Marschall: The Frankfurt City Blues Band. 133 Vgl.: Bands & Musiker. 134 Vgl.: Verzeichnis der Musiker und Bands. 135 In den neunziger Jahren ließen sich zusehends auch Künstler registrieren, die neben dem Blues eine starke Affinität zu Rock oder Soul aufwiesen. Dementsprechend stiegen die Zahlen. Im Zuge der Recherchen für den GBG von 1999 wurden »annähernd 500 Bands und Musiker« per Vordruck angeschrieben, 340 erschienen schließlich in der Broschüre. Vgl.: Verzeichnis der Blues-Bands und Blues-Musiker, 9.

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ihre Platten suchte man im dortigen Handel vergeblich. Werbung hatte keinen Sinn. Andererseits konnte selbst der aufgeschlossene Westdeutsche, der sich um Kenntnis bemühte, kaum etwas mit dem Blues Marke Ost anfangen. Fehlte der soziale und politische Kontext, klang diese Musik fremd oder exotisch. Anfang 1981 verfasste ein Westberliner »GBC-Repräsentant« einen Artikel über die »Blues-Szene in der DDR«. Er stellte Stefan Diestelmann vor, die Gruppe Jürgen Kerth, Engerling, die Hansi Biebl Band und die bereits seit fünfeinhalb Jahren verbotene Klaus Renft Combo. Letztere bekam am meisten Platz, obwohl sie streng genommen überhaupt keine Blues-, sondern eine Rockformation war.136 Der Autor zeigte guten Willen, saß jedoch etlichen Legenden und Fehlinformationen auf. So behauptete er irrsinnigerweise: »Nachdem es die Renft Combo nicht mehr gab, war in Sachen Blues in der DDR nichts mehr los.« Das Gegenteil stimmte – Mitte der siebziger Jahre setzte ein regelrechter Boom ein. Der Verfasser ergänzte die kurzen Porträts durch diskographische Angaben und bot den Lesern an: »Sämtliche Titel können von mir auf Cassette überspielt werden.«137 Die wenige Bluesliteratur, die im Osten des Landes erschien, wurde vom GBCI rezensiert. Theo Lehmann, offizielles Mitglied des GBC, bat wiederholt, seine Buchprojekte mit Fotos zu unterstützen.138 Als DDR-Bürger kam er genauso in den Genuss eines Freiabos wie Arbeitslose und Häftlinge.139 Mehrfach rief das GBCI zur Solidarität mit den Bluesfans im sozialistischen Teil Deutschlands auf. »Bitte daran denken«, hieß es angesichts des dort herrschenden Informationsmangels, »dass alles interessant ist, auch Kataloge, Zeitungsausschnitte, Fotos, Reklame etc. etc.«140 Einzelne GBC-Mitglieder pflegten lang anhaltende Freundschaften über die Mauer hinweg. Sie schickten Schallplatten und rare Lektüre, statteten Besuche ab. Das GBCI berichtete über eine Fahrt nach Thüringen Pfingsten 1978, es forderte zur Nachahmung auf und unterstrich, »dass die Kontakte mit der DDR für beide Seiten wichtig sind und intensiver betrieben werden sollten«.141

136

Die Klaus Renft Combo genoss in der BRD generell eine hohe Publizität, nachdem ihr 1975 die DDR-Behörden aus politischen Gründen die Spielerlaubnis entzogen hatten. Detailliert: Rauhut: Blues in Rot. 137 Beide Zitate: Steinike: Blues-Szene in der DDR, 41 und 42. 138 Vgl. die entsprechenden Notizen in GBCI 46/1980, 27 und GBCI 49/1980, 18. 139 Vgl. Editorial, GBCI 29/1979, 1. 140 Editorial, GBCI 30/1979, 3. 141 Editorial, GBCI 22/1978. An gleicher Stelle teilte man mit, »dass Dr. Theo Lehmann (führender Gospel- und Bluesexperte in der DDR) mit einem Herzinfarkt im Krankenhaus liegt. Wir wünschen ihm gute Besserung.« Ebd. Das GBCI kündigte auch eine Sendung des ostdeutschen Rundfunks an, in der Theo Lehmann als Interviewpartner zu hören war. Vgl. GBCI 30a/1979, 9.

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Info Nummer 50, das reich bebilderte Jubiläumsheft vom November 1980, dokumentierte ein deutsch-deutsches Treffen aus dem Vorjahr. Ein anrührendes Foto zeigte sieben Frauen und Männer, Arm in Arm, flankiert von zwei kleinen Kindern.142 In der Mitte stand Winfried Freyer, bärtig und langhaarig. Er war das aktivste GBC-Mitglied Ostdeutschlands.

Mitglieder des GBC zu Besuch im thüringischen Kahla, Pfingsten 1979 (von links): Angelika Münnich, Hartmut M. Münnich, Steffi Freyer, Winfried Freyer, Manfred Blume, Fritz Marschall, Reinhard Lorenz sowie die Kinder Christian Otis und Odetta. Ein ähnliches Foto war im GBCI 50/1980 abgebildet.

Freyer kümmerte sich um eine umfangreiche Korrespondenz und verfasste regelmäßig LP- und Konzertkritiken für das GBCI. Seinem Engagement war es zu danken, dass eine bundesdeutsche Leserschaft von den Auftritten amerikanischer Künstler jenseits der Grenze erfuhr. Plastisch, voller Witz und Fachverstand schilderte er die Sternstunden des Blues in der DDR. Seine Reportagen waren auf sensible, manchmal mit Galgenhumor maskierte Weise vom Gefühl der Sehnsucht

142

GBCI 50/1980, 26. Der Schnappschuss entstand Pfingsten 1979 im thüringischen Kahla.

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durchzogen. »JEDER ›echte‹ blues artist sollte bei uns königlich gefeiert werden«, so predigte Winfried Freyer, weil er »uns den tristen Bluesalltag vergessen lässt«.143 Wenn ihn ein Song »dermaßen packte«, dass ihm »ungewollt die Tränen übers Gesicht liefen«,144 vergaß er es nicht zu erwähnen. Denn das war die Essenz. Der kühle, sezierende Blick rangierte an hinterer Stelle. Als er erfuhr, dass der von ihm verehrte J. B. Hutto nach Europa kommen und doch unerreichbar bleiben würde, »war dies wieder mal so ein feiner Stich ins bleeding heart eines Bluesliebhabers behind the Iron Curtain, für den es, außer booze, kein Heilmittel gibt«. In Ermangelung des Liveerlebnisses rezensierte er den Tonbandmitschnitt eines finnischen Konzertes, der Hutto bei bester Spiellaune zeigte. »Ich weiß nicht«, so Freyer, »was ich dafür gegeben hätte, um am 24.3.77 in Helsinki weilen zu dürfen«.145 Es waren die fundierten und gleichzeitig mit dem Feuer der Begeisterung geschriebenen Beiträge, die dem GBCI einen gewissen Glanz verliehen. In seinem Gratulationsbrief zur 50. Ausgabe applaudierte ein Mitarbeiter des namhaften Chicagoer Independent-Labels Delmark Records: »Ich muss sagen, dass ich das Info lieber als jede andere Bluespublikation lese, weil es immer voller Leben, Humor und Auseinandersetzung steckt, nicht bloß Fakten und Daten.« Der rege Meinungsaustausch zwischen den Fans zähle am meisten. »Ich denke oft, dass sich die Leute in den Details von Aufnahmedaten, Geburtsurkunden und ähnlichen Trivialitäten verlieren und dass sie dadurch einer direkten Konfrontation mit den künstlerischen und kulturellen Implikationen des Blues ausweichen – und das Info erfüllt sicherlich ein Bedürfnis auf der Kehrseite dieser Medaille.«146 Alfons Michael Dauer glaubte an das enzyklopädische Wissen der GBCI-Leser und lud sie zur Mitwirkung an seinem »neuen Blues-Buch« ein: »Bitte helfen Sie mir beim Materialsammeln. Nennen Sie mir Ihre zehn (oder mehr) schönsten Beispiele: Ich suche die besten Texte, Melodien, Instrumentalbegleitungen.« Auch seien die diskographischen Angaben jener Platten gefragt, »von denen ich Text und Musik herunterschreiben kann, oder schon abgeschriebene Stücke«. Im Gegenzug versprach er, dass »bei einer Veröffentlichung jeder Informant namentlich genannt« wird.147 Alfons Michael Dauer hielt Wort: Der Epilog des Standardwerkes »Blues aus 100 Jahren« versäumte nicht, jedem einzelnen »der Bluesfreunde« für seine »unschätzbare Hilfe« zu danken.148

143 Freyer: Errol Dixon in Ost-Berlin, 18. 144 Freyer: Going to East Berlin…, 15. 145 Beide Zitate: Freyer: Winne’s Blues, 8. 146 Tomashefsky. 147 Zit. in: Editorial, GBCI 14/1977, 2. 148 Dauer: Blues aus 100 Jahren, 214.

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Den Laudatoren standen rigorose Kritiker gegenüber. Manche wollten unter dem Vorwand eines angeblich ›objektiven‹ Urteils private Rechnungen begleichen. Das GBCI wurde zum »umstrittenen Informations-Blättchen«149 degradiert oder als »drittklassige Schülerzeitschrift«150 gerügt. »Die theoretischen Ergüsse der sog. Fachmänner fallen mir langsam auf den Sack«,151 erregte sich ein Leser, andere empfanden die englische Terminologie als »elitär«.152 Das Verhältnis zum Blues wäre viel zu emotionslos und »buchhalterisch«,153 man schrecke den herkömmlichen Konsumenten und Novizen durch »Fachidiotie«154 und »Verbissenheit«155 ab. Völlig »überflüssig« sei das »orgiastische Wühlen in Vergangenem. Manchmal habe ich das Gefühl«, monierte ein Abonnent, »dass das Info sich nur um eine bestimmte Clique dreht, die sowieso schon alles« weiß und »vom hohen Pferd« herabblickt.156 Außerdem käme die »politische Komponente« des Blues »leider vollkommen zu kurz«. Stattdessen gaukele man »uns eine heile Welt« vor.157 Nicht jeder goutierte die Zoten und chauvinistischen Sprüche, die immer mal wieder eingestreut wurden. Die Autoren des GBCI waren, von ein paar Leserbriefschreiberinnen abgesehen, durchweg männlich. Unter ihnen befanden sich notorische Machos. Zu den vergleichsweise schwächeren sexistischen Zungenschlägen gehörte die Vokabel »alte Vettel«,158 mit der eine Lokalmatadorin aus Memphis abgestraft wurde, oder der unverfrorene Kommentar eines Konzertgängers, er hätte sich Katie Webster »viel größer und fetter vorgestellt«.159 Starke Nerven brauchte man für die infantilen wie unappetitlichen Entgleisungen, in denen etwa »5 Liter mariniertes Spatzensperma«160 eine tragende Rolle spielten, zu »sucka piss and shit«161 aufgefordert wurde und es über die imaginäre Tierpflegerin

149 Hess: American Blues Legends ’79, 49. 150 Schubert [Rubrik »Was ich schon immer mal sagen wollte«]. 151 Lebert. 152 Editorial, GBCI 9/1977, 1. 153 Brach. 154 Dahlhausen [Rubrik »Was ich schon immer mal sagen wollte«]. 155 Kraus. 156 Alle Zitate: Schaub. 157 Alle Zitate: Münnich. 158 Marschall: Goin’ down South, 22. 159 Marschall: Going to Louisiana, 14. 160 Hail Hail Freakonia!!! Das Rezept von Rev. I. B. Ware, 16. 161 Richard-Wagner-Cartoon, GBCI 28/1979, 3.

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Beulah hieß: »Sie ertrank, als sie eines Tages den Elefantenbullen ›Simba‹ fellationierte.«162 Die abgedrehten Storys und Pamphlete sind gelegentlich mit Karikaturen untermalt worden. Öfters fand man derbe, »raubgedruckte«163 UndergroundComics von Robert Crumb im GBCI. Sie visualisierten die freakige Pose, die sich kaum um Political Correctness scherte und auch durch die seriöseren Beiträge zog. Etliche Leser hatten mit den Grenzüberschreitungen Probleme. Sie fürchteten, dass »solche kindischen Beiträge« lediglich »zur Selbstdarstellung, zur Selbstbefriedigung oder zur Verdummung anderer beitragen sollen«. Und so sei »das Niveau dieses Infos« unweigerlich »im Sinken begriffen«.164 Dabei gehörte das Prinzip der Anarchie zur Definition des GBCI. Sein Leitsatz lautete: »Eine Zensur findet nicht statt! Alle Artikel werden unzensiert früher oder später veröffentlicht. Wir wollen auch inhaltlich und stilistisch keine Korrekturen vornehmen; Fehler und Unwissen fallen auf den Autoren zurück!«165 Dieses Credo, in dem sich das basisdemokratische Verständnis des GBC widerspiegelte, ist vielfach angefochten worden. Denn die negativen Effekte lagen auf der Hand. Das Recht der freien Meinungsäußerung garantierte einen regen Informationsaustausch166 und vielfarbige Sichtweisen, es öffnete aber auch den Ring für hemmungslosen Exhibitionismus, deftige Polemik und Diffamie, erbitterte Fehden sowie manchen Hieb unter die Gürtellinie. Die Mehrzahl der GBC-Mitglieder lehnte die andauernden »Leserbrief-Kriege« ab,167 weil sie »hier nicht hergehören und im Ganzen gesehen der Sache nur schaden«.168 Man appellierte an »eine gewisse journalistische Verantwortung«169 und bedauerte, »dass der knappe Platz im Info für die Klärung privater Querelen herhalten muss. Das können die Personen doch unter sich ausmachen.«170 Auch der verletzende Ton einzelner Rezensionen, die nur blindwütig verreißen wollen, ginge zu weit. Die Redaktion ließ sich von den empörten Stimmen nicht beirren. Das GBCI sei »ein unprofessionelles Blättchen«, hieß es stoisch, jeder könne hier »seinen

162 Hail Hail Freakonia!!! The Three Cretinos, 36. 163 Kulla: GBC-Reminiszenzen. 164 Alle Zitate: Taige/Keppler, 7. 165 Editorial, GBCI 26/1978, 2. 166 Wie groß das Mitteilungsbedürfnis war, belegte eine Statistik von 1977. In jenem Jahr gingen monatlich »fast 100 Briefe« bei der GBCI-Redaktion ein. Editorial, GBCI 18/1978, 1. 167 Vgl. Wolff: Resümee aus der zweiten Fragebogenaktion unter GBC-Mitgliedern vom Januar 1979. 168 Klose [Rubrik »Was ich schon immer mal sagen wollte«]. 169 Schubert: Brief an den Vorstand. 170 Mertink, 5.

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Blues ›rauslassen‹«.171 Der förmliche Antrag eines Mitglieds, Leserbriefe mit einem »beleidigenden Inhalt« nicht mehr zu drucken, wurde »abgelehnt«.172 Man insistierte: »Auch die ›Kriege‹, egal wie mies sie geführt werden, sind ein Spiegelbild der Szene und der Personen, die sie ausfechten«.173 »Wir haben weder Zeit noch Lust, Artikel zu überarbeiten, Schulmeister zu spielen und uns dann noch evtl. den Vorwurf einzuhandeln, dass wir den Sinn entstellt haben oder undemokratisch sind.«174 Weil sich die Fronten weiter verhärteten und auf Dauer das Vereinsklima litt, wich man schließlich doch von dieser Politik ab. Im Frühjahr 1982 beschloss der Vorstand: »Wir werden in Zukunft Artikel überarbeiten und nicht mehr jeden Beitrag veröffentlichen. Private Streitereien sollten auch privat ausgetragen werden.«175 Schon bald war das Dilemma gegenstandslos. Nach der Auflösung des GBC konzentrierte sich das runderneuerte, verschlankte Info auf Konzertannoncen und Plattenkritiken, schrumpfte es zum reinen German Blues Circle Info, Ausgabe September Dienstleister. Mit Nummer 358 1998 stellte das GBCI im Januar 2006 sein Erscheinen ein. Das »altmodische Blättchen« war, wie ein Nekrolog »wehmütig« feststellte, »in der Zeit elektronischer newsletter zum Anachronismus geworden«.176

171 Editorial, GBCI 56/1981. 172 Protokoll der 4. ordentlichen Mitgliederversammlung am 8. März 1980 in Frankfurt am Main, 24. 173 Editorial, GBCI 33/1979, 1. 174 Editorial, GBCI 37/1979, 1. 175 Editorial, GBCI 58/1982. 176 Kulla: GBC-Reminiszenzen.

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               Bevor in den frühen achtziger Jahren »der Fluss der Beiträge auszutrocknen«177 begann, reflektierte das GBCI auf geradezu mustergültige Weise das Selbstverständnis des harten Kerns der bundesdeutschen Bluesfanatiker. Dreh- und Angelpunkt sämtlicher Debatten war das Problem der Authentizität. Mit der zunehmenden Ausdifferenzierung der Stile und Medienbilder wuchs das Verlangen nach Orientierung und Abgrenzung. Lediglich ein schmaler Ausschnitt dessen, was in der Presse gemeinhin das Etikett »Blues« trug, wurde von den Gralshütern als solcher akzeptiert. Dabei zielte ihr Claimdenken weniger auf Geschmack, sondern Identität. Sie erklärten den traditionsbewussten Zweig dieser Musik zum Maßstab und steckten ein exklusives Terrain ab, zu dem nur sie und ihresgleichen Zutritt besaßen. Wer die Reinheitslehre anzweifelte, blieb draußen. Ob ein Blues tatsächlich ›echt‹ sei, entschieden zwei außerkünstlerische Parameter: Rasse und Kommerz. Die Grenzmarkierungen waren das Resultat einer statischen, rückwärtsgewandten Ideologie. Je stärker der Blues durch industrielle Verwertungsmechanismen erfasst werde, desto weiter entferne er sich von seinen volksmusikalischen Wurzeln, verkomme zum Bastard oder Surrogat, mahnten die Skeptiker. Spätestens mit den soulinfizierten Sounds der sechziger Jahre und dem Siegeszug des Blues Rock war die von ihnen gezogene Demarkationslinie überschritten. Andere hörten den Schlussakkord bereits im R & B der Nachkriegszeit, der dann zum Rock and Roll degeneriert sei und dem urbanen Blues den Rang ablief. Wo auch immer die Zäsur gesetzt wurde, feierte sie die angeblich ›guten, alten Zeiten‹. Gegenwärtige Entwicklungen unterzog man einer überkritischen Revision. Aus etlichen Kommentaren klang Schwarzmalerei oder Resignation. Der Brief eines GBCI-Lesers fing die gängige Argumentation ein: »Kommerzialisierung«, sprich »Anpassung an den Massengeschmack«, nähme »dem Blues den Charakter« und ließe »ihn zum Schema verkommen«. Drohende Zeichen gäbe es genug. »Ein B. B. King mit Big Band und Glitzeranzug oder z. B. die Soul-Disco-Abirrungen von Wells, Guy, Cotton, Albert King etc. etc. bewirken, dass das Blues-Spezifische verschwindet. Die Musik manipuliert und wird manipulierbar.« Sie büße zwangsläufig ihre Seele ein und sinke »zum inhumanen Steuermechanismus« herab.178 Mit einem umfangreichen, zweiteiligen Artikel über »Bluesstile und Kommerz« versuchte Udo Wolff, die Dinge ins rechte Licht zu rücken. Als involvierter Künstler konnte er besser zwischen Mythos und Realität unterscheiden. »Mir

177 178

Ebd. Alle Zitate: Göbel, 11.

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geht’s um die Bluesfans hierzulande, die den Blues in Gütekategorien zerlegen, die [die] Begriffe ›kommerziell‹ und ›rein‹ sozusagen als Seziermesser verwenden. Zugleich dabei den Begriff ›kommerziell‹ als Stichwaffe verwenden gegen Bluesformen, die von ihnen als ›nicht rein‹ erachtet werden. Leute, die so vorgehen, sind meistens ausschließliche Anhänger der Countrybluesform.« Es sei musikhistorischer Sachverstand gefragt, kein Aberglaube. »Das Denken in Stilkategorien hat ein derbes Manko. Sie sind nachträglich erfunden worden.« Die Entwicklung des Blues sei ein Kontinuum, ein endloser Strom, in dem sich verschiedene Spielarten gegenseitig beeinflussen und durchdringen. Auch der vermeintliche Antagonismus von Kunst und Geld ginge an der Wirklichkeit vorbei. Udo Wolff zitierte »Chicago-Veteran« Willie Dixon als Kronzeugen. Der habe schließlich »über 500 Nummern geschrieben, zum Teil im Fließbandverfahren«. Es seien die »Reinheitsfanatiker« unter den Bluesanhängern, die unsinnige Schubladen zimmern und einer groschenheftartigen Südstaatenromantik nachhängen. Dem Reiz der Legende schiene »eine ganz bestimmte Sorte junger Männer hierzulande verfallen zu sein: aus gepflegtem Mittelstands-Elternhaus, behütet aufgewachsen wie in der Plastiktüte. Und jetzt haben sie einen Ekel vor der Plastiktüte, suchen einen Vaterersatz, eine neue emotionale Heimat zumindest. Karl May in blue. Leiden aus zweiter Hand an dem Unrecht, das den Schwarzen angetan wird, tatsächlich angetan wird. Leider sehen sie nicht den türkischen Nachbarn in der Straße nebenan.« Und genau diese Gerechtigkeitsapostel »werden dann hurtig sauer, wenn sie einen auf der Bühne sehen, der sich Bluesmusiker nennt, ›aber‹ einen rasant geschnittenen Anzug anhat«. Treffsicher und mit Wortwitz nahm Udo Wolff die bleiernen Klischees aufs Korn: »Wieso die alten Bluesmänner unkommerziell waren oder sind, geht mir nicht ein. Die Schallplattenaufnahmen haben sie nicht gemacht, um die Welt mit einer Botschaft zu beglücken, sondern um Geld dafür zu bekommen, wenn’s auch oft zu wenig war. Auch die Jungs, die an den Straßenecken daddelten und ihren Hut aufstellten, haben das nicht gemacht, um den Scheitel zu lüften, sondern damit Cents im Hut landeten, und war’s ein Vierteldollar, umso besser. Und diese Leute fanden das, an der Ecke spielen zu müssen, gar nicht mächtig romantisch oder machten das gar, um fein authentisch zu bleiben, um sich von der profitsüchtigen Plattenindustrie nicht den Stil verderben zu lassen, sondern weil sie in den weniger zugigen Clubs keinen Job bekamen.«179 Wer Anpassung mit Verrat verwechsele, sehe den Ernst der Lage nicht. Veränderung sei ein Gesetz der Evolution.

179

Alle Zitate: Wolff: Bluesstile und Kommerz, 4, 5 und 6.

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Udo Wolffs Brandrede richtete sich gegen das weit verbreitete und schier unausrottbare Authentizitätsideal, das ›Echtheit‹ und Rassenerfahrung miteinander verkoppelte. Nicht nur für die Initiatoren des GBC stand fest, dass der Blues eine genuin ›schwarze‹ Kultur sei, die zwar europäische Mischanteile aufweise, sich aber letztlich aus dem Leid der Afroamerikaner speist. Kein ›Weißer‹ könne den Blues adäquat interpretieren, er bliebe der Rolle des Imitators verhaftet – lautete der Glaubensgrundsatz. Ein solcher Fundamentalismus blendete die Transformationsleistungen der Unterhaltungsindustrie seit Anfang des 20. Jahrhunderts komplett aus. Er ließ den Blues als ideologische Matrix zu, geerdet in Sklaverei und Unterdrückung, nicht aber als Entertainment. Konsequenterweise wurden die ins Populäre lappenden Konjunkturwellen betrauert. Der Herausgeberstab des GBCI lamentierte: »Die Bemühungen der Rock- und Pop-Industrie haben ihre Früchte getragen, und was heute unter Blues verstanden wird, entfernt sich mehr und mehr vom ›schwarzen‹ Blues, für den wir in erster Linie eintreten.«180 Das ›weiße‹ Retortenbaby, die »gereinigte Version des Originals«, sei ein kalkuliertes Produkt und als solches »natürlich besser zu vermarkten«.181 Oder mit anderen Worten: Beim »Blues der Weißen« handele es sich um »ein großes Geschäft«, hingegen der ›schwarze‹ das geblieben wäre, »was er ist: Mitteilung menschlicher Erlebnisse und Erfahrungen«.182 Die Frage, wer den Blues singen dürfe, war so alt wie die Musik selbst. Sie gehörte von Anbeginn zu den Topoi der medialen Wahrnehmung und Vermarktung. Der bloße Fakt ›schwarzer‹ Haut galt als Echtheitsversprechen, als signifikantes äußeres Merkmal von Lebensweisheit, auf deren Nährboden wahrhafte Kunst gedeihen konnte. Diese Assoziation wurde der DNA des Blues im Zuge seiner industriellen Verwertung eingeschrieben, sie schwang immer mit. Das amerikanische Musikmagazin »Metronome« stellte schon 1923, also in der ersten Hochphase der Verbreitung des Blues via Schallplatte, klar: »Der ›Blues‹ ist eindeutig die Schöpfung der Farbigen. Sie leben ihn, atmen ihn, und sie dichten ihn. Ein Weißer hat in etwa ebenso sehr das Recht, einen ›Blues‹ zu komponieren, wie ein Mensch, der ohne jedes musikalische Wissen eine Symphonie schreiben müsste.«183 Lange bevor der erste vokale Blues überhaupt auf Schellack erschien, steckte der afroamerikanische Komponist und Bandleader William Christopher Handy die Prämissen ab. Der selbst ernannte »Father of the Blues«,184 eine inter-

180 Editorial, GBCI 22/1978. 181 Küppers: Weißer Blues, 3. 182 Endress, 266. 183 Quality in »Blues«. 184 Titel seiner 1941 erschienenen Autobiographie.

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nationale Autorität, betonte den volksmusikalischen und damit autochthonen Charakter des in Rede stehenden Phänomens. Der Blues drücke »das rassische Leben der Neger«185 aus. Deutungsmuster dieser Couleur sickerten zeitig aus den USA nach Europa. 186 Während der Blues lange Jahrzehnte im Hintergrund stand, wurde der Zusammenhang von Musik und Rasse vehement in Jazzkreisen diskutiert. »Der Jazz ist eine schwarze Kunst«, urteilte ein deutsches Fachblatt 1949, »die Trompeten- und Posaunen-Improvisation vermag erst unter Negerhänden in jene Bezirke vorzustoßen, in denen alle Regeln und Vorschriften restlos über Bord gehen, um im Meer der Hot-Wellen zu versinken.«187 Stärker als beim Blues, wo man den sozialen Aufschrei klar zu hören glaubte, argumentierten die Jazzmissionare mit scheinbiologisch kaschiertem Herrendenken. Dem Afroamerikaner wurden archaische Instinkte angedichtet, die der zivilisierten Hemisphäre schmerzlich fehlten. »Als primitiver, ursprünglicher Mensch besitzt er eine Musizierfreudigkeit und ein wahrhaftes Musikantentum, die in der weißen Welt ihresgleichen suchen. Hierin zeigt er einen einzigartigen Reichtum an musikalischen Einfällen und Ideen. Er kann dies, weil ihm die Musik Selbstzweck ist. Er singt und spielt um des Singens und Spielens willen und drückt nur aus, was ihn im Augenblick bewegt.« Eben diese »speziellen musikalischen Qualitäten der Neger« hätten die europäischen Einflüsse absorbiert, und so wirkte die Begegnung von ›schwarz‹ und ›weiß‹ »nur wie ein Katalysator, der eine bei den Farbigen latent vorhandene Anlage zum Ausbruch brachte«. Niemand, dem die genetischen Voraussetzungen fehlten, könne auf gleichem Niveau musizieren. ›Weißer‹ Jazz sei tendenziell »Pseudo-Jazz«.188 Etliche jener Jazzkritiker und -publizisten, die sich in der Debatte exponierten, prägten dann auch frühe Urteile über den Blues. Der anerkannte Schallplattensammler und Autor Jacques Demêtre verfasste ab April 1955 für die französische Zeitschrift »Jazz Hot« eine monatliche, schlicht mit »Blues« überschriebene Artikelserie, die Standards setzte und auszugsweise auch vom westdeutschen »Jazz Podium« nachgedruckt wurde. Für Demêtre gab es keinen Zweifel: »Es ist eine Tatsache, dass alle Bluessänger Schwarze sind.«189 Eine andere Hautfarbe akzeptierte er nicht. Immensen Einfluss besaß Joachim-Ernst Berendt. Obwohl ihm bewusst war, dass sich die Rassendiskussion auf ein glattes Parkett wagte, weil gerade der Deut-

185 186 187 188 189

Zit. in: Scarborough, 113. Zu frühen Interpretationsansätzen in den USA vgl. stellvertretend Koenig. Schwarzes Fieber. Alle Zitate: Rinker, 31 und 30. Demêtre, 9.

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sche zur »Vereinfachung« neige und vorschnell »schwarze und weiße Murmeln«190 voneinander scheide, hatte er ein klares Raster. Angesichts der riesigen Erfolge von Cream, Canned Heat, der Spencer Davis Group oder John Mayall stellte er Ende der sechziger Jahre das Glaubensbekenntnis auf den Prüfstand – um dann doch wieder den Daumen zu senken: »die Blues-Authentizität der weißen Gruppen ist zwar erstaunlich, aber sie bleibt relativ«. Die jungen Künstler nähmen die Dinge »so genau, wie das nicht einmal die Neger tun. Das Moment der Genauigkeit aber ist eines der weißesten«. Berendt bemerkte »einen Mangel an Geschmeidigkeit und Biegsamkeit. Und vor allem: eine Vorliebe für das allzu Direkte, Offensichtliche und Wirksame. Die dem Blues eigene Expression auf mehreren Ebenen gleichzeitig, Trauer und Ironie, Verzweiflung und Zynismus, jenes so typisch negroide ›masochistische‹ Vergnügen am eigenen Unglück, all das wirkt bei den weißen Gruppen einen Deut weniger selbstverständlich als bei den schwarzen.«191 Er hielt an dieser Meinung bis zu seinem Tod fest. In der 1991er Neuauflage des »Jazzbuches« bescheinigte er ›weißen‹ Musikern zwar instrumentale Meisterschaft, die Nagelprobe würden sie jedoch nicht bestehen: Spätestens, wenn sie »den Mund auftun, um zu singen, verblasst die Illusion der Authentizität. Dann hört im Allgemeinen auch der Laie, wer weiß und wer schwarz ist. Und es gibt keine Brücke darüber«.192 Selbst wenn Joachim-Ernst Berendt von dieser Überzeugung keinen Millimeter abwich, rechnete er dem »weißen Blues« ein hohes gesellschaftliches Verdienst an. Immerhin habe er das erreicht, »was der schwarze nicht schaffen konnte: Er hat das Lebensgefühl einer ganzen Generation junger weißer Menschen in der Welt beeinflusst, verändert, erweitert…«193 Während das Thema nach und nach aus der Fachpresse verschwand, erlebte es im GBCI eine Renaissance. Nicht enden wollende Schlagabtäusche kreisten um die Gretchenfrage des Erbrechts. Schon kurz nach Gründung des GBC hatte der Vorstand die öffentliche Auseinandersetzung um den ›weißen Blues‹ zur »Basisarbeit« erklärt.194 Schließlich war nicht zu übersehen, dass ein beträchtlicher Teil der Vereinsmitglieder die rockige Variante favorisierte. Der von Udo Wolff im Dezember 1978 initiierte Fragebogen, der den Grad der Zufriedenheit mit dem Infoblatt ermittelte, wollte unter anderem wissen: »Wünschst Du Dir außerhalb des Kernbereichs des schwarzen Blues Musikbereiche, über die zusätzlich oder mehr berichtet werden sollte?« Zwei Drittel der repräsentativen Stichprobe antworteten mit »ja«. Von dieser Teilmenge entschieden sich wiederum 75 Prozent 190 Beide Zitate: Brown: Schwarze und weiße Murmeln – Made in Germany, 52 und 51. 191 Alle Zitate: Berendt: »The Blues Got White – Got He?«, 316. 192 Berendt: Das Jazzbuch 1991, 228. 193 Berendt: Blues 1970, ohne Seitennummerierung. 194 Vgl. stellvertretend: Editorial, GBCI 8/1977.

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für den »weißen Blues«.195 Er spielte zwar live eine mehr und mehr dominierende Rolle, wurde aber vom GBCI geschnitten oder abschätzig behandelt. Als im Frühjahr 1982 endlich ein längerer Beitrag über John Mayall erschien, sparte der Autor nicht mit Vorwürfen. »Zu den absoluten Tabus im GBC-Info scheint es zu gehören, positiv über ihn zu schreiben«, prangerte der Prolog an. Kein anderer wurde, »zumeist in Nebensätzen, dermaßen blamiert, mit Sticheleien bedacht und beleidigt«. Der Verfasser fragte: »Was hat er denn nun verbrochen, der arme John, dass alle so schlecht über ihn schreiben?« Die Antwort lag auf der Hand. »Zugegeben, er hat als weißer europäischer Musiker eine Menge Geld mit dem schwarzen amerikanischen Blues verdient.« Und dann habe er zu allem Überfluss auch noch »seinen Stil modernisiert, mit Funkyrhythmen und so«, ohne Rücksicht auf »die Puristen«.196 Was für ein Sakrileg! Fünf Jahre vor John Mayalls Rehabilitierung hatte die Redaktion des GBCI zur öffentlichen Auseinandersetzung über ›schwarz‹ und ›weiß‹ aufgerufen. Das Septemberheft 1977 druckte eine erste Diskussionsvorlage, entworfen von einem Leser. Er umriss »die Vielschichtigkeit des Themas«, stellte Thesen auf und gliederte das weite Feld in »historisch-soziale«, »musikalisch-formale« und »kommerzielle Fragen«. Musiker und Fans wurden aufgefordert, »konkrete Erfahrungsberichte« beizusteuern. »Überlegt mit mir«, spornte er alle an, »dann kommt vielleicht mehr raus.«197 Sein Appell fand ein starkes Echo, das in der Rubrik »White Blues« dokumentiert wurde. Schon bald formierten sich zwei Lager. Realisten betrachteten den Meinungsstreit als unnütz, er sei pure Platzverschwendung, man bringe »alten Käse wieder zum Stinken«. Die unsägliche »Monsterdiskussion über weißen Blues wurde bereits in den sechziger Jahren bis zum Erbrechen geführt, ohne dass je irgendwas Produktives dabei herauskam«.198 Mit den Achseln zuckten gleichermaßen die Akteure. Sie hatten viel zu oft am eigenen Leib erfahren, welche absurden Blüten der Starrsinn trieb, wie Rassismus seine Vorzeichen wechselte und sie zur zweiten Klasse abgestempelt wurden.199

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Vgl. Fragebogen-Auswertung zur 2. Fragebogenaktion unter GBC-Mitgliedern vom Januar 1979, 2. Alle Zitate: Sterner, 18. Alle Zitate: Küppers: Weißer Blues, 2, 3 und 4. Beide Zitate: Gebhard: Kleiner Leserbrief zum Thema weißer Blues. Der Musiker Gerhard Engbarth gab die folgende, bezeichnende Anekdote zu Protokoll. Country-Blues-Legende Bukka White lud ihn 1972 zu einer Aufnahmesession ein, was der zuständige Mitarbeiter eines Münchener Plattenlabels ablehnte: »Das tut uns sehr leid, Herr Engbarth, aber es ist das oberste Prinzip unserer Firma, dass wir nur Original-Neger produzieren.« Als schließlich doch ein gemeinsamer Titel auf der LP »Baton Rouge Mosby Street« landete, fand sich der ›weiße‹ Musiker unter dem Kürzel »Gary« in der Besetzungsliste wieder – »damit wohl keiner merken sollte,

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»Wenn wir den Blues als volksmusikalische Tradition verstehen«, meinte die Stockyard Blues Band, müssen wir »auch seine Aufnahme und Verbreitung durch weiße Musiker akzeptieren«.200 Kunst lebe von Assimilation, sie wolle kein Abziehbild der Wirklichkeit sein, sondern die Phantasie beflügeln. Udo Wolff konnte schwerlich widersprochen werden, als er zu bedenken gab: »Ich verlange auch nicht von jedem Schauspieler, dass er auf der Bühne einen echten Tod stirbt, zumal auch der schwarze Blues schon sehr schnell vorrangig Entertainment geworden war, wenn auch mit besonderen Qualitäten.«201 Es sei allein die Güte und Relevanz der Musik, die unterm Strich zähle. Anstelle den Blues zu idealisieren, solle man über seine Aktualität nachdenken. Es bestünde die Gefahr, in Passivität und »Konsumverhalten« zu erstarren und »blind« zu werden »gegenüber gesellschaftlichen Zuständen, die es grundsätzlich umzukrempeln gilt«. Der Sammler mit seiner beschränkten »Insektenforschermentalität« sei »ein getreues Abbild dieser ungerechten Gesellschaftsordnung, wo jeder schön privat seinen Hobbys und Spleens nachgehen darf, solange es nicht allzu aufrührerisch und politisch wird«.202 Das soziale Sein, nicht der Teint stelle die Linse scharf. »Wenn ihr also wissen wollt, was Blues ist«, hieß es pathetisch, »fragt den Arbeitslosen im Slum von Birmingham, fragt den vietnamesischen Flüchtling, fragt den türkischen Familienvater, fragt die drogensüchtige Baby-Prostituierte aus Berlin. Die leben mit dem Blues. Und wenn ein solch Verdammter sich artikuliert, dann artikuliert er Blues.«203 Die gegnerische Fraktion verteidigte die Hierarchien. »Blues war und ist ausschließlich die Musik der schwarzen Bevölkerung der Vereinigten Staaten; weiße Musiker können ihn kopieren, nachspielen, aber niemals kreativ zur Weiterentwicklung beitragen.«204 Punktum! Das hitzige, letztlich aber ergebnislose Tauziehen zu Kunst und Hautfarbe sollte drei Jahre lang die Leserpost regieren. Dann schnitt der Vorstand die Diskussion ab und erklärte, »dass der ›Weiße Blues‹ für den GBC kein Thema (mehr) ist«. Zwar könne weiterhin jeder seine Meinung äußern, aber »unter der Prämisse der Beweisführung« solle nicht mehr gestritten werden. Man müsse einsehen, dass es »in erster Linie« um »die Gefühlswelt der Bluesfreunde« gehe und nicht um

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dass ich eigentlich gar kein Original-Neger war«. Engbarth: Der Blues vom Blues, 74 und 76. Holz. Wolff [Rubrik »White Blues«], 16. Alle Zitate: Blume. Morgan. Steffl, 10.

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messbare Fakten.205 Das rabiate Muskelmessen hatte unnötig Energie verschlungen und drohte, den Verein zu spalten. Scheuklappenträger sahen sich mit massivem Gegenwind konfrontiert. Ihnen wurde »Rassismus, Größenwahn und Dünkel«206 angelastet. Einer Diktatur des Geschmacks sei unbedingt Paroli zu bieten. »Alle Musikstile müssen ›frei atmen können‹ und sich instinktiv entfalten«,207 plädierte der in Westdeutschland ansässige Gitarrist Jim Kahr. Udo Wolff veröffentlichte im GBCI einen ganzseitigen, satirischen Artikel, den er als Anzeige deklarierte. Mit knapp zwei Dutzend spitzer Sottisen hielt er dem Kleingeist einen Spiegel vor. »Gebe hiermit bekannt, dass weiße Bluesmusiker in meinem Lokal nicht bedient werden. Klaus Rein, Rassenstadt, Fanatisstraße 33«. Oder: »Möchte gern Neger werden. Wer hilft mir dabei?«208

              Deutungskämpfe dieser Art spielten im östlichen Teil Deutschlands kaum eine Rolle. Der Musikfan war sich mit Theo Lehmann einig, »dass der puristische Standpunkt, ein Blues sei nur dann ›echt‹, wenn er von einem Neger gesungen wird, lediglich auf einem Vorurteil beruht«.209 In der DDR trug der Blues einen anderen Sinn. Er wurde zum Soundtrack des stillen Widerstands stilisiert, zur Chiffre einer unangepassten Jugend, die sich dem Egalitätsdruck des Systems entzog. Sammler, Hobbyforscher und Connaisseurs bildeten eine Minderheit. Man traf sie bei bestuhlten Konzerten, versunken in Kontemplation, und im Dunstkreis des Jazz. Jeder ambitionierte Jazzclub achtete darauf, dass auch der Blues, gewissermaßen die Wurzel, zu seinem Recht kam.210 Die »Jazz Weekends« in der Niederlausitzer Kreisstadt Senftenberg, die das ganze Spektrum vom individualistischen Freistil bis zum rockigen Powerplay abdeckten, boten regelmäßig Bluessegmente an. Das Dresdner Jazzdomizil »Tonne« richtete seit den frühen achtziger

205 Alle Zitate: Editorial, GBCI 41/1980, 1. 206 Hecke/Günther, 17. 207 Kahr, 18. 208 Beide Zitate: Wolff: GBC-Anzeigen im April. 209 Lehmann: Blues and Trouble, 62. 210 Ostdeutschland war von einem flächendeckenden Netz so genannter »Arbeitsgemeinschaften« oder »Interessengemeinschaften« für Jazz überzogen. Der Kulturbund der DDR registrierte Ende der achtziger Jahre mehr als fünfzig solcher Vereinigungen. Vgl. Ministerium für Kultur, 70. Rainer Bratfisch listete eine Auswahl von 58 Städten auf, in denen Jazzclubs existierten. Vgl. Bratfisch: Das Jazzpublikum – eine gut organisierte Minderheit, 233–234.

           

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Uhr auf zwei Bühnen ausgerichtet, spielte dort im Laufe der Jahre jeder ostdeutsche Bluesact von Rang und Namen. Bis zu 2500 Fans pilgerten in den Kurpark von Bad Berka. Ohne Einbrüche und Krisen behauptete sich der Bluesfasching in Apolda. Inspiriert von der Sogwirkung des Wasunger Karnevals und im Fahrwasser studentischer Initiativen gereift, öffnete er 1987 den langhaarigen Narren zum ersten Mal die Tore. Unter dem Motto »Loss mech Blues en Ruh« sorgten Zugnummern wie Mr. Adapoe, Travelling Blues, Wilder Wein, Huflattich oder Postel & Pötsch für Stimmung, finanziert von der FDJ. Die Attraktion sprach sich herum. Besuchten ursprünglich etwa 200 Partygäste die ›drei tollen Tage‹, verkaufte man Mitte der Neunziger fast 2000 Eintrittskarten. Einen guten Ruf besaßen auch die hauptstädtische Reihe »Blues im Konzert«,245 der Blues-Shop in Erfurt,246 das Magdeburger Folk-, Blues- und Countryfest,247 das Dresdner Bluesfestival,248 die Blues-Sonntage im Berliner Theater der Freundschaft249 und das Folk- und Bluesfestival in Weimar.250 Die Musiker, die man dort oder auf anderen offiziellen Bühnen erleben konnte, waren genauso in der dörflichen Diaspora zu Hause. An den Wochenenden bedienten sie die immer gleichen Rituale, heizten sie einem nimmersatten Publikum ein, das unweigerlich im Alkoholnebel versank. Freygang-Sänger André GreinerPol verglich diese Routine scherzhaft mit der Schinderei auf einer »Galeere«.251 Wer nicht im Gleichmaß des Tanzsaals ersticken wollte und größere künstlerische Ambitionen hegte, blickte über den Tellerrand des Undergrounds hinaus. Die Eisenacher Kapelle Travelling Blues demonstrierte mustergültig, wie man sein Ge-

245 Ab 1977 vom Kreiskulturhaus Berlin-Mitte ausgerichtet. 246 Er wurde zum ersten Mal im März 1980 im Jugendclub »Fritz Noack« veranstaltet. Auf dem Programm standen vier Konzerte, Interviews und eine abschließende Session. 247 Ab 1981. 248 Es wurde ab 1983 alljährlich im April veranstaltet. Austragungsort war die Mensa der Technischen Universität. 249 Sie wurden ab 1984 vierteljährlich ausgerichtet. Um die große Nachfrage zu bedienen, sind mitunter mehrere, aufeinander folgende Veranstaltungen angeboten worden. So umfasste beispielsweise der Blues-Sonntag im Dezember 1984 drei gesonderte Konzertblöcke, die sich über neun Stunden erstreckten und von insgesamt 1500 Fans besucht wurden. 250 Es wurde erstmalig am 20. November 1984 in der ausverkauften Weimarhalle durchgeführt. Als Veranstalter fungierten das Kultur- und Kongresszentrum Weimarhalle und die Kreisleitung der FDJ Weimar. 251 Greiner-Pol, 242.

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sichtsfeld weiten konnte, ohne der Kernidee untreu zu werden. Seit seiner Gründung 1973 bewegte sich das Quintett in verschiedene Richtungen, blieb es stilistisch offen und experimentierfreudig. Man kreuzte Blues mit Jazz, Folk und Klassik, vertonte Heinrich Heine und gab kommentierte Schülerkonzerte unter dem Motto »Blues – Ursprung und Aktualität«. Nie geriet die Quelle aus dem Blick. »Vorbilder für uns sind authentische, schöpferische Blueskünstler schwarzer Hautfarbe«,252 bekannte Peter Montag, Gitarrist und Sänger von Travelling Blues. Das »Hervorragende Volkskunstkollektiv der DDR«253 war im Dorfsaal und Studentenclub genauso heimisch wie bei den großen Jazzfestivals von Jena, Krakau und Slaný. Es fuhr zum »Liedersommer der FDJ« nach Berlin und spielte mit Jürgen Kerth bei »Rock für den Frieden« im Palast der Republik. Amtlich anerkannte Profibluesmusiker tauchten mit ihren eigenen, deutschsprachigen Songs auch in den Randzonen der Medien auf. Engerling, Stefan Diestelmann, Jürgen Kerth, Hansi Biebl, Monokel, Jonathan oder Zenit waren hin und wieder im Radio zu hören, sie produzierten Platten und wurden vom Fernsehen zur Jugendsendung »rund« eingeladen. Auch wenn sie manch schreckhafter und linientreuer Redakteur scheel anblickte, hatten sie genügend Sympathisanten. Engerling-Frontmann Wolfram Bodag war nach Einschätzung der Fachpresse ein »verdammt guter, hintergründiger Allegorist«, ein »Vertreter eines geradezu irritierend irrlichternd-kauzigen Hintersinns«. Wie er »mit interpretatorisch beißendem Spott willfähriges Anpassertum, Moralverluste, Verkehrung des Lebenssinns, den geradzu sportlich-ehrgeizigen Wettkampf der Saturierten um Reichtum« aufs Korn nahm, fand Anerkennung. Auch als Komponist sei er eine Klasse für sich, weil er »das Aggressive, den Zorn ebenso kontrolliert beherrscht wie die ironisch feine Brechung«.254 Über Jürgen Kerth, einen der besten Bluesgitarristen der DDR, meinte die wohlwollende Kritik: »Seine Musik atmet grundsätzlich Bescheidenheit und Ehrlichkeit.« Kerth sei ein Könner, der sich niemals »opportunistisch an einen gerade vorbeifahrenden modischen Trend«255 hänge. Auch der Mundharmonikavirtuose Bernd Kleinow wurde als »ein sehr freundlicher, eher zurückhaltender Mensch« beschrieben. Wenn er sein Instrument an die Lippen setzt, ströme »menschliche Wärme«.256 Während die künstlerische Elite des Blues eine gewisse Publizität genoss, wurde der ostdeutsche Szenealltag von den Medien ignoriert. Die SED-Presse

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Montag. Staatliche Auszeichnung. Alle Zitate: Lange: Engerling. Beide Zitate: Lange: Jürgen Kerth. Eger, 21.

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blickte stur nach Westen und schoss sich auf die von dort durchsickernden Leitbilder ein, erklärte sie zum Symptom eines dekadenten, todgeweihten Systems. Das ›Blumenkind‹ im fernen Amerika wurde zur Marionette degradiert: »Die Absage an ein sinnvolles Leben, die ›Kritik‹ an der Ausbeutergesellschaft durch die Flucht zur Droge und zum Narkotikum Musik, genau das ist die Lebenshaltung, die die zum Untergang verurteilte Gesellschaftsordnung braucht, um ihre Lebenszeit zu verlängern.«257 Das »aufheulende Publikum« der »Massenkonzerte«, die »kriminellen Rocker«, »Ausreißer« und »Rauschgiftsüchtigen« seien »die Saat der Gewalt und der Ausweglosigkeit, die der Imperialismus immer aufs Neue ernten will, um sich über die Zeit zu retten, um bei jungen Menschen taube Ohren zu schaffen für die Ideen des Sozialismus und der Menschlichkeit«.258 Die Propaganda wollte ein Feindbild installieren – und erreichte das Gegenteil.259 Der Traum vom ›Land der unbegrenzten Möglichkeiten‹ blieb ein Fixpunkt jugendlicher Sehnsucht, speziell für die ostdeutschen »Blueser«. Sie vergötterten Jeans, Musik und Beatnik-Prosa »als Träger emanzipatorischer Energien«.260 Theaterstücke, Bücher und Filme mit Hippiekolorit schürten ein unstillbares Fernweh, schärften aber auch die eigene Identität. DDR-Lizenzausgaben von Klassikern wie Jack Kerouacs »Unterwegs«, Jerome D. Salingers »Der Fänger im Roggen« oder »Einer flog über das Kuckucksnest« von Ken Kesey kursierten in Szenekreisen als Erweckungslektüre. Durch sie vergewisserte man sich seiner selbst. Große Emotionen entfachte der Film »Blutige Erdbeeren«.261 Er kam 1973 in die ostdeutschen Kinos, weil er, wie man intern glaubte, »durchaus geeignet ist, Hass gegen den Imperialismus zu erzeugen«.262 Tatsächlich lockten die betörenden Songs von Buffy Sainte-Marie, Thunderclap Newman oder Crosby, Stills, Nash & Young Abertausende in die Lichtspielhäuser. Wahre Pilgerströme zog auch »The Last Waltz« an, Martin Scorseses Hommage auf The Band.263 Selbst »weitgehend romantisch verklärt«,264 nährten sich die jugendlichen Amerikabilder nicht zuletzt aus den Negativsetzungen der SED. Die offizielle Ab-

257 Hofmann, 72. 258 Pfelling. 259 Zu Geschichte, Charakter und Wandlung des Amerikabildes der SED vgl. stellvertretend Junker sowie Balbier. 260 Dieckmann: Dresden, Chile, Rock ’n’ Roll. 261 Originaltitel: »The Strawberry Statement«. 262 Hoffmann: Hausmitteilung an Tiedke. 263 Die zweistündige Konzertdokumentation wurde ab Januar 1982 in den DDR-Kinos gezeigt. 264 Merkel, 254.

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lehnung folgte systemübergreifenden Motiven, wie Peter Wicke treffend feststellte: »Was immer das ideologische Terrain war, auf dem diese Auseinandersetzungen ausgefochten wurden, genau genommen ging es dabei überall – in Ost und West – nur um eines, um die Tatsache nämlich, dass mit den Medien und einer medienproduzierten Jugendkultur eine von den traditionellen Institutionen wie Familie und Schule unabhängige, aber sehr machtvolle, kommerziell organisierte Sozialisierungsinstanz in allen Industriegesellschaften Einzug hielt und den Kultur- und Bildungseliten im Sozialisationsprozess Jugendlicher schnell und massiv Konkurrenz zu machen begann.«265 In der DDR wurde der generationelle Konflikt politisch ummantelt. Der Staat begriff sich als erzieherische Exekutivmacht, die ein prinzipielles Hoheitsrecht besaß, und zwar nicht nur im schulischen, sondern auch privaten Bereich. Er erklärte die »sozialistische Persönlichkeit« zum »grundlegenden Ziel der sozialistischen Gesellschaft«. Sie war definiert als »allseitig entwickelte Persönlichkeit, die über umfassende politische, fachliche und allgemeinwissenschaftliche Kenntnisse verfügt, einen festen, von der marxistisch-leninistischen Weltanschauung geprägten Klassenstandpunkt besitzt, sich durch hohe geistige, physische und moralische Qualitäten auszeichnet, vom kollektiven Denken und Handeln durchdrungen ist und aktiv, bewusst und schöpferisch den Sozialismus mitgestaltet«.266 Dass Jugendliche unter dem Einfluss ›westlicher‹ Musik aus den vorgezeichneten Bahnen ausscherten und alternativen Sozialisationsmustern folgten, dass sie autonome Kommunikationsräume besetzten, interpretierte der Staat als ernsten Angriff auf seine Autorität. Hier drohte außer Kontrolle zu geraten, was er eigentlich steuern wollte. Entsprechend allergisch fielen seine Reaktionen aus. Mit den Jahren perfektionierte der Sicherheitsapparat die Strategien zur Überwachung, Abwehr und Liquidation. Bis Mitte der Sechziger widmete sich die SED-Spitze den jugendkulturellen Phänomenen, wie sie im Zeichen der Rockmusik blühten – danach fiel das Ressort komplett in die Hände von Polizei und Stasi.267 Als Antwort auf die auch in Ostdeutschland grassierende »Beatlemania«268 präsentierte das MfS Anfang November 1965 einen Bericht über »negative Gruppierungen jugendlicher Personen«, die »eine ausgesprochen westliche und zum Teil dekadente Lebensauffassung und Lebensweise in ihrem Verhalten und in ihrer Tätigkeit zum Ausdruck bringen bzw. zu demonstrieren versuchen«. Der

265 Wicke: Rock ’n’ Roll im Stadtpark, 65. 266 Wörterbuch zur sozialistischen Jugendpolitik, Stichwort »sozialistische Persönlichkeit«, 249–250, Zitate: 249. 267 Zur Wahrnehmung von Rock, Blues und Punk durch die Staatssicherheit vgl. Rauhut: Ohr an Masse. 268 Weltweite Massenhysterie um die Beatles.

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Geheimdienst konstatierte eine Zunahme von »Film- und Starclubs«, »PartyGruppen« sowie »Gammlern«269 und »Beatle-Anhängern«. Letztere reisten den angesagten Bands kreuz und quer durch die DDR hinterher und bildeten den »Ausgangspunkt von Ausschreitungen und Krawallen bei Tanzveranstaltungen, Volksfesten und anderen Großveranstaltungen«. Auf ihr Konto gingen »Tumulte und Schlägereien«, »Sachbeschädigungen«, »ruhestörender Lärm«, »staatsgefährdende Hetze« und »sexuelle Ausschreitungen«.270 Das Dokument entwarf einen Algorithmus, der bindend blieb. Zuerst wurde der Status quo der Dinge fixiert, sind Ausmaß und Ursprünge der vermeintlich kriminellen Erscheinungen resümiert und Warnfälle zu Protokoll gegeben worden. Es folgte die Typisierung von Outfit und Attitüde der Delinquenten, die eine überregionale, rechtzeitige Identifizierung ermöglichen sollte. Am Schluss wurden Instruktionen zur Lösung des Problems erteilt. Die Liste an klärenden Maßnahmen fiel 1965 noch dürftig aus. Sie drehte sich um die Erkenntnis: »Die operative Basis unter diesen Kreisen der Jugendlichen ist als völlig unzureichend einzuschätzen und deshalb wesentlich zu verbreitern und zu qualifizieren.«271 Ausgefeiltere Taktiken definierte eine ministerielle »Dienstanweisung zur politisch-operativen Bekämpfung der politisch-ideologischen Diversion und Untergrundtätigkeit unter jugendlichen Personenkreisen in der DDR« vom 15. Mai 1966. Bis zum Mauerfall gültig, gab sie Interpretations- und Handlungsschablonen vor, die dann auch den Umgang der Stasi mit den »Bluesern« prägten. Zu den Kernelementen gehörte die Manipulationsdoktrin. Sie entdeckte in subkulturellen Bewegungen eine »vom Gegner organisierte Feindtätigkeit«: »Die Jugend der DDR stellt im System der psychologischen Kriegsführung einen besonderen Angriffspunkt dar. Ein koordiniertes Zusammenspiel zwischen dem Bonner Staatsapparat, den westlichen Geheimdiensten, den Agentenzentralen und Zentren der ideologischen Diversion, zwischen westdeutschen Jugendorganisationen, Filmund Starclubs, kirchlichen Institutionen, Rundfunk, Presse und Fernsehen u. a. ist darauf ausgerichtet, die Jugend der DDR vom Einfluss der sozialistischen Ideologie zu isolieren, in die Passivität zu drängen, eine Atmosphäre der allgemeinen

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Als »Gammler« wurden auch in der DDR Jugendliche bezeichnet, die durch lange Haare, unkonventionelle Kleidung und einen betont antibürgerlichen, hedonistischen Lebensstil auffielen. In den Augen ihrer Gegner waren sie ›arbeitsscheu‹ und ›asozial‹. Der stigmatisierende Begriff ist von Erziehern und Sicherheitsorganen später auch für die »Blueser« verwendet worden. 270 Alle Zitate: MfS, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe: Bericht über Gruppierungen Jugendlicher in der DDR, 4, 8, 11, 29 und 30. 271 Hinweise zur Ergänzung bzw. Veränderung der Anweisung über die politisch-operative Arbeit unter jugendlichen Personenkreisen, 58.

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Unsicherheit und zeitweilig in bestimmten Territorien Bedingungen zu schaffen, die zu Zusammenrottungen und Ausschreitungen Jugendlicher führen sollen.« Pointierter formuliert: Der ›Klassenfeind‹ höhle das System von innen aus, er versuche, »sich Stützpunkte unter der Jugend zu schaffen, die in seinem Sinne unmittelbar oder zum geeigneten Zeitpunkt in Vorbereitung des verdeckten Krieges wirksam werden sollen«. Die »Dienstanweisung« von 1966 legte auch den strategischen Grundstein für die Observation und Ausschaltung »negativ-dekadenter Jugendlicher«, wie das pauschalisierende Etikett fortan lautete. Sie schrieb vor: »Durch zielgerichtete Werbungen unter Mitgliedern der westlich orientierten Musikgruppen und ihrer Anhängerschaft ist eine ständige operative Kontrolle zu sichern.«272 Ende der sechziger Jahre spitzten sich die Repressalien infolge des innenpolitischen Klimawandels nach der Zerschlagung des »Prager Frühlings«273 zu. Die Stasi rüstete mit Großaktionen wie »Jubiläum«, »Stafette« oder »Nachstoß«274 zum landesweiten Säuberungsfeldzug. Das härtere Durchgreifen reagierte aber auch auf das Hinüberschwappen der Hippiewelle. Die Idee von Woodstock fiel in der DDR auf fruchtbaren Boden – und multiplizierte die Probleme. Im Kraftfeld der Flower Power expandierten die sozialen und kulturellen Dimensionen der ›Langhaarigenszene‹,275 erreichten Habitus, Gemeinschaft und Mobilität ein neues Level. Die Kluft zum Idealbild der »sozialistischen Persönlichkeit« riss immer tiefer. Vertrauliche Berichte zeichneten apokalyptische Szenarien. Sie registrierten eine Zunahme jugendlicher Cliquen, denen Musik das Programm stiftete. Ihr Aktionsradius erfasste zusehends private Räume, wo man ungestört alternative Lebensstile praktizieren und seiner Begeisterung für Blues, Rock oder Soul freien Lauf lassen konnte. Intern häuften sich Meldungen über »Kommunen«, »Partywohnungen« und »Beatschuppen«. Aber auch in der Veranstaltungssphäre entluden sich Leidenschaft und Lust mit ungekannter Intensität. Ein Schreiben des Generalstaatsanwalts der DDR an die Jugendabteilung des ZK der SED vermerkte

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Alle Zitate: Ministerrat der DDR: Dienstanweisung Nr. 4/66 zur politisch-operativen Bekämpfung der politisch-ideologischen Diversion und Untergrundtätigkeit unter jugendlichen Personenkreisen in der DDR, 3, 5 und 18. 273 Reformbewegung in der ČSSR, die im Sommer 1968 mit dem Einmarsch von Truppen der Warschauer-Pakt-Staaten gewaltsam gestoppt wurde. 274 Geheimdienstliche Operationen mit diesen und anderen Tarnnamen sagten »negativen und feindlichen Erscheinungen unter jugendlichen Personenkreisen« den Kampf an. Musikkulturellen Phänomenen galt ein besonderes Augenmerk. Vgl. stellvertretend: MfS, Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin, Zitat: 45. 275 Beat- und Rockfans, die in den sechziger Jahren musikalisch sozialisiert wurden und ebenfalls lange Haare bevorzugten, formierten die erste Generation der »Blueser«. Detailliert: Rauhut: Beat in der Grauzone.

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beispielsweise: »In Auswirkung der westlichen Sexwelle erscheinen im Kreiskulturhaus Freiberg Mädchen zum Teil ohne Schlüpfer. Als äußeres Erkennungszeichen tragen sie auf dem Handrücken die Kennzeichnung ›oH‹.«276 Mitte der siebziger Jahre kündigte sich eine zweite Welle der geheimdienstlichen Mobilmachung gegen die »Blueser« an. Grund war nicht nur das sichtliche Erstarken des Undergrounds, sondern auch ein prinzipiell rigoroseres Einschreiten gegen popkulturelle Phänomene im Zuge einer neuen innenpoEiszeit.277 Den 1000-Jahr-Feier in Altenburg, 1976, Fotodokumenta- litischen schwersten Rückschlag erlitt tion der Stasi die Szene nach der 1000-JahrFeier der thüringischen Kreisstadt Altenburg.278 Dort hatte sich zwischen dem 9. und 11. Juli 1976 eine »Reihe ernsthafter Vorkommnisse« abgespielt, »welche die Ordnung und Sicherheit erheblich beeinträchtigten. Ursache waren die Anwesenheit und das Verhalten von etwa 2500 Gammlern und Jugendlichen mit dekadentem Aussehen«, hieß es in einer internen Mitteilung des ZK der SED. Erstklassige Konzerte und Tanzveranstaltungen hatten den Ansturm ausgelöst. Die Shows waren durch Funk und Presse landesweit popularisiert worden. Ein Desaster von bislang ungekanntem Ausmaß nahm seinen Lauf. Das ZK schätzte ein: »Allein durch die verwahrloste Kleidung, die teils mit westlichen Symbolen, wie zum Beispiel USA-Flaggen, versehen war, und durch das abstoßende Aussehen und Verhalten

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Fakten der ideologischen Diversion im Freizeitbereich junger Menschen aus den Jahreskriminalitätsberichten 1970. Vgl. Rauhut: Rock in der DDR 1964 bis 1989, 66–70. Detailliert: Rauhut: Das Kunden-Buch, 118–133. Das MfS schätzte die Ereignisse rückblickend als »Zäsur« ein, »aus der sich neue sicherheitspolitische Erfordernisse ergaben«. Ministerrat der DDR, MfS, Juristische Hochschule Potsdam, 48.

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des genannten Personenkreises wurde die festliche Atmosphäre erheblich beeinträchtigt. Störungen zeigten sich vor allem in rowdyhaften Handlungen, zum Teil unter starkem Alkoholeinfluss, wie zum Beispiel provozierendes Verhalten gegenüber Volkspolizisten, Anpöbeleien gegenüber Bürgern, unsittliche Belästigungen, Betteleien unter Androhung von Gewalt, Beschädigungen öffentlicher Einrichtungen und Zerschlagen von Flaschen und Gläsern. Dieser Personenkreis lagerte und nächtigte gruppenweise und einzeln auf Straßen, Plätzen und in Anlagen, verschiedentlich wurde nackt in Schloss- und Parkteichen gebadet und die Notdurft in aller Öffentlichkeit verrichtet o. Ä. Es kam verschiedentlich zu staatsfeindlichen Äußerungen, wobei eine Abschirmung der Wortführer vor der einschreitenden Volkspolizei in den Gruppen erfolgte. Aus diesem Personenkreis wurden Losungen gerufen wie: ›Wir machen, was wir wollen!‹; ›Wir wollen frei sein!‹; ›Wir werden beweisen, dass die Staatsmacht machtlos ist!‹ Schimpfworte richteten sich besonders gegen die Volkspolizei, deren Angehörige wiederholt als ›Bullen‹ und ›Nazischweine‹ bezeichnet wurden.«279 Der Zusammenprall blieb unvermeidlich, 103 Jugendliche, die aus elf Bezirken der Republik stammten, sind »zugeführt« worden, sechs landeten in Haft. Die Höchststrafe lag bei neun Monaten Freiheitsentzug, im Schnellverfahren über einen 20-jährigen Rohrleger aus Halle verhängt. Er hatte sich Polizisten in den Weg gestellt und skandiert: »Wir wollen fies und Rocker sein und kein dreckiges Bullenschwein!« bzw., so vermerkt ein hochrangiges Stasi-Protokoll, »Heil Hitler – ihr Bullenschweine!«280 Die Mehrzahl kam mit geringen Geldbußen, Verwarnungen und Belehrungen davon. Nicht wenige der insgesamt 250.000 Besucher der Jubiläumsfeierlichkeiten zeigten sich über das für ihr Empfinden viel zu milde Einschreiten gegen die ›Asozialen‹ äußerst empört. Es hagelte Beschwerden, eine richtete sich direkt an das ZK der SED. Dort sorgte das Altenburger Menetekel für hitzige Debatten. Nach einer Information des Ministers des Innern an Erich Honecker verabschiedete das Zentralkomitee am 8. September 1976 einen entsprechenden Beschluss. Er fixierte weitreichende, institutionenübergreifende »Maßnahmen zur verstärkten politisch-ideologischen, künstlerischen und organisatorischen Einflussnahme auf Jugendtanz- und andere Veranstaltungen«.281

279 280

281

Alle Zitate: Information über Vorkommnisse während der 1000-Jahrfeier der Stadt Altenburg, 20 und 21. MfS, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe: Politisch-operativ bedeutsame Fakten im Zusammenhang mit dem Auftreten von Trampern anlässlich der 1000Jahr-Feier der Stadt Altenburg in der Zeit vom 9. – 11. Juli 1976, 9. Maßnahmen zur verstärkten politisch-ideologischen, künstlerischen und organisatorischen Einflussnahme auf Jugendtanz- und andere Veranstaltungen, 24–32.

288           

Die Aktivitäten der Partei wurden von Stasi-Manövern flankiert. Erich Mielke erließ am 15. November 1976 einen Befehl an die Leiter der Diensteinheiten »Zur vorbeugenden politisch-operativen Abwehrarbeit unter negativ-dekadenten Jugendlichen und Jungerwachsenen«. Die Präambel deutete die »Zusammenrottungen« im Zeichen von Blues und Rock, die sich »in letzter Zeit« summierten, als Pulverfass: »Diese Vorkommnisse können zu einer unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und darüber hinaus zu einer Diskreditierung der Staatsmacht der DDR nach innen und außen führen.«282 Das sollte durch eine Forcierung der Spitzeldienste und »Zersetzungstaktiken« verhindert werden. Wie ein Räderwerk griffen nach Altenburg kultur- und sicherheitspolitische Disziplinierungsstrategien ineinander. Einmal in Gang gesetzt, war der Mechanismus nur schwer wieder zu stoppen. Neuerliche Vorfälle, die nun besonders akribisch registriert wurden, hielten ihn in Schwung. Der ›Ausstieg aus der DDR‹, wie ihn die »Blueser« an den Wochenenden zelebrierten, blieb ein Dauerthema der Sicherheitsorgane. Beflissene Tschekisten forderten den radikalen »Einsatz bis hin zum Vertreiben der Trampertypen aus der betreffenden Stadt«.283 Am 14. Januar 1978 ordnete Erich Mielke an, die »politisch-operative Arbeit« landesweit zu verstärken und im Ernstfall »das sozialistische Strafrecht konsequent anzuwenden«.284 Stück für Stück verfeinerte die Stasi ihr strategisches Repertoire und perfektionierte das Spitzelsystem. Dienstanweisungen, Schulungen und Graduierungsschriften der Juristischen Hochschule Potsdam, der Kaderschmiede des MfS, lieferten detaillierte Analysen und Pläne. Es kursierten vertrauliche Erkennungsschlüssel, die etwa folgendes Bild zeichneten. »Charakteristische Gewohn- und Verhaltensweisen dekadenter negativer Tramper: Tragen von schmutziger und zerrissener Kleidung sowie ungepflegten Schuhen (meist Jeansanzüge und hohe Schuhe); unangenehmer Körper- und Kleidungsgeruch; ungenügende Körperpflege (besonders an den Händen zu beobachten; Schmutz unter den Fingernägeln und Hautfalten); Anzeichen von Unausgeschlafenheit mit der Folgeerscheinung des Frierens; Mitführen einer Schlafdecke und Landkarte (oft in abgenutzten Schutzmaskentaschen und ähnlichen Tragetaschen). Besonderheiten von Gewohn- und Verhaltensweisen dekadenter negativer

282

Ministerrat der DDR: Zur vorbeugenden politisch-operativen Abwehrarbeit unter negativ-dekadenten Jugendlichen und Jungerwachsenen, 1. 283 Probleme der Bewertung des Charakters von Veranstaltungen und des möglichen Auftretens von negativen und dekadenten Jugendlichen mit dem Ziel der rechtzeitigen Einleitung und Abstimmung der erforderlichen Maßnahmen zur zweckmäßigen Einbeziehung von gesellschaftlichen Kräften zur Vorbeugung und Verhinderung von Angriffen gegen Sicherheit und Ordnung, 44. 284 Ministerrat der DDR: Dienstanweisung Nr. 8/78, 2 und 9.

                  289 

Tramper zu jugendgemäßen Großveranstaltungen: sofortige Kontaktaufnahme zu Gleichgesinnten und Sympathisanten in den Konzentrationspunkten der Jugend; Ausnutzung vieler Jugendlicher für die Spendierung von Speisen und alkoholischen Getränken (oftmals auch unter Androhung bzw. Anwendung von Gewalt); politisches Desinteresse und eine gewisse Oppositionshaltung zu unserem Staat; Verherrlichung asozialer Lebensgewohnheiten; provozierendes Auftreten gegenüber progressiven Jugendlichen und den anwesenden Sicherungskräften; Nutzung von kostenlosen Übernachtungsmöglichkeiten, zum Beispiel auf Bahnhöfen und in Kulturparks.«285 »Operative Vorgänge« und »Operative Personenkontrollen«286 mit Decknamen wie »Blues«, »Penner«, »Tramper«, »Anhalter« oder »Diestel« richteten das Visier auf suspekte »Kunden« und Musiker. Sie wurden nicht selten über Jahre hinweg observiert, in ihrem Wirkungsfeld eingeschränkt und durch subtilen Terror langsam gelähmt – oder wie es die Stasi nannte: »zersetzt«.287 Das MfS platzierte an neuralgischen Punkten Inoffizielle Mitarbeiter, die wichtige Informationen lieferten und den Gang der Dinge maßgeblich beeinflussten.288 Zu den Handlangern gehörten etliche exponierte »Blueser«, Leitfiguren, die vom Sicherheitsdienst erpresst oder mit einem Judaslohn gelockt wurden. Wie hartnäckig und perfide die Stasi gegen die Szene vorging, illustrierte der »Operative Vorgang Tramper«. Im Mai 1978 von der Bezirksverwaltung Gera eingeleitet, zielte er auf eine 40 bis 50 Personen umfassende, im Kern 15 Mann starke, überregional aktive Gruppe »politisch und moralisch labiler Jugendlicher«. Der Plan sah vor, sie »umsichtig, vielschichtig, differenziert und schnell unter Einbeziehung aller geeigneten Erziehungsträger zurückzudrängen, zu differenzieren, zu verunsichern, in ihrer ›Freizügigkeit‹ einzuengen und letztendlich aufzulösen«.289 Die Stasi reizte vier IM, »die voll in der Gruppierung integriert waren und entsprechende Vertrauensstellungen innehatten«, als Trumpf aus. Durch sie »konnten bestehende Differenzen und Widersprüche zwischen den einzelnen Mitgliedern der Gruppierung vertieft bzw. geschickt genutzt werden, um sie gegeneinander ›auszuspielen‹, und so

285 Kett, 42–43. 286 Zu den Zielen sowie zur Strategie und Verwaltung von OV und OPK vgl. Suckut, 271–282. 287 Zur geheimdienstlichen Methode der »Zersetzung« vgl. Pingel-Schliemann, insbesondere 187–353 und 358–359. 288 Zur Klassifizierung Inoffizieller Mitarbeiter des MfS und ihren Aufgaben vgl. Suckut, 179–203. 289 Informationen und Zitate: Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Gera, 18, 19 und 25.

290           

eine gewisse Uneinigkeit und Resignation hineingetragen werden oder eine geschlossene Teilnahme an den verschiedensten Veranstaltungen verhindert werden«. 1982 resümierte das MfS den »Zerfall und die Zersetzung der Gruppierung«, das Dossier wurde geschlossen. Man hatte ganze Arbeit geleistet: Fünf der »negativ-dekadenten Jugendlichen« gingen ins Gefängnis, einer von ihnen anschließend in den Westen, ein anderer wurde zum Wehrdienst einberufen und damit ›unschädlich gemacht‹.290 Unterm Strich waren die Attacken ein Pyrrhussieg. Die Szene hatte längst ein Gespür für die Schwächen des Apparates entwickelt und erschloss sich unaufhörlich neue Refugien. Das permanente Ausweichmanöver besaß die Durchtriebenheit des Wettlaufes zwischen Hase und Igel: Je stärker der Staat offizielle Räume beschnitt, desto eifriger wurden Nischen besetzt. Internen Berichten blieb nichts weiter übrig, als das Dauerproblem zu konstatieren. Eine zentrale Auswertung des ZK-Beschlusses zu Altenburg, Ende 1977 für Erich Honecker verfasst, musste eingestehen, dass es nicht gelungen war, »einheitlich zu handeln«. Das Ministerium des Innern registrierte ungeachtet der erhöhten Alarmbereitschaft im Zeitraum von zwölf Monaten »negative Vorkommnisse« bei »25 Tanzveranstaltungen, 9 Presse-, Volks- u. a. Festen«. Langsam heizte sich die Atmosphäre auf. »Die Störungshandlungen wurden überwiegend in Gruppen und unter dem Einfluss von Alkohol begangen. Außer rowdyhaftem Belästigen von Bürgern, Provozieren tätlicher Auseinandersetzungen sowie Beschädigen oder Zerstören von Sachwerten traten häufig Vorkommnisse mit verstärkt politisch-negativem Charakter auf. Neben Verleumdungen des sozialistischen Staates und der Politik der SED sowie antisowjetischen Äußerungen ist ein Ansteigen aggressiver Verhaltensweisen gegenüber Angehörigen der Sicherheitsorgane und der FDJOrdnungsgruppen festzustellen. Besonders Volkspolizisten in Uniform stehen im Mittelpunkt solcher Angriffe. Es wird versucht, sie durch auffällig ordnungswidriges Verhalten zum Einschreiten zu veranlassen und ihnen dabei aktiven und passiven Widerstand entgegenzusetzen bzw. sie tätlich anzugreifen. Diese Erscheinungen sind Wirkungen, die eindeutig im Ergebnis der ideologischen Tätigkeit des Gegners auftreten.«291 Zur Windmühlenfechterei entglitt auch der Kampf gegen unliebsame Bands. Die privaten Veranstalter ließen sich von Auftrittsverboten

290 291

Bezirksverwaltung für Staatssicherheit, Kreisdienststelle Gera, Zitate: 326, 325, 323 und 321, Informationen: 323–324. Alle Zitate: Information über die bisherige Verwirklichung des Beschlusses des Sekretariats des ZK »Maßnahmen zur verstärkten politisch-ideologischen und organisatorischen Einflussnahme auf Jugendtanz- und andere Veranstaltungen« vom 8. September 1976, 2 und 9.

                  291 

kaum beeindrucken. Auf ihrem Hoheitsgebiet regierten kleinkapitalistische Interessen, galt das Gesetz des rollenden Rubels. Staatliche Auflagen wurden, solange es irgendwie ging, ignoriert bzw. durch Korruption ausgehebelt.

Bluesmesse: Rainer Eppelmann (rechts) in einer Spielszene

Enorme Energie verschlang die Unterwanderung jener Symbiose, wie sie Bluesszene und Kirche miteinander eingingen. Ab 1979 wurden in verschiedenen evangelischen Gotteshäusern Ostberlins so genannte »Bluesmessen« zelebriert.292 Als Spiritus Rector fungierte der Friedrichshainer Kreisjugendpfarrer Rainer Eppelmann (*1943). Unter seiner Leitung fanden bis 1986 insgesamt zwanzig solcher Messen statt. Die Kernidee war, den Blues als emotionalen Katalysator für die Verwirklichung einer doppelten Vision zu nutzen, einer diakonischen und einer missionarischen.293 Der »Bluesmessen«-Teilnehmer sollte ermutigt werden, sein soziales Unbehagen frei und öffentlich zu artikulieren. Rainer Eppelmann fasste die seelsorgerische Motivation laut Mitschrift eines Gesprächs, das man staatlicherseits mit ihm führte, wie folgt zusammen: »Es gibt einen Trend von Jugendlichen zum Aussteigen, zu fragen nach dem Sinn des Lebens und dem Sinn der

292 293

Detailliert: Moldt; Winter; Teufelszeug im Gotteshaus; Rauhut: Schalmei und Lederjacke, 202–217. Vgl. Winter, 197–198.

292           

Arbeit. Diese Jugendlichen bekommen aber in der Gesellschaft keine geeigneten Lebensmodelle. Die Kirche will nicht schaden, sondern erreichen, dass junge Menschen Freude empfinden. Sie sollen lernen, Konflikte nicht mit Gewalt auszutragen. Er sei der Meinung, dass es sich lohne, als Christ in der DDR zu leben, es gehe darum, das Zusammenleben möglichst gut und tolerant zu gestalten. Angst und Misstrauen müssen abgebaut werden. Eppelmann fühle sich verantwortlich für die gesellschaftlichen Verhältnisse und auch für ihre Veränderung.«294 Mit den »Bluesmessen« wurde ein Ventil geöffnet, brach sich eine neue Form von Selbstbewusstsein Bahn. Jugendliche, die vom Staat aufgrund ihrer Lebenseinstellung und politischen Gesinnung an den Rand der Gesellschaft gedrängt oder gar kriminalisiert wurden, sahen sich in ihrer Haltung bestätigt. Sie erkannten im Schutz der großen Gemeinschaft: Ich bin kein Außenseiter, Tausende denken genauso wie ich. Zum anderen wollten die Organisatoren der Messen junge Menschen, die vorher nie ein Gotteshaus besucht hatten, mit der Idee des christlichen Glaubens konfrontieren. Ihnen sollten alternative Formen von Lebenssinn und Wahrhaftigkeit vermittelt werden. Im atheistischen Weltbild des Sozialismus fehlten diese Werte, galt Kirche als reaktionär, als Rudiment der bürgerlichen Gesellschaft. Wenn auch die Verfassung der DDR Religions- und Glaubensfreiheit garantierte,295 wurden bekennende Christen de facto diskriminiert. Zwischen Papier und Realität klaffte ein Widerspruch.296 Die Kirche wehrte sich gegen die politische Stigmatisierung und avancierte zum oppositionellen Milieu, einem Hort unbeschnittener Kommunikation. Unter ihrem Dach wurden nicht nur biblische Botschaften verkündet, sondern genauso die alltäglichen Konflikte des Landes thematisiert. Couragierte evangelische Priester öffneten ihre Türen den Ausgestoßenen, jenen, die der Staat an den Pranger stellte oder längst abgeschrieben hatte. Keiner sollte zurückgelassen werden. Die größte Massenwirkung erzielten die »Bluesmessen«. Eine einzelne mobilisierte bis zu 7000 Jugendliche, die aus der ganzen Republik nach Ostberlin pilgerten – in die Samariter-, Auferstehungs- und Erlöserkirche. Internen Hochrechnungen zufolge hatten »von den Teilnehmern nur etwa 10 bis 15 % wirklich kirchliche Bindungen«.297 War der Andrang besonders stark, sind die Gottesdienste mehrmals hintereinander bzw. parallel in verschiedenen Kirchen abgehalten worden.

294

Vermerk über ein Gespräch mit Pfarrer Eppelmann am 6.3.1981 durch Gen. Dr. Wilke und Gen. Handel, 166. 295 Vgl. Die Verfassung derDeutschen Demokratischen Republik, Artikel 41, 31. 296 Zum hochkomplexen wie sensiblen Verhältnis von Staat und Kirche in der DDR vgl. stellvertretend Besier sowie Maser. 297 Arbeitsgruppe Kirchenfragen beim ZK der SED, 213.

                  293 

Die »Bluesmessen« wurden als »innerkirchliche Veranstaltungen« deklariert, was den direkten Einfluss des Staates deutlich einschränkte. Per Gesetz war festgelegt, dass »religiöse Handlungen« nicht der sonst üblichen Meldepflicht unterlagen298 – sie bedurften keiner Genehmigung durch die polizeilichen Kontrollorgane, sondern folgten allein der Entscheidungshoheit der Kirchen. Die unkonventionellen Messen mischten liturgische Elemente wie Fürbitten, Gebete oder Predigten mit kabarettistischen Spielszenen und konzertähnlichen Blöcken. Hier traten zum Teil Musiker auf, die man aus dem Dorfsaal kannte: Stefan Diestelmann, Regine Dobberschütz, Monokel-Sänger Frank Gahler oder Peter Pabst, Chef der Jonathan Blues Band. In der Anfangszeit sorgten Hollys Bluesband und das Duo Holly & Plant für einen ›kundenfreundlichen‹ Sound.299 Die Vermählung des aufrichtigen Wortes mit Klängen, die unter die Haut gingen, potenzierte das Gefühl von Freiheit. Für ein paar Stunden entfloh man der grauen Routine des Alltags, der tumben Propaganda und den Maßregelungen des Systems, konnte man kollektiv durchatmen. Entsprechend euphorisch war die Stimmung. Noch der kleinste Seitenhieb wurde frenetisch beklatscht. Der Liedermacher Karl Winkler, der mehrfach in »Bluesmessen« auftrat, benannte den gemeinsamen Nenner: »Meine Erfahrungen sind dieselben, die so viele gemacht haben. Schule, Lehre, Arbeit, Einengung, Bevormundung, Misstrauen. Die meisten passen sich an, aber manche wehren sich. Oft, weil sie nicht mehr anders können, weil alle Schwierigkeiten, die sie dadurch in Kauf nehmen müssen, viel leichter zu ertragen sind als eine bewusste Anpassung, bei der man genau weiß, was einem entgeht. Wo man sich ein Leben lang belügt, sich selbst und andere. Aber man hat doch nur ein Leben, und was bleibt? Viel schlimmer ist die Resignation. Wenn man versucht, was zu machen und sich dauernd gegen Unrecht zur Wehr setzt, durch Eingaben, Diskussionen oder was auch immer, ohne wirklich was zu erreichen, was zu verändern, zu verbessern. Und man glaubt, man ist ganz alleine – dann verliert man irgendwann die Kraft. Dagegen halfen die Bluesmessen. Wir wollen nicht Euren Friedhofsfrieden, eingesperrt hinter Kasernenmauern. Wir wollen nicht zu bloßen Ja-Sagern degradiert werden. Wir wollen keinen Wehrkundeunterricht. Wir wollen sagen dürfen, was wir meinen, auch wenn es Euch nicht passt. Wir haben keine Lust mehr, in Euer verordnetes Jubelgeschrei miteinzustimmen oder Eure Phrasen nachzubeten. Wir

298 299

Vgl. Verordnung über die Durchführung von Veranstaltungen vom 26. November 1970, 70. Der Gitarrist und Sänger Günter »Holly« Holwas gilt als Initiator der »Bluesmessen«. Er hatte die Idee, diese Musik in die Kirche zu bringen. Mit Rainer Eppelmann fand er den entscheidenden Fürsprecher und Akteur. Vgl. Leitner, 91–93.

294           

wollen unseren Frieden. Einen Frieden ohne Erziehung zum Hass, ohne Kriegsspielzeug.«300 Hinter den Mottos der »Bluesmessen« verbarg sich politischer Sprengstoff. Sie hießen etwa »Angst überwinden«, »Konfliktlösung ohne Gewalt«, »Freiheit, die wir meinen« oder »Rückgrat gefragt«.301 Man setzte sich mit Lebenssinn und Karrierismus auseinander, Arbeitsalltag, Wehrpflicht und Ökologie, Sucht und Opportunismus – Themen, die sonst kaum eine Öffentlichkeit hatten. Die Kritik an den Herrschaftsstrukturen der SED wurde in Metaphern verpackt oder zwischen den Zeilen versteckt. Bisweilen ist sie aber auch unverblümt geäußert worden. In der »Bluesmesse« am 12. September 1980 war folgender Klagepsalm zu vernehmen: »Mauern von Zwängen und Spott umgeben mich. Zwischen Anweisungen und Verboten bin ich eingeschlossen wie hinter elektrischem Stacheldraht. Jeden Tag werde ich ausgefragt, ich komme mir vor wie eine Nummer, die nach dem Bild der anderen leben muss. Das, was ich tue, steht bereits fest. Wie ich wirklich bin, weiß ich nicht. Man hat mir den Willen abgenommen und zerbrochen. Das, was ich gebe, teilen sie unter sich auf, aber niemand hört mein stilles Schreien. […] Ich will nicht die Rolle spielen, die andere mir zuschreiben. Sie treiben ihren Spott mit mir, während ich an mir selbst kaputtgehe. Ich ersticke an ihren Reden«.302 Der Blues fing die Geste des schwelenden Protestes geradezu perfekt auf. Er galt als universelle Sprache, ein zeit- und grenzenloses Medium, das die Erfahrung der Knechtschaft genauso akkumuliert hatte wie jahrhundertealte Weisheit. Der konzertante Teil der »Bluesmesse« am 13. Juli 1979 wurde folgendermaßen moderiert: »Zwischen Hass, dem Hass gegen die Unterdrücker und ihre Foltermethoden, und Hoffnung, der Hoffnung, doch eines Tages ein freies und menschliches Leben führen zu können, entstand eine Form von Musik, in der sich pulsierendes Leben widerspiegelt und die auch uns Hoffnung machen kann. Ich wünsche, dass wir uns davon ein wenig anstecken lassen.«303 Die Resonanz der »Bluesmessen«, die sich allein auf Mundpropaganda stützte, war überwältigend. Bis 1983 schwoll der Besucherstrom an, dann ebbte er allmählich ab:

300 Winkler, 89–90. 301 Themen der »Bluesmessen« am 04.07.1980, 29.02.1980, 25.04.1980 und 01.06.1986. 302 Zit. bei Moldt, 175–176. 303 Zit. ebd., 70.

                  295 

Nr.

Thema

Datum

Ort

Teilnehmer

1

Von der Liebe

01.06.1979

Samariterkirche

250

2

Zwischen Hass und Hoffnung

13.07.1979

Samariterkirche

450

3

Aus Hoffnung leben

14.09.1979

Samariterkirche

1200

9

Umweltschutz

14.11.1980

Erlöserkirche

4200

15

Wir sind Protestanten!

24.06.1983

Erlöserkirche

7000

18

Von der Befreiung zur Befreiung

16.06.1985

Erlöserkirche

2000

20

Der betrogene Betrüger

20.09.1986

Erlöserkirche

1100304

Der Staat versuchte beharrlich, die »Bluesmessen« zu untergraben und schließlich zu stoppen – einfach verbieten konnte er sie nicht. Das MfS ordnete an: »Über IM ist rechtzeitig in Erfahrung zu bringen, mit welchen Schwierigkeiten, Anfälligkeiten und Störungen der Vorbereitungskreis während der Veranstaltung durch die Jugendlichen rechnet. Durch geeignete politisch-operative Maßnahmen ist nach Abstimmung mit den zuständigen Diensteinheiten und anderen Stellen eine Forcierung in dieser Richtung vorzunehmen, um anwesende kirchenleitende Personen zu schockieren und zu uns genehmen Handlungen zu zwingen.«305 Der Geheimdienst startete Rufmordkampagnen gegen die Organisatoren und übte steten Terror aus: anonyme Anrufe und Briefe, Demolierung von Eigentum, Vernehmungen und kurzzeitige Verhaftungen. Spitzel wurden in den sakralen Raum eingeschleust, wo sie jeden Ton mitschnitten und für Unruhe sorgten. Die Stasi demonstrierte ihre Macht, schüchterte das Publikum ein. Sie fotografierte und filmte, erfasste Personalien, parkte vor den Kirchen verspiegelte Autos. Man lancierte Be-

304 305

Themen, Daten und Orte: ebd., 55, 67, 88, 196, 289, 336 und 366; Statistik: Winter, 210. Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Berlin: Konzeption zur politisch-operativen Bearbeitung der negativen Tätigkeit verschiedener Ev. Jugendpfarrer in der Hauptstadt der DDR, speziell im Kirchenkreis Berlin-Friedrichshain, 91.

296           

schwerden über »ruhestörenden Lärm« oder die »Verunreinigung von Hausfluren«,306 lieferte skeptischen Pfarrern Argumente, die »aus konservativer theologischer Position«307 mit den »Bluesmessen« abrechneten, setzte Schlüsselfiguren psychisch und juristisch unter Druck.

Bluesmesse, Anfang der achtziger Jahre

Musiker und Mitglieder des Organisationsteams wurden in den Westen abgeschoben. Den Gitarristen und Sänger Günter Holwas schikanierte man so lange, bis er aufgab und einen Ausreiseantrag stellte. Er wurde im Eilverfahren bewilligt.308 Karl Winkler, der durch regimekritische Songs auffiel, landete ohne Umschweife hinter Gittern. Gerade mal 20 Jahre alt, ist er zu 18 Monaten Gefängnis verurteilt worden. Neben Zwangsmaßnahmen waren auch Köder üblich. »Über den Kulturbund der DDR wird Einfluss darauf genommen«, hieß es beispielsweise in einem

306 307

308

Ebd., 90. Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Berlin: Aktualisierung und Präzisierung der politisch-operativen Konzeption bezüglich der Veranstaltungsreihe der sogenannten Bluesmessen in der Hauptstadt der DDR, 160. Vgl. Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Berlin: Bisherige Ergebnisse der Realisierung der politisch-operativen Konzeption vom 14.10.1981 bezüglich des Kreisjugendpfarrers Rainer Eppelmann und Plan politisch-operativer Maßnahmen hinsichtlich der für den 27.11.1981 geplanten Bluesmessen, 109.

                  297 

Bericht des MfS, »dass alle weiteren durch den Vorbereitungskreis zur Mitgestaltung angesprochenen Musikgruppen lukrative Auftrittsmöglichkeiten erhalten (höhere finanzielle Einstufung, Auftrittsmöglichkeiten im staatlichen Bereich u. a.).«309 Die Ostberliner Behörden annoncierten Gegenveranstaltungen: hochkarätig besetzte Blueskonzerte, die zur gleichen Zeit stattfanden wie die Messen. Man buchte das zentral gelegene Kino Kosmos, den Jugendclub in der Weißenseer Langhansstraße oder das Theater der Freundschaft. Auf diese Weise sollte den »Bluesmessen« die Exklusivität genommen und Publikum abgeworben werden. Der Erfolg blieb nicht aus. Die Bilanz des 1986er »Liedersommers der FDJ« notierte über den Auftritt von »Champion« Jack Dupree: »Indem in dieser Veranstaltung die progressiven Traditionen der Blues-Musik in hoher interpretatorischer Meisterschaft veranschaulicht wurden, gelang es zugleich, negativ ambitionierten Blues-Veranstaltungen gewisser Kirchenkreise erneut eine klare, massenverbundene künstlerische Alternative entgegenzusetzen.«310 Am meisten hatte es das MfS auf Rainer Eppelmann abgesehen. Gegen ihn wurde im Januar 1981 der Operative Vorgang »Blues« eröffnet, der den »Versuch der Schaffung einer inneren Opposition in der DDR durch Missbrauch des der Kirche zugemessenen Spielraumes« zerschlagen sollte. Für die Staatssicherheit war Eppelmann ein westgesteuerter Diversant, wenn nicht sogar Agent, getrieben durch »eine deutlich negative und zunehmend feindliche Haltung zu den gesellschaftlichen Verhältnissen«311. Er sollte privat und in Kollegenkreisen diskreditiert werden. Man trachtete danach, ihn »von seiner Tätigkeit als Kreisjugendpfarrer zu entbinden. Anzustreben ist eine Versetzung des Eppelmann aus der Hauptstadt der DDR, Berlin.«312 Doch der Plan ging nicht auf. Wenngleich der unbequeme Geistliche auch in den eigenen Reihen einflussreiche Gegner hatte, überwogen seine Fürsprecher. Bei aller Kritik stand der seelsorgerische Nutzen des Projekts außer Zweifel. »Diese offenen Gottesdienste in freier, immer neu variierter Gestaltung verstehen sich als Angebot des Evangelismus an junge Menschen

309

MfS, Hauptabteilung XX: Vermerk über gegenwärtige politisch-operative Maßnahmen zur Unterbindung der »Blues-Messen« des Kreisjugendpfarrers Rainer Eppelmann (Berlin-Friedrichshain), 81. 310 Zentralrat der FDJ, 116–117. 311 Beide Zitate: Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Berlin: Sachstandsbericht zum OV »Blues«, 55 und 51. 312 MfS, Hauptabteilung XX: Plan der Maßnahmen zur Verhinderung des Missbrauchs religiöser Veranstaltungen, insbesondere von »Blues-Messen«, 47.

298           

in einer sie ansprechenden Form«,313 verlautbarte die Frühjahrssynode 1981 der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg. Das Schicksal der »Bluesmessen« wurde letzten Endes weder von ihren Verfechtern noch den Widersachern entschieden. Es war der Zug der Zeit, der die Idee überrollte. Unaufhaltsam brach die Basis weg. Der Blues verlor seinen identitätsstiftenden Status, er taugte nicht mehr zum Soundtrack einer Jugendkultur. Und so verschwanden mit dem langhaarigen, hippiesken »Kunden« auch die einstmals brisanten Messen in den Annalen der Geschichte.

313

Zit. in: MfS: Information über weitere Aktivitäten kirchlicher Kreise der Hauptstadt der DDR, Berlin, im Zusammenhang mit der Vorbereitung von Blues-Messen im Juni 1981, 21.

        

   Das klingt doch völlig anders, hält der Kenner dem Skeptiker entgegen, da liegen Welten zwischen. Hörst du denn nicht den Unterschied? Achte mal auf diesen besonderen Drive, die Art, wie der Sänger phrasiert, den Sound der Gitarre. Also für mich ist jeder Song ein Unikat, keine Frage. – Uns allen sind solche Situationen, wenn Fans und Antipoden den Wert von Musik taxieren, vertraut. Den einen trifft sie ins Herz, der andere zuckt nur mit den Schultern. Töne finden Resonanz oder laufen ins Leere. Die Kluft zwischen Pro und Kontra scheint mit dem Grad der Normierung zu wachsen. Je stärker ein Genre durch Standards und Repetition definiert ist, desto tiefer ziehen sich die Gräben. Sie trennen In- und Outsider, markieren konträre Positionen. Dieser Prozess verläuft durchaus bewusst – ohne Abgrenzung wäre Identität nicht formbar. Konsens ist nur dann gewollt, wenn er die Binnenstruktur der Szene stützt, nach außen gilt das Diktat der Differenz. Vielleicht ist der Blues auch deshalb so langlebig, weil sich an ihm die Geister scheiden. Für seine Anhänger steht außer Zweifel, dass er »echte Gefühle kommuniziert«,1 er sei »ein musikalischer Archetyp«,2 eine universelle Sprache, funktioniere als »emotionales Heilmittel«,3 spende Kraft und löse das »Versprechen von Freiheit«4 ein. Ideologische Konstruktionen solcher Couleur, die hinlänglich bekannten Klischees und Fiktionen, verleihen dem Blues Wirkungsmacht und präformieren Sympathie oder Aversion. Sie haben sich über die Jahrzehnte dem Erbgut dieser Musik eingraviert, sind Teil der DNA.

1 2 3 4

Interview des Autors mit John Mayall, 01.04.2003. Schmidt-Joos: A Blues Analysis. Interview des Autors mit Bruce Iglauer, Gründer, Eigentümer und Präsident des renommierten Blueslabels Alligator Records, 07.06.1999. Schmidt-Joos: Liner Notes der LP »American Folk Blues Festival ’62«.

300           

Das Gros unseres Wissens und der Assoziationen, die wir mit dem Blues verbinden, beruht auf nachträglichen Zuschreibungen. Sie verleihen den ›blauen Tönen‹ jenen schmerzhaft schönen Schein, den die Gemeinde der Eingeschworenen so sehr schätzt, der Kritiker jedoch als larmoyant, rassistisch und durchweg kalkuliert abtut. Tatsächlich vermitteln ernst zu nehmende Forschungen ein ganz anderes Geschichtsbild als die Medien und Fanzdiskurse. Doch schmälern sie deshalb die Strahlkraft des Blues? Ficht der kühle Blick des Analytikers seine Relevanz an? Keineswegs. Der Blues hat sich als ideeller Gegenpol zum Schneller-höher-weiter der Moderne behauptet, er gilt seinen Jüngern als Ausdruck von Verlust und Wahrheit, als ein Verweis auf das Wesentliche. Dass genau dieses Image am Reißbrett entstanden ist, spielt für ihn keine Rolle. Er hört den Blues als unverfälschte Emotion, als einen Appell an die Menschlichkeit und nicht als klangliches Abziehbild von Realität. Das akademische Veto geht an seinen Interessen vorbei. Schon deshalb wird es hartnäckig ignoriert. Die hermeneutischen Versatzstücke sickerten frühzeitig aus den USA nach Europa. Dort haben sie nicht nur die mediale Wahrnehmung, sondern auch die Erwartungshaltung der Konsumenten geprägt. Wer sich dem Blues öffnete, betrat ein abgezirkeltes diskursives Feld. Innerhalb seiner Grenzen wurden die Deutungsmuster feinjustiert und mit den spezifischen sozialen Erfahrungen abgeglichen. Die Resultate fielen in Ost und West verschieden aus. In der DDR fungierte das Bekenntnis zum Blues weitaus stärker als ein symbolischer Akt der Selbstermächtigung, als stiller Protest gegen ein repressives System. Diese Ebene schwang für den Großteil der Fans immer mit, auch wenn das Kernmotiv Unterhaltung, Spaß hieß. Der bundesdeutsche Aficionado mied genauso den Gleichschritt des Mainstreams und kultivierte die Rolle des Individualisten. Seine Entscheidung war jedoch auf deutlich differenziertere Weise ästhetisch artikuliert. Ungleiche Akzente setzte auch die Außenperspektive, die Bewertung des Blues aus der Distanz. In der BRD dominierten wirtschaftliche, in der DDR politische Intentionen. Das offizielle Bild des Blues im Osten kopierte die kapitalismuskritische Lesart des Westens und griff partiell die kämpferische Rhetorik der alternativen und gegenkulturellen Flanke auf. Die Stereotype wurden vielfach eins zu eins aus der bundesrepublikanischen Fachliteratur und Presse übernommen. Diese wiederum partizipierten am Kanon einschlägiger Veröffentlichungen in den USA und Großbritannien. Der politische Fokus blieb bis zum Fall der Mauer eine Konstante, verlor allerdings ab den siebziger Jahren, im Zuge der »Modernisierungsund Liberalisierungstendenzen« der Ära Honecker,5 sukzessiv an Schärfe und Kontur.

5

Schnoor, 775.

     301 

Wenn auch der Blues in West und Ost nahezu identisch klang, wurde er unterschiedlich mit Sinn gefüllt. Sein kultureller Gebrauch spiegelte die Herrschaftsmerkmale antagonistischer Gesellschaftssysteme. In der Bundesrepublik war der Blues eine Männerdomäne, die von Sammlern und Connaisseurs regiert wurde. Das entsprach weltweiten Trends. Auch in der DDR existierte eine solche Fraktion. Sie war im Umfeld der Jazzszene zu Hause, wo sie als überschaubare, orthodoxe Minderheit ihre Fäden zog. Deutsch-deutsche Kontakte gingen fast ausnahmslos auf die Initiative der Ostseite zurück, der Bundesbürger zeigte kaum Interesse, sondern orientierte sich an internationalen Entwicklungen. Eine breite Wirkung entfaltete der Blues in der DDR als Soundtrack einer nonkonformen Jugendkultur. Ihre Anhänger übersetzten die Musik in den sozialistischen Alltag, nutzten sie als identitätsstiftende Projektionsfläche und zur symbolischen Konfliktbewältigung, luden sie mit Bedeutungen auf, die sie anderswo nicht hatte. Die wenigen deutsch- und englischsprachigen Fachbeiträge legen die Vermutung nahe, dass selbst in den restlichen Ostblockländern dem Blues eine vergleichbare Dringlichkeit fehlte.6 Das Primat der Ideologie, das die Staatengemeinschaft zusammenschweißte, mündete offenbar nicht automatisch in musikkulturelle Konvergenz, sondern ließ genügend Spielraum. Wie dieser en détail beschaffen war, bleibt als Forschungsfrage offen. Die eingangs formulierte Hypothese, dass der Blues als globales künstlerisches Phänomen erst im sozialen Vollzug konkrete Gestalt annimmt, ist durch die vorliegende Untersuchung erhärtet worden. Sonische Impulse gehen um die Welt, landen in diversen Kontexten und lösen vielschichtige Aneignungsprozesse aus. Rohstoff formt sich. Je nach Standpunkt wird der Blues als Konsumgut, nach außen gekehrte Innerlichkeit oder Chiffre des Widerstands wahrgenommen. Alle, die an diesen Vorgängen beteiligt sind, konkurrieren im jeweiligen Segment um Machtpositionen. Sie streben nach Deutungshoheit, Distinktion oder Profit. In der Bundesrepublik waren die Verteilungskämpfe vertikal durchdekliniert, von den Fanzirkeln über die Medien bis zur Industrie. Auf der DDR-Seite blieben die Strukturen gebrochen, streuten die Interessen eher horizontal, im Widerstreit zueinander. Der Propaganda des Staates stand die Sinngebung der bluesfixierten Jugendkultur diametral gegenüber. Während ersterer diese Musik zum antikapitalistischen Sprachrohr stilisierte, diente sie letzterer der mentalen Flucht aus den reglementierten Verhältnissen des Sozialismus. Unter den Bedingungen der Mangelwirtschaft und kontrollierten Öffentlichkeit besaßen Ökonomie und Kommunikation ein anderes Gewicht im Machtgefüge des Blues. Es waren verschiedene Welten, die sich hinter einer klanglich scheinbar homogenen Oberfläche verbargen.

6

Vgl. stellvertretend Urban; Litecký-Šveda; Michalewski.

  

A AFBF AFN AG AO b BBC BFN bj BRD CBS CD CIA cl Co. ČSSR c/w DDR DEFA DFG DIN DJ DJF DKP DLF DM DNA dr

Arrangement American Folk Blues Festival American Forces Network Arbeitsgemeinschaft oder Aktiengesellschaft Anordnung bass, Bass British Broadcasting Corporation British Forces Network banjo, Banjo Bundesrepublik Deutschland Columbia Broadcasting System Compact Disc Central Intelligence Agency clarinet, Klarinette Compagnie, Company Tschechoslowakische Sozialistische Republik coupled with, gekoppelt mit Deutsche Demokratische Republik Deutsche Film AG Deutsche Forschungsgemeinschaft Deutsche Industrie-Norm Discjockey Deutsche Jazz-Föderation e. V. Deutsche Kommunistische Partei Deutschlandfunk Deutsche Mark Desoxyribonukleinsäure drums, Schlagzeug

304           

EMI EP e. V. FDJ g GBC GBCI GBG GEMA Gestapo GI GmbH GYA HA harm HiFi HR HVA IG IM K KG KPD KPdSU KZ LP L+R Ltd. MDR MfS NATO NDR NL NSDAP NWDR OPK OV p

Electrical and Musical Industries Ltd. Extended Player eingetragener Verein Freie Deutsche Jugend guitar, Gitarre German Blues Circle German Blues Circle Info German Blues Guide Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte Geheime Staatspolizei Government Issue [umgangssprachlich für amerikanischer Soldat] Gesellschaft mit beschränkter Haftung German Youth Activities [Programm der U. S. Armed Forces] Hauptabteilung [des MfS] harmonica, Mundharmonika High Fidelity Hessischer Rundfunk Hauptverwaltung Aufklärung [des MfS] Interessengemeinschaft Inoffizieller Mitarbeiter [des MfS] Komposition Kommanditgesellschaft Kommunistische Partei Deutschlands Kommunistische Partei der Sowjetunion Konzentrationslager Long Player Lippmann und Rau [Konzertagentur bzw. Tonträgerunternehmen] Limited [Gesellschaft mit beschränkter Haftung] Mitteldeutscher Rundfunk Ministerium für Staatssicherheit North Atlantic Treaty Organization Norddeutscher Rundfunk Niederlande Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei Nordwestdeutscher Rundfunk Operative Personenkontrolle Operativer Vorgang piano, Klavier

      305 

PC perc pp. PR R&B RIAS $ SA SBZ SDR SED SFB SS Stasi SWF T tb tp tu TV UK US USA v VEB VHS voc VW WDR ZDF ZK

Personal Computer percussion, Schlaginstrumente per procura [in Vollmacht] Public Relations Rhythm and Blues Rundfunk im amerikanischen Sektor US-Dollar Sturmabteilung der NSDAP Sowjetische Besatzungszone Süddeutscher Rundfunk Sozialistische Einheitspartei Deutschlands Sender Freies Berlin Schutzstaffel der NSDAP Staatssicherheitsdienst der DDR Südwestfunk Text trombone, Posaune trumpet, Trompete tuba, Tuba Television United Kingdom United States United States of America [Vereinigte Staaten von Amerika] violin, Violine Volkseigener Betrieb Volkshochschule vocals, Gesang Volkswagen Westdeutscher Rundfunk Zweites Deutsches Fernsehen Zentralkomitee

306           

   AdK, PRA BStU IJAE JID LAB SAPMO-BArch ThStA ThürAZ

Akademie der Künste, Paul-Robeson-Archiv Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR International Archive for Jazz and Popular Music of the Lippmann+Rau Foundation Eisenach Jazzinstitut Darmstadt Landesarchiv Berlin Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv Thüringisches Staatsarchiv Thüringer Archiv für Zeitgeschichte



                       

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322            Wolfrum, Edgar: Die geglückte Demokratie. Geschichte der Bundesrepublik Deutschland von ihren Anfängen bis zur Gegenwart, Stuttgart: Klett-Cotta, 22006. Woodard, Komozi: Amiri Baraka and the Music of Life: Blues People Fifty Years Later, in: Transition (2014), Issue 114, S. 3–12. Wyman, Bill/Richard Havers: Bill Wyman’s Blues Odyssey, London et al.: Dorling Kindersley Limited, 2001. Wynn, Neil A.: »Why I Sing the Blues«: African American Culture in the Transatlantic World, in: Neil A. Wynn (Hg.): Cross the Water Blues: African American Music in Europe, Jackson: University Press of Mississippi, 2007, S. 3–22.

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326            Diestelmann, Stefan: Kein Lied »nur so«, in: Wochenpost vom 22.05.1981, Nr. 21, S. 3 Die Two Beat Stompers, in: 2. Jazz-Konzert des Jazz Club Koblenz [Programmheft der Veranstaltung am 09.11.1951 um 20:30 Uhr im Großen Saal des Lesevereins Koblenz]. Die zwei Redakteure [= Thomas Gutberlet und Norbert Hess]: Liebe Leser [Editorial], in: Blues Forum 17–18/1985, S. 3. DJF: Bollwerk gegen Diffamierung, in: Jazz Podium 4/1953, S. 5. Doering, Teddy: American Folk Blues Festival, in: Jazz Podium 5/1972, S. 162–164. Doering, Teddy: Robert Johnson. The King of the Delta Blues, in: Jazz Podium 5/1971, S. 165–169. Doering, Teddy: The Story of the Blues [Rubrik »Buchbesprechungen«], in: Jazz Podium 7/1971, S. 257. Domizil-Blues-Band [Rubrik »Steckbrief«], in: Profil. Methodik zur Tanzmusik 5/1985, S. 65–66. Donisch, Peter: Blues-Szene Berlin [Rubrik »Report«], in: GBCI 46/1980, S. 13–14. Donisch, Peter: Zur Diskussion »Blues Forum« [Rubrik »Leserbriefe«], in: GBCI 56/1981, S. 36. Donisch, Peter/Rainer Steinike: Dr. Friebes Blues Band [Rubrik »Blues-Forum«], in: GBCI 52/1981, S. 45–47. Drechsel, Karlheinz: American Folk Blues Festival 66, Liner Notes der LP »American Folk Blues Festival 66«, Teil 1, Amiga 8 50 114, DDR 1966. Drechsel, Karlheinz: American Folk Blues 1966. Eine Dokumentationsserie, dem authentischen Folk Blues gewidmet. Sozialer Spiegel des anderen Amerika, in: Melodie und Rhythmus 24/1966, S. 22–25. Drechsel, Karlheinz: American Folk Blues Festival ’85, in: Melodie und Rhythmus 1/1986, S. 12–13. DT 64 Jugendkonzert [Programmheft der Veranstaltung am 06.11.1982 um 17:00 und 21:00 Uhr in der Konzerthalle Carl Philipp Emanuel Bach, Frankfurt/Oder]. Düdder, Rolf: Blinder Sänger als Nachfahr schwarzer Barden, in: Jazz Revue. Monatsschrift der Interessengemeinschaft German Jazz Collectors (GJC) [Beilage zum Musikmagazin vierViertel] 3/1954, S. XI–XII. Düdder, Rolf: Das Podium-Porträt: Blues-Singer Wolfgang Sauer, in: Jazz Podium 3/1953, S. 7. Düdder, Rolf: Der Blues ist auch hart drängender Beat. Das »American Folk Blues Festival 65« gab in Iserlohn ein erfolgreiches Gastspiel, in: Westfälische Rundschau vom 28.10.1965, S. 24. Düsing, Bernhard: Wir sind die Swing-Heinis, in: vierViertel. Zeitschrift für Musik und Tanz 19/1948, S. 3. Dugan, James/John Hammond: The Music Nobody Knows, in: From Spirituals to Swing [Programmheft, Reprint des Originals], S. 3–5, Beilage zur CD-Box »From Spirituals to Swing. The Legendary 1938 & 1939 Carnegie Hall Concerts, Produced by John Hammond«, Vanguard Records 169/71–2, USA 1999. Ebel, Rudolf: Streitgespräch um den wahren Jazz, in: Jazz Tempo. Zeitschrift für die Freunde des Jazz 2/1951, S. 7–8, 18.

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Eck, Helmut J.: Die musikalische Artikulation der afro-amerikanischen Minderheit in den Vereinigten Staaten, betrachtet an der spezifischen Musikform des Blues, unter Berücksichtigung der sozialen Situation der Neger, GBCI 55/1981. Editorial, in: GBCI 2/1976, S. 1. Editorial, in: GBCI 6/1977, S. 1. Editorial, in: GBCI 6/1987, S. 2. Editorial, in: GBCI 7/1977, S. 1. Editorial, in: GBCI 8/1977, S. 1. Editorial, in: GBCI 9/1977, S. 1–2. Editorial, in: GBCI 11/1983, S. 2. Editorial, in: GBCI 12/1983, S. 2. Editorial, in: GBCI 14/1977, S. 1–2. Editorial, in: GBCI 15/1977, S. 1. Editorial, in: GBCI 16/1977, S. 1–2. Editorial, in: GBCI 18/1978, S. 1–2. Editorial, in: GBCI 21/1978, S. 1–2. Editorial, in: GBCI 22/1978, S. 1. Editorial, in: GBCI 23/1978, S. 1. Editorial, in: GBCI 26/1978, S. 1–2. Editorial, in: GBCI 29/1979, S. 1–3. Editorial, in: GBCI 30/1979, S. 1–3. Editorial, in: GBCI 33/1979, S. 1–2. Editorial, in: GBCI 35/1979, S. 1–2. Editorial, in: GBCI 36/1979, S. 1–2. Editorial, in: GBCI 37/1979, S. 1–3. Editorial, in: GBCI 38/1979, S. 1–2. Editorial, in: GBCI 39/1979–80, S. 1–2. Editorial, in: GBCI 41/1980, S. 1–2. Editorial, in: GBCI 43/1980, S. 1. Editorial, in: GBCI 45/1980, S. 1–2. Editorial, in: GBCI 49/1980, S. 1–2. Editorial, in: GBCI 56/1981, S. 40. Editorial, in: GBCI 58/1982, S. 2. Eger, Jürgen: Als Gast: Bernd Kleinow, in: Unterhaltungskunst 10/1981, S. 20–21. Ehrung in der Akademie der Künste für Harry Belafonte. Prof. Dr. Manfred Wekwerth übergab Berufungsurkunde, in: Neues Deutschland vom 26.10.1983, S. 2. Eik, Jan: Blues an der Oder, in: Die Weltbühne vom 23.11.1982, Nr. 47, S. 1502–1503. Ein Amerikaner in Frankfurt: Wenn Big Bill singt, tobt das Publikum. Finanziert sein Medizinstudium »mündlich«, in: Abendpost [Frankfurt am Main] vom 28.06. 1955, S. 5. Ein skandalöses Ereignis, in: Berlin-Jazz. Mitteilungsblatt des Jazz-Club Berlin [West], Nr. 5, März–April 1956. Endress, Gudrun: Spoon & Blues, in: Jazz Podium 8/1970, S. 266–267 und 285. Engbarth, Gerhard: Liner Notes der LP »Louisiana Red: Anti-Nuclear Blues«, L+R Records, LR 42.045, BRD 1983. Entartete Kunst?, in: Westjazz 26/1957, hrsg. vom Hot Club Dortmund. Erstaunliches Resultat beim Gondel-Poll, in: Jazz Podium 2/1954, S. 3.

328            Erstes Blues-Festival der Welt. DJF und »twen« als Veranstalter – J. E. Berendt: »Das hat noch niemand getan«, in: Jazzer. Die Deutsche Jazz-Zeitung 8/1962, S. 1. Fast 1200 DM für Big Bill Broonzy, in: Westjazz. Das deutsche Jazz-Nachrichtenblatt, Nr. 36, August 1958, S. 6. Feldmann, Martin: American Folk Blues Festival 1982, in: GBCI 63/1983, S. 11–12. Finanzamt Frankfurt (Main)-Börse: Brief an den German Blues Circle, Betr.: Gemeinnützigkeit, in: GBCI 49/1980, S. 3–4. Flügge, Herbert: Kunst und Leben. American Folk Blues Festival ’83, in: Melodie und Rhythmus 3/1984, S. 8. Folk Blues [von gmé], in: Thüringische Landeszeitung vom 17.11.1983, S. 6. Folk Blues Stars in Deutschland [Rubrik »Jazz News«], in: Jazz Podium 8/1972, S. 6. Fragebogen-Auswertung zur 2. Fragebogenaktion unter GBC-Mitgliedern vom Januar 1979, in: GBCI 32a/1979, S. 1–4. Freyer, Winfried: Al Rapone & The Zydeco Express, Dresden, 2. April 1984, in: Blues Forum 14/1984, S. 19–20. Freyer, Winfried: American Folk Blues Festival, Dresden, 14. Nov. 1983, in: Blues Forum 12/1983, S. 25–27. Freyer, Winfried: Blues-Forum, in: 20 Jahre AG Jazz im Klubhaus AWE im Rahmen der 10. Betriebsfestspiele des VEB Automobilwerk Eisenach [Programmheft]. Freyer, Winfried: Errol Dixon in Ost-Berlin [Rubrik »Konzertberichte«], in: GBCI 13/1977, S. 17–18. Freyer, Winfried: Going to East Berlin… [Rubrik »Konzertberichte«], in: GBCI 18/1978, S. 14–17. Freyer, Winfried: James Booker in Ost-Berlin [Rubrik »Konzertberichte«], in: GBCI 7/1977, S. 4. Freyer, Winfried: Muddy Waters Band in Warschau, in: AG Jazz Eisenach (Hg.): Die Posaune, Nr. XII, Juni 1977, S. 23–24, IJAE. Freyer, Winfried: Muddy Waters in Warschau [Rubrik »Konzertberichte«], in: GBCI 6/1977, S. 3. Freyer, Winfried: Winne’s Blues, in: GBCI 14/1977, S. 8–9. From Spirituals to Swing [Booklet], 44 S., Beilage zur CD-Box »From Spirituals to Swing. The Legendary 1938 & 1939 Carnegie Hall Concerts, Produced by John Hammond«, Vanguard Records 169/71–2, USA 1999. Für und wider den Jazz in Darmstadt [von K-D. K.], in: Jazz Podium 6/1953, S. 15. Gebhard, Hermann: Kleiner Leserbrief zum Thema weißer Blues [Rubrik »Leserbrief«], in: GBCI 17/1978, S. 4. Gebhard, Hermann: Thema: Blues am Rande des Skandals [Leserzuschrift], in: Jazz Podium 8/1976, S. 27. Gehl, Leo: American Folk Blues Festival ’82, in: Unterhaltungskunst 1/1983, S. 20– 21. Gerhard Engbarth [Rubrik »Blues-Forum«], in: GBCI 5/1976, S. 2. Gerloff, Joachim: Jazz am Scheideweg, in: Jazz Podium 10/1959, S. 239–240. Göbel, Willi [Rubrik »Leserbrief«], in: GBCI 41/1980, S. 11–12. Groh, Claus: Ausverkauf in Sachen Blues? [Leserzuschrift], in: GBCI 4/1976, S. 6. Groh, Claus: Liner Notes des Samplers »American Folk Blues Festival ’81«, L+R Records, LS 42.022, BRD 1981.

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Groh, Claus: Thema: Blueskonzert der Berliner Jazztage 1977 [Leserzuschrift], in: Jazz Podium 4/1978, S. 28. Grosser, Dietmar: »Blues ist Leben«. DAS VOLK sprach mit »Englands Blues-Vater«, John Mayall, in: Das Volk vom 08.04.1987, S. 6. Großer Deutscher Jazzplatten-Preis 1953/54, in: Jazz Podium 8/1954, S. 3–4. Großstadtblues vom 5. Kontinent. Jazzprominenz aus Chicago. Abstecher vom American Folk Blues Festival 1964 [von ip], in: Brandenburgische Neueste Nachrichten vom 06.11.1964, S. 6. Gschwendner, Willie: Bericht vom AFBF 72/2, in: blues notes 1/1973, S. 21. Gschwendner, Willie: Oscar Klein’s Bluesmen & Günter Boas [Rezension der 1977 bei Joke Records erschienenen LP, JLP 204], in: Jazz Podium 5/1977, S. 34. Günter Boas Bluesicians [Flyer], IJAE, Sammlung Günter Boas. Günter Boas. 25 Jahre für den Jazz, in: Jazz Podium 10–11/1962, S. 241. Günter Boas sang den Blues, in: Westjazz. Das deutsche Jazz-Nachrichtenblatt, Nr. 37, September 1958, S. 6. Günter Boas & Oscar Klein’s Bluesmen [Flyer], IJAE, Sammlung Günter Boas. Gutberlet, Thomas: American Folk Blues Festival, in: Musiker 8/80, S. 23. Gutberlet, Thomas: Lieber Bluesfreund [Editorial], in: Blues Forum 1/1980, S. 3. Gutberlet, Thomas: We Are Only in It for the Money [offener Brief], in: GBCI 43/1980, S. 2–4. Gutberlet, Thomas/Norbert Hess: Liebe Leser [Editorial], in: Blues Forum 20/1987, S. 3. Haake, Bernd: »Uns bleibt die Spucke weg – Sie fallen fast vom Hocker«. Eindrücke einer Blues-Tournee der Bernd Haake Band durch die DDR, in: Unsere Zeit vom 08.10.1988, S. 8. Hail Hail Freakonia!!! Das Rezept von Rev. I. B. Ware [Rubrik »GBC-Roman«], in: GBCI 38/1979, S. 15–16. Hail Hail Freakonia!!! The Three Cretinos, in: GBCI 43/1980, S. 35–36. Hallenberg, Percy A.: Musik aus schwarzen Tränen. Die Jazz-Story für Fans und Feinde, in: Bild am Sonntag vom 05.08.1956, S. 8–9. Hammond, John: Random Notes on the Spirituals to Swing Recordings, in: From Spirituals to Swing [Booklet], S. 7–10, Beilage zur CD-Box »From Spirituals to Swing. The Legendary 1938 & 1939 Carnegie Hall Concerts, Produced by John Hammond«, Vanguard Records 169/71–2, USA 1999. Harms, Christian T.: Blues 1976 – Live in Chicago [Rubrik »Reise-Bericht«], in: GBCI 4/1976, S. 5. Hecke, Dirk/Gabi Günther: Anmerkungen zu Rassismus, Größenwahn & Dünkel in puncto Beschränkung des GBC auf schwarzen Blues [Rubrik »Leserbrief«], in: GBCI 41/1980, S. 17–18. Heese, Peter/Peter Scholz: Interview mit Stefan Diestelmann, in: Festivalzeitung [Tageszeitung des Festivals des politischen Liedes] vom 18.02.1979, S. 9. Heidkamp, Konrad: There Is a House in Eisenach, in: Die Zeit vom 30.08.2007, Nr. 36, S. 49. Heinicke, Klaus Jürgen: Liner Notes der LP »James C. Booker: Let’s Make a Better World! Live in Leipzig, 29. Oktober 1977«, Amiga 001–91, BRD 1991.

330            Heinrich, Franz: Jazz und Amerikanismus, in: Jazz Revue. Monatsschrift der Interessengemeinschaft German Jazz Collectors (GJC) [Beilage zum Musikmagazin vierViertel] 9/1954, S. II–IV. Hennessey, Mike: The Lippmann + Rau Story, in: 25 Years of Concert Promotion [Festzeitung der Agentur, 16-seitiges Supplement zu Billboard vom 27.12.1980], S. 3, 6, 11, 13 und 15, IJAE. Henning, Jürgen: Paul Oliver: Blues Fell This Morning [Rubrik »Buch-Besprechung«], in: GBCI 12/1991 + 1/1992, S. 8. Hermes, Ida: Klubgeschichten oder »Ein Blueszentrum – und mehr nicht?«, in: Lausitzer Rundschau vom 08.04.1981, S. 6. Hess, Norbert: American Blues Legends ’79, in: Jazz Podium 12/1979, S. 29 und 49. Hess, Norbert: American Folk Blues Festival ’72, in: Jazz Podium 11/1972, S. 22–23. Hess, Norbert: American Folk Blues Festival ’80. Im Spiegel der Presse, in: Jazz Podium 7/1980, S. 28–29. Hess, Norbert: Der Blues – Alter Kram oder neuer Boom?, in: tip 5/1981, S. 44–49. Hess, Norbert: Fritz Rau. Buchhalter der Träume [Buchrezension, Rubrik »Drucksachen«], in: Blues Forum 20/1987, S. 40. Hoefer, George: The Hot Box, in: Down Beat vom 17.10.1957, S. 6. Höffer, Paul: 2 x Jazz-Dämmerung, in: Melodie. Illustrierte Zeitschrift für Musik-, Film-, Theater-Freunde 6/1947, S. 7–8. Hönig, Bernhard: Stefan Diestelmann Anfang 1984 – was blieb, was wurde? OriginalLiner-Notes der LP »Stefan Diestelmann: Folk Blues & Boogie«, musiCando 2160 025, BRD 1990, Booklet S. 2–3. Hönig, Bernhard: Stefan Diestelmann: Musikant, Sänger, Komödiant, in: Das Magazin 9/1981, S. 35–36. Holz, Jürgen: How Blue Can You Get? [Rubrik »White Blues«], in: GBCI 17/1978, S. 14. Holzheuser, Hanno: Al Jones Blues Band, Marina Kay Blues Band, Hoochie Coochie Blues Band, Charly Schreckschuss Band [Sammelrezension, Rubrik »Schallplatten«], in: Blues Forum 13/1984, S. 29–31. Holzheuser, Hanno: Sugar Blue. Wir haben nicht mehr 1950!, in: Blues Forum 10/1983, S. 10. Hortig, Michael: Schattenseiten des Blues in Österreich, in: Blues Life 3/1981, S. 25. Hoyer, Timo: Stevie Ray Vaughan and Double Trouble: Texas Flood, Couldn’t Stand the Weather, Soul to Soul [Sammelrezension, Rubrik »Schallplatten«], in: Blues Forum 19/1986, S. 28. Hoyer, Timo: The Robert Cray Band: Bad Influence [Plattenrezension, Rubrik »Schallplatten«], in: Blues Forum 16/1984, S. 31. Hudtwalcker, Olaf: Blues als Maßstab, in: American Folk Blues Festival 1964. A Documentation of the Authentic Blues. Featuring the Best Blues Artists of America [Programmheft]. Hudtwalcker, Olaf: Champion Jack Dupree [LP-Rezension, Storyville SLP 107], in: Jazz Podium 8/1960, S. 182. Hudtwalcker, Olaf: Leadbelly (Huddie Ledbetter and Golden Gate Jubilee) [EPRezension, franz. RCA EPA 818], in: Jazz Podium 5/1960, S. 114. Im Licht und Schatten der Jazz-Szene. Die Erfahrungen des Oscar Klein, in: Jazz Podium 3/1975, S. 7–10.

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Jazzbummel mit Günter Boas durch die Zeiten hüben und drüben, in: Jazz Podium 8/1979, S. 16–20. Jazzfreunde aus Ost und West in Halle. Theorie und Praxis bei der Jazz-Woche [von S. Sch. = Siegfried Schmidt], in: Jazz Podium 1/1957, S. 9–10. Jazzpress Nr. 17/2, 11.05.1959, hrsg. vom Äquator-Verlag, Berlin (West), JID. Jessen, Willers: Die Großstadt im Blues und in der schwarzen Dichtung, GBCI 48/1980. Jim Kahr [Rubrik »Blues-Forum«], in: GBCI 5/1976, S. 2. Jubel um Sister Rosetta Tharpe. Gospelsongs beim Treffpunkt Jazz in Stuttgart, in: Jazz Podium 3/1958, S. 53. Kahr, Jim [Rubrik »Leserbrief«], in: GBCI 24/1978, S. 17–18. Karcher, Siegfried: Bluesfest in Gaildorf [Rubrik »Konzerte & Festivals«], in: Blues Forum 7/1982, S. 16–17. Karcher, Siegfried: Werbedummbeutelei des Jahres, in: GBCI 52/1981, S. 6. Kilian, Klaus: Blues Co.: Live [Plattenrezension, Rubrik »Neu eingegangen«], in: GBCI 50/1980, S. 15. Kilian, Klaus: Charly Schreckschuss Band: Schneller – Höher – Weiter – Besser [Rubrik »Schallplattenbesprechungen«], in: GBCI 7/1988, S. 13. Kilian, Klaus: Richard Bargel: Babe! [Rubrik »Schallplatten-Besprechungen«], in: GBCI 10/1988, S. 11. Kirche und Jazz, in: Jazz-Echo. Ständige Gondel-Beilage für die Jazzfreunde, März 1955, S. 43. Klemme, Friedrich: American Folk Blues Festival 1982, Kamen, in: Blues Forum 8/1982, S. 19–20. Klose, Michael [Rubrik »›Was ich schon immer mal sagen wollte‹ – Meinungen von Mitgliedern des GBC aus der 2. Fragebogenaktion vom Januar 1979«], in: GBCI 30a/1979, S. 7. Klose, Michael: Blues & Trouble [Rubrik »Drucksachen«], in: Blues Forum 3/1981, S. 32. Kobelt, Gerhardt: Two Beat Jazz in Hamburg, in: Berlin-Jazz. Mitteilungsblatt des Jazz-Club Berlin [West], Nr. 5, März–April 1956, S. 10–11. Köhler, Mike: The American Folk-Blues Festival. The British Tours 1963–66 [DVDKritik], in: Musikexpress 4/2008, S. 99. Köhsel, U. [= Ulli]: Betr.: Eilmitteilung R. Schuberts zur abgesagten Willie MabonTournee [Rubrik »Leserbrief«], in: GBCI 31/1979, S. 2. Kraus, Herbert [Rubrik »›Was ich schon immer mal sagen wollte‹ – Meinungen von Mitgliedern des GBC aus der 2. Fragebogenaktion vom Januar 1979«], in: GBCI 30a/1979, S. 8. Kritiker-Jazz-Poll der Deutschen Jazz-Föderation, in: Jazz Podium 2/1954, S. 6. Küppers, W.: Fragen zum Editorial in Info 37 [Rubrik »Leserbriefe«], in: GBCI 38/1979, S. 3–4. Küppers, W.: Weißer Blues [Rubrik »White Blues«], in: GBCI 13/1977, S. 2–4. Küstner, Axel: Liner Notes der Doppel-LP »The Introduction to Living Country Blues USA. Field Recordings from Mississippi, Tennessee, Louisiana, Virginia, etc.«, L+R Records, LS 42.030, BRD 1981. Kulla, Bernd: Blues in Gaildorf. Bericht vom GBC-Sommertreffen, in: GBCI 25/1978, S. 6–7.

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Lippmann, Horst: Liner Notes der LP »Margie Evans: Mistreated Woman«, L+R Records, LR 42.050, BRD 1982. Lippmann, Horst: Liner Notes der LP »Sonny Boy Williamson & The Yardbirds with Eric Clapton«, L+R Records, LR 42.020, BRD 1980. Lippmann, Horst: Sehr verehrter Konzertbesucher, in: American Folk Blues Festival 1963. Eine Dokumentation des authentischen Blues. Ein Konzert mit den besten Blues-Sängern Amerikas [Programmheft]. Lippmann, Horst/Joachim-Ernst Berendt/Siegfried Schmidt-Joos: Die Solisten des American Folk Blues Festivals 62, in: Jazz Podium 8/1962, S. 181–183. Lippmann, Horst/Fritz Rau: Zum Programm, in: American Folk Blues Festival ’81 [Programmheft]. Lippy [= Horst Lippmann]: Hot Club Frankfurt [Rubrik: »Clubmeldungen aus Deutschland«], in: Hot-Club News Nr. 29/30 [1948], S. 21–22, IJAE, Sammlung Günter Boas. Long Play Slim: The Thrill Is Gone… [Leserzuschrift], in: GBCI 3/1984, S. 11. Lorenz, Reinhard: Blues aus erster Hand. Eisenacher Jazzfreunde erlebten das American Folk Blues Festival ’82 in Frankfurt/O., in: Thüringische Landeszeitung vom 25.11.1982, S. 6. Lorenz, Reinhard: Blues in memoriam von Muddy Waters. Jazz-Ereignis des Herbstes: American Folk Blues Festival ’83 in Dresden, in: Thüringische Landeszeitung vom 29.11.1983, S. 7. Lorenz, Reinhard: Volker Albold, Rainer Bratfisch: Blues heute [Buchrezension in der Rubrik »Medienkritik«], in: Unterhaltungskunst 7/1988, S. 22–23; Nachdruck in: GBCI 8/1988, S. 4–6. Lorenz, W.: Oh Lawdy Lawd! [Rubrik »Leserbriefe«], in: GBCI 22/1978, S. 12–13. Louisiana Red, in: American Folk Blues Festival ’81 [Programmheft]. L+R Records, in: 25 Years of Concert Promotion [Festzeitung der Agentur, 16-seitiges Supplement zu Billboard vom 27.12.1980], S. 4 und 15, IJAE. L+R Records News: Living Country Blues, 2 Bl., Privatsammlung Horst Lippmann. Macht der Jazz uns doch frei? Onkel Toms Hütte à la Adorno oder Musik unserer Zeit – Antworten auf eine Herausforderung, in: Christ und Welt vom 05.02.1965, S. 20. Malsch, Isolde: Lieder des anderen Amerika [Leserzuschrift], in: Funk und Fernsehen der DDR 19/1962, S. 9. Mangelsdorff, Albert: Liebe zur Musik. Da streitet sich die Jazz-Kritik…, in: Christ und Welt vom 02.04.1965, S. 24. Marschall, Fritz: Goin’ down South [Rubrik »Report aus den USA«], in: GBCI 30/1979, S. 21–23. Marschall, Fritz: Going to Louisiana [Rubrik »Reise-Bericht«], in: GBCI 37/1979, S. 12–14. Marschall, Fritz: Paul Oliver in Frankfurt, in: Blues Forum 2/1981, S. 33. Marschall, Fritz: The Frankfurt City Blues Band: Second Step [Plattenrezension, Rubrik »Neu eingegangen«], in: GBCI 50/1980, S. 15. Marschall, Fritz: Zwei Blueszeitschriften, in: GBCI 51/1981, S. 5–6. Martin, Wolfgang: Diestelmann’s »Bluesgeschichte«, in: neues leben 1/1981, S. 34– 35. Martin, Wolfgang: Stefan Diestelmann Folk Blues Band [Plattenrezension, Rubrik »H wie hören«], in: neues leben 11/1978, S. 34–35.

334            McNair Officers’ Club, Frankfurt/Main-Hoechst: Program October 1954, IJAE, Sammlung Günter Boas. Meier, Erwin: Das Dritte Ohr: Himmel oder Hölle [Plattenrezension], in: Blues Forum 8/1982, S. 24. Meier, Erwin: Das Dritte Ohr: Zahltag [Plattenrezension], in: Blues Forum 2/1981, S. 38–39. Mertink, Axel [Rubrik »›Was ich schon immer mal sagen wollte‹ – Meinungen von Mitgliedern des GBC aus der 2. Fragebogenaktion vom Januar 1979«], in: GBCI 30a/1979, S. 5–6. Metzner, Jochen: Vom Boogie zum Funk. Das »American Folk Blues Festival« im Quartier Latin, in: Der Tagesspiegel vom 27.10.1985, S. 4. Miller, Manfred: AFBF = American Fopp Blues Festival?, in: Blues Forum 3/1981, S. 20–21. Miller, Manfred: Das Dritte Ohr, Liner Notes der LP »Das Dritte Ohr: Zahltag. Wetterfester Blues & Boogie in unserer Sprache«, Teldec 6.24397 AP, BRD 1980. Miller, Manfred: King ist King. Zur Tournee von B. B. King, in: Jazz Podium 3/1968, S. 85. Miller, Manfred: Space Age Blues. Musik aus dem »Underground«, in: Jazz Podium 10/1968, S. 313 und 315. Ministerium für Kultur, Komitee für Unterhaltungskunst: Bilanzmaterial zum Kongress der Unterhaltungskunst der DDR, 1. bis 2. März 1989, Berlin 1989. Minister Strauß hält Jazz bei der Bundeswehr für absolut förderungswürdig. JoachimErnst Berendt interviewte den Bundesverteidigungsminister, in: Westjazz. Das deutsche Jazz-Nachrichtenblatt, Nr. 37, September 1958, S. 3. Mitglieder-Liste nach Alphabet, in: GBC (Hg.): GBG 1979/80, Frankfurt am Main, 1979, S. 5–23. Mitglieder-Liste nach Mitgliedsnummern, in: GBC (Hg.): GBG 1977/78, Frankfurt am Main, 1977, S. 5–40 und 51–52. Montag, Peter: Travelling Blues – Versuch einer Selbstdarstellung, in: AG Jazz Eisenach (Hg.): Die Posaune, Nr. XII, Juni 1977, S. 4, IJAE. Morgan, Tommy: Das Melodie gewordene Schreien der Armen [Nachdruck eines Artikels der Stuttgarter Zeitung »Sonntag Aktuell« vom 13.07.1980; Rubrik »Zitat«], in: GBCI 50/1980, S. 40. Muddy Waters, in: Melodie und Rhythmus 1/1977, S. 10. Münnich, Hartmut M. [Rubrik »›Was ich schon immer mal sagen wollte‹ – Meinungen von Mitgliedern des GBC aus der 2. Fragebogenaktion vom Januar 1979«], in: GBCI 30a/1979, S. 5. Musik des anderen Amerika [von Lx], in: Neues Deutschland vom 17.10.1966, S. 3. Musikliteratur in Neuauflage: Blues & Trouble, in: FF dabei 12/1982, S. 40. Musik unserer schwarzen Brüder [Programmhinweis], in: Unser Rundfunk 4/1958, S. 10. Nake, Frieder: Leserzuschrift zum Thema »Sister Rosetta Tharpe«, in: Jazz Podium 6/1958, S. 126. Nass, Karl-Heinz: Leckerbissen für den verwöhntesten Geschmack: Die Essener JazzTage 1960, in: Jazz Podium 5/1960, S. 101–103. Neues deutsches Plattenlabel: L & R, in: Jazz Podium 10/1979, S. 30.

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336            Protokoll der 2. ordentlichen Mitgliederversammlung des German Blues Circle am 25.2.1978 in Frankfurt/M., 10.03.1978, in: GBC (Hg.): GBG 1979/80, Frankfurt am Main, 1979, S. 102–103. Protokoll der 4. ordentlichen Mitgliederversammlung am 8. März 1980 in Frankfurt am Main, 11.03.1980, in: GBC (Hg.): GBG 1981, Frankfurt am Main, 1980, S. 23–25. Quality in »Blues«, in: Metronome, September 1923. Nachdruck in: Karl Koenig (Hg.): Jazz in Print (1856–1929): An Anthology of Selected Early Readings in Jazz History, Hillsdale, NY: Pendragon Press, 2002, S. 260. Rehnberg, Bert: Blues Fell This Morning, [Rubrik »Buchbesprechungen«], in: Jazz Podium 11/1960, S. 250. Rehnberg, Bert: Der große Huddie Ledbetter, in: Jazz Podium 3/1957, S. 11–12. Rehnberg, Bert: Samuel B. Charters: The Country Blues [Rubrik »Buchbesprechungen«], in: Jazz Podium 1/1960, S. 20. Reitz, Louis: American Folk Blues Festival. Erlangen, 15. Okt. 1985, in: Blues Forum 19/1986, S. 16. Report, in: GBCI 9/1977, S. 4–6. Richard Bargel [Rubrik »Blues-Forum«], in: GBCI 7/1977, S. 3. Ringe, Bernie: Brief an Klaus Kilian [Rubrik »Leserbriefe«], in: GBCI 57/1982, S. 18. Rinker, Hermann: Zum Rassenproblem im Jazz, in: vierViertel. Magazin für Musiker und Musikfreunde 4/1952, S. 30–31. Robert Johnson: King of the Delta Blues Singers [Rezension der 1962 bei Philips erschienenen LP, BBL 7539, von -g-g], in: Jazz Podium 3/1964, S. 78. Robeson, Paul: Aus der Rede vor Studenten der Humboldt-Universität, Berlin, 5. Oktober 1960, in: Paul Robeson. Zu seinem 70. Geburtstag am 9. April 1968 [Katalog zu »Paul Robeson. Ausstellung zu Ehren seines 70. Geburtstags am 9. April 1968, Internationales Ausstellungszentrum Berlin, 8. April bis 28. April«], S. 19, AdK, PRA: 9.1/2.9. Rocha, U. A. [Rubrik »Leserbriefe«], in: GBCI 56/1981, S. 36–37. Rosenberg, A.: Von der Blues-Renaissance zur Blues-Hysterie…, in: Jazz Podium 1/1963, S. 16. Rosenberg, A.: Wo Empörung zur Pflicht wird… Ein Beitrag zum Thema »Rock and Roll«, in: Jazz Podium 10/1961, S. 232. Rubrik »Konzertberichte«, in: GBCI 2/1976, S. 3. Rüb, A. [Rubrik »Leserbrief«], in: GBCI 31/1979, S. 11. Satzung des »German Blues Circle«, 11.03.1980, in: GBC (Hg.): GBG 1982/83, Frankfurt am Main, 1983, S. 44–45. Schaub, Werner [Rubrik »›Was ich schon immer mal sagen wollte‹ – Meinungen von Mitgliedern des GBC aus der 2. Fragebogenaktion vom Januar 1979«], in: GBCI 30a/1979, S. 4. Schmidt, Siegfried: Ist der Blues kommerziell? Eine Betrachtung und Umfrage, in: Jazz Podium 7/1959, S. 171–173. Schmidt-Joos, Siegfried: A Blues Analysis, in: American Folk Blues Festival 1964. A Documentation of the Authentic Blues. Featuring the Best Blues Artists of America [Programmheft].

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Schmidt-Joos, Siegfried: American Folk Blues Festival, in: First Time I Met the Blues. 40 Jahre American Folk Blues Festival 1962–2002, Eisenach, 30. August bis 1. September 2002 [Programmheft], S. 13. Schmidt-Joos, Siegfried: American Folk Blues Festival 1963, in: Jazz-Echo. Ständige Gondel-Beilage für die Jazzfreunde, Dezember 1963, S. 40–41. Schmidt-Joos, Siegfried: Bluesdaddy Goodbye. Nachruf auf Alexis Korner von SSJ in rundy (13/1984), in: Kathrin Brigl (Hg.): Alles wieder auf Anfang. Siegfried Schmidt-Joos zum 65. Geburtstag, Stockstadt: rundy media GmbH, 2001, S. 22– 23. Schmidt-Joos, Siegfried: Liner Notes der LP »American Folk Blues Festival ’62«, L+R Records, LR 42.017, BRD 1981. Schmidt-Joos, Siegfried: Musikalische Koexistenz oder Integration?, Folge III: Ausstrahlung des Jazz auf die Populärkultur, in: Jazz Podium 8/1967, S. 220–221. Schneider, Hans-Wolf: »Wer bannt die Geister, die ich rief?«, in: Berlin-Jazz. Mitteilungsblatt des Jazz-Club Berlin [West], Nr. 5, März–April 1956, S. 4. Schnitzler, Karl-Eduard von: »Demokratie«, in: Der Rundfunk 9/1951, S. 5. Schomburgk, Dr. Hans: Musik erfreut des Negers Herz, in: Melodie. Illustrierte Zeitschrift für Musik-, Film-, Theater-Freunde 8/1947, S. 4–6. Schubert, Rolf [Rubrik »›Was ich schon immer mal sagen wollte‹ – Meinungen von Mitgliedern des GBC aus der 2. Fragebogenaktion vom Januar 1979«], in: GBCI 30a/1979, S. 2. Schubert, Rolf: Antwort auf Willy Leisers Brief [Rubrik »Leserbriefe«], in: GBCI 36/1979, S. 10–11. Schubert, Rolf: Brief an den Vorstand [Rubrik »Leserbrief«], in: GBCI 57/1982, S. 2. Schubert, Rolf: Offener Brief an Ulli Köhsel [Rubrik »Leserbrief«], in: GBCI 33/1979, S. 3–4. Schütt jr., Peter: Der Blues, in: GBCI 52/1981, S. 40–43. Schulze, Karl-Gerhard: 6. Gaildorfer Bluesfest, in: GBCI 9/1983, S. 7. Schwarzes Fieber [von –b–], in: vierViertel. Zeitschrift für Musik und Tanz 1/1949, S. 14. Seghers, Anna: Zum 75. Geburtstag von Paul Robeson, in: Akademie der Künste der DDR/Paul-Robeson-Komitee der DDR (Hg.): Paul Robeson [Broschüre zum 75. Geburtstag am 9. April 1973], S. 4, AdK, PRA: 9.3/100. Seitz, Thomas: Das Dritte Ohr in Marburg, in: GBCI 21/1978. S. 17. Sellhorn, Josh [= Werner]: Nothing But the Blues. Eine Hommage auf den Berliner Musiker Toby Fichelscher, Teil 1, in: Der Jazzfreund. Mitteilungsblatt für Jazzfreunde in Ost und West, Nr. 1 (173), März 1999, S. 4–10. Smith, Norman: Stirbt der Jazz?, in: Jazz Podium 4/1954, S. 8. Sofa des Psychoanalytikers. Authentischer Blues in Darmstadts Otto-Berndt-Halle [von Schi], in: Darmstädter Echo vom 20.11.1964, S. 9. Something About the Artists, in: From Spirituals to Swing [Programmheft, Reprint des Originals], S. 9–18, Beilage zur CD-Box »From Spirituals to Swing. The Legendary 1938 & 1939 Carnegie Hall Concerts, Produced by John Hammond«, Vanguard Records 169/71–2, USA 1999. Sonny Terry und Brownie McGhee kamen mit Chris Barber [von D. Z. = Dieter Zimmerle], in: Jazz Podium 7/1958, S. 148.

338            Starke, Frank: Jazzkonzerte mit Flötenvirtuosen, Gospel und Blues. Zwei Abende im TiP und im Filmtheater Kosmos, in: Neues Deutschland vom 09.10.1980, S. 4. Stefan Diestelmann [Bericht in der Länderrubrik »Deutschland«], in: Blues Forum 14/1984, S. 39. Stefan Diestelmann aus Melodie und Rhythmus 9/80 (DDR), in: GBCI 50/1980, S. 51–52. Stefan Diestelmann Folk Blues Band [Plattenrezension, von rl = Reinhard Lorenz], in: GBCI 46/1980, S. 25–26. Stefan Diestelmann & Co. Folk-Blues-Band-Berlin [Flyer], BStU, MfS, BV Berlin, AOPK 6698/83, Bd. I, Bl. 158. Steffl, Christoph: Hat der Blues noch Zukunft?, in: GBCI 22/1978, S. 10–11. Steinike, Rainer: American Folk Blues Festival 83, in: GBCI 12/1983, S. 12. Steinike, Rainer: Blues-Szene in der DDR [Rubrik »Blues-Forum«], in: GBCI 51/1981, S. 41–42. Sterner, Peter: John Mayall [Rubrik »Basisarbeit«], in: GBCI 58/1982, S. 18–22. Storcks, Michael [Rubrik »›Was ich schon immer mal sagen wollte‹ – Meinungen von Mitgliedern des GBC aus der 2. Fragebogenaktion vom Januar 1979«], in: GBCI 30a/1979, S. 3. Strachwitz, Chris: Mit dem American Folk Blues Festival in Europa, in: Jazz Podium 12/1969, S. 402–404. Svacina, F+F: American Folk Blues Festival ’81 im Wiener Konzerthaus, in: Blues Life 2/1981, S. 4–6. Svacina, Fritz und Franziska: Die ersten zehn Jahre, in: Blues Life 4/1987, S. 3–6. Taige, Marina/Arnulf Keppler [Rubrik »Leserbrief«], in: GBCI 40/1980, S. 7–8. Tandel, Alain: »Der Jazz ist nicht nur Musik, er ist das Leben selbst«. Ein Gespräch mit Günter Boas, Teil I bis III, in: Informationsblatt des Jazzclub Werne e. V., beendet am 30.05.1988, IJAE, Sammlung Günter Boas. The Blues Band: The Official Blues Band Bootleg [Plattenrezension], in: Sounds 4/1980, S. 56. Theorie und Praxis: G. H. Boas, in: Jazz Podium 7/1956, S. 4. Tomashefsky, Steve [Rubrik »Leserbriefe«], in: GBCI 51/1981, S. 11. Trebron, Mojo [Bericht in der Länderrubrik »Deutschland«], in: Blues Forum 16/1984, S. 49. Trebron, Mojo: Christian Rannenberg & »Detroit« Gary Wiggins: Introducing The International Blues Duo to the World [Plattenrezension, Rubrik »Schallplatten«], in: Blues Forum 16/1984, S. 33. Trebron, Mojo: Der »weiße Blues«. Der alte Streit: Können und dürfen Weiße Blues spielen und singen?, in: Blues Forum 16/1984, S. 15–21. Trebron, Mojo: Stevie Ray Vaughan, in: Blues Forum 19/1986, S. 12–13. Über den Hot Club Dortmund, in: Benefiz-Konzert für Big Bill Broonzy [Programmheft der Veranstaltung am 28.06.1958 um 22:30 Uhr im »Universum«, Dortmund], S. 8. Unser Porträt: Lonnie Johnson, in: AG Jazz Eisenach (Hg.): Die Posaune. Informationen der AG Jazz Eisenach in der FDJ-Organisation des AWE, 1. Jahrgang, Nr. 3/1959, IJAE. Veranstaltungen des Jazzclub Leipzig, in: Jazzclub Leipzig (Hg.): Jazz Report, Nr. 17, November 1982.

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Verzeichnis der Blues-Bands und Blues-Musiker, in: Blues Guide Germany 1999. Das Buch über den Blues in Deutschland, Altena: Verlag Dirk Föhrs, 1999, S. 9–134. Verzeichnis der Musiker und Bands, in: GBCI (Hg.): GBG 1988, Frankfurt am Main, 1988, S. 36–57. Vorläufige Gewinn- und Verlustrechnung des GBC per 31.12.1983, in: GBCI 1/1984, S. 2. Vorwort, in: GBC (Hg.): GBG 1976, Frankfurt am Main, 1976. Vorwort, in: Hot Club Frankfurt, Sondernummer der Hot-Club News: In memoriam Bessie Smith, ohne Datum [1947], S. 2–3, IJAE, Sammlung Günter Boas. Wagner, D. [Dieter]: »Blues and Trouble«. Eine weitere Arbeit Theo Lehmanns im Henschelverlag, in: Die Union vom 30.04./01.05.1967, S. 10. Weckelmann, Brigitte: Gesang von Hass und Lebensfreude. »American Folk Blues Festival« gastierte mit elf Musikern in Iserlohn [Rubrik »Kultur und Unterhaltung«], in: Westfalenpost vom 28.10.1965. Wichtig! [editorische Notiz], in: GBCI 18/1978, S. 3. Wichtige Bücher [Rubrik »Publikationen«], in: GBC (Hg.): GBG 1977/78, Frankfurt am Main, 1977, S. 68–76. Wicke, Peter: Blues-Geschichten [Rubrik »Kritik«], in: Sonntag vom 15.11.1981, Nr. 46, S. 5. Winckel, Fritz: Tief gestimmt – schwarz gefärbt, in: vierViertel. Zeitschrift für Musik und Tanz 4/1948, S. 17. Wolff, Udo [Rubrik »White Blues«], in: GBCI 19/1978, S. 15–17. Wolff, Udo: Bluesstile und Kommerz. Teil I und II, in: GBCI, Sonderausgabe vom Juli 1980, S. 4–8. Wolff, Udo: Brief an den GBC, in: GBCI 28/1979, S. 2–3. Wolff, Udo: Das Dritte Ohr/Bluesbrüder [Selbstdarstellung, Rubrik »Blues-Forum«], in: GBCI 3/1976, S. 2. Wolff, Udo: Eine Institution lebt auf: Das American Folk Blues Festival, in: GBCI 44/1980, S. 11–13. Wolff, Udo: GBC-Anzeigen im April, in: GBCI 31/1979, S. 20. Wolff, Udo: Musikerleben – oder so, in: GBCI 51/1981, S. 16–17. Wolff, Udo: Resümee aus der zweiten Fragebogenaktion unter GBC-Mitgliedern vom Januar 1979, in: GBCI 32/1979, S. 4. Wyman, Bill: Foreword, in: Booklet zur DVD »The American Folk Blues Festival 1962–1966«, Volume One, Reelin’ in the Years Productions, L. L. C., 0602498609262, USA 2003. Zahltag. Das Dritte Ohr [von ja, Plattenrezension], in: Musikexpress 1/1981, S. 51. Zenetti, Lothar: Unsere liebe Not: unsere liebe Kritik, in: Jazz Podium 9/1953, S. 6–7. Zimmerle, Dieter: American Folk Blues Festival 1962, in: Jazz Podium 10–11/1962, S. 237. Zimmerle, Dieter: American Folk Blues Festival 1964. Konzert und Schallplatte, in: Jazz Podium 12/1964, S. 299–300. Zimmerle, Dieter: Der Blues ist überall. Gedanken zum American Folk Blues Festival 1963, in: Jazz Podium 11/1963, S. 232–233. Zimmerle, Dieter: Die Story vom Blues [Rubrik »Buchbesprechungen«], in: Jazz Podium 10–11/1962, S. 252.

340            Zweig, Arnold: Begegnung mit zwei Amerikanern, in: USA in Wort und Bild 3/1950, S. 36–37 und 39.

   

  Agreement between Lippmann + Rau Concert Büro GmbH & Co. and Carey Bell, 29.06.1982, 2 Bl., Privatsammlung Horst Lippmann. Agreement between Lippmann + Rau Concert Büro GmbH & Co. and Eunice Davis, 06.07.1979, 2 Bl., Privatsammlung Horst Lippmann. Agreement between Lippmann + Rau Concert Büro GmbH & Co. and Iverson Minter [= Louisiana Red], 16.07.1979, 2 Bl., Privatsammlung Horst Lippmann. Agreement between Lippmann + Rau Concert Büro GmbH & Co. and Iverson Minter [= Louisiana Red], 03.02.1981, 2 Bl., Privatsammlung Horst Lippmann. Agreement between Lippmann + Rau Concert Büro GmbH & Co. and Iverson Minter [= Louisiana Red], 21.04.1983, 2 Bl., Privatsammlung Horst Lippmann. Agreement between Lippmann + Rau Concert Büro GmbH & Co. and John Cephas, 21.01.1981, 2 Bl., Privatsammlung Horst Lippmann. Agreement between L+R Records GmbH and Iverson Minter [= Louisiana Red], 24.06.1984, 4 Bl., Privatsammlung Horst Lippmann. Agreement between Siegfried A. Christmann pp. L+R Records GmbH and Archie Edwards, 30.11.1980, Privatsammlung Horst Lippmann. Agreement between Siegfried A. Christmann pp. L+R Records GmbH and Arzo Youngblood, 11.11.1980, Privatsammlung Horst Lippmann. An das Kultusministerium des Landes Hessen, zu Händen des Herrn Regierungsdirektors Dr. Holl, Frankfurt/Main, 23.08.1951, JID. Anhang zum Vertrag vom 01.07.1981 zwischen L+R Records GmbH und Bellaphon Records GmbH & Co. KG, 16.04.1984, 2 Bl., Privatsammlung Horst Lippmann. Arbeitsgruppe Kirchenfragen beim ZK der SED: Betr.: »Blues-Messen«, 07.06.1982, BStU, ZA, HA XX/4, 267/1, Bl. 212–215. Armstrong, Louis: Brief an Günter Boas, ohne Datum, IJAE, Sammlung Günter Boas. Bartel, Walter, Rundfunk der DDR: Brief an Horst Lippmann, 08.11.1985, Privatsammlung Horst Lippmann. Berendt, Joachim-Ernst: American Folk Blues Festivals 1962–1972 und 1980, Typoskript, ohne Datum, 4 Bl., Privatsammlung Horst Lippmann. Berendt, Joachim-Ernst: 4. American Folk Blues Festival 1965, Treatment für die 44. Folge von »Jazz – gehört und gesehen«, Fernsehproduktion 27.–30.09.1965, 3 Bl., Privatsammlung Horst Lippmann. Beschluss Nr. 1/82 der Sitzung des Rates der Gemeinde Werben am 16. Februar 1982, 3 Bl., Kopie des Dokuments im Besitz des Autors. Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Berlin, Abteilung XX/4: Konzeption zur politisch-operativen Bearbeitung der negativen Tätigkeit verschiedener Ev. Jugendpfarrer in der Hauptstadt der DDR, speziell im Kirchenkreis Berlin-Friedrichshain, 20.05.1980, BStU, ZA, HA XX/4, 587/1, Bl. 88–91. Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Berlin, Abteilung XX/4: Sachstandsbericht zum OV »Blues«, 16.10.1981, BStU, ZA, HA XX/4, 267/1, Bl. 51–58.

    341 

Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Berlin, Abteilung XX/7: Bericht zum Kennenlernen, 22.06.1982, BStU, MfS, BV Berlin, AOPK 6698/83, Band I, Bl. 373–374. Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Berlin, Abteilung XX/7: 3. Sachstandsbericht zur OPK »Diestel« – Reg.-Nr.: XV/7032/81, 14.06.1982, BStU, MfS, BV Berlin, AOPK 6698/83, Band I, Bl. 367–371. Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Berlin, Abteilung XX/7: Maßnahmeplan zur OPK »Diestel«, 18.06.1982, BStU, MfS, BV Berlin, AOPK 6698/83, Band I, Bl. 372. Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Berlin, Abteilung XX/7: OPK Stefan Diestelmann. Sachstandsbericht (2), 13.12.1981, BStU, MfS, BV Berlin, AOPK 6698/83, Band I, Bl. 238–239. Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Berlin, Leiter: Aktualisierung und Präzisierung der politisch-operativen Konzeption bezüglich der Veranstaltungsreihe der sogenannten Bluesmessen in der Hauptstadt der DDR, 18.02.1981, BStU, ZA, HA XX/4, 587/1, Bl. 157–161. Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Berlin, Leiter: Bisherige Ergebnisse der Realisierung der politisch-operativen Konzeption vom 14.10.1981 bezüglich des Kreisjugendpfarrers Rainer Eppelmann und Plan politisch-operativer Maßnahmen hinsichtlich der für den 27.11.1981 geplanten Bluesmessen, 16.11.1981, BStU, ZA, HA XX/4, 267/1, Bl. 107–112. Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Gera, Abteilung XX/2: Sachstandsbericht zu einer negativ-dekadenten jugendlichen Gruppierung aus Gera, 05.05.1978, BStU, MfS, BV Gera, AOP 924/82, Bl. 18–26. Bezirksverwaltung für Staatssicherheit, Kreisdienststelle Gera: Abschlussbericht zum OV »Tramper«, 20.09.1982, BStU, MfS, BV Gera, AOP 924/82, Bl. 319–326. Blues auf L+R Records – Pressestimmen, 2 Bl., Privatsammlung Horst Lippmann. Boas, Günter: Blues aus dem Golden Age, Manuskript für eine Sendung des HR und NWDR am 16.11.1953, 23:20 bis 24:00 Uhr, IJAE, Sammlung Günter Boas. Boas, Günter: Blues. Featuring: The Five Smiths, Hot Club Dortmund, 06.10.1959, 2 Bl., IJAE, Sammlung Günter Boas. Boas, Günter: Blues for Monday, AFN, Manuskript für die Sendung am 05.03.1951, IJAE, Sammlung Günter Boas. Boas, Günter: Blues for Monday, AFN, Manuskript für die Sendung am 19.03.1951, IJAE, Sammlung Günter Boas. Boas, Günter: Blues for Monday, AFN, Manuskript für die Sendung am 26.03.1951, IJAE, Sammlung Günter Boas. Boas, Günter: Blues for Monday, AFN, Manuskript für die Sendung am 22.10.1951, IJAE, Sammlung Günter Boas. Boas, Günter: Blues for Monday, AFN, Manuskript für die Sendung am 27.04.1953, IJAE, Sammlung Günter Boas. Boas, Günter: Blues for Monday, AFN, Manuskript für die Sendung am 22.06.1953, IJAE, Sammlung Günter Boas. Boas, Günter: Blues for Monday, AFN, Manuskript für die Sendung am 29.03.1954, IJAE, Sammlung Günter Boas. Boas, Günter: Blues for Monday, AFN, Manuskript für die Sendung am 12.04.1954, IJAE, Sammlung Günter Boas.

342            Boas, Günter: Blues for Monday – Blues for the Hot Club of Frankfurt, AFN, Manuskript, ohne Datum [1951], IJAE, Sammlung Günter Boas. Boas, Günter: Blues for Monday – First Anniversary Program, AFN, Manuskript für die Sendung am 11.02.1952, IJAE, Sammlung Günter Boas. Boas, Günter: Blues in modern?, Hot Club Dortmund, 14.07.1959, 2 Bl., IJAE, Sammlung Günter Boas. Boas, Günter: Classic Blues, Hot Club Frankfurt, Programmblatt Nr. 9/54, 14.06.1954, 2 Bl., IJAE, Sammlung Günter Boas. Boas, Günter: Classic Blues Singer, Hot Club Frankfurt, Programmblatt Nr. 42, 02.10.1950, 2 Bl., Privatsammlung Horst Lippmann. Boas, Günter: Cotton and Corn, Hot Circle Bergen, Programmblatt Nr. 34, 19.09.1950, 2 Bl., IJAE, Sammlung Günter Boas. Boas, Günter: Der Klassische Blues, Manuskript für eine Sendung des SWF BadenBaden am 22.06.1952, 3 Bl., IJAE, Sammlung Günter Boas. Boas, Günter: Gesuch zur Gründung eines Jazz-Clubs in Frankfurt am Main, Brief an die Militärregierung Frankfurt/Main, ohne Datum, JID. Boas, Günter: In memoriam Bessie Smith, Hot Circle Bergen, Programmblatt Nr. 35, 26.09.1950, 2 Bl., IJAE, Sammlung Günter Boas. Boas, Günter: Jazzclub Frankfurt, HR/NWDR, Manuskript für die Sendung am 16.11.1953, IJAE, Sammlung Günter Boas. Boas, Günter: Meeting with a Jazz Collector, Hot Club Frankfurt, Programmblatt Nr. 73, 16.11.1953, 2 Bl., IJAE, Sammlung Günter Boas. Boas, Günter: Puritan, Hot Circle Bergen, Programmblatt Nr. 38, 31.10.1950, 2 Bl., IJAE, Sammlung Günter Boas. Boas, Günter: Rhythm and Blues, Hot Club Dortmund, 07.03.1960, IJAE, Sammlung Günter Boas. Boas, Günter: Shining Trumpets of New Orleans, The Two Beat Friends, Frankfurt am Main, US-Zone-Germany, Programmblatt Nr. 1, 28.09.1949, 2 Bl., IJAE, Sammlung Günter Boas. Boas, Günter: The Golden Age of Jazz, Hot Club Frankfurt, Programmblatt Nr. 1, 16.02.1948, 3 Bl., Privatsammlung Horst Lippmann. Boas, Günter: The Golden Age of Jazz, Hot Club Frankfurt, Programmblatt Nr. 56, 29.08.1948, 2 Bl., Privatsammlung Horst Lippmann. Boas, Günter: The Hymn of Jazz – The Blues, Hot Circle Bergen, Programmblatt Nr. 17, 03.04.1950, IJAE, Sammlung Günter Boas. Boas, Günter: The Hymn of Jazz. The Blues I, Hot Club Frankfurt, Programmblatt Nr. 62, 18.10.1948, 2 Bl., IJAE, Sammlung Günter Boas. Boas, Günter: This Is Jazz, The Two Beat Friends, Frankfurt am Main/Bergen, Programmblatt Nr. 4, 14.11.1949, 2 Bl., IJAE, Sammlung Günter Boas. Böhm, Wolfgang: Die letzten Großen von New Orleans, Hot Club Frankfurt, Programmblatt Nr. 31, 06.10.1952, 2 Bl., IJAE, Sammlung Günter Boas. Brill, Günter, Stadtverwaltung Kamen, Kulturamt: Brief an Fritz Rau, 24.11.1982, Privatsammlung Horst Lippmann. Broonzy, Big Bill: Brief an Günter Boas, 03.04.1954, IJAE, Sammlung Günter Boas. Broonzy, Big Bill: Brief an Günter Boas, ohne Datum [1954], IJAE, Sammlung Günter Boas.

    343 

Bryden, Beryl: Eintrag in das Gästebuch von Lore und Günter Boas, 14.11.1965, IJAE, Sammlung Günter Boas. Chess, Marshall: Brief an Horst Lippmann, 06.04.1964, Privatsammlung Horst Lippmann. Christmann, Siegfried A.: Brief an Heinz Hartmann und Horst Lippmann, 15.10.1980, Privatsammlung Horst Lippmann. Christmann, Siegfried A., Musikproduktion Christmann/Schaaf GmbH: Brief an Horst Lippmann, 27.02.1980, 3 Bl., Privatsammlung Horst Lippmann. Christmann, Siegfried A., Musikproduktion Christmann/Schaaf GmbH: Brief an Horst Lippmann, 21.12.1981, 3 Bl., Privatsammlung Horst Lippmann. Christmann, Siegfried A.: Living Country Blues USA – Introduction [Entwurf der Liner Notes], 3 Bl., Privatsammlung Horst Lippmann. Christmann, Siegfried A./Axel Küstner: Living Country Blues [handschriftliche Kostenaufstellung], ohne Datum, Privatsammlung Horst Lippmann. Concert Büro Rolf Schubert: Brief an L+R Records GmbH, 01.06.1984, 2 Bl., Privatsammlung Horst Lippmann. Contract between Horst Lippmann and Giorgio Gomelsky, 07.12.1963, Version 1, Privatsammlung Horst Lippmann. Contract between Horst Lippmann and Giorgio Gomelsky, 07.12.1963, Version 2, 2 Bl., Privatsammlung Horst Lippmann. Contract between Horst Lippmann and Sonny Boy Williamson, 07.12.1963, Privatsammlung Horst Lippmann. Contract between L+R Records GmbH and »Doctor Feelgood Piano Red« Willie Perryman, unterzeichnet am 16. und 18.10.1980, 2 Bl., Privatsammlung Horst Lippmann. Contract between L+R Records GmbH and Doctor Joseph »Washboard Doc« with Lucky & Flash, 04.02.1980, 2 Bl., Privatsammlung Horst Lippmann. Contract between L+R Records GmbH and Hubert Sumlin, 23.01.1980, 2 Bl., Privatsammlung Horst Lippmann. Contract between L+R Records GmbH and Iverson Minter [= Louisiana Red], 24.06.1979, 4 Bl., Privatsammlung Horst Lippmann. Contract between L+R Records GmbH and Iverson Minter [= Louisiana Red], 09.02.1983, 2 Bl., Privatsammlung Horst Lippmann. Contract between L+R Records and Margie Evans, 05.07.1982, 2 Bl., Privatsammlung Horst Lippmann. Deutsche Jazz-Föderation e. V.: Satzung, mit dem 28.10.1951 rückwirkend in Kraft getreten, Stuttgart, 04.05.1952, 4 Bl., JID. Deutsche Philips GmbH: Brief an Günter Boas und Vertrag über die »Tätigkeit als freier Mitarbeiter«, 11.08.1960, IJAE, Sammlung Günter Boas. Diller, Helmut, Abteilung kulturelle und sportliche Massenarbeit im Zentralrat der FDJ, an Horst Schumacher, 1. Sekretär des Zentralrats der FDJ: Beratung über Jazz am 15.12.1961 beim Ministerium für Kultur, Information vom 18.12.1961, SAPMO-BArch, DY 24/6729. Dixon, Willie: Brief an Günter und Lore Boas, 08.04.1964, IJAE, Sammlung Günter Boas. Dixon, Willie: Brief an Horst Lippmann, 05.12.1964, 2 Bl., Privatsammlung Horst Lippmann.

344            Donisch, Peter: Brief an die Rechtsanwälte Burkhardt und Renz, 10.07.1980, 2 Bl., Privatsammlung Horst Lippmann. Drechsel, Karlheinz: Brief an Günter Boas, 04.03.1978 [Eingangsdatum], IJAE, Sammlung Günter Boas. Drechsel, Karlheinz: Brief an Günter Boas, 05.06.1978, IJAE, Sammlung Günter Boas. Drechsel, Karlheinz: Brief an Horst Lippmann, 25.01.1964, 2 Bl., Privatsammlung Horst Lippmann. Exporte 1. Halbjahr 1981, 30.07.1981, IJAE, Sammlung L+R Records. Fakten der ideologischen Diversion im Freizeitbereich junger Menschen aus den Jahreskriminalitätsberichten 1970, SAPMO-BArch, DY 30/IVA2/16/124. Frank, Michael, Earwig Music Co.: Brief an Horst Lippmann, 05.01.1980, IJAE, Sammlung L+R Records. Freyer, Winfried: Brief an Thomas Gutberlet, 12.05.1983, 2 Bl., Privatsammlung Thomas Gutberlet. Freyer, Winfried: Brief an Thomas Gutberlet, 02.11.1984, 2 Bl., Privatsammlung Thomas Gutberlet. Freyer, Winfried: Brief an Thomas Gutberlet, 21.01.1987, 2 Bl., Privatsammlung Thomas Gutberlet. Freyer, Winfried: Brief an Thomas Gutberlet, 12.06.1989, 2 Bl., Privatsammlung Thomas Gutberlet. Gawlitta, Inge, Horst Lippmann Productions: Brief an Kammel, Künstler-Agentur der DDR, 10.03.1986, Privatsammlung Horst Lippmann. Gawlitta, Inge, L+R Records: Brief an Iverson Minter [= Louisiana Red], 30.03.1981, Betreff: Royalty Statements 1st and 2nd Half Year ’80, IJAE, Sammlung L+R Records. Gawlitta, Inge, L+R Records: Brief an Walter Bartel, Rundfunk der DDR, 28.08.1984, Privatsammlung Horst Lippmann. Green, Jack L., Associated Booking Corporation: Brief an Horst Lippmann, 03.04. 1963, IJAE, Sammlung Horst Lippmann. Gutberlet, Thomas, Herausgeber der Zeitschrift »Blues Forum«: Brief an Fritz Rau, 17.09.1982, Privatsammlung Horst Lippmann. Gutberlet, Thomas, Herausgeber der Zeitschrift »Blues Forum«: Brief an Horst Lippmann, 10.09.1982, Privatsammlung Horst Lippmann. Gutberlet, Thomas, Herausgeber der Zeitschrift »Blues Forum«: Brief an Horst Lippmann, 13.01.1983, 2 Bl., Privatsammlung Horst Lippmann. Gutberlet, Thomas: Brief an Rainer Bratfisch, 02.05.1983, Privatsammlung Thomas Gutberlet. Gutberlet, Thomas: Brief an Winfried Freyer, 02.05.1983, Privatsammlung Thomas Gutberlet. Hartmann, Heinz, L+R Records: Brief an den Direktor der Künstleragentur der DDR, 11.12.1980, IJAE, Sammlung L+R Records. Hartmann, Heinz, L+R Records: Brief an Herrn David, Bellaphon AG, 28.10.1980, IJAE, Sammlung L+R Records. Hartmann, Heinz: Brief an Jürgen Hofius, Bellaphon Records, 16.01.1981, Betreff: MIDEM, 2 Bl., IJAE, Sammlung L+R Records.

    345 

Hartmann, Heinz, L+R Records: Brief an Winfried Merkle, Bellaphon International Sound Service, 02.04.1981, IJAE, Sammlung L+R Records. Hartmann, Heinz: Protokoll über Gespräch Horst Lippmann/Heinz Hartmann am 08.06.79 in Buchschlag/Frankfurt, 12.06.1979, 2 Bl., IJAE, Sammlung L+R Records. Hartmann, Heinz: Rundbrief an alle L+R-Künstler, 17.10.1980, IJAE, Sammlung L+R Records. Hartmann, Heinz, L+R Records: Telex vom 10.02.1981, Betr.: AFBF ’81 – Pressemappen, IJAE, Sammlung L+R Records. Heinrich, Angela, Arbeitsgruppenleiterin der Künstler-Agentur der DDR: Brief an Inge Gawlitta, Horst Lippmann Productions, 29.04.1986, Privatsammlung Horst Lippmann. Hinweise zur Ergänzung bzw. Veränderung der Anweisung über die politisch-operative Arbeit unter jugendlichen Personenkreisen, Entwurf vom 16.10.1965, BStU, ZA, ZAIG 4608, Bl. 58–60. Hoffmann, Leiter der Abteilung Kultur des ZK der SED: Hausmitteilung an Tiedke, Leiter der Abteilung Propaganda, Betr.: Filmvorführung am 27.1.72, 14.00 Uhr, Filmsaal II. Etage, 26.01.1972, SAPMO-BArch, DY 30/12882. Horst Lippmann [autobiographische Skizze], ohne Datum, Privatsammlung Horst Lippmann. Hot Circle Bergen, Programmblatt Nr. 10: Bebop, 30.01.1950, IJAE, Sammlung Günter Boas. Hot Circle Bergen, Programmblatt Nr. 47: Golden Age Music, 03.04.1951, 2 Bl., IJAE, Sammlung Günter Boas. Hot Club Dortmund: A Tribute to Rudi Blesh, 07.06.1960, 2 Bl., IJAE, Sammlung Günter Boas. Hot Club Frankfurt: Hot-Club News Nr. 23/24, Juli/August 1947, 36 Bl., IJAE, Sammlung Günter Boas. Hot Club Frankfurt, Programmblatt Nr. 70: Zum Jahresabschluss, 27.12.1948, IJAE, Sammlung Günter Boas. Hudtwalcker, Olaf/Günter Boas: Jazzclub Frankfurt, HR/UKW West/NWDR Köln, Manuskript für die Sendung am 15.06.1953, 5 Bl., IJAE, Sammlung Günter Boas. Information über die bisherige Verwirklichung des Beschlusses des Sekretariats des ZK »Maßnahmen zur verstärkten politisch-ideologischen und organisatorischen Einflussnahme auf Jugendtanz- und andere Veranstaltungen« vom 8. September 1976, Entwurf, ausgearbeitet von den ZK-Abteilungen Jugend, Kultur und Sicherheitsfragen, 22.11.1977, 11 Bl., SAPMO-BArch, DY 30/21401. Information über Vorkommnisse während der 1000-Jahrfeier der Stadt Altenburg. Anlage 1 zum Beschluss des Sekretariats des ZK der SED vom 8. September 1976, SAPMO-BArch, DY 30/JIV2/3/2492, Bl. 20–23. Kammel, Stellvertretender des Generaldirektors der Künstler-Agentur der DDR: Brief an Horst Lippmann, 24.02.1986, Privatsammlung Horst Lippmann. Kanther, Bezirksleitung der SED Suhl, Mitarbeiter für Kirchenfragen: Information für den 1. Sekretär der Bezirksleitung, Hans Albrecht: Auftreten der USA-Negersängerin Edda Camaron [sic!] in den Kirchen in Zella-Mehlis und Ilmenau, 24.05. 1972, 3 Bl., ThStA Meiningen, SED-BL Suhl, IV C–2/14/698.

346            Kater, Michael H.: Interview mit Günter Boas, Cappenberg, 22.06.1988, 13 Bl., IJAE, Sammlung Günter Boas [stichwortartiges Protokoll, von Günter Boas durchgesehen und korrigiert]. Kett, Udo: Die Gestaltung des schwerpunktmäßigen Einsatzes jugendlicher IM bei der Zersetzung negativer jugendlicher Gruppen, insbesondere zu gesellschaftlichen Höhepunkten, Fachschulabschlussarbeit, Potsdam: Juristische Hochschule des MfS, 15.12.1978, BStU, ZA, JHS VVS 606/79. Kleine, Volkshochschule Rheda: An die Elternschaft der Schülerinnen und Schüler unserer Schulen und aller anderen Jugendlichen, 15.01.1957, JID. Klemme, Friedrich: American Folk Blues Festival 1982. Wehmut nach den Anfängen [Entwurf], 4 Bl., Privatsammlung Horst Lippmann. Kommerell/Schmökel, Phonogram GmbH: Brief an Horst Lippmann, 28.06.1979, Betreff: Rückgabe von Bändern, 2 Bl., Privatsammlung Horst Lippmann. Künstler-Agentur der DDR: Vermittlungsvertrag 83-B-2241, am 10.08.1983 vom Stellvertretenden des Generaldirektors und Horst Lippmann unterzeichnet, Privatsammlung Horst Lippmann. Kulturbund der DDR, Präsidialrat, Zentrale Kommission Musik: Hinweise zur Pflege des Jazz im Kulturbund der DDR, internes Material vom 11.11.1986, 7 Bl., IJAE. Kunstadt, Leonard: Brief an Günter Boas, 30.11.1963, IJAE, Sammlung Günter Boas. Kurella, Alfred: Brief an Albert Norden, 02.05.1959, SAPMO-BArch, DY 30/IV2/ 2026/105. Kurella, Alfred: Brief an Aubrey Pankey, 02.05.1959, SAPMO-BArch, DY 30/IV2/2026/105. Landgericht Frankfurt am Main: Einstweilige Verfügung gegen Peter Donisch. Beschluss vom 26.06.1980, Privatsammlung Horst Lippmann. Lippmann, Horst: Brief an Anthony »Jarfly« Griffin, 18.09.1981, 2 Bl., IJAE, Sammlung L+R Records. Lippmann, Horst: Brief an Bernhard Mikulski, CBS Schallplatten GmbH, 16.03.1966, Privatsammlung Horst Lippmann. Lippmann, Horst: Brief an Dr. Büttner, VEB Deutsche Schallplatten, 22.09.1981, 3 Bl., IJAE, Sammlung L+R Records. Lippmann, Horst: Brief an Frau Berliner, Deutsche Künstler-Agentur, 10.06.1964, Privatsammlung Horst Lippmann. Lippmann, Horst: Brief an Fritz Rau, 21.09.1981, 2 Bl., IJAE, Sammlung L+R Records. Lippmann, Horst: Brief an Fritz Rau, 25.04.1985, Betreff: American Folk Blues Festival ’85, 2 Bl., Privatsammlung Horst Lippmann. Lippmann, Horst: Brief an Fritz Rau und Hermjo Klein, 21.04.1983, Betreff: American Folk Blues Festival ’83, 4 Bl., Privatsammlung Horst Lippmann. Lippmann, Horst: Brief an Heinz Hartmann, 10.09.1981, 2 Bl., IJAE, Sammlung L+R Records. Lippmann, Horst: Brief an Jimmy Dawkins, 18.06.1980, 2 Bl., Privatsammlung Horst Lippmann. Lippmann, Horst: Brief an Jimmy Dawkins, 14.10.1981, 2 Bl., IJAE, Sammlung L+R Records. Lippmann, Horst: Brief an Karlheinz Drechsel, 25.03.1980, IJAE, Sammlung L+R Records.

    347 

Lippmann, Horst: Brief an Manfred Miller, 15.04.1985, 2 Bl., Privatsammlung Horst Lippmann. Lippmann, Horst: Brief an Manfred Miller, Kulturredaktion Südwestfunk, 25.04.1985, 2 Bl., Privatsammlung Horst Lippmann. Lippmann, Horst: Brief an Marshall Chess, 12.04.1964, Privatsammlung Horst Lippmann. Lippmann, Horst: Brief an McKinley Morganfield [= Muddy Waters], 02.04.1964, Privatsammlung Horst Lippmann. Lippmann, Horst: Brief an McKinley Morganfield [= Muddy Waters], 21.04.1964, Privatsammlung Horst Lippmann. Lippmann, Horst: Brief an Michael Henkels, 22.09.1981, IJAE, Sammlung L+R Records. Lippmann, Horst: Brief an Norman Granz, 20.04.1964, Privatsammlung Horst Lippmann. Lippmann, Horst: Brief an Siegfried A. Christmann, 08.01.1982, 4 Bl., Privatsammlung Horst Lippmann. Lippmann, Horst: Brief an Siegfried Christmann und Axel Küstner, 31.08.1981, Privatsammlung Horst Lippmann. Lippmann, Horst: Brief an Siegfried Christmann und Axel Küstner, 07.04.1982, 3 Bl., Privatsammlung Horst Lippmann. Lippmann, Horst: Brief an Thomas Gutberlet, 07.12.1982, 3 Bl., Privatsammlung Horst Lippmann. Lippmann, Horst: Brief an Thomas Gutberlet, 07.02.1983, Privatsammlung Horst Lippmann. Lippmann, Horst: Brief an Willie Mabon, 11.09.1981, 2 Bl., IJAE, Sammlung L+R Records. Lippmann, Horst: Brief an Winfried Merkle, Bellaphon International Sound Service, 21.09.1981, 2 Bl., IJAE, Sammlung L+R Records. Lippmann, Horst: Depesche vom 20.12.1962, IJAE, Sammlung Horst Lippmann. Lippmann, Horst: Der Jazz Club, HR, Manuskript für die Sendung am 05.11.1954, 9 Bl., Privatsammlung Horst Lippmann. Lippmann, Horst: Der Jazz Club, HR, Manuskript für die Sendung am 11.01.1962, 5 Bl., Privatsammlung Horst Lippmann. Lippmann, Horst: Der Jazz Club, HR, Manuskript für die Sendung am 21.10.1965, 4 Bl., Privatsammlung Horst Lippmann. Lippmann, Horst: Der Jazz Club: Gesungener Blues – Zum 1. Folk Blues Festival, HR, Manuskript für die Sendung am 27.09.1962, 6 Bl., Privatsammlung Horst Lippmann. Lippmann, Horst: Im Scheinwerfer: Die Aussichten des Frankfurter Hot Clubs, ohne Datum, IJAE, Sammlung Günter Boas. Lippmann, Horst: Jazz aus Frankfurt, Manuskript für die Sendung am 08.02.1956, 4 Bl., Privatsammlung Horst Lippmann. Lippmann, Horst: Jazz aus Frankfurt, Manuskript für die Sendung am 02.05.1956, 5 Bl., Privatsammlung Horst Lippmann. Lippmann, Horst: Jazz aus Frankfurt, Manuskript für die Sendung am 04.11.1956, 5 Bl., Privatsammlung Horst Lippmann.

348            Lippmann, Horst: Telex an Fritz Rau, Betr.: AFBF ’81 Story, 23.01.1981, IJAE, Sammlung L+R Records. Lippmann + Rau Concert Büro: American Folk Blues Festival 1980 – über die Künstler [Pressematerial], 4 Bl., Privatsammlung Horst Lippmann. Lippmann + Rau Concert Büro: Protokoll der Besprechung »AFBF« ’81 am 16.1.81 in Dreieich-Buchschlag, Anlage 2, 19.01.1981, Privatsammlung Horst Lippmann. Lizenzvertrag zwischen L+R Records GmbH und Bellaphon Records GmbH & Co. KG, 01.07.1981, 9 Bl., Privatsammlung Horst Lippmann. Maßnahmen zur verstärkten politisch-ideologischen, künstlerischen und organisatorischen Einflussnahme auf Jugendtanz- und andere Veranstaltungen. Anlage 2 zum Beschluss des Sekretariats des ZK der SED vom 8. September 1976, SAPMOBArch, DY 30/JIV2/3/2492, Bl. 24–32. MfS: Information über weitere Aktivitäten kirchlicher Kreise der Hauptstadt der DDR, Berlin, im Zusammenhang mit der Vorbereitung von Blues-Messen im Juni 1981, ohne Datum, BStU, ZA, HA XX/4, 1121/1, Bl. 18–24. MfS, Hauptabteilung IX/2: Bericht, 08.10.1973, BStU, MfS, AIM 9567/86, Bd. I/2, Bl. 143–147. MfS, Hauptabteilung XX: Information über Erfahrungen, Erkenntnisse und Aufgaben bei der politisch-operativen Sicherung jugendlicher Personenkreise, 12.07.1976, BStU, MfS HA XX/AKG, 6009, Bl. 1–27. MfS, Hauptabteilung XX: Plan der Maßnahmen zur Verhinderung des Missbrauchs religiöser Veranstaltungen, insbesondere von »Blues-Messen«, ohne Datum, BStU, ZA, HA XX/4, 267/1, Bl. 43–50. MfS, Hauptabteilung XX: Vermerk über gegenwärtige politisch-operative Maßnahmen zur Unterbindung der »Blues-Messen« des Kreisjugendpfarrers Rainer Eppelmann (Berlin-Friedrichshain), 10.12.1980, BStU, ZA, HA XX/4, 587/1, Bl. 81– 82. MfS, Hauptabteilung XX/7: Vermerk, 24.11.1983, BStU, MfS, HA XX, Nr. 9709, Bl. 2. MfS, Verwaltung für Staatssicherheit Groß-Berlin, Auswertungs- und Informationsgruppe: Einschätzung zur Aktion »Nachstoß«, 30.10.1969, BStU, MfS, HA XX, Nr. 6194, Bl. 45–57. MfS, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe: Bericht über Gruppierungen Jugendlicher in der DDR, Anfang November 1965, BStU, ZA, ZAIG 4608, Bl. 3– 42. MfS, Zentrale Auswertungs- und Informationsgruppe: Politisch-operativ bedeutsame Fakten im Zusammenhang mit dem Auftreten von Trampern anlässlich der 1000Jahr-Feier der Stadt Altenburg in der Zeit vom 9. – 11. Juli 1976, 20.08.1976, BStU, MfS ZAIG 5521, Bl. 1–11. Military Government for Hesse, Information Control Division, Publications Branch, Frankfurt: Special Authorization for Publication [Günter Boas erteilt], 01.08.1949 [Gültigkeitsdatum], IJAE, Sammlung Günter Boas. Ministerrat der DDR, MfS, Der Minister: Dienstanweisung Nr. 4/66 zur politisch-operativen Bekämpfung der politisch-ideologischen Diversion und Untergrundtätigkeit unter jugendlichen Personenkreisen in der DDR, 15.05.1966, 26 Bl., BStU, ZA, MfS, VVS 008–365/66.

    349 

Ministerrat der DDR, MfS, Der Minister, an: Diensteinheiten, Leiter: Dienstanweisung Nr. 8/78, 14.01.1978, 12 Bl., BStU, ZA, MfS, VVS 008–8/78, Dok. 102433. Ministerrat der DDR, MfS, Der Minister, an: Diensteinheiten, Leiter: Zur vorbeugenden politisch-operativen Abwehrarbeit unter negativ-dekadenten Jugendlichen und Jungerwachsenen, 15.11.1976, 9 Bl., BStU, ZA, MfS, VVS 008–1127/76. Ministerrat der DDR, MfS: Fahndungsersuchen zur Einleitung einer Reisesperre, 05.03.1982, BStU, MfS, BV Berlin, AOPK 6698/83, Bd. I, Bl. 262–263. Ministerrat der DDR, MfS, Juristische Hochschule Potsdam: Forschungsergebnisse zum Thema »Die politisch-operative Bekämpfung des feindlichen Missbrauchs gesellschaftswidriger Verhaltensweisen Jugendlicher«, Februar 1981, BStU, MfS, JHS 20067. National Jazz Federation, London: Press Release: The American Negro Blues Festival 1963, 08.10.1963, Privatsammlung Horst Lippmann. Neukranz, Ministerium für Kultur, Stellvertreter des Ministers, Sekretariat: Aktenvermerk, 08.12.1956, SAPMO-BArch, DR 1, 243. Norden, Albert: Brief an Alfred Kurella, 22.04.1959, SAPMO-BArch, DY 30/IV2/ 2026/105. Panassié, Hugues: Brief an Günter Boas, 03.03.1952, IJAE, Sammlung Günter Boas. Pankey, Aubrey: Brief an Gerhart Eisler, Staatliches Rundfunkkomitee der DDR, 19.04.1959, 2 Bl., amtliche Übersetzung, SAPMO-BArch, DY 30/IV2/2026/105. Pohl, Jürgen: Spezielle Erfordernisse der Zusammenarbeit mit IM zur Bearbeitung negativ-dekadenter jugendlicher Gruppierungen, dargestellt am Beispiel der Trampergruppierungen Freiberg, Fachschulabschlussarbeit, Potsdam: Juristische Hochschule des MfS, 30.11.1980, BStU, MfS, JHS VVS 767/80. Probleme der Bewertung des Charakters von Veranstaltungen und des möglichen Auftretens von negativen und dekadenten Jugendlichen mit dem Ziel der rechtzeitigen Einleitung und Abstimmung der erforderlichen Maßnahmen zur zweckmäßigen Einbeziehung von gesellschaftlichen Kräften zur Vorbeugung und Verhinderung von Angriffen gegen Sicherheit und Ordnung, BStU, ZA, MfS, HA XX, Nr. 2360, Bl. 27–47. Produzentenvertrag zwischen L+R Records GmbH und Siegfried Christmann, 11.09. 1980, 5 Bl., Privatsammlung Horst Lippmann. Protokoll über die am 28.7.1979 um 17.00 Uhr durchgeführte Sitzung mit der Ortsleitung der FDJ, ausgefertigt: Greyer, Stellvertretender Bürgermeister, 3 Bl., Kopie des Dokuments im Besitz des Autors. Rau, Fritz: Brief an Chris Strachwitz, Arhoolie Records, 04.03.1965, 2 Bl., Privatsammlung Horst Lippmann. Rau, Fritz: Brief an Herrn Jahn, Künstleragentur der DDR, 06.09.1982, 4 Bl., Privatsammlung Horst Lippmann. Rau, Fritz: Brief an Horst Lippmann, 27.03.1980, Privatsammlung Horst Lippmann. Rau, Fritz: Brief an Horst Lippmann, 06.09.1982, Privatsammlung Horst Lippmann. Rau, Fritz: Brief an Horst Lippmann, 27.11.1982, Privatsammlung Horst Lippmann. Rau, Fritz: Brief an Thomas Gutberlet, 23.02.1983, Privatsammlung Horst Lippmann. Rau, Fritz: Brief an Willie Dixon, Ghana Publishing Company, 28.03.1967, Privatsammlung Horst Lippmann. Rider to Contract between L+R Records and Margie Evans for the Album »Mistreated Woman«, 05.07.1982, 2 Bl., Privatsammlung Horst Lippmann.

350            Rider to the Contract Dated November 30, 1980 between L+R Records GmbH and Archie Edwards, unterzeichnet am 27.10. und 15.11.1982, Privatsammlung Horst Lippmann. Rüchel, Peter, WDR Köln, Redaktionsgruppe Jugend: Brief an Fritz Rau, 13.01.1981, Privatsammlung Horst Lippmann. Schott: Mitteilung an Herrn Professor Pischner, Betr.: Interessengemeinschaft Jazz der FDJ Leipzig, 17.05.1955, SAPMO-BArch, DR 1, 243. Staatliches Komitee für Rundfunk, Redaktion Monitor: Int. mit Stefan Diestelmann, DLF 6.05 Uhr vom 15.6.1984, 6. Beitrag, BStU, MfS, BV Berlin, AU 2530/88, Band I, Bl. 12–14. Stenke, Wolfgang: Der zweite Sieg. Die anglo-amerikanischen Soldatensender in der Nachkriegszeit, Manuskript für eine Sendung des Deutschlandfunk am 21.05. 1985, 9 Bl., IJAE, Sammlung Günter Boas. Strachwitz, Chris: Brief an Horst Lippmann und Fritz Rau, 20.02.1965, Privatsammlung Horst Lippmann. Südwestfunk, Abteilung Unterhaltung, Fernsehen: Drehbuch für die Sendung »American Folk Blues Festival« im Rahmen der Reihe »Jazz – gehört und gesehen«, 29. Folge, Erstausstrahlung am 26.10.1962, 9 Bl., Privatsammlung Horst Lippmann. The Two Beat Friends, Frankfurt am Main/Bergen, Programmblatt Nr. 2: In memoriam Bessie Smith, 10.10.1949, 2 Bl., IJAE, Sammlung Günter Boas. Übersichtsbogen zur operativen Personenkontrolle, 14.08.1980, BStU, MfS, BV Berlin, AOPK 6698/83, Band I, Bl. 6–7. Ulbricht, Walter: Glückwunschtelegramm zum 65. Geburtstag an Paul Robeson, 08.04.1963, AdK, PRA: ohne Signatur. Vereinbarung zwischen der L+R Records GmbH und dem Rundfunk der DDR, 21.02.1983, Privatsammlung Horst Lippmann. Vermerk über ein Gespräch mit Pfarrer Eppelmann am 6.3.1981 durch Gen. Dr. Wilke und Gen. Handel, 09.03.1981, BStU, ZA, HA XX/4, 587/1, Bl. 165–170. Vertrag über einen Auftritt der Two Beat Stompers am 05.11.1949 in der Turnhalle Bergen, unterzeichnet von Günter Boas und Walter Laukhardt, Bergen, 12.10. 1949, IJAE, Sammlung Günter Boas. Vertrag zwischen den Herren Sunnyland Slim, Willie Dixon, Hubert Sumlin, Clifton James, vertreten durch Herrn Horst Lippmann, und dem VEB Deutsche Schallplatten. Vertragsgegenstand: American Blues, 30 cm – Langspiel-Platte, 31.10.1964, 2 Bl., Privatsammlung Horst Lippmann. Vertrag zwischen Lippmann & Rau GmbH & Co. KG und Philips Ton Gesellschaft mbH, unterzeichnet am 02. und 09.09.1965, 4 Bl., Privatsammlung Horst Lippmann. Vertrag zwischen L+R Records GmbH und Axel Küstner, ohne Datum, 2 Bl., Privatsammlung Horst Lippmann. Vertrag zwischen L+R Records GmbH und Gerhard Engbarth, 09.02.1983, 2 Bl., Privatsammlung Horst Lippmann. Vertriebs- und Lizenzvertrag zwischen L+R Records GmbH (in Gründung) und Bellaphon Records GmbH & Co. KG, 01.08.1979, 10 Bl., Privatsammlung Horst Lippmann.

    351 

Vorbereitung eines sogenannten »2. Tanzmusikfestes der Jugend« des Kreises Apolda/Erfurt ohne Absprache mit den zuständigen Organen der Partei und des Staatsapparates, 24.08.1976, BStU, MfS ZAIG 5522, Bl. 2–4. Wache, Frank: Brief an Thomas Gutberlet, 29.03.1985, 4 Bl., Privatsammlung Thomas Gutberlet. Wache, Frank: Brief an Thomas Gutberlet, 16.09.1985, 2 Bl., Privatsammlung Thomas Gutberlet. Wache, Frank: Brief an Thomas Gutberlet, 12.12.1986, 2 Bl., Privatsammlung Thomas Gutberlet. Wagner, Siegfried, Stellvertreter des Ministers für Kultur: Brief an Jürgen Schuchardt, Stadtrat für Kultur, 11.06.1979, 2 Bl., LAB, C Rep. 121, Nr. 529. Wagner, Siegfried, Stellvertreter des Ministers für Kultur: Brief an Jürgen Schuchardt, Stadtrat für Kultur, 06.07.1979, 2 Bl., LAB, C Rep. 121, Nr. 529. Waltzer, Bruce C.: Brief an Horst Lippmann, 25.02.1965, Privatsammlung Horst Lippmann. WDR: Honorarvertrag vom 18.02.1981, Privatsammlung Horst Lippmann. Zentralrat der FDJ: Information über den Verlauf des »4. Liedersommers der FDJ« vom 3. bis 17. August 1986 in Berlin, SAPMO-BArch, DY 24/AA282, Bl. 115– 118.

Hinweis: Werden keine Seitenzahlen angegeben, ist das entsprechende Medium nicht paginiert. Archivdokumente ohne Umfangsangabe bestehen entweder aus einem einzigen Blatt oder sind nur als Fragmente überliefert. Zum Zeitpunkt der Recherche war der Bestand des IJAE noch nicht verzeichnet. Auch einzelne Dokumente des JID trugen keine Signaturen. In diesen Fällen nennen die Quellenverweise lediglich das Archiv als Fundort.

    

Archiv Abi Wallenstein: 231 Archiv Alexander Blume: 195 Archiv André Greiner-Pol: 274, 279 Archiv Karlheinz Drechsel: 70 Archiv Reinhard Lorenz: 255 Archiv Renate Heinicke: 193 Becker, Manfred: 128, 165 Bethke, Kurt/HR Unternehmensarchiv: 84 Dabrowski, Renate/IJAE: 110 Denckert, Rolf/Archiv Wolfgang Michels: 171 Der Blues. Gesammelte Texte der Bewegung 2. Juni, Band I, Dortmund: Antiquariat »Schwarzer Stern«, 2001, S. 14: 174 Deutsches Filminstitut, Frankfurt/Modern Art Film: 89 Eggert, Mara/IJAE: 125, 213 Foto-Halir Zella-Mehlis: 181 Hauswald, Harald: 291, 296 Hessheimer, Stefan: 202 Hiepe, Bernd: 271 IJAE: 143 JID: 45, 78 Kieser, Günther: 106 Kork, Winfried/JID: 41, 52 Küstner, Axel: 16, 22, 207, 217, 220, 223, 236, 243 Nischk, Wolfgang Otto/IJAE: 57 Paszkowiak, Alfred/AdK, PRA: 178 Robert-Havemann-Gesellschaft, Berlin: 286 Sammlung Günter Boas/IJAE: 50, 56, 64 Scheubert, Bernd: 197 Uhlenhut, Manfred/Klaus Vonderwerth: 140 Ullstein Bild/KPA: 188 Wiesand, Stephanie/IJAE: 101, 113, 123, 146



Dieses Buch ist das Resultat eines langjährigen Arbeitsprozesses. Sein Grundstein wurde mit dem Projekt »Afroamerikanische Musik in Deutschland von 1945 bis 1990. Mediale Vermittlung und kultureller Gebrauch« gelegt. Es ist seinerzeit von der DFG gefördert und an der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg realisiert worden. Ich bin den beiden Direktoren, Dorothee Wierling und Axel Schildt, zu herzlichem Dank verpflichtet. Große Unterstützung gewährte die University of Agder, wo ich 2008 eine neue wissenschaftliche Heimstatt fand. Ich danke Per Kvist, Anne Grete Lindeland, Jan Oddvar Skisland, Tore Bråthen, Tor Dybo und Are Skisland. Dankbar bin ich für die Hilfe zahlreicher Kollegen, die mir den Zugang zu Archivalien und Literatur erleichtert haben, unter ihnen: Reinhard Lorenz und Daniel Eckenfelder (IJAE), Doris Schröder und Wolfram Knauer (JID), Annette Müller (BStU), Solveig Nestler und Holger Franke (SAPMO-BArch), Andreas Matschenz (LAB), Annegret Marinowitz und Christina Apel (Humboldt-Universität zu Berlin), Beate Lücke (Institut für Zeitungsforschung Dortmund) und Thorsten Schmidt (Universitäts- und Landesbibliothek Münster). Mein aufrichtiger Dank gilt weiterhin Sylvia Lippmann, Helga Gotschlich, Peter Wicke, Detlef Siegfried, Jörg Stempel, Christoph Links, Daniel Spitzer, Wolfgang Michels, Udo Wolff, Thomas Schmitt, Gert Leiser, Marion und Jürgen Barth, Patricia Simpson, Thomas Gutberlet, Rolf Schubert, Gudy Fichelscher, Kristine Balitzki, Karlheinz Drechsel, André Mieles, Günther Kieser, Manfred Becker, Renate Heinicke, Alexander Blume, Abi Wallenstein, Bernd Hiepe, Delia Müller, Renate Dabrowski, Rolf Denckert, Mara Eggert, Winfried Kork, Wolfgang Otto Nischk, Frank Ebert, Stephanie Wiesand, Günter Halir, Harald Hauswald, Stefan Hessheimer, Bernd Scheubert, Lore Boas, Axel Küstner, Siegfried Christmann sowie Ines und Peter Jungwirt. Ganz besonders bin ich Birgit, Lily und Markus verbunden.

Kristiansand, im Herbst 2015

Michael Rauhut

       

Adams, Johnny 190 Adderley, Julian Edwin »Cannonball« 100 Adorno, Theodor W. 37, 153 Albold, Volker 185, 186 Allison, Luther 190 Allman Brothers Band, The 271 Alsmann, Götz 233 Ames, Roy 244 Amiga Blues Band 200 Ammons, Albert 88 Anany, Dolly 45 Anderson, Marian 72 Animals, The 121, 123, 161, 163, 272 Armstrong, Lillian »Lil« Hardin 94 Armstrong, Louis 43, 44, 47, 51, 55, 63, 86, 93, 180 Armstrong, Louis and His All Stars 62 Asriel, Andre 182, 183 Baez, Joan 271 Baker, Steve 219 Baldry, Long John 123 Balitzki, Jürgen 186 Band, The 166, 271, 282 Barbee, John Henry 115, 155 Barber, Chris 56, 95, 97, 246 Bargel, Richard 220, 231, 251, 253 Bartsch, Ernst 73 Basie, William »Count« 177 Basie Orchestra, The Count 177 Beatles, The 93, 283 Bechet, Sidney 44

Belafonte, Harry 177, 180 Bell, Carey 99, 109, 118, 126, 132, 144 Bell, Graeme 91, 93, 94 Bell, Graeme and His Australian Jazz Band 91 Bell, Lurrie 132, 216 Bell, Maggie 172 Below, Fred 56, 146 Berendt, Joachim-Ernst 17, 29, 30, 40, 42, 48, 66, 77, 78, 80, 83, 90, 100–103, 105, 108, 109, 111, 113, 114, 116–118, 147–156, 159, 161, 166, 168, 184, 244, 263, 264 Berk, Ata 60 Biebl, Hansi 272, 281 Biebl Band, Hansi 191, 200, 227, 254 Biermann, Wolf 201 Big Time Sarah 220 Black, Roy 172 Blesh, Rudi 42, 44, 53, 57, 69, 150 Blind Blake 44 Blood, Sweat & Tears 164 Bloomfield, Michael 28, 164, 173 Blues Band, The 125, 187 Blues Brothers 62 Blues Company 194, 206, 231, 232, 253 Blüthner, Hans 81 Blume, Alexander 195, 199 Blume, Manfred 66, 67, 69, 255 Blume, Roland 66 Boas, Günter 16, 48–68, 81–83, 85, 86, 93, 95, 102, 109, 149

358            Boas, Lore 50, 55, 56, 109 Boas Benefiz Blues Combo, Günter 58 Boas Blues Combo, Günter 61 Boas Bluesicians, Günter 62, 67 Boas Quartett, Günter 67 Bockhoff, Baldur 147 Bodag, Wolfram »Boddi« 186, 281 Böhm, Wolfgang 60 Böttger, Gottfried 204 Bohländer, Carlo 52, 81 Booker, James Carroll 166, 187, 192 Boots, The 162 Borneman, Ernest 27, 29, 43, 57 Boyd, Eddie 56, 119, 146, 191, 214 Bradshaw, Tiny 86 Branch, Billy 132, 216 Bratfisch, Rainer 71, 185, 186, 267 Brecht, Bertolt 237 Brom, Gustav 89 Brom’s Dixielandband, Gustav 89 Broonzy, Big Bill 44, 57–60, 70, 91–97, 100, 187, 196 Brown, James 148 Brown, Walter 222 Bruynoghe, Yannick 91, 92 Bryden, Beryl 55, 56, 58 Buber, Martin 51 Burdon, Eric 170, 219 Burdon, Eric & War 166 Burke, Solomon 190 Burkhardt, Werner 115, 116, 118 Bursch, Peter 194 Butlers 161 Butterfield, Paul 132 Butterfield Band, The Paul 129, 170 Byrds, The 271 Cameron, Etta 181 Canned Heat 166, 190, 251, 264, 272 Caravan 272 Carter, James Earl »Jimmy« 244 Cephas, »Bowling Green« John 132 Cephas & Wiggins 126, 133, 192, 222

Chambers Brothers, The 164 Chapman, Roger 170, 191 Chapman, Roger & The Shortlist 191 Charles, Ray 268 Charly Schreckschuss Band 206, 236, 253 Charters, Samuel Barclay 25, 26, 28, 30, 168 Chatmon, Sam 19, 222 Chauvard, Marcel 96 Chenier, Clifton 119 Chess, Leonard 111 Chess, Marshall 122 Chess, Phil 111 Chicken Shack 163 Christian, Charlie 86 Christmann, Siegfried A. »Ziggy« 169, 220, 221–225, 227, 228, 230, 231, 233, 242 Chruschtschow, Nikita S. 71 Clapton, Eric 34, 166, 211, 214, 269 Clarke Band, Mick 192 Claxton, William 100 Climax Blues Band 190 Coast to Coast Blues Band, The 230 Cocker, Joe 164, 170, 172, 173, 190, 272 Cocteau, Jean 93 Cole, Barbara 190 Coleman, Bill 46 Collins, Albert 234 Collins, Albert and The Icebreakers 170 Colyer’s All Star Jazzmen, Ken 66 Cone, James Hal 168 Conners, Gene »Mighty Flea« 192 Copeland, Johnny 192 Cotton, James 260 Cox, Ida 44 Cray, Robert 165, 234 Cream 163, 264 Criss, Sonny 56 Crosby, Stills, Nash & Young 271, 282 Crumb, Robert 174, 258

             359 

Das Dritte Ohr 17, 194, 206–209, 231, 232, 247 Dauer, Alfons Michael 21, 29, 57, 150, 156, 157, 168, 233, 242, 246, 256 Davis, Blind John 96, 220 Davis, Eb 219 Davis, Eunice 126, 132, 216 Davis, Katherine 192 Davis Group, Spencer 163, 264 Davison, Harold 121 Dawkins, Jimmy 125 Delaunay, Charles 42, 46, 96 Delta Bluesband 194, 206 Demêtre, Jacques 96, 263 DeSanto, Sugar Pie 147 Diana-Show-Quartett 162 Diddley, Bo 96, 209 Dieckmann, Christoph 135 Diestelmann, Stefan 17, 141, 190– 192, 195–206, 210, 219, 254, 272, 281, 293 Diestelmann Folk Blues Band, Stefan 195, 196 Diez, Frank 194 Dixon, Errol 192, 193 Dixon, Willie 55, 100, 103, 104, 112, 115, 123, 138, 145, 155, 196, 261 Dobberschütz, Regine 141, 190, 199, 293 Dodds, Johnny 60 Doering, Teddy 233 Doldinger’s Passport, Klaus 219 Donegan, Lonnie 97 Donisch, Peter 245 Doors, The 164, 166, 272 Down Beat Stompers 69 Drechsel, Karlheinz 67, 70, 136– 141, 143, 144 Dresdner Tanzsinfoniker 181 Dr. Friebes Blues Band 251 Dr. John 170 Dupree, »Champion« Jack 44, 61, 63, 95–97, 170, 172, 192, 219, 220, 297 Dusty Broom Blues Band 194

Dylan, Bob 271 Eaglin, Snooks 119 Ebel, Rudolf 76 Edwards, Al Fats 90 Edwards, Archie 133, 193 Edwards, David »Honeyboy« 19, 132 Edwards, Frank 192 Ege, Moritz 173 Eisler, Hanns 172 Electric Blues Duo 194 Electric Flag, The 164 Ellington, Duke 44, 56, 85 Ellison, Ralph 172 Engbarth, Gerhard 32, 194, 206, 210, 252, 265 Engerling 186, 192, 200, 254, 272, 274, 281 Epitaph 61 Eppelmann, Rainer 291–293, 297 Ergo 272, 276 Estes, Sleepy John 118 Evans, David 13 Evans, Margie 131, 132, 166, 216, 218 Ewert, Hans W. 169, 228 Fabulous Thunderbirds, The 166, 170 Feetwarmers, The 58 Feuchtwanger, Lion 51 Fichelscher, Gudrun »Gudy« 90 Fichelscher, Tobias »Toby« 86, 88– 90 Filene, Benjamin 34, 104 Finkelstein, Sidney 43, 69 Fischer, Günther 181 Fisk Jubilee Singers, The 180 Fiske, John 34 Fitzgerald, Ella 44, 56, 87 Fleetwood Mac 162 Fleming, Joy 86, 194 Flügge, Herbert 67 Fluker, Cora 222 Flyckt, William 181 Forehand, Blind Mamie 44

360            Frachthof 272 Frankfurt City Blues Band, The 232, 253 Franklin, Aretha 172 Fredrickson, George M. 21 Free 166 Frenz, Manfred »Many« 86, 88, 89 Freyer, Steffi 255 Freyer, Winfried »Winne« 236–238, 242, 255, 256, 269 Freygang 272, 274, 279, 280 Frith, Simon 11 Frohberg, Fred 182 Fusion 190, 196 Gahler, Frank 200, 293 Galden, Manfred Paul 232 Gallagher, Rory 129, 165, 170, 272 Garabedian, Steven P. 21 Gemeinhardt, Matthias 272, 279 Gerhard Swingtett, Siggi 58 Gerlach, Jens 48 Gillespie, Dizzy 64, 86 Gillett, Charlie 28, 168 Ginsberg, Allen 172 Gläser, Peter »Cäsar« 200 Gogow, Georgi 200 Gomelsky, Giorgio 121, 123, 211 Goodman, Benny 64 Graf, Christian 169 Granz, Norman 100, 122 Gray, Henry 244 Green, Peter 163 Greger, Max 94 Greiner-Pol, André 280 Grimm, Jacob 270 Grimm, Wilhelm 270 Groh, Claus 169 Groom, Bob 146 Groundhogs, The 123 Gruppe Jürgen Kerth 254 Guitar Slim 220, 222, 225 Gutberlet, Thomas 134, 233, 237– 239, 248 Guy, Buddy 118, 119, 148, 168, 260 Haake, Bernd 194

Haake Band, Bernd 194 Hall, Bob 192 Hammond, John Henry 47, 48, 91, 92, 96 Hammond, John Paul 166 Hampton, Lionel 56 Handarbeit 272, 274 Handy, William Christopher 13, 21, 262 Hartmann, Heinz 213, 214 Heide, Karl Gert zur 30, 57, 168 Heidkamp, Konrad 145 Heine, Heinrich 281 Heinze, Friedemann 239, 243, 250 Helfer, Erwin 192 Henderson, Fletcher 41 Hendrix, Jimi 162, 164, 166, 272 Herbsleb, Günter 69 Herman, Woody 63, 64 Hess, Norbert 227, 233, 238 Hiatt, John 170 Hill, Bertha »Chippie« 44 Hill, Blind Joe 126, 133 Hitler, Adolf 176, 287 Hodgkinson, Colin 99, 194 Hoegen, Detlev 169, 242 Hönig, Bernhard 201 Hofbauer, Siegfried 90 Hof Blues Band 272 Hoffmann, Rüdiger 212 Holiday, Billie 44, 56 Holly & Plant 293 Hollys Bluesband 293 Holwas, Günter »Holly« 293, 296 Homesick James 228 Honecker, Erich 176, 202, 205, 287, 290, 300 Honegger, Arthur 93 Hoochie Coochie Blues Band 235 Hooker, Earl 118 Hooker, John Lee 21, 99, 101, 109, 111, 115, 123, 157, 209, 220, 230, 231 Hopkins, Sam »Lightnin’« 115 Horkheimer, Max 153 Horton, Big Walter »Shakey« 58, 119

             361 

Hostler, Denny Lee 191 Hot Club Sextett 81 Hounddogs 162 House, Son 115 Howlin’ Wolf 56, 138, 147, 157 Hudtwalcker, Olaf 45, 52, 82, 84, 94, 95 Huflattich 280 Hufnagel 272 Hughes, Langston 21, 46, 66, 85, 172 Humes, Helen 108, 115, 166 Humphrey, Albert C. 191, 219 Hunter, Alberta 44, 96 Hutto, Joseph Benjamin »J. B.« 247, 256 Iglauer, Bruce 299 International Blues Duo, The 194, 236 Jackson, Armand »Jump« 100, 101, 115 Jackson, John 155 Jackson, Mahalia 183 Jahn, Janheinz 29, 149, 150, 156, 168 Jahnke, Karsten 228 James, Clifton 138 James, Elmore 209, 244 James, Harry 41 James, Skip 115 Jefferson, Blind Lemon 44, 86 Jethro Tull 166 Johnny & The Drivers 192 Johnson, James Weldon 66 Johnson, Larry 144 Johnson, Lonnie 44, 58, 69, 96 Johnson, Robert 26, 31, 32, 34, 92, 196 Johnson Band, David 231 Jonathan Blues Band 192, 194, 200, 272, 281, 293 Jones, Curtis 219 Jones, Floyd 132 Jones, LeRoi (Amiri Baraka) 29, 168, 172

Joplin, Janis 164, 166, 168, 272 Junck, Herbert 200 Jung, Hans Otto 52, 81 Kahr, Jim 124, 191, 219, 252, 267 Kajfeš, Davor 115 Katzman, Nick 219 Keil, Charles 22, 28, 145–147, 172 Kentuckys 162 Kerouac, Jack 282 Kerth, Jürgen 186, 191, 200, 272, 281 Kesey, Kenneth Elton »Ken« 282 Kieser, Günther 103, 106, 107, 116, 140, 148, 213, 216 Kiesewetter, Knut 86, 194 Kilian, Klaus »Mojo« 233, 243 King, Albert 260 King, B. B. 111, 117, 166, 172, 187, 196, 260, 268 King, Martin Luther 107, 172, 184 Kisch, Egon Erwin 51 Klabund 51 Klein, Hermjo 212 Klein, Oscar 62, 216 Kleinow, Bernd 196, 272, 279, 281 Klein’s Bluesmen, Oscar 61, 66 Klemm, Hansi 190 Knepler, Georg 72 Knobelsdorff, Leopold von 86 Knuff 272 Königstein, Horst 170 Korn, Hans Georg 67 Korner, Alexis 62, 90, 163, 166, 168–172, 187–189 Korner’s Blues Incorporated, Alexis 171 Krug, Manfred 181 Kübler, Olaf 194 Küstner, Axel 220–222, 224–226, 233 Kunstadt, Leonard 54, 56, 103 Kurella, Alfred 180 Laartz, Gerhard »Hugo« 200 Ladnier, Tommy 60 Leadbelly 23, 24, 44, 96, 97

362            Led Zeppelin 166 Lee, Alvin 190 Lehmann, Theo 29, 48, 183, 184, 237, 242, 254, 267 Lenin, Wladimir Iljitsch 187, 205 Lenoir, J. B. 56, 101, 107, 113, 140, 187, 214 Lenz, Klaus 181 Lewis, John 100 Lewis, Meade »Lux« 63 Lindenberg, Udo 208 Liniger, Walter 16, 33, 51 Link, Bernd Jürgen 169 Lippmann, Horst 14, 16, 40, 45, 52, 57, 60, 81–88, 93, 99–106, 108– 115, 117–122, 124–145, 147, 148, 155, 157, 159, 166, 210–219, 221– 226 Little Feat 129, 170 Littlefield, Little Willie 191–193 Little Walter 119, 209 Loch, Siegfried »Siggi« E. 101, 103 Lockwood, Robert Jr. 192, 193 Lösekes Blues Gang 231 Lomax, Alan 23, 24, 30, 92, 93, 223 Lomax, John Avery 23, 24, 30 Lorenz, Reinhard 67, 242, 255 Louisiana Red (Iverson Minter) 99, 126, 127, 131, 132, 140, 144, 170, 191–193, 210, 217–220 Lovie Lee 133 Ludwig, Jojo »Ludi« 171 Lüderitz, Rafi 86, 88 Lunics 161 Lynyrd Skynyrd 170, 271 Mabon, Willie 133, 192, 216, 219, 220, 229, 230, 252 Magic Sam 119, 216 Mama Basuto 272 Mangelsdorff, Albert 52, 137, 147 Mangelsdorff, Emil 52, 81 Mangelsdorff Quintett, Albert 137 Many und Toby 88 Marcus, Greil 28, 168 Margolin, Bob 128 Mars, Johnny 192

Marschall, Friedrich »Fritz« 233, 239, 243, 250, 255 Martin, Louis Michael »Lou« 192 Mayall, John 62, 117, 123, 132, 163, 165, 166, 192, 209, 264, 265, 268, 272, 299 Mayall, John & The Bluesbreakers 123, 190 McCall, Cash 132 McCarthy, Dave 83 McCarthy, Joseph Raymond 25, 76 McDowell, Mississippi Fred 115 McGhee, Brownie 56, 151 McGuire, Barry 271 McKenzie, Scott 272 Mecklenburg, Carl Gregor Herzog zu 29, 168 Melly, George 275 Memphis Minnie 44 Memphis Slim 56, 96, 97, 105, 115, 189, 190, 196 Merkel, Heiner 52 Meyer, Ernst Hermann 73 Meyer, Helmut 206 Michaelis, Kurt »Hot-Geyer« 67, 68 Michel, Hans 103 Michels, Wolfgang 168, 169, 171, 208 Michl, Willy 206 Mielke, Erich 288 Miles, Lizzie 53 Miller, Manfred 28, 130, 131, 133, 163, 164, 168–173, 208, 216, 233, 242–244 Millns, Paul 192 Moby Grape 164 Modern Blues 272 Modern Jazz Quartet 100 Molton, Flora 222 Monokel 200, 272, 274, 281, 293 Montag, Peter 281 Montgomery, Little Brother 30, 96, 97 Moore, Alex 118 Moore, Allan F. 35, 36 Morrison, Van 170 Morton, Jelly Roll 43, 60, 91

             363 

Mouskouri, Nana 142 Mr. Adapoe 272, 280 Muddy Waters (McKinley Morganfield) 21, 26, 34, 96, 97, 100, 104, 122, 128, 129, 143, 170, 187, 196, 269 Mühsam, Erich 51 Müller, Walter 60 Münnich, Angelika 255 Münnich, Hartmut M. 255 Murray, Charles Shaar 157 Murrell, Lottie 222 Muschketat, Eddy 171 Musselwhite, Charlie 192 Muth, Wolfgang 67 Narváez, Peter 34 Needham, Theresa 244 Nelson, Sonny Boy 16 Nentwig, Dieter 228 Neville Brothers, The 167, 190 Nighthawks, The 166 Niles, Edward »Abbe« 13 Nixon, Hammie 222 No Name Band 87 Norden, Albert 180 Oakley, Giles 28, 168 Odetta 166 Odum, Howard Washington 20, 25 Oimel Jazz Youngsters 58 Oliver, Joseph »King« 43, 60, 63 Oliver, Paul 13, 26–28, 30, 32, 35, 45, 47, 99, 114, 168 Oliver, Valerie 27 Onkel Tom 272 Orwell, George 234 Ory, Edward »Kid« 44, 60 Pabst, Peter 293 Palmer, Tony 28, 168 Panassié, Hugues 42, 51, 53, 57, 69, 96, 97, 156 Pankey, Aubrey 179, 180 Papa Bue’s Viking Jazzband 96 Parka Blues 162 Parker, Charlie 64

Parks, James Willard 109 Pasch 272 Passat 272, 279 Patterson, William 177 Patterson Singers, The Robert 119 Payne, Odie 126, 128 Peabody, Dave 192 Pee Wee Bluesgang 232 Pehl, Hans 239 Percewood’s Onagram 171 Perryman, William Lee »Piano Red« 192, 216 Peters, Ferdi 206 Peterson, Oscar 157 Petzold, Dietrich 196 Philipp, Rüdiger 196 Pick, Gerd Peter 81 Pitchford, Lonnie 126, 222 Podehl, Hans 81 Pötsch, Helmut 272 Pohland, Hansjürgen 90 Pohle, Hans-Hermann 169 Portnoy, Jerry 128 Postel, Jürgen 272 Postel & Pötsch 280 Powell, Earl »Bud« 147 Pratt, Ray 35 Price, Big Walter 192 Pro Art 272 Pryor, James Edward »Snooky« 228 Puhdys 199, 201 Pulley, James W. 182 Queen Sylvia 132 Queen Yahna 192, 219 Rainey, Gertrude »Ma« 37, 44, 63 Ramsey, William McCreery »Bill« 86, 87 Rannenberg, Christian 194, 232, 236 Rapone, Al & The Zydeco Express 191, 193, 216, 237 Rattles 162 Rau, Fritz 14, 16, 99–106, 109–122, 124–137, 140–145, 147, 148, 157, 159, 166, 210–213, 219

364            Ravel, Maurice 93 Rawls, Louis Allen »Lou« 172 Reed, Jimmy 119 Rehm, Werner 60 Reinhardt, Django 51 Renft Combo, Klaus 254 Ricks, »Philadelphia« Jerry 192, 216, 219 Ringe, Bernward »Bernie« 204 Rivers, Boyd 222 Robeson, Paul 72, 177–180 Robinson, »Lonesome« Jimmy Lee 146 Rockin’ Dopsie and His Cajun Twisters 170 Rogers, Jimmy 133, 144 Rolling Stones, The 99, 121, 161, 163, 166, 234, 272 Roosevelt, Franklin Delano 156 Ross, Charles Isaiah »Doctor« 115, 192, 193, 219, 220, 228 Roth, Manfred 86 Rudorf, Reginald 72 Rückert, Gerhard 67 Rush, Otis 119, 148, 168 Rushing, Jimmy 63, 65, 111 Russell, Bill 44 Ryder, Mitch 170, 190 Sacré, Robert 233, 242 Sainte-Marie, Buffy 271, 282 Salinger, Jerome David 282 Santana 190 Sartre, Jean-Paul 60 Sauer, Wolfgang 86–88 Savage, Joe 222 Schaaf, Harald P. 230 Scheck, Waldemar 29, 168 Scheller, Mike 212 Scheubert, Bernd 196 Schmidt, Siegfried 69 Schmidt-Joos, Siegfried 69, 103, 116, 117, 152–154, 163, 166, 211 Schneider, Helen with The Kick 142 Schöne, Reiner 182 Schrader, Tom 206, 207 Schroeder, Tom 169, 242, 243

Schubert, Rolf 191, 193, 227–229, 242 Schulz-Köhn, Dietrich 81, 154 Schwartz, Roberta Freund 92 Scorsese, Martin 13, 20, 282 Scruggs, Irene 56 Seale, Bobby 173 Seghers, Anna 179 Selby, Sidney »Guitar Crusher« 219 Sellhorn, Werner »Josh« 70 Severin, Peter 53 Shaka, Tom 219 Shakey Jake 115, 148 Shaw, Arnold 28, 168 Sheridan, Tony 169 Shines, Johnny 192, 193 Siegfried, Detlef 159 Simon, Dick 60 Simone, Nina 172 Simple Song 272 Smith, Bessie 16, 37, 44–49, 54, 57, 58, 63, 66, 72, 86, 153, 172, 187 Smith, Mamie 44, 53, 54 Spann, Otis 97 Spivey, Victoria 56, 57, 102, 103, 115 Spotlights 162 Spree City Stompers 58, 88 Stalin, Josef W. 71 Stearns, Marshall W. 43 Stockyard Blues Band 266 Strachwitz, Chris 27, 103, 117, 132, 145 Strauß, Franz Josef 77 Streibert, Theodore 77 Stroger, Bob 99, 128 Sugar Blue 234 Sumlin, Hubert 99, 126, 131, 133, 138, 214 Sunnyland Slim 126, 133, 138, 216, 220 Sutton, Ralph 53 Sykes, Roosevelt 32 Taj Mahal 164, 170, 196 Taste 165 Tatum, Art 86

             365 

Taylor, Eddie 126, 216 Taylor, Koko 56, 116 Taylor, Theodore Roosevelt »Hound Dog« 119 Team Beats Berlin 162 Ten Years After 163, 164, 166, 272 Terry, Cooper 192 Terry, Sonny 151 Terry, Sonny & Brownie McGhee 58, 95–97, 115, 119, 187, 196 Tharpe, Sister Rosetta 94, 96, 97, 119 Thomas, Irma 190 Thomas, James »Son« 33, 133, 222 Thornton, Willie Mae »Big Mama« 58, 101, 102, 113, 119 Thorogood, George 165 Thorogood, George and The Destroyers 170 Thorup, Peter 192 Thunderclap Newman 282 Tiny Hagen 169, 233 Toby’s Blues Combo 88 Travelling Blues 272, 280, 281 Tucker, Tommy 192, 219 Turner, Big Joe 63 Turner, Joe [Pianist] 53, 56 Turner & The Rising Star Fife and Drum Band, Othar 222 Twittenhoff, Wilhelm 158, 159 Two Beat Stompers 57, 60, 61, 82, 94 Ulanov, Barry 43 Ulbricht, Walter 178 Ulmer, James »Blood« 192 Vaih hu 196 Van Vechten, Carl 21 Vaughan, Sarah 111 Vaughan, Stevie Ray 165, 170, 234 Vinson, Eddie »Cleanhead« 132 Vrotsos, Johnny 45, 63–65 Wagner, Dieter 70 Wald, Elijah 13, 34 Walker, T-Bone 115, 123, 148, 196

Wallace, Sippie 44 Walldorf, Benno 86, 110 Walldorf Blues Combo, Benno 109 Wallenstein, Abi 172, 231 Waller, Thomas »Fats« 53 Washboard Doc, Lucky & Flash 133 Waters, Ethel 44 Weber, Vince 191, 194, 232 Webster, Katie 192, 193, 257 Wein, George Theodore 121, 122 Weiz, Angelika 191 Weiz, Waldemar »Waldi« 276 Wells, Junior 119, 139, 140, 148, 260 Wenders, Wim 20 White, Bukka 115, 119, 170, 265 White, Josh 63, 96 Wicke, Peter 186, 283 Wierling, Dorothee 9 Wiesand, Stephanie 55, 109 Wiggins, »Detroit« Gary 194, 219, 236 Wilder Wein 280 Williams, Big Joe 22, 58, 115, 156, 157, 173, 216, 226 Williams, John »Memphis Piano Red« 220, 222, 225 Williamson, Sonny Boy 50, 56, 96, 97, 105, 111, 112, 122, 123, 211, 214 Williams Wetsox 206 Winkler, Karl »Kalle« 293, 296 Winter, Johnny 129, 164, 168, 170, 187, 272 Wintoch, Hans (Hans die Geige) 195 Witherspoon, Jimmy 65, 246 Wolff, Udo 127, 206–209, 233, 247, 252, 260–262, 264, 266, 267 Wooding, Sam 56 Wortham, Rosay 192, 219 Wright, Richard 27, 85 Wunderlich, Heinz Werner 52 Wyman, Bill 99 Yancey, Jimmy 88

366            Yardbirds, The 121, 123, 161, 211, 212, 214, 217 Young, James Osborne »Trummy« 62 Young, Lester 86 Youngblood, Arzo 222 Zenit 200, 272, 281 Zerbe, Hannes 181 Zerbe-Quintett, Hannes 181 Zimmerle, Dieter 40, 115 Zimmermann, Heinz 60 Z.O.P.F. 272 Zschockelt, Alfons 69, 89 Zweig, Arnold 177 Zwingenberger, Axel 232 ZZ Top 129, 170, 252, 272

Studien zur Popularmusik Johannes Gruber Performative Lyrik und lyrische Performance Profilbildung im deutschen Rap November 2016, ca. 380 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., ca. 34,99 €, ISBN 978-3-8376-3620-8

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