»Ein bisschen wie zuhause«: Langzeitbesuche als Maßnahme zur erweiterten Einbindung von Außenkontakten im Jugendstrafvollzug [1 ed.] 9783428583157, 9783428183159

Der Autor untersucht die Einbindung von Außenkontakten durch Langzeitbesuche im deutschen Jugendstrafvollzug aus rechtli

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German Pages 336 [337] Year 2021

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»Ein bisschen wie zuhause«: Langzeitbesuche als Maßnahme zur erweiterten Einbindung von Außenkontakten im Jugendstrafvollzug [1 ed.]
 9783428583157, 9783428183159

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Kriminologische und sanktionenrechtliche Forschungen Band 26

„Ein bisschen wie zuhause“ Langzeitbesuche als Maßnahme zur erweiterten Einbindung von Außenkontakten im Jugendstrafvollzug Von

Julian Knop

Duncker & Humblot · Berlin

JULIAN KNOP

„Ein bisschen wie zuhause“

Kriminologische und sanktionenrechtliche Forschungen Begründet als „Kriminologische Forschungen“ von Prof. Dr. Hellmuth Mayer Herausgegeben von Prof. Dr. Kirstin Drenkhahn

Band 26

„Ein bisschen wie zuhause“ Langzeitbesuche als Maßnahme zur erweiterten Einbindung von Außenkontakten im Jugendstrafvollzug Von

Julian Knop

Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin hat diese Arbeit im Jahr 2020 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D 188 Alle Rechte vorbehalten

© 2021 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Satz: TextFormA(r)t, Daniela Weiland, Göttingen Druck: CPI buchbücher.de GmbH, Birkach Printed in Germany ISSN 0933-078X ISBN 978-3-428-18315-9 (Print) ISBN 978-3-428-58315-7 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin im Sommersemester 2020 als Dissertation angenommen. Vor der Veröffentlichung wurde sie auf den Stand April 2021 gebracht. Zu Beginn möchte ich mich bei den Jugendstrafgefangenen und ihren Ange­ hörigen bedanken, die sich mir in ihren äußerst schwierigen Situationen anver­ traut und geöffnet haben. Auch danke ich den Justizvollzugsmitarbeiter*innen und -verwaltungen für ihre Unterstützung bei der Durchführung meiner empirischen Untersuchung. Auf meinem wissenschaftlichen Werdegang haben mich viele Menschen unter­ stützt, denen ich an dieser Stelle danken möchte. Zunächst gilt mein Dank Kirstin Drenkhahn, die sich nicht nur dafür einsetzte, dass ich als Kriminologe an einem rechtswissenschaftlichen Fachbereich über­ haupt promovieren konnte, sondern auch große Unterstützung bei der finanziellen Förderung leistete und mir in vielfältiger Weise durch wissenschaftlichen Rat zur Seite stand. Bei Frank Neubacher möchte ich mich bedanken für die zügige Er­ stellung des Zweitgutachtens, bei Jan Fährmann, Harald Loft, Manuel Mika und Julia Wegner für ihre wertvollen und sehr hilfreichen Korrekturanmerkungen. Peter Mercer möchte ich meinen Dank aussprechen für seine große lektoratische Unterstützung in der Endphase meiner Dissertation. Marie Langner danke ich für ihre Unterstützung bei dem Prozess der Veröffentlichung. Dem Evangelischen Studienwerk e. V. Villigst danke ich für die finanzielle Förderung. Sehr großer Dank gilt drei besonderen Menschen in meinem Leben. Bei mei­ ner Mutter Sabine Knop, auf deren Rückhalt ich mich immer in allen Lebenslagen verlassen kann, möchte ich mich für die großartige Unterstützung in jeder Phase meiner Ausbildung bedanken. Erich Becker danke ich für seine Tätigkeiten als Mentor, der mich in wissenschaftlichen sowie nicht wissenschaftlichen Fragen stets unterstützt. Gesche Loft, meiner Lebensgefährtin und Mutter unserer ge­ meinsamen Tochter Ella, danke ich vor allem dafür, dass sie mir während meiner Dissertation, einer Arbeit, die durchaus von Höhen und Tiefen geprägt war, stets beratend und motivierend zur Seite stand. Berlin, im Juni 2021

Julian Knop

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 1. Theoretische Grundlagen zum Langzeitbesuch aus raumsoziologischer und rechtshistorischer Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 a) Der Langzeitbesuch als Ereignis im Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 aa) „Heterotoper“ Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 bb) „Liminaler“ Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 cc) Innen-Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 b) Der Langzeitbesuch als historisches Konstrukt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 aa) Historische Entwicklung im Erwachsenenstrafvollzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 (1) Von der Veröffentlichung der Grundsätze für den Vollzug von Freiheits­ strafen bis zur Einführung des Bundesstrafvollzugsgesetzes (1923–1976) 27 (2) Vom Inkrafttreten des Bundestrafvollzugsgesetzes bis zur Föderalismus­ reform I (1977–2006) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 (3) Gegenwärtige Situation im Erwachsenenstrafvollzug . . . . . . . . . . . . . . . 34 bb) Historische Entwicklung im Jugendstrafvollzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 (1) Von der Einführung des Separationsprinzips bis zum Abschlussbericht der Jugendstrafvollzugskommission (1871–1980) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 (2) Vom Abschlussbericht der Kommission zur Erarbeitung eines Jugend­ strafvollzugsgesetzes bis zur Föderalismusreform I (1980–2006) . . . . . . 37 (3) Gegenwärtige Situation im Jugendstrafvollzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs mit kriminologischen Erkenntnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 a) Rechtliche Grundlagen des Langzeitbesuchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 aa) Landesgesetze zum Jugendstrafvollzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 (1) Vollzugsziel, Vollzugsaufgaben und Gestaltungsgrundsätze . . . . . . . . . . 45 (a) Ziele und Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 (b) Gestaltungsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 (2) Sicherheit und Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 (3) Regelungen zum Kontakt mit der Außenwelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

8

Inhaltsverzeichnis (a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 (b) Regulärer Besuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 (c) Langzeitbesuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 bb) Bisherige Rechtsprechung zu Langzeitbesuchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 cc) Langzeitbesuch aus verfassungsrechtlicher Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 dd) Internationale Mindeststandards und Kontrollinstanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 ee) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 b) Kriminologische Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte von Jugendstrafgefangenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 aa) Theoretische Einordung der Einbindung sozialer Kontakte durch Langzeit­ besuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 (1) Soziale Kontakte als theoretisches Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 (2) Soziale Kontakte und klassische Kriminalitätstheorien . . . . . . . . . . . . . . 71 (a) Anomietheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 (b) Kontrolltheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 (c) Lerntheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 (d) Biosoziale Kriminalitätstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 (e) Theorie der reintegrativen Beschämung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 (f) Labelingtheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 (g) Situative Theorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 (h) Integrative und prozessorientierte Theorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 (3) Soziale Kontakte und „Desistance“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 (a) Theorie der „Turning Points“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 (b) Theorien der kognitiven Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 (c) Struktur und Individuum im „Desistance“-Prozess . . . . . . . . . . . . . . 91 (4) Soziale Kontakte und Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 (5) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 bb) Soziale Kontakte vor der Gefangenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 (1) Das familiäre Umfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 (a) Erziehungsstile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 (b) Bindungen an die Eltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 (c) Beziehungsqualität zwischen Eltern und Nachwuchs . . . . . . . . . . . . 100 (d) Familiärer Hintergrund und Kriminalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 (e) Kriminalität innerhalb der Familie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 (2) Peers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112

Inhaltsverzeichnis

9

cc) Soziale Kontakte während der Gefangenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 (1) Familie und Freund*innen aus soziologischer und entwicklungspsycholo­ gischer Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 (2) Deskription des sozialen Umfelds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 (3) Beziehungsverläufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 (4) Einfluss des sozialen Umfelds auf Gefangene und Einfluss der Gefangen­ schaft auf soziale Umfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 (a) Gefangene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 (aa) Allgemeine Bedeutung des sozialen Umfelds . . . . . . . . . . . . . . 127 (bb) Soziale Kontakte und ihr Einfluss auf die psychosoziale Entwick­ lung von Jugendstrafgefangenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 (cc) Einfluss von Peers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 (dd) Vaterschaft im Gefängnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 (ee) Einfluss sozialer Interaktionen während der Gefangenschaft auf die Zeit nach der Entlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 (b) Soziales Umfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 (aa) Allgemeine Einflüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 (bb) Situation von Partner*innen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 (cc) Situation von Kindern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 (5) Sonderpunkt: Sexualität im Gefängnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 (a) Diskrepanz zwischen „drinnen“ und „draußen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 (b) Sexualität aus humanwissenschaftlicher Perspektive . . . . . . . . . . . . . 151 (c) Stand der Forschung zum Thema Sexualität und Gefangenschaft . . . 153 (aa) Sexualität als Tabu in Strafvollzugsforschung und Strafvollzugs­ praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 (bb) Theoretische Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 (cc) Deskription sexueller Alternativhandlungen . . . . . . . . . . . . . . . 154 (dd) Einfluss des Fehlens frei gestalteter Sexualität auf Gefangene . 155 (ee) Spezifische Einflüsse von Sexualität auf Partnerschaften . . . . . 159 (6) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 dd) Soziale Kontakte nach der Gefangenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 (1) Soziale Kontakte nach der Entlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 (a) Deskription des sozialen Umfelds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 (b) Einfluss des sozialen Umfelds auf Entlassene . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 (2) Einfluss der Entlassung auf das soziale Umfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 (3) Soziale Kontakte und ihre Bedeutung für die Abkehr von Kriminalität . . 168 (a) Heirat und Partnerschaft als spezielle Wendepunkte . . . . . . . . . . . . . 173 (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175

10

Inhaltsverzeichnis ee) Langzeitbesuche und reguläre Besuche im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 (1) Regulärer Besuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 (a) Gefangene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 (b) Angehörige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 (2) Langzeitbesuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 (a) Erfahrungen mit Langzeitbesuchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 (b) Deskriptive Studien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 (aa) Internationale Situation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 (bb) Situation in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 (c) Einfluss von Langzeitbesuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 (aa) Gefangene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 (bb) Angehörige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 (cc) Vollzugsmitarbeiter*innen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 c) Zwischenfazit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209

3. Empirische Untersuchung des Langzeitbesuchs im Jugendstrafvollzug . . . . . . . 214 a) Bundesweite Untersuchung der Langzeitbesuchssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 aa) Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 bb) Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 (1) Möglichkeit von Langzeitbesuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 (2) Jugendstrafgefangene mit Langzeitbesuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 (3) Begründungen hinsichtlich des Fehlens von Langzeitbesuch . . . . . . . . . 220 (4) Vergleich von Rechtslage und Rechtstatsachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 (5) Justizvollzugsanstalten mit Langzeitbesuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 (6) Auslastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 (7) Sexualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 b) Vertiefende Untersuchung in den Justizvollzugsanstalten JA Hameln, der JVA Her­ ford und der JVA Wuppertal-Ronsdorf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 aa) Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 bb) Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 (1) Jugendstrafgefangene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 (2) Angehörige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 (3) Vollzugsmitarbeiter*innen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277

Inhaltsverzeichnis

11

Anhang I: Fragebogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 Anhang II: Gesetzentwürfe der Bundesländer und des Bundes zum Justizvollzug . 289 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335

Abkürzungsverzeichnis Abs. Absatz AK Alternativkommentar Art. Artikel Aufl. Auflage AVD Allgemeiner Vollzugsdienst BayStVollzG (BY) Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe und der Jugendstrafe (Bayrisches Strafvollzugsgesetz) BB Brandenburg BbgJVollzG (BB) Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe, der Jugendstrafe und der Untersuchungshaft im Land Brandenburg (Brandenburgisches Jus­ tizvollzugsgesetz) BE Berlin BGBl. Bundesgesetzblatt BremJStVollzG (HB) Gesetz über den Vollzug der Jugendstrafe im Land Bremen (Bremi­ sches Jugendstrafvollzugsgesetz) BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BVerfGK Kammerentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BW Baden-Württemberg BY Bayern bzw. beziehungsweise ca. circa CPT European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment d. h. das heißt Deutsche Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen DVJJ DVollzO Dienst- und Vollzugsordnung Europäische Menschenrechtskonvention EMRK EPR European Prison Rules ERJOSSM European Rules for Juvenile Offenders Subject to Sanctions or Mea­ sures etc. et cetera EuGRZ Europäische Grundrechte-Zeitschrift folgende f. / ff. Forum Strafvollzug FS gem. gemäß GG Grundgesetz HB Bremen HE Hessen HessJStVollzG (HE) Hessisches Jugendstrafvollzugsgesetz HH Hamburg

Abkürzungsverzeichnis

13

Gesetz über den Vollzug der Jugendstrafe (Hamburgisches Jugend­ strafvollzugsgesetz) Hrsg. Herausgeber in Verbindung mit i. V. m. Jugendanstalt Hameln JA H. JGG Jugendgerichtgesetz Berliner Jugendstrafvollzugsgesetz JStVollzG Bln (BE) JStVollzG M-V (MV) Gesetz über den Vollzug der Jugendstrafe (Jugendstrafvollzugsgesetz Mecklenburg-Vorpommern) JStVollzG NRW (NW) Gesetz zur Regelung des Jugendstrafvollzugs in Nordrhein-Westfa­ len (Jugendstrafvollzugsgesetz Nordrhein-Westfalen) JVA Justizvollzugsanstalt Justizvollzugsanstalt Herford JVA H. Justizvollzugsanstalt Wuppertal-Ronsdorf JVA W. ­JVollzGB (BW) Gesetzbuch über den Justizvollzug in Baden-Württemberg ­JVollzGB LSA (ST) Jugendstrafvollzugsgesetz Sachsen-Anhalt keine Angabe k. A. KG Kammergericht LG Landgericht Landesjustizvollzugsgesetz Rheinland-Pfalz LJVollzG (RP) Laubenthal / Nestler / Neubacher / Verrel LNNV LZB Langzeitbesuch(e) max. maximal MV Mecklenburg-Vorpommern NI Niedersachsen Niedersächsisches Justizvollzugsgesetz NJVollzG (NI) Nr. Nummer Neue Zeitschrift für Strafrecht (-Rechtsprechungsreport) NStZ (-RR) NW Nordrhein-Westfalen OLG Oberlandesgericht Partei des Demokratischen Sozialismus PDS Rn. Randnummer RP Rheinland-Pfalz S. Seite Sächsisches Strafvollzugsgesetz SächsStVollzG SH Schleswig-Holstein Gesetz über den Vollzug der Jugendstrafe (Saarländisches Jugendstraf­ SJStVollzG (SL) vollzugsgesetz) SL Saarland SN Sachsen ST Sachsen-Anhalt Std. Stunde(n) StGB Strafgesetzbuch Strafverteidiger Forum StraFO StVollzG Strafvollzugsgesetz TH Thüringen Thür­JVollzGB (TH) Thüringer Justizvollzugsgesetzbuch und andere; unter anderem / n u. a. HmbJStVollzG (HH)

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Abkürzungsverzeichnis

Uniform Resource Locator URL United States of Amerika USA vgl. vergleiche Verwaltungsvorschriften zum Jugendstrafvollzug VVJug zum Beispiel z. B. ZfStrVo Zeitschrift für Strafvollzug und Straffälligenhilfe zit. zitiert

Einleitung Das Ziel des Jugendstrafvollzugs ist Resozialisierung.1 Werden junge Menschen im geschlossenen Jugendstrafvollzug untergebracht, so werden sie aus ihrem ge­ wohnten sozialen Umfeld herausgerissen mit dem Ziel, sie nach der Gefangen­ schaft in die Gesellschaft jenseits der Gefängnismauern wiedereinzugliedern. Dies schafft eine problematische und geradezu paradoxe Situation, da die Re-Integra­ tion in eine soziale Außenwelt angestrebt wird, die während der Gefangenschaft de facto abwesend ist. Im Gefängnis2 gibt es durchaus Aspekte – wie zum Beispiel Arbeit, Bildungs­ angebote und Sozialkontakte –, die ein normales Leben in Freiheit imitieren. Sie unterliegen aber starken Einschränkungen und sind an zahlreiche rechtliche Be­ dingungen geknüpft. Für die Pflege sozialer Beziehungen im geschlossenen Ju­ gendstrafvollzug räumen die Gesetzgeber die Möglichkeit des Außenkontakts über Telefonate, Briefe, reguläre Besuche und Langzeitbesuche ein. Der Langzeit­ besuch – definiert als jeder unbeaufsichtigte, mehrstündige Besuch in wohnungs­ ähnlichen Räumen – scheint besonders geeignet, soziale Interaktionen außerhalb des Gefängnisses nachzuempfinden, ermöglicht er doch menschliche Nähe, Pri­ vatsphäre und Intimität. Ab 2006 wurden Langzeitbesuche erstmals aufgrund der Föderalismusreform I in einzelnen Gesetzen für den Erwachsenen- und auch den Jugendstrafvollzug der Bundesländer normiert. Über die tatsächliche Implementierung und Wirkung die­ ser Maßnahme ist jedoch in der deutschen Strafvollzugsforschung wenig bekannt. Während für den Erwachsenenstrafvollzug vereinzelte Studien vorliegen,3 fehlen vergleichbare Arbeiten über die Verbreitung und Wirkung des Langzeitbesuchs für den deutschen Jugendstrafvollzug. Wenn auch Langzeitbesuche im Erwachse­ nenstrafvollzug herkömmlicherweise mit dem Schutz von Ehe und eheähnlichen Beziehungen begründet werden und dieser Aspekt im Jugendstrafvollzug aufgrund 1

§ 1 ­JVollzGB IV (BW); Art. 121 S. 2 BayStVollzG (BY); § 2 S. 1 JStVollzG Bln (BE); § 2 S. 1 BbgJVollzG (BB); § 2 BremJStVollzG (HB); § 2 S. 1 HmbJStVollzG (HH); § 2 Abs. 1 HessJStVollzG (HE); § 2 S. 1 JStVollzG M-V (MV); § 113 S. 1 NJVollzG (NI); § 2 Abs. 1 JStVollzG NRW (NW); § 2 S. 1 LJVollzG (RP); § 2 Abs. 1 SJStVollzG (SL); § 2 S. 1 Sächs­ JStVollzG (SN); § 2 Abs. 1 S. 1 J­ VollzGB LSA (ST); § 2 S. 1 JStVollzG (SH); § 2 Abs. 1 S. 1 Thür­JVollzGB (TH). 2 In dieser Arbeit wird der Begriff „Justizvollzugsanstalt“ nur als Eigenname spezifischer Gefängniseinrichtungen verwendet. Im Rest der Arbeit wird der Begriff „Gefängnis“ bevor­ zugt, da er den Freiheitsentzug als wesentliche Funktion der Institution benennt und damit ihren Zweck und Charakter präziser beschreibt. 3 Thiele (2016); Buchert et al. (1995); Stöckle-Niklas (1989); Ernst (1972).

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Einleitung

des Altersdurchschnittes nicht von herausragender Bedeutung ist, so erscheinen Langzeitbesuche für den Jugendstrafvollzug dennoch aufgrund einer Reihe von Faktoren mindestens genauso notwendig. Vor diesem Hintergrund erscheint eine systematische Erfassung und Bewertung von Langzeitbesuchen im deutschen Jugendstrafvollzug als besonders dringlich. Die vorliegende Arbeit soll diese Forschungslücke schließen, indem sie die Rechts­ lage und Rechtswirklichkeit des Langzeitbesuchs erfasst und sie mithilfe krimino­ logischer Erkenntnisse bewertet. Aus kriminologischer Perspektive ist der Langzeitbesuch kein eindimensiona­ ler Untersuchungsgegenstand, der sich von selbst erklärt. Um ihn als Begriff zu schärfen und schlussendlich als Maßnahme in der Realität zu bewerten, müssen daher verschiedene Umwege eingeschlagen werden: „Wenngleich die Krimino­ logie an fremden Tischen essen muss, was sie von ihren Gastgebern aufgetischt erhält, so erlaubt sie sich doch, die Gastgeber zu wechseln und in verschiedenen Gasthäusern zugleich zu tafeln.“4 Diesem kriminologischen Selbstverständnis folgend, vollzieht diese Arbeit einen Spagat zwischen unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen sowie theoretischen und empirischen Methoden: Sie nutzt im theoretischen Teil krimi­ nologische, raumsoziologische, historische und rechtliche Perspektiven, um im empirischen Teil darauf aufbauend die rechtstatsächliche Situation im deutschen Jugendstrafvollzug systematisch durch sowohl quantitative als auch qualitative Methoden der empirischen Sozialforschung zu erfassen und zu bewerten. Im ersten Kapitel dieser Arbeit werden verschiedene Dimensionen des Langzeit­ besuchs als Untersuchungsgegenstand diskutiert. So zeichnet sich der besondere Besuch durch einen Doppelcharakter aus: Zum einen beschreibt er eine soziale Interaktion in speziellen Räumen des Gefängnisses und besitzt als solcher eine phy­ sische und soziale Realität. Im Abschnitt 1. a) wird der besondere Besuch deshalb aus einer raumsoziologischen Perspektive betrachtet. In diesem Zusammenhang werden sowohl die Konzepte von „heterotopen“-, „liminalen“- und „Innen-Räumen als auch Ansätze der „carceral geography“ auf die Räumlichkeiten übertragen, in denen Langzeitbesuche stattfinden. So sind Langzeitbesuchsräume als besondere Räume zu verstehen, die einerseits im Strafvollzug, also in einer Zwangssituation platziert sind, aber gleichzeitig die Illusion von Draußen erzeugen sollen und kön­ nen, also als ein Ort in Freiheit erscheinen können. Zum anderen stellt dieser Ort ein Rechtskonstrukt dar, das eine historische Ent­ wicklung durchlaufen hat. Aus diesem Grund wird im Abschnitt 1. b) die rechts­ historische Entwicklung von Langzeitbesuchen im deutschen Jugendstrafvollzug rekonstruiert: In der Vorgeschichte der gegenwärtigen Rechtslage zeigt sich, dass

4

Kunz (2004), S. 27.

Einleitung

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Langzeitbesuche immer schon umstritten waren. Die seit jeher heikle Frage der Sexualität beeinflusste die Fachdiskurse ebenso wie Gesetzgebungsprozesse und wirkt bis in die gegenwärtige Rechtslage nach. Im zweiten Kapitel wird die gegenwärtige Rechtslage zur erweiterten Einbin­ dung sozialer Kontakte durch Langzeitbesuch im Jugendstrafvollzug erfasst und mit kriminologischen Erkenntnissen abgeglichen. Dabei stellt ein besonderes Prob­ lem die Rechtsmaterie dar, die sich aufgrund der Zersplitterung in viele Landesge­ setze zum Jugendstrafvollzug als unübersichtlich erweist und eine kriminologische Durchdringung des Jugendstrafvollzugs erheblich erschwert.5 Um die Rechtslage überhaupt bewerten zu können, werden im Abschnitt 2. a) zunächst die rechtlichen Grundlagen des Langzeitbesuchs erfasst, die das Vollzugsziel, die Vollzugsgrund­ sätze, die Sicherheit und Ordnung sowie die Außenkontaktregelungen mitsamt den Regelungen zum Langzeitbesuch betreffen. Außerdem werden Bezüge zur bishe­ rigen Rechtsprechung sowie zum Verfassungsrecht hergestellt und relevante inter­ nationale Rechtsquellen aufgeführt. Die Deskription der Rechtslage zielt darauf ab, die entscheidenden Maßstäbe herauszuarbeiten, die aus rechtlicher Perspektive für die Beurteilung von Langzeitbesuch entscheidend sind. Dabei wird deutlich, dass die Gesetzgeber Außenkontakt in Form des Langzeitbesuchs nur fördern, wenn ein positiver Einfluss auf den Gefangenen erwartet werden kann. Vor diesem Hintergrund wird im Abschnitt 2. b) der komplexe Einfluss der er­ weiterten Einbindung des sozialen Umfelds von Jugendstrafgefangenen mithilfe kriminologischer Erkenntnisse im Kontext der rechtlichen Vorgaben erfasst. Die­ ser Abschnitt geht zunächst einen Umweg über Untersuchungen, die ganz allge­ mein den Einfluss von sozialen Kontakten auf Gefangene und Kriminalität ana­ lysieren. Erst in einem zweiten Schritt werden kriminologische Befunde über den spezifischen Einfluss sozialer Kontakte im Rahmen von Langzeitbesuchen prä­ sentiert. Dieser Umweg wird einerseits aus einem praktischen Grund beschritten, da nur eine begrenzte Anzahl von kriminologischen Studien zum Langzeitbesuch vorliegen. Andererseits muss auch aus theoretischer Perspektive die Bedeutung des Langzeitbesuchs mit der Bedeutung von Sozialkontakt allgemein diskutiert werden, da der Langzeitbesuch gleichbedeutend mit der Intensivierung von So­ zialkontakt ist. Daher wird in diesem Abschnitt theoretisch fundiert gezeigt, wie komplex und vielschichtig der Einfluss von Sozialkontakt vor, während und nach dem Gefängnis ist. Abschnitt 2. b) bildet neben der empirischen Untersuchung das Herzstück dieser Arbeit. Die hier vorgenommene, sehr umfangreiche Bestandsauf­ nahme der Literatur vor allem auch aus dem Ausland zum Thema „soziale Bezie­ hungen“ erweist sich als notwendig, da zum einen die Forschungslage in Deutsch­ land recht dürftig erscheint und zum anderen gegenwärtig in der Literatur eine systematische Erfassung und gut strukturierte Darstellung der kriminologischen Bedeutung von sozialen Beziehungen fehlt.

5

Vgl. Bäumler et al. (2018), S. 211.

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Einleitung

Im Abschnitt 2. b) aa) wird zunächst die Einbindung sozialer Kontakte krimina­ litäts-, „desistance“- und behandlungstheoretisch eingeordnet. Darauf aufbauend werden in den folgenden Abschnitten kriminologische Befunde über ihren Einfluss vor (Abschnitt 2. b) bb)), während (Abschnitt 2. b) cc)) und nach (Abschnitt 2. b) dd)) der Gefangenschaft präsentiert. In Abschnitt 2. b) ee) werden anschließend Lang­ zeitbesuche mit regulären Besuchen verglichen. Im Zwischenfazit in Abschnitt 2. c) werden die zentralen Ergebnisse aus Abschnitt 2. a) und Abschnitt 2. b) zusammen­ gefasst und bewertet. An den theoretischen Teil der vorliegenden Arbeit schließen sich im empirischen Teil die Ergebnisse von zwei Untersuchungen zum Langzeitbesuch an. Bei diesem Teil handelt es sich um das zweite Herzstück der Arbeit. Da keine Daten über die Implementierung von Langzeitbesuchen im deutschen Jugendstrafvollzug vorlie­ gen, wurde eine quantitative Vollerhebung durchgeführt. Für diese bundesweite Untersuchung wurde ein Fragebogen entwickelt, der sich an die Anstaltsleitungen richtete. Dabei ging es darum herauszufinden, in welchen Anstalten überhaupt Langzeitbesuch angeboten wird, welche Unterschiede in der konkreten Ausge­ staltung der Langzeitbesuche erkennbar werden und welche Gründe aus Sicht der Anstaltsleitung für oder gegen die Durchführung von Langzeitbesuchen sprechen. Während der Organisation und Durchführung der Untersuchung stellte sich her­ aus, dass einige Anstalten, die nach dem Vollstreckungsplan des Landes noch als Jugendanstalten ausgewiesen waren, nicht mehr für den Vollzug von Jugendstrafen zuständig waren. Drei Einrichtungen haben die Teilnahme an der Untersuchung abgelehnt, so dass insgesamt Daten aus 25 Anstalten erlangt wurden. Die Ergeb­ nisse werden im Abschnitt 3. a) präsentiert. Darüber hinaus fehlen Erkenntnisse über die subjektive Bedeutung von Lang­ zeitbesuchen für die betroffenen Menschen. Daher wurde eine explorative quali­ tative Untersuchung in den Jugendstrafanstalten durchgeführt, die Langzeitbesu­ che ermöglichen (JVA Herford, JVA Wuppertal-Ronsdorf und JA Hameln). Die Ergebnisse dieser insgesamt 29 Interviews werden im Abschnitt 3. b) dargestellt. Aufgrund methodischer Erwägungen geht diese Arbeit nicht auf die Situation weiblicher Gefangener ein, da in Deutschland nur männliche Gefangene in speziel­ len Jugendstrafvollzügen untergebracht werden, während junge weibliche Gefan­ gene in den regulären Gefängnissen des Frauenvollzugs untergebracht sind.6 Dies ist zweifelsohne ein bedeutendes Desiderat, das diese Arbeit offenlassen musste.

6

Vgl. Ostendorf (2016), Vorbemerkungen Rn. 33.

1. Theoretische Grundlagen zum Langzeitbesuch aus raumsoziologischer und rechtshistorischer Perspektive a) Der Langzeitbesuch als Ereignis im Raum aa) „Heterotoper“ Raum Das Gefängnis ist ein Ort, der durch eine Grenze – üblicherweise die Gefäng­ nismauer – bestimmt ist, die den Raum in ein „Innen“ und ein „Außen“ unterteilt. Goffmann greift diese Eigenschaft in seinem Konzept der „totalen Institution“ auf, indem er sie als Wohn- und Arbeitsstätte einer Vielzahl ähnlich gestellter Personen definiert, die für längere Zeit von der übrigen Gesellschaft abgeschnitten sind und miteinander ein abgeschlossenes, formal reglementiertes Leben führen.1 Die Be­ schränkung des sozialen Verkehrs mit der Außenwelt sowie der Freizügigkeit zeige sich symbolisch in der Konstruktionsweise und in den physischen Hindernissen wie Mauern und Stacheldraht.2 Die Gefängnismauer trennt somit die Welt „drin­ nen“ von der Welt „draußen“. Der Langzeitbesuchsraum kann im Sinne dieses Konzeptes als ein Raum in­ nerhalb des Innenraums des Gefängnisses beschrieben werden. Beide Räume wä­ ren demnach eindeutig vom Raum außerhalb der Gefängnismauer getrennt. Ob Goffmans Konzept von der „totalen Institution“ jedoch auf moderne Gefängnisse vollständig übertragbar ist und eine binäre Trennung zwischen „drinnen“ und „draußen“ plausibel ist, wird in der Forschung vielfach in Frage gestellt. So be­ zeichnet Farrington moderne Gefängnisse vielmehr als „nicht so totale Institution“, da die Gefangenen mittels Briefen, Telefonaten und Besuchen in vielerlei Hinsicht mit der Außenwelt verbunden sind.3 Auch Baer und Ravneberg kritisieren Goff­ mans binäre Trennung von „drinnen“ und „draußen“. Die Annahme einer von der Außenwelt isolierten Welt innerhalb der Gefängnismauern setzt ihrer Ansicht nach eine absolute und undurchlässige Grenze zwischen „drinnen“ und „draußen“ vor­ aus. In der Gefängnisrealität werden Gefangene jedoch zuweilen verlegt, und Voll­ zugsmitarbeiter*innen sowie Besucher*innen betreten und verlassen das Gefäng­ nis. Somit findet ein Austausch verschiedener Netzwerke über die Gefängnismauer hinweg statt.4 Zudem gebe es innerhalb des Gefängnisses Umgebungen (z. B. ein 1

Vgl. Goffman (2014), S. 11. Vgl. Goffman (2014), S. 15 f. 3 Vgl. Farrington (1992), S. 7, S. 9. 4 Vgl. Baer / Ravneberg (2008), S. 207. 2

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1. Theoretische Grundlagen zum Langzeitbesuch 

Klassenzimmer), die an Umgebungen von draußen erinnern und Routinen, die denen des täglichen Lebens außerhalb der Gefängnismauer ähneln.5 Die Grenze zwischen „drinnen“ und „draußen“ verschwimmt auch in diesen Beispielen. Die passendere Beschreibung des Gefängnisses liefert das Konzept des „hetero­ topen Ortes“. Dieser durch Foucault geprägte Begriff beschreibt Orte, die grund­ legend anders sind als andere Orte, aber dennoch innerhalb der allgemeinen ge­ sellschaftlichen Ordnung zu verorten sind.6 So verstanden haben Gefängnisse zwar eindeutig andere Eigenschaften als andere Orte außerhalb des Gefängnisses, sie sind aber dennoch in einen größeren gesellschaftlichen Rahmen eingebun­ den und somit nicht von der Gesellschaft trennbar.7 Foucault entwickelt die Idee des „heterotopen Ortes“ in Bezug auf den Begriff der Utopie. Während Utopien Platzierungen ohne wirklichen Ort darstellen, die mit dem wirklichen Raum der Gesellschaft ein unmittelbares oder analog umgekehrtes Verhältnis unterhalten, sind „heterotope Orte“ für Foucault wirkliche Orte. In seinem Verständnis stellen sie realisierte Utopien dar, in denen reale kulturelle Gegebenheiten gleichzeitig repräsentiert, umstritten und umgekehrt sind. Nach Foucault sind sie anders als alle Orte, die sie reflektieren, und stellen Orte außerhalb aller Orte dar, obwohl sie tatsächlich lokalisierbar sind.8 Das Gefängnis wird von Foucault als „Krisenund Abweichungsheterotopie“ bezeichnet, in das Menschen „gesteckt“ werden, die sich normabweichend verhalten.9 Der Langzeitbesuchsraum lässt sich in diesem Sinne als „heterotoper Ort“ in­ nerhalb eines „hetorotopen Ortes“ denken. Die unbeaufsichtigten Besuche stel­ len folglich ein besonderes Verhältnis zwischen der Welt „drinnen“ und der Welt „draußen“ her. Der Langzeitbesuchsraum als „heterotoper Ort“ ist ein Ort, der sich von allen Orten außerhalb des Gefängnisses unterscheidet. Es gibt keine Langzeit­ besuchsräume außerhalb von Gefängnissen. Gleichzeitig ist er in die Gefängnis­ organisation und so in einen größeren gesellschaftlichen Rahmen eingebunden. Anders ausgedrückt: Der Langzeitbesuchsraum ist durch die Gefängnismauer von der Gesellschaft außerhalb getrennt und gleichzeitig mit ihr verbunden. Für Foucault ist ein entscheidendes Merkmal von „Heterotopien“, dass diese an einem einzigen Ort mehrere Räume und Platzierungen zusammenlegen können, die an sich unvereinbar sind.10 Der Langzeitbesuchsraum vermag als „heterotoper Ort“ Platzierungen wie „drinnen“ und „draußen“, Freiheit und Unfreiheit, Sexualität und sexuelle Abstinenz, Entwicklung und Stillstand während des Besuchs zusam­ menzuführen. Innerhalb des Gefängnisses, also dem durch die Gefängnismauer definierten Innenraum, erzeugt der Langzeitbesuchsraum draußen-ähnliche Situ­ ationen. Er erinnert an ein Apartment, in dem alltägliche Handlungen und Rou­ 5

Vgl. Baer / Ravneberg (2008), S. 207. Vgl. Baer / Ravneberg (2008), S. 214. 7 Vgl. Baer / Ravneberg (2008), S. 209. 8 Vgl. Foucault (1992), S. 39. 9 Vgl. Foucault (1992), S. 40 f. 10 Vgl. Foucault (1992), S. 42. 6

a) Der Langzeitbesuch als Ereignis im Raum 

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tinen von „draußen“, wie Kochen, Fernsehen, Intimität usw. stattfinden. Für eine gewisse Zeit können Gefangene und Angehörige zusammen „drinnen“ etwa so wie „draußen“ leben. Die Zeit während der Besuche unterscheidet sich von dem Gefängnisleben „drinnen“, indem es einem Leben „draußen“ ähnelt. Gleichzeitig sind die draußen-ähnlichen Situationen immer noch „drinnen“, zeitlich begrenzt und an den Langzeitbesuchsraum gebunden und unterscheiden sich insoweit von einem Leben „draußen“. Der Langzeitbesuchsraum ermöglicht es, innerhalb der durch die Gefängnis­ mauern bedingten Unfreiheit Freiheit zu simulieren. So gibt es zum Beispiel Langzeitbesuchsräume, deren Fenster nicht vergittert sind und einen Blick ermög­ lichen, der nicht auf Gefängnismauern fällt. Der Blick nach draußen erweckt den Eindruck, man sei frei. Folglich ermöglichen Langzeitbesuchsräume temporäre Freiheit in Unfreiheit. Der Langzeitbesuchsraum ermöglicht gleichzeitig, dass Ge­ fangene ihre Sexualität in einer Umgebung ausleben können, in der in Bezug auf Personen von außerhalb sonst Abstinenz herrscht. Sexualität wird somit ausgela­ gert, ohne ins reguläre Innenleben des Gefängnisses gesetzt zu werden. Indem junge Gefangene während der Besuche mit Personen von außerhalb in draußen-ähnlichen Situationen agieren, ermöglichen Langzeitbesuchsräume zu­ dem Entwicklungen, die im Gefängnis ansonsten nicht realitätsnah simuliert wer­ den können. Da nach den Besuchen das Leben „drinnen“ weitergeht, pendelt der Gefangene zwischen dem Langzeitbesuchsraum als Ort der Entwicklung und dem Gefängnis als Ort des Stillstandes. Entwicklung und Stillstand stehen also neben­ einander. Deutlich wird, dass im „heterotopen Ort“ Langzeitbesuchsraum Platzie­ rungen von „draußen“ gleichzeitig repräsentiert, umstritten und umgekehrt sind. Als weiteres Merkmal von „Heterotopien“ gilt nach Foucault, dass sie an Zeit­ abschnitte gebunden sind, in denen Menschen mit ihrer herkömmlichen Zeit bre­ chen.11 Während das Gefängnis den Gefangenen Zeit nimmt und aufgrund der Monotonie Zeit verlangsamt, gibt der Langzeitbesuchsraum Gefangenen Zeit, die durch die Bündelung verschiedener außergewöhnlicher Ereignisse beschleunigt vergeht. Zudem setzen „Heterotopien“ immer ein System von Öffnung und Schließung voraus, das gleichzeitig isoliert und durchdringbar macht.12 Im Fall des Langzeit­ besuchs sind die Gefangenen zunächst gezwungen, in das System Gefängnis ein­ zutreten. An Langzeitbesuchen können zum einen nur Personen teilnehmen, die gezwungenermaßen im Gefängnis sind. An ihnen können zum anderen auch nur Bezugspersonen von draußen teilnehmen, die Verbindungen zu Personen aufwei­ sen, die sich im Gefängnis befinden. Von dieser bestimmten Personengruppe kön­ nen wiederum nur Gefangene und Angehörige an Langzeitbesuchen teilnehmen, die weitere spezifische Zulassungsvoraussetzungen erfüllen und eine Erlaubnis 11 12

Vgl. Foucault (1992), S. 43. Vgl. Foucault (1998), S. 44.

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1. Theoretische Grundlagen zum Langzeitbesuch 

für diese Besuche erhalten. Langzeitbesuchsräume stehen somit nicht für alle Ge­ fangenen und Angehörigen offen. Als letztes Merkmal formuliert Foucault, dass „Heterotopien“ gegenüber dem verbleibenden Raum eine spezielle Funktion einnehmen. Entweder schaffen sie einen Illusionsraum, durch den der gesamte „Realraum“, in den das menschliche Leben gesperrt ist, als noch illusorischer herabgesetzt wird, oder die „Heteroto­ pie“ stellt einen kompensatorischen Ort dar, der so wohlgeordnet ist wie das Leben außerhalb dieses Raumes chaotisch und ungeordnet.13 Der Langzeitbesuchsraum lässt sich in diesem Sinne als Kompensationsraum beschreiben. Durch das Gefäng­ nis wird der Gefangene von seinem Zuhause und seinen Bezugspersonen getrennt. Die Verbindung zur Außenwelt wird während der Gefangenschaft erheblich ein­ geschränkt. Darüber hinaus wird dem Gefangenen innerhalb des geschlossenen Vollzugs die Möglichkeit verwehrt, Sexualität mit Personen von außerhalb aus­ leben zu können. Zudem ist er innerhalb des Gefängnisses selten ungestört und unbeobachtet. Der Langzeitbesuchsraum ermöglicht, die genannten Einschrän­ kungen für eine begrenzte Zeit zu kompensieren, indem Gefangenen mehrstün­ dige soziale Interaktionen in privater und geschützter Umgebung gewährt werden. Dabei kompensiert er nicht nur Mängel, die sich aus der Gefangenschaft ergeben, sondern auch Mängel, die in der Welt außerhalb des Gefängnisses bereits vor der Gefangenschaft bestanden. In Comforts ethnographischer Studie z. B. berichtete eine Angehörige, dass der Langzeitbesuchsraum ihr ein „kleines gemütliches Zu­ hause“ biete, wie sie es in Freiheit nicht hätte. Sie sehe in den besonderen Besuchen die Möglichkeit, sich eher in fantasierten als realistischen Familienbeziehungen zu engagieren.14 Der Langzeitbesuchsraum kompensierte für dieses Paar Mängel, die sich aus einem prekären Leben außerhalb des Gefängnisses ergeben.

bb) „Liminaler“ Raum Neben der Beschreibung des Langzeitbesuchsraums als „heterotopem Ort“, hilft das Konzept der „liminal spaces“, aufschlussreiche Facetten des Langzeitbesuchs ans Licht zu bringen. Die Idee geht auf van Genneps Arbeiten zu gesellschaft­lichen Übergangsriten zurück, die Menschen aus einer genau bestimmten Situation in eine andere Situation überführen, die ebenso genau bestimmt ist.15 Turner griff die Bezeichnung dieser kulturellen Riten als „liminal“ auf und wendete diese auf die Beschreibung komplexerer Gesellschaften an. Demnach gibt es in verschiedenen Kulturen „liminale“ Perioden, in denen sich Personen in strukturellen Übergängen befinden. Charakteristisch für den „liminalen“ Zustand ist, dass Personen zwar den einen strukturellen Zustand verlassen haben, den anderen strukturellen Zustand jedoch noch nicht erreicht haben. Sie befinden sich in einer Situation, die durch 13

Vgl. Foucault (1998), S. 45. Vgl. Comfort (2002), S. 491. 15 Vgl. Van Gennep (1986), S. 15. (Erstveröffentlichung: Les Rites de passage, 1909). 14

a) Der Langzeitbesuch als Ereignis im Raum 

23

ein „Dazwischensein“ gekennzeichnet ist. „Liminalität“ beschreibt, so lässt sich formulieren, einen interstrukturellen Zustand.16 Ethnographische Gefängnisforscher*innen nutzten das Konzept des „Dazwi­ schenseins“, um die tatsächlichen Räume innerhalb des Gefängnisses zu beschrei­ ben. Comfort beschreibt in diesem Zusammenhang in ihrer Studie die Wartehalle eines kalifornischen Gefängnisses als „liminal space“. Die Wartehalle stellt als Ort eine Verbindung zwischen „drinnen“ und „draußen“ her, in dem besuchende Personen für begrenzte Zeit eine Verwandlung von „rechtlich freien Personen“ in „eingesperrte Körper“ vollziehen.17 Auch Moran nutzt in ihrer Studie über russi­ sche Langzeitbesuchsräume das Konzept des „liminal space“, um Goffmans Kon­ zept totaler Institutionen zu kritisieren, indem sie aufzeigt, dass der Innenraum des Gefängnisses zwar von der Außenwelt abgetrennt ist, die Gefängnismauer aber letztlich poröser ist als auf den ersten Blick angenommen.18 Sie beschreibt den Langzeitbesuchsraum als einen Ort, der sich zwar innerhalb des Gefängnisses befindet, aber gleichzeitig an eine häusliche Umgebung erinnern soll. Sowohl für Gefangene als auch für besuchende Personen stellt nach Moran der Langzeit­besuch ein außergewöhnliches Ereignis dar, das sich vom täglichen sozialen Leben in­ nerhalb und außerhalb des Gefängnisses unterscheidet. Die Gefangenen wie auch die Besuchenden verlassen für eine gewisse Zeit ihr tägliches Leben, um in dem Ort des Langzeitbesuchsraumes zusammenzufinden. Die besuchenden Personen werden zwar nicht zu Gefangenen, jedoch für die Zeit des Aufenthaltes zu einem institutionalisierten Subjekt unter der Aufsicht des Gefängnisses.19 Für Gefangene stellt der Langzeitbesuchsraum einen Ort dar, in dem sie für eine Zeit dem Gefängnisleben entfliehen und Personen aus ihrem alten Leben vor der Gefangenschaft begegnen können.20 Sie können abseits ihres Zuhauses innerhalb des Gefängnisses so tun, als wären sie zuhause. Der Wechsel in den Langzeitbe­ suchsraum führt sowohl für gefangene als auch besuchende Menschen zu einem Rollenwechsel. Allerdings kehren die Gefangenen nach den Besuchen wieder in ihr Gefängnisleben zurück. Die Angehörigen verlassen das Gefängnis alleine und kehren in ihren Alltag ohne den Gefangenen zurück. Eine Statustransformation der Gefangenen bleibt aus. Sie verharren in Anlehnung an das Konzept des „liminal spaces“ zwischen den Zuständen von Freiheit und Unfreiheit. Der Langzeitbesuchsraum kann demnach als ein Ort des Dazwischenseins ver­ standen werden, in dem man sich verwandelt, wenn man ihn betritt, und zurück­ verwandelt, wenn man ihn verlässt.21

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Vgl. Turner (1964), S. 4, S. 20. Vgl. Comfort (2003), S. 86. 18 Vgl. Moran (2013), S. 348. 19 Vgl. Moran (2013), S. 344. 20 Vgl. Moran (2013), S. 346. 21 Vgl. Moran (2013), S. 347. 17

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1. Theoretische Grundlagen zum Langzeitbesuch 

cc) Innen-Raum Abschließend ist darauf einzugehen, dass der Langzeitbesuchsraum als Ort nicht nur einen Platz zwischen der Umgebung drinnen und der Umgebung draußen ein­ nimmt. Da der Besuch unbewacht und unbeaufsichtigt ist, steht er auch in einem besonderen Verhältnis zu der verbleibenden Gefängnisumgebung innerhalb der Gefängnismauern. Prinzipien der Überwachung innerhalb des Gefängnisses ha­ ben Goffmann und Foucault in ihren klassischen Gefängnisstudien beschrieben. Danach haben Vollzugsmitarbeiter*innen die Hauptaufgabe, die Gefangenen zu überwachen und sind berechtigt, sie zu disziplinieren. Anders als in der Gesell­ schaft außerhalb des Gefängnisses, in der Akteur*innen in der Regel nur temporär einigen wenigen Autoritäten wie zum Beispiel Vorgesetzten unterstehen, sehen sich Gefangene im Gefängnis straff organisierten Bediensteten sowie diffusen, unge­ wohnten und strikt überwachten rechtlichen Regelungen gegenüber, die dauernd und umfassend präsent sind. Indem das Leben der Gefangenen bis ins kleinste Detail durch die Vollzugsmitarbeiter*innen reguliert und beurteilt wird, wird, so Goffmann, den Gefangenen die Möglichkeit genommen, Bedürfnisse und Ziele nach eigenen Vorstellungen zu verwirklichen. Er spricht in diesem Zusammenhang von einer Verletzung der Autonomie des Handelnden.22 Historisch betrachtet wurde die permanente Überwachung durch die Vollzugs­ mitarbeiter*innen im Rahmen der Erfindung der panoptischen Bauweise durch Jeremy Bentham möglich. Sie ermöglichte es den Vollzugsmitarbeiter*innen, ständig die Zellen einsehen zu können, ohne dass der Gefangene selber erkennen konnte, ob und von wem er gerade beobachtet wurde. Das führte nach Foucault zur Schaffung eines bewussten und permanenten Sichtbarkeitszustandes bei dem Gefangenen, der das automatische Funktionieren der Macht sicherstellte.23 Die streng panoptische Bauweise ist heute in modernen Gefängnissen in der Regel nicht mehr zu finden. Dennoch leben Gefangene heute noch immer unter post­ panoptische Bedingungen,24 da die Installation von Kameras die Funktion des panoptischen Prinzips in vollem Umfang übernimmt. Der Gefangene kann heute innerhalb des Gefängnisses permanent überwacht werden und ist sich dieser Tat­ sache in der Regel auch bewusst.25 Dagegen bildet der Langzeitbesuchsraum einen Ort anders als die meisten Orte innerhalb des Gefängnisses, an dem weder Vollzugsmitarbeiter*innen anwesend sind noch Kameras Einsicht in die Geschehnisse ermöglichen. Die Tür ist von in­ nen verschlossen und formal betrachtet sind (außer in Notfällen) nur Gefangene und Angehörige berechtigt innerhalb des zeitlich abgesteckten Rahmens die Tür von innen zu öffnen. Die permanente Überwachung wird somit unterbrochen. Der 22

Vgl. Goffman (2014), S. 18, S. 45, S. 48 ff. Vgl. Foucault (1977), S. 256 ff. 24 Zum Begriff: Bauman (2007). 25 Vgl. Abschnitt 3. b) bb) (1). 23

a) Der Langzeitbesuch als Ereignis im Raum 

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dauerhaft sichtbare Gefangene ist für eine bestimmte Zeit zwar lokalisierbar, aber unsichtbar und kann sich damit der automatisch funktionierenden Macht des Ge­ fängnisapparates temporär entziehen. Während sich der Gefangene in seinem Gefängnisalltag bewusst ist, dass er dauernd sichtbar ist, kann er sich im Langzeitbesuchsraum sicher sein, temporär unsichtbar zu sein. Der Zugriff des Gefängnisses im Sinne einer fast totalen Macht, wie sie Foucault beschreibt, ist durch den Langzeitbesuchsraum nicht mehr lücken­ los und unterbrechungsfrei. Der Langzeitbesuchsraum stellt einen Ort dar, der den Gefangenen eine Auszeit von der dauernden Einwirkung von Disziplinierung durch den Gefängnisapparat ermöglicht. Indem Gefangene die Zeit des Langzeit­ besuchs nach ihren eigenen Vorstellungen mit ihren Angehörigen gestalten kön­ nen, erlangen sie ein Stück ihrer Handlungsautonomie zurück, die ihnen durch die Gefangenschaft geraubt wird.

dd) Zwischenergebnis Die raumsoziologische Analyse hat gezeigt, dass sich die Besonderheit von Langzeitbesuchsräumen sowohl in ihrem Verhältnis zur Außenwelt als auch in ihrem Verhältnis zur Innenwelt des Gefängnisses begreifen lässt. In Bezug auf ihre Beziehung zur Außenwelt können Langzeitbesuchsräume als „heterotope“ ebenso wie als „liminale“ Orte definiert werden. Als „heterotope“ Orte zeichnen sie sich dadurch aus, dass sie anders sind als alle anderen Orte, gleichzeitig jedoch innerhalb der allgemeinen gesellschaftlichen Ordnung liegen. Für den Bereich des Jugendstrafvollzugs zeigen sich zwei der daraus abgeleite­ ten Eigenschaften des Langzeitbesuchsraums als besonders bedeutsam. Erstens vermag er als Raum Platzierungen zu vereinbaren, die an sich unvereinbar sind. So gibt er jungen Gefangenen, die sich in einer Lebensphase intensiver persönli­ cher Entwicklung befinden, Raum für ebendiese und das an einem Ort, der eher durch Stillstand geprägt ist. Außerdem ermöglicht er Freiheit in der durch Un­ freiheit gekennzeichneten Umgebung Gefängnis. Zweitens kann er als Kom­ pensationsraum vor allem negativen Auswirkungen der Kontaktbeschränkungen entgegenwirken. Als „liminale“ Orte verstanden, sind Langzeitbesuchsräume zwischen der Ge­ fängnis- und Außenwelt situiert. So sind sie durch die Gefängnismauer von der Gesellschaft außerhalb getrennt und gleichzeitig mit ihr verbunden. Langzeitbe­ suchsräume stellen interstrukturelle Räume dar, in denen sich Gefangene und An­ gehörige beim Betreten verwandeln und beim Verlassen zurückverwandeln. Da Liminalität den Zustand beschreibt, in dem Menschen einen Zustand noch nicht ganz verlassen und den anderen Zustand noch nicht ganz erreicht haben, und junge Menschen im Jugendstrafvollzug vom Zustand des Gefangenseins in den Zustand des Freiseins überführt werden, können Langzeitbesuche als „liminale“ Konst­

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1. Theoretische Grundlagen zum Langzeitbesuch 

rukte den Prozess der Rückführung in die Gesellschaft unterstützen, indem sie als Brücke zwischen dem Gefängnis und der Außenwelt fungieren. In Bezug auf ihre Beziehung zur Innenwelt des Gefängnisses ermöglichen sie jungen Gefangenen, sich sowohl temporär einer an sich ununterbrochenen Dis­ ziplineinwirkung des Gefängnisses zu entziehen als auch Handlungsautonomie zurückzuerlangen.

b) Der Langzeitbesuch als historisches Konstrukt Rechtliche Regelungen zu Besuchen im Strafvollzug haben mittlerweile eine beinah hundertjährige Geschichte und solange wird auch in der rechtswissen­ schaftlich geprägten Fachwelt und Öffentlichkeit lebhaft über die Einführung von Langzeitbesuchen diskutiert. Durch die Betrachtung der historisch variierenden Regelungen und der entsprechenden Diskussion kann der Besuch im Strafvollzug auf zwei Arten untersucht werden. Einerseits als Diskussionsgegenstand oder im Gesetz, und damit als sprachliches Phänomen. Andererseits als in der Praxis ver­ ankerte Maßnahme. Beide Ebenen wurden durch die Kontingenz der historischen Entwicklung geprägt.26 Im Folgenden werden bedeutende historische Entwicklun­ gen und verschiedene Debattenkonstellationen rekonstruiert, die für ein Verständ­ nis der gegenwärtigen Situation relevant sind. Als Quellen dienten in erster Linie rechtswissenschaftliche und rechtspolitische Fachdiskussionen sowie vereinzelte Beiträge in Massenmedien. Insgesamt wird der Entwicklungsprozess von 1871 – dem Zeitpunkt, als die räumliche Trennung von jugendlichen und erwachsenen Ge­ fangenen erstmals normiert wurde – bis zur gegenwärtigen Situation im deutschen Strafvollzug betrachtet. Um den gegenwärtigen Diskussionsstand um den Langzeitbesuch im Jugend­ strafvollzug zu verstehen, ist es zunächst notwendig auch den Erwachsenenstraf­ vollzug mit in den Blick zu nehmen, da Langzeitbesuche dort zuerst implementiert wurden und auch in diesem Kontext bis heute als umstrittene Maßnahme gelten.27 Außerdem waren im historischen Verlauf junge und ältere Gefangene nicht immer getrennt voneinander untergebracht, und der Jugendstrafvollzug wurde gerade im Hinblick auf Gesetzesgrundlagen bis zum 01. 01. 2008 teilweise durch Rechts­ normen des Erwachsenenstrafvollzugsrechts (§§ 43–52, §§ 176, 178, §§ 94–101 StVollzG) geregelt, da eine eigene gesetzliche Grundlage fehlte. Außerdem ist für die Bewertung und Analyse der heutigen, sehr unterschiedlichen Regelungen zum Langzeitbesuch in den einzelnen Bundesländern der sukzessive Emanzipations­ prozess des Jugend- vom Erwachsenenstrafvollzug bedeutsam. 26

Vgl. Keller et al. (2011), S. 9. An der Tatsache, dass von 230 Justizvollzugsanstalten in Deutschland nur rund 30 Anstalten Langzeitbesuche anbieten, lässt sich ablesen, so Preusker (2008), S. 255, dass Langzeitbesuche nicht nur auf heimliche, sondern offene Ablehnung stoßen. Diese Einschätzung teilt Rosenhayn (2004), S. 177. 27

b) Der Langzeitbesuch als historisches Konstrukt 

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aa) Historische Entwicklung im Erwachsenenstrafvollzug (1) Von der Veröffentlichung der Grundsätze für den Vollzug von Freiheitsstrafen bis zur Einführung des Bundesstrafvollzugsgesetzes (1923–1976) Zwar unterscheiden sich Langzeitbesuche von regulären Besuchen dadurch, dass sie mehrstündig und unbewacht sind sowie in wohnungsähnlichen Räumen statt­ finden, dennoch handelt es sich bei beiden Besuchsformen eben um Besuche im Strafvollzug. Dementsprechend werden sie in den meisten gesetzlichen Regelungen der Bundesländer zum Außenverkehr unter der Überschrift Besuch geführt.28 Be­ suche waren zwar bereits vor 1923 in ersten Gesetzen für den Strafvollzug eini­ger deutscher Bundesstaaten rechtlich geregelt,29 doch erst die Veröffentlichung der Grundsätze für den Vollzug von Freiheitsstrafen von 1923 führte dazu, dass gesetz­ liche Regelungen zum Besuchsverkehr im deutschen Strafvollzug vereinheitlicht wurden.30 In § 112 der Grundsätze wurde den Gefangenen das Recht eingeräumt, in bestimmten Zeitabständen Besuche zu empfangen. Angehörigen durfte ein Besuch nur untersagt werden, wenn ein schädigender Einfluss zu erwarten war. Nach § 114 sollte die Unterhaltung zwischen Gefangenen und besuchender Person regelmäßig überwacht werden, wobei Ausnahmen zugelassen und die Überwachung schonend ausgeübt werden sollte. Nach § 116 sollten die Besuche in der Regel mindestens 15 Minuten dauern. Nach § 117 sollten bei der Einrichtung der Besuchsräume Vor­ kehrungen vermieden werden, die geeignet sind, das Empfinden der besuchenden Person oder des Gefangenen zu verletzen. Bemerkenswert ist daran, dass der Ge­ setzgeber zu jener Zeit die Bedürfnisse der angehörigen Besucher in einem Maße berücksichtigte, wie es nach dem Ende der Weimarer Republik bis zum Inkrafttreten der Landesstrafvollzugsgesetze im 21. Jahrhundert nicht mehr der Fall sein würde. 1930 wurde in der rechtswissenschaftlichen Literatur erstmals die Möglichkeit thematisiert, männlichen Gefangenen weiblichen Besuch ohne Beisein Dritter innerhalb der Anstalt zu gestatten, um vermeintlich negativen Folgen (seelischen und körperlichen Beeinträchtigungen, Ersatzhandlungen wie Masturbation und Homosexualität) entgegenzuwirken, die aus der aufgezwungenen Enthaltsamkeit resultieren würden.31 Allerdings hielt man solche Besuche für nicht realisierbar, da sie eine „Atmosphäre von unerträglicher sexueller Schwüle“ schaffen und das „sittliche Niveau“ in der Anstalt auf einen Tiefstand drücken würden. Außerdem würden sie zu einer Vorzugsstellung verheirateter gegenüber nichtverheirateten Gefangenen führen, da solche Besuche für unverheiratete Gefangene nach Gentz „außerhalb jeder ernsten Erörterung“ lägen.32 28

Vg. Abschnitt 2. a) aa) (3). Vgl. ausführlich zur Situation bis 1923: Knoche (1987), S. 3 ff. 30 Vgl. Knoche (1987), S. 10. 31 Vgl. Gentz (1930), S. 414. 32 Vgl. Gentz (1930), S. 418. 29

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1. Theoretische Grundlagen zum Langzeitbesuch 

Es überrascht nicht, dass während der Zeit des Nationalsozialismus das Thema Langzeitbesuch keine Erwähnung fand, da der Strafvollzug zwischen 1933 und 1945 auf Abschreckung ausgelegt war und menschliche Belange wie Intimität und Sexualität von Gefangenen keine Bedeutung hatten.33 Bis 1940 wurden Besuche durch die Verordnung über den Vollzug von Freiheitsstrafen und von Maßregeln der Sicherung und Besserung, die mit Freiheitsentziehung verbunden sind, gere­ gelt.34 Durch die Strafvollzugsverordnung von 194035 wurde der Besuchsverkehr deutlich eingeschränkt. Gefangene durften nach Nr. 154 erst nach Ablauf einer dreimonatigen Frist Besuche empfangen, deren Frequenz je nach Vollzugsart zwischen ein bis drei Monaten variierte. Die Besuche durften nach Nr. 124 nur 15 Minuten dauern. Nach Nr. 126 waren sie stets überwacht, und Heimlichkeiten und verfängliche Gespräche blieben untersagt. Das Zugeständnis eines Mindest­ maßes an Verkehr mit der Außenwelt bezog sich allerdings nicht auf Gefangene in Konzentrationslagern, Wehrmachtsstrafanstalten, Polizeigefängnissen, Arbeits­ häusern oder Heil- und Pflegeanstalten.36 Nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft regelten die Länder den Strafvollzug durch Landesordnungen. 1961 trat die Dienst- und Vollzugsordnung (DVollzO) in Kraft, die nach Nr. 138 Abs. 1 den Gefangenen wenigstens alle vier Wochen den Empfang von Besuchen einräumte, der nach Nr. 141 Abs. 2 in der Re­ gel mindestens 15 Minuten dauern sollte. Zudem sollten Anstaltsleitungen nach Nr. 139 Abs. 1 Besuche fördern, die der Wiedereingliederung des Gefangenen in die Gemeinschaft dienen. Nach Nr. 142 Abs. 2 durften die Besuche ausnahmsweise in einem anderen Raum, nicht aber in Hafträumen stattfinden.37 Insgesamt lässt sich nach Knoche die Situation nach 1945 bis zu den Arbeiten an Strafvollzugs­ gesetzen als vertane Chance bezeichnen, Besuche im Strafvollzug durch gesetz­ liche Regelungen zu liberalisieren und die Gefängnisse damit für die Außenwelt zugänglicher zu gestalten.38 In den 1950er und 1960er Jahren thematisierten vereinzelte rechtswissenschaft­ liche Fachbeiträgen den Langzeitbesuch erneut als Maßnahme, die in ausländi­ schen Strafvollzügen genutzt würde, um den von der „Sexualnot“ ausgelösten „Problemen“ (Onanie, Pornographie, „obszönes Gerede“, homosexuelle Ersatz­ handlungen) entgegenzuwirken.39 Befürworter aus der Rechtswissenschaft rück­ ten neben den vermeintlich negativen Auswirkungen von „Sexualnot“ für das An­ staltsleben auch die Institutionen Ehe und Familie als Argumentationsgrundlage

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Vgl. Bartsch (1974), S. 6. Abgedruckt bei Pfundtner / Neubert (1933), II c 14, S. 1 ff. 35 Besuchsvorschriften abgedruckt bei Knoche (1987), S. 13 f. 36 Vgl. Knoche (1987), S. 14 f. 37 DVollzO abgedruckt bei Grunau (1972). 38 Vgl. Knoche (1987), S. 16. 39 Vgl. Mittermaier (1954), S. 115 f.; Suttinger (1967), S. 108 ff.; Schüler-Springorum (1969), S. 195. 34

b) Der Langzeitbesuch als historisches Konstrukt 

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in den Fokus.40 Kinder und Ehefrauen müssten die Möglichkeit haben, Gefangene ungestört und uneingeschränkt sehen zu können.41 Zudem bestehe die Ehe aus mehr als nur Sexualität.42 In diesem Zusammenhang hätten Gefangene angemerkt, dass ihnen Gespräche und ungestörtes Zusammensein genauso wichtig seien wie rein sexuelle Handlungen.43 Außerdem habe die Familie große Bedeutung beim Prozess der Wiedereingliederung, und darüber hinaus könne der Verzicht auf Besuchsbe­ schränkungen negative Nebenfolgen der Gefangenschaft auf Kinder von Gefange­ nen abschwächen.44 Gegner der unbeaufsichtigten Besuche führten ins Feld, dass durch Langzeitbesuche Kinder gezeugt werden könnten, die ein erschwertes Leben hätten und durch den Steuerzahler finanziert werden müssten.45 Zudem würde die Einführung von Langzeitbesuchen zu schweren Konflikten46 und Ordnungspro­ blemen47 in der Anstalt führen. Ein Urlaub aus der Gefangenschaft sei vorzuzie­ hen, da dieser die Sexualität in Erlebnisse außerhalb der Anstalt einbette.48 Ließe man die Partnerin ins Gefängnis kommen, müsse man grundsätzlich überlegen, inwiefern es zum Begriff des Freiheitsentzuges gehören solle, dass Personen von draußen freiwillig an ihm partizipierten.49 In den 1970er Jahren nahmen Auseinandersetzungen mit dem Themenfeld Lang­ zeitbesuch im rechtswissenschaftlichen Fachdiskurs deutlich zu. In der Literatur finden sich zahlreiche, oft auch ideologisch gefärbte Debatten über die Frage, ob Langzeitbesuche im deutschen Strafvollzug eingeführt werden sollten oder nicht: So beschäftigte sich zum Beispiel der 48. Juristentag 1970 mit der Reform des Strafvollzugs mit Bezügen zum Langzeitbesuch und die Loccumer Tagung von 1974 widmete dem Thema „Sexualität und Strafvollzug“ drei volle Tage. Befürworter von Langzeitbesuchen entwickelten dabei unterschiedliche Argu­ mentationsmuster, die durch die allgemeinen Liberalisierungstendenzen in der bundesrepublikanischen Gesellschaft der 1970er Jahre beeinflusst wurden. Einige Akteure bezogen sich in ihrer Argumentation auf die grundrechtlich geschützte Position von Gefangenen. Das Recht auf „Triebbefriedigung“ sei ein „menschliches Grundrecht“ und Langzeitbesuche könnten die „drückende Dominanz der sexuel­ len Spannung“ mindern sowie zu einer Bedürfnisbefriedigung der Gefangenen bei­ tragen.50 Zu einem „sozialpsychologischen Verständnis“ des Art. 6 GG gehöre zu­ dem die Gewährleistung ehelicher Beziehungen auch hinsichtlich emotionaler und 40

Vgl. Verborgen (1963), S. 203 f.; Römer (1967), S. 96. Vgl. Römer (1967), S. 96. 42 Vgl. Verborgen (1963), S. 202. 43 Vgl. Schüler-Springorum (1969), S. 196; Bezug nehmend auf Hopper (1969). 44 Vgl. Römer (1967), S. 96. 45 Vgl. Verborgen (1963), S. 220. 46 Vgl. von Hentig (1955), S. 288. 47 Vgl. Schüler-Springorum (1969), S. 196. 48 Vgl. Schüler-Springorum (1969), S. 196. 49 Vgl. Schüler-Springorum (1969), S. 194. 50 Vgl. Amendt (1974), S. 22; Rehn (1974), S. 96. 41

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1. Theoretische Grundlagen zum Langzeitbesuch 

sexueller Bedürfnisse.51 Außerdem sei die Gewährleistung der sexuellen Freiheit des Gefangenen die Folge des Schutzes der Entfaltung menschlicher Individualität nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG.52 Eine Unterbindung von Sexualität zwischen Ehepartnern sei entwürdigender als die Durchführung von Langzeit­ besuchen.53 Angeprangert wurde darüber hinaus eine „repressive Sexualmoral“, die sexuellen Ersatzhandlungen ablehnend gegenüber stehe und die sexuellen und emotionalen Probleme der Gefangenen weitestgehend ausblende.54 Die in der Nachkriegszeit häufig angeführten Behauptungen schädlicher Auswirkungen von Onanie und homosexueller Betätigung wurden als „Ammenmärchen“ verworfen.55 Daneben setzten sich einige Wissenschaftler dafür ein, Langzeitbesuche von ihren anrüchigen Konnotationen zu befreien, weil damit der Sexualakt von seiner sozia­ len Einbettung abgespalten werde und zu einer wirklichen Beziehungspflege ein Sozialkontakt ohne Beisein Dritter gehöre.56 Im Sinne des letzten Punktes wurde in den 1970er Jahren auch häufiger die Rolle von sozialen Außenbeziehungen der Gefangenen in den Blick genommen. Einige Autoren argumentierten, dass die Gefangenschaft zu Isolation und Entfremdung zwischen dem Gefangenen und seinem sozialen Umfeld führen würde, dieses aber für die Wiedereingliederung von entscheidender Bedeutung sei. Daher sei die Ein­ führung der besonderen Besuchsmaßnahme notwendig, um soziale Außenkontakte aufrechtzuerhalten.57 Ein Interview des damaligen Bundesjustizministers Jahn im Jahre 1974 mit der „Süddeutschen Zeitung“ verdeutlicht, dass das Thema in die Mitte der Gesellschaft gerückt war. Darin empfahl er, Langzeitbesuchsräume zu etablieren, da die Freiheitsstrafe im Freiheitsentzug und nicht in der Einschrän­ kung persönlicher Bedürfnisse bestehe.58 Auch wenn die 1970er Jahre von Reformbemühungen und einer allgemeinen Liberalisierung des Diskurses um den Strafvollzug geprägt waren, verstummten die kritischen Stimmen gegenüber dem Langzeitbesuch nie vollständig. Gegner des Langezeitbesuchs äußerten weiterhin Bedenken, dass die Maßnahme eine Gefahr für Moral, Sicherheit und die Gleichbehandlung der Gefangenen bedeute: Zuweilen wurde konstatiert, dass es Ehefrauen grundsätzlich nicht zuzumuten sei, für sexuelle Handlungen in die Anstalt zu kommen.59 Einige Akteure befürchte­ ten, dass die Einführung von Langzeitbesuch zu bordellartigen Zuständen in den Gefängnissen führen würde.60 Außerdem würden nur verheiratete Gefangene von 51

Vgl. Hoffmeyer (1979), S. 204. Vgl. Hoffmeyer (1979), S. 207. 53 Vgl. Hoffmeyer (1979), S. 204. 54 Vgl. Hoffmeyer (1979), S. 205. 55 Vgl. Rehn (1974), S. 95. 56 Vgl. Bartsch (1974), S. 12; Rehn (1974), S. 12. 57 Vgl. Bartsch (1974), S. 8; Rehn (1974), S. 100. 58 Vgl. Rehn (1974), S. 97. 59 Vgl. Müller-Dietz (1970), C56. 60 Vgl. Ernst (1972), S. 179. 52

b) Der Langzeitbesuch als historisches Konstrukt 

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Langzeitbesuchen profitieren,61 und das benachteilige alle nichtverheirateten, ju­ gendlichen, homosexuellen, ledigen und Gefangene mit außerehelichen Beziehun­ gen.62 Mit Blick auf die Sexualität der Gefangenen sei der Hafturlaub die bessere Alternative, da von ihm auch nichtverheiratete Gefangene Gebrauch machen könn­ ten.63 Die Tatsache, dass ausländische Vollzüge zum Teil seit Jahren Langzeitbesu­ che durchführten, sei kein Argument für eine Einführung in Deutschland, da die Umstände in baulicher, gesellschaftlicher und kultureller Hinsicht nicht vergleich­ bar seien.64 Auch in der Strafvollzugspraxis herrschte während der 1970er Jahre überwiegend eine ablehnende Haltung gegenüber Langzeitbesuchen, was sich in einer Befragung von Anstaltsleitungen aus dem Jahr 1972 widerspiegelt, in der alle befragten Anstaltsleitungen die Gestattung von Geschlechtsverkehr innerhalb der Anstalt ablehnten.65 (2) Vom Inkrafttreten des Bundestrafvollzugsgesetzes bis zur Föderalismusreform I (1977–2006) Nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt am 16. 3. 197666 trat am 1. 1. 1977 das Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe und der freiheitsentziehenden Maß­ regeln der Besserung und Sicherung (Strafvollzugsgesetz  – StVollzG) in Kraft. Dem war ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vorausgegangen, in dem eine gesetzliche Grundlage für die Einschränkung von Grundrechten Gefangener im Strafvollzug eingefordert wurde.67 Dem StVollzG gingen verschiedene Entwürfe und Stellungnahmen voraus.68 Die Strafvollzugskommission maß dem Verkehr des Gefangenen mit der Außen­ welt überragende Bedeutung zu, da es sich dabei um einen Bereich handele, der die negativen Folgen der Trennung von der Außenwelt auffange und den „Übelcharak­ ter“ des Freiheitsentzugs auf ein Maß reduziere, das einer menschenwürdigen Be­ handlung sowie grund- und menschenrechtlichen Vorstellungen entspreche.69 Be­ such zu empfangen wurde zum Recht des Gefangenen und war nicht mehr nur, wie unter der Geltung der DVollzO, eine von den Anstalten abhängige Vergünstigung 61

Vgl. Bockelmann (1972), S. 35. Vgl. Amendt (1974), S. 20. 63 Vgl. Müller-Dietz (1970), C 56. 64 Vgl. Ernst (1972), S. 178. 65 Vgl. Ernst (1972), S. 147. 66 BGBl. I 1976, S. 581 ff. 67 Vgl. BVerfGE 33, 1, 1 ff. 68 Entwurf der Strafvollzugskommission von 1971; vorläufiger Referentenentwurf des MJ von 1971; Regierungsentwurf von 1972; Stellungnahme des Bundesrates vom 23. 7. 1973; Alter­nativ-Entwurf eines Strafvollzugsgesetzes von 1973; Stellungnahme des Bundeszusam­ menschlusses für Straffälligenhilfe von 1973; Stellungnahme des Bundes der Strafvollzugsbe­ diensteten von 1973. 69 Vgl. Bieler (1968), S. 80. 62

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1. Theoretische Grundlagen zum Langzeitbesuch 

während der Gefangenschaft.70 In der Beurteilung des Langzeitbesuchs war sich die Strafvollzugskommission nicht einig. Manche lehnten die Einführung einer „Liebeszelle“ im Gefängnis ab, da von ihr „anständige Frauen“ keinen Gebrauch machen würden und niemand ernsthaft an die Ermöglichung von Geschlechtsver­ kehr für nichtverheiratete Gefangene denken könne.71 Andere betonten die Rele­ vanz der Forderung nach unkontrollierten und sogar über die Nacht dauernden Besuchen von Angehörigen oder Sexualpartnern.72 Der 1973 vorgelegte Alternativentwurf des Arbeitskreises deutscher und schwei­ zerischer Strafrechtslehrer thematisierte diese Besuchsform ausdrücklich und re­ gelte „das schwierige und wichtige Problem der sogenannten Intimbesuche“, in­ dem den Gefangenen nach § 109 Gelegenheit zu ungestörtem und unbeobachtetem Zusammensein mit ihren ihnen nahestehenden Personen gegeben wurde.73 Die Verfasser*innen hielten dies für einen wesentlichen Bestandteil des „Resoziali­ sierungsvollzugs“, da der Bindung an Familie und Ehe sowie der späteren Wieder­ eingliederung des Gefangenen eine hohe Bedeutung zukomme.74 Die Reformbemühungen einiger Mitglieder der Strafvollzugskommission blie­ ben aber ohne Erfolg. Im StVollzG wurden Gefangenen Rechte eingeräumt, mit Personen außerhalb der Anstalt zu verkehren (§ 23) und mindestens eine Stunde Besuch im Monat zu empfangen (§ 24 Abs. 1). Darüber hinaus sollten Besuche zu­ gelassen werden, sofern sie die Behandlung oder Eingliederung des Gefangenen förderten (§ 24 Abs. 2). Aus Gründen der Behandlung oder von Sicherheit oder Ordnung in der Anstalt durften Besuche jedoch überwacht werden (§ 27 Abs. 1). Die Möglichkeit mehrstündiger unbeaufsichtigter Besuche wurde somit weder im Strafvollzugsgesetz noch in den gleichzeitig erlassenen bundeseinheitlichen Ver­ waltungsvorschriften erwähnt. Wenn auch im Gesetz nicht ausdrücklich erwähnt, wurden Langzeitbesuche in der Rechtsprechung als Sonderfall des § 24 Abs. 2 StVollzG (Bund) angesehen,75 auf die zwar kein Rechtsanspruch,76 allerdings ein Anspruch auf eine rechtsfehlerfreie – durch die Sollbestimmung des § 24 Abs. 2 eingeschränkte – Ermessensentscheidung bestand.77 In den 1980er Jahren nahm die Anzahl der Veröffentlichungen und Diskussionen zum Thema deutlich ab, was wohl darauf zurückzuführen ist, dass das StVollzG gerade verabschiedet worden war. Die Stimmen in der rechtswissenschaftlichen Literatur, die sich ausdrücklich gegen Langzeitbesuche äußerten, wurden leiser. 70

Vgl. Calliess (1978), S. 152. Vgl. Steierer (1969), S. 119. 72 Vgl. Einsele (1968), S. 53. 73 Vgl. Arbeitskreis deutscher und schweizerischer Strafrechtslehrer (1973), S. 172. 74 Vgl. Arbeitskreis deutscher und schweizerischer Strafrechtslehrer (1973), S. 173. 75 Vgl. OLG Hamburg, ZfStrVo 2005, S. 56; OLG Stuttgart, ZfStrVo 2004, S. 51; OLG Hamm, ZfStrVo 1999, S. 309. 76 Vgl. BVerfG, NStZ-RR 2001, S. 253; OLG Hamburg, ZfStrVo 2005, S. 56; OLG Naum­ burg, FS 2008, S. 282. 77 Vgl. OLG Frankfurt, NStZ-RR 2008; OLG Stuttgart, ZfStrVo 2004, S. 51. 71

b) Der Langzeitbesuch als historisches Konstrukt 

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In vereinzelten Veröffentlichungen wiederholten sich befürwortende Argumen­ tationsmuster, die einforderten, dass Gefangenen das Recht und die Möglichkeit bekommen sollten, ihre Sexualität frei auszuleben und ihre sozialen Außenbezie­ hungen zu pflegen.78 Insgesamt verlagerte sich der Schwerpunkt der fachlichen Diskussion von der Frage, ob Langzeitbesuche überhaupt stattfinden sollten hin zu organisatorischen und baulichen Fragestellungen wie eine konkrete Umsetzung dieser Maßnahme im Strafvollzug aussehen könnte.79 Auch wurde der Langzeit­ besuch während der 1980er Jahre erstmals in der Praxis umgesetzt. Der Anstalts­ leiter Harald Preusker erprobte 1984 diese Maßnahme in der JVA Bruchsal in Baden-Württemberg. Diesem Meilenstein der Besuchsgestaltung im deutschen Strafvollzug ging eine Analyse der Besuchssituation voraus. Sie zeigte, dass be­ suchende Personen während der regulären Besuche oftmals ängstlich, psychisch verkrampft und misstrauisch wirkten. Zudem ließen sich Spannungen zwischen den Paaren während der regulären Besuche beobachten. Zur Verbesserung der Besuchssituation wurden daraufhin besondere Räumlichkeiten bereitgestellt, in denen die Gefangenen einen etwa dreistündigen unbewachten Besuch empfangen konnten. Aufgrund öffentlichen Drucks wurde der Personenkreis, der für diese Maßnahme infrage kam, auf Eheleute und nahe Angehörige begrenzt. Preusker stützte die Konzipierung der Besuche daher auf Art. 6 GG und hielt sie damit für rechtlich unangreifbar. Die Langzeitbesuche wurden anstaltsintern in „ehe- und familienfreundliche Besuchsregelung“ umbenannt. In Gesprächen vermittelte man den Angehörigen, dass die Besuche nicht nur als Möglichkeit der Realisierung von Sexualität gedacht, sondern vielmehr als Angebot zu verstehen seien, die soziale Beziehung zum Gefangenen aufrecht zu erhalten, da dies von entscheidender Be­ deutung für eine erfolgreiche Wiedereingliederung sei.80 Nach ersten positiven Erfahrungen in der JVA Bruchsal81 führten auch weitere Anstalten ähnliche Be­ suchskonzeptionen ein.82 Bis 1992 waren die unbeaufsichtigten Besuche in sieben Bundesländern in der Vollzugspraxis verankert. Zwar lehnten die restlichen Bun­ desländer die Besuche mit Bedenken bezüglich der Sicherheit und Ordnung in der Anstalt ab.83 Insgesamt gewann der Langzeitbesuch jedoch seit den 1980er bis in die 1990er Jahre hinein in der Praxis des Erwachsenstrafvollzugs zunehmend an Bedeutung.84 Doch auch während der 1990er Jahre traten immer wieder verein­ zelt Akteur*innen in Erscheinung, die sich kritisch gegenüber dem Langzeitbe­ such zeigten. Der Landesverband der Justizvollzugsbediensteten Hessen sprach in einer Stellungnahme davon, dass Besuche mit Sexualkontakten unbedingt zu verhindern seien, da durch sie die Gefahr von Geiselnahmen entstehe und zudem Kinder gezeugt werden könnten, die in „broken homes“ hineingeboren würden, 78

Vgl. Knoche (1987), S. 137 f.; Einsele (1980), S. 152. Vgl. Knoche (1987), S. 138; Einsele (1980), S. 152. 80 Vgl. Preusker (1989), S. 148 ff. 81 Vgl. Preusker (1989), S. 150. 82 Vgl. Neu (1994), S. 45 ff.; Peters (1994), S. 63 ff.; Mauruschat / Scharf (2014), S. 153 ff. 83 Vgl. CPT / Inf (93) 14, S. 43. 84 Vgl. Thiele (2016), S. 341. 79

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1. Theoretische Grundlagen zum Langzeitbesuch 

schlechte Chancen im Schul- und Berufsleben hätten und möglicherweise einen hohen Anteil von zukünftigen Kriminellen stellen würden.85 Weiter äußerten sie sich dahingehend, dass die Ausgestaltung des Strafvollzugs eine gewisse Härte be­ halten müsse, um dem Strafanspruch der Gesellschaft gerecht zu werden. Zudem wurde argumentiert, dass durch Langzeitbesuch Prostitution gefördert werde und dass er gegen allgemeine Moralvorstellungen verstoßen würde. Auch in manchen Medien wurde weiterhin auf der Anrüchigkeit von Langzeitbesuchen bestanden und die Räumlichkeiten für die besonderen Besuche herabwürdigend als „Bums­ container“ bezeichnet.86 (3) Gegenwärtige Situation im Erwachsenenstrafvollzug Nachdem in den 1980er und 1990er Jahren der Langzeitbesuch bereits Einzug in die Strafvollzugspraxis erhalten hatte, wurden Veränderungen auf legislativer Ebene erst durch die Föderalismusreform I von 2006 angestoßen. Durch sie wurde die Gesetzgebungsbefugnis auf dem Gebiet des Strafvollzugs auf die Bundeslän­ der übertragen.87 Aktuell normieren 13 Bundesländer Langzeitbesuche ausdrück­ lich in ihren Strafvollzugsgesetzen. Einzig in Brandenburg haben Gefangene, bei denen entsprechende Voraussetzungen erfüllt sind, einen gesetzlichen Anspruch auf Langzeitbesuch.88 Zu der Frage, ob während des Langzeitbesuches Intim­kontakte zulässig sind, wurde weder in den Gesetzen noch in den Begründungen der Landes­ regierungen Stellung bezogen. In den Begründungen der Landesregierungen zu den Landesstrafvollzugsgesetzen heißt es, dass der Zweck der besonderen Besuchsform in der Pflege enger Bindungen gerade auch bei Gefangenen liege, die absehbar nicht gelockert werden können.89 Langzeitbesuche sollen zudem die Realisierung des Vollzugsziels und damit die Wiedereingliederung fördern.90 In der Begründung von Niedersachsen wird überdies festgestellt, dass unbeaufsichtigte Besuche die einzige Möglichkeit seien, ungestört und unbeobachtet mit Personen von draußen im Gefängnis Zeit zu verbringen und ein den Lebensverhältnissen in Freiheit an­ genähertes Zusammensein zu ermöglichen.91 Was die aktuelle Implementierung von Langzeitbesuchen im Strafvollzug und somit das Verhältnis zwischen den Be­ suchsregelungen der Landestrafvollzugsgesetze und der Besuchspraxis im Straf­ 85

Vgl. Kümmel (1994), S. 81. Vgl. Mauruschat / Scharf (2014), S. 153. 87 Vgl. BGBl. I, 2006, S. 2034 ff. 88 Vgl. § 34 Abs. 4 BbgJVollzG (BB). 89 Vgl. Abgeordnetenhaus Berlin, Begründung zum StVollzG Bln, S. 216; Bremische Bürger­ schaft, Drs. 18/1475, Begründung zu § 26 Abs. 4 BremStVollzG; Landtag Brandenburg, Drs. 5/6437, S. 43; Landtag des Saarlandes, Drs. 15/386, S. 86; Landtag Mecklenburg-Vorpommern, Drs. 6/1337, S. 88; Landtag Nordrhein-Westfalen, 16/5413, S. 103; Landtag Rheinland-Pfalz, 16/1910, S. 129; Niedersächsischer Landtag, Drs. 17/7414, S. 22; Schleswig-Holsteinischer Landtag, Drs. 18/3153, S. 124; Thüringer Landtag, Drs. 5/6700, S. 104. 90 Vgl. Abgeordnetenhaus Berlin, Begründung zum StVollzG Bln, S. 216. 91 Vgl. Niedersächsischer Landtag, Drs. 17/7414, S. 22. 86

b) Der Langzeitbesuch als historisches Konstrukt 

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vollzug betrifft, ist auf die Untersuchung von Thiele zu verweisen, nach der alle Bundesländer bis auf Bayern und das Saarland in mindestens einer Anstalt Lang­ zeitbesuche ermöglichen.92

bb) Historische Entwicklung im Jugendstrafvollzug (1) Von der Einführung des Separationsprinzips bis zum Abschlussbericht der Jugendstrafvollzugskommission (1871–1980) Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts waren in Deutschland Gefangene weder nach Alter noch nach Geschlecht getrennt voneinander untergebracht.93 Überlegungen, junge und ältere Gefangene getrennt voneinander unterzubringen, um unter ande­ rem eine negative Beeinflussung junger Gefangener zu verhindern, bildeten die argumentative Grundlage für das Separationsprinzip. Infolgedessen wurden ab 1871 einzelne Jugendabteilungen nach dem deutschen Partikularrecht und durch die Normierung des § 57 des Reichsstrafgesetzbuches von 1871 eingerichtet und festgelegt, dass Freiheitsstrafen für Jugendliche im Alter zwischen 12 und 17 Jah­ ren in besonderen Räumen oder Anstalten zu vollziehen seien.94 Angeregt durch Vorbilder aus dem angelsächsischen Strafvollzug95 wurde 1912 das erste deutsche Jugendgefängnis in Wittlich an der Mosel gegründet.96 Die Vor­ stellung, dass junge Gefangene nicht nur räumlich getrennt untergebracht werden, sondern auch entsprechend ihres Entwicklungsstandes milder behandelt werden sollten, lässt sich auf die „Entdeckung“ der Lebensphase Jugend, die Entstehung der Jugendgerichtsbewegung und die moderne Strafrechtsschule von Franz von Liszt zurückführen.97 Indem die Jugend als schichtunabhängige psychisch und physisch besondere Phase zwischen Kindheit und Erwachsenenalter anerkannt wurde, entwickelte sich ein neuer Blick auf den Umgang mit jungen Menschen.98 Jugenddelinquenz galt als Reifeproblem, für das es spezielle Erziehungsmaß­ nahmen zu entwickeln galt.99 Man erachtete es als notwendig, delinquente junge Menschen anders als straffällige Erwachsene zu behandeln.100 Dementsprechend forderte Felisch auf dem ersten deutschen Jugendgerichtstag, Gefängnisstrafen

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Vgl. Thiele (2016), S. 341. Vgl. Cornel (1984), S. 13, S. 39. 94 Vgl. Dörner (1991), S. 281; Dünkel (1990), S. 129; Ostendorf (2016), Vorbemerkungen Rn. 1; Cornel (1984), S. 56. 95 Hierzu ausführlich Cornel (1984), S. 85 ff. 96 Vgl. Ostendorf (2016), Vorbemerkungen Rn. 3; Cornel (1984), S. 85. 97 Vgl. Dörner (1991), S. 281; Ostendorf (2016), Vorbemerkungen Rn. 1; Cornel (1984), S. 77, S. 84, S. 97. 98 Vgl. Dörner (1991), S 281. 99 Vgl. Dörner (1991), S 281. 100 Vgl. z. B. Aries (1984), zit. nach Dörner (1991), S. 22. 93

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1. Theoretische Grundlagen zum Langzeitbesuch 

gegen Jugendliche ausschließlich in Jugendanstalten unter dem Leitsatz zu voll­ ziehen, dass die Erreichung des „Erziehungszwecks“ anzustreben sei.101 Den straftheoretischen und kriminalpolitischen Weg für die spezielle Behand­ lung Jugendlicher eröffnete die soziologische Strafrechtsschule von Franz von Liszt.102 In Abgrenzung zu den absoluten Theorien, die Vergeltung als begriffs­ notwendige Folge des Verbrechens sahen, stellte von Liszt die Strafe in den Dienst eines höheren Zweckes und sah die Rechtfertigung der Strafe im Gegensatz zu den absoluten Theorien in ihrer zukünftigen Wirkung.103 Die Strafe dient danach dem Rechtsgüterschutz, der durch Besserung, Abschreckung und Unschädlichmachung erreicht werden könne.104 Die verschiedenen Wirkungen der Strafe sollten sich demzufolge auf die folgenden Kategorien beziehen: Besserung der Besserungsfä­ higen, Abschreckung der Nichtbesserungsbedürftigen und Unschädlichmachung der Nichtbesserungsfähigen.105 Da von Liszt davon ausging, dass Gefangene unter 21 Jahren noch formbar und besserungsfähig sind, forderte er eine besondere spe­ zialpräventive Behandlung.106 Er ebnete folglich nicht nur den Weg für eine beson­ dere strafrechtliche Behandlung Jugendlicher, sondern auch für eine Einbeziehung empirischer Disziplinen in die dogmatische Rechtswissenschaft.107 Zwar waren das Prinzip der Trennung von Erwachsenen und Jugendlichen so­ wie der Grundsatz der erzieherischen Vollzugsgestaltung gesetzlich nach § 16 des Jugendgerichtgesetzes (JGG) von 1923108 normiert,109 und auch die Reichsrats­ grundsätze von 1923 enthielten besondere Vorschriften zum Schutze Jugendli­ cher,110 dennoch ging die Umsetzung in der Vollzugspraxis nur langsam voran. Bis 1928 entstanden außer in Wittlich nur vier weitere Jugendgefängnisse in Hamburg, Bayern, Thüringen und Schlesien.111 Die Nationalsozialisten nahmen nach der Machtergreifung auch den Jugend­ strafvollzug in den Blick. Die 1937 erlassene Verfügung des Reichsministers über den Jugendstrafvollzug legte fest, dass jugendliche Gefangene im Sinne der natio­ nalsozialistischen Ideologie erzogen werden sollten.112 Das Reichsjugendgerichts­ gesetz von 1943 bestimmte nach § 64 die Aufgabe des Jugendstrafvollzugs und nor­ mierte nach § 65, dass die Jugendgefängnisstrafe in Jugendgefängnissen vollzogen

101

Vgl. Felisch (1909), S. 98. Vgl. Dörner (1991), S. 281. 103 Vgl. von Liszt (1883), S. 3. 104 Vgl. von Liszt (1883), S. 28. 105 Vgl. von Liszt (1883), S. 29 f. 106 Vgl. von Liszt (1905), S. 399. 107 Vgl. von Liszt (1883), S. 37. 108 RGBl. I 1922, S. 135. 109 Vgl. Hellwig (1923), S. 160. 110 Vgl. Dünkel (1990), S. 129. 111 Vgl. Ostendorf (2016), Vorbemerkungen Rn. 5. 112 Vgl. Ostendorf (2016), Vorbemerkungen Rn. 6; Dörner (1991), S. 247; Cornel (1984), S. 107. 102

b) Der Langzeitbesuch als historisches Konstrukt 

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werden sollte.113 Beide Paragraphen waren Grundlage für die §§ 91, 92 des JGG von 1953,114 die neben einzelnen Regelungen des Strafvollzugsgesetzes für Erwach­ sene von 1976 und den bundeseinheitlichen Verwaltungsvorschriften zum Jugend­ strafvollzug von 1977 den Jugendstrafvollzug bis zum 01. 01. 2008 regelten.115 Die Verwaltungsvorschriften zum Jugendstrafvollzug (VVJug) von 1977, die sich eng an die Vorschriften des Bundesstrafvollzugsgesetzes anlehnten, räumten den jun­ gen Gefangenen einen Besuch von mindestens einer Stunde im Monat ein (Nr. 19 Abs. 1) und bestimmten, dass zusätzliche Besuche zugelassen werden sollten, wenn sie die Erziehung oder Eingliederung des Gefangenen förderten (Nr. 19 Abs. 2). Im Fachdiskurs wurden Langzeitbesuche ausdrücklich für den Jugendstraf­ vollzug erstmalig 1974 thematisiert. Die Evangelische Akademie Loccum – eine Einrichtung der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannover –, widmete der Thematik von Sexualität und Strafvollzug von 1974 bis 1975 zwei Tagungen, auf denen eine Arbeitsgruppe Langzeitbesuchsräume erstmals auch für den Jugend­ strafvollzug forderte. Sie schlug vor, Besuchsräume für den Jugendstrafvollzug innerhalb der Anstalt einzurichten, die von innen zu verschließen sind, um auch intime Kontakte zu ermöglichen. Die Besuche müssten, so die Forderung, konti­ nuierlich durch sexualpädagogische Gespräche begleitet werden.116 (2) Vom Abschlussbericht der Kommission zur Erarbeitung eines Jugendstrafvollzugsgesetzes bis zur Föderalismusreform I (1980–2006) Aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts117, wonach Gefan­ gene Träger von Grundrechten sind und ihre Grundrechte nur durch oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden können, setzte der damalige Bundesjustiz­ minister Gustav Heinemann eine Kommission ein, welche die Grundlagen eines Jugendstrafvollzugsgesetzes erarbeiten sollte. Daran schloss sich eine beinahe drei Jahrzehnte währende Abfolge von geschei­ terten Gesetzesentwürfen an, die die verfassungswidrige Situation überwinden sollten: Das Bundesjustizministerium und nicht-staatliche Akteure legten zwischen 1980 bis 2006 insgesamt neun Entwürfe bzw. Gegenentwürfe für ein Jugendstraf­ vollzugsgesetz vor: Nach dem Abschlussbericht der Kommission von 1980 legte das Bundesjustiz­ ministerium einen ersten Arbeitsentwurf vor, auf den 1984, 1991, 1993, 2004 und 113

RGBl. I, 1943, S. 647. BGBl. I, 1953, S. 751. 115 Vgl. Ostendorf (2016), Vorbemerkungen Rn. 7; ausführlich zur rechtlichen Regelung des Jugendstrafvollzugs bis 2008 Dünkel (1990), S. 30 ff. 116 Vgl. Arbeitsgruppe 3 (1974), S. 76. 117 Vgl. BVerfGE 33, 1, 9 ff. 114

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1. Theoretische Grundlagen zum Langzeitbesuch 

2006 weitere Entwürfe folgten.118 Als Reaktion auf die offiziellen, staatlichen Entwürfe legten Jürgen Baumann im Jahr 1985119, die Deutsche Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen (DVJJ) 1988120 und Thomas Kreideweiß 1993121 eigene Gegenentwürfe vor. Auf den Abschlussbericht und die Entwürfe wird im Folgenden kurz eingegangen, wobei der Blick inhaltlich auf die Vorschläge zur Einbindung sozialer Außenbeziehungen insbesondere durch Langzeitbesuch gerichtet ist: Nach den Vorstellungen der Jugendstrafvollzugskommission sollten durch die Pflege sozialer Außenbeziehungen Schäden und Störungen in der Persönlichkeits­ entwicklung verhindert und eine Isolation junger Gefangener vermieden werden.122 Dementsprechend hieß es im Abschlussbericht, dass Außenkontakte, soweit im Strafvollzug möglich, zu vermitteln, zu erhalten und zu fördern seien.123 Besuche stünden im Jugendstrafvollzug noch stärker als im Erwachsenenstrafvollzug unter einem Behandlungs- und Erziehungsaspekt124 und sollten demzufolge mindestens einmal die Woche stattfinden. Zudem empfahl die Strafvollzugskommission, be­ sondere Räumlichkeiten125 für unüberwachte Besuche einzurichten. Weiterhin wurde vorgeschlagen, Wohnungen innerhalb der Anstalt modellartig zu erproben, in denen Familienangehörige auch zusammen mit dem Gefangenen übernachten könnten.126 Diese Forderungen zur Implementierung des Langzeitbesuchs im Ju­ gendstrafvollzug gingen häufig weiter als die im zeitgenössischen Fachdiskurs üblichen Forderungen für den Erwachsenenstrafvollzug. Auf den Entwurf der Jugendstrafvollzugskommission folgte neben einem Ar­ beitsentwurf des Bundesjustizministeriums von 1980 – der allerdings nur die Auf­ gabe des Jugendvollzugs, Grundsätze für den Vollzug der Jugendstrafe und Auf­ gaben des Bewährungshelfers während des Vollzugs zum Gegenstand hatte – ein Entwurf von 1984, der sich inhaltlich an das Strafvollzugsgesetz für Erwachsene anlehnte.127 Da, so Jung, von der „Phantasie“ und vom „Realitätssinn“ der Jugend­ strafvollzugskommission in den bis dahin vorgelegten Entwürfen des Bundesjus­ tizministeriums nicht viel übrig geblieben war,128 fühlten sich weitere Akteur*in­ nen veranlasst, eigene Entwürfe vorzulegen.

118 Vgl. Bundesministerium der Justiz (1980); Bundesministerium der Justiz (1984); Bundes­ ministerium der Justiz (1991); Bundesministerium der Justiz (1993); Bundesministerium der Justiz (2004); Bundesministerium der Justiz (2006). 119 Vgl. Baumann (1985). 120 Vgl. Bulczak et al. (1988). 121 Vgl. Kreideweiß (1993). 122 Vgl. Bulczak (1978), S. 51. 123 Vgl. Bundesministerium der Justiz (1980), S. 43. 124 Vgl. Bulczak (1978), S. 62. 125 Hier wurde von „gemütlichen Einrichtungen“ gesprochen. 126 Vgl. Bundesministerium der Justiz (1980), S. 44. 127 Vgl. Ostendorf (2016), Vorbemerkungen Rn. 8. 128 Vgl. Jung (1985), S. VII.

b) Der Langzeitbesuch als historisches Konstrukt 

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Der Entwurf von Baumann (1985) unterschied sich bezüglich der Besuchsre­ gelungen nicht wesentlich vom Entwurf der Bundesregierung oder den Verwal­ tungsvorschriften zum Jugendstrafvollzug und bezog zu Langzeitbesuchen keine Stellung.129 In dem Entwurf der DVJJ wurde jedoch in § 27 festgelegt, dass die Beziehungen der jungen Gefangenen zu ihren außerhalb der Anstalt lebenden Be­ zugspersonen, insbesondere zu den Eltern, zu fördern seien. Der junge Gefangene sollte mindestens vier Stunden im Monat Besuch empfangen dürfen. Die Möglich­ keit von mehrstündigen unbewachten Besuchen wurde jedoch auch hier nicht the­ matisiert.130 Kreideweiß’ Entwurf von 1992 sah für die jungen Gefangenen Besuch von mindestens zwei Stunden in der Woche vor. Die unbeaufsichtigten Besuche wurden aber auch hier nicht angesprochen.131 Auch die Entwürfe des Bundesjustizministeriums von 1991 und 1993 wichen in den hier wesentlichen Gesichtspunkten nicht von dem Entwurf aus dem Jahre 1984 ab und erwähnten Langzeitbesuche nicht.132 Erst die Entwürfe eines Geset­ zes zur Regelung des Jugendstrafvollzuges auf Bundesebene von 2004 und 2006 regelten in § 21 den Verkehr mit der Außenwelt. Gefangene hatten danach das Recht, mit Personen außerhalb der Jugendstrafanstalt zu verkehren. Der Verkehr mit Personen, von denen ein günstiger Einfluss erwartet werden konnte, sollte ge­ fördert werden. Die Gesamtdauer des Besuches sollte mindestens vier Stunden im Monat betragen, und für Kinder der Gefangenen wurden mindestens zweimal im Monat Langzeitbesuche vorgesehen, die auf die Regelbesuchszeiten nicht an­ gerechnet werden sollten.133 Erstmals wurde in den Entwürfen auf Bundesebene der Terminus „Langzeitbesuch“ verwendet. Zur Begründung in der Sache wurde angeführt, dass es bei jungen Gefangenen mit Kindern in besonderem Maße der Förderung emotionaler Bindung und Stärkung des Verantwortungsgefühls bedürfe, um Gefangenen die Möglichkeit zu gegeben, ein Zusammengehörigkeitsgefühl zu entwickeln.134 Schwirzer kritisierte an den Entwürfen, dass zwar festgestellt werde, dass kurze Besuchszeiten und die Gegenwart anderer Besucher*innen tief­ ergehende Gespräche hemmen oder unmöglich machen können, aber nicht der ent­ scheidende Schritt weiter gegangen wurde, Langzeitbesuche auch für Ehefrauen oder Partnerinnen zu ermöglichen. Gerade die Aufrechterhaltung enger Bindungen zu diesen wichtigen Bezugspersonen sei aber entscheidend für eine erfolgreiche Wiedereingliederung.135 Ähnlich kritisierte der Deutsche Richterbund in seiner

129

Vgl. Baumann (1985), S. 22. Vgl. Bulczak et al. (1988), S. 40. 131 Vgl. Kreideweiß (1993), S. 422 f. 132 Vgl. Bundesministerium der Justiz (1991), Bundesministerium der Justiz (1993). Abge­ druckt in: Kreideweiß (1993), S. 422 f. 133 Vgl. Bundesministerium der Justiz (2004), Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Ju­ gendstrafvollzuges, § 21; Bundesministerium der Justiz (2006), Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Jugendstrafvollzuges, § 21. 134 Bundesministerium der Justiz (2004), Begründung, S. 45 f. 135 Vgl. Schwirzer (2008), S. 188 f. 130

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1. Theoretische Grundlagen zum Langzeitbesuch 

Stellungnahme zum Entwurf von 2004, dass die Einbeziehung von Ehegatten und Partnern einer nichteingetragenen Lebensgemeinschaft nicht mitbedacht worden sei.136 Der Musterentwurf von Tondorf von 2006 sah Langzeitbesuche für Kinder, Ehegatten und Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft vor.137 Dünkel forderte 2006, dass zur Reform des Jugendstrafvollzugs Langzeitbesuche gesetz­ lich verankert werden müssen.138 Trotz der dargestellten Bemühungen und eingehender Kritik in der Literatur am gesetzlosen Zustand139 wurde es aus Kostengründen und aufgrund des Wider­ standes einiger Bundesländer140 kein Jugendstrafvollzugsgesetz verabschiedet. Erst die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 31. 05. 2006 sollte den vor drei Jahrzehnten festgestellten Zustand der Verfassungswidrigkeit aufheben. Das Urteil legte fest, dass für Maßnahmen, die in die Grundrechte des Gefangenen ein­ greifen, auch im Jugendstrafvollzug eine gesetzliche Grundlage erforderlich sei.141 Da der Jugendstrafvollzug im Vergleich zum Erwachsenenstrafvollzug mit sehr unterschiedlichen Sachverhalten zu tun habe, bedürfe es gesetzlicher Grundlagen, die auf die besonderen Anforderungen eines Jugendstrafvollzugs zugeschnitten sei­ en.142 Das Gericht setzte dem Gesetzgeber die Frist, bis zum 01. 01. 2008 ein detail­ liertes Jugendstrafvollzugsgesetz zu verabschieden. Durch die Föderalismusreform I von 2006 wurde die Gesetzgebungskompetenz auf die Länder übertragen,143 was zur Folge hatte, dass alle Bundesländer eigene Jugendstrafvollzugsgesetze verab­ schiedeten. Einige Stellungnahmen zu den Gesetzentwürfen der Länder themati­ sierten den Langzeitbesuch ausdrücklich. An den Entwürfen von Berlin, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen kritisierte Dünkel, dass entweder die ausdrückliche Erwähnung von Langzeitbesuchen für Lebenspartner o. ä. fehle144 oder sie nur für Kinder von jungen Gefangenen gewährt wurden.145 Positiv wurde der Entwurf von Niedersachsen in der allgemeinen Diskussion hervorgehoben, da hier Langzeitbesuche von Familienangehörigen sowie von Personen, die einen günstigen Einfluss erwarten lassen, vorgesehen waren.146 Einige Parteien legten zu den Entwürfen der jeweiligen Landesregierungen eigene Entwürfe vor, in denen

136

Vgl. Deutscher Richterbund (2004). Vgl. Tondorf (2006), S. 20. 138 Vgl. Dünkel (2006a), S. 563. 139 Überblick zur Diskussion bezüglich der Verfassungswidrigkeit des Jugendstrafvollzugs: Bammann (2001), S. 24 ff. 140 Vgl. Dünkel (2012), S. XVI. 141 Vgl. BVerfGE 116, 69, 81, 84. 142 Vgl. BVerfGE 116, 69, 84. 143 Vgl. BGBl. I, 2006, S. 2034 ff. 144 Vgl. Dünkel (2007a); Dünkel (2007b); Dünkel (2007c). 145 Vgl. Dünkel (2006), Stellungnahme zum hessischen Gesetzentwurf. 146 Vgl. Dünkel (2007d); Walkenhorst (2007), Stellungnahme zum nordrhein-westfälischen Gesetzentwurf. 137

b) Der Langzeitbesuch als historisches Konstrukt 

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Langzeitbesuche Erwähnung fanden. Hier waren sie entweder nur für Kinder147 oder auch für Ehe- und Lebenspartner*innen148 vorgesehen. (3) Gegenwärtige Situation im Jugendstrafvollzug Zurzeit werden in der Hälfte der Gesetze zum Jugendstrafvollzug Langzeitbesu­ che erwähnt,149 wobei diese unterschiedlich geregelt werden.150 Auch im Jugend­ strafvollzug haben geeignete Gefangene ausschließlich in Brandenburg einen An­ spruch auf Langzeitbesuch.151 In den Begründungen der Landesregierungen zu den Landesgesetzen zum Ju­ gendstrafvollzug heißt es, dass der Zweck der unbeaufsichtigten Besuche in der Pflege enger Bindungen gerade auch bei den Jugendstrafgefangenen liegt, bei denen Lockerungen nicht absehbar sind.152 Zudem soll durch die Besuche das Zu­ sammengehörigkeitsgefühl zwischen gefangenen Vätern und ihren Kindern ge­ stärkt werden. Außerdem wird in den Begründungen darauf hingewiesen, dass kurze Besuchszeiten und die Gegenwart anderer Besuchergruppen ernsthafte und klärende Gespräche beeinträchtigen oder unmöglich machen können.153 In der rechtswissenschaftlichen Literatur finden sich seit dem Inkrafttreten der Landesgesetze zum Jugendstrafvollzug einige Beiträge, die sich auf diese Gesetze beziehen und dabei auch Langzeitbesuche thematisieren.154 Nach Kühl sollten die unbeaufsichtigten Besuche im deutschen Jugendvollzug flächendeckend imple­ mentiert werden, da die Aufrechterhaltung sozialer Beziehungen wichtig für eine gelingende Resozialisierung sei, sie sich aus Art. 6 GG ableiten lassen, und sie alltäglichere Situationen in Gefangenschaft und positive Auswirkungen auf das Anstaltsklima ermöglichen können.155 Zudem seien dann Gespräche möglich, die denen in Freiheit stärker ähneln und verhindern, dass lösbare Konflikte bis zur Entlassung fortbestehen und sich verfestigen.156 Walkenhorst et al. kritisiert außer­ dem, dass in allen Gesetzen Regelungen hinsichtlich sexueller Kontakte fehlen und dies dem Angleichungsgrundsatze zuwiderlaufe.157 Auch die 2012 veröffentlichten 147

Vgl. FDP, 2007, Gesetzentwurf. Vgl. DIE LINKE, 2007, Gesetzentwurf; PDS, (2007); PDS (2007a); Bündnis 90/Die Grü­ nen, 2007, Gesetzentwurf, Drs. 18/6224, 2007, § 25. 149 § 17 Abs. 5 J­VollzGB IV (BW);§ 34 Abs. 4 S. 1 BbgJVollzG (BB); § 123 Abs. 3 S. 2 NJVollzG (NI); § 23 Abs. 4 JStVollzG NRW (NW); § 33 Abs. 5 LJVollzG (RP); § 47 Abs. 3 SächsJStVollzG (SN); § 33 Abs. 5 ­JVollzGB LSA (ST); § 34 Abs. 5 ThürLVollzGB. 150 Vgl. Abschnitt 2. a) aa) (3) (c). 151 § 34 Abs. 4 S. 1 BbgJVollzG (BB). 152 Vgl. Landtag Brandenburg, Drs. 5/6437, S. 43. 153 Vgl. Landtag von Baden-Württemberg, Drs. 14/1240, S. 89. 154 Z. B. Dünkel / Pörksen (2007), S. 60; Ostendorf (2015), S. 116. 155 Vgl. Kühl (2012), S. 218 f.; Tierel (2008), S. 174. 156 Vgl. Kühl (2012), S. 218 f. 157 Vgl. Walkenhorst et al. (2016), § 7 Rn. 33. 148

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1. Theoretische Grundlagen zum Langzeitbesuch 

Forderungen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Straffälligenhilfe zum „Family Mainstreaming“ weisen auf Defizite im deutschen Strafvollzug hin. Hier wird seine Gestaltung als familienfeindlich bezeichnet und gefordert, dass Belange von Kindern, Eltern und Angehörigen konsequenter beachtet werden müssen, indem u. a. auch Langzeitbesuche genutzt werden, um familienähnliche Situationen zu ermöglichen.158 Langzeitbesuchsregelungen stehen auch in einem Bezug zu internationalen Rechtsquellen. Dünkel attestiert dem deutschen Strafvollzug im internationalen Vergleich bezüglich des Langzeitbesuchs Nachholbedarf. Hinsichtlich des Anglei­ chungsgrundsatzes nach 53.3 der „European Rules for Juvenile Offenders Subject to Sanctions and Measures“ (ERJOSSM)159 und der Pflicht der Anstalt, Kontakte nach außen und zu der Familie zu fördern (Nr. 84, 85.1),160 sei es notwendig, den hinlänglich bestimmten Terminus „Langzeitbesuch“ ausdrücklich zu verwenden.161 Zudem verweisen die European Prison Rules (EPR)162 in Nr. 24.4 darauf,163 dass Besuchsmöglichkeiten so gestaltet werden sollen, dass familiäre Verbindungen der jungen Gefangenen möglichst weitgehend aufrechterhalten werden können.164 Dünkel stellt insgesamt fest, dass die meisten deutschen Gesetze den Anforderun­ gen der ERJOSSM nicht entsprechen, insofern diese in Rule 86.2. festlegen, dass, falls ein regelmäßiges Verlassen der Anstalt nicht möglich sein sollte, zusätzliche Langzeitbesuche für Familienangehörige und andere Personen, die für die Ent­ wicklung des Jugendlichen einen positiven Beitrag leisten können, vorgesehen werden müssen.165

cc) Zwischenergebnis Die historische Betrachtung hat gezeigt, dass die Art und Weise, wie im Verlauf der Geschichte über den Langzeitbesuch diskutiert wurde und ob er in der Praxis Anwendung fand, stets auch von den kontingenten gesellschaftspolitischen Ent­ wicklungen der jeweiligen Zeit geprägt war. In der Vorgeschichte der gegenwär­ tigen Regelungen zum Langzeitbesuch lässt sich in diesem Sinne keine lineare, logische Entwicklung hin zu einem zunehmend rationaleren Umgang mit Fragen des Außenkontakts von Gefangenen erkennen. Vielmehr zeigt sich, dass Recht und Rechtswirklichkeit auch maßgeblich von den jeweils vorherrschenden gesell­ schaftlichen Strukturen und Überzeugungen abhängen. So prägten in der ersten 158

Vgl. Bundesarbeitsgemeinschaft für Straffälligenhilfe (2012), S. 1 ff. Recommendation CM / Rec (2008)11. 160 Deutsche Übersetzung der ERJOSSM: Bundesministerium der Justiz et al. (2009). 161 Deutsche Übersetzung der ERJOSSM: Bundesministerium der Justiz et al. (2009). 162 Recommendation CM / Rec (2006)2. 163 Deutsche Übersetzung der EPR: Bundesministerium der Justiz et al. (2007). 164 Vgl. Tierel (2008), S. 174. 165 Vgl. Dünkel (2008a), S. 394; Dünkel (2008), S. 262; Dünkel et al. (2007), S. 134. 159

b) Der Langzeitbesuch als historisches Konstrukt 

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Hälfte des 20. Jahrhunderts zum Beispiel die Entdeckung der Jugend als eigener entwicklungspsychologischer Phase, die Liberalisierungstendenzen der Weimarer Republik genauso wie die faschistischen Erziehungsmodelle der Nationalsozialis­ ten jeweils unterschiedlich den Blick auf Jugendkriminalität und die Gestaltung des Strafvollzugs im Allgemeinen. Auch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts spielten gesellschaftshistori­ sche Dynamiken und sich wandelnde Wertvorstellungen eine entscheidende Rolle, wie über Jugendkriminalität und Besuchsregelungen gesprochen wurde und wie sich dies in Recht und Rechtswirklichkeit niederschlug. So betonten die meisten Akteur*innen in der Diskussion um Langzeitbesuch während den 1950er  und 1960er Jahren besonders die Bedeutung von Ehe und Familie für Gefangene. Kon­ zepte von Wiedereingliederung und Resozialisierung sowie die Bedeutung von Außenkontakten im Strafvollzug verblieben jedoch lange Zeit umstritten. Beruhten die vorherrschenden Meinungen zum Langzeitbesuch in der unmittelbaren Nach­ kriegszeit noch vornehmlich auf dem „sozialkonservativen Geist der 1950er und 1960er Jahre“,166 änderte sich dies besonders im Zuge der 1968er-Bewegung und der von ihr getragenen sexuellen Revolution. Ab Anfang der 1970er Jahre ver­ schwanden Zweifel über die Einbindung von Außenkontakten zunehmend. Die Öffnung nach außen galt vielmehr als wesentliches Merkmal eines modernen und auf Wiedereingliederung ausgerichteten Vollzugs.167 Während in der Nachkriegs­ zeit Sexualität von Gefangenen primär als Problem diskutiert wurde, da „Sexu­ alnot“ negative Auswirkungen auf das Anstaltsleben haben könnte, wurden An­ fang der 1970er Jahre zahlreiche Tabus beseitigt, sexuelles Handeln und Normen liberalisiert und die damals so bezeichnete „sexuelle Heuchelei“ und repressive Sexualmoral der Nachkriegszeit angeprangert.168 In dieser Zeit rückten emotio­ nale und sexuelle Bedürfnisse sowie grundrechtliche Positionen der Gefangenen häufiger in den Fokus von Debatten. Auch auf legislativer Ebene setzte sich die Strafvollzugskommission auf ihren Tagungen mit dem Problemfeld von Langzeit­ besuchen und Sexualität auseinander. Der Langzeitbesuch wurde jedoch weder im Strafvollzugsgesetz noch in den gleichzeitig erlassenen bundeseinheitlichen Ver­ waltungsvorschriften erwähnt. Trotz der regen wissenschaftlichen Debatte und der Institutionenkritik sowie dem Reformgeist und dem Wertewandel der 1970er Jahre wurde der Langzeitbesuch nicht gesetzlich verankert. Während der 1980er Jahre wurden hingegen im Gefängnis erste Experimente mit dem Langzeitbesuch voll­ zogen, und bis in die 1990er Jahre hinein gewann er in der Strafvollzugspraxis zunehmend an Bedeutung. Die seit den 1980er Jahren tendenziell eingeschlafene Debatte um die Bedeutung von Langzeitbesuchen wurde erst um 2006 wiederbe­ lebt. Doch auch seit der Föderalismusreform ist kein klarer Zusammenhang zwi­ schen der Fach­diskussion, den öffentlichen Debatten, der Rechtsnormierung und Rechtswirklichkeit mit Bezug auf den Langzeitbesuch auszumachen. 166

Vgl. Bänzinger et al. (2014), S. 25. Vgl. Dünkel / Kunkat (1997), S. 24. 168 Vgl. Schmidt (2005), S. 156; Siegusch (2005), S. 25. 167

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1. Theoretische Grundlagen zum Langzeitbesuch 

Aktuell gleicht die gesetzliche Langzeitbesuchssituation, deren detaillierte Ana­ lyse im nächsten Kapitel erfolgen wird, vielmehr einem Flickenteppich, der von Widersprüchen und Inkohärenzen durchzogen ist: Nach den Landestrafvollzugs­ gesetzen von 13 Bundesländern können aktuell Gefangene ausdrücklich Langzeit­ besuche empfangen, im Jugendstrafvollzug dagegen nur in acht Bundesländern. In den Regelungen von Bayern und Hessen werden Langzeitbesuche weder für den Jugendstrafvollzug noch für den Erwachsenenstrafvollzug normiert. In Berlin, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland, und Schleswig-Holstein sind Langzeitbesuche dagegen nur für den Erwachsenenstrafvollzug normiert. Jugendstrafgefangene sind hier demnach gesetzlich schlechter gestellt. Als 2016 in Berlin im Zuge der Weiterentwicklung des Berliner Justizvollzugs zeitgleich ein neues Erwachsenenstrafvollzugsgesetz und ein neues Jugendstrafvollzugs­ gesetz beschlossen wurde, entschieden sich die Verantwortlichen unverständli­ cherweise dafür, die Möglichkeit von unbeaufsichtigten Besuchen nur für den Er­ wachsenenstrafvollzug zu normieren. Das ist insbesondere vor dem Hintergrund nicht nachvollziehbar, dass der Reformgeist seit den 1970er Jahren im Bereich des Jugendstrafvollzugs stärker ausgeprägt war, im Jugendstrafvollzug Aspekte von Behandlung und vor allem Erziehung noch stärker als im Erwachsenenstraf­ vollzug im Vordergrund stehen und Außenkontakte gerade in den Regelungen der Landesgesetze zum Jugendstrafvollzug einen sehr hohen Stellenwert haben.169 In der Regelung von Baden-Württemberg wiederum sind Langzeitbesuche nur für Kinder von Jugendstrafgefangenen normiert, d. h. hier werden Jugendstrafgefan­ gene gegenüber erwachsenen Strafgefangenen bevorzugt. In diesem Zusammen­ hang bleibt unverständlich, weshalb Langzeitbesuche nur für Kinder junger Ge­ fangener und nicht für Kinder von erwachsenen Gefangenen vorgesehen werden, insbesondere vor dem Hintergrund, dass im Erwachsenenvollzug erheblich mehr Gefangene eigene Kinder haben.170 Insgesamt zeigt sich in der historischen Betrachtung, dass das komplexe Zusam­ menspiel von gesellschaftlichen Wertvorstellungen, wissenschaftlichen Erkennt­ nissen, öffentlichen und fachspezifischen Debatten und praktischem Erfahrungs­ wissen nicht zu einem einheitlichen oder auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhenden Umgang mit Langzeitbesuchen im deutschen Strafvollzug geführt hat. Vielmehr scheint die gegenwärtige Situation von mehr oder minder willkürlichen Faktoren und Personalien abzuhängen, was zu sehr unterschiedlichen Regelun­ gen je nach Bundesland geführt hat. Im folgenden Kapitel werden die rechtlichen Regelungen und relevanten Maßstäbe, anhand derer der Langzeitbesuch beurteilt werden kann, genauer analysiert.

169

Vgl. Abschnitt 2. a) aa) (3). Enzmann / Greve (2001), S. 115 f., stellten in ihrer Untersuchung in fünf norddeutschen Ju­ gendstrafanstalten fest, dass etwa 12 % der Gefangenen eigene Kinder haben. Für den Erwach­ senenstrafvollzug stellten demgegenüber Busch et al. (1987), S. 220, in ihrer Untersuchung im nordrhein-westfälischen Strafvollzug fest, dass fast 70 % der Gefangenen eigene Kinder haben.

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2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs mit kriminologischen Erkenntnissen a) Rechtliche Grundlagen des Langzeitbesuchs Im Folgenden richtet sich der Blick auf die rechtlichen Grundlagen des Lang­ zeitbesuchs. Vorwiegend geht es dabei um die reine Deskription der Rechtslage. Da eine darüber hinausgehende kriminologische Bewertung der Rechtslage, wie in der Einleitung bereits dargelegt, die Einbeziehung kriminologischer Befunde zu diesem Themengebiet erfordert, wird diese in den nachfolgenden Abschnitten 2. b) und 2. c) erfolgen.

aa) Landesgesetze zum Jugendstrafvollzug Durch die Föderalismusreform I im Jahre 2006 wurde die Kompetenz für die Strafvollzugsgesetzgebung auf die Bundesländer übertragen.1 Wie vom BVerfG gefordert,2 sind zum 1. 1. 2008 in allen Bundesländern eigene Landesgesetze zum Jugendstrafvollzug in Kraft getreten, durch die seitdem der Jugendstrafvollzug in Deutschland geregelt wird. (1) Vollzugsziel, Vollzugsaufgaben und Gestaltungsgrundsätze Die Vollzugsgrundsätze der Landesgesetze zum Jugendstrafvollzug haben we­ sentliche Bedeutung für die Gestaltung des Jugendstrafvollzugs, da sie bei jeder vollzuglichen Entscheidung und somit auch bei der Gewährung von Langzeitbesu­ chen zu berücksichtigen sind.3 Indem die Zweckbestimmungen der Landesgesetze zum Jugendstrafvollzug deren Programmatik vorgeben, sind sie für die Auslegung entsprechender Einzelbestimmungen richtungsweisend.4

1

Vgl. BGBl. I, 2006, S. 2034 ff. Vgl. BVerfGE 116, 69, 69 ff. 3 Vgl. KG Berlin NStZ 2008, S. 347; KG Berlin, Beschluss vom 30. März 2000  – 5 Ws 146/00 Vollz –, juris. 4 Vgl. Boers / Schaerff (2008), S. 316. 2

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2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

(a) Ziele und Aufgaben Die Zielbestimmungen der Landesgesetze zum Jugendstrafvollzug,5 in denen sich auch die Vollzugsphilosophie ausdrückt,6 stellen die Gestaltungsmaxime des Jugendstrafvollzugs dar, an der sich vollzugliche Maßnahmen und Entscheidungen orientieren müssen.7 Resozialisierung ist das Vollzugsziel des Jugendstrafvollzugs.8 Der Terminus Resozialisierung selbst findet in den Landesgesetzen zum Jugend­ strafvollzug zwar kaum Anwendung.9 Jedoch folgt aus den gesetzlichen Zielbestim­ mungen der Landesgesetze zum Jugendstrafvollzug, dass die Gesetzgeber unter Resozialisierung die Befähigung des Gefangenen verstehen, künftig ein Leben in sozialer Verantwortung ohne Straftaten zu führen.10 An dieser Umschreibung wird deutlich, dass Resozialisierung, so Cornel, kein klar definierter Fachbegriff ist, sondern vielmehr als Kurzform für ein ganzes Programm zu verstehen ist. Dem­ entsprechend gebe es nicht nur unterschiedliche Definitionsversuche, sondern zum Teil auch begriffliche Überschneidungen mit anderen verwandten Begriffen wie Besserung, Erziehung, Sozialisation, Behandlung, Integration und Rehabilitation.11 Das BVerfG definiert Resozialisierung als die Wiedereingliederung des Straftäters und der Straftäterin in die Gesellschaft.12 Das Recht des Gefangenen auf Resoziali­ sierung ergibt sich aus seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 GG.13 In der Literatur sind die Definitionsversuche von Fährmann und Wirth positiv hervorzuheben, da sie neben der Befähigung des Gefangenen auch die Ver­ besserung der Lebenslage bzw. die Schaffung von nötigen Rahmenbedingungen in den Blick nehmen. Damit konzentrieren sie sich nicht nur auf individuelle, sondern auch auf strukturelle, für erfolgreiche Wiedereingliederung bedeutsame Faktoren. Dementsprechend versteht Wirth unter Resozialisierung die Besserung der Le­ bensführung im Sinne eines rechtskonformen Verhaltens und die Verbesserung der Lebenslage mit dem Ziel der sozialen Re-Integration des Gefangenen.14 Fährmann 5 § 2 Abs. 1 J­VollzGB I (BW); § 1 J­VollzGB IV (BW); Art. 121 BayStVollzG (BY); § 2 JStVollzG Bln (BE); § 2 BbgJVollzG (BB); § 2 BremJStVollzG (HB); § 2 HmbJStVollzG (HH); § 2 HessJStVollzG (HE); § 2 JStVollzG M-V (MV); § 113 NJVollzG (NI); § 2 JStVollzG NRW (NW); § 2 LJVollzG (RP); § 2 SJStVollzG (SL); § 2 SächsJStVollzG (SN); § 2 Abs. 1 J­ VollzGB LSA (ST); § 2 JStVollzG (SH); § 2 Abs. 1 Thür­JVollzGB (TH). 6 Vgl. Ostendorf (2016a), § 1 Rn. 14. 7 Vgl. Laubenthal (2019), Rn. 139. 8 Vgl. Wirth (2018), S. 712 f.; Cornel (2018a), S. 317; Ostendorf (2016a), § 1 Rn. 18. 9 Vgl. LNNV-Neubacher (2015), Abschn. B Rn. 40. 10 § 1 ­JVollzGB IV (BW); Art. 121 S. 2 BayStVollzG (BY); § 2 S. 1 JStVollzG Bln (BE); § 2 S. 1 BbgJVollzG (BB); § 2 BremJStVollzG (HB); § 2 S. 1 HmbJStVollzG (HH); § 2 Abs. 1 HessJStVollzG (HE); § 2 S. 1 JStVollzG M-V (MV); § 113 S. 1 NJVollzG (NI); § 2 Abs. 1 JStVollzG NRW (NW); § 2 S. 1 LJVollzG (RP); § 2 Abs. 1 SJStVollzG (SL); § 2 S. 1 Sächs­ JStVollzG (SN); § 2 Abs. 1 S. 1 J­ VollzGB LSA (ST); § 2 S. 1 JStVollzG (SH); § 2 Abs. 1 S. 1 Thür­JVollzGB (TH). 11 Vgl. Cornel (2018), S. 39 ff. 12 Vgl. BVerfGE 35, 202, 235. 13 Vgl. BVerfGE 35, 202, 236. 14 Vgl. Wirth (2018), S. 713.

a) Rechtliche Grundlagen des Langzeitbesuchs

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definiert Resozialisierung als „[…] die Summe aller Bemühungen […], die den Zweck verfolgen, die Gefangenen zu unterstützen, die erforderlichen Fähigkeiten zu erlangen und die nötigen Rahmenbedingungen zu schaffen, um ein Leben ohne Straftaten zu führen.“15 Darüber hinaus meint Resozialisierung, dass in keinem Fall eine Gefangenschaft soziale Benachteiligungen von Gefangenen noch zusätzlich durch Ausschluss, Deprivation und Desintegration sowie Perspektivlosigkeit für die Zeit nach der Gefangenschaft vergrößern darf.16 Neben den Zielbestimmungen wird in den Landesgesetzen zum Jugendstraf­ vollzug  – teilweise vorrangig,17 gleichrangig18 oder nachrangig19  – der Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten als Aufgabe definiert. Demnach ist es auch Aufgabe des Strafvollzugs, die Allgemeinheit, zu der auch andere Gefangene und Vollzugsmitarbeiter*innen gehören, für die Zeit während der Gefangenschaft vor den einzelnen Gefangenen zu schützen.20 Sühne und Vergeltung, das ist klar formuliert, haben für die Gestaltung des Jugendstrafvollzugs keine Bedeutung.21 Zwar besteht zwischen den Zielbestimmungen der Befähigung zu einer künf­ tigen Lebensführung in sozialer Verantwortung ohne Straftaten und dem Schutz der Allgemeinheit grundsätzlich kein Gegensatz,22 nicht zu übersehen ist aller­ dings, dass beide Bestimmungen in einem Spannungsverhältnis stehen.23 In der Vollzugspraxis sind Situationen leicht denkbar, in denen diese Zielbestimmungen in Konflikt geraten.24 So kann zum Beispiel die Gewährung von Langzeitbesuch einerseits Resozialisierungsprozesse fördern, indem Gefangene mit ihnen nahe­ stehenden Personen über einen mehrstündigen und unbeaufsichtigten Zeitraum in abgegrenzten und ausreichend großen Besuchsräumen interagieren können und dadurch soziale Beziehungen gestärkt werden.25 Andererseits können Langzeit­ besuche das Risiko von Geiselnahmen, Gefängnisausbrüchen und Übergriffen auf besuchende Personen sowie Vollzugsmitarbeiter*innen erhöhen, da eine Überwa­ chung der Langzeitbesuche durch Bedienstete naturgemäß ausgeschlossen ist.26 15

Fährmann (2019), S. 312. Vgl. Cornel (2018a), S. 333 f. 17 § 2 Abs. 1 S. 1 ­JVollzGB I (BW); Art. 121 S. 1 BayStVollzG (BY). 18 § 2 S. 2 JStVollzG Bln (BE); § 2 S. 2 BremJStVollzG (HB); § 2 S. 2 BbgJVollzG (BB); § 2 S. 2 HmbJStVollzG (HH); § 2 Abs. 2 S. 2 HessJStVollzG (HE); § 2 S. 2 JStVollzG M-V (MV); § 2 S. 2 LJVollzG (RP); § 2 Abs. 2 S. 1 SJStVollzG (SL); § 2 Abs. 1 S. 2 J­ VollzGB LSA (ST); § 2 S. 2 JStVollzG (SH); § 2 Abs. 1 S. 2 Thür­JVollzGB (TH). 19 § 113 S. 2 NJVollzG (NI); § 2 S. 2 SächsJStVollzG (SN). 20 Vgl. AK-Lindemann (2017), § 2 Rn. 18 ff. 21 Vgl. Ostendorf (2016a), § 1 Rn. 19. 22 § 2 S. 3 HmbJStVollzG (HH); § 2 S. 3 JStVollzG (SH). 23 Vgl. Arloth / Krä (2017), § 2 Rn. 10. 24 Vgl. Arloth / Krä (2017), § 2 Rn. 10. 25 Vgl. AK-Feest / Wegner (2017), § 26 Rn. 24; LNNV-Laubenthal (2015), Abschn. E Rn. 23; Kühl (2012), S. 218 f.; Schwirzer (2008), S. 188 f.; Rosenhayn (2004), S. 155 f.; Preusker (1989), S. 148 ff.; Knoche (1987), S. 137 f.; Einsele (1980), S. 152; Bartsch (1974), S. 8; Rehn (1974), S. 100; Römer (1967), S. 96. 26 Vgl. Arloth / Krä (2017), § 24 Rn. 4. 16

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2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

Die intendierte Förderung von Resozialisierungsprozessen kann somit ein ge­ steigertes Risiko der Begehung von Straftaten zur Folge haben und demnach der Aufgabe des Schutzes der Allgemeinheit zuwiderlaufen. In diesen Fällen gilt es, beide Bestimmungen in ein angemessenes Verhältnis zu setzen.27 Da das Vollzugs­ ziel aber, wie bereits weiter oben thematisiert, als maßgeblich für die Gestaltung, Auslegung und praktische Anwendung des Jugendstrafvollzugsgesetzes zu gelten hat,28 ist in Kollisionsfällen von wesentlicher Bedeutung, welche Zielbestimmung grundsätzlich die zentrale Leitlinie darstellt. In Bezug auf die Kontroverse zum Verhältnis der beiden Vollzugszielbestimmungen gilt, dass beim Vollzug von Freiheits- und Jugendstrafen Resozialisierung die ranghöchste Aufgabe darstellt und der Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten die sekundäre Vollzugs­ aufgabe ist.29 Speziell für den Jugendstrafvollzug lässt sich die Vorrangigkeit der sozialen Integration aus der Rechtsprechung des BVerfG30 sowie § 2 Abs. 1 JGG und Art. 10 Abs. 3 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (UN-Zivilpakt)31 ableiten.32 Das Ziel der Befähigung zu einem straffreien Leben in Freiheit hat für den Jugendstrafvollzug besonders hohes Gewicht.33 So stellt eine gesetzlich eindeutig vorrangige Resozialisierungsorientierung das Kriterium eines dem aktuellen zivilisatorischen Fortschritt entsprechenden und modernen Jugendstrafvollzuges dar.34 Der Schutz der Allgemeinheit fungiert als Motivation und Fernziel der Befähigung des Gefangenen zu einer künftigen Lebensführung in sozialer Verantwortung ohne Straftaten.35 Grundsätzlich müssen somit bei der Vollzugsgestaltung, also auch bei der Gewährung von Langzeitbesuch, vertret­ bare Risiken eingegangen werden, die den Schutz der Allgemeinheit betreffen.36 In diesem Zusammenhang gilt es zu bedenken, dass Außenkontakte, die auch durch Langzeitbesuche erweitert eingebunden werden können, grundsätzlich einen wesentlichen Beitrag zur Wiedereingliederung leisten können, wobei Wiederein­ gliederung in die Gesellschaft gleichzeitig die Befähigung und Unterstützung zum Leben in der Gemeinschaft bedeutet.37

27

Vgl. Rosenhayn (2004), S. 18. Vgl. Kühl (2012), S. 42. 29 Vgl. für den Jugendstrafvollzug: Ostendorf (2016), § 1 Rn. 21; Goerdeler (2015), S. 183; Für den Erwachsenenstrafvollzug: AK-Lindemann (2017), § 2 Rn. 6 ff.; LNNV-Neubacher (2015), Abschn. B Rn. 28. 30 Vgl. BVerfGE 116, 69, 86; BVerfGE 98, 169, 200 f. 31 Zur Bedeutung von internationalen Rechtsquellen für den Jugendstrafvollzug: Vgl. Ab­ schnitt 2. a) dd). 32 Zur Vorrangigkeit des Resozialisierungsziels siehe auch: Graebsch (2018), S. 693; AKLindemann (2017), § 2 Rn. 7 f.; Ostendorf (2016a), § 1 Rn. 21. 33 Vgl. BVerfGE. 116, 69, 86. 34 Vgl. Boers / Schaerff (2008), S. 323. 35 Vgl. Kühl (2012), S. 60. 36 Vgl. AK-Lindemann (2017), § 2 Rn. 20; Jehle (2020), Kap. 1 C Rn. 25; Dünkel (1993), S. 645. 37 Vgl. Walkenhorst et al. (2016), § 7 Rn. 3. 28

a) Rechtliche Grundlagen des Langzeitbesuchs

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Geht man im Sinne der Zielbestimmungen der Landesgesetze zum Jugendstraf­ vollzug zusammenfassend davon aus, dass die Wirkungsziele des Jugendstrafvoll­ zugs soziale Integration und Rückfallfreiheit sind,38 wird für die Bewertung von Langzeitbesuch vor allem in dem Abschnitt 2. b) detailliert darzulegen sein, in­ wiefern eine erweiterte Einbindung von Außenkontakten durch Langzeitbesuche zur Realisierung beider Wirkungsziele beitragen kann. (b) Gestaltungsgrundsätze Die Gestaltungsgrundsätze sind Wegweiser für den Strafvollzug, für die Voll­ zugsleitung und die Vollzugsbediensteten.39 Zwar können Gefangene aus ihnen keine Rechtsansprüche ableiten, sie erlangen allerdings wesentliche Bedeutung für die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe und den Ermessensgebrauch.40 Die drei „klassischen“ Strafvollzugsgrundsätze sind Angleichung41, Gegen­ steuerung42 und Integration43. Der Angleichungsgrundsatz zielt darauf, Ein­ schränkungen im Gefängnisalltag zu reduzieren, die bei einem Leben in Freiheit nicht vorkommen.44 Gegenwirkung meint, schädlichen Folgen der Gefangenschaft wie insbesondere Deprivation und Prisonisierung entgegenzuwirken.45 Nach dem Integrationsgrundsatz muss das Leben in Gefangenschaft von Beginn an auf die Eingliederung in das Leben in Freiheit ausgerichtet sein.46 Indem Langzeitbesu­ che extensive und unbeaufsichtigte Interaktionen zwischen Gefangenen und An­ 38

Vgl. Suhling / Jacob (2012). Vgl. Ostendorf (2016a), § 1 Rn. 35. 40 Vgl. AK-Feest / Lesting (2017), § 3 Rn. 2. 41 § 2 Abs. 3 J­ VollzGB IV (BW); Art. 5 Abs. 3 BayStVollzG Abs. 1 (BY); § 3 Abs. 3 JStVollzG Bln (BE); § 7 Abs. 1 BbgJVollzG (BB); 3 Abs. 3 S. 1 BremJStVollzG (HB); § 3 Abs. 2 S. 1 HmbJStVollzG (HH); § 3 Abs. 2 S. 1 HessJStVollzG (HE); § 3 Abs. 3 S. 1 JStVollzG M-V (MV); § 2 Abs. 1 NJVollzG (NI); § 3 Abs. 2 S. 1 JStVollzG NRW (NW); § 7 Abs. 1 LJVollzG (RP); § 3 Abs. 3 S. 1 SJStVollzG (SL); § 3 Abs. 4 SächsJStVollzG (SN); § 7 Abs. 1 J­ VollzGB LSA (ST); § 3 Abs. 3 S. 1 JStVollzG (SH); § 7 Abs. 1 Thür­JVollzGB (TH). 42 § 2 Abs. 4 S. 1 J­VollzGB IV (BW); Art. 5 Abs. 3 BayStVollzG Abs. 2 (BY); § 3 Abs. 4 JStVollzG Bln (BE); § 7 Abs. 2 BbgJVollzG (BB); 3 Abs. 3 S. 2 BremJStVollzG (HB); § 3 Abs. 2 S. 2 HmbJStVollzG (HH); § 3 Abs. 2 S. 3 HessJStVollzG (HE); § 3 Abs. 3 S. 2 JStVollzG M-V (MV); § 2 Abs. 2 NJVollzG (NI); § 3 Abs. 2 S. 3 JStVollzG NRW (NW); § 7 Abs. 2 LJVollzG (RP); § 3 Abs. 3 S. 2 SJStVollzG (SL); § 3 Abs. 5 SächsJStVollzG (SN); § 7 Abs. 2 S. 1 J­ VollzGB LSA (ST); § 3 Abs. 3 S. 2 JStVollzG (SH); § 7 Abs. 2 S. 1 Thür­JVollzGB (TH). 43 Art. 5 Abs. 3 BayStVollzG (BY); § 3 Abs. 5 S. 1 JStVollzG Bln (BE); § 8 Abs. 2 BbgJVollzG (BB); § 3 Abs. 3 S. 3 BremJStVollzG (HB); § 3 Abs. 2 S. 3 HmbJStVollzG (HH); § 3 Abs. 2 S. 4 HessJStVollzG (HE); § 3 Abs. 3 S. 3 JStVollzG M-V (MV); § 2 Abs. 3 S. 1 NJVollzG (NI); § 3 Abs. 2 S. 2 JStVollzG NRW (NW); § 8 Abs. 2 LJVollzG (RP); § 3 Abs. 3 S. 3 SJStVollzG (SL); § 3 Abs. 2 SächsJStVollzG (SN); § 8 Abs. 2 ­JVollzGB LSA (ST); § 3 Abs. 3 S. 3 JStVollzG (SH); §  8 Abs.  2 Thür­JVollzGB (TH). 44 Vgl. LNNV-Neubacher (2015), Abschn. B Rn. 52. 45 Vgl. Ostendorf (2016a), § 1 Rn. 35. 46 Vgl. AK-Feest / Lesting (2017), § 3 Rn. 7. 39

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2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

gehörigen in geschützten Räumlichkeiten ermöglichen und Entfremdungsprozes­ sen entgegenwirken, „normalere“ Besuchssituationen darstellen sowie Sexualität ermöglichen, können sie grundsätzlich insbesondere zur Realisierung des Gegen­ steuerungs- und Angleichungsgrundsatzes beitragen.47 Neben den drei „klassischen“ Gestaltungsgrundsätzen werden in den Landesge­ setzen zum Jugendstrafvollzug weitere Gestaltungsgrundsätze bzw. Gestaltungs­ aufträge formuliert. Aktuell zeigt sich in den Gesetzen ein höchst uneinheitliches Bild. Die große Bedeutung der Einbindung von Bezugspersonen junger Gefangener ins Vollzugsgeschehen kommt insbesondere in den Gestaltungsgrundsätzen von Berlin, Brandenburg, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Thüringen zum Aus­ druck. Demnach sind Personensorgeberechtigte, soweit möglich und dem Voll­ zugsziel nicht zuwiderlaufend, in die Gestaltung des Vollzugs einzubeziehen.48 Zudem ist der Bezug des Jugendstrafgefangenen zum gesellschaftlichen Leben zu wahren und zu fördern.49 Weiter wird in einigen Regelungen der Förderbegriff aufgegriffen. Demnach ist der Vollzug auf die Förderung der Jugendstrafgefange­ nen auszurichten.50 Zudem wird ein Erziehungsauftrag festgelegt.51 Dieser wird verstanden als „Alleinstellungsmerkmal“ des Jugendstrafvollzugs gegenüber dem Erwachsenenstrafvollzug.52 Ohne hier auf dieses Thema erschöpfend eingehen zu können, gilt es darauf hinzuweisen, dass es sich bei Erziehung in diesem Zu­ sammenhang um einen schwierigen Begriff handelt,53 da unter ihm nicht nur Unterschiedliches verstanden wird, sondern der Begriff der Erziehung im „Dritten Reich“ im Sinne einer nationalistischen Erziehungsideologie missbraucht wurde.54 Insofern ist aus juristischer Perspektive unabdingbar, den Erziehungsauftrag auf das Ziel eines Lebens ohne Straftaten zu begrenzen.55 Des Weiteren haben Opferaspekte, Belange von Sicherheit und Ordnung in der Anstalt sowie für die Allgemeinheit Einzug in einige Regelungen zur Vollzugs­ 47 Vgl. Walkenhorst et al. (2016), § 7 Rn. 32; AK-Feest / Wegner (2017), § 26 Rn. 23; LNNVLaubenthal (2015), Abschn. E Rn. 23; Dünkel (2008), S. 262. 48 § 2 Abs. 9 ­JVollzGB IV (BW); § 3 Abs. 7 JStVollzG Bln (BE); § 9 Abs. 5 BbgJVollzG (BB). 49 § 3 Abs. 6 S. 1 JStVollzG Bln (BE); § 8 Abs. 5 S. 1 BbgJVollzG (BB); § 8 Abs. 4 S. 1 LJVollzG (RP); § 7 Abs. 4 S. 1 ­JVollzGB LSA (ST); § 8 Abs. 4 S. 1 Thür­JVollzGB (TH). 50 § 3 Abs. 1 S. 1–2 JStVollzG Bln (BE); § 9 Abs. 1 BbgJVollzG (BB); § 3 Abs. 1 S. 2 BremJSt­ VollzG (HB); § 3 Abs. 1 S. 2 HmbJStVollzG (HH); § 3 Abs. 1 S. 2 HessJStVollzG (HE); § 3 Abs. 1 S. 2 JStVollzG M-V (MV); § 114 Abs. 1 S. 2 NJVollzG (NI); § 3 Abs. 1 S. 2 JStVollzG NRW (NW); § 3 Abs. 1 S. 2 SJStVollzG (SL); § 3 Abs. 1 S. 1 SächsJStVollzG (SN); § 9 Abs. 1 S. 2 ­JVollzGB LSA (ST); § 3 Abs. 1 S. 2 JStVollzG (SH). 51 § 3 Abs. 1 S. 1 JStVollzG Bln (BE); § 9 Abs. 1 BbgJVollzG (BB); § 3 Abs. 1 S. 1 BremJSt­ VollzG (HB); § 3 Abs. 1 S. 1 HmbJStVollzG (HH); § 3 Abs. 1 S. 1 HessJStVollzG (HE); § 3 Abs. 1 S. 1 JStVollzG M-V (MV); § 114 Abs. 1 S. 1 NJVollzG (NI); § 3 Abs. 1 S. 1 JStVollzG NRW (NW); § 3 Abs. 1 S. 1 SJStVollzG (SL); § 9 Abs. 1 S. 1 ­JVollzGB LSA (ST); § 3 Abs. 1 S. 1 JStVollzG (SH). 52 Vgl. Goerdeler (2015), S. 184. 53 Vgl. Ostendorf / Drenkhahn (2020), Rn. 50; Goerdeler (2015), S. 184. 54 Vgl. Ostendorf (2016a), § 1 Rn. 24. 55 Vgl. Graebsch (2018), S. 695.

a) Rechtliche Grundlagen des Langzeitbesuchs

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gestaltung der Landesgesetze zum Jugendstrafvollzug erhalten.56 Außerdem wird in manchen Regelungen die Berücksichtigung der unterschiedlichen Lebenslagen und Bedürfnisse von weiblichen und männlichen Gefangenen festgelegt.57 Ham­ burg betont die Schaffung und Bewahrung eines gewaltfreien Klimas.58 In einigen Landesgesetzen zum Jugendstrafvollzug wird überdies festgelegt, dass personelle Ausstattung, sachliche Mittel und Organisation der Anstalt an Zielsetzung und Aufgabe des Vollzugs sowie den besonderen Bedürfnissen der Gefangenen aus­ zurichten sind.59 Wieder andere Regelungen betonen in ihren Grundsätzen den Schutz der Gefangenen vor Übergriffen.60 Brandenburg und Rheinland-Pfalz richten dabei ein besonderes Augenmerk auf die Verhütung von Selbsttötungen.61 Baden-Württemberg legt zudem fest, dass das Lernen von und mit Gleichaltrigen zu ermöglichen ist.62 (2) Sicherheit und Ordnung Die Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung ist eine weitere Aufgabe des Jugendstrafvollzugs.63 So wird in den Landesgesetzen zum Jugendstrafvollzug formuliert, dass Sicherheit und Ordnung der Anstalt die Grundlage des auf die För­ derung und Erziehung aller Jugendstrafgefangenen ausgerichteten Anstaltslebens bilden und dazu beitragen, dass in der Anstalt ein gewaltfreies Klima herrscht.64 56 § 2 Abs. 5 ­JVollzGB IV (BW); § 8 Abs. 1 S. 2 BbgJVollzG (BB); § 3 Abs. 1 S. 3 BremJSt­ VollzG (HB); § 3 Abs. 3 S. 4 BremJStVollzG (HB); § 3 Abs. 1 S. 3 HmbJStVollzG (HH); § 3 Abs. 3 S. 1 HmbJStVollzG (HH); § 3 Abs. 1 S. 3 HessJStVollzG (HE); § 3 Abs. 2 S. 2 HessJSt­ VollzG (HE); § 3 Abs. 1 S. 3 JStVollzG M-V (MV); § 3 Abs. 3 S. 4 JStVollzG M-V (MV); § 8 Abs. 1 S. 2 LJVollzG (RP); § 3 Abs. 1 S. 3 SJStVollzG (SL); § 3 Abs. 3 S. 4 SJStVollzG (SL); § 3 Abs. 1 S. 2 SächsJStVollzG (SN); § 3 Abs. 4 S. 4 SächsJStVollzG (SN); § 7 Abs. 1 S. 2 ­JVollzGB LSA (ST); § 3 Abs. 1 S. 3 JStVollzG (SH); § 3 Abs. 3 S. 4 JStVollzG (SH); § 8 Abs. 1 S. 2 Thür­ JVollzGB (TH). 57 § 2 Abs. 8 ­JVollzGB IV (BW); § 3 Abs. 8 JStVollzG Bln (BE); § 7 Abs. 4 BbgJVollzG (BB); § 3 Abs. 4 BremJStVollzG (HB); § 3 Abs. 3 S. 2 HmbJStVollzG (HH); § 3 Abs. 3 S. 1 HessJSt­ VollzG (HE); § 3 Abs. 4 JStVollzG M-V (MV); § 3 Abs. 3 S. 2 JStVollzG NRW (NW); § 7 Abs. 3 LJVollzG (RP); § 3 Abs. 4 SJStVollzG (SL); § 3 Abs. 5 SächsJStVollzG (SN); § 7 Abs. 3 ­JVollzGB LSA (ST); § 3 Abs. 4 JStVollzG (SH); § 7 Abs. 3 Thür­JVollzGB (TH). 58 § 3 Abs. 3 S. 3 HmbJStVollzG (HH). 59 § 3 Abs. 5 JStVollzG NRW (NW); § 3 Abs. 2 SJStVollzG (SL); § 3 Abs. 2 SächsJStVollzG (SN). 60 § 2 Abs. 4 S. 2 ­JVollzGB IV (BW); § 3 Abs. 5 S. 2 JStVollzG Bln (BE); § 7 Abs. 3 BbgJVollzG (BB). 61 § 7 Abs. 3 BbgJVollzG (BB); § 7 Abs. 2 S. 2 LJVollzG (RP); § 7 Abs. 2 S. 2 J­ VollzGB LSA (ST); § 7 Abs. 2 S. 2 Thür­JVollzGB (TH). 62 § 2 Abs. 6 ­JVollzGB IV. 63 Vgl. Goerdeler (2016), § 8 Rn. 1. 64 § 83 Abs. 1 JStVollzG Bln (BE); § 84 Abs. 1 BbgJVollzG (BB); § 62 Abs. 1 BremJStVollzG (HB); § 44 Abs. 1 S. 1 HessJStVollzG (HE); § 62 Abs. 1 JStVollzG M-V (MV); § 49 Abs. 1 S. 1 JStVollzG NRW (NW); § 82 Abs. 1 LJVollzG (RP); § 62 Abs. 1 S. 1 SJStVollzG (SL); § 63 Abs. 1 SächsJSVollzG; 83 Abs. 1 J­ VollzGB LSA (ST); § 62 Abs. 1 JStVollzG (SH); § 83 Abs. 1 Thür­ JVollzGB (TH).

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2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

Ein Jugendstrafvollzug, der auf Förderung und Erziehung ausgerichtet ist, verlangt demnach ein Mindestmaß an persönlicher Sicherheit für alle Beteiligten und ein geordnetes Zusammenleben innerhalb der Anstalt.65 Hinsichtlich ihres Rechtscharakters handelt es sich bei Sicherheit und Ordnung um gerichtlich vollständig kontrollierbare unbestimmte Rechtsbegriffe, die inhalt­ lich und begrifflich voneinander zu trennen sind.66 Unter den Begriff Sicherheit fallen die Gewährleistung des Anstaltsaufenthalts (externe Anstaltssicherheit) und die Verhinderung von – auch kriminalitätsunabhängigen – Gefahren für Personen und Sachen in der Anstalt (interne Anstaltssicherheit).67 Der Begriff Ordnung der Anstalt stellt eine „besonders schwer“ zu fassende Generalklausel dar.68 Unter ihm können „die Voraussetzungen für ein geordnetes und menschenwürdiges Zusam­ menleben in der Anstalt“ verstanden werden.69 Regelungssystematisch durchziehen Sicherheit und Ordnung in den Landesge­ setzen zum Jugendstrafvollzug, über den Abschnitt Sicherheit und Ordnung hin­ aus, alle Lebensbereiche des Jugendstrafvollzugs.70 Dementsprechend wird auch die Realisierung von Außenkontakt durch Besuch von den Kriterien der Sicher­ heit und Ordnung abhängig gemacht. So können Besuche verboten werden, wenn sie die Sicherheit und Ordnung der Anstalt gefährden würden.71 Aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung kann ein Besuch davon abhängig gemacht werden, dass sich besuchende Personen durchsuchen oder mit sonstigen Hilfsmitteln auf verbo­ tene Gegenstände absuchen lassen.72 Zudem dürfen sie aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung überwacht werden.73 Da Langzeitbesuche regelungssystematisch in den meisten Landesgesetzen zum Jugendstrafvollzug unter der Überschrift Besuch

65

Vgl. Goerdeler (2016), § 8 Rn. 2. Vgl. Goerdeler (2016), § 8 Rn. 6. 67 Vgl. Laubenthal (2019), Rn. 695. 68 Vgl. AK-Goerdeler (2017), § 72 Rn. 10. 69 Vgl. Harrendorf / Ullenbruch (2020), Kap. 11 A Rn. 5. 70 Vgl. Goerdeler (2016), § 8 Rn. 13. 71 § 18 ­JVollzGB IV (BW); Art. 144 Abs. 1 BayStVollzG (BY); § 32 JStVollzG Bln (BE); § 35 BbgJVollzG (BB); § 48 BremJStVollzG (HB); § 26 Abs. 5 HmbJStVollzG (HH); § 32 Abs. 2 HessJStVollzG (HE); § 48 JStVollzG M-V (MV); § 123 Abs. 4 S. 1 NJVollzG (NI); § 27 JStVollzG NRW (NW); § 34 LJVollzG (RP); § 48 SJStVollzG (SL); § 48 SächsJStVollzG (SN); § 34 ­JVollzGB LSA (ST); § 48 JStVollzG (SH); § 35 Thür­JVollzGB (TH). 72 § 17 Abs. 4 S. 1 J­ VollzGB IV (BW); Art. 144 Abs. 1 BayStVollzG (BY); § 33 Abs. 1 S. 1 JStVollzG Bln (BE); § 36 Abs. 1 S. 1 BbgJVollzG (BB); § 47 Abs. 4 BremJStVollzG (HB); § 26 Abs. 4 S. 1 HmbJStVollzG (HH); § 33 Abs. 3 HessJStVollzG (HE); § 47 Abs. 4 JStVollzG M-V (MV); 132 Abs. 1 NJVollzG (NI); § 23 Abs. 5 JStVollzG NRW (NW); § 35 Abs. 1 S. 1 LJVollzG (RP); § 47 Abs. 4 SJStVollzG (SL); § 49 Abs. 1 S. 1 SächsJStVollzG (SN); § 35 Abs. 1 S. 1 ­JVollzGB LSA (ST); § 47 Abs. 4 JStVollzG (SH); § 36 Abs. 1 S. 1 Thür­JVollzGB (TH). 73 § 19 Abs. 1 S. 1 J­ VollzGB IV (BW); Art. 144 Abs. 1 BayStVollzG (BY); § 50 Abs. 1 S. 1 BremJStVollzG (HB); § 27 Abs. 1 S. 1 HmbJStVollzG (HH); § 33 Abs. 4 S. 1 HessJStVollzG (HE); § 50 Abs. 1 S. 1 JStVollzG M-V (MV); § 132 Abs. 1 NJVollzG (NI); § 23 Abs. 7 JStVollzG NRW (NW); § 50 Abs. 1 S. 1 SJStVollzG (SL); § 50 Abs. 1 S. 1 JStVollzG (SH). 66

a) Rechtliche Grundlagen des Langzeitbesuchs

53

als mehrstündige, unbeaufsichtigte Besuche aufgeführt werden,74 sind die oben ge­ nannten Bestimmungen der Landesgesetze zum Jugendstrafvollzug hinsichtlich Sicherheit und Ordnung und Besuch auch für die Durchführung von Langzeit­ besuch bedeutsam. Weiter gelten in diesem Zusammenhang für Langzeitbesuch auch die Regelungen der Landesgesetze zum Jugendstrafvollzug zur allgemeinen Anordnung von Durchsuchungen, nach denen die Anstaltsleitung auch anordnen kann, dass sich Jugendstrafgefangene nach Kontakten mit Besucher*innen einer Durchsuchung unterziehen müssen.75 Außerdem betrifft das Thema Sicherheit und Ordnung als ganzheitliche Aufgabe Langzeitbesuche,76 insofern die unbeaufsichtigten Besuche aufgrund ihrer  – im Vergleich zu anderen Maßnahmen zur Aufrechterhaltung von Außenkontakt – ge­ ringeren Kontrollierbarkeit, wie bereits erwähnt, theoretisch das Risiko von Über­ griffen, Sachbeschädigungen, Geiselnahmen sowie Schmuggeleien erhöhen und dadurch die Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung innerhalb der Anstalt gefährden können.77 Deutlich wird, dass Langzeitbesuch und die Aufgabe der Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung in einem Spannungsverhältnis stehen können. Im Konfliktfall kann über die Durchführung der unbeaufsichtigten Besuche nur im Einzelfall entschieden werden.78 Diesbezüglich muss allerdings beachtet werden, dass der Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung keine eigenständige und zentrale Funktion zukommt, sondern nur eine am Vollzugsziel Resozialisierung orientierte Rolle.79 (3) Regelungen zum Kontakt mit der Außenwelt Im Folgenden werden die Außenkontaktregelungen der Landesgesetze zum Ju­ gendstrafvollzug verglichen, da Gefangenen durch Langzeitbesuch in besonderer Weise der Verkehr mit der Außenwelt ermöglicht wird und die unbeaufsichtigten Besuche auch regelungssystematisch in den Landesgesetzen zum Jugendstraf­ vollzug innerhalb der Abschnitte über den Verkehr mit der Außenwelt aufgeführt werden.80 Auf die Darstellung von rechtlichen Vorschriften, die Besuche von 74

BbgJVollzG (BB); NJVollzG (NI); JStVollzG NRW (NW); LJVollzG (RP); SächsJStVollzG (SN); ­JVollzGB LSA (ST); Thür­JVollzGB (TH). 75 § 60 Abs. 3 ­JVollzGB IV (BW); § 86 Abs. 3 BbgJVollzG (BB); § 77 Abs. 3 NJVollzG (NI); § 50 JStVollzG NRW (NW); § 84 Abs. 3; § 65 Abs. 3 SächsJStVollzG (SN); § 85 Abs. 3 ­JVollzGB LSA (ST); § 85 Abs. 3 Thür­JVollzGB (TH). 76 Vgl. Goerdeler (2016), § 8 Rn. 8. 77 Vgl. Arloth / Krä (2017), § 24 Rn. 4; Rosenhayn (2004), S. 160; Kümmel (1994), S. 81; Ernst (1972), S. 179; Schüler-Springorum (1969), S. 196. 78 Vgl. Rosenhayn (2004), S. 158. 79 Vgl. AK-Goerdeler (2017), § 72 Rn. 3. 80 ­JVollzGB IV (BW); BbgJStVollzG (SH); NJVollzG (NI); JStVollzG NRW (NW); LJVollzG (RP); SächsJStVollzG (SN); § 33 Abs. 4 ­JVollzGB LSA (ST); Thür­JVollzGB (TH).

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2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

Verteidiger*innen, Rechtsanwalt*innen, Notar*innen und Beiständen sowie den Schriftwechsel, Telefongespräche und Pakete betreffen, wird verzichtet, da diese keinen direkten Bezug zum Thema aufweisen. (a) Grundsatz Grundsätzlich haben Jugendstrafgefangene das Recht, mit Personen außerhalb der Anstalt im Rahmen der jeweiligen Vorschriften zu verkehren.81 Die Justizvoll­ zugsanstalten sind verpflichtet, Gefangene bei allen Außenkontakten zu ermutigen, zu unterstützen und zu fördern.82 Als einzige Bundesländer fördern Bayern und Brandenburg in ihren „Grund­ satz“-Normen zum Kontakt mit der Außenwelt den Verkehr mit der Außenwelt ohne Einschränkungen, wobei Brandenburg die Erhaltung der Kontakte zu Be­ zugspersonen und die Schaffung eines sozialen Empfangsraums betont.83 Ham­ burg hält Kontakte der Gefangenen zu ihren Angehörigen im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 1 StGB für besonders förderungswürdig.84 Die Mehrheit der Bundesländer will demgegenüber den Außenverkehr mit Personen fördern, von denen ein günstiger Einfluss zu erwarten bzw. keine schädliche Beeinflussung zu befürchten ist.85 (b) Regulärer Besuch Die meisten Regelungen der Landesgesetze zum Jugendstrafvollzug legen die Besuchszeit auf mindestens vier Stunden im Monat fest.86 In Brandenburg und Nie­ dersachsen ist die Mindestbesuchszeit auf sechs Stunden festgesetzt.87 In Sachsen 81

§ 17 Abs. 1 S. 1 ­JVollzGB IV (BW); Art. 144 Abs. 1 BayStVollzG (BY); § 30 S. 1 JStVollzG Bln (BE); § 33 S. 1 BbgJVollzG (BB); § 46 S. 1 BremJStVollzG (HB); § 32 Abs. 1 S. 1 ­­HessJStVollzG (HE); § 46 S. 1 JStVollzG M-V (MV); § 22 Abs. 1 JStVollzG NRW (NW); § 32 LJVollzG (RP); § 46 S. 1 SJStVollzG (SL); § 46 S. 1 SächsJStVollzG ­­ (SN); § 32 J­ VollzGB LSA (ST); § 46 S. 1 JStVollzG (SH); § 33 Thür­JVollzGB (TH). 82 Vgl. AK-Feest / Wegner (2017), § 25 Rn. 3. 83 Art. 144 Abs. 1 BayStVollzG (BY); § 33 S. 2 BbgJVollzG (BB). 84 § 26 Abs. 2 S. 1 HmbJStVollzG (HH). 85 § 17 Abs. 1 S. 2 J­ VollzGB IV (BW); § 30 S. 2 JStVollzG Bln (BE); § 46 S. 2 B ­ remJStVollzG (HB); § 32 Abs. 1 S. 2 ­HessJStVollzG (HE); § 46 S. 2 JStVollzG M-V (MV); 123 Abs. 1 NJVollzG (NI); § 22 Abs. 2 JStVollzG NRW (NW); § 46 S. 2 SJStVollzG (SL); § 46 S. 2 SächsJStVollzG ­­ (SN); § 46 S. 2 JStVollzG (SH). 86 § 17 Abs. 2 S. 2 J­ VollzGB IV (BW); Art. 144 Abs. 2 S. 1 BayStVollzG (BY); § 31 Abs. 1 S. 2 JStVollzG Bln (BE); § 47 Abs. 1 S. 2 BremJStVollzG (HB); § 26 Abs. 1 S. 2 H ­ mbJStVollzG (HH); § 33 Abs. 1 S. 2 ­HessJStVollzG (HE); § 47 Abs. 1 S. 2 JStVollzG M-V (MV); § 23 Abs. 1 S. 1 JStVollzG NRW (NW); § 33 Abs. 1 S. 2 LJVollzG (RP); § 47 Abs. 1 S. 2 SJStVollzG (SL); § 33 Abs. 1 S. 2 J­ VollzGB LSA (ST); § 47 Abs. 1 S. 2 JStVollzG (SH); § 34 Abs. 1 S. 2 ­Thür­JVollzGB (TH). 87 § 34 Abs. 1 S. 2 BbgJVollzG (BB); § 123 Abs. 2 NJVollzG (NI).

a) Rechtliche Grundlagen des Langzeitbesuchs

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dürfen neben den vier Stunden Mindestbesuchszeit Gefangene zwei weitere Stun­ den Besuch von Angehörigen im Sinne des § 11 Abs.1 Nr. 1 StGB erhalten.88 Über­ dies kann die Anstaltsleitung auch längere Besuche vorsehen.89 In Brandenburg, Hamburg, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Thüringen werden Besuche von Angehörigen besonders unterstützt.90 Was die Besuchstage betrifft, so werden in den Regelungen von Berlin und Nordrhein-Westfalen auch Wochenenden berück­ sichtigt.91 Die Gesetzgeber haben damit in ihren Besuchsregelungen der Landesge­ setze zum Jugendstrafvollzug die Forderung des Bundesverfassungsgerichts umge­ setzt, wonach Besuchsmöglichkeiten für familiäre Kontakte im Jugendstrafvollzug um ein Mehrfaches über denen im Erwachsenenstrafvollzug liegen müssen.92 In allen Landesgesetzen zum Jugendstrafvollzug sollen darüber hinaus Besuche zugelassen werden, wenn sie die Erziehung oder Eingliederung junger Gefangener fördern oder persönlichen, rechtlichen oder geschäftlichen Angelegenheiten die­ nen, die von den jungen Gefangenen weder schriftlich erledigt noch durch Dritte wahrgenommen oder bis zur Entlassung aufgeschoben werden können.93 Einen besonderen Stellenwert haben in den Außenkontaktregelungen der Lan­ desgesetze zum Jugendstrafvollzug Kontakte junger Gefangener zu ihren Kindern. Solche Kontakte sollen besonders gefördert werden.94 Mit Ausnahme von BadenWürttemberg, Berlin, Brandenburg, Hessen, Niedersachsen Rheinland-Pfalz und Sachsen werden Kinderbesuche nicht auf die Regelbesuchszeiten angerechnet.95 In Berlin und Rheinland-Pfalz erhöht sich bei Besuchen von Kindern die Gesamt­ dauer der Besuchszeit der regulären Besuche um zwei Stunden.96 Nordrhein-West­ falen formuliert zudem, dass familiengerechter Umgang zum Wohl minderjähriger

88

§ 47 Abs. 1 S. 1 ­SächsJStVollzG (SN). § 47 Abs. 1 ­SächsJStVollzG (SN). 90 Vgl. § 26 Abs. 2 S. 1 ­HmbJStVollzG (HH); § 34 Abs. 2 BbgJVollzG (BB); § 33 Abs. 3 LJVollzG (RP); § 33 Abs. 3 JStVollzG LSA; § 34 Abs. 3 Thür­JVollzGB (TH). 91 Vgl. § 31 Abs. 1 S. 5. JStVollzG Bln (BE); § 23 Abs. 1 S. 2 JStVollzG NRW (NW). 92 Vgl. BVerfGE 116, 69, 88. 93 § 17 Abs. 3 ­JVollzGB IV (BW); Art 144 Abs. 1 BayStVollzG (BY); § 31 Abs. 3 JStVollzG Bln (BE); § 34 Abs. 3 BbgJStVollzG (SH); § 47 Abs. 3 BremJStVollzG (HB); § 26 Abs. 3 ­HmbJStVollzG (HH); § 33 Abs. 2 H ­ essJStVollzG (HE); § 47 Abs. 3 JStVollzG M-V (MV); § 123 Abs. 3 S. 1 NJVollzG (NI); § 23 Abs. 3 JStVollzG NRW (NW); § 33 Abs. 4 LJVollzG (RP); § 47 Abs. 3 SJStVollzG (SL); § 47 Abs. 2 S ­ ächsJStVollzG (SN); § 33 Abs. 4 J­ VollzGB LSA (ST); § 47 Abs. 3 JStVollzG (SH); § 34 Abs. 4 Thür­JVollzGB (TH). 94 § 31 Abs.1 S. 3 JStVollzG Bln (BE); § 47 Abs. 2 S. 1 BremJStVollzG (HB); § 33 Abs. 2 S. 2 H ­ essJStVollzG (HE); § 47 Abs. 2 S. 1 JStVollzG M-V (MV); § 23 Abs. 2 S. 1 JStVollzG NRW (NW); § 33 Abs. 2 S. 1 LJVollzG (RP); § 47 Abs. 2 S. 1 SJStVollzG (SL); § 33 Abs. 2 S. 1 ­JVollzGB LSA (ST); § 47 Abs. 2 S. 1 JStVollzG (SH); § 34 Abs. 2 S. 1 Thür­JVollzGB (TH). 95 Art. 144 Abs. 3 S. 1 BayStVollzG (BY); § 47 Abs. 2 S. 2 BremJStVollzG (HB); § 26 Abs. 2 S. 2 H ­ mbJStVollzG (HH); § 47 Abs. 2 S. 2 JStVollzG M-V (MV); § 23 Abs. 2 S. 2 JStVollzG NRW (NW); § 47 Abs. 2 S. 2 SJStVollzG (SL); § 33 Abs. 2 S. 3 ­JVollzGB LSA (ST); § 33 Abs. 2 S. 2 JStVollzG (SH); § 34 Abs. 2 S. 3 Thür­JVollzGB (TH). 96 § 31 Abs. 1 S. 4 JStVollzG Bln (BE); § 33 Abs. 2 S. 2 LJVollzG (RP). 89

56

2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

Kinder zu gestatten ist.97 Außerdem sind bei der Ausgestaltung der Besuchsmög­ lichkeiten, namentlich der Besuchszeiten und der Rahmenbedingungen der Be­ suche, Bedürfnisse minderjähriger Kinder der Gefangenen zu berücksichtigen.98 Hinsichtlich der besonderen Förderung von Kindern junger Gefangener spielen Langzeitbesuche eine wichtige Rolle, da durch sie das Verantwortungsgefühl des Gefangenen sowie die emotionale Bindung und das Zusammengehörigkeitsgefühl zwischen Kind und gefangenem Elternteil gestärkt werden sollen.99 Neben den zeitlichen Begrenzungen unterliegen Besuche weiteren gesetzlichen Einschränkungen. Sie können durch die Anstaltsleitung verboten werden, wenn Sicherheit und Ordnung in der Anstalt gefährdet würden.100 Darüber hinaus kön­ nen sie nur bei besuchenden Personen, die nicht Angehörige im Sinne des Strafge­ setzbuchs sind, versagt werden, wenn zu befürchten ist, dass sie das Erreichen des Erziehungsauftrags oder die Eingliederung behindern würden.101 In diesen Fällen haben Angehörige ein sogenanntes Angehörigenprivileg.102 Außerdem können Besuche verboten werden, wenn zu befürchten ist, dass die Begegnung mit dem Jugendstrafgefangenen Personen, die Verletzte der Straftat waren, schadet,103 oder die Personensorgeberechtigten des Gefangenen nicht ein­ verstanden sind.104 Weiter kann ein Besuch aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung davon ab­ hängig gemacht werden, dass sich besuchende Personen durchsuchen oder mit sonstigen Hilfsmitteln auf verbotene Gegenstände absuchen lassen.105 In Berlin 97

§ 23 Abs. 2 S. 3 JStVollzG NRW (NW). § 23 Abs. 2 S. 4 ­­JStVollzG NRW (NW). 99 Vgl. Landtag von Baden-Württemberg, Drs. 14/1240, S. 89. 100 § 18 ­JVollzGB IV (BW); Art. 144 Abs. 1 BayStVollzG (BY); § 32 ­JStVollzG Bln (BE); § 35 BbgJVollzG (BB); § 48 Brem­JStVollzG (HB); § 26 Abs. 5 H ­ mb­JStVollzG (HH); § 32 Abs. 2 H ­ ess­JStVollzG (HE); § 48 ­JStVollzG M-V (MV); § 123 Abs. 4 S. 1 NJVollzG (NI); § 27 ­JStVollzG NRW (NW); § 34 LJVollzG (RP); § 48 S­JStVollzG (SL); § 48 ­Sächs­JStVollzG (SN); § 34 ­JVollzGB LSA (ST); § 48 ­JStVollzG (SH); § 35 ­­Thür­JVollzGB (TH). 101 § 18 ­JVollzGB IV (BW); Art. 144 Abs. 1 ­­BayStVollzG (BY); § 32 J­ StVollzG Bln (BE); § 35 BbgJVollzG (BB); § 48 Brem­JStVollzG (HB); § 26 Abs. 5 H ­ mb­JStVollzG (HH); § 32 Abs. 2 H ­ ess­JStVollzG (HE); § 48 ­JStVollzG M-V (MV); § 123 Abs. 4 S. 1 NJVollzG (NI); § 27 ­JStVollzG NRW (NW); § 34 LJVollzG (RP); § 48 S­JStVollzG (SL); § 48 ­Sächs­JStVollzG (SN); § 34 ­JVollzGB LSA (ST); § 48 ­JStVollzG (SH); § 35 ­Thür­JVollzGB (TH). 102 Vgl. HK-JGG-Sonnen (2020), § 32 Rn. 3. 103 § 32 ­JStVollzG Bln (BE); § 35 BbgJVollzG (BB); § 32 Abs. 2 ­Hess­JStVollzG (HE); § 27 ­JStVollzG NRW (NW); § 34 LJVollzG (RP); § 48 ­Sächs­JStVollzG (SN); § 34 ­JVollzGB LSA (ST). 104 § 32 ­JStVollzG Bln (BE); § 35 BbgJVollzG (BB); § 48 Brem­JStVollzG (HB); § 26 Abs. 5 ­Hmb­JStVollzG (HH); § 32 Abs. 2 H ­ ess­JStVollzG (HE); § 48 ­JStVollzG M-V (MV); § 123 Abs. 4 S. 1 NJVollzG (NI); § 27 ­JStVollzG NRW (NW); § 34 LJVollzG (RP); § 48 S­JStVollzG (SL); § 48 ­Sächs­JStVollzG (SN); § 34 ­­JVollzGB LSA (ST); § 48 ­JStVollzG (SH); § 35 ­Thür­JVollzGB (TH). 105 § 17 Abs. 4 S. 1 J­ VollzGB IV (BW); Art. 144 Abs. 1 B ­ ayStVollzG (BY); § 33 Abs. 1 S. 1 ­JStVollzG Bln (BE); § 36 Abs. 1 S. 1 BbgJVollzG (BB); § 47 Abs. 4 Brem­JStVollzG (HB); § 26 Abs. 4 S. 1 ­Hmb­JStVollzG (HH); § 33 Abs. 3 ­Hess­JStVollzG (HE); § 47 Abs. 4 ­JStVollzG M-V 98

a) Rechtliche Grundlagen des Langzeitbesuchs

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heißt es dazu, dass die Durchsuchung nur von Personen des gleichen Geschlechts vorgenommen werden darf und das Schamgefühl zu schonen ist.106 Zudem können Besuche davon abhängig gemacht werden, dass besuchende Personen Anordnun­ gen zur Identitätsfeststellung Folge leisten.107 Besuche dürfen weiterhin aus erzieherischen Gründen oder aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung in der Jugendstrafanstalt überwacht werden, es sei denn, es liegen im Einzelfall Erkenntnisse dafür vor, dass es der Überwachung nicht be­ darf.108 Als erzieherische Gründe kommen belastete Beziehungen infrage, die das Potenzial für Konflikte haben. Dazu zählen auch akute Krisensituationen.109 Nach den Regelungen einiger Bundesländer werden Besuche regelmäßig beaufsichtigt,110 wobei über Ausnahmen die Anstaltsleitung entscheidet.111 Die Unterhaltung darf überwacht werden, soweit dies im Einzelfall wegen einer Gefährdung der Erreichung des Vollzugsziels oder aus Gründen der Sicher­ heit (in Brandenburg, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen zudem aus Gründen der Erziehung112) erforderlich ist.113 In der Besuchsregelung von Hessen wird ergänzend normiert, dass die Unterhaltung, soweit sie besondere Kategorien personenbezogener Daten wie z. B. die ethnische Herkunft, politische Meinungen und religiöse oder weltanschauliche Meinungen nach § 41 Nr. 15 des Hessischen Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetzes vom 03. Mai 2018 zum Gegenstand hat, nur überwacht werden darf, soweit dies unbedingt erforder­ lich ist.114 (MV); 132 Abs. 1 NJVollzG (NI); § 23 Abs. 5 J­ StVollzG NRW (NW); § 35 Abs. 1 S. 1 LJVollzG (RP); § 47 Abs. 4 S­JStVollzG (SL); § 49 Abs. 1 S. 1 ­Sächs­JStVollzG (SN); § 35 Abs. 1 S. 1 ­JVollzGB LSA (ST); § 47 Abs. 4 ­JStVollzG (SH); § 36 Abs. 1 S. 1 ­Thür­JVollzGB (TH). 106 § 33 Abs. 1 S. 2 ­JStVollzG Bln (BE). 107 Z. B. § 35 Abs. 1 S. 1 ­JVollzGB LSA (ST). 108 § 19 Abs. 1 S. 1 J­ VollzGB IV (BW); Art. 144 Abs. 1 B ­ ayStVollzG (BY); § 50 Abs. 1 S. 1 Brem­JStVollzG (HB); § 27 Abs. 1 S. 1 H ­ mb­JStVollzG (HH); § 33 Abs. 4 S. 1 H ­ ess­JStVollzG (HE); § 50 Abs. 1 S. 1 ­JStVollzG M-V (MV); § 132 Abs. 1 NJVollzG (NI); § 23 Abs. 7 J­ StVollzG NRW (NW); § 50 Abs. 1 S. 1 S­JStVollzG (SL); § 50 Abs. 1 S. 1 ­JStVollzG (SH). 109 Vgl. Walkenhorst et al. (2016), § 7 Rn. 41. 110 § 33 Abs. 3 S. 1 J­ StVollzG Bln (BE); § 36 Abs. 2 S. 1 BbgJVollzG (BB); § 35 Abs. 2 S. 1 LJVollzG (RP); § 49 Abs. 2 S. 1 ­Sächs­JStVollzG (SN); § 36 Abs. 1 S. 1 J­ VollzGB LSA (ST); §  36 Abs.  2 S.  1 ­Thür­JVollzGB (TH). 111 § 33 Abs. 3 S. 2 J­ StVollzG Bln (BE); § 36 Abs. 2 S. 2 BbgJVollzG (BB); § 35 Abs. 2 S. 1 LJVollzG (RP); § 49 Abs. 2 S. 2 ­Sächs­JStVollzG (SN); § 36 Abs. 1 S. 2 J­ VollzGB LSA (ST); §  36 Abs.  2 S.  2 ­Thür­JVollzGB (TH). 112 § 37 Abs. 1 BbgJVollzG (BB); § 36 Abs. 1 LJVollzG (RP); § 50 Abs. 1 S ­ ächs­JStVollzG (SN); § 36 Abs. 2 ­JVollzGB LSA (ST); § 37 Abs. 1 Thür ­JVollzGB. 113 § 19 Abs. 1 S. 2 J­VollzGB IV (BW); Art. 144 Abs. 1 B ­ ayStVollzG (BY); § 34 Abs. 1 ­JStVollzG Bln (BE); § 37 Abs. 1 BbgJVollzG (BB); § 50 Abs. 2 S. 2 Brem­JStVollzG (HB); § 27 Abs. 2 S. 1 H ­ mb­JStVollzG (HH); § 33 Abs. 4 S. 2 H ­ ess­JStVollzG (HE); § 50 Abs. 1 S. 2 ­JStVollzG M-V (MV); § 132 Abs. 1 NJVollzG (NI); § 36 Abs. 1 LJVollzG (RP); § 50 Abs. 1 S. 2 S­JStVollzG (SL); § 50 Abs. 1 S ­ ächs­JStVollzG (SN); § 36 Abs. 2 J­ VollzGB LSA (ST); § 50 Abs. 1 S. 3 ­JStVollzG (SH); § 37 Abs. 1 Thür ­JVollzGB. 114 § 33 Abs. 4 S. 3 ­Hess­JStVollzG (HE).

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2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

Weiter heißt es in den Regelungen aller Landesgesetze zum Jugendstrafvoll­ zug, dass Besuche abgebrochen werden dürfen, wenn Gefangene oder ihre Besu­ cher*innen gegen die Vorschriften des jeweiligen Gesetzes oder gegen Anord­ nungen, die aufgrund des jeweiligen Gesetzes getroffen wurden, trotz Ermahnung verstoßen.115 Gleiches gilt auch, wenn Verhaltensweisen von Besucher*innen ge­ eignet sind, einen schädlichen Einfluss auf die Gefangenen auszuüben.116 Wenn es unerlässlich ist, den Besuch sofort abzubrechen, bedarf es keiner Ermahnung.117 Das kann in Betracht kommen, wenn z. B. Gefahren für die Sicherheit der Anstalt vorliegen.118 Außerdem können zur Verhinderung der Übergabe von Gegenständen beson­ dere Vorkehrungen, insbesondere durch Tischaufsätze oder Trennscheiben getrof­ fen werden, wenn bei dem jungen Gefangenen verbotene Gegenstände gefunden wurden oder konkrete Anhaltspunkte vorliegen, dass es zu einer verbotenen Über­ gabe von Gegenständen kommt,119 oder dies zum Schutz von Personen erforderlich ist.120 Hessen normiert diesbezüglich, dass die Erforderlichkeit insbesondere dann anzunehmen ist, wenn ein Gefangener die Mitwirkung bei der Suchtmittelkont­ rolle ohne hinreichenden Grund verweigert und deswegen davon auszugehen ist, dass Suchtmittelfreiheit nicht gegeben ist oder Gefangene aus anderen Gründen 115 § 19 Abs. 4 S. 1 J­ VollzGB IV (BW); Art. 144 Abs. 1 B ­ ayStVollzG (BY); § 33 Abs. 5 S. 1 J­ StVollzG Bln (BE); § 36 Abs. 4 S. 1 BbgJVollzG (BB); § 50 Abs. 2 S. 1 Brem­JStVollzG (HB); § 27 Abs. 3 S. 1 H ­ mb­JStVollzG (HH); § 33 Abs. 3 S. 3 H ­ ess­JStVollzG (HE); § 50 Abs. 2 S. 1 ­JStVollzG M-V (MV); § 123 Abs. 5 S. 1 NJVollzG (NI); § 23 Abs. 7 ­JStVollzG NRW (NW); § 35 Abs. 4 S. 1 LJVollzG (RP); § 50 Abs. 2 S. 1 S­JStVollzG (SL); § 49 Abs. 3 S. 1 S ­ ächs­JStVollzG (SN); § 35 Abs. 2 S. 1 J­ VollzGB LSA (ST); § 50 Abs. 2 S. 1 J­ StVollzG (SH); § 36 Abs. 4 S. 1 ­Thür­JVollzGB (TH). 116 § 19 Abs. 4 S. 2 J­ VollzGB IV (BW); Art. 144 Abs. 5 B ­ ayStVollzG (BY); § 33 Abs. 5 S. 1 ­JStVollzG Bln (BE); § 36 Abs. 4 S. 1 BbgJVollzG (BB); § 50 Abs. 3 Brem­JStVollzG (HB); § 27 Abs. 3 S. 1 ­Hmb­JStVollzG (HH); § 33 Abs. 3 S. 4 ­Hess­JStVollzG (HE); § 50 Abs. 3 ­JStVollzG M-V (MV); § 123 Abs. 5 S. 1 NJVollzG (NI); § 35 Abs. 4 S. 1 LJVollzG (RP); § 50 Abs. 3 S­JStVollzG (SL); § 49 Abs. 3 S. 3 ­Sächs­JStVollzG (SN); § 35 Abs. 2 S. 1 ­JVollzGB LSA (ST); § 50 Abs. 3 ­JStVollzG (SH); § 36 Abs. 4 S. 1 ­Thür­JVollzGB (TH). 117 § 19 Abs. 4 S. 3 J­ VollzGB IV (BW); Art. 144 Abs. 1 B ­ ayStVollzG (BY); § 33 Abs. 5 S. 2 ­JStVollzG Bln (BE); § 36 Abs. 4 S. 3 BbgJVollzG (BB); § 50 Abs. 2 S. 2 Brem­JStVollzG (HB); § 27 Abs. 3 S. 2 H ­ mb­JStVollzG (HH); § 33 Abs. 3 S. 5 H ­ ess­JStVollzG (HE); § 50 Abs. 2 S. 1 ­JStVollzG M-V (MV); § 50 Abs. 2 S. 2 J­StVollzG M-V (MV); § 123 Abs. 5 S. 1 NJVollzG (NI); § 35 Abs. 4 S. 2 LJVollzG (RP); § 50 Abs. 2 S. 2 S­JStVollzG (SL); § 49 Abs. 3 S. 2 ­Sächs­JStVollzG (SN); § 35 Abs. 2 S. 3 J­ VollzGB LSA (ST); § 50 Abs. 2 S. 2 J­ StVollzG (SH); §  36 Abs.  4 S.  3 ­Thür­JVollzGB (TH). 118 Vgl. Dessecker / Schwind (2020), Kap. 9 B Rn. 84. 119 § 19 Abs. 2 S. 3 J­VollzGB IV (BW); Art. 144 Abs. 1 B ­ ayStVollzG (BY); § 33 Abs. 7 ­ mb­JStVollzG (HH); § 33 ­JStVollzG Bln (BE); § 36 Abs. 7 BbgJVollzG (BB); § 27 Abs. 4 S. 2 H Abs. 5 S. 4 H ­ ess­JStVollzG (HE); § 132 Abs. 1 NJVollzG (NI); § 23 Abs. 7 ­JStVollzG NRW (NW); § 35 Abs. 6 LJVollzG (RP); § 50 Abs. 6 S­JStVollzG (SL); § 49 Abs. 7 S ­ ächs­JStVollzG (SN); § 35 Abs. 4 ­JVollzGB LSA (ST); § 36 Abs. 6 ­Thür­JVollzGB (TH). 120 § 33 Abs. 7 J­ StVollzG Bln (BE); § 36 Abs. 7 BbgJVollzG (BB); § 33 Abs. 5 S. 4 H ­ ess­JSt​ VollzG (HE); § 23 Abs. 7 J­StVollzG NRW (NW); § 35 Abs. 6 LJVollzG (RP); § 50 Abs. 6 S­JStVollzG (SL); § 49 Abs. 7 ­Sächs­JStVollzG (SN).

a) Rechtliche Grundlagen des Langzeitbesuchs

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unter dem Verdacht stehen, unerlaubte Suchtmittel zu besitzen oder solche kon­ sumiert zu haben.121 (c) Langzeitbesuch Voranzustellen ist, dass die gegenwärtige Rechtslage zum Langzeitbesuch im deutschen Jugendstrafvollzug äußerst unübersichtlich ist.122 In den Außenkontakt­ regelungen der Bundesländer Baden-Württemberg, Brandenburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen werden Langzeitbesuche vorgesehen, wobei unterschiedliche Formulierungen vor­ zufinden sind.123 Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thürin­ gen formulieren Langzeitbesuche als Kann-Vorschrift.124 Der Anstalt wird dem­ nach ein Auswahlermessen eingeräumt. Die Anstaltsleitung kann somit bei Ver­ wirklichung des Tatbestandes zwischen verschiedenen Verhaltensweisen  – hier Genehmigung bzw. Versagung von Langzeitbesuch – wählen.125 In den Regelun­ gen dieser fünf Gesetze wird festgelegt, dass Gefangene für die besonderen Be­ suche geeignet sein müssen.126 Während Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Thüringen darüber hinaus die Möglichkeit von Langzeitbesuch an die Bedingung knüpfen, dass die Durchführung der Wiedereingliederung dient,127 müssen in Nordrhein-Westfalen und Sachsen Langzeitbesuche zur Pflege familiärer, partner­ schaftlicher oder anderer gleichwertiger Kontakte geboten erscheinen.128 In der Regelung von Niedersachsen sollen Langzeitbesuche von Angehörigen im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 1 StGB sowie von Personen, die einen günstigen Ein­ fluss erwarten lassen, zugelassen werden, soweit der Gefangene dafür geeignet ist.129 Bei dieser Regelung handelt es sich um eine Sollvorschrift, d. h., Anstalten sind außer in Ausnahmefällen und atypischen Situationen zur Zulassung der be­ sonderen Besuche in der Regel verpflichtet.130 121

§ 33 Abs. 5 S. 5 ­Hess­JStVollzG (HE). Zustimmend: AK-Feest / Wegner (2017), § 26 Rn. 21. 123 § 17 Abs. 5 ­JVollzGB IV (BW); § 34 Abs. 4 S. 1 BbgJVollzG (BB); § 123 Abs. 3 S. 2 NJVollzG (NI); § 23 Abs. 4 J­StVollzG NRW (NW); § 33 Abs. 5 LJVollzG (RP); § 47 Abs. 3 ­Sächs­JStVollzG (SN); § 33 Abs. 5 ­JVollzGB LSA (ST); § 34 Abs. 5 ­Thür­JVollzGB (TH). 124 § 23 Abs. 4 J­ StVollzG NRW (NW); § 33 Abs. 5 LJVollzG (RP); § 47 Abs. 3 S ­ ächs­JStVollzG (SN); § 33 Abs. 5 ­JVollzGB LSA (ST); § 34 Abs. 5 ­Thür­JVollzGB (TH). 125 Vgl. Maurer / Waldhoff (2020), § 7 Rn. 8. 126 § 23 Abs. 4 J­ StVollzG NRW (NW); § 33 Abs. 5 LJVollzG (RP); § 47 Abs. 3 S ­ ächs­JStVollzG (SN); § 33 Abs. 5 ­JVollzGB LSA (ST); § 34 Abs. 5 ­Thür­JVollzGB (TH). 127 § 33 Abs. 5 LJVollzG (RP); § 33 Abs. 5 J­ VollzGB LSA (ST); § 34 Abs. 5 ­Thür­JVollzGB (TH). 128 § 23 Abs. 4 ­JStVollzG NRW (NW); § 47 Abs. 3 ­Sächs­JStVollzG (SN). 129 § 123 Abs. 3 S. 2 NJVollzG (NI). 130 Vgl. Maurer / Waldhoff (2020), § 7 Rn. 11. 122

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2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

Baden-Württemberg sieht Langzeitbesuche für Kinder junger Gefangener vor, die auf die Regelbesuchszeiten nicht angerechnet werden. Der unbeaufsichtigte Besuch muss nach Auffassung des Jugendamts dem Kindeswohl entsprechen.131 Einzig in der gesetzlichen Regelung von Brandenburg haben geeignete Jugend­ strafgefangene einen Anspruch auf Langzeitbesuch. Danach sind mehrstündige, unbeaufsichtigte Besuche (Langzeitbesuche) zuzulassen, wenn dies zur Pflege der familiären, partnerschaftlichen oder ihnen gleichzusetzender Kontakte der Jugend­ strafgefangenen geboten erscheint und die Jugendstrafgefangenen hierfür geeignet sind.132 Die Entscheidung trifft die Anstaltsleitung.133 Bei den Formulierungen „schädlicher Einfluss“, „Eignung“, „Gebotenheit“ und „der Wiedereingliederung dienlich“ handelt es sich um unbestimmte Rechtsbe­ griffe.134 Für den Jugendstrafvollzug wurde sich mit ihnen im Zusammenhang mit Langzeitbesuch in der Literatur bisher nicht auseinandergesetzt. Im Bereich des Erwachsenenvollzugs wird unter einem günstigen Einfluss ein Einwirken verstan­ den, das zur Realisierung des Vollzugsziels beiträgt.135 Im Rahmen der Eignung sind im Vergleich zum regulären Besuch beim Langzeitbesuch höhere Anforde­ rungen an den Gefangenen zu stellen, da die besonderen Besuche unbeaufsichtigt sind.136 Als der Wiedereingliederung dienliche Handlungen werden Einwirkungen definiert, die den Gefangenen darin unterstützen, sich nach seiner Entlassung in seinen sozialen Lebensbereich wieder einzuordnen.137 In den übrigen Landesgesetzen zum Jugendstrafvollzug werden Langzeitbe­ suche nicht erwähnt.138 Allerdings liegen sie als Sonderfall den Regelungen der Landesgesetze zum Jugendstrafvollzug zugrunde, nach denen Besuche über die die regulären Besuche hinaus zugelassen werden sollen, wenn sie die Erziehung oder Eingliederung junger Gefangener fördern oder persönlichen, rechtlichen oder geschäftlichen Angelegenheiten dienen, die von den jungen Gefangenen we­ der schriftlich erledigt noch durch Dritte wahrgenommen oder bis zur Entlassung aufgeschoben werden können.139 Insofern erwächst aus ihnen in Anlehnung an die rechtliche Situation im Erwachsenenvollzug der Anspruch von Gefangenen 131

§ 17 Abs. 5 ­JVollzGB IV. § 34 Abs. 4 S. 1 BbgJVollzG (BB). 133 § 34 Abs. 4 S. 2 BbgJVollzG (BB). 134 Vgl. AK-Feest / Wegner (2017), § 26 Rn. 21. 135 Vgl. Dessecker / Schwind (2020), Kap. 9 B Rn. 44; Arloth / Krä (2017), § 25. Rn. 4. 136 Vgl. LNNV-Laubenthal (2015), Abschn. E Rn. 25. 137 Vgl. Arloth / Krä (2017), § 25 Rn. 5. 138 Das betrifft die Landesgesetze zum Jugendstrafvollzug von Bayern, Berlin, Bremen, Ham­ burg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland und Schleswig-Holstein. 139 § 17 Abs. 3 ­JVollzGB IV (BW); Art 144 Abs. 1 ­BayStVollzG (BY); § 31 Abs. 3 ­JStVollzG Bln (BE); § 34 Abs. 3 Bbg­JStVollzG (SH); § 47 Abs. 3 Brem­JStVollzG (HB); § 26 Abs. 3 ­Hmb­JStVollzG (HH); § 33 Abs. 2 H ­ ess­JStVollzG (HE); § 47 Abs. 3 ­JStVollzG M-V (MV); § 123 Abs. 3 S. 1 NJVollzG (NI); § 23 Abs. 3 ­JStVollzG NRW (NW); § 33 Abs. 4 LJVollzG (RP); § 47 Abs. 3 S­JStVollzG (SL); § 47 Abs. 2 S ­ ächs­JStVollzG (SN); § 33 Abs. 4 J­ VollzGB LSA (ST); § 47 Abs. 3 ­JStVollzG (SH); § 34 Abs. 4 ­Thür­JVollzGB (TH). 132

a) Rechtliche Grundlagen des Langzeitbesuchs

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auf eine rechtsfehlerfreie Ermessensentscheidung hinsichtlich der Gewährung der unbeaufsichtigten Besuche.140 Somit gibt es aktuell, mit Ausnahme Brandenburgs, in den Landesgesetze zum Jugendstrafvollzug keinen Rechtsanspruch auf Langzeitbesuch, sondern nur einen Anspruch auf eine rechtsfehlerfreie Ermessensentscheidung.141 Hinsichtlich der Durchführung von Langzeitbesuch gibt es keine detaillierten Regelungen. In den Justizvollzugsanstalten, die Langzeitbesuch durchführen, wird der genaue Ablauf durch jeweils spezifische Regelungen wie Dienstanweisungen, Hausverfügungen und Anstaltsregelungen festgelegt.142 Wie bereits im Abschnitt 1. b) dargelegt, fehlen Bestimmungen zum Themen­ feld Sexualität sowohl in den Vorschriften zum Langzeitbesuch als auch in allen anderen Vorschriften der Landesgesetze zum Jugendstrafvollzug.143

bb) Bisherige Rechtsprechung zu Langzeitbesuchen Es gibt keine Rechtsprechung zu Langzeitbesuchen im Jugendstrafvollzug. Das ist wenig verwunderlich, führt man sich vor Augen, dass Langzeitbesuche im Jugendstrafvollzug kaum durchgeführt werden und vor allem ein gerichtlicher Rechtsschutz aufgrund vielfältiger Hürden von Jugendstrafgefangenen de facto fast gar nicht in Anspruch genommen wird.144 Die Rechtsprechung zum Langzeit­ besuch bezieht sich auf den Erwachsenenstrafvollzug. Thematisch lässt sie sich in „Sicherheit und Ordnung“ und „Ermessen“ einteilen. Wie bereits oben dargelegt, können Langzeitbesuche und Belange von Sicher­ heit und Ordnung in Konflikt geraten. In diesem Zusammenhang urteilte das LG Hamburg in Bezug auf Fragen zur Abwicklung, dass sich Durchsuchungen nach einem Langzeitbesuch auch auf intime Körperhöhlen und -öffnungen, wie den Darmausgang, erstrecken dürfen. Nicht erlaubt sind dagegen medizinische Untersuchungen nach im Körperinneren befindlichen Gegenständen, die nur mit­ tels medizinischer Hilfsmittel gefunden werden können.145 Was die Zulassung der besonderen Besuche betrifft, können nach Ansicht des LG Hamburg Personen, die gegen Sicherheit und Ordnung verstoßen, zum Langzeitbesuch nicht zugelassen werden, da in Frage kommende Gefangene und besuchende Personen besonders

140 Vgl. AK-Feest / Wegner (2017), § 26 Rn. 22; LNNV-Laubenthal (2015), Abschn. E Rn. 23; OLG Karlsruhe NStZ RR, 2006, S. 154 ff. 141 Vgl. AK-Feest / Wegner (2017), § 26 Rn. 22; LNNV-Laubenthal (2015), Abschn. E Rn. 23; OLG Naumburg FS 2008, S. 282; OLG Stuttgart ZfStrVo 2004, S. 51. 142 Vgl. Abschnitt 3. a) bb) (5). 143 Vgl. Walkenhorst et al. (2016), § 7 Rn. 33. 144 Vgl. Abschnitt 3. a) bb); Graebsch (2018), S. 703. 145 Vgl. LG Hamburg ZfStrVo 2000, S. 253.

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2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

zuverlässig sein müssen.146 Nach dem OLG Hamm kann zudem einem Gefange­ nen die Gewährung von Langzeitbesuch untersagt werden, wenn der begründete Verdacht besteht, dass der Gefangene in der Anstalt Rauschmittel konsumiert.147 Demgegenüber ist der Schutz einer besuchenden Person, von der auszugehen ist, dass sie den Besuch möchte, als kein hinreichender Versagungsgrund.148 Auch lässt allein die Anzahl von Straftaten, die der Gefangene vor der Gefangenschaft mit der Person begangen hat, die zu Langzeitbesuchen in die Anstalt kommen möchte, keinen Rückschluss darauf zu, inwiefern von der Besuchszulassung negative Aus­ wirkung auf die Erreichung des Vollzugsziels und die Sicherheit der Anstalt zu erwarten sind.149 Gleiches gilt für die bloße Tatsache, dass gegen einen Gefangenen und seine Ehefrau ein Verfahren eingeleitet worden ist.150 Zudem darf ein Lang­ zeitbesuch nach Ansicht des OLG Stuttgart auch nicht aus Sicherheitsgründen al­ lein wegen des Leugnens der Tat versagt werden.151 In Bezug auf die Gewichtung von Sicherheit und Ordnung ist das Urteil des LG Hamburg hervorzuheben, nach dem es bei der Zulassung von Langzeitbesuchen grundsätzlich zu bedenken gilt, dass durch sie gerade solchen Gefangenen ermöglicht werden soll, Beziehungen zu Bezugspersonen außerhalb der Anstalt zu pflegen, die wegen des Vorliegens einer konkreten Flucht- oder Missbrauchsgefahr keine Lockerungen erhalten. Etwaigen Sicherheitsbedenken könne durch Kontroll- und Durchsuchungsmög­ lichkeiten begegnet werden.152 Neben Sicherheit und Ordnung haben sich Gerichte mit dem Ermessen im Zu­ sammenhang von Langzeitbesuch auseinandergesetzt. So ist es nach Ansicht des OLG Frankfurt ermessensfehlerhaft, wenn die Anstalt als Kriterium für die Zu­ lassung schematisch auf den Familienstand des Gefangenen abstellt.153 Zudem muss, so das OLG Celle, die Justizvollzugsanstalt in ihrer Entscheidung über die Genehmigung unbeaufsichtigter Besuche die in Art. 1 GG und Art. 6 GG zum Aus­ druck kommende Wertentscheidung beachten.154 Dieser Wertentscheidung kann die Justizvollzugsanstalt Rechnung tragen, indem sie verheirateten Gefangenen und Gefangenen, die mit einer Lebensgefährtin ein gemeinsames Kind haben, bei der Verteilung der unbeaufsichtigten Besuche Vorrang einräumt.155 Nach Ansicht des OLG Stuttgart und des OLG Karlsruhe ist auch mangelnde Mitarbeit am Voll­ zugsziel ein Versagungsgrund.156 Nach dem OLG Hamm ist eine Ablehnung der

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Vgl. LG Hamburg, Beschluss vom 23. August 2013 – 607 Vollz 161/12 –, juris. Vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 16. August 1994 – 1 Vollz (Ws) 145/94 –, juris. 148 BVerfG, Beschluss vom 21. September 2018 – 2 BvR 1649/17 –, juris. 149 OLG Celle StRR 2009, S. 75 ff. 150 OLG Hamburg ZfStrVo 2005, S. 55. 151 Vgl. OLG Stuttgart NStZ-RR 2004, S. 60 f. 152 Vgl. LG Hamburg ZfStrVo 2000, S. 253. 153 Vgl. OLG Frankfurt StraFo 2016, S. 527. 154 Vgl. OLG Celle StRR 2009, S. 75 ff. 155 Vgl. OLG Frankfurt NStZ-RR 2008, S. 262. 156 Vgl. OLG Stuttgart ZfStrVo 2004, S. 51; OLG Karlsruhe NStZ 2004, S. 60. 147

a) Rechtliche Grundlagen des Langzeitbesuchs

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Zulassung einer außerehelichen Lebensgefährtin zum Langzeitbesuch ermessens­ fehlerfrei, wenn Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass die Ehe mit einer anderen Frau noch substanziellen Bestand hat.157

cc) Langzeitbesuch aus verfassungsrechtlicher Perspektive Seit der Abkehr von der Figur des „besonderen Gewaltenverhältnisses“158 ist es unbestritten, dass innerhalb des Strafvollzugs die Grundrechtsbindung fortbe­ steht. Das Recht von Gefangenen auf Außenkontakte ergibt sich insbesondere aus Art. 1, 2 Abs. 1 und 6 GG.159 Speziell aus Art. 6 Abs. 1 GG erwächst Gefangenen das Recht auf Kommunikation mit ihren Ehegatten und Familien.160 Familie meint vor allem „die tatsächliche Lebens- und Erziehungsgemeinschaft aus heranwach­ senden Kindern und ihren Eltern“.161 Erfasst werden auch Beziehungen zwischen nahen Verwandten, sofern sie von einer engen Bindung geprägt sind.162 Auch El­ ternrechte sowie Pflege und Erziehung der Kinder werden im Strafvollzug nicht suspendiert. Zudem etabliert der Erziehungsauftrag im Strafvollzug kein staat­liches Erziehungsprivileg.163 Nicht nur Gefangene, sondern auch ihre Angehörigen können sich auf ihre Rechte aus Art. 6 GG berufen.164 Demgemäß gewährt Art. 6 Abs. 1 GG Ehegatten und Familienmitgliedern subjektive Abwehrrechte gegen unzulässige Eingriffe des Staates in den privaten Raum von Ehe und Familie. Zudem werden Elternrechte als Teil des Familienschutzes durch Art. 6 Abs. 2 und Abs. 3 GG sowie Rechte un­ ehelicher Kinder durch Art. 6 Abs. 5 GG geschützt.165 Da Rechte der Angehörigen auf Ehe und Familie durch den Vollzug der Jugendstrafe beschnitten werden, ob­ wohl die Jugendstrafe nicht ihnen gegenüber verhängt wurde, müssen ihre Rechte grundsätzlich weiter reichen.166 In seiner Rechtsprechung betont das BVerfG, dass der in Art. 6 Abs. 1 GG enthaltenen wertentscheidenden Grundsatznorm im Strafvollzug besondere Be­ deutung zukommt.167 So sind Bestand und Förderung der Familienbeziehungen

157

Vgl. OLG Hamm ZfStrVo, 1999, S. 308. Vgl. BVerfGE 33, 1, 1 ff. 159 Vgl. AK-Feest / Wegner (2017), § 25 Rn. 8. 160 Vgl. Hirsch (2003), S. 116. 161 Vgl. Jarass / Pieroth GG-Jarass (2020), Art. 6 Rn. 8; Epping (2019), Kap. 10 Rn. 506. 162 Vgl. Jarass / Pieroth GG-Jarass (2020), Art.  6 Rn.  10; Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hen­ neke GG-Hofman (2018) Art. 6 Rn. 9. 163 Vgl. Albrecht (2000), S. 162, S. 351 f. 164 Vgl. BVerfGE 42, 95, 95 ff. 165 Vgl. Thiele (2016), S. 20 f.; Hirsch (2003), S. 116. 166 Vgl. Hirsch (2003), S. 116. 167 Vgl. BVerfGE 89, 322; BVerfGE 116, 69, 87; BVerfG, EuGRZ 2006, S. 277. 158

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2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

dem Strafvollzugsziel regelmäßig förderlich.168 In diesem Zusammenhang bezieht sich der Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG auf Familienbeziehungen auch unabhängig davon, ob Sie zur Realisierung des Vollzugsziels Resozialisierung beitragen.169 Längere Freiheitsstrafen können Familienbeziehungen von Gefangenen erheb­ lich belasten und zu dauerhaften Entfremdungen führen. Aufgabe des Staates ist es, unter angemessener Berücksichtigung der Belange der Allgemeinheit solche negativen Einflüsse der Gefangenschaft im Rahmen des Möglichen und Zumut­ baren zu begrenzen.170 Der Freiheitsentzug hat zwangsläufig auch die Beschränkung von Besuchskon­ takten zur Folge.171 Diese Beschränkungen greifen in das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG bzw. bei Besuchen von Familienangehörigen in das speziellere Grund­ recht aus Art. 6 GG ein.172 Hinsichtlich der Beschränkungen des Besuchskontaktes im Jugendstrafvollzug gilt es, die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zur Besonderheit von Ju­ gendstrafgefangenen zu beachten. Dieses stellt fest, dass Jugendliche in den meis­ ten Fällen unter der Trennung von ihrem gewohnten sozialen Umfeld und einem erzwungenen Alleinsein sehr stark leiden. Zudem ist die Bedeutung der Familien­ beziehungen und der Möglichkeit, diese aus der Gefangenschaft heraus zu pflegen, für Gefangene im Jugendstrafvollzug altersbedingt besonders groß. Hinzu kommt, dass bei der Gruppe der im Rechtssinne jugendlichen Gefangenen grundrechtlich geschützte Positionen der erziehungsberechtigten Eltern betroffen sind. Folglich, so das BVerfG, ergibt sich aus den psychischen und physischen Besonderheiten des Jugendalters ein spezieller Regelungsbedarf in Bezug auf Kontakte.173 Unter diesem Gesichtspunkt ist es problematisch, dass Jugendstrafgefangene in Bezug auf Langzeitbesuch gegenüber Strafgefangenen des Erwachsenenstrafvollzugs so­ wohl im Bundesvergleich174 als auch innerhalb einiger Bundesländer175 rechtlich schlechter gestellt sind. Insbesondere Langzeitbesuche können zum Schutz von Ehe und Familie im Strafvollzug beitragen, indem sie längere und unbeaufsich­ tigte Interaktionen in besonders geschützten Räumlichkeiten ermöglichen. Da­ durch sind sie besonders geeignet, die in Art. 6 GG verbürgten Rechte abzusi­ chern.176 Bei der Entscheidung über die Zulassung von Langzeitbesuch muss daher

168

Vgl. BVerfGE 89, 315, 322. Vgl. BVerfGE 89, 315, 322. 170 Vgl. BVerfGE 42, 95, 101. 171 Vgl. BVerfG, BVerfGK 13, S. 491. 172 Vgl. BVerfGE 89, 315, 322 f.; Lübbe-Wolf (2016), S. 129 f. 173 Vgl. BVerfGE 116, 69, 87 f. 174 Während 13 Landesstrafvollzugsgesetze Langzeitbesuche erwähnen, sind es nur 8 Landes­ gesetze zum Jugendstrafvollzug. 175 In den Regelungen der Bundesländer Berlin, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpom­ mern und Schleswig-Holstein finden Langzeitbesuche nur für den Erwachsenenstrafvollzug Erwähnung. 176 Vgl. Thiele (2016), S. 305. 169

a) Rechtliche Grundlagen des Langzeitbesuchs

65

die Anstalt die in Art. 1 und Art. 6 GG zum Ausdruck kommende Wertenschei­ dung beachten.177 Jedoch besteht nach herrschender Meinung auch unter Einbeziehung von Art. 6 Abs. 1 GG kein Rechtsanspruch auf Langzeitbesuch mit Intimkontakt.178 Dem­ gegenüber nehmen Feest und Wegner an, dass bei lebenslänglich Gefangenen und Langstrafigen, insbesondere ohne Lockerungen, ein Anspruch auf unbeaufsich­ tigte Besuche anzunehmen ist, da sonst der Wesensgehalt des Schutzes der Ehe aus Art. 6 GG verletzt würde.179 Gleicher Meinung ist Stöckle-Niklas, nach der sich das Recht auf die besonderen Besuche sowohl für Gefangene als auch für Ehegatten in Freiheit mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 GG ergebe, da sie, im Vergleich zu regulä­ ren Besuchen, sehr viel eher die Chance bieten, dem Gebot des Eheschutzes aus Art. 6 Abs. 1 GG gerecht zu werden.180 Außerdem schützt, so wird argumentiert, Art. 6 Abs. 1 GG auch die Möglichkeit des Auslebens von Sexualität in der Ehe, da Sexualität zum Wesensgehalt einer Lebensgemeinschaft zählt.181 Dementspre­ chend nimmt Bachmann an, dass durchaus ein verfassungsrechtlicher Anspruch auf Intimbesuche bestehen kann, da durch Kontaktbeschränkungen das Risiko der Entfremdung zwischen Ehepartnern besonders hoch ist und zum Kern des Art. 6 Abs. 1 GG auch die Pflicht des Staates gehört, Gefährdungen für den Fortbestand der Ehe gegenzusteuern.182 Abschließend ist auf Rosenhayn zu verweisen, die in ihrer rechtsdogmatischen Untersuchung des Langzeitbesuchs zu dem Ergebnis kam, dass sich ein Recht auf Langzeitbesuch mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 GG im Rahmen einer familienorientiert erweiterten Auslegung der Besuchsregelungen ergebe, da der staatliche Eingriff in den Schutzbereich aus Art. 6 Abs. 1 GG von Gefangenen und Angehörigen einer Einschränkung bedarf.183

dd) Internationale Mindeststandards und Kontrollinstanzen Die Realisierung von Außenkontakten insbesondere durch Langzeitbesuch ist auch Gegenstand internationaler Menschenrechtsstandards.184 Diese lassen sich hinsichtlich ihrer Rechtsqualität in sogenanntes „soft law“ und „hard law“ eintei­

177

Vgl. LNNV-Laubenthal (2015), Abschn. E Rn. 19; OLG Hamburg, Beschluss vom 09. Sep­ tember 2004 – 3 Vollz (Ws) 47/04 –, juris. 178 Vgl. BVerfG NStZ-RR 2001, S. 253; OLG Stuttgart ZfStrVo 2004, S. 53; Arloth / Krä (2017), § 24 Rn. 4; LNNV-Laubenthal (2015), Abschn. E Rn. 23; Dessecker / Schwind (2020), Kap. 9 B Rn. 26. 179 Vgl. AK-Feest / Wegner (2017), § 26 Rn. 22. 180 Vgl. Stöckle-Niklas (1989), S. 267. 181 Vgl. Stöckle-Niklas (1989), S. 267. 182 Vgl. Bachmann (2015), S. 255. 183 Vgl. Rosenhayn (2004), S. 175. 184 Zur großen Bedeutung internationaler Menschenrechtsstandards für den deutschen Jugend­ strafvollzug: BVerfGE 116, 69, 90; Kühl (2012), S. 26 ff.; Dünkel (2011), S. 151 f.

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2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

len.185 Rechtsquellen mit „hard law“-Charakter stellen für die Bundesrepublik ver­ bindliches Recht dar.186 Bei Rechtsquellen, die „weiches Recht“ sind, handelt es sich dagegen um Empfehlungen.187 Allerdings haben für die nationale Anwendung im Sinne eines rechts- und sozialstaatlichen Umgangs mit Gefangenen auch diese richtungsweisende Bedeutung.188 So finden sie zumindest als Interpretationsricht­ linien Anwendung.189 Demnach kann ein Verstoß gegen internationale Mindest­ standards auf eine Grundrechtsverletzung hindeuten.190 Was die Aufrechterhaltung von sozialen Beziehungen,191 Ehe und Familie192 so­ wie die Realisierung von Außenkontakten insbesondere durch Besuch betrifft,193 sind diese  – bis auf den besonderen Themenkomplex Sexualität  – von interna­ tionalen Menschenrechtsstandards der Vereinten Nationen und des Europarats sowie Empfehlungen des Europäischen Komitees zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) anerkannt und geschützt. Speziell für den Jugendstrafvollzug empfiehlt der Europarat grundsätz­ lich die Ermöglichung möglichst vielfältiger und wenig beschränkter Kontakte zur Außenwelt.194 Darüber hinaus enthalten einige internationale Mindeststandards bzw. Empfeh­ lungen spezifische Regelungen zum Langzeitbesuch. Nach den von der General­ versammlung der Vereinten Nationen im Jahr 2015 aktualisiert verabschiedeten „Mandela Rules“195 soll nach Nr. 58. 2 in Gefängnissen, die Langzeitbesuche er­ lauben, das Recht auf die besonderen Besuche ohne Diskriminierung angewendet werden. Zudem sollen Verfahren und Räumlichkeiten vorhanden sein, die einen fairen und gleichen Zugang unter Achtung von Würde und Sicherheit gewährleis­ ten. Bei diesen Mindestgrundsätzen handelt es sich lediglich um Empfehlungen,

185

Vgl. Kühl (2012), S. 26. Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), UN-Kinderrechtskonvention (UN-KRK). 187 Mindestgrundsätze der Vereinten Nationen für die Behandlung von Gefangenen (NelsonMandela-Regeln), European Prison Rules (EPR), Regeln der Vereinten Nationen zum Schutz von Jugendlichen unter Freiheitsentzug, European Rules for Juvenile Offenders Subject to Sanctions or Measures (ERJOSSM, CM / Rec (2008)11). 188 Vgl. Ostendorf (2016), Vorbemerkungen Rn. 9. 189 Vgl. Dünkel (2018), S. 105. 190 Vgl. BVerfGE 116, 69, 90. 191 Nr. 106 „Mandela Rules“; Nr. 59 Regeln der Vereinten Nationen zum Schutz von Jugendli­ chen unter Freiheitsentzug, Nr. 79 Regeln der Vereinten Nationen zum Schutz von Jugendlichen unter Freiheitsentzug; Nr. 85. 1 ERJOSSM; CPT / Inf (2003) 20 Rn. 112. 192 Art. 12 EMRK, Art. 8 EMRK; Art. 3 Abs. 1 UN-KRK, Art 9 Abs.  3 UN-KRK; Art. 16 Abs. 1 UN-KRK. 193 Nr. 58 „Mandela Rules“; Nr. 24. 1 EPR, Nr. 24. 4 EPR; Nr. 59 Regeln der Vereinten Na­ tionen zum Schutz von Jugendlichen unter Freiheitsentzug; Nr. 60 Regeln der Vereinten Natio­ nen zum Schutz von Jugendlichen unter Freiheitsentzug; Nr. 83 ERJOSSM, Nr. 84 ERJOSSM; CPT / Inf (2017) 13 Rn. 67; CPT / Inf (2012) 6 Rn. 94. 194 Vgl. Dünkel (2011), S. 150. 195 Standard Minimum Rules for the Treatment of Prisoners (UN-Doc. A / Res/70/175). 186

a) Rechtliche Grundlagen des Langzeitbesuchs

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die nicht rechtsverbindlich sind.196 Auch das CPT ermutigt die Gesetzgeber regel­ mäßig in seinen Empfehlungen für den deutschen Strafvollzug, Langzeitbesuche (einschließlich Sexualität) zur Sicherstellung der Pflege persönlicher und familiä­ rer Beziehungen zu ermöglichen.197 In den Empfehlungen des Europarats zu Kin­ dern gefangener Eltern werden Langzeitbesuche zwar nicht ausdrücklich erwähnt, allerdings sollen nach Nr. 20 Besuche in kindgerechten Umgebungen stattfinden, in denen sich Kinder sicher und wohl fühlen können. Nach Nr. 21 soll die Besuchs­ umgebung die Privatsphäre des Kindes gewährleisten.198 Ausdrücklich für den Umgang mit jugendlichen Gefangenen finden Langzeit­ besuche in den ERJOSSM des Europarats Erwähnung. Nach Nr. 86. 2 sollen in den Fällen, in denen reguläre Phasen des Verlassens der Anstalt für die Gefangenen nicht praktikabel sind, zusätzliche Besuche oder Langzeitbesuche von Familien­ mitgliedern oder anderen Personen stattfinden, die zu einer positiven Entwicklung des Gefangenen beitragen. Die Mindeststandards des Europarats sind „soft law“. Da allerdings das BVerfG in seinem Grundsatzurteil zum Jugendstrafvollzug inter­ nationale Mindeststandards zum Prüfmaßstab nationalen Rechts erhoben hat,199 führt, so auch Kühl, für den Rechtsanwender kein Weg mehr an der Auseinander­ setzung mit den Empfehlungen des Europarats vorbei.200 Die Landesgesetze zum Jugendstrafvollzug, in denen Langzeitbesuche nicht ge­ setzlich geregelt sind, genügen demnach nicht der Empfehlung des Europarats.201 Zudem sind die Gesetzgeber der zweimaligen Empfehlung des CPT nicht nachge­ kommen, Langzeitbesuche flächendeckend in Deutschland zu implementieren.202

ee) Zwischenergebnis Die Vorgaben der Landesgesetze zum Jugendstrafvollzug und des Grundgesetzes in Form von nationalem Recht, die ERJOSSM als internationale Mindeststandards sowie Grundsatzurteile des Bundesverfassungsgerichts zum Strafvollzug liefern rechtliche Maßstäbe, um den Langzeitbesuch als Maßnahme zu bewerten. Aus verfassungsrechtlicher Perspektive folgt deutlich, dass Langzeitbesuche zum Schutz des Rechts auf Ehe und Familie im Strafvollzug beitragen, indem sie längere und unbeaufsichtigte Interaktionen zwischen Gefangenen und ihren An­ gehörigen in besonders geschützten Räumlichkeiten ermöglichen. Dadurch sind 196

Vgl. Laubenthal (2019), Rn. 35. CPT / Inf (2017), 13 Rn. 68; CPT / Inf (2012) 6 Rn. 94; CPT / Inf (97) 9 Rn. 174; CPT / Inf (93) 13 Rn. 176. 198 CM / Rec(2018)5. 199 Vgl. BVerfGE 116, 69, 90; Dünkel (2011), S. 151. 200 Vgl. Kühl (2012), S. 28. 201 Vgl. Dünkel (2008a), S. 394. 202 Vgl. Cernko (2014), S. 329. 197

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2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

sie besonders geeignet, die in Art. 6 GG verbürgten Rechte von Gefangenen sowie auch Angehörigen abzusichern.203 Zudem räumt das Bundesverfassungsgericht in seinem Grundsatzurteil zum Jugendstrafvollzug, in dem auf die besondere ent­ wicklungspsychologische Situation Jugendlicher hingewiesen wird, der Pflege sozialer Außenbeziehungen einen besonders hohen Stellenwert ein. Die Imple­ mentierung von Langzeitbesuchen entspricht dieser Vorgabe des Bundesverfas­ sungsgerichts, da sie die erweiterte Einbindung von Personen ermöglichen, die den Gefangenen nahestehen. Die Gestaltungsgrundsätze und Außenkontaktregelungen weisen der Pflege sozialer Außenbeziehungen grundsätzlich eine hohe Bedeutung zu. So sind Jus­ tizvollzugsanstalten insgesamt verpflichtet, Außenkontakte proaktiv zu fördern. Gleichzeitig zeigt sich an den Regelungen der Landesgesetze zum Jugendstrafvoll­ zug, dass die Förderung von Außenkontakt durch Langzeitbesuch an rechtliche Bedingungen geknüpft ist: So müssen erstens Langzeitbesuche als Maßnahme des Jugendstrafvollzugs den Vollzugszielen Rückfallfreiheit und soziale Integration entsprechen, da beide Vorgaben als übergeordnete Ziele über jeder Maßnahme des Jugendstrafvollzugs schweben. Zweitens wird die Förderung von Außenkontakt an die Bedingung ge­ knüpft, dass von den einzubindenden Kontakten ein positiver bzw. kein schädlicher Einfluss ausgeht. Drittens kommen rechtliche Regelungen hinzu, die speziell für den Langzeitbesuch gelten: So müssen Gefangene geeignet sein, und die Besuche müssen zur Pflege familiärer, partnerschaftlicher ihnen gleichzusetzender Kon­ takte geboten erscheinen. Außerdem müssen sie der Wiedereingliederung dienen. Für den Bereich des Jugendstrafvollzugs wurde sich mit diesen unbestimmten Rechtsbegriffen im Zusammenhang mit Langzeitbesuch bisher weder in der Lite­ ratur noch in der Rechtsprechung auseinandergesetzt. Daher werden im Folgenden kriminologische Befunde über den Einfluss sozialer Kontakte auf die Gefangenen und Kriminalität im Allgemeinen diskutiert, um diese Begriffe mit empirischem Inhalt zu füllen und die aktuelle rechtliche Situation von Langzeitbesuch im Ju­ gendstrafvollzug bewerten zu können.

b) Kriminologische Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte von Jugendstrafgefangenen Im Folgenden werden kriminologische Befunde über die Einbindung sozialer Kontakte durch Langzeitbesuche zusammengefasst und mit den entscheidenden rechtlichen Bewertungsmaßstäben ins Verhältnis gesetzt. Löst man den Blick von der spezifischen Maßnahme des Langzeitbesuchs und betrachtet die Wirkung von sozialen Kontakten auf Kriminalität in einem allgemeineren Sinne, eröffnen sich 203

Vgl. Thiele (2016), S. 305.

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

69

mehrere Untersuchungsebenen, die auch in der Forschung systematisch und um­ fassend behandelt werden. Schon der Begriff des sozialen Umfelds verweist auf unterschiedliche Gruppen von Personen wie Familie und Peers. Darüber hinaus sind die benannten Gruppen beteiligt an den unterschiedlichen Phasen eines kri­ minellen Verlaufes. Insofern gilt es, im Folgenden ihren Einfluss sowohl vor, wäh­ rend als auch nach der Gefangenschaft zu untersuchen, um die Bedeutung sozialer Kontakte vollumfänglich zu erfassen. Dabei wird nicht nur thematisiert, welche Rolle sie für Gefangene spielen, sondern auch, inwiefern sie ebenfalls von einer Gefangenschaft betroffen sind.

aa) Theoretische Einordung der Einbindung sozialer Kontakte durch Langzeitbesuch (1) Soziale Kontakte als theoretisches Konzept Soziale Kontakte können als „realer oder auch nur virtuell-gedanklicher, struktu­ rell wahrscheinlicher Kontakt wiederholbarer Art zwischen […] Personen, Gruppen und Organisationen definiert werden.“204 Eine explizite und gesonderte krimino­ logische Theorie der sozialen Beziehungen gibt es nicht. Vielmehr thematisieren unterschiedliche kriminologische Schulen und Ansätze sozialen Kontakt direkt oder inkludieren sie durch entsprechende Variablen in ihre theoretischen oder em­ pirischen Modelle. In diesem Zusammenhang spricht Cullen davon, dass soziale Beziehungen, bei ihm als soziale Unterstützung begrifflich gefasst, aufgrund ihrer wesentlichen kriminologischen Bedeutung als Ordnungsprinzip der Kriminologie angesehen werden können und aus ihnen sogar eine eigenständige kriminologische Theorie sozialer Unterstützung entwickelt werden könnte.205 In der Sozialtheorie fasst man heute in aller Regel soziale Beziehungen unter dem Begriff des sozialen Kapitals zusammen.206 Das Konzept des sozialen Kapi­ tals lässt sich in erster Linie auf Bourdieu, Coleman und Putnam zurückzufüh­ ren. Bourdieu etwa versteht unter dem Begriff Kapital „eine der Objektivität der Dinge innwohnende Kraft, die dafür sorgt, dass nicht alles gleich möglich oder gleich unmöglich ist.“207 Die gesellschaftliche Verteilung der verschiedenen Ar­ ten vonKapital bedingt demnach die Struktur der gesellschaftlichen Welt.208 Als eine der Kapitalsorten definiert Bourdieu das soziale Kapital, das aus Ressourcen besteht, die auf der Zugehörigkeit zu einer Gruppe beruhen. Aus der Gruppen­ zugehörigkeit ergeben sich nach Bourdieu Profite für die Gruppenmitglieder, die gleichzeitig Grundlage für die Solidarität sind, die diese Profite ermöglicht. Zu­ 204

Kopp (2016), S. 39. Vgl. Cullen (1994), S. 529, S. 551. 206 Vgl. Hanslmaier (2015), S. 361. 207 Bourdieu (1983), S. 184. 208 Vgl. Bourdieu (1983), S. 184. 205

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2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

dem verleiht das Gesamtkapital der Gruppe ihren Mitgliedern Kreditwürdigkeit im eigentlichen Sinn des Wortes.209 Coleman definiert das soziale Kapital über seine Funktion. Danach ist soziales Kapital produktiv und ermöglicht das Erreichen bestimmter Ziele, was ohne ent­ sprechendes soziales Kapital nicht möglich wäre.210 Innerhalb der Institution Fa­ milie versteht er soziales Kapital als die Beziehung zwischen Eltern und Kindern, eine Beziehung, die einen entscheidenden Faktor für die intellektuelle Entwicklung des Kindes darstellt und außerdem dem Kind Zugang zum Humankapital der El­ tern ermöglicht.211 Als soziales Kapital gelten danach die Eigenschaften von so­ zialem Leben, von Netzwerken und Normen sowie Vertrauen, Eigenschaften die es beteiligten Personen ermöglichen, effektiver gemeinsame Ziele zu erreichen.212 Jüngere Arbeiten zum sozialen Kapital führen diese Definitionen zusammen und differenzieren das Konzept weiter aus.213 So unterscheiden Baier und Nauck bei der Bestimmung von sozialem Kapital zwischen der Beziehungs- und der Sys­ temebene.214 Dabei können auf der Beziehungsebene netzwerkbasierte Ressourcen aus Familie, Freund*innen, Nachbarn, Arbeitskolleg*innen und Mitgliedschaften bestehen.215 Da es in dieser Arbeit um die Einbindung von sozialen Beziehungen durch Lang­ zeitbesuch geht, kann die systemische Form sozialen Kapitals hier vernachlässigt werden. An Langzeitbesuchen nehmen Personen(gruppen) und eben keine Sys­ teme teil. Auf der Beziehungsebene kann nach Baier und Nauck soziales Kapital expressiven (Vertrauen, Verpflichtung) oder instrumentellen (Position) Charakter haben. Expressives soziales Kapital findet seinen Nutzen in der Produktion von Affekt und Verhaltensbestätigung und dient der Gesundheit, Zufriedenheit und sozialer Integration. Bei der Beziehungsart handelt es sich überwiegend um starke Bindungen. Instrumentelles Sozialkapital dagegen besteht aus schwächeren Bin­ dungen und dient der Verfolgung von Statuszielen wie Geld, Macht und Ansehen.216 Im Bereich der Kriminologie ist das Konzept des sozialen Kapitals in theoreti­ scher Hinsicht von Bedeutung, weil soziales Kapital Kriminalität beeinflusst. So kann es einerseits zum Beispiel durch informelle soziale Kontrolle Kriminalität reduzieren.217 Andererseits weist soziales Kapital, auch wenn Autoren wie Bour­ dieu, Coleman und Putnam ausschließlich positive Eigenschaften von sozialem

209

Vgl. Bourdieu (1983), S. 191 f. Vgl. Coleman (1988), S. 98. 211 Vgl. Coleman (1988), S. 110. 212 Vgl. Putnam (1995), S. 664 f. 213 Vgl. Franzen / Pointner (2007); Baier / Nauck (2006). 214 Vgl. Baier / Nauck (2006), S. 56. 215 Vgl. Franzen / Pointner (2007), S. 72. 216 Vgl. Baier / Nauck (2006), S. 56. 217 Vgl. Hanslmaier (2015), S. 362. 210

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

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Kapital erwähnen, eine „dunkle Seite“ auf, da es delinquenzfördernde Wirkungen entfalten kann.218 Jedenfalls sollte soziales Kapital von jungen Gefangenen im Falle kriminali­ tätsreduzierender Wirkung aktiviert und intensiver durch Langzeitbesuch in den Jugendstrafvollzug eingebunden werden, um die delinquenzmindernden Einflüsse dieser Kapitalform nutzbar zu machen. In diesem Zusammenhang gilt es zu be­ denken, dass Beziehungsnetze nach Bourdieu keine Gegebenheiten sind, die nach ihrem ursprünglichen Initialisierungsakt allemal fortbestehen. Vielmehr muss in ihr Fortbestehen fortlaufend investiert werden.219 Will man also die Produktion und Reproduktion dauerhafter nützlicher Beziehungen gewährleisten, kommt es aus sozialkapitaltheoretischer Perspektive darauf an, jungen Gefangenen durch Langzeitbesuch die Möglichkeit einzuräumen, intensiver mit ihren Umfeldern zu interagieren, Entfremdungstendenzen entgegenzuwirken und so den Erhalt ihres sozialen Kapitals zu sichern. (2) Soziale Kontakte und klassische Kriminalitätstheorien Kriminalitätstheorien thematisieren in erster Linie Ursachen für den Beginn und die Kontinuität von delinquenten Handlungen.220 Sie können somit theoretisch fun­ dierten Aufschluss über Einflüsse sozialer Kontakte auf Kriminalität geben. Sie bilden gleichzeitig den theoretischen Rahmen für eine Vielzahl von Studien, die sich mit den Auswirkungen von sozialen Beziehungen im Kontext von Kriminali­ tät und Gefangenschaft auseinandersetzen. Da hier grundsätzlich erfasst werden soll, welche kriminalitätstheoretischen Prozesse überhaupt Einflüssen von sozialen Beziehungen hinsichtlich Kriminalität zugrunde liegen, werden nur solche Krimi­ nalitätstheorien dargestellt, in deren theoretischen Konzepten soziale Kontakte als Einflussfaktoren von Bedeutung sind. (a) Anomietheorien Anomietheorien thematisieren grundsätzlich, inwiefern Sozialstrukturen von Gesellschaften Auswirkungen auf abweichendes Verhalten von Einzelpersonen bis hin zu gesamten Personengruppen haben. Der Begriff Anomie ist auf Durkheim zurückzuführen. Er versteht darunter einen gesellschaftlichen Zustand, der sich durch Regellosigkeit und eine Störung der kollektiven Ordnung auszeichnet.221 Durch Krisen wie Wirtschafts- oder Fi­ 218

Vgl. Meyer (2007), S. 20. Vgl. Bourdieu (1983), S. 193. 220 Vgl. Stelly / Thomas (2004), S. 23. 221 Vgl. Durkheim (1973), S. 289. 219

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2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

nanzkrisen, aber auch plötzlich eintretende positive Veränderungen wie Kon­ junkturen gerät die von der Gesellschaft ausgehende Autorität ins Wanken.222 Das Fehlen regelnder Autorität bewirkt bei Menschen eine Art sozialer Desintegration und führt zu Orientierungslosigkeit, Angst und Unzufriedenheit, da den Menschen Modelle fehlen, an denen sie u. a. ihre Bedürfnisse orientieren können und die wiederum durch Regeln und Kontrolle individuellen Bedürfnissen Grenzen set­ zen.223 Ohne gesellschaftlich regulative Elemente ist Bedürfnisbefriedigung letzt­ lich nicht möglich und führt zu tiefster Unzufriedenheit. Nach Durkheim können somit anomische Zustände in einer Gesellschaft ursächlich für abweichende Ver­ haltensweisen wie zum Beispiel suizidale Handlungen sein.224 Merton entwickelte Durkheims Überlegungen zur Anomie in der sogenannten Anomietheorie weiter. Nach Merton gehören zu den wesentlichen Elementen der sozialen und kulturellen Struktur einer Gesellschaft zum einen die kulturell an­ erkannten Ziele und zum anderen die gesellschaftlich akzeptierten Mittel zur Errei­ chung dieser Ziele.225 Besteht eine Diskrepanz zwischen den kulturell anerkannten Zielen und der Möglichkeit, diese Ziele durch gesellschaftlich als legitim erachtete Mittel zu erreichen, erzeugt dies anomischen Druck.226 Als Reaktion auf den Druck können fünf verschiedene Verhaltensweisen auftreten. Konformität ist zu verstehen als die Akzeptanz gesellschaftlich anerkannter Ziele und legitimer Mittel. Unter Ritualismus versteht Merton die Ablehnung kul­ turell anerkannter Ziele unter Beibehaltung der Verwendung legitimer Mittel zur Zielerreichung. Rückzug ist die Ablehnung sowohl der kulturell anerkannten Ziele als auch der legitimen Mittel. Als vierte Reaktion gilt Rebellion als Auflehnung gegen anerkannte Ziele und legitime Mittel mit dem Ziel, diese zu verändern. In­ novation ist die Akzeptanz kulturell anerkannter Ziele und die Nichtanerkennung legitimer Mittel.227 Vor allem die innovatorische Reaktion führt zu abweichendem Verhalten, indem Menschen andere Mittel entwickeln uns sich neue Wege zur Ziel­ erreichung ausdenken.228 Aus makrosoziologischer Perspektive wirkt anomischer Druck primär auf Per­ sonengruppen aus sozial schwächeren Schichten, da diesen Personengruppen aufgrund sozialstruktureller und institutioneller Faktoren oftmals der Zugang zu legitimen Mitteln zur Erreichung kulturell anerkannter Ziele versperrt ist. Abwei­ chendes Verhalten tritt, so lässt sich formulieren, überwiegend in benachteiligten Gesellschaftsschichten auf.229 222

Vgl. Durkheim (1973), S. 278. Vgl. Durkheim (1973), S. 288 f. 224 Vgl. Durkheim (1973), S. 295. 225 Vgl. Merton (1938), S. 672 f. 226 Vgl. Merton (1938), S. 674. 227 Vgl. Merton (1938), S. 676. 228 Vgl. Merton (1938), S. 678. 229 Vgl. Merton (1938), S. 678 ff. 223

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

73

Im Gegensatz zu Mertons Ansatz enthält Agnews General Strain Theory zwar auch makrosoziologische Implikationen, der Fokus aber richtet sich auf die psycho­ soziale Ebene. Abweichendes Verhalten ist demnach auf eine Reihe von Belastun­ gen zurückzuführen, denen prinzipiell jedes Individuum ausgesetzt sein kann. Im Sinne von Mertons Anomietheorie geht auch Agnew davon aus, dass tatsächliches oder antizipiertes Scheitern bei der Erreichung positiv besetzter Ziele einen Be­ lastungsfaktor darstellt. Agnew erweitert allerdings in seiner Theorie die Ursache von Abweichung um zwei weitere Belastungsfaktoren. Demnach führt auch das Entfernen positiver Stimuli wie zum Beispiel Veränderungen im sozialen Um­ feld,230 ebenso wie die Existenz negativer Stimuli, etwa das Erleben anstrengender Lebensereignisse oder negativer Beziehungen zu Peers oder Eltern,231 zu erheb­ lichen Belastungen.232 Diese durch die genannten Faktoren bewirkte Belastung wiederum erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass entsprechende Individuen negative Gefühle wie Enttäuschung, Depression, Angst und Ärger empfinden.233 Auf die Belastung und die damit verbundenen Gefühle folgen, abhängig von den persön­ lichen Ressourcen, unterschiedliche kognitive, emotionale und verhaltensbezogene abweichende oder normkonforme Bewältigungsstrategien.234 Ob es letztlich zu ab­ weichenden Bewältigungsstrategien kommt, hängt von internen Faktoren wie zum Beispiel Intelligenz, Kreativität, Temperament oder Selbstbewusstsein ab. Dazu kommen externe Faktoren wie die konventionelle soziale Unterstützung oder der Kontakt zu delinquenten Bezugsgruppen. Konventionelle soziale Unterstützung als externer Einflussfaktor unterstützt Individuen bei normkonformen Bewältigungs­ strategien,235 während delinquente Bezugsgruppen bei erlebter Belastungen eher delinquente Bewältigungsstrategien bevorzugen.236 Zusammenfassend erweist sich aus dieser Perspektive Kriminalität als Folge von Anomie. Soziale Kontakte spielen insofern gerade bei Agnew eine Rolle, als sie bei der Entstehung von Belastungen und der Art der entsprechenden Bewälti­ gungsstrategie von Bedeutung sind. Aus anomietheoretischer Sicht ließe sich für eine erweiterte Einbindung „positiver“ sozialer Kontakte in den Jugendstrafvollzug plädieren, da sie Belastungen abmildern, die durch Trennung des jungen Gefan­ genen von seinem Umfeld im Zusammenhang mit der Gefangenschaft entstanden sind. Zudem können sie als konventioneller externer Faktor den jungen Gefangenen bei der Anwendung normkonformer Bewältigungsstrategien unterstützen. Nach Agnew führen negative Beziehungen zu Eltern oder Peers als negative Stimuli zu Belastungen. Auch delinquente Bezugsgruppen begünstigen delinquente Bewäl­ tigungsstrategien. Insofern kann die erweiterte Einbindung von dysfunktionalen sozialen Beziehungen durch Langzeitbesuch eher delinquenzfördernd sein. 230

Vgl. Agnew (1992), S. 57. Vgl. Agnew (1992), S. 59. 232 Vgl. Agnew (1992), S. 59. 233 Vgl. Agnew (1992), S. 59 f. 234 Vgl. Agnew (1992), S. 66 ff. 235 Vgl. Agnew (1992), S. 71 f. 236 Vgl. Agnew (1992), S. 73. 231

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2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

Agnews anomietheoretische Annahmen wurden durch Messner und Rosenfeld aufgegriffen und durch die Institutionelle Anomietheorie erweitert. Nach Messner und Rosenfeld setzt sich eine Gesellschaft aus mehreren institutionellen Struktur­ bereichen zusammen, denen bestimmte Funktionen innerhalb einer Gesellschaft zukommen. Die Aufgabe der Wirtschaft besteht darin, die grundlegenden mate­ riellen Bedürfnisse aller Mitglieder der Gesellschaft zu befriedigen. Eine der wich­ tigsten Aufgaben des politischen Systems besteht darin, die öffentliche Sicherheit aufrecht zu erhalten. Neben der gesellschaftlichen Reproduktion hat die Familie die Aufgabe, Kinder entsprechend gesellschaftlicher Werte, Ziele und Einstellun­ gen zu sozialisieren. Zudem bietet, folgt man diesen beiden Autoren, in modernen Gesellschaften die Familie als Rückzugsort ihren Mitgliedern emotionale Unter­ stützung. Das Erziehungssystem, bestehend aus Schulen, Universitäten usw., über­ nimmt, wie die Familie, eine Vielzahl von Sozialisationsaufgaben und vermittelt grundlegende kulturelle Standards an die neue Generation.237 Verändert sich nun das Gleichgewicht zwischen den vier gesellschaftlichen Institutionen Wirtschaft, Familie, Politik und Erziehung, indem das wirtschaftliche System über die an­ deren Systeme Dominanz erlangt, wie Messner und Rosenfeld es für die USA postulieren, führt dies zu einer Schwächung des wechselseitigen Regulierungs­ prozesses zwischen den Systemen und zur Schwächung individueller Bindungen an die Systeme. Dadurch wird die Vermittlung von Normen und Werten anderer Systeme als dem der Wirtschaft eingeschränkt. Das Überbetonen der Erreichung ökonomischer Ziele bei gleichzeitiger Nachrangigkeit in Bezug auf die Einhaltung normativer Überzeugungen auf dem Weg zur Zielerreichung, von Messner und Rosenfeld auch als „American Dream“ beschrieben, erzeugt Anomie und Orien­ tierungslosigkeit unter den Gesellschaftsmitgliedern und führt schlussendlich zu anomischer Kriminalität.238 In welchem Maß Inhalt und Begrifflichkeit dieser Theorie insbesondere hin­ sichtlich des „American Dream“ auf Deutschland übertragen werden können, wäre genauer zu untersuchen. Allerdings spricht einiges für eine solche Übertragung, da in Deutschland, wenn auch nicht in einem solchen Ausmaß wie es Messner und Rosenfeld für die USA postulieren, vergleichbare Verhältnisse im Sinne einer Do­ minanz des Wirtschaftssystems und der ihm innewohnenden Logik zu beobachten sind.239 Da Langzeitbesuche soziale Umfelder intensiver einbinden, führen sie zu einer Stärkung der Bindung an die Familie und gleichzeitig zur Vermittlung von sozialkonformen Normen und Werten. Die Überbetonung ökonomischer Ziele könnte dadurch reduziert und die Einhaltung normativer Überzeugungen durch die Familie befördert werden. Langzeitbesuche könnten demnach im Sinne der Institutionellen Anomietheorie Bindungen an das gesellschaftliche System Familie stärken, dadurch der Schwächung des regulativen wechselseitigen Regulierungs­ prozesses entgegenwirken und somit delinquenzmindernden Einfluss entfalten. 237

Vgl. Messner / Rosenfeld (1994), S. 73. Vgl. Messner / Rosenfeld (1994), S. 84 ff. 239 Vgl. zur Ökonomisierung des Sozialen z. B. Bröckling et al. (2000). 238

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

75

(b) Kontrolltheorien Kontrolltheorien beschäftigen sich grundsätzlich nicht mit den Ursachen von Delinquenz, sondern mit den Ursachen konformen Verhaltens. Eine der ersten Kontrolltheorien stellte Reiss im Jahr 1951 vor. Danach resultiert normkonformes Verhalten eines Individuums aus dem Zusammenspiel interner und externer Kontrollprozesse. Unter interner Kontrolle versteht Reiss die Ver­ innerlichung von solchen Normen und Regeln, die zu normkonformem Verhalten in der Gesellschaft führen.240 Externe Kontrolle geht von gesellschaftlichen Ins­ titutionen wie Familie oder Schule aus, die gesellschaftlich erwünschtes Verhal­ ten durchsetzen, indem sie das Individuum überwachen und unerwünschtes Ver­ halten sanktionieren.241 Das Fehlen interner und externer Kontrollmechanismen führt nach Reiss zu abweichendem Verhalten. In dieser Theorie gilt die Familie als ein wesentliches Element, da sie für die Entwicklung interner Kontrolle eines Individuums verantwortlich ist, indem sie als primäre Sozialisationsinstanz ein moralisches Ideal für die Kinder repräsentiert.242 Zudem übt die Familie externe Kontrolle auf das Individuum aus, indem sie normkonforme soziale Rollen bereit­ stellt und Strategien anwendet, die auf die Durchsetzung nichtdelinquenter Regeln und Normen abzielen.243 Reiss versteht abweichendes Verhalten folglich als ein Er­ ziehungsversagen primärer Sozialisationsinstanzen. Auch in der Halttheorie von Reckless gelten innere und äußere Kontrolle als wichtige Einflussfaktoren auf Delinquenz.244 Dabei kommt dem Zusammenspiel von inneren und äußeren Kontrollfaktoren entscheidende Bedeutung zu. Gerin­ ger innerer Halt kann durch einen ausgeprägten äußeren Halt aufgefangen wer­ den und Delinquenz verhindern. Umgekehrt kann auch ein geringer äußerer Halt durch einen starken inneren Halt kompensiert werden. Liegen jedoch ein geringer innerer und äußerer Halt vor, so wird abweichendes Verhalten wahrscheinlich.245 Nach der Bindungstheorie von Hirschi kommt es zu abweichendem Verhalten, wenn die Bindungen eines Individuums zur Gesellschaft geschwächt oder zer­ brochen sind.246 Die wesentlichen Elemente der Bindungen oder auch sozialen Beziehung („bonds“) eines Individuums sind für Hirschi „attachment“, „commitment“, „involvement“ und „belief“. Wenn der Glaube („belief“) eines Individuums an konventionelle Normen und Werte der Gesellschaft geschwächt ist, steigt die Wahrscheinlichkeit

240

Vgl. Reiss (1951), S. 196. Vgl. Reiss (1951), S. 201. 242 Vgl. Reiss (1951), S. 199. 243 Vgl. Reiss (1951), S. 197. 244 Vgl. Reckless (1961), S. 44 f. 245 Vgl. Reckless (1961), S. 45 f. 246 Vgl. Hirschi (1969), S. 16. 241

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2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

für delinquentes Verhalten.247 Unter „involvement“ versteht Hirschi die Einbindung in konventionelle Aktivitäten wie Arbeit, Hobbies oder Sport. Je mehr ein Indivi­ duum in Tätigkeiten eingebunden ist, die den Tag strukturieren und füllen, desto weniger Zeit habe dieses Individuum für delinquente Handlungen.248 „Commit­ ment“ meint den Einsatz, den Personen bereits für konventionelle Werte, Normen und Aktivitäten geleistet haben. Demnach haben Menschen, die bereits mehr in­ vestiert haben, durch delinquente Handlungen mehr zu verlieren als Personen, die weniger investiert haben.249 Das letzte und für die vorliegende Thematik relevante Element der Bindung fasst Hirschi unter dem Begriff „attachment“. Er nimmt an, dass starke Bindungen an normkonform handelnde Personen abweichendes Ver­ halten verhindern, da diese bei der Entscheidung bezüglich des Unterlassens oder der Ausführung delinquenter Handlungen miteinbezogen werden.250 Insbesondere die Bindungen an Eltern sind von entscheidender Bedeutung für normkonformes Verhalten. Delinquentes Verhalten wird unwahrscheinlicher, wenn das Individuum eine enge Beziehung zu den Eltern hat, da diese enge Beziehung ein Angebunden­ sein und ein höheres Maß an Identifizierung mit den Eltern impliziert. Je stärker das Individuum mit den Eltern verbunden ist, desto stärker ist es für elterliche Erwartungen empfänglich und dadurch auch stärker mit den rechtlichen Normen der Gesellschaft verbunden.251 Zudem haben Personen, die eine starke Bindung an Eltern haben, weniger delinquente Freund*innen. Dabei spielt es nach Hirschi keine Rolle, welchem sozialen Milieu die Eltern angehören. Selbst Familien, die in kriminelle Aktivitäten verwickelt sind, stimmen, so Hirschi, grundsätzlich mit der mehrheitsgesellschaftlichen Meinung überein, dass Kriminalität falsch ist, und diese Übereinstimmung entfaltet damit auch kriminalitätshemmende Wir­ kungen.252 Ausgenommen davon bleibt allerdings die Bindung an einen Vater, der zu Kriminalität ermutigt.253 Neben den Eltern spielen auch Freund*innen aus kontrolltheoretischer Pers­ pektive eine Rolle. Individuen, die sich über negative Reaktionen ihrer Peergroup bezüglich krimineller Handlungen sorgen, sind weniger in Kriminalität involviert. Positiver Einfluss geht jedoch nur von normkonformen Peergroups aus.254 Einen anderen kontrolltheoretischen Ansatz verfolgen Gottfredson und Hirschi in ihrer General Theory of Crime. Im Fokus dieser Theorie stehen nicht Kontroll­ formen, die von außen auf das Individuum einwirken, sondern interne Kontroll­ prozesse eines Individuums. Nach Gottfredson und Hirschi neigen Individuen mit mangelnder Selbstkontrolle zu impulsiven, risikoreichen, kurzsichtigen, unsensib­ 247

Vgl. Hirschi (1969), S. 197 ff. Vgl. Hirschi (1969), S. 187 ff. 249 Vgl. Hirschi (1969), S. 162 ff. 250 Vgl. Hirschi (1969), S. 83. 251 Vgl. Hirschi (1969), S. 94. 252 Vgl. Hirschi (1969), S. 97, S. 108. 253 Vgl. Hirschi (1969), S. 95. 254 Vgl. Hirschi (1969), S. 149. 248

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

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len, und somit letztlich delinquenten Verhaltensformen.255 Soziale Kontakte spielen in dieser Theorie insofern eine Rolle, als Eltern für die Entwicklung der Selbst­ kontrolle bis zum 8. Lebensjahr ihres Kindes von entscheidender Bedeutung sind. Geringe Selbstkontrolle eines Individuums ist auf ineffektive elterliche Erziehung zurückzuführen.256 Nach Gottfredson und Hirschi zeichnet sich effektive Erzie­ hung dagegen durch eine enge Verbindung zwischen Kind und Eltern aus. Zudem müssen sich die Eltern, im Sinne effektiver Erziehung, um das Wohlergehen und Verhalten ihres Kindes sorgen, das Kind überwachen und deviantes Verhalten er­ kennen.257 Eltern aber, die selbst ein geringes Maß an Selbstkontrolle aufweisen, zeigen sich nicht in der Lage, ihre Kinder adäquat zu sozialisieren.258 Nach Tittle spielt bei der Entstehung von Kriminalität sowohl Kontrolle, die von außen erfahren wird, als auch Kontrolle, die Personen selber ausüben, eine ent­ scheidende Rolle. Das Verhältnis zwischen ausgeübter und erfahrener Kontrolle bezeichnet er als „Control Ratio“. Die Unausgewogenheit zwischen erfahrener und ausgeübter Kontrolle begünstigt abweichendes Verhalten, wobei die Schwere und Art der Abweichung von der Größe des Kontrollmangels bzw. des Kontroll­ überschusses abhängt. Die beschriebene Kontrollunausgewogenheit erzeugt eine Prädisposition für abweichendes Verhalten, führt aber erst dann tatsächlich zur Abweichung, wenn angesichts einer Tatgelegenheit innere Hemmungen überwun­ den und durch Provokationen negative Emotionen erfahren werden, mit denen ab­ weichendes Verhalten gerechtfertigt werden kann.259 Zusammenfassend hängt aus kontrolltheoretischer Perspektive Kriminalität generell von internen und externen Kontrollprozessen ab. Soziale Kontakte sind von entscheidender Bedeutung, da sie entweder die Bildung von Selbstkontrolle bedingen oder als äußerer Faktor Kontrolle auf das Individuum ausüben und somit verhaltenssteuernd wirken. Nach Reiss sowie Gottfredson und Hirschi ist mangelnde Selbstkontrolle auf Erziehungsdefizite zurückzuführen. Eine erweiterte Einbindung von Eltern durch Langzeitbesuche im Hinblick auf innere Kontrolle scheint danach wenig erfolgs­ versprechend, da Erziehungsprozesse, die für die Bildung interner Kontrolle von Bedeutung sind, in der Kindheit stattfinden und in den Phasen der Adoleszenz und des frühen Erwachsenenalters bereits abgeschlossen sind.260 Anders verhält es sich mit der von außen ausgeübten Kontrolle auf das Indivi­ duum, da die Wirkung externer Kontrolle an keine bestimmte Lebensphase ge­ bunden ist. Aus der Perspektive der Halttheorie sollten insbesondere bei jungen Gefangenen mit geringem inneren Halt Personen an Langzeitbesuchen teilnehmen, 255

Vgl. Gottfredson / Hirschi (1990), S. 90. Vgl. Gottfredson / Hirschi (1990), S. 97. 257 Vgl. Gottfredson / Hirschi (1990), S. 98 f. 258 Vgl. Gottfredson / Hirschi (1990), S. 100. 259 Vgl. Tittle (1995), S. 199. 260 Vgl. Oerter (2008), S 227. 256

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2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

die ihnen äußeren Halt geben können. Aufgrund der Tatsache, dass, so Hirschi, De­ linquenz unwahrscheinlicher wird, je stärker die Bindung zu anderen Personen ist, scheint die erweiterte Einbindung von Bezugspersonen durch Langzeitbesuch im Hinblick auf externe Kontrollprozesse sehr sinnvoll. Bindungen zwischen jungen Gefangenen und ihren Bezugspersonen könnten durch Langzeitbesuche gestärkt werden oder wiedererstarken, was die Wahrscheinlichkeit von unerwünschtem Verhalten während und nach der Gefangenschaft verringern könnte. Prinzipiell kommen alle Personengruppen für Langzeitbesuche in Betracht, da außer von Eltern auch von anderen Personen wie zum Beispiel dem Freundeskreis externe Kontrolle ausgeht. Hirschi hat zudem gezeigt, dass delinquente Personen nicht notwendig von der Zulassung zum Langzeitbesuch ausgeschlossen werden müs­ sen, da auch sie externe Kontrolle ausüben können. Maßgeblich für die Zulassung zu Langzeitbesuchen müsste vielmehr sein, dass die besuchenden Personen keine kriminogenen Einstellungen gegenüber jungen Gefangenen vertreten oder sie zur Ausführung delinquenter Handlungen ermutigen. (c) Lerntheorien Lerntheorien gehen davon aus, dass delinquente Verhaltensweisen genauso wie andere Verhaltensweisen durch Prozesse erlernt werden, wie sie in Annahmen der operanten Konditionierung nach Skinner261 und des Lernens am Modell nach Ban­ dura262 formuliert sind. Nach der Theorie der differentiellen Kontakte von Sutherland263 wird delinquen­ tes Verhalten in Interaktionen mit anderen Personen hauptsächlich in intimen persönlichen Gruppen durch Kommunikationsprozesse erlernt. Sutherland geht davon aus, dass sich jeder Mensch an die ihn umgebende Kultur anpasst, wenn andere Verhaltensmuster mit ihr nicht in Konflikt geraten. Anders ausgedrückt zeigen Individuen aufgrund von Berührungen mit delinquenten und Isolierung von antidelinquenten Verhaltensmustern abweichendes Verhalten. Kriminalität entsteht, folgt man diesem Ansatz, durch ein Überwiegen der die Normverletzung begünstigenden Einstellungen gegenüber solchen Einstellungen, die den Gesetzes­ bruch negativ beurteilen. Akers und Burgess264 entwickelten Sutherlands Theorie weiter, indem sie die Grundannahmen der Theorie der differentiellen Kontakte aufgriffen und um eine genaue Darlegung des Lernprozesses erweiterten. Das Erlernen delinquen­ ter Verhaltensweisen beruht ihrer Ansicht nach auf Prinzipien des modellartigen

261

Vgl. Skinner (1953). Vgl. Bandura (1976). 263 Vgl. Sutherland (1968), S. 396 ff. 264 Vgl. Akers / Burgess (1966), S. 146. 262

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

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Lernens265 und insbesondere der operanten Konditionierung266. Delinquentes Ver­ halten wird erlernt, wenn auf das Verhalten ein positiver Reiz folgt bzw. ein nega­ tiver Reiz ausbleibt. Nach der Theorie des sozialen Lernens sind somit nicht die differentiellen Kontakte an sich für das Erlernen delinquenter Handlungen von entscheidender Bedeutung, sondern vielmehr geht es darum, ob das delinquente Verhalten differentiell verstärkt wird. Die Theorie der Neutralisierungstechniken von Sykes und Matza wiederum erklärt nicht direkt die Entstehung bzw. das Erlernen abweichender Handlungen, sondern hat das Verhalten junger Delinquenter nach der Straftat zum Gegenstand. Nach Sykes und Matza verspüren Jugendliche, die sich abweichend verhalten, durchaus Gefühle wie Scham und Schuld im Zusammenhang mit ihren delin­ quenten Handlungen, da sie, im Gegensatz zu subkulturtheoretischen Annahmen, mehrheitsgesellschaftliche Normen und Regeln in einem gewissen Maße inter­ nalisiert haben.267 Mit dem Ziel, Widersprüchlichkeiten im Zusammenhang mit ihrem delinquenten Verhalten aufzulösen, rechtfertigen die jungen Delinquenten ihre abweichenden Handlungen, indem sie unterschiedliche Neutralisierungstech­ niken anwenden.268 Täter streiten dabei die Verantwortung für ihr Handeln ab, in­ dem sie auf als ursächlich für ihr Handeln anzusehende höhere Kräfte verweisen, die ihrer Überzeugung nach außerhalb ihrer Person und Kontrolle liegen. Weiter negieren sie eine Rechtsverletzung, indem sie zwischen Handlungen unterscheiden, die in sich selber falsch und Handlungen, die zwar illegal, aber nicht unmoralisch sind. Zudem wird der geschädigten Person der Opferstatus abgesprochen. Eine weitere Neutralisierungstechnik besteht im „Verdammen der Verdammenden“. Delinquente richten dabei den Fokus von ihren Intentionen auf die Motive und Handlungen derjenigen, die ihr Verhalten missbilligen. Es ist weiterhin zu be­ obachten, dass Täter sich auf höhere Instanzen wie Geschwister, Freundschaften oder die Gang berufen, in deren Interesse oder aufgrund deren Befehle sie über­ haupt nur gehandelt hätten. Die Subkulturtheorie von Albert K. Cohen stellt sich dagegen als eine Verbindung lerntheoretischer Annahmen mit gesellschaftsorganisatorischen Aspekten dar. Danach zeigt sich Jugendkriminalität im Zusammenschluss Jugendlicher zu de­ linquenten Subkulturen. Gerade Jugendliche aus unteren sozialen Schichten finden sich aufgrund von Anpassungsproblemen, die mit ihrer Schichtzugehörigkeit zu­ sammenhängen, am Ende der gesamtgesellschaftlichen Statushierarchie wieder. Das birgt natürlich Konfliktpotenzial.269 Eine erhoffte Lösung solcher Statuskon­ flikte liegt in einem Zusammenschluss mit anderen Individuen zu Gruppierungen, in denen neue Normen- und Wertvorstellungen generiert und etabliert werden.270 265

Vgl. Bandura (1976). Vgl. Skinner (1953). 267 Vgl. Sykes / Matza (1957), S. 666. 268 Vgl. Sykes / Matza (1957), S. 667 ff. 269 Vgl. Cohen (1955), S. 119. 270 Vgl. Cohen (1955), S. 66, S. 68, S. 121. 266

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2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

Da sich die subkulturellen Normen- und Wertvorstellungen von denen der Mehr­ heitsgesellschaft unterscheiden, bietet die Subkultur als Referenzsystem Jugend­ lichen aus unteren Schichten eine alternative Möglichkeit der Bestätigung und legitimiert delinquente Verhaltensweisen. Genauso wie die Internalisierung kon­ former Normen und Werte nach Albert K. Cohen zu gesellschaftlich konformem Verhalten führt, kann die Internalisierung abweichender Moral- und Wertvorstel­ lungen der Subkultur zu Delinquenz führen. Folglich sollten nach Albert K. Cohen Freund*innen aus dem subkulturellen Mi­ lieu nicht an Langzeitbesuchen teilnehmen, da sie Normen und Werte vermitteln, die von der Mehrheitsgesellschaft abweichen und es dadurch jungen Gefangenen ermöglichen, ihre Kriminalität zu legitimieren. Cloward und Ohlin erweitern in der Theorie der differentiellen Gelegenheiten die Frage nach der Entstehung von abweichendem Verhalten um den Aspekt der Tatgelegenheit. Im Sinne anomietheoretischer Annahmen sind demnach gerade Individuen aus unteren sozialen Schichten delinquenzgefährdet, da bei ihnen oftmals Ansprüche und die Möglichkeiten, sie zu verwirklichen, auseinanderfal­ len.271 Subkulturen bieten mit ihren eigenen Werten, Normen und Regeln den Be­ troffenen die Möglichkeit, im Sinne einer Gruppenlösung auf illegale Weise Ziele zu erreichen und Ansprüche zu verwirklichen.272 Ob es letztlich zu delinquenten Handlungen kommt, hängt dann – anders als Merton und Sutherland annehmen – zudem davon ab, inwiefern überhaupt der Zugang zu illegitimen Mitteln und Ge­ legenheiten besteht. Nach Cloward und Ohlin kann es folglich nur zu Delinquenz kommen, wenn die Möglichkeit zum Erlernen und Ausführen delinquenter Hand­ lungen gegeben ist.273 Insgesamt sollten im Hinblick auf Langzeitbesuche aus lerntheoretischer Per­ spektive solche Personen erweitert in den Vollzug der Jugendstrafe eingebunden werden, von denen junge Gefangene normkonforme Einstellungen und Verhal­ tensweisen erlernen können. Dementsprechend sollten Personen, die kriminelle Verhaltensweisen und Einstellungen bereitstellen, von der Teilnahme an Langzeit­ besuchen ausgeschlossen werden. Vor dem Hintergrund, dass junge Gefangene im Jugendstrafvollzug viel Zeit mit anderen Gefangenen verbringen, ist aus lerntheo­ retischer Perspektive die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass junge Gefangene neue deviante Einstellungen und Techniken während der Gefangenschaft erlernen und sich gegenseitig negativ beeinflussen. Mehrstündige Besuche von normkonformen Angehörigen können ein Gegengewicht zum alltäglichen Umgang des jungen Ge­ fangenen mit anderen Gefangenen bilden und subkulturellen Aktivitäten sowie un­ erwünschtem Verhalten während und nach der Gefangenschaft entgegenwirken, da es nach Sutherland für die Ausführung delinquenter Handlungen auf das Verhältnis von delinquenzfördernden Kontakten zu normkonformen Kontakten ankommt. 271

Vgl. Cloward / Ohlin (1960), S. 106. Vgl. Cloward / Ohlin (1960), S. 13 f., S. 42, S. 107. 273 Vgl. Cloward / Ohlin (1960), S. 145 ff. 272

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

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Bezieht man allerdings den lerntheoretischen Ansatz von Akers mit ein, der da­ von ausgeht, dass nicht allein der Kontakt zu delinquenten Personen für Delinquenz entscheidend ist, sondern es auch von Bedeutung ist, ob auf den Kontakt eine Be­ lohnung bzw. eine Bestrafung folgt, stellt sich die Frage, inwiefern die Einbindung normkonformer Angehöriger durch Langzeitbesuche delinquenzhemmend wirken kann. Die Anpassung an unter Gefangenen vorherrschende spezifische subkul­ turelle Einstellungen, Normen und Verhaltensweisen erleichtert nämlich jungen Gefangenen das Leben im Strafvollzug, da konforme Verhaltensweisen, die nicht der Gefangenensubkultur entsprechen, negative Konsequenzen wie Statusverluste innerhalb der Gefangenensubkultur nach sich ziehen können. Es ist davon auszuge­ hen, dass im Jugendvollzug deviante Verhaltensweisen durch andere junge Gefan­ gene häufig differentiell verstärkt werden. So stellt sich die Frage, ob Lernprozesse, die durch die Interaktion mit normkonformen Angehörigen während der Langzeit­ besuche stattfinden, auch differentiell verstärkt werden, da die Angehörigen nach den Besuchen den Vollzug verlassen und somit nicht unbedingt positive Reize auf den Langzeitbesuch folgen. Will man aber etwaige Lernprozesse verstärken, die während der Langzeitbesuche stattgefunden haben, könnte der Vollzug die Lang­ zeitbesuche mit den jungen Gefangenen aufarbeiten und erfolgreich durchgeführte Langzeitbesuche zum Beispiel in das Stufensystem des Jugendvollzugs einbinden, sodass auf Langzeitbesuche positive Stimuli folgen und normkonforme Lernpro­ zesse differentielle Verstärkung erfahren. (d) Biosoziale Kriminalitätstheorie Als die wohl einflussreichste biosoziale Kriminalitätstheorie gilt die Zwei-PfadTheorie von Moffitt. Ausgehend von der sogenannten „age crime curve“, die besagt, dass Kriminalität im Jugendalter ansteigt und im Erwachsenenalter zurückgeht, es sich dabei also um ein episodenhaftes Phänomen handelt,274 unterteilt Moffitt junge Delinquente in zwei Gruppen. Den überwiegenden Teil an jungen Delinquenten bilden, wie Moffitt sie bezeichnet, die „adolescence limited offenders“. Diese jun­ gen Menschen verhalten sich nach einer kurzen Phase der Delinquenz mit Eintritt in das Erwachsenenalter nicht mehr abweichend. Ein kleinerer Teil der jungen De­ linquenten dagegen zeichnet sich nach Moffitt dadurch aus, dass ihre gesamte Le­ bensspanne von Verhaltensauffälligkeiten und Delinquenz geprägt ist. Delinquen­ tes Verhalten wächst bei diesen Akteuren nicht heraus. Diese Gruppe bezeichnet Moffitt als „lifecourse persistent offenders“.275 Den Unterschied im Delinquenz­ verhalten beider Gruppen führt Moffitt auf neuropsychologische Defizite zurück, die nur bei den „lifecourse persistent offenders“ vorliegen. Neuropsychologische Defizite, die bereits während der Schwangerschaft und in der frühen Kindheit ent­ stehen, führen zu Verhaltensauffälligkeiten beim Kind. Die Interaktion zwischen 274 275

Vgl. Farrington (1986), S. 192 ff. Vgl. Moffitt (1993), S. 676.

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2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

den schwierigen Kindern und einem überforderten Umfeld, in der Regel benach­ teiligten Elternhäusern, problematischen Schulen und Nachbarschaften, verstärken die Entwicklungsprobleme, sodass sich mit der Zeit Verhaltensauffälligkeiten und antisoziale Persönlichkeitszüge verfestigen und letztlich auch zu schulischem und beruflichem Misserfolg führen. Da sich Defizite auf vielen Ebenen mit der Zeit derart verfestigen, ist die Wahrscheinlichkeit einer Situationsveränderung der „life­ course persistent offenders“ sehr gering.276 In Abgrenzung dazu zeigt sich, so Moffitt, ein gänzlich anderes Phänomen bei der großen Mehrheit junger Delinquenter, den „adolescence limited offenders“. Bei diesen jungen Delinquenten ist eine relativ kurze Phase von Delinquenz nicht auf neuropsychologische Defizite, sondern auf einen, wie Moffitt es nennt, „ma­ turity gap“, also eine Reifeverzögerung, zurückzuführen. Es sind nicht patholo­ gische, sondern strukturelle Faktoren, die Delinquenz bedingen. In der Phase der Adoleszenz tritt die biologische deutlich vor der sozialen Reife ein. Junge Men­ schen streben nach Zielen aus der Erwachsenenwelt, wie intimen Beziehungen, materiellen Gütern und anderen Privilegien des Erwachsenseins. Gleichzeitig aber sind ihnen nach Moffit die Möglichkeiten, ihre Autonomiebestrebungen zu verwirklichen, aufgrund sozialstruktureller Eigenarten der Phase der Adoleszenz verwehrt. So haben Jugendliche zum Beispiel noch keinen Führerschein und sind sozial und familiär stark von ihren Eltern abhängig. Für Jugendliche, die sich in diesem Vakuum befinden, üben delinquente Peers eine große Anziehungskraft aus, da sie aufgrund ihres delinquenten Lebensstils bereits über erstrebenswerte Güter aus der Erwachsenenwelt verfügen. In der Hoffnung, nun selber an diese Güter zu kommen, ahmen die „adolescence limited offenders“ delinquente Verhaltenswei­ sen und Lebensstile der „lifecourse persistent offenders“ nach.277 Nach der Zwei-Pfad-Theorie ist die Einbindung von sozialen Beziehungen durch Langzeitbesuche zur Verhinderung künftiger Kriminalität oder genauer zur Realisierung des Vollzugsziels bei Gefangenen, die zu den „lifecourse persistent offenders“ zählen, wenig erfolgsversprechend, da, so Moffit, die Defizite, die zur Delinquenz führen, bereits zu sehr verfestigt sind. Zusammenfassend lässt sich aus Moffitts Theorie ableiten, dass Langzeitbe­ suche für junge Gefangene, die zu den „lifecourse persistent offenders“ zählen, keine geeignete Maßnahme zur Reduzierung von Kriminalität darstellen, da bei ihnen straffälliges Verhalten auf neuropsychologische Defizite zurückzuführen ist und folglich eine erweiterte Einbindung von Angehörigen weder die neuropsycho­ logischen Defizite beseitigen noch damit zusammenhängende negative Entwick­ lungen rückgängig machen kann. Zudem ist nach Moffitt davon auszugehen, dass „lifecourse persistent offenders“ sich aufgrund ihrer antisozialen Vorgeschichte in Kreisen bewegen, in denen ein delinquenter „Lifestyle“ geführt oder zumindest 276 277

Vgl. Moffitt (1993), S. 679 ff. Vgl. Moffitt (1993), S. 685 ff.

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

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unterstützt wird278 und demzufolge Langzeitbesuche bei dieser Gruppe eine erwei­ terte Einbindung delinquenter Umfelder implizieren. Bei den „adolescence limited offenders“ dagegen hat Delinquenz keine pathologische Ursache und zeigt sich eher episodenhaft. Die Einbindung von Angehörigen durch Langzeitbesuche ist bei diesen jungen Gefangenen erfolgversprechend, da Angehörige Anknüpfungs­ punkte für konventionelle Lebensstile darstellen und somit den Wiedereinstieg in ein konventionelles Leben erleichtern. Allerdings liegt es nach Moffits Theorie nahe, delinquente Peers von Langzeitbesuchen auszuschließen. Aufgrund ihrer Reifeverzögerung sind „adolescence limited offenders“ als besonders anfällig für negative Beeinflussung durch delinquente Peers einzuschätzen. (e) Theorie der reintegrativen Beschämung Die Theorie der reintegrativen Beschämung thematisiert sanktionierendes Ver­ halten durch das soziale Umfeld eines Individuums als Reaktion auf abweichen­ des Verhalten und rückt dabei die sogenannte Beschämung ins Zentrum. Unter Beschämung versteht Braithwaite soziale Prozesse der Missfallensäußerung, die darauf abzielen, Scham bei jemanden auszulösen und / oder Ablehnung bei den Personen hervorzurufen, die von der Beschämung Kenntnis haben.279 Der Akt der Beschämung kann nach Braithwaite auf zwei verschiedene Weisen geschehen. Die Beschämung kann reintegrativ sein, indem dem Beschämten anschließend das Angebot der Wiederaufnahme in die Gemeinschaft durch Gesten der Vergebung gemacht wird. Stigmatisierendes Beschämen dagegen ist nicht auf Vergebung und Wiederaufnahme gerichtet, sondern auf den Ausschluss des Beschämten und die Etikettierung der Gesamtperson als deviant. In Gesellschaften, in denen reintegrativ beschämt wird, sind geringere Kriminalitätsraten zu beobachten, da das Verhalten des Devianten missbilligt wird, ohne diesen als Person abzulehnen und auf diese Weise die Potenziale für zukünftige Missbilligungen erhalten bleiben. Stigmati­ sierende Beschämungen dagegen führen zu höheren Kriminalitätsraten, da eine Abwendung des Beschämten von gesellschaftlichen Institutionen wie Familie, Nachbarn und Kirche bei gleichzeitiger Hinwendung zu kriminellen Subkulturen stattfindet.280 Nach Braithwaite sind Individuen für Beschämungen durch andere empfänglicher, wenn ihre Beziehung von gegenseitiger Abhängigkeit geprägt ist.281 Zudem wird in interdependenten Beziehungen eher reintegrierend als stig­ matisierend agiert.282 Da die Stärke der Interdependenz zwischen Individuen von der Dauerhaftigkeit und Intensität der Beziehung abhängt,283 könnte die erweiterte Einbindung des sozialen Umfelds durch Langzeitbesuche die Interpendenz zwi­ 278

Vgl. Moffitt (1993), S. 695. Vgl. Braithwaite (1989), S. 100. 280 Vgl. Braithwaite (1989), S. 101 f. 281 Vgl. Braithwaite (1989), S. 89. 282 Vgl. Hay (2001), S. 147. 283 Vgl. Braithwaite (1989), S. 89. 279

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2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

schen dem jungen Gefangen und seinem Umfeld stärken und somit reintegrative Beschämungsprozesse unterstützen. (f) Labelingtheorien Labelingtheorien führen die Entstehung abweichenden Verhaltens nicht auf das abweichende Individuum zurück und grenzen sich auf diese Weise von ätio­ logischen Theorien ab, die abweichendes Verhalten als eine Art pathologisches Phänomen auffassen. Vielmehr betrachten Labelingtheorien abweichendes Ver­ halten im Sinne interaktionistischer Theorien als ein gesellschaftliches Konstrukt und definieren „abweichendes Verhalten als Verhalten, das Menschen als solches bezeichnen“284. Lemert unterscheidet in seiner Theorie zwischen primärer und sekundärer De­ vianz. Unter primärer Devianz versteht er abweichendes Verhalten, dessen Ursache auf psychologische und soziale Faktoren zurückzuführen ist. Das primär deviante Verhalten wird zwar, so Lemert, von der Gesellschaft als solches erkannt, dennoch wird es vom Individuum derart neutralisiert, dass ein positives Selbstbild erhalten bleibt und die Rolle des Devianten nicht übernommen wird. Wenn die primäre Abweichung dagegen wiederholt und deutlich sichtbar ist und eine stigmatisie­ rende gesellschaftliche Reaktion auf die primäre Devianz folgt, kommt es nach Lemert dazu, dass die sich abweichend verhaltende Person ihr positives Selbst­ bild nicht mehr aufrechterhalten kann, im Sinne einer Bewältigungsstrategie die gesellschaftlich zugeschriebene Rolle des Devianten übernimmt und sich in Zu­ kunft der devianten Rolle entsprechend verhält, was wiederum zu einem gewissen Aufschaukelungsprozess zwischen Devianz und gesellschaftlicher Reaktion führt. Diesen Vorgang bezeichnet Lemert als sekundäre Devianz.285 Auch Becker beschreibt den Labelingprozess ausgehend von einer abweichen­ den Handlung, die letztlich dazu führt, dass der Akteur zum Außenseiter wird. Handlungen, die durch gesellschaftliche Aushandlungsprozesse als abweichend definiert wurden, führen, ausgehend von anderen Gesellschaftsmitgliedern, zum Ausschluss aus dem Kreis der „Normalen“. Die Etikettierung und gesellschaft­liche Behandlung als Abweichler hat nach Becker negative Auswirkungen auf die so­ ziale Partizipation und das Selbstbild der Person. Der Status als Abweichler wird zum sogenannten „Masterstatus“ und führt dazu, dass der Abweichende sich seiner neuen Rolle entsprechend verhält, sich anderen Abweichlern anschließt und sich so letztlich abweichende Handlungsmuster verfestigen.286 In der Regel wird das soziale Umfeld von Gefangenen kriminelles Verhalten zwar missbilligen, sie deswegen jedoch nicht aus seinem Kreis ausschließen. Dem­ 284

Vgl. Becker (2014), S. 31. Vgl. Lemert (1951), S. 75 f. 286 Vgl. Becker (2014), S. 39 ff. 285

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

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entsprechend ist davon auszugehen, dass die jungen Gefangenen von ihrem Umfeld nicht nur als Kriminelle wahrgenommen werden, sondern ihre Rollen als Sohn, Partner, Vater oder Freund beibehalten. Da also soziale Kontakte junge Gefan­ gene dabei unterstützen können, positive Selbstbilder aufrecht zu erhalten und sie dadurch negativen Labelingprozessen entgegensteuern können, sollte das soziale Umfeld aus labelingtheoretischer Perspektive auch durch Langzeitbesuche in den Strafvollzug eingebunden werden. (g) Situative Theorien Nach der Theorie des Routine Activity Approach von Lawrence E. Cohen und Felson kommt es zu abweichenden Handlungen, wenn räumlich und zeitlich ein motivierter Täter, ein geeignetes Tatobjekt und das Fehlen eines ausreichenden Schutzes zusammenfallen.287 Wikström griff in seiner Situational Action Theory situative Elemente des Routine Activity Approaches nach Lawrence E. Cohen und Felson auf und kombinierte sie mit Annahmen der General Theory of Crime nach Gottfredson und Hirschi, um abweichendes Verhalten zu erklären. Nach Wikström beruhen kriminelle Handlun­ gen auf einem sogenannten Wahrnehmungs-Entscheidungs-Prozess, der durch das Aufeinandertreffen der kriminellen Neigung einer Person mit der von der Umge­ bung ausgehenden kriminellen Gefährdung gesteuert wird.288 Nach der Situational Action Theory können bestimmte Settings, die als individuelle Umgebung definiert werden, zwei Arten von Motivation hervorrufen: Versuchung und Provokation. Als Reaktion auf eine der beiden Motivationsformen treffen Individuen eine Auswahl aus verschiedenen Handlungsalternativen. Welche Handlungsalternativen als Re­ aktion auf die Provokation oder Versuchung realisiert werden, hängt ab von den persönlichen Moralvorstellungen des Individuums und den Normen und Werten der unmittelbaren Umgebung, in der sich das entsprechende Individuum gerade befindet. Indem eigene Moralvorstellungen und moralische Normen des Settings in Handlungsentscheidungen miteinbezogen werden, durchlaufen sie einen soge­ nannten moralischen Filter. Stellt, so Wikström, für ein entsprechendes Individuum kriminelles Verhalten keine Handlungsalternative dar, bleibt abweichendes Ver­ halten einfach aus. Wird dagegen abweichendes Verhalten als Handlungsalterna­ tive wahrgenommen, erfolgt der Auswahlprozess der Handlungsalternativen nach Wikström entweder gewohnheitsmäßig oder rational reflektiert. Entscheidungen aus Gewohnheit basieren nicht auf einer längeren Abwägung, vielmehr wird auto­ matisch auf sie zurückgegriffen. Da bei dieser Variante nur eine Handlungsalter­ native gesehen wird, kann es ohne weiteres zu abweichenden Handlungen kommen. Rational reflektierte Entscheidungen dagegen beruhen auf Denkprozessen. Welche 287 288

Vgl. Cohen / Felson (1979), S. 589. Vgl. Wikström (2009), S. 253 f.

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2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

Handlungsalternative gewählt wird, hängt einerseits davon ab, was die Person als moralisch akzeptabel betrachtet. Andererseits wird der Abwägungsprozess durch gewisse internale (Selbstkontrolle)  und externale (Abschreckung) Kontrollpro­ zesse beeinflusst. Zur Abweichung kommt es, folgt man Wikström, wenn durch eine moralische Abwägung kriminelles Verhalten als beste Handlungsalternative betrachtet und nicht durch innere Selbstkontroll- oder äußere Abschreckungspro­ zesse verhindert wird.289 Deutlich geht aus der Situational Action Theory hervor, dass delinquenzför­ dernde soziale Kontakte wie zum Beispiel zu delinquenten Peers in kriminoge­ nen Settings Delinquenz fördern können und insofern eher nicht erweitert in den Vollzug der Jugendstrafe durch Langzeitbesuche eingebunden werden sollten. Zu Bedenken ist allerdings, dass delinquente Kontakte nach der Situational Action Theory auch nur in kriminogenen Settings zu Kriminalität führen können und während der Gefangenschaft nicht sicher prognostiziert werden kann, ob die jun­ gen Gefangenen sich nach ihrer Entlassung weiterhin in kriminogenen Settings aufhalten werden. Da zudem in kriminogenen Settings kriminalitätsfördernde Kontakte nur bei Personen mit geringer Selbstkontrolle zu Kriminalität führen können, sind nach der Situational Action Theory Langzeitbesuche von krimina­ litätsfördernden Kontakten bei solchen jungen Gefangenen unbedenklich, die eine geringe kriminelle Neigung aufweisen, die sich durch eine hohe Selbstkontrolle und eine delinquenzablehndende Moral auszeichnet. Sie sind gewissermaßen im­ mun gegenüber kriminogenen Einflüssen. Fraglich bleibt in diesem Zusammen­ hang aber, wie realistisch es ist, dass junge Gefangene im Jugendstrafvollzug tat­ sächlich diese Eigenschaften aufweisen. (h) Integrative und prozessorientierte Theorien Genau genommen können auch einige bereits diskutierte Kriminalitätstheorien als integrative Theorien bezeichnet werden, da sie Elemente anderer Theorien be­ inhalten. Die im folgenden aufgeführten Theorien von Elliott, Thornberry und Sampson und Laub wurden hier aber bewusst unter der Überschritt Integrative und prozessorientierte Theorien zusammengefasst, da sie kriminalitätstheoretisch und historisch betrachtet als einflussreichste Theorien Aspekte unterschiedlicher Schu­ len, insbesondere lern-, anomie- und kontrolltheoretische Sichtweisen vereinen und sich gerade durch ihre integrative Gestalt (insbesondere Elliott) und prozess­ orientierte Ausrichtung (Thornberry, Sampson und Laub) auszeichnen und somit von anderen Theorien abgrenzen lassen. Elliot et al. verwenden in ihrer Integrierten Kriminalitätstheorie lern-, anomieund kontrolltheoretische Annahmen. Nach diesem Modell schwächen „strain“, in­

289

Vgl. Wikström (2015), S. 178 ff.

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

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adäquate Sozialisation und soziale Desorganisation konventionelle Bindungen. Die Schwächung konventioneller Bindungen führt wiederum zu starken delinquenten Bindungen und somit letztlich zu delinquenten Handlungen.290 Thornberrys Interaktionale Theorie ging aus einer Kritik an Elliotts Theorie und anderen lern- und kontrolltheoretischen Ansätzen hervor. Thornberry kriti­ sierte, dass die genannten Kriminalitätstheorien weder Aspekte von Prozesshaf­ tigkeit und strukturellen Positionen von Akteuren noch Wechselwirkungen im Kontext von Kriminalität integrieren.291 Nach Thornberry entsteht der anfängliche Anstoß zur Abweichung durch schwache persönliche Bindungen an konventionelle gesellschaftliche Institutionen wie Schule oder Familie. Abweichendes Verhalten tritt dann ein, wenn in einem sozialen Setting, bestehend aus delinquenten Peers und delinquenten Werten, Delinquenz erlernt und verstärkt wird. Der beschriebene interaktive Prozess hängt zudem vom Alter und der Position des entsprechenden Akteurs innerhalb der sozialen Struktur ab.292 Sampson und Laub entwickelten ihre Theorie der Turning Points aus dem be­ rühmten Datensatz der Längsschnittstudie des Ehepaares Glueck.293 Im Gegensatz zu vielen anderen Kriminalitätstheorien führen Sampson und Laub abweichendes Verhalten nicht auf ein zentrales Ereignis zurück, sondern betonen im Kontext von Kriminalität die Variablen Zeit und Prozess. Nach der Theorie der Turning Points haben problematische familiäre Kontexte, zu denen Sampson und Laub mütterli­ che und väterliche unberechenbare, raue und bedrohende Disziplinierung, fehlende mütterliche Beaufsichtigung und elterliche Ablehnung zählen, einen unmittelbar verstärkenden Einfluss auf die Entstehung von Kriminalität. Der familiäre Kon­ text selber wird von sogenannten strukturellen Hintergrundfaktoren beeinflusst, zu denen Sampson und Laub beengte Wohnverhältnisse, von Beziehungsabbrüchen geprägte Familienverhältnisse, Familiengrößen, geringes familiäres Einkommen, im Ausland geboren sein, Wohnsitzmobilität, mütterliche Arbeitsbeschäftigung, väterliche und mütterliche Kriminalität und väterlichen und mütterlichen Alko­ holismus zählen.294 Nach Sampson und Laub beeinflussen diese strukturellen Hintergrundfaktoren Kriminalität nicht nur indirekt über ihren Einfluss auf den familiären Kontext, sondern auch durch ihren Einfluss auf Variablen wie Schule, Peers und Geschwis­ ter, indem sie schwache Bindungen an die Schule, schlechte Schulleistungen und Bindungen an delinquente Peers und Geschwister bedingen, die ihrerseits einen unmittelbar verstärkenden Einfluss auf Delinquenz haben.295 Es sind also familiäre

290

Vgl. Elliott et al. (1985), S. 66. Vgl. Thornberry (1987), S. 864. 292 Vgl. Thornberry (1987), S. 886. 293 Vgl. Glueck / Glueck (1950), S. 1968. 294 Vgl. Sampson / Laub (1993), S. 66. 295 Vgl. Sampson / Laub (1993), S. 102. 291

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2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

Faktoren, die bei der Entstehung von Kriminalität für Sampson und Laub eine we­ sentliche Rolle spielen. Gleichzeitig aber verneinen Sampson und Laub eine strenge Determinationslogik, indem sie davon ausgehen, dass Veränderungen und neue Sozialisationserfahrungen im Lebenslauf jederzeit zu einem Abbruch krimineller Verläufe führen können. Dieser Aspekt wird nachfolgend unter der Überschrift „Soziale Kontakte und Desistance“ Berücksichtigung finden. Da aus integrativ- und prozessorientierter Perspektive schwache Bindungen an konventionelle und starke Bindungen an delinquenzfördernde Personen Krimina­ lität fördern, sollten konventionelle Bindungen durch Langzeitbesuche gestärkt und delinquenzfördernde Personen von Langzeitbesuchen ausgeschlossen werden. (3) Soziale Kontakte und „Desistance“ Klassische Kriminalitätstheorien vermögen zwar auf phänomenologischer Ebene Kriminalitätsabbrüche darzustellen, genaue Prozesse der Abkehr von Kriminalität erklären sie aber nicht. Diese bilden in den klassischen Theorien eine Art „Black Box“.296 Ziel der „Desistance“-Forschungen ist es, Licht in diese „Black Box“ zu bringen, indem genaue Prozesse und Kausalwirkungen im Blick auf die Abkehr von Kriminalität dargelegt werden. Im Folgenden wird daher thematisiert, welche Bedeutung der Einbindung sozialer Kontakte insbesondere durch Langzeitbesuch beim „Desistance“-Prozess zukommt. Dabei sind verschiedene „Desistance“-De­ finitionen zu berücksichtigen. Einige Autor*innen definieren „Desistance“ als den Moment, indem ein krimineller Verlauf beendet wird.297 Dabei können sowohl ein Ende krimineller Handlungen bis ans Lebensende als auch signifikant kriminali­ tätsabstinente Phasen als „Desistance“ gewertet werden.298 Laub und Sampson unterscheiden in diesem Zusammenhang sprachlich zwischen der Beendigung einer kriminellen Karriere („termination“) und dem Prozess („Desistance“), der das Ende krimineller Karrieren markiert.299 Darüber hinaus kann zwischen „primary“ und „secondary desistance“ unterschieden werden. Dabei meint „primary desistance“ – unabhängig vom erfolgten bzw. nicht erfolgten Identitätswechsel – jede kriminali­ tätsfreie Phase innerhalb einer kriminellen Karriere. Eine kriminalitätsfreie Phase wird als „secondary desistance“ bezeichnet, wenn sich die Person nicht nur einfach von Kriminalität abwendet, sondern dabei die neue Rolle bzw. Identität als „chan­ ged person“ annimmt.300 Im Hinblick auf die Ursachen für „Desistance“-Prozesse lassen sich „Desistance“-Theorien einerseits in Strömungen, die Kriminalitätsab­ brüche hauptsächlich auf außerhalb der Person liegende Transformationsprozesse

296

Vgl. Stelly / Thomas (2004), S. 24. Vgl. Farrall / Bowling (1999), S. 253. 298 Vgl. Bottoms et al. (2004), S. 370 f. 299 Vgl. Laub / Sampson (2001), S. 11. 300 Vgl. Maruna et al. (2004), S. 274. 297

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

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zurückführen (z. B. Sampson / Laub, 1993), und solche Ansätze unterteilen, die Kriminalitätsabbrüche durch überwiegend kognitive Transformationsprozesse er­ klären (z. B. Maruna, 2001; Giordano et al., 2002).301 (a) Theorie der „Turning Points“ Neben den Ursachen für die Entstehung von Kriminalität erklären Sampson und Laub in ihrer Theorie auch das Fortführen bzw. den Abbruch normabweichenden Verhaltens im Lebensverlauf, indem sie Zeit als Variable in ihr Modell integrie­ ren. Stabilität bezüglich des Ausführens normabweichender Handlungen über die Lebensspanne führen Sampson und Laub auf eine sogenannte kumulative Stabili­ tät zurück. Das bedeutet, dass Delinquenz und der Kontakt mit Strafverfolgungs­ behörden das Risiko für ein Fortführen krimineller Verläufe in der Phase des Er­ wachsenseins erhöhen, da dies konventionelle Bindungen schwäche.302 Obwohl ein deutlicher Zusammenhang zwischen Delinquenz in der Jugendphase und dem Aus­ führen krimineller Handlungen im Erwachsenenalter besteht, gibt es nach Sampson und Laub unabhängig von Faktoren sozialer Benachteiligung stets die Möglichkeit, dass Delinquente in der Phase des Erwachsenseins keine Normabweichungen mehr zeigen oder im Laufe der Zeit ihre kriminellen Karrieren abbrechen. Ursächlich für solche Kriminalitätsabbrüche sind Veränderungen im Leben dieser Personen wie Heirat oder eine neue Arbeitsstelle, da diese Transformationen starke soziale Bindungen an Arbeit, Partnerin oder Familie ermöglichen können und hohe infor­ melle Sozialkontrolle implizieren und somit das Risiko von normabweichendem Verhalten deutlich verringern.303 Die dargestellten Veränderungen im Leben von Personen, die zu erhöhter informeller Sozialkontrolle führen und dadurch Delin­ quenz verringern, bezeichnen Sampson und Laub als „Turning Points“. Da nach der Theorie der „Turning Points“ starke Bindungen an konventionelle Personen Kriminalität verringern, indem von ihnen informelle Sozialkontrolle ausgeht, soll­ ten sie insbesondere auch durch Langzeitbesuche in den Vollzug der Jugendstrafe eingebunden werden. (b) Theorien der kognitiven Transformation Im Vergleich zu Sampson und Laub sind nach Giordano et al. nicht äußere Fak­ toren, sondern vielmehr in der Person stattfindende Transformationen für einen erfolgreichen „Desistance“-Prozess von entscheidender Bedeutung. Nach dem Modell der kognitiven Transformation erfolgt erfolgreiche „Desistance“ in vier Stufen. Als Grundlage einer Veränderung hin zu einem konformen Leben müssen 301

Vgl. Hofinger (2012), S. 6; Bottoms et al. (2004), S. 371 f. Vgl. Sampson / Laub (1993), S. 135 f. 303 Vgl. Sampson / Laub (1993), S. 247 ff. 302

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2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

Personen zunächst eine gewisse Offenheit gegenüber Veränderungen zeigen.304 Neben der Veränderungsbereitschaft müssen zweitens dazu sogenannte „hooks for change“ in der Umwelt dieser Personen vorhanden sein, von denen Veränderungen ausgehen können. Hinsichtlich sozialer Beziehungen kann es sich bei dem Ein­ gehen einer Ehe / Partnerschaft und der Familiengründung um besagte Aufhänger handeln.305 Im Gegensatz zu der Theorie von Sampson und Laub führt nach diesem Ansatz aber nicht allein das Vorhandensein solcher Aufhänger zu einer Lebensver­ änderung. So konnten Giordano et al. zum Beispiel keinen starken Zusammenhang zwischen Heirat und dem Abbruch krimineller Verläufe feststellen. Entscheidend ist nach ihnen vielmehr die Interaktion des Individuums mit seiner Umwelt und die Frage, inwiefern gewisse Aufhänger erkannt werden und wie mit ihnen umge­ gangen wird.306 Drittens müssen sich Betroffene in der neuen Rolle des konformen transformierten Selbst sehen können.307 Die vierte kognitive Veränderung besteht in einer Einstellungsänderung gegenüber den in der Vergangenheit liegenden kri­ minellen Handlungen.308 Da nach der Theorie der kognitiven Transformation für einen erfolgreichen Kri­ minalitätsausstieg Aufhänger in der Umwelt vorhanden sein müssen, von denen Veränderungen ausgehen können, sollten soziale Kontakte, an denen sich Transfor­ mationsprozesse vollziehen können, erweitert insbesondere durch Langzeitbesuch in das Vollzugsleben junger Gefangener eingebunden werden. Auch für Maruna hängt ein erfolgreicher „Desistance“-Prozess von individuel­ len kognitiven Transformationsprozessen ab. In der „Liverpool Desistance Study“ untersuchte er Narrationen von straffälligen Personen, die aktiv kriminelles Ver­ halten („Persisters“) ausführen und ehemals straffälligen Personen, die einen er­ folgreichen „Desistance“-Prozess vollzogen haben („Desisters“). Während sich die „Persisters“ als Opfer ihrer Lebensumstände betrachteten und sich nicht in der Lage sahen, durch eigene Anstrengungen ein „gutes Leben“ zu führen,309 vollzogen die „Desisters“ kognitive Transformationen, die in die Konstruktion eines neuen reformierten Selbst mündeten.310 Der bewusste kognitive Transformationsprozess der „Desisters“, den Maruna als „Making Good“ bezeichnet, setzt sich aus drei Narrationen zusammen, die sich fundamental von den Narrationen der „Persisters“ unterscheiden. Erstens ist für jede „Desistance“-Narration die Etablierung eines „wahren Ichs“ notwendig. „Desister“ befreien ihr „wahres Ich“ von bisherigen Hemmnissen und ihrem alten delinquenten Selbst. Zweitens sind nach Maruna „Desisters“ der Auffassung, selbst Kontrolle über ihr Schicksal – auch als „agency“

304

Vgl. Giordano et al. (2002), S. 1032. Vgl. Giordano et al. (2002), S. 1033. 306 Vgl. Giordano et al. (2002), S. 1001. 307 Vgl. Giordano et al. (2002), S. 1001. 308 Vgl. Giordano et al. (2002), S. 1002. 309 Vgl. Maruna (2001), S. 83. 310 Vgl. Maruna (2001), S. 88. 305

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

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bezeichnet – zu haben. Drittens haben „Desisters“ den Wunsch, produktiv zu sein und der Gesellschaft, insbesondere der Nachfolgegeneration, etwas zurückzuge­ ben. Sie möchten daher den von ihnen angerichteten Schaden wiedergutmachen.311 Hinsichtlich der Bedeutung von Faktoren, die außerhalb des Individuums liegen, zu denen auch soziale Kontakte zählen, führen „Desisters“ zwar ihre Probleme auf Schwierigkeiten in ihrer sozialen Umwelt zurück, internalisieren aber gänz­ lich die Verantwortung, diese Hindernisse zu bewältigen.312 Dementsprechend sehen sich „Desisters“ nicht als passiv durch soziale Mechanismen reformierte Personen, sondern als aktive Unternehmer ihrer eigenen „Desistance“, die, so ihre Einschätzung, auf ihren freien Willen zurückzuführen ist.313 Soziale Beziehungen wie zum Beispiel Partnerschaften werden, wenn auch nicht ursächlich für den er­ folgreichen „Desistance“-Prozess, als hilfreich von „Desisters“ wahrgenommen.314 So können „Desisters“ ihren Wunsch nach gesellschaftlicher Wiedergutmachung durch eigene Kinder realisieren, indem sie aktiv versuchen, dem Nachwuchs eine andere Zukunft zu ermöglichen.315 Da soziale Kontakte von Kriminalitätsaussteigern als hilfreich wahrgenommen werden und somit den „Making Good“ Prozess unterstützen können, spricht aus dieser Perspektive nichts gegen eine erweiterte Einbindung sozialer Kontakte jun­ ger Gefangener durch Langzeitbesuche. (c) Struktur und Individuum im „Desistance“-Prozess Farrall et al. betonen in ihrem Modell die Bedeutung des Zusammenspiels struk­ tureller und individueller Faktoren für den „Desistance“-Prozess. Zum einen werde der Prozess durch Variablen auf der Makroebene beeinflusst. Zur Makro-LevelBeeinflussung zählen (meist unveränderbare) Einflüsse sozialer Institutionen wie u. a. die Familie, durch die Sozialisiationsprozesse erfolgen und die praktische und emotionale Unterstützung für die Familienmitglieder leistet. Weiter zählen hierzu (sich langsam verändernde) Einflüsse wie soziale Werte und Auffassungen von El­ ternschaft oder Heirat. Zuletzt wird der „Desistance“-Prozess auf der Makroebene durch (sich schnell verändernde) schockartige gesellschaftliche Einflüsse wie zum Beispiel Finanzkrisen beeinflusst.316 Auf der Individualebene werden Wege aus der Kriminalität durch Faktoren beeinflusst, die das Geschlecht, die Ethnizität und die Art und Länge der kriminellen Verläufe der Akteure betreffen.317 Die dritte Kom­ ponente in Farralls Modell bilden alltägliche soziale Interaktionen, die wiederum 311

Vgl. Maruna (2001), S. 9, S. 88. Vgl. Maruna (2001), S. 149. 313 Vgl. Maruna (2001), S. 152. 314 Vgl. Maruna (2001), S. 152. 315 Vgl. Maruna (2001), S. 150. 316 Vgl. Farrall et al. (2011), S. 226 f. 317 Vgl. Farrall et al. (2011), S. 228. 312

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2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

in individuelle situationelle Kontexte eingebunden sind und subjektive Sicht­ weisen von Strukturen, Beziehungen und eigenen Fähigkeiten sowie Veränderun­ gen in eigenen Werten (kriminell oder nichtkriminell) und kognitive Veränderungen (Bereitschaft / Wille zur Veränderung) beeinflussen.318 Daneben wird der „Desis­ tance“-Prozess von Erfahrungen beeinflusst, die Personen mit dem Justizsystem gemacht haben. Der Einfluss justizieller Erfahrungen verblasst jedoch mit fort­ schreitender Zeit.319 Ob straffällig gewordene Personen schlussendlich ihre Ziele und Wünsche verwirklichen können, hängt zudem davon ab, ob seriöse Alternativ­ identitäten vorhanden sind und die Gesellschaft ökonomische und soziale Teilhabe zur Verfügung stellt.320 Da nach Farrall et al. soziale Interaktionen nichtkriminelle Werte formen kön­ nen und zu kognitiven Veränderungen beitragen, sollten solche sozialen Beziehun­ gen erweitert durch Langzeitbesuch in den Jugendvollzug eingebunden werden, die junge Gefangenen zu kognitiven Veränderungen anregen und normkonforme Werte vermitteln. Da soziale Interaktionen auch zur Verinnerlichung krimineller Werte führen können, sind Kontakte von jungen Gefangenen, die kriminalitäts­ fördernde Werte vermitteln, eher von Langzeitbesuchen auszuschließen. (4) Soziale Kontakte und Behandlung Einen besonderen Platz nehmen in der kriminologischen Theoretisierung sozia­ ler Kontakte Behandlungsmodelle ein. Während, vereinfacht formuliert, klassische Kriminalitätstheorien Wege in die Kriminalität thematisieren und „Desistance“Theorien Wege aus der Kriminalität zum Gegenstand haben, rücken Behandlungs­ modelle, wie der Begriff verrät, den Aspekt von Behandlung in den Fokus. Unter dem Begriff der Straftäterbehandlung werden im engeren Sinne Maßnahmen ver­ standen, die das Verhalten sowie diesem zugrunde liegende Dispositionen beein­ flussen sollen.321 Hinsichtlich der resozialisierenden Straftäterbehandlung gibt es zwei theoretische Rahmenmodelle322; das Risk-Need-Responsivity-Modell (RNR) von Andrews und Bonta sowie das Good-Lives-Modell (GLM) von Ward. Während das RNR-Modell einen Risiko-Management Ansatz darstellt und empirisch gut belegt ist, kann das GLM als ein umfassenderes Rehabilitationsmodell angesehen werden, zu dem es bisher allerdings eher wenig Forschungsergebnisse gibt.323 Bei der Darstellung beider Modelle wird auch hier der Fokus auf der Bedeutung so­ zialer Kontakte innerhalb der jeweiligen Konzeption liegen.

318

Vgl. Farrall et al. (2011), S. 228. Vgl. Farrall et al. (2011), S. 228. 320 Vgl. Farrall et al. (2011), S. 229. 321 Vgl. Endres / Schwanengel (2015), S. 299. 322 Vgl. Endres / Schwanengel (2015), S. 304. 323 Vgl. Endres / Schwanengel (2015), S. 307 f. 319

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

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Andrews und Bonta entwickelten ausgehend von Metaanalysen das sogenannte RNR-Modell, nach dem sich eine erfolgreiche Behandlung von Straftätern nach den drei Prinzipien „Risk“, „Need“ und „Responsivity“ richten sollte. Grundsätzlich gehen Andrews und Bonta davon aus, dass die Wahrscheinlichkeit erneuter Kri­ minalität anhand von sogenannten Risikofaktoren der zu rehabilitierenden Person vorhergesagt werden kann. Hinsichtlich sozialer Kontakte stellen nach Andrews und Bonta folgende Variablen – auch als „central eight“ bezeichnet – Risikofakto­ ren dar: Vorgeschichte antisozialen Verhaltens, Antisoziale Persönlichkeit, Anti­ soziale Einstellungen, Antisozialer Umgang, Probleme im familiären Bereich, Probleme im Bereich Schule / Arbeit, Freizeitverhalten, Drogen-/Alkoholproblema­ tik.324 Das „Risk“-Prinzip besagt nun, dass die Intensität der Behandlung an das Risiko-Niveau des Straftäters angepasst werden sollte. Dementsprechend sollten nur Straftäter mit einem hohen Risiko intensive und umfangreiche Behandlungen erhalten, da intensive Behandlungen bei Straftätern mit einem geringen Risiko mi­ nimale bis negative Effekte haben.325 Im Sinne des „Need“-Prinzips unterscheiden Andrews und Bonta zwischen kriminogenen Bedürfnissen, die bei einer Verän­ derung die Wahrscheinlichkeit des Rückfalls beeinflussen, und nicht kriminoge­ nen Bedürfnissen, die bei einer Veränderung nur geringen Einfluss auf die Rück­ fallwahrscheinlichkeit haben. Unter Bedürfnissen sind hier aus kriminologischer Perspektive behandlungsbedürftige innerhalb oder außerhalb der Person liegende Mängel zu verstehen. Nach dem „Need“-Prinzip sollten sich demnach Behandlun­ gen, die die Rückfallvermeidung zum Ziel haben, auf die kriminogenen Bedürf­ nisse beziehen, die dynamisch und somit veränderbar sind.326 Nach dem „Respon­ sivity“-Prinzip sollten Behandlungsangebote grundsätzlich zu den Fähigkeiten und Lernstilen der Probanden passen.327 Sozialen Beziehungen kommt im RNRModell insofern Bedeutung zu, als diese Risikofaktoren hinsichtlich kriminellen Verhaltens darstellen können und rehabilitative Behandlungen auf eine Entschär­ fung dieser Risikofaktoren ausgerichtet sein sollten. Demnach sind die Reduzie­ rung antisozialer Kontakte, die Intensivierung prosozialer Kontakte, die Reduzie­ rung familiärer / partnerschaftlicher Konflikte, die Bildung positiver Beziehungen und die Intensivierung familiärer / partnerschaftlicher Überwachung und Kontrolle erfolgsversprechende zwischenzeitliche Ziele bei der Rückfallreduzierung.328 Folglich sollten durch Langzeitbesuche positive soziale Kontakte, von denen Kontrolle und Überwachung ausgehen kann, erweitert in den Vollzug eingebunden werden. Kriminelle Kontakte dagegen gelten im RNR-Modell als Risikofaktoren und wirken demzufolge bei Langzeitbesuchen kontraproduktiv. Da die Besuche unbewacht und mehrstündig erfolgen, können sie jungen Gefangenen und ihren sozialen Umfeldern im Vergleich zu anderen Außenkontakterhaltungsmaßnahmen 324

Vgl. Andrews / Bonta (1998), S. 355. Vgl. Andrews / Bonta (2010), S. 47 f. 326 Vgl. Andrews / Bonta (2010), S. 48 f. 327 Vgl. Andrews / Bonta (2010), S. 49 f. 328 Vgl. Andrews / Bonta (2010), S. 500. 325

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2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

größeren Raum bieten, um angestaute Konflikte bearbeiten und lösen zu können und dadurch zur Reduzierung familiärer / partnerschaftlicher Konflikte beitragen, die im Sinne des RNR-Modells Risikofaktoren darstellen. Die Entwicklung der zweiten einflussreichen Rehabilitationstheorie  – dem GLM329 – erfolgte mit Bezug auf das RNR-Modell. Nach Ward und Maruna weist das RNR-Modell Stärken und Schwächen auf. Demnach habe es nachweislich welt­ weit zu verringerten Rückfallraten und damit größerer Sicherheit für die Gesell­ schaft geführt. Gleichzeitig aber habe es theoretische, praktische und methodische Schwächen.330 Als „verbesserte“ Rehabilitationstheorie integriert das GLM nach Ward und Maruna die Stärken des RNR-Modells und erweitert dessen Kapazität und Umfang.331 Das GLM will vorhandene positive Fähigkeiten und Fertigkeiten des Einzelnen stärken und stellt damit eine Abkehr von Risikofaktoren dar. Grund­ sätzlich beruht es auf der Grundannahme der Positiven Psychologie, dass alle In­ dividuen geneigt sind, bestimmte Erfahrungen zu machen oder die Befriedigung von Grundbedürfnissen erreichen zu wollen. Die Verwirklichung anvisierter in­ dividueller Erfahrungen oder Güter führe zu einem hohen Maß an Wohlbefinden. Demnach komme es zu kriminellen Handlungen, wenn Individuen externe und interne Ressourcen fehlen, um Ziele und Erfahrungen auf eine prosoziale Weise zu erreichen. In Bezug auf soziale Beziehungen gehören zu erstrebenswerten Gütern eines erfüllten Lebens Gemeinschaft und Freundschaften, zu denen auch intime, partnerschaftliche und familiäre Beziehungen zählen. Nach dem GLM wird krimi­ nelles Verhalten reduziert, indem Individuen Wissen, Fähigkeiten, Gelegenheiten und Ressourcen vermittelt bekommen, um ein gutes Leben zu leben, in dem ihre besonderen Präferenzen, Interessen und Werte Berücksichtigung finden.332 Indem man also spezifische Güter und Ziele gefördert werden, werden dynamische Risi­ kofaktoren entfernt oder modifiziert.333 Straftäter rücken, anders formuliert, von kriminellen Handlungen ab, wenn ihnen die Möglichkeit gegeben wird, ein „bes­ serer“ Mensch zu werden und zukünftig ein „besseres“ Leben führen zu können.334 Da nach dem GLM Gemeinschaft, Freundschaften und Partnerschaften einige der Grundbedürfnisse ausmachen, die erfüllt sein müssen, um ein gutes Leben zu führen, sollte das soziale Umfeld junger Gefangener unbedingt erweitert durch Langzeitbesuche eingebunden werden, um ihnen zu ermöglichen, in Zukunft als „bessere Menschen“ ein „besseres Leben“ zu führen.

329

Vgl. Ward / Brown (2004); Ward / Marshall (2004). Vgl. Ward / Maruna (2007), S. 104 f. 331 Vgl. Ward / Maruna (2007), S. 106. 332 Vgl. Ward / Maruna (2007), S. 110 f. 333 Vgl. Ward / Maruna (2007), S. 106. 334 Vgl. Ward / Maruna (2007), S. 111. 330

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

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(5) Zwischenergebnis Während sich Sozialtheorien für die allgemeine Bedeutung und Funktion von sozialen Beziehungen in der Gesellschaft interessieren, betrachten kriminalitätsbehandlungs- und desistancetheoretische Ansätze soziale Beziehungen ausschließ­ lich vor dem Hintergrund, wie Kriminalität entsteht und wie sie endet: Aus sozialtheoretischer Perspektive lassen sich soziale Beziehungen als soziales Kapital verstehen. Wie andere Kapitalsorten auch unterstützt es Menschen bei der Realisierung ihrer Ziele. Da soziale Beziehungen nach einem einmaligen Institu­ tionalisierungsakt nicht automatisch für immer fortbestehen, müssen sie fortlau­ fend gepflegt werden, um den Zugang zu materiellen oder symbolischen Gütern zu ermöglichen.335 Der Langzeitbesuch ermöglicht in diesem Sinne den Erhalt von sozialem Kapital, welches besonders in der Zeit nach der Entlassung eine zentrale Ressource darstellt, die dazu beiträgt, straffrei zu bleiben und sich in die Gesell­ schaft zu integrieren. Aus Sicht der verschiedenen Kriminalitätstheorien ist der Einfluss sozialer Kontakte auf Kriminalität nicht eindeutig zu bestimmen. Es zeigt sich vielmehr, dass ihr Einfluss durch das komplexe Zusammenspiel individueller, situativer und zwischenmenschlicher Faktoren geprägt wird. In der Zusammenschau der zahl­ reichen Kriminalitätstheorien lassen sich daher soziale Kontakte nicht eindeutig als positiv oder negativ bestimmen. Auch die beiden diskutierten Behandlungstheorien – das GLM und das RNRModell – beleuchten den Einfluss sozialer Kontakte mit unterschiedlichen Schwer­ punkten. Beide Theorien betonen die Bedeutung von sozialen Kontakten. Wäh­ rend das RNR-Modell darauf zielt, den Einfluss von Sozialkontakten als eindeutig positiv oder negativ zu bestimmen und diese entsprechend zu fördern bzw. auszu­ schließen, betrachtet das GLM soziale Beziehungen in einem allgemeineren Sinne als Bestandteil eines „guten Lebens“ und lehnt eine eindeutige Bewertung der­ selben ab. Abschließend ist zu sagen, dass die „Desistance“-Theorien zeigen, dass positive soziale Kontakte entscheidende Bedeutung beim Ausstieg aus kriminellen Pha­ sen haben können, indem sie nämlich biographische Wendepunkte und kognitive Transformationen im Leben von kriminellen Personen ermöglichen. In einigen Arbeiten zeigt sich, dass weniger die Qualität des Sozialkontakts als vielmehr die Qualität des kommunikativen Inhalts und die Art der Sozialbeziehung bestimmt, ob ein kriminalitätsfördernder oder -hemmender Effekt beobachtet werden kann.

335

Vgl. Bourdieu (1983), S. 193.

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2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

bb) Soziale Kontakte vor der Gefangenschaft Im Folgenden werden kriminologische Erkenntnisse über den Einfluss sozialer Kontakte auf Entstehung und Fortsetzung von Kriminalität aufgeführt. Die krimi­ nologischen Erkenntnisse resultieren vorwiegend aus Untersuchungen der krimi­ nologischen Lebenslaufforschung, die durch Längsschnittstudien die Entwicklung von Kriminalität über die Lebensspanne bzw. einen bestimmten Zeitraum im Leben der Proband*innen untersuchen und dabei ihren Blick auch auf die Bedeutung so­ zialer Kontakte richten. Darüber hinaus gibt es Ergebnisse aus kriminologischen Querschnittstudien, die ihre Untersuchungen nur auf einen bestimmten Zeitpunkt richten. (1) Das familiäre Umfeld (a) Erziehungsstile Aufgrund der wesentlichen Bedeutung der Familie und insbesondere der Eltern im Leben des Nachwuchses ist der Einfluss von Eltern im Kontext von Delinquenz in zahlreichen Studien untersucht worden. Durchgängig zeigte sich dabei der Zu­ sammenhang zwischen elterlichen Erziehungsstilen und Delinquenzverhalten des Nachwuchses. Mangelnde Einbindung in die Aktivitäten der Kinder,336 erziehe­ rische Inkompetenz,337 wenig Beaufsichtigung und Kontrollausübung,338 wenig Unterstützung,339 Vernachlässigung,340 psychologische Manipulation des Kindes,341 mangelnde Verfügbarkeit342 und inkonsistente, widersprüchliche, harsche, grau­ same, und / oder gewaltsame Erziehungsmethoden343 führen zu kriminellem Ver­ halten im Jugend- und Heranwachsendenalter. Boers und Reinecke stellten fest, dass eine überwiegend gleichgültige oder wi­ dersprüchliche und insbesondere verbietende sowie gewaltsame Erziehung mit Ge­ waltausübungen im Jugendalter in moderatem Maß zusammenhängt.344 Im Kontext

336

Vgl. Hawkins et al. (1999), S. 2; Loeber et al. (1991), S. 79; Farrington / West (1990), S. 128. Vgl. Schmidt et al. (2009), S. 183. 338 Vgl. Meinert (2016), S. 147; Farrington et al. (2013), S. 6; Bottoms / Shapland (2011), S. 52; Barber et al. (2005), S. 116; Beyers et al. (2003), S. 13; Stelly / Thomas (2001), S. 300; Graham / Bowling (1995), S. 14 ff.; Loeber et al. (1991), S. 79; Farrington / West (1990), S. 132. 339 Vgl. Schmidt et al. (2009), S. 183; De Kemp et al. (2006), S. 505. 340 Vgl. Hoeve et al. (2008), S. 229 f.; Beyers et al. (2003), S. 13; Loeber / Loeber-Stouthamer (1986), S. 120 f. 341 Vgl. Barber et al. (2005), S. 114. 342 Vgl. Anderson / Huges (2009), S. 25. 343 Vgl. Felizzi (2015), S. 650; Stelly / Thomas (2001), S. 300; Farrington / West (1990), S. 132; Mischkowitz (1993), S. 174. 344 Vgl. Reinecke / Boers (2007), S. 362. 337

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

97

von Gewalt konnten sowohl quantitative345 als auch qualitative Studien346 einen Zusammenhang zwischen Erziehungserfahrungen (innerfamiliäre Gewalt, Miss­ achtung, Ohnmachtserfahrungen) und späterer (Gewalt-)Kriminalität bzw. abwei­ chendem Verhalten nachweisen. Zudem weiß man, dass Eltern häufiger körperli­ che Erziehungsgewalt ausüben, die in ihrer Kindheit misshandelt oder körperlich gezüchtigt wurden.347 Darüber hinaus hängen mangelnde Beaufsichtigung durch die Eltern und schwa­ che Bindung an diese mit der Entwicklung geringer Selbstkontrolle zusammen,348 die wiederum nach Pratt und Cullen Delinquenz verstärkt.349 Vernachlässigende Erziehungsstile (Abwesenheit sozialer Kontrolle und schwache Bindung) führen zudem dazu, dass sich junge Menschen eher delinquenten Peers anschließen, wo­ durch delinquentes Verhalten wahrscheinlicher wird.350 Des Weiteren erhöhen nach Svensson mangelnde elterliche Beaufsichtigung und Kontrolle die Wahr­ scheinlichkeit, dass Adoleszente Drogen konsumieren.351 Überdies verbringen nach Wikström et al. junge Menschen, die weniger Kontrolle durch erwachsene Per­ sonen erfahren, mehr Zeit in kriminogenen Settings.352 Außerdem besteht für sie ein erhöhtes Risiko, Mitglied in einer Gang zu werden.353 Insgesamt haben Eltern mit mangelhaften Erziehungsstilen und mangelnder Beaufsichtigung tendenziell einen delinquenzfördernden Einfluss auf ihre Kinder. Positive Erziehungsstile dagegen, die sich durch beständige Disziplin, Autorität, den Verzicht auf körperliche Gewalt, geringen elterlichen Stress, die Einbin­dung des Kindes in familiäre Aktivitäten und ein hohes Maß an Kontrolle, Beaufsich­ tigung und Unterstützung auszeichnen, wirken als präventiver Faktor im Zusam­ menhang von Delinquenz.354 Mütter, die selbstbewusst sind, führend agieren und nicht-punitiv sowie liebevoll erziehen, und Väter, die nicht aggressiv sind, in re­ spektvoller Weise mit ihrer Partnerin umgehen und sich insgesamt gut mit ihrer Partnerin verstehen, agieren als Verhaltensvorbilder und verringern die Wahr­ scheinlichkeit von Jugenddelinquenz.355 Nach Walters verringern auch Eltern, die 345

Vgl. Baier / Rehbein (2013), S. 414; Raithel (2003), S. 598; Enzmann / Greve (2001), S. 141; Pfeiffer et al. (1999), S. 39; Wetzels (1997), S. 246. 346 Vgl. Sitzer (2009), S. 229; Sutterlüty (2002), S. 150, S. 181, S. 250 ff. 347 Vgl. Wetzels (1997), S. 246. 348 Vgl. Hay (2001a), S. 725; Lynskey et al., (2000), S. 9 f. 349 Vgl. Pratt / Cullen (2000), S. 951. 350 Vgl. Reinecke et al. (2013), S. 224. 351 Vgl. Svensson (2003), S. 320. 352 Vgl. Wikström et al. (2012), S. 311. 353 Vgl. Haymoz et al. (2014), S. 670; Alleyne / Wood (2014), S. 588. 354 Vgl. Evans et al. (2016), S. 168; Intravia et al. (2012), S. 1194; Worthen (2012), S. 298; Johnson et al. (2011), S. 796; Remschmidt / Walter (2009), S. 205; Farrington et al. (2008), S. 218; Meadows (2007), S. 1156; Barnes et al. (2006), S. 1099 f.; De Kemp et al. (2006), S. 505; Simons et al. (2006), S. 385; Barber et al. (2005), S. 111; Stouthamer-Loeber et al. (2004); Sampson / Laub (1993), S. 122. 355 Vgl. McCord (1991), S. 411 f.; Farrington / West (1990), S. 129.

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2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

ihren Kindern klare Verhaltensregeln aufstellen, den Grund dieser Regeln erklären und sich nicht auf Machtkämpfe mit ihren Kindern einlassen, den Einfluss delin­ quenter Peers auf ihre Kinder.356 Zudem scheint gelingende Erziehung mit der Bildung von Selbstkontrolle in Verbindung zu stehen. Entgegen der im vorangestellten Theorie-Teil dargestellten Annahme der General Theory of Crime, dass Eltern nur in den ersten Lebensjahren die Bildung der Selbstkontrolle befördern, die in den Folgejahren dann konstant bleibt,357 wurde darüber hinaus nachgewiesen, dass elterliche Erziehungsstile auch in den späteren Lebensjahren des Nachwuchses die Selbstkontrolle beeinflussen und die Veränderung von Erziehungsstilen zu einer Veränderung der Selbstkon­ trolle des Nachwuchses führen kann. Demnach unterstützt effektive Erziehung, gekennzeichnet durch ein hohes Maß an Beaufsichtigung, Autorität, klare elterliche Grenzsetzung, Unterstützung und eine gute Eltern-Kind-Beziehung, Entwicklung hoher Selbstkontrolle auch im Jugend- und Heranwachsendenalter.358 Folglich hat nach Meinert und Reinecke elterliche Sozialkontrolle auch im Jugendalter Ein­ fluss auf das Ausmaß an Selbstkontrolle.359 Zudem zeigen Studien, dass effektive Erziehung delinquente Einstellungen und Beziehungen zu delinquenten Peers ver­ ringert.360 Darüber hinaus verringert elterliche Kontrolle über die Freund*innen des Nachwuchses die Wahrscheinlichkeit, dass der Nachwuchs sich delinquente Freund*innen sucht.361 Bernburg und Thorlindsson stellten in diesem Zusammen­ hang fest, dass Eltern, die sowohl die Freund*innen als auch die Eltern dieser Freund*innen kennen, den delinquenzfördernden Einfluss von unbeaufsichtig­ ter Peeraktivität reduzieren.362 Auch Eltern, die ihr Missfallen über delinquente Freund*innen des Nachwuchses ausdrücken, verringern den Einfluss delinquenter Peers.363 Beier kam zu dem Ergebnis, dass Kinder, deren Eltern ihre Freund*innen kennen, weniger gefährdet sind, Diebstähle zu begehen.364 Worthen stellte fest, dass junge Männer, die sich in der mittleren und späten Adoleszenz befinden und ihren Eltern positiv gegenüberstehen, deutlich geringere Neigung zu delinquenten Verhalten entwickeln.365 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die erweiterte Einbindung ins­ besondere durch Langzeitbesuch von Eltern mit mangelhaften Erziehungsstilen

356

Vgl. Walters (2016), S. 420. Vgl. Abschnitt 2. b) aa) (2) (b). 358 Vgl. Janssen et al. (2016), S. 185; Vazsonyi / Belliston (2007), S. 522; Burt / Simons / Simons (2006), S. 378 ff.; Hay / Forrest (2006), S. 761 ff.; Perrone et al. (2004), S. 306. 359 Vgl. Meinert / Reinecke (2018), S. 537. 360 Vgl. Janssen et al. (2016), S. 185; Knoester et al. (2006), S. 1257; Warr (2005), S. 99. 361 Vgl. Beier (2016), S. 61; Tilton-Weaver et al. (2013), S. 2068; Worthen (2012), S. 298; Heimer (1996), S. 57. 362 Vgl. Bernburg / Thorlindsson (2007), S. 438. 363 Vgl. Tilton / Weaver et al. (2013), S. 2068. 364 Vgl. Beier (2016), S. 61. 365 Vgl. Worthen (2012), S. 298 f. 357

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

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delinquenzfördernden Einfluss zur Folge haben kann, während dagegen die Ein­ bindung von erzieherisch kompetenten Eltern Delinquenz hemmen kann. (b) Bindungen an die Eltern Schwache Bindungen an Eltern erhöhen das Risiko von Delinquenz,366 wäh­ rend starke Bindungen dieses verringern.367 Rankin und Kern stellten in diesem Zusammenhang fest, dass eine starke Bindung an beide Eltern Delinquenz stärker verringert als eine starke Bindung an nur ein Elternteil. Sie folgerten daraus, dass es im Zusammenhang mit Delinquenz auf die Anzahl der Bindungen ankommt.368 Smallbone und Dadds untersuchten den Einfluss unterschiedlicher Bindungsaus­ prägungen und kamen zu dem Ergebnis, dass sichere Bindungen an die Eltern in der Kindheit das Ausüben sexualdevianter Handlungen im Heranwachsendenalter verringert, während ängstliche und ablehnende Bindungen an die Eltern die Wahr­ scheinlichkeit solcher Handlungen erhöhen.369 Im Zusammenhang mit dem Konsumieren von Drogen stellten Jensen und Brownfield fest, dass die Bindung an „cleane“ Eltern die Wahrscheinlichkeit von Drogenkonsum verringert. Bindungen an konsumierende Eltern dagegen haben keinen Einfluss auf den Drogenkonsum der Kinder.370 Da die Akzeptanz konventioneller Normen das Risiko von Delinquenz verrin­ gert und die Akzeptanz gewaltbefürwortender Normen das Risiko von Delinquenz erhöht sowie die Bindung an emphatische Eltern wiederum die Akzeptanz kon­ ventioneller Normen befördert und die Akzeptanz gewaltbefürwortender Normen verringert, wirkt die Bindung an Eltern nach Seddig indirekt auf das Delinquenz­ verhalten Jugendlicher.371 Danach weisen Jugendliche mit Wertorientierungen der Kategorie „Tradition und Konformität“ starke Bindung an Eltern auf, während Jugendliche mit Wertorientierungen der Kategorie „Hedonismus und Deprivation“ schwache Bindung zu ihren Eltern haben. Daher fungieren Eltern vor allem für Jugendliche mit der Wertorientierung „Tradition / Konformität“ als Vorbilder für normative Konzepte und Verhaltensweisen.372 Nach Warr verringert überdies die Zeit, die Jugendliche mit ihren Eltern verbringen, die Wirkung von Peereinflüssen, da Bindungen an die Eltern indirekt auf Delinquenz wirken, indem sie Freund­ schaftsanbahnungen zu delinquenten Peers unterbinden können.373 Auch in einer 366

Vgl. Bottoms / Shapland (2011), S. 52; Stelly / Thomas (2001), S. 300; Sampson / Laub (1993), S. 122, S. 248. 367 Vgl. Stelly / Thomas (2001), S. 300. 368 Vgl. Rankin / Kern (1994), S. 510. 369 Vgl. Smallbone / Dadds (2000), S. 8. 370 Vgl. Jensen / Brownfield (1983), S. 551. 371 Vgl. Seddig (2014), S. 260 f. 372 Vgl. Seddig (2014), S. 259 f. 373 Vgl. Warr (2005), S. 99; Warr (1993), S. 258.

100

2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

Metaanalyse von Studien, die den Zusammenhang von Bindungen an die Eltern und Delinquenz untersuchten, stellten Hoeve et al. fest, dass mangelnde Bindung an die Eltern mit erhöhter Delinquenz zusammenhängt. Dabei ist für Mädchen die Bindung an die Mutter und für Jungen die Bindung an den Vater in besonderem Maße ausschlaggebend. Zudem stellten sie fest, dass der elterliche Einfluss auf Delinquenz in Form von Bindung mit zunehmendem Alter der Kinder abnimmt.374 Insgesamt also weisen Bindungs-Studien deutlich in die Richtung, dass die Stär­ kung sozialer Bindungen durch Langzeitbesuch zur Realisierung des Vollzugsziel Rückfallfreiheit beiträgt. (c) Beziehungsqualität zwischen Eltern und Nachwuchs Ganem und Agnew fanden in ihrer Studie heraus, dass gute Beziehungen zwi­ schen Kindern und Eltern Delinquenz eher verringern, während problematische Beziehungen Delinquenz verstärken.375 Nach Worthen haben Jungen, die sich in der Phase der mittleren und späten Adoleszenz befinden und eine positive Einstellun­ gen ihren Eltern gegenüber haben, ein geringeres Risiko, delinquente Handlungen auszuführen.376 Zudem untersuchten Studien die Rolle von Eltern im Kontext der „Reintegra­ tive Shaming Theorie“ nach Braithwaite,377 nach der „reintegrierende Beschä­ mung“ abweichendes Verhalten in Beziehungen reduziert, die von hoher Inter­ dependenz geprägt sind.378 In diesem Zusammenhang konnte Hay bestätigen, dass in Eltern-Kind-Beziehungen von hoher Interdependenz „reintegrierende Be­ schämung“ häufiger Anwendung findet.379 Losoncz und Tyson kamen anders als Hay, der Beschämung an sich, unabhängig von der Variable „Reintegration“, als delinquenzmindernd nachwies,380 und anders als Zhang und Zhang, die keinen Zu­ sammenhang zwischen „reintegrativer Beschämung“ und Raubdelikten feststellen konnte,381 zu dem Ergebnis, dass „stigmatisierende Beschämung“ die Neigung zu Delinquenz verstärkt und „reintegrierende Beschämung“ den gegentei­ligen Ein­ fluss hat.382 Zudem wurde festgestellt, dass Jugendliche eher delinquentes Verhal­ ten fortsetzten, wenn ihrer Ansicht nach ihre Eltern ein negatives Bild von ihnen hatten.383 374

Vgl. Hoeve et al. (2012), S. 778, S. 780. Vgl. Ganem / Agnew (2007), S. 640. 376 Vgl. Worthen (2012), S. 298. 377 Vgl. Abschnitt 2. b) aa) (2) (e). 378 Vgl. Makkai / Braithwaite (1994), S. 379. 379 Vgl. Hay (2001), S. 147. 380 Vgl. Hay (2001), S. 147 f. 381 Vgl. Zhang / Zhang (2004), S. 447. 382 Vgl. Losoncz / Tyson (2007), 174. 383 Vgl. Smith / Brame (1994), S. 624. 375

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

101

(d) Familiärer Hintergrund und Kriminalität Studien konnten einen Zusammenhang von erlebter Kindesmisshandlung in der Familie und dem Ausführen delinquenter Handlungen,384 wie insbesondere Gewalt­ taten,385 Drogenmissbrauch386 und Sexualdelikte,387 im Jugend- und Heranwachsen­ denalter nachweisen. Zudem besteht für Kinder, die früh Erfahrungen mit familiärer Gewalt machen mussten, ein erhöhtes Risiko, im Jugend- und Heranwachsendenal­ ter delinquentes Verhalten in Form von Gewalt und Eigentumsdelikten zu zeigen.388 Im Zusammenhang mit erlebten Misshandlungen stellten Mersky et al. fest, dass auch in der Phase der Adoleszenz erlebte Misshandlungen Delinquenz zur Folge haben können.389 Weiter belegen Studien einen Zusammenhang zwischen Familienstruktur und Delinquenz. Kinder, die in „broken homes“ aufwachsen, sind einem deutlich hö­ heren Risiko ausgesetzt, im Erwachsenenalter wegen einer Gewalttat verurteilt zu werden.390 Darüber hinaus besteht für die Jugendlichen ein höheres Risiko von Delinquenz, die mit einem alleinerziehenden Elternteil aufwachsen.391 In diesem Zusammenhang stellten Van de Weijer et al. fest, dass elterliche Scheidungen nur das Ausführen nicht-gewalttätiger Straftaten und nicht das Ausführen gewalttätiger Straftaten in erhöhtem Maß zur Folge haben.392 Andere Studien konnten zeigen, dass ein hoher sozioökonomischer Status der Familie das Risiko von Delinquenz verringert, während ein geringer sozioökonomischer Status das Risiko von De­ linquenz erhöht.393 Galloway und Skardhamer konnten in ihrer Studie diesen Zu­ sammenhang bestätigen, stellten aber fest, dass akademische Familienressourcen im Vergleich zu monetären Familienressourcen einen größeren Einfluss haben.394 Göppinger stellte fest, dass Personen mit familiären Belastungen wie schwierigen (sozio-)ökonomischen Bedingungen, sozialer bzw. strafrechtlicher Auffälligkeit einer Erziehungsperson oder mangelnder Kontrolle, in der Folge ein erhöhtes Ri­ siko mehrfacher Straffälligkeit haben.395 In Bezug auf Einflüsse formaler Familienstrukturen ist nach Sampson und Laub allerdings zu beachten, dass diese Faktoren nicht direkt wirken und somit nicht

384

Vgl. Remschmidt / Walter (2009), S. 205; Smith / Thornberry (1995), S. 468. Vgl. Farrington et al. (2008), S. 218; Lansford et al. (2007), S. 241; Hawkins et al. (1999), S. 2. 386 Vgl. Lo / Cheng (2007), S. 144. 387 Vgl. Felizzi (2015), S. 650. 388 Vgl. Yexley et al. (2002), S. 716; Enzmann / Greeve (2001), S. 141. 389 Vgl. Mersky et al. (2012), S. 309. 390 Vgl. Theobald et al. (2013), S. 49. 391 Vgl. Evans et al. (2016), S. 168; Remschmidt / Walter (2009), S. 205. 392 Vgl. Van de Weijer et al. (2015), S. 102. 393 Vgl. Remschmidt / Walter (2009), S. 205; Loeber et al. (2008), S. 184 f. 394 Vgl. Galloway / Skardhamer (2010), S. 437. 395 Vgl. Göppinger (1983), S. 171. 385

102

2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

zwingend die Wahrscheinlichkeit von Delinquenz erhöhen. Vielmehr wirken sie nach der sogenannten Mediatisierungsthese indirekt, indem sie die Bindungen zu gesellschaftlichen Kontrollinstanzen wie Eltern und Schule schwächen.396 Diesen Befund konnte Dolde bestätigen, indem sie in ihrer Studie herausarbeitete, dass eben nicht die formale Familienstruktur entscheidend ist, sondern die funktiona­ len Aspekte der familiären Interaktion. Danach sind Zusammenhänge mit delin­ quenten Entwicklungen erst zu erwarten, wenn als Folge des „broken home“ die innerfamiliäre soziale Kontrolle beeinträchtigt ist.397 Weiter stellte Dolde fest, dass ein niedriger sozioökonomischer Status der Herkunftsfamilie und problematische familiäre Interaktionsformen das Risiko von sozialen Auffälligkeiten und einem frühen Beginn delinquenter Verläufe erhöhen.398 Zu ähnlichen Befunden kamen auch Stelly et al. Nach ihren Erkenntnissen wirkten strukturelle Hintergrundfak­ toren der Herkunftsfamilie nur dann kriminalitätsfördernd, wenn sie familiäre Interaktionen (Erziehungsstil, Beaufsichtigung, Bindung) negativ beeinflussten.399 Insgesamt zeigen Studien, dass „problematische“ familiäre Hintergründe zu Delinquenz führen können und somit ihre Einbindung die Realisierung künfti­ ger Straffreiheit erschweren kann. Da jedoch, wie Laub und Sampson (2003) für die USA und Stelly et al. (2001) sowie Dolde (1978) für Deutschland zeigen, Fa­ milienstrukturen Delinquenz indirekt beeinflussen, kann angenommen werden, dass die Einbindung problematischer Familienstrukturen nur dann Delinquenz be­günstigt, wenn aufgrund der Familienstruktur auch familiäre Interkationen ge­ stört sind. Überdies kann man davon ausgehen, dass die Institution Familie als soziales Kapital Delinquenz mindernden Einfluss hat.400 Nach Sampson und Laub führen soziale Beziehungen im Erwachsenenalter, die sich durch soziales Kapital aus­ zeichnen, zu gegenseitigen Verpflichtungen und verstärken die Basis informeller sozialer Kontrolle, was wiederum die Gefahr kriminellen Verhaltens verringert.401 Wright et al. übertrugen das Konzept des sozialen Kapitals auf den Untersu­ chungsgegenstand der Jugenddelinquenz und fanden in ihrer Studie heraus, dass Jugendliche mit familiärem Sozialkapital eher delinquenzablehnende Einstellun­ gen internalisieren, bessere schulische Leistungen erzielen und weniger Freund­ schaften mit delinquenten Personen schließen. Familiäres Kapital erzeugt darüber hinaus andere Formen sozialen Kapitals, wirkt delinquenzhemmend und führt zu prosozialen Entwicklungen im Erwachsenenalter.402 Nakhaie und Sakko stellten in diesem Zusammenhang fest, dass nicht nur direktes soziales Kapital, sondern

396

Vgl. Laub / Sampson (2003), S. 305 ff. Vgl. Dolde (1978), S. 358. 398 Vgl. Dolde (1978), S. 364. 399 Vgl. Stelly et al. (2003), S. 121. 400 Vgl. Abschnitt 2. b) aa) (1). 401 Vgl. Sampson / Laub (1993), S. 18, S. 220. 402 Vgl. Wright et al. (2001), S. 7. 397

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

103

auch indirektes soziales Kapital der Eltern delinquenzverringernd wirkt.403 Sickles und Williams arbeiteten in ihrer Studie heraus, dass Personen, die weniger sozia­ les Kapital durch ihre Eltern erbten, eher kriminelle Verläufe fortsetzen. Kürzere kriminelle Verläufe dagegen seien durch einen hohen Bestand an vererbtem So­ zialkapital erklärbar.404 Nach Meyer wirkt darüber hinaus eine stabile Familien­ struktur als Sozialkapitalquelle präventiv hinsichtlich Delinquenz.405 Insgesamt zeigen kriminologische Befunde, dass familiäres Sozialkapital die Wahrscheinlichkeit von abweichendem Verhalten reduziert. Demzufolge sollte fa­ miliäres Sozialkapital während der Gefangenschaft auch durch Langzeitbesuche aufrechterhalten und gestärkt werden. (e) Kriminalität innerhalb der Familie Studien zeigen, dass die Dichte an delinquenten Personen in einigen Familien, auch intergenerational, besonders hoch ist.406 Dabei handelt es sich um ein kultur­ übergreifendes Phänomen.407 Farrington stellte fest, dass, wenn ein Familienmit­ glied verhaftet wurde, die Wahrscheinlichkeit besonders hoch ist, dass ein weiterer Verwandter verhaftet wurde.408 Die Wahrscheinlichkeit verurteilt zu werden, ist für Kinder von verurteilten Eltern besonders hoch.409 Bei Kindern von gefangenen Eltern liegt zudem ein deutlich erhöhtes Risiko vor, sich im Jugend- und Erwach­ senenalter delinquent und antisozial zu verhalten.410 Bottoms und Shapland kamen für junge Delinquente, die sich in der Phase der Postadoleszenz befinden, zu dem Ergebnis, dass elterliche Kriminalität in Kindheit und Jugend die Gefahr von de­ linquentem Verhalten über die Lebensspanne erhöht.411 Nach Yonai et al. haben diejenigen Jugendlichen ein erhöhtes Risiko bezüglich persistenter Kriminalität, deren Eltern oder Geschwister während ihrer Kindheit oder Adoleszenz im Gefäng­ nis waren.412 Thornberry fand heraus, dass antisoziales Verhalten einer Generation delinquentes Verhalten der nachfolgenden Generation nur erwarten lässt, wenn die nachfolgende Generation Kontakt zu ihr hat.413 Im Hinblick auf die Frage, weshalb die Dichte an kriminellen Personen in eini­ gen Familien besonders hoch ist, gibt es verschiedene Erklärungsansätze, die 403

Vgl. Nakhaie / Sakko (2009), S. 398. Vgl. Sickles / Wiliams (2003), S. 26. 405 Vgl. Meyer (2007), S. 200. 406 Vgl. Beaver (2013), S. 151; Junger et al. (2013), S. 125; Thornberry (2009), S. 310; Moffitt / Caspi (2003) S. 109 ff.; Farrington et al. (2001), S. 592. 407 Vgl. Van de Weijer et al. (2014), S. 116. 408 Vgl. Farrington et al. (2001), S. 593. 409 Vgl. Besemer et al. (2013), S. 449; Farrington et al. (2001), S. 593. 410 Vgl. Murray et al. (2012), S. 282; Murray / Farrington (2005), S. 1276. 411 Vgl. Bottoms / Shapland (2011), S. 52. 412 Vgl. Yonai et al. (2015), S. 942. 413 Vgl. Thornberry (2009), S. 310. 404

104

2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

entweder genetische Einflüsse414 oder Einflüsse aus der Umwelt wie Lern- und Labelingprozesse415 zum Gegenstand haben. Insgesamt kann wohl im Sinne eines Anlage-Umwelt-Ansatzes davon ausgegangen werden, dass antisoziales Verhalten in Kindheit und Adoleszenz und im Erwachsenenstadium nicht monokausal er­ klärbar ist, sondern durch ein Zusammenspiel genetischer Faktoren und Faktoren aus der Umwelt beeinflusst wird.416 Darüber hinaus stellte Farrington fest, dass die Größe der Familie (mehr als vier Geschwister) antisoziales Verhalten sowie die Anzahl von Verurteilungen in der Adoleszenz erhöht, insofern also mehr Geschwister mit einem höheren Risiko zusammenhängen.417 Graham und Bowling fanden heraus, dass Geschwister, die Probleme mit der Polizei haben, Einfluss haben auf die Delinquenz weiterer Ge­ schwister im Jugend- und Heranwachsendenalter.418 Des Weiteren ist für jüngere Geschwister die Wahrscheinlichkeit von Delinquenz größer, wenn ein älteres Geschwister­k ind delinquent ist.419 Generell gilt, dass Geschwister sich in ihrem De­ linquenzverhalten ähneln und beeinflussen.420 Nach Lauritsen ist danach die Wahr­ scheinlichkeit für Brüder von Intensivtätern besonders hoch, selber Intensivtäter zu werden.421 Rowe und Gulley stellten fest, dass Geschwister sich in ihrem Delin­ quenzverhalten ähneln, die viel Zeit miteinander verbringen, sich emotional nahe stehen und die gleichen Freund*innen haben.422 Eriksson et al. verweisen darauf, dass sich insbesondere Geschwister ähnlichen Alters in ihrem Delinquenzverhalten ähneln.423 Nach Beaver erhöht sich die Wahrscheinlichkeit für ein Geschwisterkind, ähnlich Sanktionen zu erhalten wie Geschwister, die bereits mehr als einmal ver­ haftet, zu einer Bewährungsstrafe oder einer Gefängnisstrafe verurteilt wurden.424 Insgesamt zeigt sich, dass Angehörige, die kriminelles Verhalten ausführen, Delinquenz fördernden Einfluss haben und ihre Einbindung durch Langzeitbe­ such hinsichtlich des Vollzugsziels Rückfallfreiheit kontraproduktive Wirkung entfalten kann.

414

Van de Weijer et al. (2014), S. 116; Tarantino et al. (2014), S. 673; Frisell et al. (2011), S. 102; Wright et al. (2008), S. 561; Burt et al. (2006), S. 1297; Hicks et al. (2004), S. 926; Rhee / Waldmann (2002), S. 516; Foley et al. (2001), S. 389; Pike et al. (1996), S. 701; Cadoret et al. (1990), S. 235; Mednick et al. (1984), S. 893. 415 Vgl. Murray et al. (2012), S. 284; Farrington et al. (2001), S. 593 ff. 416 Vgl. Van de Weijer et al. (2015), S. 103; Tuvblad et al. (2011), S. 637; Rhee / Waldmann (2007), S. 87; Thornberry et al. (2003), S. 281; Arseneault et al. (2003), S. 842; Taylor et al. (2000), S. 439; Slutske et al. (1997), S. 266 ff.; Lyons et al. (1995), S. 906 ff. 417 Vgl. Farrington (1993), S. 15 f. 418 Vgl. Graham / Bowling (1995), S. 48. 419 Vgl. Craine et al. (2009), S. 441; Slomkowski et al. (2001), S. 279. 420 Vgl. Fagan / Najman (2003), S. 555. 421 Vgl. Lauritsen (1993), S. 405. 422 Vgl. Rowe / Gulley (1992), S. 229. 423 Vgl. Eriksson et al. (2016), S. 254. 424 Vgl. Beaver (2013), S. 152.

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

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(2) Peers Im Hinblick auf Delinquenz versteht man unter der Gleichaltrigengruppe Ak­ teure mit ambivalenten Einflüssen. Grundsätzlich haben sie in der Phase der Ado­ leszenz einen größeren Einfluss als im Erwachsenenalter.425 Während vor der Pu­ bertät delinquente Peers nicht von Bedeutung sind, vollzieht sich in der Phase der Adoleszenz eine rasche Veränderung, indem sie wesentlich an Bedeutung gewin­ nen,426 während Bindungen an Eltern schwächer werden.427 Festzustellen ist, dass die meisten delinquenten Handlungen in Gruppen mit etwa Gleichaltrigen begangen werden.428 Ohder konnte durch eine Analyse poli­ zeilicher Unterlagen und einer Befragung von Praktiker*innen in Berlin zeigen, dass die meisten Gewaltstraftaten Jugendlicher und Heranwachsender gemein­ schaftlich in Form von vorübergehenden Zusammenschlüssen, Cliquen oder fes­ ten Gangs begangen werden.429 Während nach Warr die Tatausführung oftmals in kleineren Gruppen erfolgt, verfügen delinquente Personen häufig über ein größeres Netzwerk an Komplizen, das sich proportional zur Delinquenzfrequenz verhält.430 Reiss und Farrington beobachteten, dass Komplizen oftmals in derselben Nach­ barschaft wohnen.431 Nach Stelly und Thomas gehen Straftaten von Jugendlichen oft aus der Peergroup hervor, die für Jugendliche mit erheblichen innerfamiliären Belastungen als Familienersatz dient und in der Anerkennung und Selbstbestäti­ gung gesucht werden.432 Neben der Tatsache, dass Delinquenz oftmals ein Gruppenphänomen ist, bele­ gen Studien, dass delinquente Peers eine verstärkende Wirkung auf verschiedene Typen von Delinquenz433 und den Konsum von Drogen434 haben. Thomas verwies im gleichen Kontext darauf, dass die Variation der Spezialisierung in Delikte wie Gewalttaten, Diebstahl und Drogenkonsum von der Variation der Deliktspeziali­ sierung in der Peergroup vorauszusagen ist.435 Nach Beier sind Peer-Einflüsse kon­ textgebunden. Wenn also ein adoleszenter Freund zuhause stiehlt, ist demnach die 425

Vgl. Steinberg / Monahan (2007), S. 1531. Vgl. Warr (2002), S. 96. 427 Vgl. Childs et al. (2010), S. 84. 428 Vgl. Arnis (2016), S. 164; Van Mastrigt / Farrington (2009), S. 562 f.; Warr (1996), S. 33. 429 Vgl. Ohder (1992), S. 127. 430 Vgl. Warr (1996), S. 33. 431 Vgl. Reiss / Farrington (1991), S. 394. 432 Vgl. Stelly / Thomas (2006), S. 48. 433 Vgl. Evans et al. (2016), S. 167; Bentrup (2014), S. 263; Sullivan (2014), S. 115; Worthen (2012), S. 299; Barnes et al. (2011), S. 704 f.; Childs et al. (2010), S. 84; Remschmidt / Walter (2010), S. 477; Boers et al. (2009), S. 285; Wanner et al. (2009), S. 100; Loeber et al. (2007), S. 884; Meyer (2007); Haynie / Osgood (2005), S. 1125; Piquero et al. (2005), S. 269; Lacourse et al. (2003), S. 194; Stelly et al. (2003), S. 56 ff.; Graham / Bowling (1995), S. 48; Huizinga et al. (1991), S. 100; Loeber et al. (1991), S. 79. 434 Vgl. Brook et al. (2011), S. 258; Svensson (2003), S. 321. 435 Vgl. Thomas (2015), S. 301. 426

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2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

Wahrscheinlichkeit für besagten Jugendlichen groß, das Gleiche bei sich zuhause zu tun. Dasselbe Phänomen konnte Beier für die Bereiche Schule und Geschäfte nachweisen. Peer-Straftaten in sich unterscheidenden Kontexten dagegen haben keinen Einfluss.436 Pfeiffer et al. wiesen nach, dass Jugendliche ihre Cliquen pas­ send zu ihrer familiären Biographie wählen, und die Clique oftmals zur Tradierung und Verfestigung von Gewaltbereitschaft beiträgt.437 Da Jugendliche nicht selten in der Peergroup an ihre vorgängige Delinquenz anschließen, ist nach Tschöke der Zusammenschluss zur Peergroup nicht zwingend als Auslöser von Delinquenz zu werten, sondern eher als Mittel zur Delinquenzeffektivierung anzusehen.438 Stelly und Thomas stellten fest, dass enge Bindungen an delinquente Peers Bindungen an konventionelle Institutionen wie Familie und Schule schwächen.439 Nach Bentrup haben Personen mit delinquenten Freundeskreisen durchweg einen niedrigeren Grad an Norminternalisierung, rechnen weniger mit negativen Reaktionen auf delinquentes Verhalten und weisen dadurch eine stärker delinquenzbefürwortende Einstellung auf.440 Zudem scheinen delinquente Peers einen Einfluss auf die Selbstkontrolle Ado­ leszenter zu haben. Meldrum et al. verwiesen darauf, dass entgegen der Annahme, bei der Selbstkontrolle handele es sich nach der Bildung in den ersten Lebensjahren um einen relativ konstanten Wert,441 tatsächlich mit Zunahme der Peerdelinquenz eine Abnahme der Selbstkontrolle einhergeht und somit Variationen des Grades an Selbstkontrolle während der Phase der Adoleszenz durch eine Variation an Peerde­ linquenz bedingt sind.442 In Anlehnung an labelingtheoretische Ansätze443 wiesen Rocheleau und Chavez darauf hin, dass Adoleszente mit devianten Peernetzwerken im Vergleich zu solchen mit normkonformen Freundeskreisen eher durch Eltern informell und durch die Schule formell als deviant etikettiert werden. Dabei hat es keinen Einfluss auf die Etikettierung, ob der Heranwachsende tatsächlich selber deviante Handlungen ausführt.444 Zhang und Zhang kamen in Anlehnung an An­ nahmen der „reintegrativen Beschämung“445 zu der Schlussfolgerung, dass Peers, die vergeben und reintegrieren, einen delinquenzfördernden Einfluss in der Phase der Adoleszenz haben.446 Delinquenzsteigernde Einflüsse von Peers lassen sich lerntheoretisch erfassen.447 So stellte Bruinsma fest, dass der positive Einfluss devianter Freund*innen auf be­ 436

Vgl. Beier (2016), S. 63 f. Vgl. Pfeiffer et al. (1999), S. 39. 438 Vgl. Tschöke (2003), S. 86. 439 Vgl. Stelly / Thomas (2005), S. 258. 440 Vgl. Bentrup (2014), S. 263. 441 Vgl. Abschnitt 2. b) aa) (2) (b). 442 Vgl. Meldrum et al. (2012), S. 459. 443 Vgl. Abschnitt 2. b) aa) (2) (f). 444 Vgl. Rocheleau / Chavez (2015), S. 181. 445 Vgl. Abschnitt 2. b) aa) (2) (e). 446 Vgl. Zhan / Zhang (2004), S. 447. 447 Vgl. Abschnitt 2. b) aa) (2) (c). 437

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

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fürwortende Einstellungen gegenüber Delinquenz mit der Kontakthäufigkeit zu devianten Freund*innen zunimmt. Zudem ist, so Bruinsma, ihr Einfluss umso stär­ ker, je mehr sich der Adoleszente mit der Peergroup identifiziert.448 Im Gegensatz zur bereits präsentierten lerntheoretischen Annahme, dass nur die Einstellungen von Peers Einfluss auf Einstellungen von Personen und somit indirekt auf delin­ quentes Verhalten haben,449 zeigt sich, dass auch das Verhalten von Peers Einfluss auf das Verhalten der betreffenden Personen ausübt.450 Während der Interaktion mit delinquenten Peers werden also delinquente Verhaltensweisen durch die delin­ quente Clique bekräftigt und delinquentes Verhalten wird imitiert.451 Welche der beiden Variablen „Verhalten“ oder „Einstellungen“ delinquentes Verhalten stärker beeinflusst, bleibt unklar: Warr und Stafford sowie Brauer und De Coster gehen da­ von aus, dass delinquentes Verhalten von Peers einen wesentlich größeren Einfluss hat als die Einstellungen delinquenter Peers.452 Megens und Weerman dagegen ka­ men zu dem Ergebnis, dass es die Einstellungen delinquenter Peers sind, die den größeren Einfluss auf Delinquenz haben. Zudem führe, entgegen der Annahme von Warr und Stafford, nach der die Kombination aus Verhalten und Einstellun­ gen erhöhte Delinquenz bedingt, die Kombination nicht zu erhöhter Delinquenz. Beide Variablen werden vielmehr als alternative Quellen für die vorherrschenden Normen der Peers gesehen. Dementsprechend verliert nach Megens und Weerman in Konstellationen, in denen eine der beiden Variablen eine delinquente Richtung annimmt, die andere Variable an Bedeutung.453 Während klassisch lerntheoretische Ansätze davon ausgehen, dass Lernpro­ zesse von delinquenten Peers einen gewissen Grad an Intimität der Beziehungen voraussetzen,454 was Brauer und De Coster in ihrer Untersuchung bestätigten,455 konnten Haynie und Osgood einen positiven Einfluss delinquenter Peers auf De­ linquenz unabhängig von der Stärke der Bindung zwischen Individuum und Peers nachweisen.456 Auch Stelly und Thomas konnten in ihrer Untersuchung keinen Zu­ sammenhang zwischen schwerer Jugendkriminalität und engen Beziehungen mit Peers feststellen, was ihrer Ansicht nach gegen rein lerntheoretische Erklärungen der Wirkungsweise delinquenter Peers spricht.457 Seddig sieht die Peergroup als einen Zusammenschluss Gleichgesinnter auf der Suche nach Spaß, Konsum und Aufregung. Gemeinsames delinquentes Verhalten wird bei ihm als ein Resultat von Gruppendynamiken verstanden. Zudem bildet nach Seddig der Freundeskreis die kommunikative Lernumwelt für den Erwerb 448

Vgl. Bruinsma (1992), S. 46. Vgl. Abschnitt 2. b) aa) (2) (c). 450 Vgl. Brauer / De Coster (2015), S. 360; Warr / Stafford (1991), S. 862. 451 Vgl. Tedor (2015), S. 240. 452 Vgl. Brauer / De Coster (2015), S. 360; Warr / Stafford (1991), S. 862. 453 Vgl. Megens / Weerman (2012), S. 434 f. 454 Vgl. Abschnitt 2. b) aa) (2) (c). 455 Vgl. Brauer / De Coster (2015), S. 360. 456 Vgl. Haynie / Osgood (2005), S. 1124. 457 Vgl. Stelly / Thomas (2005), S. 258. 449

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2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

und die Bekräftigung gewaltbefürwortender Normen und senkt somit individuelle Abneigungen gegen delinquentes Verhalten.458 Er verweist weiter darauf, dass am Ende der Adoleszenz Peer-Dynamiken einen stärkeren Einfluss auf gewalttätiges Verhalten als in der Peergroup erlernte gewaltbefürwortende Normen haben.459 Rebellon kam zu dem Ergebnis, dass Personen, die delinquent sind, die Aufmerk­ samkeit von anderen Peers auf sich ziehen. Dieses Phänomen bleibt von anderen jungen Menschen nicht unbemerkt, was sie ihrerseits zu delinquenten Handlungen verleitet, um auch die Aufmerksamkeit der Peers auch auf sich ziehen zu können.460 Zusammenfassend lässt sich formulieren, dass delinquente Peers, wie der For­ schungsstand deutlich ausweist, delinquenzfördernden Einfluss haben, indem sie u. a. als Lernumwelt für junge Menschen in Erscheinung treten. Zu bedenken ist allerdings, dass Einflüsse von delinquenten Peers auch von si­ tuativen und persönlichen Faktoren abhängen können. Nach Svensson und Ober­ wittler ist aus situativer Perspektive nicht allein der Kontakt zu Peers für delin­ quentes Verhalten entscheidend, sondern vielmehr die Frage, wo und wie die Zeit mit Freund*innen verbracht wird.461 Dementsprechend stellten Studien hier einen starken Zusammenhang zwischen unstrukturierter Freizeitgestaltung mit Peers462 ohne Kontrolle durch Autoritätspersonen463 und Delinquenz fest.464 Dieser Effekt ist nach Bernburg und Thorlindsson stärker ausgeprägt in Nachbarschaften, die sich durch eine hohe soziale Instabilität auszeichnen.465 Im Sinne der „Situational Action Theory“466 hängt der positive Einfluss kriminogener Settings wie unstruk­ turiertes und unkontrolliertes Abhängen mit vor allem delinquenten Peers abends bzw. unter der Woche von der kriminellen Neigung der betreffenden Person ab. Demnach sind Individuen, die eine delinquenzablehndende Moral und ein hohes Maß an Selbstkontrolle aufweisen, in bestimmten Situationen immun gegen Ein­ flüsse kriminogener Settings. Personen mit einer für Delinquenz empfänglichen Moral und geringer Selbstkontrolle sind dagegen eher situationell anfällig für kri­ minogene Settings. Ob also Peers in kriminogenen Settings Tendenzen zur De­ linquenz verstärken, hängt vom Wechselspiel zwischen krimineller Neigung und kriminogenem Setting ab.467 Aus situativer Perspektive folgt also, dass Peers nicht zwingend delinquenzfördernde Einflüsse haben. 458

Vgl. Seddig (2014), S. 264; Seddig (2014a), S. 334. Vgl. Seddig (2014a), S. 334 f. 460 Vgl. Rebellon (2006), S. 403. 461 Vgl. Svensson / Oberwittler (2010), S. 1011. 462 Vgl. Haymoz et al. (2014), S. 675; Maimon / Browning (2010), S. 466 f.; Osgood / Anderson (2004), S. 541 f.; Flannery et al. (1999), S. 251. 463 Vgl. Bernburg / Thorlindsson (2007), S. 438. 464 Vgl. Svensson / Oberwittler (2010), S. 1011; Anderson / Hughes (2009), S. 25; Osgood et al. (1996), S. 651. 465 Vgl. Bernburg / Thorlindsson (2007), S. 438. 466 Vgl. Abschnitt 2. b) aa) (2) (g). 467 Vgl. Gerstner / Oberwittler (2015), S. 222; Wikström et al. (2012), S. 157 f.; Wikström et al. (2010), S. 81. 459

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

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Des Weiteren haben Studien Wertorientierungen junger Menschen in Bezug auf Peereinflüsse miteinbezogen. Junge Menschen mit hedonistischen Wertorientie­ rungen suchen eher den Kontakt zu delinquenten Peers mit gleicher, gewaltbe­ jahender normativer Orientierung, während Jugendliche mit traditioneller Wert­ orientierung und / oder einem bildungsnahen Hintergrund delinquente Peers und gewaltbejahende Normen zurückweisen.468 Gerade für Heranwachsende mit hedo­ nistischer Wertorientierung bilden eine Gruppe gewalttätiger Peers den Lernort für die Akzeptanz gewaltbejahender Normen und Gewaltdelinquenz. So führt nach Seddig eine hedonistische Wertorientierung gekoppelt an die Bindung zu delinquenten Peers sowie die Ablehnung konventioneller Rechtsnormen zu erhöh­ ter Delinquenz.469 Des Weiteren haben Studien einen Zusammenhang zwischen den Variablen „Selbstkontrolle“ und „delinquente Peers“ festgestellt. So suchen sich Personen mit einer geringeren Selbstkontrolle eher Freundschaften zu delin­ quenten Personen.470 Zudem wurde festgestellt, dass Personen mit einer geringen Selbstkontrolle deutlich empfänglicher für negative Einflüsse delinquenter Peers sind.471 Auch Meldrum et al. sahen eine Wechselbeziehung zwischen den Variab­ len „Selbstkontrolle“ und „delinquente Peers“. Danach nimmt der delinquenzmin­ dernde Einfluss von Selbstkontrolle mit einem Anstieg der Zahl delinquenter Peers ab, und der delinquenzfördernde Effekt delinquenter Peers wird mit zunehmender Selbstkontrolle stärker. Während also im Kontext hoher Peer-Delinquenz Selbst­ kontrolle eine untergeordnete Rolle spielt, ist im Kontext hoher Selbstkontrolle der Einfluss delinquenter Peers auf delinquentes Verhalten wichtiger, da Perso­ nen mit geringerer Selbstkontrolle leichter zu delinquenten Handlungen animiert werden können.472 Des Weiteren erlangen Personen mit schlechteren Schulleistungen eher Ansehen durch gewalttätiges Verhalten als solche mit besseren Leistungen.473 Lonardo et al. fanden heraus, dass Adoleszente mit einem größeren Netzwerk an devianten Personen ein erhöhtes Aufkommen an Delinquenz aufweisen.474 Darüber hinaus scheinen Personen, die sich gegenüber dem von der Peergroup ausgeübten Grup­ pendruck resistenter zeigen, weniger anfällig für Delinquenz zu sein.475 Watts und McNulty bezogen in ihrer Untersuchung über die Bedeutung de­ linquenter Peers genetische Faktoren mit ein. Sie stellten heraus, dass Träger von zwei „R10 DAT1“ Genen, die die Dopaminregulierung im Gehirn beeinflussen, eher dazu neigen, sich delinquenten Freundeskreisen anzuschließen. Zudem haben Träger im Vergleich zu Personen, die keine „R10DAT1“ Gene tragen, sowohl ein 468

Vgl. Seddig (2014a), S. 335. Vgl. Seddig (2014), S. 264; Boers et al. (2010), S. 513. 470 Vgl. Hirtenlehner et al. (2015), S. 539; McGloin / Shermer (2009), S. 58. 471 Vgl. Hirtenlehner et al. (2015), S. 539. 472 Vgl. Meldrum et al. (2009), S. 368. 473 Vgl. Kreager (2007), S. 916. 474 Vgl. Lonardo et al. (2009), S. 381. 475 Vgl. Koon-Magnin et al. (2016), S. 833 f. 469

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2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

erhöhtes Risiko delinquent zu werden, wenn sie delinquenten Peers angehören als auch ein geringeres Risiko an Delinquenz, wenn sie nicht delinquenten Freundes­ kreisen angehören.476 In Anlehnung an das Konzept der Reifeverzögerung nach Moffitt477 kamen Barnes et al. zu dem Ergebnis, dass Jugendliche, die keine Reife­ verzögerungen aufweisen, weniger delinquentes Verhalten zeigen. Jugendliche da­ gegen, die Reifeverzögerungen und viel Kontakt zu drogenkonsumierenden Peers haben, weisen eine erhöhte Wahrscheinlichkeit von Delinquenz auf.478 Zudem zei­ gen Personen erhöhte Anfälligkeit für Delinquenz, die strukturell innerhalb der devianten Peergroup zu zentralen Mitgliedern gehören.479 Aus den oben dargestellten Erkenntnissen kann abgeleitet werden, dass eine er­ weiterte Einbindung von delinquenten Peers durch Langzeitbesuch insbesondere für junge Gefangene mit hedonistischen Wertorientierungen, Reifeverzögerungen oder geringer Selbstkontrolle ungeeignet zu sein scheint, da sie eben besonders an­ fällig für delinquente Beeinflussung sind. Im Übrigen konnten Steinberg und Mo­ nahan nachweisen, dass die Fähigkeit, Peer-Einflüssen zu widerstehen, zwischen dem 14. und 18. Lebensjahr linear ansteigt und nach dem 18. Lebensjahr nicht weiter zunimmt.480 Demnach sollte bei der Einbindung von Peers im Jugendstraf­ vollzug bedacht werden, dass jugendliche Gefangene grundsätzlich empfänglicher sowohl für positive als auch negative Peer-Einflüsse sind. Darüber hinaus folgt aus einer situativen Perspektive, dass im Falle der Einbindung delinquenter Peers durch Langzeitbesuch darauf geachtet werden müsste, dass für die Gestaltung des Besuchs inhaltliche Strukturen (z. B. gemeinsam Kochen) vorgegeben werden. Peers haben aber nicht nur einheitlich delinquenzfördernden Einfluss. So weisen Untersuchungen auch ambivalenten Einfluss aus. Während in der Untersuchung von Pardini et al. eine hohe Peer-Delinquenz Gewalttaten im Alter von 13 und 14 Jahren vorhersagen ließ, wirkte eine niedrige Peer-Delinquenz als protektiver Faktor bezogen auf Gewalthandlungen im Alter von 15–18 Jahren.481 Loeber et al. stellten fest, dass delinquente Peers und eine mangelnde Beziehung zu Peers als Risikofaktor im Zusammenhang mit schwerer Delinquenz wirken, während eine niedrige Peerdelinquenz und gute Beziehungen zu Peers dagegen das Ri­ siko von Delinquenz verringern.482 Haynie et al. konnten in ihrer Untersuchung die vielfältigen Auswirkungen von Peers nur bei weiblichen Personen feststellen. Zwar führte der Verkehr mit delinquenten Peers zu einer erhöhten Delinquenz bei beiden Geschlechtern, der vermehrte Kontakt zu weniger delinquenten Peers aber führte nur bei weiblichen Personen zur Abnahme von Delinquenz.483 Worthen fand 476

Vgl. Watts / McNulty (2015), S. 193, S. 203. Vgl. Abschnitt 2. b) aa) (2) (d). 478 Vgl. Barnes et al. (2011), S. 704 f. 479 Vgl. McGloin / Shermer (2009), S. 59. 480 Vgl. Steinberg / Monahan (2007), S. 1541. 481 Vgl. Pardini et al. (2012), S. 38. 482 Vgl. Loeber et al. (2008), S. 169, S. 326; Farrington et al. (2008), S. 217 f. 483 Vgl. Haynie et al. (2014), S. 712. 477

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

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heraus, dass die Zeit, die mit Peers in der frühen und mittleren Adoleszenz ver­ bracht wird, und der von der Peergroup ausgehende Gruppendruck in der frühen Adoleszenz delinquenzverstärkend wirken, während junge Männer in der späten Phase der Adoleszenz mit guten Beziehungen zu ihren Freund*innen einem ge­ ringerem Risiko ausgesetzt sind, delinquente Handlungen auszuführen.484 Othold kam zu dem Ergebnis, dass Jugendliche in festen Gruppenbezügen grundsätzlich öfter und vermehrt von abweichendem Verhalten berichten als Jugendliche ohne feste Gruppenbezüge. Gleichzeitig bleibt aber die Qualität der Bezugsgruppe der entscheidende Einflussfaktor. Demnach ist die Peergroup auch eine wichtige Rah­ mung der Jugendphase und kann entscheidend zur Konformität beitragen.485 Darüber hinaus konnten Studien eindeutig delinquenzmindernde Einflüsse der Peergroup nachweisen. Meadows stellte fest, dass ein unterstützendes Freund­ schaftsnetzwerk Delinquenz unter Adoleszenten verringert und Adoleszente durch positiven Gruppendruck weg von delinquenten hin zu prosozialen Aktivitäten trei­ ben kann.486 Nakhaie und Sakko fanden heraus, dass Schüler*innen mit starken Bindungen an Freund*innen ein geringeres Risiko aufweisen, Eigentumsdelikte zu begehen.487 Weiss erkannte im Sinne kontrolltheoretischer Annahmen,488 dass soziales Kapital in Nachbarschaft und Schule gewalttätiges Verhalten in der Phase der Adoleszenz verringert.489 Auch in „behandlerischen“ Ansätzen werden die Peergroup und die von ihr aus­ gehenden positiven Gruppenprozesse gezielt zur Prävention und Reduzierung von Delinquenz eingesetzt. Vorrath und Brendtro prägten in diesem Zusammenhang den Begriff der „Positive Peer Culture“. Dieses Konzept beruht auf der Annahme, dass sich bei jungen Menschen gesundes Selbstwertgefühl, Wertschätzung der eige­ nen Person und Verantwortung nur entwickeln können, wenn sie sich den positiven Werten des „gegenseitigen Helfens“ und „füreinander Sorgens“ verpflichten.490 Dabei geht es bei der „Positive Peer Culture“ darum, dass Jugendliche miteinan­ der ihre Probleme, Sorgen, Nöte, Wünsche und Befindlichkeiten besprechen und gemeinsam Verhaltensweisen und Lösungsansätze erarbeiten.491 Evaluationen von „Positive Peer Culture“ Programmen zeigen, dass jugendliche Delinquente nach der Teilnahme offener gegenüber sozialen Beziehungen waren,492 ein positiveres Selbstbild hatten,493 eher Versuchungen widerstanden, sich verantwortungsbewuss­

484

Vgl. Worthen (2012), S. 297 ff. Vgl. Othold (2003), S. 144. 486 Vgl. Meadows (2007), S. 1158. 487 Vgl. Nakhaie / Sacco (2009), S. 389. 488 Vgl. Abschnitt 2. b) aa) (2) (b). 489 Vgl. Weiss (2011), S. 571. 490 Vgl. Vorrath / Brendtro (1985), S. 9. 491 Vgl. Metzen (2006), S. 8. 492 Vgl. Lee (1996), S. 219. 493 Vgl. Davis et al. (1988), S. 144. 485

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2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

ter zeigten und einfühlsamer waren als Teilnehmende der Kontrollgruppe.494 Feld­ man et al. stellten in ihrer Untersuchung therapeutische Erfolge bei antisozialen Jugendlichen fest, die in Gruppentherapien behandelt wurden, in denen sich die Gruppen aus antisozialen und sozialen Jugendlichen zusammensetzten.495 (3) Zwischenergebnis Die hier diskutierten kriminologischen Befunde über den Einfluss sozialer Kontakte auf Entstehung und Fortsetzung von Kriminalität bestätigen die im Ab­ schnitt 2. b) aa) herausgestellte Ambivalenz sozialer Kontakte. Starke familiäre Bindungen, familiäres Sozialkapital und familiäre Beziehungen von hoher Qualität wirken grundsätzlich delinquenzmindernd. Eltern mit mangel­ haften Erziehungsmethoden sowie Familien, in denen gestörte familiäre Interak­ tionen vorliegen, fördern hingegen delinquentes Verhalten. Auch Angehörige, die kriminelles Verhalten zeigen, haben häufig einen delinquenzfördernden Einfluss. Während also die Intensivierung von Bindungen zu positiven familiären Kontak­ ten durch Langzeitbesuch dem Vollzugsziel Rückfallfreiheit eindeutig dienlich ist, kann die Bindungsintensivierung zu problematischen familiären Kontakten gegenläufige Wirkung entfalten. Einige Studien zeigen, dass positive Peer-Beziehungen zu nichtdelinquenten Peers delinquenzmindernden Einfluss haben, während andere Studien eine delin­ quenzfördernde Wirkung von delinquenten Peers belegen. Kriminologische Stu­ dien betonen jedoch in den meisten Fällen, dass eine kriminogene Beeinflussung durch Peers von einem komplexen Zusammenspiel interner und externer Faktoren abhängig ist. Demnach kann aus situativer Perspektive bei einigen Gefangenen der Langzeitbesuch von delinquenten Freund*innen delinquenzverstärkend wir­ ken, während bei anderen Gefangenen aufgrund des Fehlens einer kriminogenen Situation und einer kriminogenen Neigung eine negative Beeinflussung ausbleibt. Für Gefangene mit großer Selbstkontrolle besteht außerdem ein geringeres Risiko, während Gefangene mit geringer Selbstkontrolle, hedonistischen Wertorientie­ rungen und Reifeverzögerungen ein größeres Risiko für eine kriminogene Beein­ flussung aufweisen.

494 495

Vgl. Sherer (1985), S. 522 ff. Vgl. Feldman et al. (1983), S. 278.

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

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cc) Soziale Kontakte während der Gefangenschaft (1) Familie und Freund*innen aus soziologischer und entwicklungspsychologischer Perspektive Bevor auf das spezielle Themenfeld von sozialem Kontakt während der Gefan­ genschaft eingegangen wird, soll zunächst dargelegt werden, welche Bedeutung Familie und Freund*innen überhaupt im Leben junger Menschen einnehmen. Aus entwicklungspsychologischer Perspektive bildet die Familie die zentrale Sozialisationsinstanz.496 Sie ist nach Claessens als primäre Sozialisationsinstanz ein wesentlicher Faktor dafür, dass der Mensch in seiner Kindheit ein Mitglied der Gesellschaft wird. Im Prozess der „Soziabilisierung“ wird dem Kind durch Interaktionen mit familiären Bezugspersonen die Möglichkeit erschlossen, indi­ viduelle und sozial bedeutsame Eigenschaften zu entwickeln, eine „Ich-Identität“ aufzubauen. Anders formuliert werden Kindern allgemeine Eigenschaften wie Weltvertrauen und Weltverständnis vermittelt. Im Sinne der „Enkulturation“ er­ möglicht die Familie die Aneignung kulturspezifischer Regeln, Normen und Wer­ te.497 Es ist natürlich davon auszugehen, dass der Einfluss der Familie nicht immer nur positiv sein kann.498 Auch in der Phase der Adoleszenz, die nach Schmidt durch psychobiologische Umbrüche geprägt ist,499 bilden Elternhäuser weiterhin wichtige Sozialisationsins­ tanzen.500 Eltern stehen vor der Herausforderung, die Erziehung des Nachwuchses durch größere Flexibilität und Responsivität an entwicklungsspezifische Verän­ derungen anzupassen, die aus der Phase des Übergangs von der Kindheit in die Adoleszenz hervorgehen.501 Fend charakterisiert die Veränderung der Eltern-KindBeziehung in der Adoleszenz als Wandel der Beziehungsqualität bei Kontinuität emotionaler Nähe.502 Auch wenn die erwachsenen Kinder das Elternhaus verlassen haben, dauern die Eltern-Kind-Beziehungen durch Interaktionen, Unterstützung und Austausch, die sich auf die wesentlichen Ereignisse und Übergänge eines Erwachsenenlebens beziehen, für gewöhnlich über die Lebensspanne an.503 Aus Untersuchungen geht hervor, dass etwa 90 % der in Deutschland lebenden Jugendlichen und jungen Er­ wachsenen ein sehr gutes Verhältnis zu ihren Eltern haben.504 Bemerkenswert ist 496

Vgl. Hurrelmann (2006), S. 127. Vgl. Claessens (1979), S. 27 ff., zit. nach Scherr (2006), S. 47. 498 Vgl. Fuchs (2012), S. 326. 499 Vgl. Schmidt (2015), S. 287. 500 Vgl. Weichold / Silbereisen (2018), S. 251. 501 Vgl. Holmbeck et al. (1995), S. 97. 502 Vgl. Fend (1998), S. 208. 503 Vgl. Zarit / Eggebeen (1995), S. 119. 504 Vgl. Leven et al. (2015), S. 53. 497

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2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

allerdings, dass die Qualität der Beziehung zwischen jungen Menschen und ihren Eltern von der Schichtzugehörigkeit abhängt. Demnach gibt nur ein Fünftel der Jugendlichen aus der unteren Schicht an, sehr gut mit den Eltern auszukommen, während es bei jungen Menschen aus der oberen Schicht etwa die Hälfte ist.505 Un­ abhängig von der Qualität der Beziehungen, geben 90 % an, dass ihnen die Familie sehr wichtig ist.506 So bieten Eltern in erster Linie Geborgenheit und garantieren Sicherheit und Stabilität. Außerdem bilden sie einen Schutzraum und fungieren als Quelle der Anerkennung.507 Neben Eltern nehmen auch Freund*innen zentrale Rollen im Leben von jungen Menschen ein. Bereits in der Kindheit sind Gleichaltrige wichtige Bezugspersonen. Die Interaktion mit Peers fördert in dieser Phase die Entwicklung eines Sozialver­ haltens, das Verständnis für Gleichheit und Gerechtigkeit aufbaut und wesentlich zum Selbstverständnis des Kindes beiträgt.508 In der Phase der Jugend lassen sich der Peergroup weitere wichtige Entwicklungsfunktionen zuordnen. So kann sie emotionale Geborgenheit bieten, sozialen Freiraum zur Erprobung neuer Möglich­ keiten im Sozialverhalten gewähren, den Ablösungsprozess von den Eltern unter­ stützen und zur Identitätsfindung beitragen.509 Da Freundschaften vor allem in der mittleren Adoleszenz immer stärker als Medium des „Sich-anvertrauens“ dienen, sind sie für eine gesunde Entwicklung im Jugendalter unentbehrlich.510 Durch Be­ obachtung und Interaktion mit Peers erwerben Adoleszente interaktionale Fähig­ keiten und lernen Regeln im Zusammenhang mit Arbeit, Dating, Sex, zwischen­ menschlichen Konflikten und Leben im Allgemeinen.511 Zwar impliziert die Phase der Jugend nicht notwendigerweise die Abkehr von Moral- und Wertvorstellungen der Eltern, dennoch gewinnen Peers mit ihren eigenen normativen Standards we­ sentlich an Einfluss.512 Es ist daher nicht ungewöhnlich, dass junge Menschen mehr Zeit mit Freund*innen als mit Eltern verbringen.513 So trifft sich mehr als die Hälfte der in Deutschland lebenden Jugendlichen in ihrer Freizeit mit Freund*innen.514 In aller Regel ist es für junge Menschen äußerst wichtig, Freund*innen zu haben, die sie anerkennen.515 Sie verbinden Freundschaften mit den Attributen „Spaß“ und „Vertrauen“.516 Gleichaltrige können zusammenfassend als wesentliche Er­ fahrungsfelder im Verlauf des Aufwachsens bezeichnet werden.517 505

Vgl. Leven et al. (2015), S. 53. Vgl. Gensicke (2015), S. 239. 507 Vgl. Leven / Utzmann (2015), S. 281. 508 Vgl. Schneider / Hasselhorn (2018), S. 211. 509 Vgl. Weichold / Silbereisen (2018), S. 252 f. 510 Vgl. Weichold / Silbereisen (2018), S. 253 f. 511 Vgl. Warr (2002), S. 25. 512 Vgl. Montada (2008), S. 585. 513 Vgl. Warr (2002), S. 12. 514 Vgl. Leven / Schneekloth (2015), S. 113. 515 Vgl. Gensicke (2015), S. 239. 516 Vgl. Leven / Utzmann (2015), S. 304. 517 Vgl. Fend (1998), S. 225. 506

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

115

Aus soziologischer sowie entwicklungspsychologischer Perspektive wurde deut­ lich, dass sowohl Familie als auch Freund*innen im Leben junger Menschen für eine gesunde Entwicklung unentbehrlich sind. Da sie zentrale Instanzen im Leben junger Menschen bilden, entspricht ihre erweiterte Einbindung in den Strafvoll­ zug auch durch Langzeitbesuch dem Angleichungsgrundsatz sowie den Vorgaben weiterer Gestaltungsgrundsätze, nach denen der Bezug von Jugendstrafgefangenen zum gesellschaftlichen Leben zu wahren sowie das Lernen von Gleichaltrigen zu ermöglichen ist.518 (2) Deskription des sozialen Umfelds Gefangene haben genauso wie Menschen, die nicht straffällig in Erscheinung getreten sind, ein soziales Umfeld. Befragungen von erwachsenen Gefangenen mit langen Freiheitsstrafen aus sechs deutschen Strafanstalten des Erwachsenenstraf­ vollzugs zum Beispiel ergaben, dass 29 % verheiratet sind oder in einer Partner­ schaft leben und mehr als die Hälfte der Gefangenen eigene Kinder hat.519 Der Forschungsstand über die Lebenslagen von Jugendstrafgefangenen in Deutschland ist mangelhaft.520 In diesem Zusammenhang wird der Jugendstraf­ gefangene auch als „unbekanntes Wesen“ bezeichnet.521 Das zeigt sich auch daran, dass hier zum Teil auf Befunde aus Studien verwiesen werden muss, die mehr als 30 Jahre alt sind. Im Folgenden werden die zentralen Ergebnisse der Studien zu­ sammengefasst, die das Thema der sozialen Beziehungen von Jugendstrafgefan­ genen überhaupt in Deutschland untersucht haben.522 Partnerschaft und Vaterschaft In der Untersuchung von Enzmann und Greve, die sich auf Gefangene aus fünf Jugendstrafanstalten in Norddeutschland Anfang der 2000er Jahre bezog, gaben 7 % der Gefangenen an, verheiratet zu sein oder in einer festen Partnerschaft zu leben. 12 % der Befragten gaben an, eigene Kinder zu haben.523 In einer späteren Untersuchung von Boxberg in denselben Jugendstrafanstalten waren zum Zeit­ punkt der Gefangenschaft 72 %der Gefangenen in einer Partnerschaft, davon 6 % verheiratet. 11 % der Befragten hatten eigene Kinder, allerdings lebte keiner der 518

Vgl. Abschnitt 2. a) aa) (1) (b). Vgl. Drenkhahn (2014b), S. 274. 520 Vgl. Stelly / Thomas (2011), S. 127. 521 Vgl. Stelly / Thomas (2011), S. 127; Dünkel (1996), S. 35. 522 Vgl. Boxberg (2018); Boxberg et al. (2016); Stelly / Thomas (2011); Huck (2009); Vornholt (2009), (2008); Lang (2007); Bereswill (2007), (2006a), (2006b), (2004), (2003); Hosser / Greve (2003); Enzmann / Greve (2001); Mey / Wirth (1999); Schindler (1998); Dolde / Grübl (1996); Maetze et al. (1996); Hürlimann (1993); Dünkel (1992); Geissler (1991); Stenger (1984). 523 Vgl. Enzmann / Greve (2001), S. 115 f. 519

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2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

Väter mit seinen Kindern vor der Gefangenschaft in einem gemeinsamen Haus­ halt.524 Dünkel stellte für den Jugendstrafvollzug in Schleswig-Holstein Anfang der 1990er Jahre fest, dass 12 % der jungen Gefangenen verheiratet waren und 6 % eigene Kinder hatten.525 Geisslers Untersuchung in der JVA Zeithain aus dem glei­ chen Zeitraum ergab, dass etwa 3 % der jungen Gefangenen verheiratet waren und etwa 5 % eigene Kinder hatten.526 Hosser und Greve fanden heraus, dass drei Viertel der von ihnen befragten jugendlichen und heranwachsenden Gefangenen vor der Gefangenschaft eine feste Partnerin hatten.527 Die Befragung von Gefangenen des Jugendstrafvollzugs in Mecklenburg-Vorpommern ergab, dass nur ein Proband der Stichprobe (N = 230) verheiratet war und 4 % der Befragten für ein Kind zu sorgen hatten.528 Nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes, die sich als einzige Daten­ quelle auf den Jugendstrafvollzug bundesweit beziehen, ist gegenwärtig nur knapp 1 % der zu einer Jugendstrafe verurteilten Gefangenen verheiratet.529 Geschwister Für den baden-württembergischen Jugendstrafvollzug sowie für fünf Jugend­ strafanstalten in Norddeutschland kamen Dolde und Grübl sowie Enzmann und Greve für den Zeitraum von Mitte der 1990er Jahre bis Anfang der 2000er Jahre zu ähnlichen Ergebnissen: Etwa 91 % der Befragten hatten Geschwister. Die Hälfte der Befragten hatte drei Geschwister und mehr und 11 % der jungen Gefangenen fünf Geschwister und mehr.530 Etwa ein Drittel der jungen Gefangenen gab in der Untersuchung von Dolde und Grübl an, straffällige Geschwister zu haben.531 Wohnsituation In Bezug auf die Wohnsituation zeigen verschiedene Untersuchungen, dass junge Gefangene vor der Gefangenschaft in vielen Fällen in sozialer Gemeinschaft lebten. So gaben in der Untersuchung von Boxberg 41 % an, vor der Gefangenschaft mit den Eltern zusammengelebt zu haben. 12 % lebten mit ihrer Partnerin, und 23 % der Gefangenen lebten alleine.532 In der Untersuchung von Enzmann und Greve gab fast die Hälfte der jungen Männer an, in einem gemeinsamen Haushalt mit einem Sorgeberechtigten gelebt zu haben. 15 % hatten einen gemeinsamen Haus­

524

Vgl. Boxberg (2018), S. 167. Vgl. Dünkel (1992), S. 82 f. 526 Vgl. Geissler (1991), S. 117. 527 Vgl. Hosser / Greve (2003). 528 Vgl. Lang (2007), S. 111. 529 Vgl. Statistisches Bundesamt (2020), S. 13. 530 Vgl. Enzmann / Greve (2001), S. 115 f.; Dolde / Grübl (1996), S. 239. 531 Vgl. Dolde / Grübl (1996), S. 239. 532 Vgl. Boxberg (2018), S. 167. 525

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

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halt mit ihrer Partnerin geführt.533 Von jungen Gefangenen des Jugendstrafvollzugs in Schleswig-Holstein wohnte ein Drittel der Befragten vor der Gefangenschaft noch bei den Eltern, und 14 % lebten mit einer festen Partnerin zusammen.534 Be­ fragungen in Mecklenburg-Vorpommern ergaben, dass 63 % der jungen Männer vor der Gefangenschaft bei den Eltern lebten.535 Familien aus soziobiographischer Perspektive Aus dem Forschungsstand geht eindeutig hervor, dass Jugendstrafgefangene überdurchschnittlich oft aus „broken homes“ kommen: In der Untersuchung von Enzmann und Greve gab mehr als die Hälfte der Gefangenen an, dass ihre Eltern geschieden waren oder getrennt lebten. 52 % wuchsen bei beiden leiblichen Eltern­ teilen auf, 22 % nur bei der Mutter, 4 % in Heimen und 3 % bei Pflege- oder Adop­ tiveltern.536 Boxbergs Analyse ergab, dass 41 % der Eltern geschieden waren bzw. 12 % getrennt lebten. 23 % der Befragungsteilnehmer wuchsen nur bei der Mutter oder bei der Mutter mit ihrem Partner (12 %) auf. 34 % der Befragten machten Er­ fahrung mit einem zumindest vorübergehenden Heimaufenthalt.537 Ähnliche Be­ funde resultieren aus Evaluationen des baden-württembergischen Jugendstrafvoll­ zugs. Hier berichteten 60 % der jugendlichen und heranwachsenden Gefangenen von einer „broken-home“-Erfahrung (Tod eines Elternteils oder Trennung / Schei­ dung der Eltern).538 Auch Befragungen von Gefangenen des Jugendstrafvollzugs in Nordrhein-Westfalen zeigten, dass etwa 60 % der jungen Gefangenen aus einem „broken home“ kommen.539 Zudem zeigen Studien, dass junge Gefangene vor der Gefangenschaft Bezie­ hungsunterbrechungen und -abbrüche erlebten. So stellte Geissler für junge Gefan­ gene der JVA Zeithain fest, dass vor der Gefangenschaft jeder zehnte Gefangene mindestens zehn Mal und knapp 40 % bis zu drei Mal ihren sozialen Bezugsrahmen wechseln mussten.540 Die Untersuchung von Maetze et al. im nordrhein-westfäli­ schen Jugendstrafvollzug ergab, dass 30 % der Jugendstrafgefangenen weniger als neun Jahre bis zum Erreichen ihrer Volljährigkeit bei ihren leiblichen Eltern auf­ wuchsen. Bei jedem dritten Gefangenen wurde die Ehe der Eltern geschieden. Bei 13 % starben beide Eltern oder ein Elternteil. Bei etwa 40 % der jungen Gefangenen wechselte die männliche Haupterziehungsperson und bei mehr als 40 % die weib­ liche Haupterziehungsperson mindestens zweimal.541 Nach der Untersuchung von 533

Vgl. Enzmann / Greve (2001), S. 115 f. Vgl. Dünkel (1992), S. 83. 535 Vgl. Lang (2007). 536 Vgl. Enzmann / Greve (2001), S. 115 f. 537 Vgl. Boxberg (2018), S. 166 f. 538 Vgl. Stelly / Thomas (2015), S. 22; Stelly / Thomas (2011), S. 133. 539 Vgl. Mey / Wirth (1999), S. 605. 540 Vgl. Geissler (1991), S. 117. 541 Vgl. Maetze et al. (1996), S. 361. 534

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2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

Lang im mecklenburg-vorpommerschen Jugendstrafvollzug wuchsen etwa 70 % der jungen Gefangenen in instabilen familiären Verhältnissen auf, und die Hälfte der jungen Männer berichtete von mindestens einer „broken-home“-Erfahrung.542 Etwa 30 % der jungen Gefangenen wurden vor Vollendung des 14. Lebensjahres mindestens einmal in ein Heim eingewiesen.543 Dagegen stellten Hosser und Taefi für die spezifische Gefangenengruppe von Aussiedlern im Jugendstrafvollzug fest, dass sie verhältnismäßig oft aus „vollständigen“ Familien stammen.544 Im Hinblick auf die soziale und wirtschaftliche Lage der Herkunftsfamilie war in der Untersuchung von Enzmann und Greve nach Angaben der jungen Gefange­ nen fast ein Drittel der Väter und 40 % der Mütter nicht erwerbstätig. Der ökonomi­ sche Status der Eltern lag deutlich unter dem Durchschnittswert der deutschen Be­ völkerung.545 In der Untersuchung von Boxberg beschrieb ein Viertel die finanzielle Lage des Elternhauses als schlecht. Nach Angaben der jungen Gefangenen bezog ein Fünftel der Familien Arbeitslosengeld oder -hilfe bzw. Sozialhilfe.546 Dolde und Grübl zeigten in ihrer Untersuchung, dass 70 % der jungen Gefangenen – be­ grifflich in Anlehnung an die soziologische Gesellschaftseinteilung der siebziger Jahre – aus der Unterschicht kommen.547 Nach der Studie zur sozialen Lage von Jugendstrafgefangenen, die Stelly und Thomas durchführten, waren fast 30 % der Erziehungsberechtigten arbeitslos. Bei mehr als 30 % bezogen in ihrer Kindheit die Familien Sozialhilfe und bei mehr als 20 % in ihrer Jugend. Jeder fünfte junge Gefangene berichtete, dass bei ihm das Geld zuhause knapp gewesen sei. In Bezug auf die Wohngegend gaben etwa 40 % der Befragten an, aus einer armen Gegend oder einem „Problemviertel“ zu kommen. Stelly und Thomas kamen in ihrer Stu­ die zu dem Ergebnis, dass die Hälfte der jungen Gefangenen in relativer Armut aufwuchs und dieser Wert deutlich über dem Anteil der repräsentativ ermittelten Armut in der deutschen Gesellschaft liegt.548 Huck fasste in seiner Untersuchung im Berliner Jugendstrafvollzug die familiären Einkommensverhältnisse junger Gefangener als „bescheiden bis schlecht“ zusammen.549 In Bezug auf die persönliche Situation der Herkunftsfamilie gab in der Unter­ suchung von Enzmann und Greve ein Drittel der Befragten an, dass wenigstens ein Elternteil Alkoholprobleme hatte. 3 % der Befragten berichteten von Drogen­ abhängigkeit eines Elternteils. 20 % der jungen Gefangenen hatten wenigstens ein Elternteil, das Vorstrafen hatte. In der Untersuchung von Boxberg berichteten 35 % der Befragten von Alkoholproblemen ihrer Eltern. 3 % der Eltern wurde als drogenabhängig bezeichnet, und ein Fünftel der Gefangenen wusste von einer Vor­ 542

Vgl. Lang (2007), S. 110. Vgl. Lang (2007), S. 111. 544 Vgl. Hosser / Taefi (2008), S. 41. 545 Vgl. Enzmann / Greve (2001), S. 116. 546 Vgl. Boxberg (2018), S. 167. 547 Vgl. Dolde / Grübl (1996), S. 238. 548 Vgl. Stelly / Thomas (2013), S. 81 f. 549 Vgl. Huck (2009), S. 153. 543

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

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strafe der Eltern.550 In der Untersuchung von Stelly und Thomas berichteten 34 % der Befragten von Alkoholproblemen, 17 % von Drogenproblemen und mehr als 40 % von Straffälligkeit innerhalb der eigenen Familie.551 Jeder dritte Jugendstraf­ gefangene gab an, dass ein engeres Familienmitglied bereits einmal im Gefäng­ nis war.552 Dolde und Grübl konnten in ihrer Untersuchung belegen, dass über die Hälfte der jungen Gefangenen in stark konfliktbelasteten Familien aufwuchs.553 Eine Aktenanalyse von jungen Gefangenen in Mecklenburg-Vorpommern ergab, dass in der Familie von 7 % der Gefangenen Konflikte gewaltsam ausgetragen wurden und in 22 % der Familien Alkoholprobleme vorlagen.554 Abschließend ist die Untersuchung von Rau zu nennen, der hinsichtlich der Kriminalitätsbelastung im sozialen Umfeld Jugendstrafgefangener mit Migrationshintergrund ermittelte, dass diese gemischt soziale Netzwerke haben, die sich aus kriminalitätshemmen­ den und -gefährdenden Beziehungen zusammensetzen.555 Darüber hinaus hat die Mehrheit der deutschen Jugendstrafgefangenen Erfah­ rungen mit elterlicher Gewalt machen müssen. Dies zeigt sich unter anderem in der Untersuchung von Enzmann und Greve, nach der 26 % der jungen Gefangenen leicht gezüchtigt, 24 % schwer gezüchtigt und 26 % misshandelt wurden.556 24 % der Gefangenen in Boxbergs Untersuchung berichteten, von ihren Erziehungsper­ sonen misshandelt worden zu sein.557 Von Gefangenen des Jugendstrafvollzugs in Baden-Württemberg gab ein Drittel bezüglich der Familieninteraktion und des Familienklimas an, dass sie Drohungen und Misshandlungen zwischen ihren Er­ ziehungsberechtigten erlebten.558 Fast 40 % der jungen Gefangenen berichteten, dass sie von ihren Eltern zusammengeschlagen, absichtlich verbrannt oder mit einer Waffe bedroht wurden. Neben den bis hierhin aufgeführten Erkenntnissen, die aus quantitativen Be­ fragungen stammen, haben auch qualitative Studien die familiäre Situation von Jugendstrafgefangenen zum Gegenstand. So berichteten junge Gefangene in qua­ litativen Interviews, die sie mit Bereswill führten, von familienbiographischen Belastungssituationen, Konflikten und Verletzungen, die aus wechselnden, in­ konsistenten und brüchigen Beziehungsverläufen resultierten.559 Aus qualitativen Interviews, die Stenger mit jungen Gefangenen der Justizvollzugsanstalt I­ serlohn führte, geht hervor, dass viele Biografien von körperlicher Gewalt als innerfamiliä­ rer Konfliktregulierung, permissiven und autoritären Erziehungsstilen, schlechten 550

Vgl. Boxberg (2018), S. 167. Vgl. Stelly / Thomas (2011), S. 135. 552 Vgl. Stelly / Thomas (2011), S. 135 f. 553 Vgl. Dolde / Grübl (1996), S. 238. 554 Vgl. Lang (2007), S. 111. 555 Vgl. Rau (2016), S. 202. 556 Vgl. Enzmann / Greve (2001), S. 116 ff. 557 Vgl. Boxberg (2018), S. 184. 558 Vgl. Stelly / Thomas (2011), S. 135. 559 Vgl. Bereswill (2003), S. 193, S. 195. 551

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2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

oder gestörten Bindungen zu den Eltern und familienbezogenen Außenseiterrollen geprägt sind.560 Auch Huck stellte in den von ihm geführten Interviews mit jungen Gefangenen in Berlin fest, dass in vielen Familien Gewalt als Erziehungsmittel eingesetzt wurde.561 In Interviews, die Schmidt mit Jugendstrafgefangenen aus Thüringen und Nordrhein-Westfalen führte, berichteten die jungen Männer von schmerzhaften Erlebnissen wie Trennungen der Eltern, dem Tod eines Elternteils oder der Unterbringung in Institutionen der Erziehungshilfe. Zudem erlebten viele der jungen Männer gewaltbestimmte Konflikte zwischen Familienmitgliedern und beschrieben das Hinzukommen neuer (meist männlicher) Erziehungsfigu­ ren als konflikthaft.562 In den Biographien junger Gefangener aus norddeutschen Jugendstrafanstalten, in denen Koesling Interviews führte, zeigen sich familiäre Erfahrungen mit Gewalt, schweren Misshandlungen, Missachtung, Bindungs­ brüchigkeit, mit nicht eingelösten Bindungswünschen und Situationen, in denen sich die jungen Männer hilflos fühlten.563 Die problematischen familiären Erfah­ rungen äußern sich teilweise während der Gefangenschaft sowohl in nach außen gerichtetem aggressiven Verhalten und aggressiven Wünschen als auch in Ge­ waltphantasien den Eltern gegenüber.564 Gefängnis stellte demzufolge für einige junge Gefangene einen Fluchtort vor problematischen Erfahrungen innerhalb der Familie dar, wobei bestimmte Erlebnisse in Gefangenschaft nicht nur emotional wieder an die Oberfläche kamen.565 Für einige Gefangene verspricht, so Koesling, vor dem Hintergrund der brüchigen und wechselhaften Familienbezüge das Ge­ fängnis mit seinen rigiden Strukturen auch Verlässlichkeit und Vorhersehbarkeit.566 Zudem verwies sie darauf, dass in Gefangenschaft Abhängigkeits- und Ablösungs­ konflikte von besonders großer Bedeutung sind. Die jungen Gefangenen ringen adoleszenztypisch um Nähe und Distanz sowie Bindung und Ablösung bei gleich­ zeitigem Streben nach grundlegender emotionaler Versorgung durch verlässliche und ungefährliche Bindungen.567 Wenngleich die vorgestellten Studien erhebliche familiäre Belastungsfakto­ ren aufzeigen, denen Jugendstrafgefangene ausgesetzt sind, wäre es verkürzt, fa­ miliäre Einbindungen der Jugendstrafgefangenen ausschließlich als defizitär zu kennzeichnen. Vielmehr ist das soziale Umfeld Jugendstrafgefangener durchgän­ gig von Ambivalenzen geprägt. So scheinen in Familien gefangener Jugendlicher durchaus die vorherrschenden Verhaltenserwartungen mit strafrechtlichen Normen übereinzustimmen. Anders ausgedrückt, viele waren, wie Huck in seiner Untersu­ chung feststellte, mit der Entwicklung ihrer straffällig in Erscheinung getretenen 560

Vgl. Stenger (1984), S. 176. Vgl. Huck (2009), S. 161 f. 562 Vgl. Schmidt (2015), S. 291. 563 Vgl. Koesling (2010), S. 227 ff. 564 Vgl. Koesling (2010), S. 230. 565 Vgl. Koesling (2010), S. 227. 566 Vgl. Koesling (2010), S. 234. 567 Vgl. Koesling (2010), S. 229. 561

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

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Kinder unzufrieden und versuchten, sie durch Maßnahmen wie Gespräche, Haus­ arrest, Kontrolle und Begleitung von Familienmitgliedern, aktive Organisation von Kinder- und Jugendhilfemaßnahmen, Therapieplätzen, und Schlägen bis hin zu schweren körperlichen Misshandlungen von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten.568 Auch Schmidt beschreibt in seiner Untersuchung elterliche Erzie­ hungsbemühungen, einer beginnenden oder zunehmenden Delinquenz ihres Nach­ wuchses entgegenzuwirken, als lebensgeschichtlich bedeutende Konfliktlinie in den Interaktionen zwischen Eltern und delinquentem Nachwuchs.569 Diesbezüglich sehen sich junge Gefangene, so Schmidt, mit ambivalenten Gefühlsregungen kon­ frontiert: Normierende und gewaltsame Erziehungspraktiken, als Folge eigenen Fehlverhaltens, werden einerseits als rechtmäßig und legitim erachtet und führen zu einer gewissen Solidarisierung mit dem Herkunftsmilieu. Zudem werden sie als nützlich erachtet, da sie auf Abhärtung abzielen und so auf das „Straßenle­ ben“ vorbereiten. Andererseits stoßen sie bei ihnen auf Ablehnung, da sie Scham in ihnen hervorrufen und zu Desorientierung sowie einem „gebrochenen Weltbe­ zug“ führen. Schmidt fasst den Umgang junger Gefangener mit innerfamiliärer Erfahrung als Oszillation zwischen einer unversöhnlichen Lossagung von der Fa­ milie und einer unversöhnlichen, gleichwohl schicksalhaften Verharrung in eben dieser Familie zusammen.570 Klein et al. zeigten im amerikanischen Kontext auf, dass sich wesentliche innerfamiliäre Funktionsweisen (Kommunikation, finan­ zielles Management, Familienrituale usw.)571 von Familien von Gefangenen und Familien von in Freiheit lebenden Personen überwiegend ähneln.572 Überdies be­ richtete in der Untersuchung von Boxberg etwa die Hälfte der Gefangenen, in der Kindheit positives Erziehungsverhalten erlebt zu haben. Zudem bescheinigten fast 90 % ihren Eltern, wenigstens partielles Interesse an den Schulleistungen gehabt zu haben.573 Die Hälfte der von Boxberg Befragten, die körperliche Gewalt durch ihre Eltern erfuhren, gab zugleich an, dass ihre Eltern auch fürsorglich und liebe­ voll mit ihnen umgingen. Nur zwischen 5–15 % wurden nie von ihren Eltern in den Arm genommen, getröstet oder gelobt.574 Trotz der oftmals konfliktbeladenen Familienkonstellationen und teilweise leidvollen Erfahrungen betonen junge Ge­ fangene in den Untersuchungen von Stelly et al., dass ihre Erziehungsberechtigten die wichtigsten Personen in ihrem Leben sind sowie die zentralen Bindungsinstan­ zen darstellen, von denen sie materielle und emotionale Unterstützung erfahren.575 In einer ersten Analyse der wesentlichen Befunde zeigt sich, dass Jugendstraf­ gefangene Familien, Partner*innen und Freundeskreise haben, sowie in einigen 568

Vgl. Huck (2009), S. 161. Vgl. Schmidt (2015), S. 291. 570 Vgl. Schmidt (2015), S. 291 ff. 571 Vgl. Klein et al. (2002), S. 101. 572 Vgl. Klein et al. (2002), S. 106. 573 Vgl. Boxberg (2018), S. 184. 574 Vgl. Boxberg (2018), S. 136. 575 Vgl. Stelly / Thomas (2015), S. 22; Stelly et al. (2014), S. 275. 569

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2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

Fällen verheiratet sind. Demzufolge sind sie in vielen Fällen in soziale Umfelder eingebunden, die auch erweitert durch Langzeitbesuche ins Vollzugsgeschehen ein­ gebunden werden können. Im Vergleich zur Mehrheitsbevölkerung, wie Stelly und Thomas zeigen, kommen junge Gefangene häufiger aus sozial unvollständigen Fa­ milien, sind häufiger mit Arbeitslosigkeit im Elternhaus konfrontiert, leiden öfter unter knappen sozialen Ressourcen, haben häufiger Eltern, die geringe schulische und berufliche Bildung aufweisen und wachsen häufiger in sozial benachteiligten Wohngegenden auf. Die Wahrscheinlichkeit ins Gefängnis zu kommen, ist für junge Männer aus sozial benachteiligten Familien signifikant höher als für junge Männer aus sozial privilegierten Familien.576 Überdies sind die sozialen Lebens­ lagen junger Gefangener, wie aufgezeigt, nicht selten durch innerfamiliäre Ge­ walt, gewaltbestimmte elterliche Erziehung, Substanzabhängigkeiten im Umfeld, Bindungsbrüchigkeit und Straffälligkeit innerhalb der Familie gekennzeichnet. Da diese Faktoren, wie im vorangestellten Abschnitt über den Einfluss sozialer Kontakte hinsichtlich der Entstehung und Fortsetzung von Kriminalität detailliert dargelegt, kriminelles Verhalten begünstigen, lässt sich annehmen, dass die erwei­ terte Einbindung sozialer Umfelder von Jugendstrafgefangenen durch Langzeit­ besuch dem Ziel zukünftiger Straffreiheit möglicherweise entgegenstehen kann. Zugleich aber, wenn auch in geringerem Ausmaß, berichten junge Gefangene auch von gewaltfreien und liebevollen Erziehungspraktiken sowie einer hohen fami­ liären Kohäsion. Elternteile versuchen anfängliche bzw. verfestigte Kriminalität zu unterbinden, zeigen zumindest partielles Interesse für Schulleistungen ihrer Kinder, stellen Ansprechpartner*innen für die jungen Gefangenen während der Gefangenschaft dar und werden als wichtigste Personen in ihrem Leben beschrie­ ben.577 Da positive Erziehungsstile und starke Bindungen an Eltern sowie norm­ konforme Peergroups kriminalitätshemmend wirken,578 können Langzeitbesuche von entsprechenden Akteur*innen auf jeden Fall positive Auswirkungen haben. Insgesamt zeigt sich die Diversität sozialer Umfelder insbesondere in Boxbergs Untersuchung, in der sie junge Gefangene hinsichtlich ihrer Lebenskonstellationen vor der Gefangenschaft in drei Clustern zusammenfasst. Das erste Cluster setzt sich aus jungen behüteten Gefangenen zusammen, die ein unterstützendes elterliches Umfeld und engen Kontakt zu Gleichaltrigen haben. Ein weiteres Cluster dagegen besteht aus Gefangenen, die in allen Bereichen hohe Belastungen aufweisen. Das dritte Cluster unterscheidet sich insbesondere hinsichtlich des Alters und der Be­ reiche Schule, Ausbildung und Arbeit.579

576

Vgl. Stelly et al. (2014), S. 270. Vgl. Boxberg (2018), S. 187 ff.; Schmidt (2015), S. 291, S. 299; Stelly / Thomas (2015), S. 22; Huck (2009), S. 161. 578 Vgl. Abschnitt 2. b) bb). 579 Vgl. Boxberg (2018), S. 185 ff. 577

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

123

(3) Beziehungsverläufe Bereits frühe, klassische Gefängnisstudien haben Auswirkungen der Trennung von der Außenwelt zum Gegenstand. So ist nach Goffmann für die totale Institution Gefängnis vor allem die Beschränkung des sozialen Verkehrs mit der Außenwelt charakteristisch.580 Sie führt zu einem Bruch der sozialen Rollen, die Betroffene vor der Gefangenschaft eingenommen haben.581 Sykes identifiziert die Deprivation von Freiheit und die damit zwangsläufig verbundene Trennung von Familie, Ver­ wandten und Freund*innen als einen der „Schmerzen der Gefangenschaft“.582 Seine Studie zeigt, dass mit fortschreitender Haftdauer die Verbindungen der Gefangenen nach draußen schwächer werden.583 Aktuellere Studien dagegen zeigen, dass eine Gefangenschaft durchaus unterschiedliche Auswirkungen auf familiäre Bindungen haben kann. Für einige Gefangene (ältere Gefangene, ethnische Minderheiten, Ge­ fangene, die vor dem 17. Lebensjahr in Pflege lebten) aus der Untersuchung von Brunton-Smith und McCarthy verbesserten sich während der Gefangenschaft fa­ miliäre Beziehungen. Für andere, die vor der Gefangenschaft bereits problemati­ sche familiäre Beziehungen hatten und diejenigen, die vor der Gefangenschaft mit ihrer Familie zusammenlebten, verschlechterten sich dagegen diese Beziehungen. Brunton-Smith und McCarthy folgerten aus ihren Ergebnissen, dass diejenigen, die am wenigsten oder am meisten zu verlieren haben, eine Verschlechterung fa­ miliärer Beziehungen durch die Gefangenschaft erleben.584 Rocque et al. konnten im Gegensatz dazu keine Veränderung der Beziehungen zwischen Gefangenen und Angehörigen feststellen.585 Allerdings bezog sich ihre Studie ausschließlich auf Kurzstrafen von sechs Monaten. In einer Befragung von erwachsenen Gefangenen aus elf europäischen Ländern gab die Mehrheit der Gefangenen an, dass sich die Kontakthäufigkeit mit ihrem sozialen Umfeld während der Gefangenschaft nicht verändert hatte. 28–33 % der Gefangenen gaben an, dass der Kontakt zu ihrem Um­ feld außerhalb der Anstalt während der Gefängnisstrafe weniger geworden war und 34–35 % berichteten von einer Zunahme der Kontakthäufigkeit.586 Bezüglich der Partnerschaft kam es bei 57 % der Befragten des deutschen Untersuchungssam­ ples während der Gefangenschaft zur Scheidung oder Trennung.587 Zamble kam in seiner Untersuchung zu ähnlichen Ergebnissen. Während einige Verbindungen zu nahestehenden Personen schwächer wurden oder abbrachen, nahm für einige Gefangene der Kontakt zu ihren sozialen Umfeldern zu, indem insbesondere alte Kontakte wiederaufgenommen wurden. Die emotionale Verbindung zu nahestehen­

580

Vgl. Goffman (2014), S. 15 f. Vgl. Goffman (2014), S. 25 f. 582 Vgl. Sykes (1958), S. 65. 583 Vgl. Sykes (1958), S. 65. 584 Vgl. Brunton-Smith / McCarthy (2017), S. 477 f. 585 Vgl. Rocque et al. (2011), S. 832 f. 586 Vgl. Drenkhahn (2014), S. 368. 587 Vgl. Drenkhahn (2014a), S. 274. 581

124

2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

den Personen blieb bei allen Gefangenen bestehen.588 Volker et al.589 kamen in ihrer Studie, in der sie soziale Netzwerke von Gefangenen vor und nach der Gefangen­ schaft verglichen, zu dem Ergebnis, dass zwar die Anzahl (etwa zwei Personen) an engen Bezugspersonen konstant blieb, sich jedoch die Zusammensetzung der engen Bezugspersonen bei der Mehrheit der Gefangenen veränderte. Demnach blieben 40 % der engen Bezugspersonen nach der Gefangenschaft erhalten, während 60 % der engen Bezugspersonen ersetzt wurden. Gleichzeitig aber blieb der Kontakt zu den Personen, die als enge Bezugspersonen ersetzt wurden, nach der Entlassung erhalten. Die Zusammensetzung neuer enger Bezugsgruppen nach der Entlassung ergab sich oftmals aus dem Netzwerk, das vor der Gefangenschaft bereits bestand. Insbesondere Freundschaften gingen während der Gefangenschaft verloren. Auf Familienangehörige dagegen konnten die Gefangenen nach ihrer Entlassung bauen. Zudem stellten Volker et al. fest, dass die Variable „Begegnungsmöglichkeiten wäh­ rend der Gefangenschaft“ Einflüsse auf das „Netzwerk enger Bezugspersonen nach der Gefangenschaft“ hatte. Dieser Befund galt allerdings nur für das Verschwinden enger und nicht für die Formation neuer Kontakte. Was die Veränderung sozialer Beziehungen speziell während des Vollzugs der Jugendstrafe anbetrifft, stellte Bereswill fest, dass der durch den Freiheitsentzug bedingte Verlust des vertrauten sozialen Kontexts und die Unterbrechung laufen­ der Beziehungen für viele Jugendliche und Heranwachsende weitere biografische Brüche darstellen.590 Im Hinblick auf den Verlauf von Außenbeziehungen zeigten Hosser und Greve, dass bei 36 % der jugendlichen und heranwachsenden Gefan­ genen, die vor der Gefangenschaft eine feste Partnerin hatten, diese Beziehung bereits kurz nach Haftantritt beendet wurde.591 Darüber hinaus erwies sich der Kontakt mit der Familie für viele junge Gefangene während der Gefangenschaft eher als die Ausnahme. So gaben 34 % der Gefangenen an, im ersten Haftdrittel keinen Kontakt zu ihrer Mutter gehabt zu haben. 15 % hatten gar keinen Kontakt mehr zu ihr. Von denjenigen, die überhaupt Bezugspersonen außerhalb der An­ stalt hatten, gab etwa ein Viertel an, gar keinen Kontakt mit dem Vater oder den Geschwistern gehabt zu haben.592 In der Untersuchung von Boxberg zog bei 35 % der Gefangenen, die vor der Gefangenschaft eine feste Partnerschaft hatten (mehr als 70 %), die Gefangenschaft das Ende ihrer Beziehung nach sich.593 Ohder stellte für die Jugendstrafanstalt Berlin fest, dass sich die Telefonliste, auf der Kontakte junger Gefangener vermerkt wurden, mit zunehmender Dauer der Gefangenschaft ausdünnte. Er folgerte daraus, dass soziale Kontakte weniger und soziale Netz­ werke durch die Gefangenschaft beschädigt werden.594 Lauterbach kam zu dem 588

Vgl. Zamble (1992), S. 415. Vgl. Volker et al. (2016), S. 55. 590 Vgl. Bereswill (2004), S. 73. 591 Vgl. Hosser / Greve (2003). 592 Vgl. Hosser / Greve (2003). 593 Vgl. Boxberg (2018), S. 167. 594 Vgl. Ohder (2012), S. 52. 589

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

125

Ergebnis, dass etwa 70 % entlassener Jugendstrafgefangener einen Freundeskreis besitzen, wobei es sich in knapp 40 % der Fälle um dieselben Personen wie vor der Gefangenschaft handelt.595 Rau ermittelte unter Jugendstrafgefangenen mit Mig­ rationshintergrund, dass etwa zwei Drittel der handlungsrelevanten Beziehungen entlassener Jugendstrafgefangener bereits vor bzw. während der Gefangenschaft bestanden.596 Insgesamt ist aus den – wenn auch wenigen – Studien über die Veränderung sozialer Beziehungen im Jugendstrafvollzug die Tendenz abzulesen, dass soziale Beziehungen während der Gefangenschaft in Deutschland zum Teil unterbrochen werden oder sogar ganz abbrechen. Diesbezüglich stellt sich die Frage, ob bzw. in welchem Ausmaß dieser Befund auf die Gefangenschaft zurückzuzuführen ist, da die Phasen Jugend und frühes Erwachsenenalter im Vergleich zum Erwachsenen­ alter für gewöhnlich von stärkeren Veränderungen auch in Bezug auf soziale Be­ ziehungen geprägt sind.597 Allerdings geht aus der Shell Jugendstudie hervor, dass Eltern im Leben junger Menschen dauerhaft als Garanten für Sicherheit, Stabilität und Geborgenheit von hoher Bedeutung sind. Zwar wollen sich junge Menschen im Prozess des „Erwachsenwerdens“ von ihren Eltern abnabeln, dabei jedoch den Kontakt zu ihnen unbedingt halten.598 Im Vergleich dazu unterscheiden sich die in Hosser und Greves (2003) Untersuchung beschriebenen Beziehungssituationen junger Gefangener deutlich. Das könnte darauf hindeuten, dass Kontaktunterbre­ chungen und -abbrüche weniger durch die Phase der Adoleszenz, sondern vielmehr tatsächlich durch die Gefangenschaft bedingt sind. Zu bedenken ist allerdings, dass bei Jugendstrafgefangenen im Vergleich zu jungen Menschen in Freiheit häufiger problematische Familienkonstellationen vorliegen.599 Demnach könnten bereits vor der Gefangenschaft virulente Problemlagen zu Beziehungsunterbrechungen und Beziehungsabbrüchen während der Gefangenschaft führen. Inkonstante Be­ ziehungen zu Eltern und nahen Angehörigen könnten danach auf spezifischen Charakteristika von jungen Gefangenen und deren sozialen Umfeldern beruhen. Gegen diese Annahme spricht jedoch, dass in den meisten Fällen Eltern auch für Jugendstrafgefangene die wichtigsten Personen im Leben sind.600 Darüber hinaus sind es Eltern oder andere nahe Angehörige, die nach der Entlassung aus dem Ju­ gendstrafvollzug in den meisten Fällen den sozialen Empfangsraum für die jungen Männer bilden.601 Auch im Hinblick auf die Veränderung von Freundeskreisen junger Gefangener vor und nach der Gefangenschaft unterscheiden sich die Befunde von Lauterbach (2009) von Ergebnissen aus Studien, die sich auf die Bedeutung von Freund*innen 595

Vgl. Lauterbach (2009), S. 46. Vgl. Rau (2016), S. 200. 597 Vgl. Freund / Nikitin (2018), S. 278 f. 598 Vgl. Leven / Utzmann (2015), S. 281, S. 291. 599 Vgl. Abschnitt 2. b) cc) (2). 600 Vgl. Abschnitt 2. b) cc) (2). 601 Vgl. Lauterbach (2009), S. 46; Dolde / Grübl (1996), S. 291. 596

126

2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

im Leben junger Menschen außerhalb des Gefängnisses beziehen. Nach seinen Erkenntnissen, wie weiter oben thematisiert, änderte sich für fast zwei Drittel der Gefangenen der Freundes- und Bekanntenkreis, obwohl im Leben junger Men­ schen Freund*innen einen äußerst hohen Stellenwert haben,602 und sich der Wunsch nach Stabilität auch darin äußert, dass junge Menschen Freund*innen behalten wollen.603 Dieser Vergleich könnte darauf hinweisen, dass Unterbrechungen und Abbrüche von Freundschaften mit der Praxis des deutschen Jugendstrafvollzugs zusammenhängen. Abschließend bleibt zu klären, wie die Tatsache einzuordnen ist, dass bei vielen Jugendstrafgefangenen nach Haftantritt Partnerschaften scheitern.604 Aus Studien ist bekannt, dass Partnerschaften junger Menschen, obwohl sie für junge Menschen einen sehr hohen Stellenwert haben,605 im Vergleich zu Partnerschaften in späteren Lebensphasen von kürzerer Dauer sind. Demnach betragen diese bei 15-jährigen durchschnittlich 5,6 Monate, bei 17-Jährigen 10,2 Monate606 und bei 21-jährigen 21,3 Monate.607 Dass Partnerschaften unter jungen Menschen häufiger beendet werden, ist nicht ungewöhnlich, widerspricht aber auch nicht der Tatsache, dass mit zunehmendem Alter die Beziehungsdauer ansteigt.608 Zwar geht aus Hosser und Greves Untersuchung nicht hervor, wie lange die Partnerschaften vor der Ge­ fangenschaft bereits bestanden haben, bedenkt man aber, dass die meisten Jugend­ strafgefangenen 21–25 Jahre alt sind609 und die durchschnittliche Beziehungsdauer von 21-jährigen in Deutschland immerhin 21,3 Monate beträgt, ist es bemerkens­ wert, dass bei einem Drittel der Gefangenen bereits kurz nach Haftantritt Part­ nerschaften zerbrechen. Diese Befunde deuten darauf hin, dass die Gestaltung des deutschen Jugendstrafvollzugs die Aufrechterhaltung von Partnerschaften für junge Menschen zumindest erschwert. Diese Annahme passt zu dem Ergebnis aus der Studie von Lopoo und Western, die nachwiesen, dass für gefangene Männer die Wahrscheinlichkeit einer Trennung dreimal höher ist als für Männer, die in Freiheit leben.610 Insgesamt lässt sich aus dem Forschungsstand die Tendenz ableiten, dass die gegenwärtige Gestaltung des deutschen Jugendstrafvollzugs die Aufrechterhaltung sozialer Beziehungen erschwert. Dieser Befund stimmt auch mit internationalen Befunden überein, nach denen der Vollzug einer Jugendstrafe insgesamt jungen Gefangenen die Möglichkeit verstellt, soziale Bindungen aufrechtzuerhalten, an denen sich erfolgreiche Transformationsprozesse vollziehen können.611 602

Vgl. Gensicke (2015), S. 238 f. Vgl. Leven / Utzmann (2015), S. 310. 604 Vgl. Boxberg (2018), S. 167; Hosser / Greve (2003). 605 Vgl. Gensicke (2010), S. 197. 606 Vgl. Wendt / Walper (2013), S. 73. 607 Vgl. Seiffge-Krenke (2003), S. 529. 608 Vgl. Wendt / Walper (2013), S. 73. 609 Vgl. Statistisches Bundesamt (2020), S. 14. 610 Vgl. Lopoo / Western (2005), S. 732. 611 Vgl. Cid / Marti (2012), S. 618. 603

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

127

Indem Langzeitbesuche intensiveren Kontakt ermöglichen und dadurch Bindun­ gen stärken können, stellen sie aus dieser Perspektive ein geeignetes Instrumen­ tarium im Jugendstrafvollzug dar, um Beziehungsabbrüchen entgegenzuwirken. (4) Einfluss des sozialen Umfelds auf Gefangene und Einfluss der Gefangenschaft auf soziale Umfelder (a) Gefangene (aa) Allgemeine Bedeutung des sozialen Umfelds Hinsichtlich des allgemeinen Stellenwertes von familiärem Kontakt zeigen Lieb­ ling und Arnold in ihrer Untersuchung „Prisons and their Moral Performance“, die als eine der einflussreichsten aktuelleren Gefängnisstudien bezeichnet werden kann, dass die Ermöglichung familiären Kontaktes eines der Schlüsselelemente der moralischen Leistungsfähigkeit eines Gefängnisses darstellt. Danach können Gefangene das Leben in Gefangenschaft am besten bewältigen, wenn sie mit ihrer Familie in Kontakt stehen. Die Gefangenschaft ist weniger belastend, wenn die Familienbeziehungen problemfrei sind. Familiärer Kontakt erhöht darüber hinaus das Wohlbefinden in Gefangenschaft.612 Dagegen erweist sich das Vermissen der Familie als einer der Hauptbelastungsfaktoren der Gefangenschaft.613 Während der Gefangenschaft sind es Familien und Freund*innen, durch die Ge­ fangene die größte Unterstützung erfahren.614 In Bezug auf ihren Stellenwert stellt Boxberg fest, dass für Jugendstrafgefangene Unterstützung insbesondere durch die Eltern, trotz des eingeschränkten Kontaktes während der Gefangenschaft, weitaus wichtiger ist, als Unterstützung, die Vollzugsmitarbeiter*innen oder Mitgefangene während der Gefangenschaft leisten.615 Gefangene berichten, trotz der Gefangen­ schaft, außerhalb des Gefängnisses emotional eingebunden zu sein.616 Dement­ sprechend wollen die meisten Gefangenen Kontakt zu ihren sozialen Umfeldern außerhalb des Gefängnisses und sorgen sich, dass die Verbindungen zu ihnen ab­ brechen könnten.617 Die Trennung von nahestehenden Personen wird von vielen Gefangenen als die größte Belastung der Gefangenschaft empfunden.618

612

Vgl. Liebling / Arnold (2004), S. 306 f. Vgl. Liebling / Arnold (2004), S. 325; S. 327 f. 614 Vgl. Goncalves et al. (2016), S. 131. 615 Vgl. Boxberg (2018), S. 288. 616 Vgl. Boxberg (2018), S. 199. 617 Vgl. Dixey / Woodall (2012), S. 46; Zamble / Porporino (1988), S. 81 f. 618 Vgl. Goncalves et al. (2016), S. 131; Lester et al. (2003), S. 344; Enzmann (2002), S. 265; Greve / Hosser (2002), S. 502; Carlson / Cervera (1992), S. 73; Kiser (1991), S. 66; Zamble / Porporino (1988), S. 91, S. 107; Flanagan (1981), S. 212; Flanagan (1980), S. 155; Richards (1978), S. 168. 613

128

2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

Oft wird Gefangenen erst während der Gefangenschaft bewusst, wie wichtig ihre Angehörigen für sie sind, und sie möchten deshalb Kontakt zu ihnen herstellen oder wiederherstellen.619 Die von Angehörigen geleistete praktische (z. B. finan­ zielle Unterstützung, Paketsendungen, Unterstützung in rechtlichen Angelegenhei­ ten620) und emotionale Unterstützung hat positive Auswirkungen auf Gefangene.621 Lindquist wies darauf hin, dass Kontakt zu Angehörigen Gefühle von Einsamkeit, Unsicherheit und Schuld reduziert.622 Zudem weisen die Gefangenen ein höheres psychisches Wohlbefinden auf, die über mehrere Personen verfügen, auf die sie sich verlassen können.623 Thomas stellte darüber hinaus fest, dass mit zunehmenden Kontaktmöglichkeiten der Pri­ sonisierungsprozess, unter dem eine normative Anpassung an die Gefangenen­ subkultur verstanden wird, reduziert wird.624 Weiter schätzen Gefangene, die kurz vor der Entlassung stehen und von ihren Familien während der Gefangenschaft unterstützt wurden, die Zeit nach der Entlassung aus dem Gefängnis positiver ein. Dagegen fühlen sich Gefangene mit Familienmitgliedern, die gefangen oder dro­ genabhängig sind, in Bezug auf die Zeit nach der Gefangenschaft hoffnungsloser.625 Cid und Marti stellten in ihrer Studie im spanischen Jugendstrafvollzug fest, dass unterstützende Familien einen positiven Einfluss auf den „Desistance“-Pro­ zess haben. Junge Gefangene entschlossen sich, ihr Leben zu ändern, um durch den Ausstieg aus der Kriminalität die mit Delinquenz und Gefangenschaft verbun­ denen Leiden ihrer Familien zu kompensieren.626 Soziale Kontakte, die bereits vor der Gefangenschaft bestanden, fungierten dabei für die jungen Gefangenen – in Anlehnung an Sampson und Laub627 – als „Returning Points“.628 Für den deutschen Jugendstrafvollzug stellte Hosser fest, dass hohe wahrge­ nommene Unterstützung mit besserem psychischen Befinden einhergeht. Zudem besteht ein positiver Zusammenhang zwischen Netzwerkkontakten und gesell­ schaftskonformen Einstellungen.629 Junge Gefangene, die seit Beginn ihrer Ge­ fangenschaft durch ihre sozialen Umfelder unterstützt werden, können sich im Verlauf der Gefangenschaft schneller an die Bedingungen im Gefängnis anpassen. Sie fühlen sich weniger machtlos und sind in ihrem Selbstwertempfinden weniger

619

Vgl. Uggen et al. (2004), S. 285. Vgl. Christian (2005), S. 43. 621 Vgl. Goncalves et al. (2016), S. 131; Bereswill (2011), S. 211; Kern (2007), S. 77; Carlson / Cervera (1992), S. 73. 622 Vgl. Lindquist (2000), S. 450 ff. 623 Vgl. Listwan et al. (2010), S. 1153. 624 Vgl. Thomas (1973), S. 17, S. 20. 625 Vgl. Visher / O’Connell (2012), S. 392. 626 Vgl. Cid / Marti (2012), S. 611. 627 Vgl. Abschnitt 2. b) aa) (3) (a). 628 Vgl. Cid / Marti (2012), S. 616. 629 Vgl. Hosser (2001), S. 339. 620

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

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beeinträchtigt.630 Hürlimann verweist darauf, dass junge Gefangene, die innerhalb des Jugendstrafvollzugs als subkulturelle Anführer agieren, weniger Kontakt zu ihren Verwandten haben. Mit Blick auf unterschiedliche Führer-Typen konstatiert er, dass „Sozial- und Aufgabenführer“ mehr Freund*innen außerhalb der Anstalt haben, während „Gewaltführer“ weniger Freund*innen im Vergleich zu anderen Gefangenen aufweisen.631 Bereswill thematisierte darüber hinaus in ihrer Studie zum Jugendstrafvollzug in Anlehnung an Sykes die „pains of imprisonment“ und kam zu dem Ergebnis, dass die Verarbeitung einer Jugendstrafe gerade solchen Gefangenen schwerfällt, die über wenige Netzwerke verfügen, die es ihnen erleichtern, Erfahrungen des Abgeschnittenseins aufzufangen.632 Weiter stellten La Vigne et al. fest, dass fa­ miliäre Beziehungen während der Gefangenschaft durch intensiven Kontakt ver­ bessert werden können.633 Gefangene, die verheiratet sind, scheinen sich besser an die Gefangenschaft an­ zupassen.634 Diejenigen, die häufigeren Kontakt zu ihrem*r Partner*in haben und sich diesem*r näher fühlen, können die Gefangenschaft effektiver bewältigen.635 Allerdings werden Partnerschaften in der Regel durch die Gefangenschaft auf eine ernsthafte Probe gestellt, an der viele Partnerschaften zerbrechen. In ihrer Studie über junge Gefangene stellte Nurse fest, dass die Gefangenschaft in vielen Beziehungen die Machtbalance zwischen jungen Gefangenen und ihren Partnerin­ nen umkehrt. Während die jungen Männer vor der Gefangenschaft das Verhalten ihrer Partnerinnen oftmals kontrollieren und steuern konnten, geraten sie wäh­ rend der Gefangenschaft in Abhängigkeit von ihrer Partnerin, da diese darüber entscheiden kann, wann sie besucht, welchen Inhalt die Pakete haben und ob sie die Kinder zum Besuch mitnimmt. Der erlebte Kontrollverlust führt nach Nurse zu Eifersucht und Stress, verstärkt im ohnehin bereits negativ aufgeladenen Ge­ fängnissystem Gefühle wie Misstrauen und Wut gegenüber Frauen und kann zur Trennung führen.636 Das schließt aber nicht aus, dass die Gefangenschaft aus Sicht von Gefangenen auch zu einer Intensivierung und Verbesserung partnerschaftli­ cher Beziehung führt.637 Ein weiteres Thema von zentraler Bedeutung ist der Suizid in Gefangenschaft im Kontext von Kontakten zur Außenwelt. Der Übergang von der Welt draußen in die geschlossene Institution kann, so Hatty und Walker, zu einem Haftschock führen, der das Riko von Suizid im Gefängnis erhöht.638 Kontakt zu nahestehenden 630

Vgl. Hosser / Greve (2002). Vgl. Hürlimann (1993), S. 155. 632 Vgl. Bereswill (2005), S. 11. 633 Vgl. La Vigne (2005), S. 331. 634 Vgl. Jiang / Winfree (2006), S. 49. 635 Vgl. Carlson / Cervera (1992), S. 73. 636 Vgl. Nurse (2002), S. 58 ff. 637 Vgl. Bereswill (2011), S. 212. 638 Vgl. Hatty / Walker (1986), S. 39. 631

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2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

Personen am Anfang der Gefangenschaft kann den Haftschock dämpfen.639 Lieb­ ling wies nach, dass die Isolation von der Familie und anderen Außenkontakten als gefängnisinduzierter Stress wirkt und zu erhöhter Vulnerabilität der Gefangenen führt. Kommen weitere situationelle Auslöser wie ausgebliebene Besuche hinzu, kann dies zu Suiziden oder Suizidversuchen führen. So ist nach Liebling der Kon­ takt zu nahestehenden Personen als protektiver Faktor im Kontext von Suiziden in Gefängnissen einzuschätzen.640 Auch gibt es in diesem Zusammenhang Gefangene, die ihren Angehörigen nicht zur Last fallen wollen.641 Der Befund, dass Gefangene mit nahestehenden Personen von draußen un­ bedingt Kontakt haben wollen und die Trennung von ihnen als eine der größten Belastung der Gefangenschaft empfunden wird, ist ein empirische häufig nachge­ wiesener Befund. Langzeitbesuche eignen sich ohne Zweifel, Bedürfnisse von Ge­ fangenen nach mehr Kontakt zu realisieren und die Gefangenschaft zu erleichtern. Häufiger Kontakt zu nahestehenden Personen hat positive Einflüsse auf die Ge­ fangenen: Er steigert das Wohlbefinden, begünstigt positive Anpassungsprozesse an die Gefangenschaft, unterstützt „Desistance“-Prozesse in der Gefangenschaft und verringert das Risiko von Suiziden. Nahestehende Personen sollten demzu­ folge unbedingt am Leben der Gefangenen auch durch Langzeitbesuch teilhaben können, um sie in diesen schweren Zeiten unterstützen zu können. (bb) Soziale Kontakte und ihr Einfluss auf die psychosoziale Entwicklung von Jugendstrafgefangenen Insbesondere vor dem Hintergrund der Tatsache, dass sich Jugendstrafgefangene in der wichtigen Phase ihrer psychosozialen Entwicklung befinden, scheint die Be­ schneidung von sozialen Kontakten während der Gefangenschaft besonders proble­ matisch. Nach Bereswill stehen junge Männer in der Phase der Adoleszenz u. a. vor der Aufgabe, sich von ihrem Vater abzugrenzen und sich von gesellschaftlich dominanten Männlichkeitsidealen loszulösen, wie sie oftmals von Vätern vertreten werden. Dabei sind sie gleichzeitig auch auf die Fürsorge und Anerkennung von Väterfiguren angewiesen. Zudem brauchen sie ein großes Beziehungsnetzwerk, in dem sie ihre Wünsche nach Bindung und Loslösung ausleben können.642 Versteht man die Phase der Adoleszenz somit als psychosozialen Möglichkeitsraum,643 sind diese Möglichkeitsräume des Ausprobierens bezüglich sozialer Interaktionen für junge Gefangene, so Bereswill, im Vergleich zu Gleichaltrigen in Freiheit stark ein­ geschränkt. Gefangenschaft führt zu begrenzter Autonomie und bedingt Bindungsund Abhängigkeitskonflikte, die aufgrund mangelnder Einbindung in haltgebende 639

Vgl. Gibbs (1982), S. 101 f. Vgl. Liebling (1999), S. 305. 641 Vgl. Boxberg / Neubacher (2019), S. 458 ff. 642 Vgl. Bereswill (2006), S. 169. 643 Vgl. Bereswill (2006), S. 169. 640

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

131

Beziehungen außerhalb des Gefängnisses während der Gefangenschaft nicht gelöst und nach der Gefangenschaft nicht aufgefangen werden können.644 Darüber hinaus zeigen Hosser und Greve, dass ständige Kontrolle und der Zwang zur Anpassung dem Erwerb von Autonomie zuwiderlaufen. Je stärker der Haftalltag reglementiert ist und je geringer der persönliche Gestaltungsraum von jungen Gefangenen aus­ fällt, desto häufiger liegen Erkrankungen und Disziplinarverstöße vor.645 Indem junge Gefangene durch Langzeitbesuch in wohnungsähnlichen Räumen unbeaufsichtigt für mehrere Stunden mit wichtigen Bezugspersonen von draußen agieren können, sollten Langzeitbesuche als notwendige Möglichkeitsräume im ge­ schlossenen Jugendstrafvollzug fungieren und jungen Menschen in Gefangenschaft größere Spielräume für eine gesunde psychosoziale Entfaltung ermöglichen. Das Erlernen von Eigenständigkeit ist eine der Grundvoraussetzungen für ein Leben in sozialer Verantwortung nach der Entlassung, wie es als Ziel in den Jugendstraf­ vollzugsgesetzen vorgegeben ist.646 Hinsichtlich der psychosozialen Entwicklung in Gefangenschaft ist weiter fest­ zustellen, dass sich junge Gefangene in einer Entwicklungsphase befinden, in der die Identitätsentwicklung noch nicht abgeschlossen ist. Die in der Kindheit erlangte eigene Identität und das eigene Selbstbild werden in der Adoleszenz überprüft.647 Die Phase der Adoleszenz dient aus psychosozialer Perspektive dem Prozess der Identitätsbildung, die sich nach Erikson als eine entwickelnde Konfiguration entfaltet  – „eine Konfiguration, die allmählich konstitutionelle Gegebenheiten, höchst persönliche Bedürfnisse, bevorzugte Fähigkeiten, wichtige Identifikatio­ nen, wirksame Abwehren, erfolgreiche Sublimierungen und konsequente Rollen integriert.“648 Die Entwicklung und Überprüfung der eigenen Identität wird, so Fend, nicht aus sich selber heraus, sondern zusammen mit anderen konstruiert, in­ dem sich der Mensch durch Beziehungen selber besser kennenlernt und die Eigen­ heiten der eigenen Person über „Spiegelungen im Anderen“ erfährt.649 Durch die Gefangenschaft aber ist das soziale Interaktionsfeld für junge Gefangene, die sich in der Phase der Adoleszenz befinden, deutlich eingeschränkt. In Bezug auf destabilisierende Einflüsse, die von einer Gefangenschaft auf die Identitätsbildung junger Menschen ausgehen, ist zudem auf Eder zu verweisen, die in ihrer Untersuchung qualitative Interviews mit adoleszenten Jugendstraf­ gefangenen führte. Sie stellte fest, dass der Entzug von vor der Gefangenschaft genutzten psychosozialen Ressourcen wie der alten Clique die soziale Identität junger Gefangenen angreift und zu Gefühlen wie Angst, Einsamkeit und Unsi­ cherheit führt. Durch die Destabilisierung der eigenen Identität werden, so Eder, 644

Vgl. Bereswill (2006a), S. 256 f. Vgl. Hosser / Greve (2001). 646 Vgl. Abschnitt 2. a) aa) (1) (a). 647 Vgl. Erikson (2012), S. 94, zit. nach: Eder (2003), S. 96. 648 Erikson (2012), S. 97. 649 Vgl. Fend (1998), S. 247, zit. nach: Eder (2003), S. 96. 645

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2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

junge Gefangene besonders angreifbar, aber auch lernfähig.650 Da es innerhalb von Gefangenengruppen subkulturelle Strukturen gibt, müssen sich junge Gefangene, um sich psychisch und physisch zu schützen, durch neue Handlungsstrategien an die Gefängnisumgebung anpassen. Alte Identitäten müssen mit neuen Identitäten in Gefangenschaft verbunden werden, was zu einer Veränderung des Selbstbildes führt.651 Probleme mit der neuen Identität, so Eder, ergeben sich daraus, dass sie auf Interaktionen mit anderen Gefangenen fußt, die von subkulturellen Normen geprägt sind. Viele junge Gefangene haben nach wie vor den Wunsch, Gefühle und Schwäche zu zeigen sowie Beziehungen und Interaktionen auf Vertrauen auf­ zubauen. Da die Peergroup in Gefangenschaft aber von der Gefangensubkultur dominiert ist und sie keine funktionierende Gruppe von Gleichaltrigen darstellt, können von dieser keine positiven Einflussfaktoren ausgehen.652 Die Möglichkeit, positive Erfahrungen mit Bindung, Verantwortlichkeit, Fairness und Intimität zu erleben, ist also im Gefängnis kaum gegeben, da Beziehungen durch einen unver­ bindlichen, materiell orientierten und oft ausbeuterischen Charakter geprägt sind. Die Entwicklung einer stabilen Persönlichkeitsstruktur wird durch die unterdrü­ ckenden Strukturen und die mit ihnen einhergehende notwendige Unterordnung stark beeinträchtigt. Folglich kann die Gefangenschaft bei jungen Menschen zur Identitätsveränderung führen, die in Abhängigkeit zur Rolle steht, in die der junge Mensch innerhalb der Gefangenengruppe gedrängt wird. Insgesamt, so Eder re­ sümierend, besteht die Gefahr, dass negative Lernprozesse verstärkt, soziale und emotionale Bedürfnisse nicht befriedigt und wichtige Lernerfahrungen des Her­ anwachsens nicht gemacht werden können.653 Je stärker also die Kontakte mit der Außenwelt beschnitten werden, desto bedeutender wird das Gefängnis als Ersatz.654 Bereswill, Hosser und Greve sowie Eder demonstrieren in ihren Untersuchungen eindrucksvoll, inwiefern die Gefangenschaft entwicklungsimmanente Prozesse der Adoleszenz beeinträchtigt und zu erheblichen Entwicklungsdefiziten führt. Aus entwicklungspsychologischer Perspektive braucht es daher für eine annähernd „normale“ psychosoziale Entwicklung während der Gefangenschaft Schutzräume (z. B. Langzeitbesuchsräume) im geschlossenen Jugendstrafvollzug, in denen junge Gefangene Schwäche zeigen sowie durch Interaktionen mit nahestehenden Perso­ nen stabile Persönlichkeitsstrukturen herausbilden können. Langzeitbesuchsräume können dabei als besondere Orte fungieren, in denen positive Lernprozesse statt­ finden. Durch die Privatsphäre, die Langzeitbesuche ermöglichen, können junge Gefangene mit ihnen nahestehenden Personen interagieren und sich dabei Blicken und Bewertungen von Mitgefangenen entziehen.

650

Vgl. Eder (2003), S. 97. Vgl. Eder (2003), S. 97 f. 652 Vgl. Eder (2003), S. 99 f. 653 Vgl. Eder (2003), S. 107 ff. 654 Vgl. Hosser / Greve (2001). 651

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

133

(cc) Einfluss von Peers Der Einfluss von Peers während der Gefangenschaft stellt ein spezielles Problem­ feld dar. Es kann zwischen Einflüssen von anderen jungen Gefangenen, die das soziale Umfeld innerhalb des Gefängnisses bilden, und Einflüssen von etwa gleich­ altrigen Bezugspersonen unterschieden werden, die außerhalb des Gefängnisses das soziale Umfeld bilden. Es gibt kaum Studien, die Einflüsse von Peers auf Ju­ gendstrafgefangene untersucht haben, die außerhalb des Gefängnisses das soziale Umfeld bilden. Aus einigen rein deskriptiven Studien ist bekannt, dass Gefangene mit Freund*innen während der Gefangenschaft in Kontakt stehen.655 Zudem ge­ hören Freund*innen, wenn auch sehr unregelmäßig, zu besuchenden Personen im Jugendstrafvollzug.656 Weiter ist bekannt, dass Freundeskreise, die vor der Gefan­ genschaft bestanden, teilweise nach der Entlassung fortbestehen.657 Ob auch Peers durch Langzeitbesuche erweitert in den Jugendstrafvollzug eingebunden werden sollten, kann hier mithilfe des kriminologischen Forschungsstandes über ihre Ein­ flüsse während der Gefangenschaft nicht beantwortet werden, da keine Forschungs­ ergebnisse vorliegen. Aus der Theoretisierung ihres möglichen Einflusses und aus dem Forschungsstand über ihren Einfluss auf die Entstehung von abweichendem Verhalten,658 lässt sich allerdings ableiten, dass auch der Kontakt zwischen Ju­ gendstrafgefangenen und in Freiheit lebenden Peers während der Gefangenschaft ambivalente Einflüsse hat. Auch wenn hier Peers als Außenkontakte von Interesse sind, wird im Folgen­ den kurz auf Mitgefangene als Peers eingegangen. Dadurch soll gezeigt werden, inwiefern die Einbindung von Außenkontakten schädlichen Einflüssen von Mit­ gefangenen entgegenwirken kann. Zudem soll aus dem Forschungsstand über ihren Einfluss abgeleitet werden, welche Einflüsse die Einbindung von Peers durch Langzeitbesuch haben kann. Bereits frühe sozialwissenschaftliche Studien über die Kultur von Gefängnis­ sen thematisierten Einflüsse unter Gefangenen im Sinne einer Gegenkultur. Nach Clemmer wird durch die Gefangenen eine komplexe Kultur, bestehend aus Ge­ wohnheiten, Verhaltenssystemen, Traditionen, Geschichten, Bräuchen, Kodex, Ge­ setzen und Regeln in das Gefängnis importiert, eine Kultur, die Ideen, Meinungen und Einstellungen der Gefangenen steuert.659 Dabei kontrolliert der Gefangenenko­ dex das Verhalten der Gefangenen.660 Durch den Prisonisierungsprozess erzeugen oder vertiefen Einflüsse während der Gefangenschaft Kriminalität und antisoziales Verhalten.661 Auch Goffmann und Sykes gehen in ihren Studien von der Existenz 655

Vgl. Hürlimann (1993), S. 155 f. Vgl. Ohder (2012), S. 53. 657 Vgl. Rau (2016), S. 202 f.; Lauterbach (2009), S. 46. 658 Vgl. Abschnitte 2. b) aa), 2. b) bb). 659 Vgl. Clemmer (1958), S. 294. 660 Vgl. Clemmer (1958), S. 152 f. 661 Vgl. Clemmer (1958), S. 300. 656

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2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

einer eigenen sozialen und kulturellen Welt innerhalb der Gefängnismauern aus, die aber ihrer Ansicht nach nicht, wie Clemmer postuliert, in das Gefängnis im­ portiert wird, sondern eine funktionelle Reaktion auf die Schmerzen der Gefan­ genschaft662 bzw. die Charakteristika der totalen Institution darstellt. Nach Sykes gibt es ein System aus geteilten und von der Gruppe unterstützten Überzeugungen und Werten, welches das Verhalten von Gefangenen formt.663 Gefangene sind ge­ zwungen, sich zu verbrüdern, sich zu solidarisieren und Cliquen zu bilden. Dabei entwickeln sie bestimmte Regeln und Mittel der informellen Sozialkontrolle, um Verhaltensanpassungen anderer Gefangener zu erzwingen.664 Der Begriff der Gefangenensubkultur wird unterschiedlich definiert: Nach Hürli­mann ist für die Gefangenensubkultur ein Normen-, Einstellungs- und Werte­ system kennzeichnend, das von dem der Mehrheitsgesellschaft abweicht und eine feindliche Haltung gegenüber dem Staat, der Justiz, der Polizei, dem Gefängnis und seinen Bediensteten bei gleichzeitigem Zusammenhalt der Gefangenen dem Personal gegenüber beinhaltet.665 Harbordt definiert in seiner Studie über die Subkultur des Gefängnisses im deutschen Strafvollzug diese als „die überindividuellen Wertvorstellungen und Verhaltensvorschriften der Gefängnisinsassen, ihre Ansichten über ihre Umwelt, ihre Bräuche, Gewohnheiten und sonstige (tatsächlichen) Verhaltensweisen, ferner ihre Kniffe, ihre Sprache“666. Hosser und Taefi untersuchten die subkulturelle Einbindung der speziellen Ge­ fangenenpopulation von Aussiedlern im deutschen Jugendstrafvollzug und stellten fest, dass mehr als die Hälfte der Aussiedler und ein Drittel gebürtiger Deutscher in die Subkultur ihrer kulturellen Bezugsgruppe eingebunden waren.667 Die Subkultur von Aussiedlern zeichnete sich durch Gruppenloyalität, Solidarität, Verschwie­ genheit nach außen und die strenge Sanktionierung von Verhalten aus, das von der Subkultur abweicht.668 Für die Jugendstrafvollzugsanstalt Rockenberg konnte Hurli­mann zwar nicht abschließend beurteilen, inwiefern informelle Führer (sub­ kulturelle Anführer) eine Gefahr für die Resozialisierung anderer Gefangener darstellen. Er ging aber davon aus, dass eine Teilgruppe anführender Gefangener (Gewaltführer) das soziale und therapeutische Klima innerhalb der Anstalt nega­ tiv beeinflusst.669 Zudem stellte er fest, dass eine positive, der Resozialisierung dienliche Meinungsbeeinflussung von Führern der Subkultur nicht ausgeht.670 In der Untersuchung von Hofmann berichteten Gefangene des Jugendstrafvollzugs, 662

Vgl. Sykes (1958), S. 82. Vgl. Sykes (1958), S. 108. 664 Goffman (2014), S. 61 ff. 665 Vgl. Hürlimann (1993), S. 17. 666 Harbordt (1972), S. 21. 667 Vgl. Hosser / Taefi (2008), S. 39. 668 Vgl. Hosser / Taefi (2008), S. 122. 669 Vgl. Hürlimann (1993), S. 208. 670 Vgl. Hürlimann (1993), S. 206 f. 663

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

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dass sie während der Gefangenschaft von anderen Gefangenen neue kriminelle Techniken erlernt hätten.671 Dabei scheint der subkulturelle Einfluss auch vom Sta­ dium der Gefangenschaft abzuhängen. Hosser stellte fest, dass eine enge Bindung an andere Jugendstrafgefangene im ersten Haftdrittel mit geringer Aggressivität verbunden ist, zum Zeitpunkt der Entlassung dagegen mit hoher Aggressivität einhergeht.672 Als spezielle Form der Subkultur ist gewalttätiges Verhalten unter Gefangenen anzusehen. Dabei handelt es sich um ein alltägliches subkulturelles Phänomen im Jugendstrafvollzug.673 In der Kölner Studie über Gewalt im Jugendstrafvollzug gaben zwischen 80–90 % der jungen Gefangenen an, in den letzten drei Mona­ ten psychische Gewalt ausgeübt zu haben. 62–68 % der Befragten räumten ein, physische Gewalt ausgeübt zu haben. Dabei war eine große Gruppe der jungen Gefangenen (70 %) sowohl Täter als auch Opfer. Im Hinblick auf sexuelle Gewalt gaben zwischen 1–4 % an, als Täter in Erscheinung getreten zu sein. Zudem müs­ sen sich junge Gefangene aufgrund der Alltäglichkeit von Gewalt und der Existenz in einer hierarchischen Subkultur mit allen Mitteln „beweisen“, damit sie „ihre Ruhe haben“. Gleichzeitig gilt das Gebot, dass andere Gefangene nicht „verzinkt“ und Dinge „unter sich geklärt“ werden.674 Subkulturelle Einstellungen, gewalt­ legitimierende Männlichkeitsnormen sowie hohe Gewaltakzeptanz erhöhen für die Gefangenen die Gefahr, innerhalb des Jugendstrafvollzugs in eine „Subkultur der Gewalt“ eingebunden zu sein.675 In einer Untersuchung des Kriminologischen Forschungsinstitutes Niedersachsen gaben 33 % an, in den vier Wochen, in denen die Untersuchung durchgeführt wurde, Opfer von physischer Gewalt gewesen zu sein. Knapp 4 % gaben an, in diesem Zeitraum sexuelle Gewalt gegenüber Mitge­ fangenen ausgeübt zu haben.676 Darüber hinaus stellten Buehler et al. in ihren Pilot­ studien fest, die sie in einem Gefängnis für Mädchen durchführten, dass deviante Handlungen innerhalb der Institution durch die Peergroup bekräftigt wurden, wäh­ rend normenkonformes Verhalten durch diese gewöhnlich bestraft wurde.677 Auch Bayer et al. konnten für Jugendstrafgefangene des US-amerikanischen Strafvoll­ zugs verstärkende Effekte der Peergroup auf kriminelle Handlungen nachweisen. Sie zeigten, dass junge Gefangene, die während der Gefangenschaft Kontakt zu Peers haben, die ähnliche Straftaten begangen haben, dazu neigen, mit den glei­ chen Straftaten, die sie schon einmal begangen haben, rückfällig zu werden. Die erhöhte Rückfallwahrscheinlichkeit bezieht sich allerdings nicht auf Rückfälle durch Straftaten, mit denen die Person zuvor noch keine Erfahrung gemacht hatte.

671

Vgl. Hofmann (1975), S. 135 ff. Vgl. Greve / Hosser (2002), S. 494. 673 Vgl. Fehrmann (2015), S. 42. 674 Vgl. Neubacher (2014), S. 322 f.; Häufle et al. (2013), S. 32. 675 Vgl. Häufle et al. (2013), S. 35. 676 Vgl. Klatt et al. (2016), S. 735. 677 Vgl. Buehler et al. (1966), S. 158, S. 160 ff. 672

136

2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

Weiter stellten Bayer et al. fest, dass mit zunehmendem Alter negative Peereffekte abnehmen und ältere Peers einen größeren Einfluss als jüngere haben.678 Beziehungen zwischen Gefangenen haben aber auch positive Effekte. Greve und Hosser konnten zeigen, dass Jugendstrafgefangene, die enge Bindungen zu anderen Gefangenen haben, geringere Einsamkeitswerte aufweisen.679 Trayneus-Yurek und Giacobbe fanden heraus, dass junge Gefangene, die an einem „Positive-Peer-Cul­ ture-Programm“680 teilnahmen, aufgrund intensiver Gruppeninteraktionen wäh­ rend der Treffen verbesserte Kommunikationsfähigkeiten entwickelten.681 Nach Gold und Osgood zeigen junge Gefangene, die einer prosozialen Peergroup an­ gehören, prosozialeres Verhalten, weniger Bewunderung für Kriminalität sowie eine höhere Bereitschaft zur Kooperation mit Bediensteten. Zudem ist es wahr­ scheinlicher, dass sie sich nach der Entlassung einer positiven Referenzgruppe anschließen.682 Wenn positive Kontakte zu Mitgefangenen positive Einflüsse ha­ ben können, lässt sich annehmen, dass auch die Einbindung prosozialer Peers von draußen insbesondere durch Langzeitbesuch positive Wirkung während der Ge­ fangenschaft entfalten kann. (dd) Vaterschaft im Gefängnis Wie bereits dargestellt, haben auch Gefangene des Jugendstrafvollzugs eigene Kinder, was nicht ungewöhnlich ist, wenn man bedenkt, dass mit etwa 45 % die größte Gruppe der männlichen Jugendstrafgefangenen in Deutschland 21–25 Jahre alt ist.683 Aus dem internationalen Forschungsstand folgt, dass sich die meisten Ge­ fangenen in Kontakt mit ihren Kindern befinden, sich um sie sorgen, sich ihren Kindern nahe fühlen und ihnen ihre Vaterrolle sowie elterliche Identität sehr wichtig sind.684 Obwohl die meisten Gefangenen gute Väter sein wollen, ist das Ausfüllen der Vaterrolle in Gefangenschaft natürlich problematisch. Aufgrund seltener Inter­ aktionsmöglichkeiten mit ihren Kindern vermissen viele Väter die Kinder und sor­ gen sich, dass diese sich von ihnen entfremden,685 die Kinder sie vergessen oder sie durch einen neuen Mann ersetzt werden könnten.686 In vielen Fällen sind die Sorgen der Gefangenen nicht unbegründet, da sich Beziehungen durch die Gefangenschaft verschlechtern können. In der Untersuchung von Dennison et al. in australischen Gefängnissen gab etwa die Hälfte der befragten Väter an, dass sich die Beziehung 678

Vgl. Bayer et al. (2009), S. 135 ff. Vgl. Greve / Hosser (2002), S. 501. 680 Vgl. Abschnitt 2. b) bb) (2). 681 Vgl. Trayneus-Yurek / Giacobbe (1998), S. 163. 682 Vgl. Gold / Osgood (1992), S. 197. 683 Vgl. Statistisches Bundesamt (2020), S. 14. 684 Vgl. Lee et al. (2012), S. 179; Kazura (2001), S. 80; Hairston (1998), S. 622, S. 636; Carlson / Cervera (1992), S. 85. 685 Vgl. Tudball (2000), S. 17. 686 Vgl. Hairston (1995), S. 37. 679

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

137

zwischen ihnen und ihren Kindern seit der Gefangenschaft verschlechtert hat.687 Kontaktreduzierungen zu Kindern beruhen nicht nur auf institutionellen Barrieren, sondern sind auch darauf zurückzuführen, dass einige Mütter gefangene Väter nicht mit den Kindern besuchen wollen.688 Auch Konflikte zwischen den Eltern können dazu führen, dass Kontakte zwischen Kindern und gefangenen Vätern abbrechen.689 Oft sind gefangene Väter hin und her gerissen zwischen unterschiedlichen Ge­ fühlen. Einerseits wollen sie zum Wohlbefinden der Kinder beitragen, diese füh­ ren, begleiten und sowohl materiell als auch immateriell versorgen.690 Anderseits können sie aufgrund ihrer Gefangenschaft kaum mit ihren Kindern interagieren. Sie haben selten die Möglichkeit, ein bedeutsames Elternteil zu sein und es gelingt ihnen nicht, die angestrebte Versorgerrolle tatsächlich auszufüllen.691 Das führt zu Gefühlen wie Schuld, Scham, Unzufriedenheit, Hilflosigkeit, Betroffenheit und Trauer.692 Die Gefangenschaft beschränkt in Bezug auf das Vatersein, wie es Her­ mes ausdrückt, die Möglichkeit der autonomen Funktionserfüllung693 Darüber hi­ naus kann es für Gefangene sehr wichtig sein, eigene Kinder finanziell versorgen zu können. Der mit der Gefangenschaft einhergehende Verlust des Status als Ver­ sorger wird von Gefangenen in manchen Kulturkreisen gleichzeitig als Verlust der väterlichen Legitimation angesehen.694 Insgesamt scheint aus Sicht von Gefangenen eine effektive Ausfüllung der Rolle als Elternteil nicht möglich.695 Einige Väter reduzieren bewusst den Kontakt zu ihren Kindern.696 Arditti et al. erklärten dies damit, dass in solchen Fällen sowohl Stigma, emotionaler Schmerz und doppeldeutige Gefühle im Zusammenhang mit Kontakten zu ihren Kindern als auch institutionelle Barrieren bezüglich Telefonaten und Besuchen Entmutigung auslösen, was eben zu der Distanzierung von ihren Kindern führt.697 Shade et al. fanden in ihrer Studie über junge Gefangene heraus, deren Frauen ein Kind erwar­ teten oder die bereits Vater eines Säuglings waren, dass einige den Kontakt redu­ zierten und sich von ihren Kindern im Sinne eines Schutzmechanismus distanzier­ ten, um zu verhindern, dass ihre Kinder Schaden nehmen könnten.698 Nurse stellte in ihrer qualitativen Studie im Jugendstrafvollzug fest, dass einige junge Gefangene aufgrund negativer Gefühle wie Schuld und Hilflosigkeit, die sie gegenüber ihrer Familie empfinden, den Kontakt zu ihren Kindern und der Familie abbrechen.699 687

Vgl. Dennison et al. (2014), S. 1100. Vgl. Hairston (1995), S. 39. 689 Vgl. Philbrick et al. (2014), S. 70. 690 Vgl. Hairston (1995), S. 37. 691 Vgl. Hairston (2002), S. 132. 692 Vgl. Boswell / Wedge (2002), S. 39 f. 693 Vgl. Hermes (2012), S. 100. 694 Vgl. Philbrick et al. (2014), S. 74. 695 Vgl. Bouregba (2013), S. 39. 696 Vgl. Philbrick et al. (2014), S. 70. 697 Vgl. Arditti et al. (2005), S. 283. 698 Vgl. Shade et al. (2013), S. 446. 699 Vgl. Nurse (2002), S. 52. 688

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2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

Lanier wies darauf hin, dass eine von Gefangenen als problematisch angesehene Beziehung zu ihrem Kind das Risiko von Depressionen erhöht.700 Da Gefangene in der Regel Kontakt zu ihren Kindern wollen und sie vermissen, bieten sich Langzeitbesuche an, dem Wunsch junger Väter nachzukommen, mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen zu können und auf diese Weise Schmerzen zu reduzieren, die in Gefangenschaft durch die Trennung von den Kindern entstehen. Bindungen zum Kind sollten durch häufigen Kontakt intensiviert werden, will man verhindern, dass Kontakte zwischen Vätern und Kindern abbrechen, indem der Frust über das schwierige „Vatersein“ in Gefangenschaft zur Resignation bei jungen Männern führt. Ein weiteres aus der Vaterschaft in Gefangenschaft resultierendes Problem hängt mit der Organisations- und Sozialstruktur von Gefängnissen zusammen. Auch in diesem Zusammenhang können Langzeitbesuche als wichtige Kompensations­ räume im Jugendstrafvollzug fungieren.701 So wird, wie u. a. Nurse feststellt, jeder Aspekt des Lebens der Gefangenen im Gefängnis vollständig kontrolliert. Es wird bestimmt, wann sie essen dürfen, wann sie schlafen sollen, wann sie fernsehen können etc. Das Gefängnispersonal, das für Ordnung und Disziplin sorgen muss, nimmt im Jugendstrafvollzug in gewisser Weise die Rolle von „Eltern“ ein, die wissen, was für ihre „Kinder“ am besten ist. Dabei werden Disziplin und Ordnung durch Kontrolle, Angst und Überwachung aufrechterhalten. Auf diese Weise leben Bedienstete jungen Gefangenen vor, dass Bestrafung ein effektives Erziehungs­ mittel ist. Da nach Nurse in der punitiven Gefängnisumgebung keine anderen Formen von Verhaltensregulierungen präsent sind als solche, die auf Wut, Bestra­ fung und Hierarchie basieren, werden diese Modelle von den jungen Gefangenen erlernt und auf die eigene Kindererziehung übertragen.702 Arditti et al. stellten des Weiteren fest, dass bei gefangenen Vätern oftmals die Vateridentität vom Status und von der Identität als Gefangener überschattet wird.703 Shade et al. ermittelten durch Interviews mit jungen Vätern in Gefangenschaft, dass deren Selbstbilder von hegemonialen Männlichkeitsvorstellungen geprägt sind. Unter hegemonialer Männlichkeit wird hier eine Gestaltung geschlechtsbezogener Praxis verstanden, die eine Antwort auf das Legitimitätsproblem des Patriacharts darstellt. Sie ge­ währleistet Dominanz von Männern und die Unterordnung von Frauen.704 Auf­ grund dieser Identitäten sowie traumatischer Lebenserfahrungen wollen junge, gefangene Väter ihre Kinder entsprechend dieser Form von Männlichkeit erziehen, um der Gefahr entgegenzuwirken, dass sie durch feminine Verhaltensweisen zu „Opfern“ werden könnten.705

700

Vgl. Lanier (1993), zit. nach: Hairston (1998), S. 636. Vgl. Abschnitt 1. a) aa). 702 Vgl. Nurse (2002), S. 52. 703 Vgl. Arditti et al. (2005), S. 283. 704 Vgl. Connell (1999), S. 98. 705 Vgl. Shade et al. (2013), S. 445 f. 701

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

139

Demzufolge scheint es besonders für gefangene Väter wichtig, dass Personen von draußen und somit andere Verhaltensmuster im Jugendvollzug auch durch Langzeitbesuche präsent sind, will man verhindern, dass sich Normen und Werte der Subkultur des Gefängnisses in den Erziehungsmethoden von jungen Vätern widerspiegeln. Studien zeigen andererseits, dass die Vaterschaft in Gefangenschaft zu posi­ tiven Veränderungen führen kann. In Anlehnung an das psychosoziale Konzept des „möglichen Selbst“ stellte Meek fest, dass junge Gefangene ihre Identität als Straftäter durch eine ähnlich erstrebenswerte – aber eben positivere – Identität als Vater ersetzen können.706 Gefangene, die kurz vor der Entlassung stehen und Vater von mindestens einem Kind sind, schätzen die Zeit nach der Entlassung positiver ein.707 Gefangene, die drei Monate vor ihrer Entlassung durch E-Mails oder Be­ suche mit ihren Kindern in Kontakt stehen, haben eine stärkere Bindung an ihre Kinder nach der Entlassung.708 Lösel kam zu dem Ergebnis, dass die Wahrschein­ lichkeit eines erfolgreichen Wiedereingliederungsprozesses nach der Gefangen­ schaft für ehemals gefangene Väter und ihre Familien zunimmt, wenn während der Gefangenschaft häufiger, kommunikativ erfolgreicher Kontakt zwischen den Vätern und ihren Familien bestand.709 Folglich sollten positive Einflüsse, die von Kontakten zu Kindern in der Ge­ fangenschaft ausgehen, intensiviert werden, indem Kinder möglichst intensiv auch durch Langzeitbesuche in den Vollzug der Jugendstrafe eingebunden werden mit dem Ziel, Resozialisierung zu fördern. Junge Männer sollten im Jugendstrafvollzug mehr Zeit in normaleren Umgebungen, wie sie für Langzeitbesuchsräume charak­ teristisch sind, mit ihren Kindern verbringen können. Da es sich bei Elternschaft in Gefangenschaft um ein Thema von hoher Bedeutung handelt, das im deutschen Strafvollzug durch entsprechende Angebote kaum aufgegriffen wird,710 könnten und sollten Langzeitbesuche mit entsprechenden Angeboten für junge Väter im Jugendstrafvollzug kombiniert werden. (ee) Einfluss sozialer Interaktionen während der Gefangenschaft auf die Zeit nach der Entlassung Kontakte zu nahestehenden Personen während der Gefangenschaft haben frag­ los Auswirkungen auf die Zeit nach der Entlassung. Gefangene, die während ihrer Gefangenschaft häufig Kontakt zu ihrer Familie hatten, entwickeln positivere fa­ miliäre Beziehungen nach der Entlassung als Gefangene, bei denen das nicht der 706

Vgl. Meek (2011), S. 945. Vgl. Visher / O’Connell (2012), S. 387. 708 Vgl. Visher (2013), S. 20. 709 Vgl. Lösel (2012), S. 10. 710 Vgl. Streib-Brzic / Zschüttig (2017), S. 272. 707

140

2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

Fall war.711 Hosser und Greve fanden in ihrer Untersuchung unter Gefangenen in norddeutschen Jugendstrafanstalten heraus, dass Gefangene, die zu Beginn der Gefangenschaft intensive Unterstützung erlebten, zum Zeitpunkt der Entlassung weniger aggressiv sind und ihre Zukunftsaussichten positiver beurteilen. Zudem stehen sie dem Begehen neuer Straftaten ablehnender gegenüber und identifizieren sich stärker mit einem künftig straffreien Leben als Gefangene, die sich am An­ fang ihrer Gefangenschaft weniger unterstützt fühlten.712 Cid und Marti stellten für Jugendstrafgefangene kurz vor der Entlassung fest, dass Gefangene mit sozialer Unterstützung größeres Selbstvertrauen entwickeln und speziell höheres Vertrauen darin haben, trotz schwerer Startbedingungen ihre konventionellen Pläne nach der Entlassung verwirklichen zu können.713 Zudem haben kognitive Transformations­ prozesse während der Gefangenschaft – wie zum Beispiel die Selbstidentifikation als Familienmensch – positive Auswirkungen auf den „Desistance“-Prozess nach der Entlassung, da Entlassene mit positiven Denkweisen problematische Situatio­ nen nach der Entlassung besser bewältigen können.714 Duwe und Clark konnten zeigen, dass soziale Unterstützung durch mehrere Personen das Risiko minimiert, nach der Entlassung rückfällig zu werden.715 In diesem Zusammenhang kamen Brunton-Smith und McCarthy zu dem Ergebnis, dass starke familiäre Bindungen, die zu Beginn der Gefangenschaft bestehen, nicht zwingend das Rückfallrisiko verringern, sondern eher die Verstärkung sozialer Be­ ziehungen während der Gefangenschaft den wesentlichen Einflussfaktor auf die Verringerung des Rückfallrisikos darstellt.716 Da Kontakte zu nahestehenden Personen während der Gefangenschaft Reso­ zialisierungsprozesse fördern und die Rückfallwahrscheinlichkeit nach der Ent­ lassung reduzieren, sollten soziale Kontakte auch durch Langzeitbesuche einge­ bunden werden. Insbesondere geht aus der Untersuchung von Hosser und Greve hervor, dass Menschen von draußen, im Gegensatz zur aktuellen Handhabung im Jugendstrafvollzugvollzug,717 in einigen Fällen bereits zu Beginn der Gefangen­ schaft auch durch Langzeitbesuche eingebunden werden sollten, da gerade die frühe Einbindung positive Einflüsse auf die Zeit kurz vor und nach der Entlassung zu haben scheint.

711

Vgl. Mowen / Visher (2016), S. 519. Vgl. Hosser / Greve (2002). 713 Vgl. Cid / Marti (2012), S. 614. 714 Vgl. LeBel et al. (2008), S. 154 f. 715 Vgl. Duwe / Clark (2013), S. 290. 716 Vgl. Brunton-Smith / McCarthy (2017), S. 477. 717 Vgl. Abschnitt 3. a) bb) (5). 712

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

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(b) Soziales Umfeld An dieser Stelle der Arbeit wird der Fokus der Untersuchung erweitert und das soziale Umfeld von Gefangenen als erlebende Akteure in den Blick genommen. Ziel ist es darzulegen, inwiefern auch sie von einer Gefangenschaft betroffen sind und welche Bedeutung diese Befunde für Langzeitbesuche im Jugendstrafvollzug haben. (aa) Allgemeine Einflüsse Der Freiheitsentzug hat nicht nur vielschichtige Einflüsse auf Gefangene, son­ dern betrifft auch das von Wissenschaft und Strafvollzug „vergessene“718 bzw. „ausgeblendete“719 soziale Umfeld der Gefangenen. Lebenswelten von Angehöri­ gen werden in deutschsprachigen Studien fast ausnahmslos als Thema ignoriert.720 Deshalb wird im Folgenden überwiegend auf Forschungsergebnisse aus dem Aus­ land zurückgegriffen. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass die überwiegende Mehrheit von Familien gefangener junger Menschen gerne stärker in den Vollzug der Gefängnisstrafe eingebunden wäre.721 Daneben liefern viele Studien Hinweise darauf, dass eine Gefangenschaft in vielen Fällen zu einer erheblichen Verschlechterung der finan­ ziellen Lage der Familie führt, da sie zum Ausfall des bis dahin vorhandenen Ein­ kommens führt.722 Familien von Gefangenen verfügen im Durchschnitt über ein geringeres Einkommen als Haushalte in der Bundesrepublik im Allgemeinen.723 Um Kontakt zu den Gefangenen aufrechtzuerhalten, entstehen ihnen in dieser schwierigen Lage weitere Kosten durch Telefonate, Verkehrsmittel, um zu den Ge­ fängnisbesuchen zu gelangen, Pakete, Geschenke sowie Geldzahlungen.724 Dabei hängt die Realisierung des Außenkontaktes in erheblichem Maße von der Lage der Familie ab. Dennison et al. wiesen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Qualität und Quantität des Kontakts zwischen Angehörigen und Gefangenen von finanziellen Belastungen und der Wohnortentfernung der Angehörigen abhängt.725 Neben allgemeinen finanziellen Belastungen stehen sie vor der Herausforderung, die Doppelbelastung zwischen ihrem Leben draußen und ihren Beziehungen zu 718

Vgl. z. B. Kury / Kern (2003); Busch et al. (1987), S. 85. Vgl. Kawamura-Reindl (2009), S. 505. 720 Vgl. Kern (2007), S. 3. 721 Vgl. Justice for families (2012), S. 24. 722 Vgl. Smith et al. (2007), S. 70; Christian et al. (2006), S. 451; Braman / Wood (2003), S. 183; Braman (2002), S. 118; Davis (1992), S. 77, S. 79; Shaw (1987), S. 28; Swan (1981), S. 82; Daniel / Barrett (1981), S. 318; Quack (1978), S. 357; Ortner / Welter (1975), S. 199; Römer (1967), S. 17. 723 Vgl. Busch et al. (1987), S. 288. 724 Vgl. Braman (2004), S. 133; Girshick (1996), S. 61. 725 Vgl. Dennison et al. (2014), S. 1101. 719

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2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

den gefangenen Angehörigen bewältigen zu müssen, was dazu führen kann, dass sie dabei im Interesse des Gefangenen und zur Aufrechterhaltung der Beziehung ihr eigenes ökonomisches und soziales Kapital aufs Spiel setzen.726 Nicht selten nehmen Angehörige unbezahlte Auszeiten bei ihren Arbeitsstellen, um Unterstüt­ zung während der Gefangenschaft leisten zu können.727 Hohe Kosten können auch dazu führen, dass der Kontakt zum Gefangenen reduziert wird.728 Darüber hinaus werden Freundschaften und Familienbeziehungen durch die Gefangenschaft stark beeinträchtigt, was sich auf das psychische Wohlbefinden der Angehörigen auswirkt.729 Sie berichten von Depressionen und davon, dass sie seit der Gefangenschaft des Angehörigen Probleme hätten, Emotionen wie Freude oder Glück zu empfinden.730 Zudem sind sie ständig in Sorge um das Wohlergehen ihres Angehörigen in der als gefährlich eingeschätzten Umgebung Gefängnis.731 Weiter berichten Angehörige von gesellschaftlichen Stigmatisierungen und sehen sich mit Stereotypen aufgrund der Gefangenschaft ihres Angehörigen konfron­ tiert.732 Nach Condry können erlebte Stigmatisierungen und Schamgefühle bei Angehörigen draußen sogar stärker als bei den Gefangenen drinnen ausfallen.733 In Bezug auf Wahrnehmung und Auswirkungen einer Gefängnisstrafe konnten Christian und Kennedy in ihrer Studie verschiedene Muster herausarbeiten. Einige Familien erlebten die Phase der Gefangenschaft als Zerrüttung einer Beziehung, die sie vor der Gefangenschaft als stabil und unterstützend empfunden hatten. Für andere Familien stand das straffällige Verhalten des gefangenen Angehörigen im Vordergrund. Diese Familien erlebten die Beziehung zum Gefangenen vor der Gefangenschaft als problematisch. Sie sahen in der Gefängnisstrafe primär ein transformatives Potential und beschrieben die Gefangenschaft des Angehörigen als Periode einer potenziellen Veränderung. Wiederum andere Familien waren sich unsicher über ihre Beziehung zum gefangenen Angehörigen. Einerseits störte sie das Verhalten des Gefangenen vor der Gefangenschaft, andererseits beschrieben sie ihre Beziehung nicht als ausschließlich konfliktbeladen. Daher waren sie sich nicht sicher, ob sich das Verhalten des Gefangenen nach der Gefangenschaft ändern würde und ob sie Kontakt während und nach der Gefangenschaft haben wollten.734 Turanovic et al. konnten in ihrer Untersuchung unter Personen, die Kinder von Gefangenen während der Gefangenschaft betreuen, zeigen, dass für die Mehrzahl der betreuenden Personen die Gefangenschaft negative Veränderungen wie finan­ zielle Probleme, emotionalen Stress, zusätzliche Belastungen hinsichtlich persön­ 726

Vgl. Christian et al. (2006), S. 451. Vgl. Justice for families (2012), S. 28. 728 Vgl. Christian et al. (2006), S. 451. 729 Vgl. Liebling / Arnold (2004). 730 Vgl. Braman (2004), S. 197. 731 Vgl. Braman (2004), S. 197. 732 Vgl. Braman (2004), S. 165 f., S. 216; Braman (2002), S. 134. 733 Vgl. Condry (2007), S. 80. 734 Vgl. Christian / Kennedy (2011), S. 385 f. 727

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

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licher Beziehungen und Schwierigkeiten bei der Kinderbeaufsichtigung mit sich bringt. Für andere betreuende Personen dagegen führt die Gefangenschaft der leib­ lichen Eltern zu positiven Veränderungen.735 Auch Granja konnte in ihrer Untersuchung komplexe Auswirkungen feststellen. Indem die Gefangenschaft für Familien die Reorganisation persönlicher und fa­ miliärer Routinen, die Vertagung von Zukunftsplänen, Erfahrungen mit sozialer Stigmatisierung und eine Reduzierung zur Verfügung stehender sozialer Ressour­ cen bedeutet, erleben Angehörige eine parallele Bestrafung außerhalb der Gefäng­ nismauern.736 Obwohl also, so Granja, die Gefängnisstrafe zusätzlichen Druck für Familien aus schwachen sozialen Schichten erzeugt und dadurch Ungleich­ heiten reproduziert und verschärft, kann sie unter Umständen zur Stabilisierung beitragen. In Beziehungen, die aufgrund von Drogenkonsum, kontrollierendem oder missbräuchlichem Verhalten vor der Gefangenschaft konfliktbeladen waren, sehen Angehörige in der durch die Gefängnisstrafe erzeugten Distanz die Mög­ lichkeit, Kontrolle innerhalb der Beziehungen wiederherzustellen.737 Gleichzeitig aber fürchten sich nach Granja viele Betroffene aufgrund von Erfahrungen mit vorherigen Gefangenschaften vor der Zukunft und haben Zweifel, ob diese stabi­ lisierenden Effekte auf die Beziehung auch nach der Entlassung Bestand haben.738 Mit Blick auf Langzeitbesuch sollte insgesamt die Tatsache, dass nahestehende Personen von Gefangenen grundsätzlich stärker am Vollzugsgeschehen teilneh­ men wollen, zum Anlass genommen werden, Kontaktbarrieren im Gefängnis ab­ zubauen. Je höher nämlich Barrieren hinsichtlich der Aufrechterhaltung sozialer Beziehungen im Gefängnis sind, desto weniger Unterstützung erleben de facto die Gefangenen. Aufgrund ihrer Dauer ermöglichen Langzeitbesuche im Vergleich zu regulären Besuchen intensivere soziale Interaktionen. Zudem können sie fi­ nanzielle Belastungen reduzieren, die mit kurzen und damit häufigeren Besuchen verbunden sind. Familienmitglieder können sich zudem ein detaillierteres Bild machen, wie es ihren gefangenen Angehörigen geht. Zusätzlich können sie die Zeit der Gefangenschaft für das soziale Umfeld erleichtern, da längere und freiere Inter­ aktionen während der Besuche zum Wohlbefinden nahestehender Personen beitra­ gen und dies den negativen Einflüssen auf das soziale Umfeld gegensteuern kann. (bb) Situation von Partner*innen Studien zeigen, dass für Partner*innen die Gefangenschaft des Mannes dazu führt, dass im Alltag neue Aufgaben auf sie zukommen und sich familiäre Rollen­ strukturen verändern, was in vielen Fällen erhebliche Überforderung zur Folge 735

Vgl. Turanovic et al. (2012), S. 945 f. Vgl. Granja (2016), S. 288. 737 Vgl. Granja (2016), S. 285. 738 Vgl. Granja (2016), S. 286. 736

144

2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

hat.739 Wegen der Abwesenheit des Vaters müssen sich Frauen alleine um die Er­ ziehung der Kinder kümmern.740 Oftmals berichten sie von Verhaltensauffällig­ keiten der Kinder als Folge der Gefangenschaft und damit zusammenhängenden zusätzlichen Erziehungsschwierigkeiten.741 Demzufolge müssen sie nicht nur die eigene „Krise“, sondern auch die „Krise“ ihrer Kinder bewältigen.742 Es kann dazu kommen, dass Frauen wegen der Kinderbeaufsichtigung ihre Arbeit kündigen müssen.743 Hinzu kommt, dass bereits bestehende finanzielle Schwierigkeiten ver­ größert werden.744 In vielen Fällen führt darüber hinaus die Gefangenschaft zum Wohnortwechsel der Familie.745 Als größtes Problem der erzwungenen Trennung vom Partner wird die Einsam­ keit empfunden.746 Plötzlich fehlt die Gesellschaft der Person, mit der man sein bisheriges Leben geteilt hat.747 Weiter berichten Frauen von Gefühlen wie Ärger,748 Unsicherheit,749 Angst vor der Zukunft750 und Verzweiflung.751 Einige Frauen sor­ gen sich um das Wohlergehen ihrer Männer im Gefängnis.752 In Einzelfällen be­ fürchten sie sogar, dass ihr Partner nicht lebend aus dem Gefängnis zurückkehrt.753 Darüber hinaus sind allgemeine psychische und physische Belastungen zu beob­ achten sowie andere gesundheitliche Probleme.754 Frauen gefangener Männer be­ richten von Depressionen755 und Schlafstörungen756. Einige Frauen befinden sich in psychologischer Behandlung und / oder nehmen Psychopharmaka.757 Zudem be­ richten sie von erhöhtem Tabak- und Alkoholkonsum.758 Manche schämen sich für die Straftaten ihres Mannes, und es ist ihnen peinlich, dass ihr Mann im Gefängnis

739

Vgl. Kern (2007), S. 56 f.; Kury / Kern (2003), S. 103; Meyer (1990), S. 444; Busch et al. (1987), S. 326. 740 Vgl. Boswell / Wedge (2002), S. 47; Girshick (1996), S. 47 f.; Carlson / Cervera (1992), S. 73; Fishman (1990), S. 195; Busch et al. (1987), S. 110; Swan (1981), S. 103; Schneller (1976), S. 90; Morris (1965), S. 292. 741 Vgl. Fishman (1990), S. 195; Busch et al. (1987), S. 504; Quack (1978), S. 357. 742 Vgl. Busch et al. (1987), S. 492. 743 Vgl. Kury / Kern (2003), S. 103; Busch et al. (1987), S. 291. 744 Vgl. Kern (2007), S. 53 f.; Kury / Kern (2003), S. 104; Busch et al. (1987), S. 289, S. 291. 745 Vgl. Kern (2007), S. 55 f. 746 Vgl. Kern (2007), S. 91 f.; Girshick (1996), S. 56; Fishman (1990), S. 195; Meyer (1990), S. 444; Shaw (1987), S. 30; Quack (1978), S. 357; Schneller (1976), S. 90. 747 Vgl. Girshick (1996), S. 56; Daniel / Barrett (1981), S. 320. 748 Vgl. Fishman (1990), S. 195. 749 Vgl. Shaw (1987), S. 30. 750 Vgl. Kern (2007), S. 95.; Busch et al. (1987), S. 355. 751 Vgl. Kern (2007), S. 92 ff. 752 Vgl. Kern (2007), S. 86 f. 753 Vgl. Girshick (1996), S. 89. 754 Vgl. Meyer (1990), S. 444; Busch et al. (1987), S. 319; Swan (1981), S. 103. 755 Vgl. Braman (2002), S. 181; Kern (2007), S. 92 ff.; Fishman (1990), S. 200. 756 Vgl. Kern (2007), S. 94. 757 Vgl. Kury / Kern (2003), S. 107. 758 Vgl. Kury / Kern (2003), S. 107.

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

145

sitzt.759 Nicht selten erleben sie Stigmatisierung durch die eigene Familie, die Ge­ sellschaft und das Justizsystem. Frauen berichten außerdem davon, dass sie ihre Arbeitsstelle verloren haben, weil sie mit einem Gefangenen zusammen sind.760 Zudem stellt die Gefangenschaft, wie bereits aufgezeigt, eine Zerreißprobe für die Partnerschaft dar.761 Demnach fühlen Frauen, dass sie sich zunehmend von ihrem Partner entfremden.762 Sie leiden unter dem durch die Gefangenschaft er­ zwungenen Sexualentzug,763 wobei der Problembereich Sexualität von Frauen nicht unbedingt als wesentliches Problem der Gefangenschaft angesehen wird.764 Außerdem führt die Gefangenschaft dazu, dass sie ihre häusliche Umgebung mit der Welt des Gefängnisses verbinden müssen, um Kontakt zu ihrem Partner zu halten. Das wiederum führt nach Comfort zur „sekundären Prisonisierung“: Selbst wenn sie körperlich nicht im Gefängnis anwesend sind, erhalten Stigmatisierun­ gen, Tadel, Sanktionen, Eingriffe in die Privatsphäre, Hausordnungen und andere Regelungen, räumliche Trennungen und Zeitreglementierungen, die von der Insti­ tution des Gefängnisses ausgehen, Einzug in das Privatleben der Frauen.765 Com­ fort spricht in diesem Zusammenhang von der häuslichen Umgebung der Frauen von Gefangenen als „erweitertem Ort punitiver Kontrolle“.766 Für Angehörige, die Kontakt zum Gefangenen aufrechterhalten, scheinen somit die Grenzen zwischen „drinnen“ und „draußen“ zu verschwimmen, da das Gefängnis einen dauernden Einfluss auf ihr Leben hat.767 Langzeitbesuche ermöglichen Privatsphäre und allein schon aufgrund ihrer Dauer Kontakte in entspannter Atmosphäre. Sie tragen somit auch entscheidend dazu bei, die Situation von Partner*innen zu verbessern. Gerade Langzeitbesuchs­ räume zeichnen sich dadurch aus, dass sie wohnungsähnlich sind und während der Besuche (außer in Notfällen) dem Personal der Zutritt untersagt ist. Sie ermögli­ chen auf diese Weise Frauen von Gefangenen, sich während der Besuche „punitiver Kontrollen“ sowie „sekundärer Prisonisierung“ entziehen zu können. Die Mitbe­ strafung der Partner*in kann auf diese Weise verringert werden. Gleichzeitig berichten Frauen auch davon, dass sich die Beziehung zu ihrem Mann durch die Gefangenschaft verbessert hat.768 Demnach führt die Abwesenheit des Mannes zu Ruhe und Frieden und der Möglichkeit, bisherigen Routinen zu ent­ 759

Vgl. Fishman (1990), S. 113. Vgl. Girshick (1996), S. 43. 761 Vgl. Quack (1978), S. 357. 762 Vgl. Meyer (1990), S. 452 f.; Gareis (1978), S. 210. 763 Vgl. Kern (2007), S. 90 f.; Kury / Kern (2003), S. 106; Busch et al. (1987), S. 457; Quack (1978), S. 357; Schneller (1976), S. 81. 764 Vgl. Kern (2007), S. 91; Kury / Kern (2003), S. 106. 765 Vgl. Comfort (2009), S. 11. 766 Vgl. Comfort (2009), S. 11. 767 Vgl. Comfort (2008), S. 186. 768 Vgl. Quack (1978), S. 357. 760

146

2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

kommen. Dadurch erlangen sie persönliche Autonomie und neue Kompetenzen.769 Es empfiehlt sich demnach für Justizvollzugsanstalten vor der Durchführung von Langzeitbesuchen Gespräche mit den Partner*innen zu führen, da ihre Einbindung durch Langzeitbesuch in Fällen nicht zu empfehlen ist, in denen Partner*innen sich gerade durch die Gefangenschaft loslösen können oder in denen gerade eine temporäre Trennung zu positiven Beziehungsveränderungen führt. (cc) Situation von Kindern In Europa leben ca. 800.000 Kinder getrennt von ihren gefangenen Eltern.770 Für Deutschland gibt es keine amtlich erhobenen Zahlen.771 Schätzungen zufolge sol­ len es etwa 100.000 Minderjährige sein.772 Ungeachtet der großen Relevanz dieses Themas werden Kinder gefangener Eltern in Forschung und Praxis größtenteils ausgeblendet.773 Roggenthin spricht in diesem Zusammenhang von einem blinden Fleck in der gesellschaftlichen Wahrnehmung.774 Studien, die sich überhaupt mit den Auswirkungen einer Gefangenschaft auf Kinder von Gefangenen auseinandersetzen, sind überwiegend neueren Datums.775 Aus entwicklungspsychologischer Perspektive kann die Gefangenschaft des Va­ ters insgesamt je nach Alter des Kindes unterschiedliche Auswirkungen haben. Im ersten Lebensjahr des Kindes kann sie dem Verbindungsaufbau zwischen Säugling und Vater entgegenstehen.776 In der Phase der frühen Kindheit beeinträchtigen die Gefangenschaft und die damit verbundenen traumatischen Erfahrungen mögli­ cherweise die Entwicklung von Autonomie und Eigeninitiative.777 In der mittleren Kindheit kann sie die Entwicklung der Fähigkeit, mit anderen Kindern zurecht­ zukommen, die Bildung der Emotionskontrolle und den schulischen Erfolg beein­ trächtigen. Zudem können Kinder in dieser Phase auf das aus der Gefangenschaft des Vaters resultierende Trauma mit aggressivem Verhalten reagieren.778 In der Phase der frühen Adoleszenz können sich unangepasste Verhaltensweisen verfesti­ gen.779 In der späten Adoleszenz kann die Gefangenschaft des Vaters delinquentes Verhalten des Nachwuchses bedingen.780 Zusammenfassend bleibt festzuhalten,

769

Vgl. Fishman (1990), S. 203 ff. Vgl. Bouregba (2013), S. 37. 771 Vgl. Deutsches Institut für Menschenrechte (2017), S. 80. 772 Vgl. Bieganski et al. (2013). 773 Vgl. Streib-Brzic / Zschüttig (2017), S. 272; Roggenthin (2013), S. 2. 774 Vgl. Roggenthin (2015), S. 1. 775 Vgl. Deutsches Institut für Menschenrechte (2017), S. 80. 776 Vgl. Johnston (1995), S. 71. 777 Vgl. Johnston (1995), S. 74. 778 Vgl. Johnston (1995), S. 76. 779 Vgl. Johnston (1995), S. 79. 780 Vgl. Johnston (1995), S. 82. 770

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

147

dass die Gefangenschaft des Vaters eine ernsthafte Bedrohung für die gesunde Kindesentwicklung darstellt.781 Hinzu kommt aus straintheoretischer Perspektive, so Hagan und Dinovitzer, dass die Gefangenschaft des Vaters und die damit ein­ hergehende ökonomische Deprivation weitere Belastungen für die Kinder darstel­ len. Aus sozialisationstheoretischer Perspektive gilt es zu bedenken, dass durch die Gefangenschaft des Vaters der Familie eine wichtige Sozialisationsressource entzogen wird. Väter fehlen als Vorbilder, Unterstützer und Aufsichtspersonen in der Entwicklung der Kinder. Aus der Stigmatisierungsperspektive kann sich zu­ dem das Stigma der Kriminalisierung als weitere Ursache für die Minimierung des sozialen Kapitals von Kindern erweisen.782 Soll eine annähernd gesunde Kindesentwicklung während der Gefangenschaft gewährleistet sein, muss der Strafvollzug in den Fällen, in denen Gefangene die Anstalt nicht regelmäßig verlassen können, dafür Sorge tragen, dass Väter und Kin­ der unter möglichst „normalen“ Umständen interagieren können. Kinder müssen demnach so viel Zeit wie möglich mit ihren Vätern in Umgebungen verbringen können, die nicht typisch „Knast“ sind. Kinder in Freiheit brauchen ihre Väter, auch wenn diese im Gefängnis sind. Da Langzeitbesuche idealerweise in kind­ gerechten Umgebungen stattfinden, von längerer zeitlicher Dauer sind und ohne Überwachung stattfinden, scheinen sie aus theoretischer Perspektive geeignet, Schäden zu minimieren und zu einer Entwicklung des Kindes während der Gefan­ genschaft beizutragen, die sich einer gesunden Entwicklung in Freiheit annähert. Darüber hinaus thematisieren Studien Einflüsse von Gefangenschaft auf Kinder von gefangenen Eltern, indem sie Väter in Gefangenschaft,783 Erziehungsberech­ tigte und Familien in Freiheit,784 andere beteiligte Personen wie Lehrer*innen, Vollzugsbeamt*innen oder Sozialarbeiter*innen785 und betroffene Kinder786 be­ fragten oder Aktenanalysen durchführten.787 Hier zeigen Studien, dass die Ge­ fangenschaft eines Elternteils eine Bedrohung für das gesunde Aufwachsen von Kindern darstellt. So wird durch die Gefangenschaft das sozioemotionale Wohl­ befinden von Kindern in erheblicher Weise beeinträchtigt.788 Betroffene Kinder vermissen ihren gefangenen Vater789 und leiden darunter, ihn weder sehen noch

781

Vgl. Smith et al. (2007), S. 71. Vgl. Hagan / Dinovitzer (1999), S. 124 f. 783 Vgl. Dennison et al. (2014); Jones et al. (2013); Geller et al. (2012); Tudball (2000); Fritsch / Burkhead (1981); Sack et al. (1976). 784 Vgl. Jones et al. (2013); Geller et al. (2012); Smith et al. (2007); Braman (2004); Kury / Kern (2003); Kern (2007); Boswell / Wedge (2002); Busch et al. (1987); Tudball (2000); Shaw (1987); Lowenstein (1986); Quack (1978); Sack et al. (1976). 785 Vgl. Jones et al. (2013); Shaw (1987). 786 Vgl. Sharratt (2014); Philbrick et al. (2014); Jones et al. (2013); Bocknek et al. (2009); Foster / Hagan (2007); Braman (2004); Boswell / Wedge (2002); Sack / Seidler (1978). 787 Vgl. Römer (1967). 788 Vgl. Geller et al. (2012). 789 Vgl. Sharratt (2014), S. 765; Sack et al. (1976), S. 624. 782

148

2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

mit ihm sprechen zu können.790 Der Verlust des Vaters löst in den Kindern Angst­ gefühle,791 Ärger,792 Verwirrung,793 Schmerz und Trauer794 aus. Bei einigen Kindern können Techniken zur Angstbewältigung wie Verweigerungen und Phantasien ent­ stehen.795 Andere Kinder sprechen nicht über die Gefangenschaft, da sie negative Reaktionen wie Stigmatisierungen durch Dritte fürchten und diese auch tatsächlich erfahren.796 Darüber hinaus können Probleme in der Schule, wie eine Verschlech­ terung der Schulnoten, Absentismus und problematisches Verhalten im Unterricht auftreten.797 Auch sind allgemeine Verhaltensauffälligkeiten zu beobachten798 wie etwa aggressives Verhalten,799 der Rückzug von anderen Kindern,800 Aufmerksam­ keitsdefizite801 und Bettnässen802. Zudem haben Kinder von Gefangenen allgemein ein deutlich erhöhtes Risiko, an psychischen und körperlichen Problemen zu leiden,803 wobei Kinder unter elf Jahren im europäischen Vergleich in Deutschland größere Probleme und ein er­ höhtes Risiko bezüglich psychischer Probleme aufweisen.804 Darüber hinaus stell­ ten Bocknek et al. für Schulkinder fest, dass diese aufgrund der Gefangenschaft traumatischen Stress erleben, der zu erhöhter Wachsamkeit, psychosomatischen Erkrankungen und Schuldgefühlen führt.805 Folglich befinden sich Kinder auf­ grund der Gefangenschaft von Eltern häufig in psychologischer Behandlung.806 So berichten Eltern, dass die Kinder seit der Gefangenschaft häufiger krank sind.807 Der den Kindern nicht verständliche Verlust des Vaters, Stigmatisierungen und die Trennung der Bindung zum Vater können Störungen der, wie Jones et al. formulie­ ren, „ontologischen Sicherheit“ der Kinder bedingen.808 Mit fortschreitender Dauer der Gefangenschaft können die Erinnerungen der Kinder an den Vater verblassen, 790

Vgl. Braman (2004), S. 123; Boswell / Wedge (2002), S. 73. Vgl. Hermes (2012), S. 97; Kury / Kern (2003), S. 104; Boswell / Wedge (2002), S. 64; Busch et al. (1987), S. 491. 792 Vgl. Tudball (2000), S. 17. 793 Vgl. Hermes (2012), S. 97; Boswell / Wedge (2002), S. 73. 794 Vgl. Busch et al. (1987), S. 491. 795 Vgl. Busch et al. (1987), S. 491. 796 Vgl. Jones et al. (2013), S. 70; Lösel (2012), S. 11; Braman (2004), S. 107; Römer (1967), S. 35. 797 Vgl. Bramann (2004), S. 109; Kury / Kern (2003), S. 104; Tudball (2002), S. 17; Shaw (1987), S. 41; Quack (1978), S. 357; Sack et al. (1976), S. 624. 798 Vgl. Hermes (2012), S. 97; Shaw (1987), S. 41; Fritsch / Burkhead (1981), S. 87; Quack (1978), S. 357. 799 Vgl. Geller et al. (2012); Tudball (2002), S. 17; Quack (1978), S. 357. 800 Vgl. Quack (1978), S. 357; Sack / Seidler (1978), S. 264. 801 Vgl. Geller et al. (2012). 802 Vgl. Kury / Kern (2003), S. 104; Boswell / Wedge (2002), S. 64. 803 Vgl. Bieganski et al. (2013), S. 10. 804 Vgl. Jones et al. (2013), S. 47, S. 50. 805 Vgl. Bocknek et al. (2009), S. 330. 806 Vgl. Kury / Kern (2003), S. 104. 807 Vgl. Kury / Kern (2003), S. 104; Shaw (1987), S. 41. 808 Vgl. Jones et al. (2013), S. 85. 791

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

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und sie erleben ihren Vater zunehmenden als fremde Person, was eine permanente Entfremdung wahrscheinlicher macht.809 Mears und Siennick konnten darüber hinaus in ihrer Studie nachweisen, dass Gefangenschaft als negativer „Turning-Point“ im Leben der Kinder anzusehen ist. Sie führt nicht nur zu negativen Auswirkungen in der Kindheit, sondern auch zu negativen Auswirkungen im jungen Erwachsenenalter wie kriminellem Verhalten, psychischen Problemen, Drogenkonsum, geringer Bildung, geringem Einkommen und Problemen in Bezug auf intime Beziehungen.810 Foster und Hagan wiesen zum Beispiel für den Bereich der Bildung nach, dass sich unter anderem durch aus der Gefangenschaft des Vaters resultierende Sozialisationsprobleme die Perspektiven der Kinder verschlechtern.811 Darüber hinaus hängt nach Sharratt die Bereitschaft von Kindern, mit dem gefangenen Elternteil Kontakt zu halten, von dem Verhältnis vor der Gefangen­ schaft ab. Die meisten Kinder hatten vor der Gefangenschaft ein gutes Verhältnis zu ihrem gefangenen Elternteil und wollen dementsprechend unbedingt Kontakt halten. Gleichzeitig aber wird die Aufrechterhaltung des Kontaktes durch Besuchs­ regelungen und finanzielle Probleme erschwert, was in den Kindern Gefühle wie Verzweiflung und Frustration hervorruft. Einige Kinder berichten auch von ambi­ valenten Verhältnissen und problematischen Beziehungen zu ihren Eltern vor der Gefangenschaft. Aus diesem Grund verzichteten sie auf Kontakt.812 Auch wenn in einigen Fällen Mütter davon berichten, dass es dem Kind ohne den gefangenen Vater besser geht,813 und teilweise auch betroffene Kinder selber angeben, dass die Gefangenschaft eines Elternteils positive Folgen habe,814 ist die Aufrechterhaltung der Beziehung und der Kontakt zum gefangenen Vater fast ausnahmslos förderlich für die mentale Gesundheit, das Wohlbefinden und die Resilienz der Kinder.815 Dementsprechend ist es besonders wichtig, den direkten Kontakt zwischen Kindern und gefangenem Elternteil aufrechtzuerhalten.816 Zusammenfassend geht aus dem Forschungsstand deutlich hervor, dass eine Gefangenschaft der Eltern vielschichtige, schwerwiegende negative Auswirkun­ gen auf Kinder von gefangenen Eltern zur Folge hat. Will man diese Folgen für die offensichtlich „mitbestraften“ Kinder so gering wie möglich halten und Be­ ziehungsabbrüche zwischen jungen Gefangenen und ihren Kindern verhindern, sollten Kinder grundsätzlich stärker in den Vollzug der Jugendstrafe auch durch Langzeitbesuche eingebunden werden, da der Aufbau und Erhalt von Bindungen 809

Vgl. Hairston (1998), S. 626. Vgl. Mears / Siennick (2016), S. 18 ff. 811 Vgl. Foster / Hagan (2007), S. 421. 812 Vgl Sharratt (2014), S. 765 f. 813 Vgl. Boswell / Wedge (2002), S. 67. 814 Vgl. Bieganski et al. (2013), S. 6. 815 Vgl. Jones et al. (2013), S. 55 ff., S. 88. 816 Vgl. Jones et al. (2013), S. 88, S. 99 ff. 810

150

2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

zwischen Kind und gefangenem Elternteil elementarer Bestandteil einer gesunden Kindesentwicklung ist.817 Das entspricht auch der großen Bedeutung, die der För­ derung von Kontakten zwischen Kindern und Jugendstrafgefangenen grundsätz­ lich in den Außenkontaktregelungen der Landesgesetze zum Jugendstrafvollzug eingeräumt wird.818 (5) Sonderpunkt: Sexualität im Gefängnis (a) Diskrepanz zwischen „drinnen“ und „draußen“ Langzeitbesuche stellen für Gefangene die einzige Möglichkeit dar, Sexualität mit Personen von draußen im geschlossenen Strafvollzug ausleben zu können. Dabei gilt es zu bedenken, dass unter Sexualität weit mehr als rein sexuelle Handlungen zu verstehen sind. Sie „lässt sich als eine biologisch, psychologisch und sozial­ determinierte Beziehungsqualität des Menschen verstehen […]. Sexualität bezieht sich im weitesten Sinn auf alles, was mit Frau- und Mann-Sein, mit Geschlechts­ identität und Geschlechtsrollen zu tun hat, im engeren Sinn auf die Geschlechts­ organe (letztlich die Keimdrüsen) und ihre Funktionen, wobei jedoch neben dem Genitale alle Sinnesorgane und das Gehirn als deren zentrale Schaltstelle für das sexuelle Erleben und Verhalten eine entscheidende Rolle spielen.“819 Da die meisten Jugendstrafanstalten in Deutschland keine Langzeitbesuche durchführen und in den Anstalten, die sie anbieten, nur eine kleine Gruppe von ihnen profitiert,820 können bundesweit die meisten Jugendstrafgefangenen nicht Se­ xualität mit Personen von draußen erleben. Bedenkt man, dass die Vollzugsdauer einiger Jugendstrafen mehr als fünf bis einschließlich zehn Jahre beträgt821 und in einigen Bundesländern Strafgefangene teilweise ohne jegliche Lockerungsmaß­ nahmen entlassen werden,822 wird deutlich, dass für nicht wenige junge Gefan­ gene ein freies Ausleben von Sexualität für einen langen Zeitraum unmöglich ist. Damit unterscheidet sich das Leben junger Männer im Jugendstrafvollzug, deren Alter überwiegend von 14 bis 25 Jahre reicht,823 sehr deutlich vom Leben junger Menschen gleichen Alters außerhalb der Gefängnismauern. In der Regel sind junge Menschen sexuell sehr aktiv. Die Studie der Bundeszentrale für gesund­ heitliche Aufklärung zur Jugendsexualität zum Beispiel, die seit 1980 regelmäßig durchgeführt wird und als Abbild der Sexualität junger Menschen in Deutschland angesehen werden kann, zeigt, dass bereits mehr als die Hälfte der 14-jährigen, 817

Vgl. Bouregba (2013), S. 40. Vgl. Abschnitt 2. a) aa) (3). 819 Beier / Loewit (2011), S. 12. 820 Vgl. Abschnitt 3. a) bb) (2). 821 Vgl. Statistisches Bundesamt (2020), S. 17. 822 Vgl. Vgl. Dünkel / Geng (2012), S. 129 ff. 823 Vgl. Statistisches Bundesamt (2020), S. 14. 818

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

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85 % der 16-jährigen und 95 % der 18-jährigen sexuelle Erfahrungen mit dem an­ deren Geschlecht machen.824 6 % der 14-jährigen, 39 % der 16-jährigen, 69 % der 18-jährigen, 89 % der 21-jährigen und 93 % der 25-jährigen haben Geschlechtsver­ kehr.825 Hinsichtlich der Bedeutung von Sexualität geben junge Menschen an, dass Sexualität schöne Gefühle macht und Spaß bringt.826 Während in der Gesellschaft draußen Sexualität im Internet, in der Werbung und in der Unterhaltungsindustrie allgegenwärtig ist,827 ist sie in Gefangenschaft größtenteils suspendiert. Demzu­ folge gibt es in Gefangenschaft kaum einen Bereich wie den der Sexualität, bei dem die Kluft zwischen „drinnen“ und „draußen“ sich als derart groß erweist.828 Da in Freiheit ein aktives Sexualleben für junge Menschen zur Normalität gehört, impliziert eine konsequente Angleichung des Lebens junger Menschen in Gefan­ genschaft an die Lebensverhältnisse in Freiheit – im Rahmen des Umsetzbaren – auch die Ermöglichung frei gestalteter Sexualität. (b) Sexualität aus humanwissenschaftlicher Perspektive Die sexuelle Deprivation in Gefangenschaft muss aus entwicklungspsychologi­ scher Perspektive als sehr problematisch gesehen werden. Innerhalb der Adoleszenz stehen junge Menschen mit dem Beginn der Pubertät und den mit ihr einhergehen­ den körperlichen Veränderungen (Ausbildung der sekundären Geschlechtsmerk­ male, Auftreten sexueller Triebregungen, Pollution) vor neuen Entwicklungsauf­ gaben und Herausforderungen. Die in der Kindheit gebildete Geschlechtsidentität entwickelt sich im Jugendalter fort, indem sich Anpassungen an die physiologi­ schen und psychologischen Aspekte der sexuellen Reifung vollziehen. Selbstwahr­ nehmung und Selbstbewertung fokussieren sich in der Adoleszenz auf die Frage der eigenen Attraktivität für Angehörige des anderen Geschlechts bzw. des gleichen Geschlechts.829 Es gilt für Jugendliche neue und reifere Beziehungen zum gleichen und anderen Geschlecht aufzubauen und sich auf ein Ehe- und Familienleben vor­ zubereiten.830 Das Erlernen eines verantwortlichen Umgangs mit Sexualität wird in diesem Zusammenhang als wichtigste Entwicklungsaufgabe des Jugendalters bezeichnet.831 Dabei geht es nicht allein oder vorrangig um die Bewältigung eines dranghaften Zustandes, sondern um die Erlangung eines Einverständnisses mit der eigenen Sexualität und die Fertigkeit, deren Befriedigung in soziale Bindungen ein­ zubetten.832 Unter anderem stellen Beziehungen zu andersgeschlechtlichen Part­ 824

Vgl. Bode / Heßling (2015), S. 93. Vgl. Bode / Heßling (2015), S. 107. 826 Vgl. BRAVO-Studie (2009), S. 81. 827 Vgl. Kaplan et al. (2017), S. 335; Bammann (2008), S. 247. 828 Vgl. Bammann (2008), S. 247. 829 Vgl. Trautner (2008), S. 638 f. 830 Vgl. Weichold / Silbereisen (2018), S. 254 f. 831 Vgl. Fend (2005), S. 254. 832 Vgl. Fend (2005), S. 258. 825

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2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

ner*innen, andersgeschlechtlichen Freund*innen und gemischtgeschlechtlichen Freundschaftscliquen Schlüsselbeziehungen im Jugendalter dar, die es erlauben, Bedürfnisse nach Sexualität, Intimität, Akzeptanz, Gesellschaft und Zärtlichkeit zu befriedigen.833 Im frühen Erwachsenenalter kommen Anbahnung und Etablierung intimer (romantischer) Partnerschaften als wichtige Entwicklungsaufgabe hinzu.834 Im Jugendstrafvollzug aber fehlen dagegen Gleichaltrige weiblichen Geschlechts für teilweise sehr lange Zeiträume, während soziales Miteinander im Alltag außer­ halb der Gefängnismauern von einem Miteinander verschiedener Geschlechter ge­ prägt ist.835 Somit fällt nicht nur einfach die freie Gestaltung eigener Sexualität weg, sondern Jugendstrafgefangenen bleiben soziale Bewährungsräume für die Bewältigung der oben dargestellten komplexen und wichtigen entwicklungspsy­ chologischen Aufgaben der Adoleszenz und des frühen Erwachsenenalters in Ge­ fangenschaft verwehrt. Erfahrungen im Bereich der Sexualität innerhalb des Ge­ fängnisses, ob positive oder negative, können für Adoleszente und Postadoleszente in jedem Fall besonders prägend sein.836 Aus sexual- und erziehungswissenschaftlicher Perspektive weist Sielert darauf hin, dass Sexualität nicht nur der Fortpflanzung dient, weder nur eine Luxus­ beigabe ist und auch nicht allein als Belohnungssystem zur Kompensation von Frustration im Alltag fungiert. Vielmehr sei Sexualität energetisch, psychisch und sozial das zentrale Gestaltungsmedium der Identität. Demnach sind alle Vorstellun­ gen als sachlich falsch zu bezeichnen, die davon ausgehen, dass man Sexualität un­ beschadet aus dem Leben eines Menschen heraustrennen könne. Sie radikal zu be­ schneiden, bezeichnet Sielert vielmehr als „normativ inhuman“ und „erzieherisch kontraproduktiv“.837 Bedenkt man, dass der Jugendstrafvollzug erzieherisch zu gestalten ist, wiegt die erzieherisch kontraproduktive Sexualdeprivation besonders schwer. Aus sexualmedizinischer Perspektive bezieht sich Sexualität auf drei Dimensio­ nen: Die Fortpflanzungsdimension, die Lustdimension und die Beziehungsdimen­ sion. Die Unterbindung von Sexualität bedeutet in theoretischer Hinsicht danach für junge Gefangene die Beeinträchtigung sexueller Reproduktionsmöglichkeit, die Wegnahme der Möglichkeit des Lustgewinns durch Sexualität und einen un­ freiwilligen Verzicht auf die Befriedigung grundlegender biopsychosozialer Be­ dürfnisse nach Akzeptanz, Nähe, Sicherheit und Geborgenheit durch sexuelle Kommunikation in Beziehungen.838 Die Möglichkeit der Realisierung von Sexualität durch Langzeitbesuch ist aus humanwissenschaftlicher Perspektive notwendig, um negativen Einflüssen der 833

Vgl. Fend (2005), S. 308. Vgl. Freund / Nikitin (2018), S. 267 ff. 835 Vgl. Bammann (2008), S. 252. 836 Vgl. Döring (2006), S. 316. 837 Vgl. Sielert (2008), S. 276 f. 838 Vgl. Beier / Loewit (2011), S. 12. 834

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

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Sexualdeprivation auf vor allem die Entwicklung junger, gefangener Männer ent­ gegenzuwirken. (c) Stand der Forschung zum Thema Sexualität und Gefangenschaft (aa) Sexualität als Tabu in Strafvollzugsforschung und Strafvollzugspraxis Das Themenfeld Sexualität und Strafvollzug erweist sich als ein bisher nahezu unerforschtes Feld. Das scheint zunächst nicht nachvollziehbar, da es sich bei Se­ xualität in unserer Gesellschaft, so Kaplan et al., in vielen Bereichen um ein Dauer­ thema handelt.839 Einige Forscher*innen beklagen in diesem Zusammenhang, dass die Verknüpfung von Sexualität und Gefangenschaft ein Tabu ist.840 Zudem wird im akademischen Kolleg*innenkreis sowie in der Öffentlichkeit Gefängnissexuali­ tät als Forschungsthema nicht selten als schmutzig empfunden oder unseriös ein­ gestuft.841 Auch in der Strafvollzugspraxis wird Sexualität als Thema „unter den Teppich gekehrt“.842 Da, wie bereits thematisiert, wichtige Entwicklungsaufgaben in der Phase der Adoleszenz und Postadoleszenz im Zusammenhang mit Sexualität stehen und gerade der Jugendstrafvollzug als Erziehungsvollzug gilt, ist es ein äußerst unbe­ friedigender Zustand, dass weder deutschsprachige Forschung vorliegt,843 noch Sexualität als pädagogischer Gegenstand für den Jugendstrafvollzug thematisiert wird.844 Insgesamt, so Wanielik, ist kein pädagogischer Grundkonsens in Ein­ richtungen, in denen mit jungen Menschen gearbeitet wird, zu erkennen.845 Dem­ entsprechend veröffentlichten Kaplan et al. 2017 einen Appell an Forschung und Praxis, in dem sie deutlich mehr sexualpädagogische Bildungsangebote für junge Menschen im Jugendvollzug forderten.846 (bb) Theoretische Einordnung Im Folgenden werden Forschungsergebnisse präsentiert, die Sexualität und Gefangenschaft zum Gegenstand haben. Da Erkenntnisse über Sexualität und Se­ xualverhalten junger männlicher Gefangener insbesondere im deutschen Jugend­ strafvollzug rudimentär sind,847 werden auch Forschungsergebnisse präsentiert, die 839

Vgl. Kaplan et al. (2017), S. 335. Vgl. Kaplan et al. (2017), S. 335. 841 Vgl. Döring (2006), S. 317. 842 Vgl. Wiessner / Štukelj (2006), S. 104. 843 Vgl. Wiessner / Štukelj (2006), S. 104. 844 Vgl. Wanielik (2015), S. 13 ff.; Kaplan et al. (2017), S. 335. 845 Vgl. Wanielik (2015), S. 20. 846 Vgl. Kaplan et al. (2017). 847 Vgl. Kaplan et al. (2017), S. 335. 840

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2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

den Erwachsenenstrafvollzug zum Gegenstand haben sowie teilweise gefangene Frauen miteinbeziehen. Die meisten internationalen Studien zum Thema Sexualität im Strafvollzug beschränken sich auf eine reine Deskription des Sexualverhaltens in Gefangen­ schaft.848 Theoretisch lassen sich Auswirkungen der Gefangenschaft auf Sexuali­ tät durch das Deprivationsmodell849 oder das Importationsmodell850 erklären. Im Deprivationsmodell von Sykes beruht das Verhalten von Gefangenen auf den de­ privierenden Lebensbedingungen der Gefangenschaft (u. a. Entzug heterosexueller Beziehungen). Hauptursächlich für Verhaltensanpassungen an die Gefangenschaft sind danach die institutionellen Bedingungen des Gefängnisses. Das Importations­ modell dagegen geht davon aus, dass das Verhalten Gefangener nicht primär durch das Gefängnis, sondern durch Normen und Werte beeinflusst wird, die bereits vor der Gefangenschaft bestanden und ins Gefängnis importiert werden. Im Fokus stehen danach die Gefangenen und ihre ins Gefängnis importierten Vorerfahrun­ gen. Heute herrscht allerdings in der Gefängnisforschung weitgehend Einigkeit darüber, dass sowohl deprivations- als auch importationstheoretische Ansätze soziales Leben im Gefängnis erklären und folglich beide Modelle zu integrieren sind.851 (cc) Deskription sexueller Alternativhandlungen Insgesamt verhindern die derzeitigen Bedingungen der Gefangenschaft eine freie Gestaltung von Sexualität.852 In Strafanstalten, in denen keine Langzeitbesuche durchgeführt werden, bleiben Gefangenen sexuelle Enthaltsamkeit, Masturbation, Konsum von Pornographie, gleichgeschlechtlicher Sex und / oder verbotener Sex mit Bediensteten. Im deutschen Strafvollzug scheint die häufigste Form sexueller „Ersatzhandlungen“ Masturbation zu sein.853 Hinsichtlich sexueller Beziehungen zwischen Gefangenen und Bediensteten gibt es keine Daten. Allerdings kann ge­ legentlich aus Zeitungsberichten entnommen werden, dass sie vorkommen.854 Zudem kommt es unter Gefangenen zu gleichgeschlechtlichen sexuellen Kon­ takten,855 die nach Döring in Gefangenschaft stärker verbreitet sind als in Frei­ 848 Zusammenfassung des internationalen Forschungsstandes: Barth (2015); Hensley et al. (2000b). 849 Vgl. Sykes (1958). 850 Vgl. Irwin / Cressey (1962). 851 Vgl. Liebling / Crewe (2012), S. 914. 852 Vgl. Weller (1992), S. 37. 853 Vgl. Barth (2015), S. 75; Vornholt (2009), S. 358; Weller (1992), S. 33; Stöckle-Niklas (1989), S. 86; Heuer (1978), S. 85. 854 Vgl. Diettrich (2019), S. 14; Richter (2014). 855 Vgl. Barth (2015), S. 75 f.; Weller (1992), S. 33; Stöckle-Niklas (1989), S. 86; Heuer (1978), S. 85.

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

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heit.856 Eine besondere Form gleichgeschlechtlicher sexueller Handlungen stellen nicht konsensuelle sexuelle Kontakte dar. Wenn auch, wie in Studien unerwartet festgestellt, nicht häufig vorkommend, scheint sexuelle Gewalt zum Alltag in deutschen Jugendstrafanstalten zu gehören. In einer Befragung von 33 Justizvoll­ zugsanstalten in Deutschland, unter denen auch Jugendstrafanstalten waren, gaben 5 % der Männer und 7 % der Jugendlichen an, in den letzten vier Wochen vor der Befragung Opfer sexualisierter Gewalt geworden zu sein.857 In einer Befragung von männlichen Gefangenen aus drei Jugendstrafanstalten in Thüringen und Nord­ rhein-Westfalen gaben 3 % an, in den letzten drei Monaten sexuelle Gewalt durch Mitgefangene erlitten zu haben.858 In der Untersuchung von Kury und Brand­ enstein berichtete 1 % der Gefangenen von sexuellen Missbrauchserfahrungen in Gefangenschaft.859 Eine Auswertung von Gefangenenakten in der Jugendanstalt Regis-Breitingen zeigte, dass es sich innerhalb eines dreijährigen Zeitraumes von 94 offiziell erfassten Gewaltdelikten bei einem Fall um ein Sexualdelikt handel­ te.860 Da anzunehmen ist, dass das Thema sexualisierte Gewalt unter jungen ge­ fangenen Männern mit Scham und Ohnmachtsgefühlen behaftet ist, kann davon ausgegangen werden, dass sie Viktimisierungserfahrungen verheimlichen und demzufolge ein nicht zu bezifferndes, der Forschung unzugängliches Dunkelfeld vorliegt. Daten über die Häufigkeit von Prostitution im Jugendstrafvollzug liegen nicht vor. Vereinzelt wird über Vorkommnisse in Zeitungen berichtet.861 Studien über den deutschen Erwachsenenstrafvollzug zeigen, dass auch Prostitution Teil subkultureller Tätigkeiten in Gefangenschaft zu sein scheint.862 Insgesamt kann angenommen werden, dass sexuelle Alternativhandlungen im Gefängnis sowohl Ausdruck einer Anpassung an die deprivierte Lebenswelt sind als auch von Beziehungs- und Lebenserfahrungen beeinflusst werden, die Gefan­ gene vor ihrer Gefangenschaft gemacht haben.863 (dd) Einfluss des Fehlens frei gestalteter Sexualität auf Gefangene Sexualität als Grundbedürfnis verliert während der Gefangenschaft nicht an Relevanz.864 Da alle Orte, an denen sich Menschen aufhalten, als „sexuelle Orte“ angesehen werden können, ist Sexualität im Jugendstrafvollzug nicht einfach sus­ pendiert.865 Gefangene leiden in vielfältiger Form unter dem Entzug sexueller und 856

Vgl. Döring (2006), S. 320. Vgl. Bieneck / Pfeiffer (2011), S. 11. 858 Vgl. Häufle et al. (2013), S. 25. 859 Vgl. Kury / Brandenstein (2002), S. 22 ff. 860 Vgl. Hinz / Hartenstein (2010), S. 176 ff. 861 Vgl. Hilscher (2007). 862 Vgl. Barth (2015), S. 78; Harbordt (1972), S. 68 f. 863 Vgl. Barth (2015), S. 33 f. 864 Vgl. Kaplan et al. (2017), S. 335; Bühler et al. (2012), S. 60; Weller (1992), S. 31. 865 Vgl. Kaplan et al. (2017), S. 335. 857

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2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

partnerschaftlicher Bedürfnisse in Gefangenschaft.866 Aus Sicht von Gefangenen gehört sexuelle Frustration zu den größten Problemen der Gefangenschaft.867 In der Untersuchung von Boxberg und Wolter vermissten fast alle der befragten Jugend­ strafgefangenen heterosexuelle Beziehungen.868 Dabei verstehen Gefangene unter Sexualität auch Bedürfnisse nach Berührung und Intimität.869 Die Beeinträchti­ gung des Sexuallebens sehen Gefangene, Angehörige und Vollzugsbedienstete als strafverschärfend an.870 Einige sehen sie als die Grundübel des Strafvollzugs an.871 In einer Untersuchung von Heuer872 in Justizvollzugsanstalten in SchleswigHolstein gaben etwa zwei Drittel der Gefangenen sowie Bediensteten an, dass durch die Haftsituation eine Überbetonung des Sexuellen entstehe. Knapp 20 % der Gefangenen und etwa 10 % der Bediensteten sahen sexuelle Nötigung als Haft­ problem an. Die meisten Gefangenen waren der Ansicht, dass Sport (85 %) und Arbeit (12 %) sexuelle Bedürfnisse in Gefangenschaft am ehesten mindern können. Die Mehrzahl der Gefangenen und Bediensteten waren zudem der Meinung, dass nach einer längeren Gefangenschaft (zwei Jahre) nur allmählich ein „normales“ Sexualleben wieder möglich ist. 15 % der Gefangenen und 6–10 % Bediensteter glaubten dagegen, dass dies nach der Entlassung unmöglich ist. Stöckle-Niklas stellte in ihrer Untersuchung im Männervollzug der JVA Rotten­ burg fest, dass das Gefängnis als eingeschlechtliche Institution schädliche Wir­ kungen hat.873 Demnach werden Frauen mit der Zeit zu reinen Sexualobjekten, da Gefühle im Zusammenhang mit Sexualität verloren gehen. Da der Verlust von Heterosexualität den Entzug von bisher aus der Freiheit gewohnten Bestätigungs­ mechanismen bewirkt, so Stöckle-Niklas, kann der Entzug des Kontaktes zum anderen Geschlecht Identitätsgefühl und Selbstbewusstsein von Gefangenen be­ einträchtigen. Gefühle wie Aggressionen, Verrohung und Einsamkeit können die Folge sein. Der Aufenthalt in einer reinen Männergesellschaft kann darüber hinaus dazu führen, dass männliche Rollenstereotype verstärkt werden. In der Untersuchung von Hermes äußerten Gefangene Gefühle von Unsicher­ heit in Bezug auf die Vorstellung, nach der erzwungenen Enthaltsamkeit wieder mit Frauen in intimen Kontakt zu treten.874 Vornholt untersuchte, welche Konsequenzen der Entzug heterosexueller Kon­ takte für jugendliche Gefangene hat, indem sie qualitative Interviews mit 30 Ju­ 866

Vgl. Wolter / Boxberg (2016), S. 169; Barth (2015), S. 88; Hermes (2012), S. 97; Weller (1992), S. 31; Heuer (1978), S. 84. 867 Vgl. Flanagan (1980), S. 152. 868 Vgl. Wolter / Boxberg (2016), S. 169. 869 Vgl. Kieper (2019), S. 39. 870 Vgl. Heuer (1978), S. 85. 871 Vgl. Kieper (2019), S. 39. 872 Vgl. Heuer (1987), S. 84 ff. 873 Vgl. Stöckle-Niklas (1989), S. 110 f. 874 Vgl. Hermes (2012), S. 99.

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

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gendlichen führte. Sie stellte fest, dass die Jugendlichen im „homosozialen Zwangs­ kontext“ verschiedene Umgangs-und Bewältigungsstrategien zeigen, die sich in personenzentrierte und handlungsfunktionale Bewältigungsstrategien unterteilen lassen.875 Personenzentrierte Bewältigungsstrategien richten sich auf die Aufrecht­ erhaltung einer bestehenden heterosexuellen Beziehung über die Gefangenschaft hinaus. Erotische Phantasien können schriftlich kommuniziert und interaktiv gestaltet werden. Junge Gefangene können über ihre heterosexuelle Beziehung draußen emotionale Empfindung und sexuelles Begehren ausdrücken sowie imagi­ näre (Traum-)Welten konstruieren. Gleichzeitig aber verschwinden Realisierungs­ möglichkeiten, wie Vornholt formuliert, im Schleier romantischer Vorstellungen, die im Alltagsleben keine Beständigkeit haben werden.876 Bei handlungsfunktio­ nalen Bewältigungsstrategien, die personenunabhängig sind, da keine Beziehung nach draußen besteht, wird Sexualität auf Genitalreduzierung und instrumentelle Leistungsfixierung ausgerichtet. Dabei zeigen sich Gefahrenpotentiale, die mit der Aufrechterhaltung von Heterosexualität im Zusammenhang stehen.877 Vor diesem Hintergrund stellt Masturbation nur ein Mittel dar, um angestaute sexuelle Bedürfnisse zumindest teilweise ausleben zu können. Teilweise werten junge Gefangene Masturbation als minderwertig, wenn nicht sogar schädlich und sprechen ihr den Status einer eigenständigen Form von Sexualität ab. Im Gegen­ satz dazu wird bei personenabhängigen Bewältigungsstrategien, folgt man Vorn­ holt, Masturbation als gleichwertiger akzeptiert, da sie mit der Aufrechterhaltung der Partnerschaft einhergeht. Eine weitere Bewältigungsstrategie stellt nach Vornholt Körperlichkeit zur Aufrechterhaltung von Heterosexualität dar. Das Piercen des Geschlechtsteils sowie die Implementation von Kugeln stellten körperbasierte Tätigkeiten dar, die Sichtbarkeit und Gelegenheit der „Performance“ des männlichen Geschlechtsteils ermöglichen. Der eigene Körper sei in Gefangenschaft das einzige, worüber die Jugendlichen freie Gestaltungsmacht besäßen. Durch die künstliche Leistungsopti­ mierung erhoffen sich junge Gefangene, sich von der männlichen (Durchschnitts-) Normalität bzw. der dadurch erworbenen Sexualkompetenz positiv abheben und erleben zu können. Die Modifizierung des Penis biete sich als Kompensation der artikulierten Befürchtung an, während der Gefangenschaft sexuelle Handlungs­ kompetenzen zu verlieren.878 Im Hinblick auf Sexualität zeigte sich zudem in den Narrationen der jungen Ge­ fangenen, dass sie an einer heteronormativen, trieborientierten Argumentations­ figur festhalten. Der heterosexuelle Mann gilt demnach als der „normale“ Mann und Sexualität als ein Trieb, bei dem es in erster Linie um den Abbau von Druck geht. Da folglich eine Abweichung von heteronormen Handlungsmustern zum Zu­ 875

Vgl. Vornholt (2009), S. 357 f. Vgl. Vornholt (2008), S. 266 f. 877 Vgl. Vornholt (2009), S. 358. 878 Vgl. Vornholt (2009), S. 360 ff.; Vornholt (2008), S. 267 ff. 876

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2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

sammenbruch bisheriger Selbstbilder führt, wird die eigene sexuelle Handlungs­ aktivität in Gefangenschaft dahingehend reguliert, vorherrschende Heteronorma­ tivität nicht zu verlassen.879 Darüber hinaus machte Vornholt Muster ausgeprägter Homophobie aus. Die Konfrontation mit Homosexualität und Distanzierung sind entsprechend konsti­ tutiv für die Selbstwahrnehmung als heterosexuell. Indem der junge Gefangene weiß, dass er nicht schwul ist, ist er unausweichlich heterosexuell, was keiner wei­ teren Konkretisierung bedarf.880 Demzufolge scheint die durch fehlende Sexualität hervorgerufene Verunsicherung Homophobie in der ohnehin bereits stark homo­ phoben Gefängnisumgebung881 zu verstärken. Insgesamt kam Vornholt zu dem Ergebnis, dass junge Gefangene in der Regel Möglichkeiten finden, mit ihren Bedürfnissen in Gefangenschaft umzugehen und gelingende Heterosexualität zu manifestieren. Letztlich bleibe den jungen Gefan­ genen aber auch nichts anderes übrig, als sich während der Gefangenschaft mit dem „heterosexuellen Defizit“ zu arrangieren.882 Der Bereich der emotionalen Folgewirkungen bleibe jedoch offen, da für ihn im Kontext des Jugendstrafvoll­ zugs keine Ausgleichsoption geschaffen werden könne. Das Fehlen heterosexuel­ ler Beziehungen, in denen Nähe, Intimität und wahre Kommunikation stattfinden können, führe zu innerer Leere und emotionaler Kälte. Die Unmöglichkeit, Angst oder Schwäche zuzulassen oder Zärtlichkeit sowie Nähe zu äußern, werde durch Coolness und Härte überspielt. Emotionale Bedürfnisse stehen normativen Vor­ stellungen und stereotypen Verhaltenserfahrungen entgegen.883 Unsicherheiten junger Gefangener beziehen sich dabei nicht nur auf eigene Handlungskompeten­ zen, sondern auch auf die nicht antizipierbare Reaktion des weiblichen Gegen­ übers.884 Heterosexuelle Kontakt- und Beziehungsfähigkeit seien als Konsequenz nur in konkreten realitätsverankerten Situationen erlernbar, und darum müssten sich Jugendstrafanstalten insgesamt öffnen, um Handlungsunsicherheiten in Bezug auf Sexualität zu minimieren.885 Wolter und Boxberg wiesen überdies in ihrer Untersuchung unter Jugendstrafge­ fangenen in Nordrhein-Westfalen und Thüringen nach, dass eine individuell wahr­ genommene Deprivation von sexuellen Beziehungen das Risiko von Fehlverhalten wie Nötigungen, psychischer Gewalt, physischer Gewalt und Sachbeschädigungen in Gefangenschaft erhöht.886

879

Vgl. Vornholt (2009), S. 366 ff. Vgl. Vornholt (2009), S. 369 ff. 881 Vgl. Hensley (2000), S. 440. 882 Vgl. Vornholt (2009), S. 373. 883 Vgl. Vornholt (2008), S. 270. 884 Vgl. Vornholt (2009), S. 374. 885 Vgl. Vornholt (2009), S. 374. 886 Vgl. Wolter / Boxberg (2016), S. 156 ff. 880

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

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(ee) Spezifische Einflüsse von Sexualität auf Partnerschaften Es bedarf keiner ausgeprägten Fantasie, um sich vorzustellen, in welcher Weise fehlende Sexualität bestehende Beziehungen belasten kann. Der Sexualentzug be­ trifft nicht nur Gefangene, sondern impliziert eine Mitbestrafung des*der nicht ge­ fangenen Partner*in. So berichten Frauen Gefangener, dass ihnen Sexualität mit ihrem Partner fehlt,887 sie unter dem erzwungenen Sexualentzug leiden und sich von ihrem Mann entfremden,888 was wiederum aus ihrer Sicht einen Trennungsgrund darstellt.889 Da Sexualität beziehungsstabilisierend wirken kann und Partnerschaf­ ten positive Einflüsse auf die Zeit während und nach der Gefangenschaft haben, kann das Ermöglichen partnerschaftlicher Sexualität in Gefangenschaft erfolgrei­ che Resozialisierung begünstigen. (6) Zwischenergebnis In der Zeit der Gefangenschaft bekommen soziale Kontakte eine Bedeutung, die über ihren Einfluss auf die Entstehung und Abkehr von Kriminalität hinaus­ geht. Sie bilden wesentliche Ressourcen, um die Ziele der Gestaltungsgrundsätze im Jugendstrafvollzug zu verfolgen. Sie helfen, den Angleichungsgrundsatz zum Teil zu realisieren und einigen schädlichen Auswirkungen des Freiheitsentzugs ent­ gegenzuwirken. Wissenschaftliche Befunde bestätigen, dass sowohl Freund*innen als auch Familie zentrale Instanzen im Leben junger Menschen sind. Der soziale Kontakt mit ihnen hilft, das Leben der Gefangenen bis zu einem gewissen Grad zu normalisieren. Die Gefangenschaft hat vielfältige negative Auswirkungen auf Gefangene. Der Entzug von Sozialkontakten, insbesondere mit der eigenen Familie, wird von Ge­ fangenen als eine der größten Belastungen der Gefangenschaft wahrgenommen. Die jungen Gefangenen stehen zudem vor wichtigen Entwicklungsaufgaben des Jugend- und Heranwachsendenalters, die durch die Gefangenschaft negativ beein­ flusst werden können. Die Bildung der eigenen Identität, der Erwerb von interaktio­ nalen Fähigkeiten sowie der Umgang mit Bindungs- und Ablösekonflikten sind an haltgebende soziale Beziehungen und stabile soziale Interaktionen gekoppelt. Vor diesem Hintergrund ist die Tatsache, dass soziale Beziehungen während der Gefan­ genschaft unterbrochen werden oder sogar ganz abbrechen, besonders gravierend. Für die Beurteilung des Langzeitbesuchs sind die schädlichen Auswirkungen sexueller Deprivation besonders zentral, da er die einzige Maßnahme im geschlos­ senen Strafvollzug darstellt, die diesen entgegenwirken kann. Aktuelle Fachbei­ träge beschreiben vielfältige schädliche Auswirkungen sexueller Deprivation und 887

Vgl. Busch et al. (1987), S. 457; Quack (1978), S. 357. Vgl. Kury / Kern (2003), S. 106. 889 Vgl. Busch et al. (1987), S. 480. 888

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2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

erkennen daher Sexualität eindeutig als Grundbedürfnis an.890 Aus entwicklungs­ psychologischer, sexualpädagogischer und sexualmedizinischer Perspektive ist Se­ xualität weniger Triebbefriedigung als vielmehr zentraler Teil des Menschseins. Das Erlernen eines verantwortungsvollen Umgangs mit Sexualität stellt für junge Menschen eine wichtige Entwicklungsaufgabe dar, die nur in realitätsverankerten Situationen und Intimität ermöglichenden Räumlichkeiten bewältigt werden kann. Neben den klassischen Grundsätzen gibt es Gestaltungsgrundsätze in einigen Landesgesetze zum Jugendstrafvollzug, für die eine Ermöglichung von Sexualität relevant ist. Manche Vorgaben betonen, dass die Gefangenen vor Übergriffen zu schützen sind und auf ein gewaltfreies Klima hinzuwirken ist.891 Studien haben gezeigt, dass eine individuell wahrgenommene Deprivation von sexuellen Bezie­ hungen das Risiko von gewalttätigem Verhalten bei Jugendstrafgefangenen erhöht. Daher helfen Langzeitbesuche auch hier, diesen Gestaltungsgrundsatz zu realisieren.892 Darüber hinaus geben manche Landesgesetze zum Jugendstrafvollzug vor, dass der Jugendstrafvollzug erzieherisch zu gestalten ist und junge Gefangene die Möglichkeit haben müssen, von Gleichaltrigen Lernen zu können.893 Durch Lang­ zeitbesuche können Gleichaltrige von draußen eingebunden werden. Deshalb er­ scheinen sie in diesem Sinne auch aus sexualpädagogischer Perspektive sinnvoll. Die Beschränkung von Außenkontakt wirkt sich nicht nur negativ auf Gefan­ gene, sondern auch auf ihr soziales Umfeld aus. Familien und vor allem Kinder müssen mit zahlreichen Belastungen fertig werden, die aus der Gefangenschaft folgen. Der Langzeitbesuch kann helfen eine annähernd gesunde Kindesentwi­ cklung zu ermöglichen,894 indem er die Bindungen zwischen Kindern und gefan­ genen Vätern stärkt.

dd) Soziale Kontakte nach der Gefangenschaft Hinsichtlich der Bewertung von sozialen Kontakten, die durch Langzeitbesuche erweitert eingebunden werden, ist von nicht zu unterschätzender Bedeutung, wel­ che Rolle sie gerade nach der Entlassung für junge Männer spielen und insbeson­ dere, welche Einflüsse sie auf künftiges Delinquenzverhalten haben. Die „age-crime-curve“895 zeigt, dass abweichendes Verhalten über die Lebens­ spanne betrachtet typischerweise bis zur frühen Adoleszenz ansteigt und mit dem 890

Vgl. Kaplan et al. (2017); Barth (2015); Behrens (2012); Funken (2012); Stehmeyer (2012); Vornholt (2009); Dünkel (2000b); Preusker (2008); Vornholt (2008); Sielert (2008); Bammann (2008); Döring (2006). 891 Vgl. Abschnitt 2. a) aa) (1) (b). 892 Vgl. Abschnitt 2. a) aa) (1) (b). 893 Vgl. Abschnitt 2. a) aa) (1) (b). 894 Vgl. Bouregba (2013), S. 40. 895 Vgl. z. B. Sampson / Laub (2003), S. 312.

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

161

Eintritt in das Erwachsenenalter abnimmt. Die überwiegende Mehrheit junger, straffällig in Erscheinung getretener Menschen wächst demnach etwa zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr aus straffälligem Verhalten heraus. Die meisten aus dem deutschen Jugendstrafvollzug Entlassenen sind zwischen 18 und 23 Jahren alt896 und befinden sich nach der Entlassung im Sinne der „age-crime-curve“ in der Phase, in der kriminelle Verläufe typischerweise beendet werden. Selbst bei dem kleinen Teil einer Altersgruppe (5 %), der für die meisten Straftaten verantwort­ lich ist, werden kriminelle Verläufe, wenn auch erst zu einem späteren Zeitpunkt im Erwachsenenalter, größtenteils beendet.897 Da sich Entlassene erfolgreich bewähren oder rückfällig werden können, ist die Zeit nach der Entlassung eng mit der Frage nach Ursachen für den Abbruch bzw. die Fortsetzung krimineller Verläufe verknüpft. Aufgegriffen wird diese Frage­ stellung überwiegend in der „Desistance“-Forschung.898 „Desistance“-Studien beziehen sich allerdings nicht nur auf Personen, die aus dem Gefängnis entlassen wurden, sondern thematisieren auch Kriminalitätsabbrüche oder -unterbrechungen von Personen, die keine Gefängnisstrafe verbüßen mussten. Da nur aus der Ge­ fangenschaft Entlassene mit spezifischen, oft schwerwiegenden Problemlagen im Kontext des „Desistance“-Prozesses konfrontiert werden899 und soziale Kontakte für Entlassene eine besondere Rolle einnehmen (z. B. Hilfe bei der Wohnungssu­ che), wird im weiteren Verlauf der Arbeit zwischen Ergebnissen aus „Desistance“Studien unterschieden, die sich allgemein auf die Zeit nach der Straftat beziehen („after crime“) und solchen Studien, die sich explizit auf die Zeit nach der Entlas­ sung beziehen („after punishment“). (1) Soziale Kontakte nach der Entlassung Mit Blick auf die Rolle des sozialen Umfeldes kann insgesamt davon gesprochen werden, dass es überwiegend Familien und andere nahestehende Personen sind, die den sozialen Empfangsraum bilden und Entlassene beim Entlassungsprozess durch Hilfe bei der Wohnungs- und Arbeitssuche sowie mit finanzieller und emotionaler Unterstützung zur Seite stehen.900 Da hier die Bedeutung des sozialen Umfeldes im Rahmen der Entlassung er­ fasst werden soll, gilt es zunächst seine Beschaffenheit und seine Bedeutung für junge Entlassene darzulegen.

896

Vgl. z. B. für Hessen: Kerner et al. (2011), S. 34 f. Vgl. Boers / Reineke (2007), S. 93. 898 Vgl. Abschnitt 2. b) aa) (3). 899 Vgl. Farrall et al. (2011), S. 228. 900 Vgl. Western et al. (2015), S. 14, S. 16, S. 37; Kerner et al. (2011), S. 383; Visher et al. (2010), S. 2; Shinkfield / Graffam (2009), S. 39; Naser / La Vigne (2006), S. 102. 897

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2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

(a) Deskription des sozialen Umfelds Der Erfassung von sozialen Verhältnissen junger Menschen, die aus dem Ju­ gendstrafvollzug in Deutschland entlassen wurden, haben sich Studien von Dolde und Grübl (1996), Lauterbach (2009), Kerner et al. (2011), Wienhausen-Knezevic (2016) und Rau (2016) angenommen. Wohnsituation In Bezug auf die Wohnsituation stellten Dolde und Grübl in ihrer Untersuchung für Entlassene aus dem baden-württembergischen Jugendstrafvollzug fest, dass zwei von drei entlassenen jungen Männern zu den Eltern oder anderen Angehörigen zurückkehrten.901 Lauterbach kam in seiner Untersuchung, die sich auf Entlassene aus fünf norddeutschen Jugendstrafanstalten bezog, zu dem Ergebnis, dass etwa ein Drittel mit einer Partnerin und ein weiteres Drittel mit den Eltern oder anderen Angehörigen zusammenwohnte.902 In der Untersuchung von Kerner et al. gaben 70 % der aus dem hessischen Jugendstrafvollzug Entlassenen an, dass für sie die Familie nach der Entlassung die erste Anlaufstelle bildete.903 Soziale Situation Lauterbachs Untersuchung ist zu entnehmen, dass deutlich mehr als die Hälfte der jungen Entlassenen in einer Beziehung lebten, die von ihnen als glücklich und stabil angesehen wurde. Im Rahmen dieser Partnerschaften bekamen etwa 13 % Kinder. Kerner et al. stellten für Entlassene aus dem hessischen Jugendstrafvollzug fest, dass knapp 2 % verheiratet waren, 57 % in einer für sie bedeutsamen Liebes­ beziehung lebten und etwa 7 % eigene Kinder hatten.904 Für einige junge Entlas­ sene war neben den Eltern die Freundin die einzige bedeutsame Bezugsperson.905 Weiter gaben in Lauterbachs Untersuchung etwa 70 % der Entlassenen an, einen festen Freundes- und Bekanntenkreis zu haben, wobei es sich bei knapp 40 % um dieselben Freund*innen und Bekannten wie vor der Entlassung handelte. Knapp die Hälfte der jungen Männer hatte nach der Entlassung Kontakt zu ehemaligen Mitge­ fangenen.906 Kerner et al. zufolge hatte die Hälfte der jungen Entlassenen Kontakt zu delinquenten Peers. Allerdings nahmen auch etwa 70 % der Entlassenen Kontakt zu nicht-delinquenten Peers auf.907 In der Untersuchung von Wienhausen-Knezevic

901

Vgl. Dolde / Grübl (1996), S. 291. Vgl. Lauterbach (2009), S. 46. 903 Vgl. Kerner et al. (2011), S. 383. 904 Vgl. Kerner et al. (2011), S. 44, S. 384. 905 Vgl. Kerner et al. (2011), S. 384. 906 Vgl. Lauterbach (2009), S. 46. 907 Vgl. Kerner et al. (2011), S. 384. 902

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

163

zeigte sich, dass soziale Netzwerke einiger aus dem sächsischen Jugendstrafvoll­ zug entlassenen jungen Männer überwiegend aus delinquenten Peers bestanden.908 Rau stellte für aus dem Jugendstrafvollzug entlassene Männer mit Migrations­ hintergrund fest, dass sie sich in gemischten sozialen Netzwerken bewegten, die sich aus kriminalitätshemmenden und kriminalitätsfördernden Beziehungen zu­ sammensetzten.909 Kriminalitätsfördernde Beziehungen wurden für junge Entlas­ senen vor allem im Freizeitbereich und in einigen Fällen in der Herkunftsfamilie und der Verwandtschaft verortet.910 Das soziale Umfeld, dass nach der Entlassung den sozialen Empfangsraum bil­ det, setzt sich sowohl aus bereits vor der Gefangenschaft relevanten als auch neu geknüpften Beziehungen zusammen. Indem es die jungen Entlassenen auffängt und unterstützt, kann es von entscheidender Bedeutung für einen erfolgreichen Eingliederungsprozess sein. Aus dieser Perspektive erscheint es im Sinne des In­ tegrationsgrundsatzes und der Wiedereingliederung geboten, Bindungen zwischen Jugendstrafgefangenen und den sie wiederaufnehmenden sozialen Umfeldern auch durch Langzeitbesuche während der Gefangenschaft zu erhalten bzw. zu intensivie­ ren. Darüber hinaus geht aus der Literatur deutlich hervor, dass junge Entlassene in vielen Fällen weiterhin kriminalitätsfördernde Beziehungen pflegen. (b) Einfluss des sozialen Umfelds auf Entlassene Wie bei vielen anderen Lebensveränderungen zeigt sich auch bei Entlassungen aus dem Gefängnis, dass unterstützende soziale Netzwerke das Risiko von De­ pressionen reduzieren und den emotionalen Anpassungsprozess unterstützen.911 Fa­miliäre Beziehungen spielen eine wichtige Rolle bei der Bildung von Resilienz und fördern so einen erfolgreichen „Desistance“-Prozess.912 Zudem verspüren Entlassene, die soziale Unterstützung erhalten, weniger allgemeine Feindselig­ keit (eine Emotion, die eng an das Gefühl von Wut gekoppelt ist), was wiederum normkonformes Verhalten positiv beeinflussen kann.913 Darüber hinaus haben Ent­ lassene mit guten familiären Bindungen größere Chancen, eine Arbeitsstelle zu finden.914 Vor allem aber können soziale Kontakte die Wahrscheinlichkeit von Kriminali­ tätsrückfällen verringern. Informelle stabile und unterstützende soziale Kontakte

908

Vgl. Wienhausen-Knezevic (2016), S. 174. Vgl. Rau (2016), S. 202. 910 Vgl. Rau (2016), S. 202 f. 911 Vgl. Ekland-Olson et al. (1983), S. 271. 912 Vgl. Markson et al. (2015), S. 433. 913 Vgl. Hochstetler et al. (2010), S. 601. 914 Vgl. Berg / Huebner (2011), S. 402; Visher et al. (2008), S. 7. 909

164

2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

reduzieren das Risiko erneuter delinquenter Handlungen nach der Entlassung.915 Des Weiteren bewähren sich Entlassene erfolgreicher, die gute Beziehungen zu ihren Eltern haben.916 Hinsichtlich Partnerschaften zeigen Studien, dass Entlassene, die sich in einer partnerschaftlichen Beziehung befinden, weniger abweichendes Verhalten zei­ gen.917 Kerner et al. stellten für Entlassene des hessischen Jugendvollzugs fest, dass Liebesbeziehungen einen besonders hohen Stellenwert haben, wenn junge Proban­ den aus kriminellen Verläufen aussteigen wollen.918 Einen direkten Zusammen­ hang zwischen den Variablen „Partnerschaft“ und „Rückfall“ konnte Lauterbach in seiner Studie zwar nicht für aus dem norddeutschen Jugendstrafvollzug entlassene Männer eindeutig nachweisen, dennoch würden seine Ergebnisse deutlich in die Richtung weisen, dass Beziehungen, die von den jungen Männern als qualitativ hochwertig und stabil wahrgenommen würden, als Schutzfaktoren fungieren könn­ ten.919 Spieß stellte für aus dem Jugendvollzug Entlassene fest, dass eine fehlende Partnerschaft in Kumulation mit anderen Risikofaktoren und Integrationsproble­ men mit einem erhöhten Rückfallrisiko verbunden ist.920 Zudem weisen Väter, die aktiv ihre Vaterrolle annehmen und ausleben, ein geringeres Rückfallrisiko auf.921 Die vorgestellten Studien zeigen in aller Deutlichkeit, dass soziale Kontakte insgesamt die Integration nach der Entlassung fördern und das Rückfallrisiko mi­ nimieren können. Aus diesem Grund lässt sich annehmen, dass die Intensivierung des Außenkontaktes auch durch Langzeitbesuch während der Gefangenschaft re­ sozialisierungsförderlich ist. Überdies beobachteten Stelly und Thomas in ihrer Tübinger Jungtäter-Ver­ gleichsuntersuchung, in der sie über mehrere Jahre Kriminalitätsverläufe einer Gefangenenpopulation mit denen einer Gruppe aus der Allgemeinbevölerung ver­ glichen, einen Zusammenhang zwischen dem Ende der Straffälligkeit und Verän­ derungen in der sozialen Einbindung. Für ehemalige Gefangene, die ihre krimi­ nellen Verläufe im Laufe der Zeit abbrachen, fanden sie heraus, dass der Ausstieg aus offiziell registrierter Kriminalität mit dem Einstieg in eine sozial integrierte Lebensführung einherging, die wiederum zu erhöhter informeller Sozialkontrolle führte. Ehemals gefangene Probanden dagegen, die ihre kriminellen Verläufe fort­ setzten, zeichneten sich durch eine desintegrierte Lebensführung aus.922 Die Fort­ setzung krimineller Verläufe der „Persister“ erklärten Stelly und Thomas mithilfe 915 Vgl. Taylor (2016), S. 346; Duwe (2012), S. 374; Nelson et al. (2011), S. 73; Kerner et al. (2011); Berg / Huebner (2011), S. 389; Hepburn / Griffin (2004), S. 96; La Vigne et al. (2004), S. 8; Sullivan et al. (2002), S. 54; Piquero et al. (2001), S. 30. 916 Vgl. Cobbina et al. (2012), S. 355; Kerner et al. (2011), S. 384. 917 Vgl. Kerner et al. (2011), S. 384; MacKenzie / Li (2002), S. 270; Horney et al. (1995), S. 669. 918 Vgl. Kerner et al. (2011), S. 384. 919 Vgl. Lauterbach (2009), S. 48 f. 920 Vgl. Spieß (1986), S. 565. 921 Vgl. Visher (2013), S. 22; Zamble / Quinsey (1997), S. 73. 922 Vgl. Stelly / Thomas (2005), S. 261.

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

165

des Modells der kumulativen Kontinuität sozialer Benachteiligung in Anlehnung an Sampson und Laub.923 Das heißt, je länger eine kriminelle Phase andauerte, desto weiter entfernten sich die jungen Männer von Rollen- und Verhaltenserwar­ tungen der Mehrheitsgesellschaft. Dementsprechend sanken ihre Chancen, sta­ bile und befriedigende soziale Beziehungen aufzubauen und aus dem Teufelskreis „fehlende Integration führt zu Kriminalität – Kriminalität verhindert Integration“ auszubrechen.924 Zu ähnlichen Ergebnissen kam Mischkowitz in seiner Studie. Entlassene, die aus kriminellen Verläufen ausstiegen, bauten sich mit der Zeit sta­ bile soziale Netzwerke auf, die ihnen dabei halfen, neue Verantwortung zu über­ nehmen.925 Aus den Ergebnissen der Untersuchungen von Stelly und Thomas und von Mischkowitz lässt sich ableiten, dass Jugendstrafgefangene während der Ge­ fangenschaft in jedem Fall darin unterstützt werden müssen, stabile Beziehungen aufrecht zu erhalten bzw. derartige Beziehungen neu aufzubauen. Cid und Marti stellten für männliche Entlassene fest, dass Unterstützung durch Partner*innen und die Familie positiven Einfluss auf den „Desistance“-Prozess hat, indem solche Unterstützung Belastungen moderiert und kompensiert. Part­ nerschaftliche und familiäre Unterstützung fungieren als sogenannte „hooks for change“,926 von denen aus sich kognitive Transformationen in Richtung eines kri­ minalitätsfreien Selbstbildes vollziehen können.927 Insgesamt kann also davon aus­ gegangen werden, dass die erweiterte Einbindung von Familie und Partnerschaft auch durch Langzeitbesuche dazu beiträgt, „Desistance“-Prozesse und somit posi­ tive Veränderungen bereits während der Gefangenschaft einzuleiten. Daneben konnte Wienhausen-Knezevic nachweisen, dass die Bewältigung des Übergangs von Gefangenschaft in Freiheit für aus dem sächsischen Jugendstraf­ vollzug entlassene junge Männer aus einem Zusammenspiel der Faktoren „Ziele“, „Anerkennung“, „Ressourcen“, „Identität“ und „Agency“ besteht. Wenn auch, so Wienhausen-Knezevic, die fünf Faktoren sich gegenseitig kompensieren, begüns­ tigen Anerkennungsressourcen wie eine unterstützende Partnerschaft, Verände­ rungsprozesse in Richtung „Desistance“.928 Da es sich für haftentlassene junge Männer als schwierig erweist, normkonforme Kontakte zu finden und diese auf­ recht zu erhalten,929 sollten bereits während der Gefangenschaft solche Kontakte aufgebaut und gestärkt werden, um krisenhaften Situationen nach der Entlassung vorzubeugen. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Studie von Rau zu verweisen, der erfolgreich bewährte Entlassene (Inklusionsgruppe) mit rückfälligen jungen Män­ 923

Vgl. Sampson / Laub (1997). Vgl. Stelly / Thomas (2005), S. 259 f. 925 Vgl. Mischkowitz (1993), S. 348. 926 Vgl. Abschnitt 2. b) aa) (3) (b). 927 Vgl. Cid / Marti (2017), S. 1484. 928 Vgl. Wienhausen-Knezevic (2016), S. 175. 929 Vgl. Wienhausen-Knezevic (2016), S. 175. 924

166

2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

nern (Exklusionsgruppe) verglich und aufzeigte, dass Teilnehmer der Inklusions­ gruppe nach der Entlassung eher potenziell kriminalitätshemmendes Sozialkapital aufwiesen. Zwar gab es in fast allen Netzwerken der erfolgreich Bewährten auch potenziell kriminalitätsfördernde Beziehungen, der entscheidende Unterschied zwischen den erfolgreichen und rückfälligen Entlassenen bestand aber im Um­ gang mit diesen Beziehungen. So vermieden erfolgreich bewährte junge Männer Kontakte zu kriminalitätsfördernden Personen, wie sie vor der Gefangenschaft bestanden, und bemühten sich aktiv, ihre sozialen Netzwerke neu zu gestalten. Weiter beobachtete Rau bei den erfolgreich Entlassenen, dass Kontakte zur Her­ kunftsfamilie nach der Entlassung kriminalitätshemmende Wirkung entfalteten.930 Auch für die rückfälligen Entlassenen bestanden nach der Entlassung Kontakt­ möglichkeiten zu potenziell kriminalitätshemmenden Personen. Im Gegensatz zu den erfolgreich Bewährten bemühten sich die rückfälligen Personen nicht, kri­ minalitätsfördernde Beziehungen zu meiden, sondern versuchten vielmehr, diese Beziehungen zu reaktivieren und potenziell kriminalitätsförderndes Sozialkapital zur Realisierung anvisierter Ziele einzusetzen.931 Sowohl bei den erfolgreichen als auch den rückfälligen Entlassenen waren kriminalitätsfördernde Beziehungen vor allem im Freizeitbereich und in einigen Fällen in der Herkunftsfamilie und Ver­ wandtschaft zu verorten.932 Rau kam insgesamt zu dem Ergebnis, dass hinsicht­ lich des Rückfalleinflusses nicht die Beziehung bzw. die Stärke der Beziehung an sich, sondern Art und vor allem Inhalt der Beziehung von entscheidender Bedeu­ tung sind.933 Aus seiner Untersuchung folgt, dass kriminalitätsfördernde Kontakte von Langzeitbesuchen ausgeschlossen und kriminalitätshemmende Beziehungen erweitert in den Vollzug eingebunden werden sollten, um bereits während der Ge­ fangenschaft die Weichen in Richtung Vermeidung krimineller und Aktivierung normkonformer Kontakte zu stellen. Wie bereits weiter oben angedeutet, haben soziale Kontakte während des Bewäh­ rungsprozesses nicht nur positive Einflüsse. Die Ambivalenz lässt sich an einem Beispiel eines jungen Entlassenen aus der Untersuchung von Kerner et al. illust­ rieren, der angab, dass das Verhältnis zu seiner Mutter vor allem nach der Entlas­ sung deshalb positiv sei, da sie seine illegalen Drogengeschäfte nun akzeptiere.934 Nicht selten werden junge Gefangene in problematische soziale Umfelder entlas­ sen.935 So können etwa familiäre Konflikte, die vor der Gefangenschaft bestanden, nach der Entlassung fortbestehen.936 Gerade der Übergang von der Gefangenschaft, die sich durch eine beschränkte Kontaktintensität auszeichnet, in die Freiheit, in der Entlassene sich oftmals in starker Abhängigkeit von ihrem sozialen Unter­ 930

Vgl. Rau (2016), S. 202. Vgl. Rau (2016), S. 202 f. 932 Vgl. Rau (2016), S. 202 f. 933 Vgl. Rau (2016), S. 205. 934 Vgl. Kerner et al. (2011), S. 384. 935 Vgl. Kerner et al. (2011), S. 383; Dolde / Grübl (1996), S. 237 ff. 936 Vgl. Bereswill (2011), S. 214. 931

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

167

stützungssystem befinden, kann zu Stress und Konflikten führen, die Entlassene überfordern.937 So zeigte sich in der Untersuchung von Kerner et al., dass etwa ein Drittel der Entlassenen aus dem hessischen Jugendstrafvollzug keinen guten Kon­ takt zu ihren Vätern oder Müttern hatte und nur bei etwa 40 % der Entlassenen intakte Elternbindungen vorhanden waren.938 Dolde und Grübl verwiesen in ihrer Studie darauf, dass sich junge Männer, die nach der Entlassung zu ihren Eltern oder anderen Familienangehörigen ziehen, im Vergleich zu alleinstehenden Ent­ lassenen schlechter bewähren. Sie erklären diesen Befund unter anderem mit einem Wiederaufleben alter Konflikte.939 Studien zeigen weiter, dass junge Entlassene mit soziobiographischen Belastungsfaktoren einem erhöhten Rückfallrisiko aus­ gesetzt sind.940 Dabei begünstigen nach Dolde und Grübl weniger statische Fakto­ ren wie zum Beispiel die soziale Herkunft den Rückfall, sondern eher dynamische Faktoren wie zum Beispiel Erziehungsschwierigkeiten, die sich auf Verhalten und soziale Interaktionen beziehen.941 Kerner und Janssen stellten allerdings in die­ sem Zusammenhang fest, dass der Einfluss sozialer Belastungsfaktoren auf die Rückfallwahrscheinlichkeit mit zunehmendem zeitlichen Abstand zur Entlassung abnimmt.942 In der Untersuchung von Endres et al. wiesen Entlassene aus dem Ju­ gendstrafvollzug mit dysfunktionalen familiären Beziehungen ein erhöhtes Risiko der Wiederinhaftierung auf.943 Neben soziobiographischen Belastungsfaktoren erhöhen auch allgemeine Pro­ bleme im sozialen Umfeld nach der Entlassung das Rückfallrisiko.944 Ein inte­ ressanter Befund von Burnett und Maruna zeigt, dass Entlassene, die vor ihrer Entlassung optimistischer waren, besser mit Problemen in ihrem sozialen Umfeld zurechtkommen und, dass für diese Personen der rückfallgefährdende Einfluss von problematischen sozialen Beziehungen schwächer ist. Allerdings schwindet der Einfluss positiver Einstellungen und intrinsischer Motivationen, wenn sich Pro­ bleme im sozialen Bereich zum Zeitpunkt der Entlassung häufen und Entlassene dadurch von der Realität eingeholt werden.945 Verschiedene Studien weisen über­ dies einen Zusammenhang zwischen Kontakten mit delinquenten und antisozialen Peergroups und einer erhöhten Rückfallwahrscheinlichkeit nach.946 Demnach er­ höhen in vielen Fällen der Kontaktabbruch zu delinquenten Freundeskreisen und die Neugestaltung nichtdelinquenter Freundschaftsnetzwerke die Wahrscheinlich­ keit der Legalbewährung.947 937

Vgl. Breese et al. (2000), S. 18. Vgl. Kerner et al. (2011), S. 383. 939 Vgl. Dolde / Grübl (1996), S. 291. 940 Vgl. Dolde / Grübl (1996), S. 258, S. 305 f.; Kerner / Janssen (1996), S. 216. 941 Vgl. Dolde / Grübl (1996), S. 258 f. 942 Vgl. Kerner / Janssen (1996), S. 216. 943 Vgl. Endres et al. (2016), S. 342 ff. 944 Vgl. LeBel et al. (2008), S. 149; Zamble / Quinsey (1997), S. 76. 945 Vgl. Burnett / Maruna (2004), S. 398 f. 946 Vgl. Grieger (2015), S. 12; Cobbina et al. (2012), S. 348; Freudenberg et al. (2005), S. 198. 947 Vgl. Kerner (2011), S. 288 f. 938

168

2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

(2) Einfluss der Entlassung auf das soziale Umfeld Die Zeit nach der Entlassung stellt nicht nur für die Entlassenen selbst eine be­ sondere Phase dar, sondern gleichermaßen gilt dies für das wiederaufnehmende soziale Umfeld. Da es überhaupt nur wenige Studien gibt, die junge Entlassene zum Gegenstand haben,948 ist die Tatsache nicht verwunderlich, dass es im deut­ schen Raum kaum Untersuchungen gibt, die sich dem speziellen Aspekt des sozia­ len Umfelds von Entlassenen zugewandt haben. Lösel et al. stellten für gefangene Väter fest, dass die Qualität der familiären Beziehungen nach der Entlassung re­ lativ stabil blieb. Obwohl sie nach der Gefangenschaft eine schwächere Bindung zu ihren Kindern als vor der Gefangenschaft aufwiesen, schienen sich die Kinder gut an die Entlassung des Vaters anzupassen.949 Insgesamt sind nach Lösel quali­ tativ hochwertige Familienbindungen starke Indikatoren für das Gelingen des Ein­ gliederungsprozesses aller Familienmitglieder.950 Langzeitbesuche können danach verhindern, dass Bindungen zwischen Vätern und Kindern durch die Gefangen­ schaft geschwächt werden. Zudem können sie Familienbindungen stärken und auf diese Weise zu einem erfolgreichen Eingliederungsprozess aller Familienmitglie­ der beitragen. Darüber hinaus geben Familien von Gefangenen an, dass die Zeit nach der Entlassung ein schwieriges Thema für sie ist. Oft werden Probleme, die vor der Gefangenschaft bestanden, während der Gefangenschaft ausgeblendet.951 Wie oben bereits erwähnt, lässt sich auch hier diesen Problemen durch Langzeitbesuch gegensteuern. (3) Soziale Kontakte und ihre Bedeutung für die Abkehr von Kriminalität Der Frage, wie sich „Desistance“-Prozesse für in Deutschland lebende junge Männer gestalten, haben sich Stelly und Thomas in ihrer Untersuchung „Wege aus schwerer Jugendkriminalität“ angenommen. Im europäischen Kontext kann im Hinblick auf „Desistance“-Prozesse junger Männer wohl als einflussreichste Untersuchung die „Sheffield Pathways out of Crime Study“ von Bottoms et al. bezeichnet werden. Daher werden nachfolgend zentrale Ergebnisse beider Unter­ suchungen vorgestellt, wobei auch hier das Hauptaugenmerk auf der Bedeutung sozialer Kontakte in „Desistance“-Prozessen liegen wird. Stelly und Thomas stellten für in Deutschland lebende männliche Jugendliche fest, die zu einer bedingten oder unbedingten Jugendstrafe verurteilt wurden, dass 948

Vgl. Kerner et al. (2011)., S. 23. Vgl. Lösel (2012), S. 9. 950 Vgl. Lösel (2012), S. 12. 951 Vgl. Bieganski et al. (2013), S. 13. 949

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

169

der Ausstieg aus schwerer Jugenddelinquenz mit der Bewältigung spezifischer Problemlagen einhergeht, die sich deutlich von Problemen Jugendlicher in der Allgemeinbevölkerung unterscheiden. Die Jugendlichen stehen vor der Aufgabe, stabile soziale Beziehungen aufzubauen, durch die sie ihre Bedürfnisse nach Nähe, Freundschaft, Geborgenheit und Selbstbestätigung erfüllen können. Aufgrund ihres langanhaltenden delinquenten Freizeitverhaltens und ihrer langjährigen subkulturellen Einbindung stellen dabei delinquente Peers eine bleibende Gefahr hinsichtlich eines erfolgreichen Kriminalitätsausstieges dar.952 Grundsätzlich erklären Stelly und Thomas den Abbruch krimineller Verläufe in einem Drei-Phasen-Modell. Demnach besteht der idealtypische Abbruch eines kriminellen Verlaufes aus Entschluss-, Vermeidungs- und Stabilisierungsphasen. Die Entschlussphase basiert auf einem Nutzen-Kosten-Kalkül, welches durch veränderte soziale Einbindungen und die damit verbundenen Veränderungen der jeweiligen Nutzen- und Kostenbewertung beeinflusst wird. In der Vermeidungs­ phase versuchen Abbrecher, alte delinquenzfördernde Netzwerke zu meiden und neue normkonforme soziale Beziehungen aufzubauen. In dieser Phase konzentrie­ ren sich die Freizeitkontakte überwiegend auf die Familie und die Partnerin.953 Zu einem ähnlichen Befund kamen diesbezüglich auch Shapland und Bottoms. Junge Erwachsene, die den Entschluss fassten, ihre Kriminalität hinter sich zu lassen, mieden delinquente Freundschaftsbeziehungen und suchten verstärkt nach Unter­ stützung durch Familie und der Partnerin, die in der Regel delinquentem Verhal­ ten ablehnend gegenüberstanden.954 Nach Stelly und Thomas ist es in diesem Zu­ sammenhang aber auch möglich, dass Abbrecher an Freundschaftsnetzwerke aus nichtdelinquenten Zeiten anknüpfen oder aber zusammen mit der delinquenten Peergroup aus der Kriminalität aussteigen.955 Stelly und Thomas haben mit Blick auf die Peergroup festgestellt, dass diese Gruppe für alle Abbrechenden an Be­ deutung verlieren, wenn sie sich zunehmend mit ihren neuen gesellschaftlichen Rollen identifizieren. Allerdings scheint die Loslösung von delinquenten Peers oftmals nicht einfach, da sie in häufig noch in der Nachbarschaft leben, langjäh­ rige Freundschaften zu ihnen bestehen und sie aus entwicklungspsychologischer Perspektive für junge Männer zentrale Orientierungspunkte bilden. Demnach verspricht, so Stelly und Thomas, in manchen Fällen gruppenbezogene Unterstüt­ zungsarbeit mehr Erfolg als die simple Empfehlung, den Kontakt zum Freundes­ kreis vollständig abzubrechen.956 Die beschriebenen Ambivalenzen delinquenter Freundschaftsnetzwerke zeigten sich auch in Shaplands und Bottoms Studie, in der die Mehrheit der jungen Erwachsenen angab, dass ihnen ihre Freund*in­ nen sehr wichtig sind. Gleichzeitig handelte es sich aber bei den meisten dieser

952

Vgl. Stelly / Thomas (2004), S. 115 f. Vgl. Stelly / Thomas (2004), S. 118. 954 Vgl. Shapland / Bottoms (2011), S. 271. 955 Vgl. Stelly / Thomas (2004), S. 215. 956 Vgl. Stelly / Thomas (2004), S. 265 f. 953

170

2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

Freund*innen um straffällige Personen,957 die wiederum die Rückfallwahrschein­ lichkeit erhöhten.958 Das Ausstiegsmodell von Stelly und Thomas lenkt des Weiteren den Blick auf die Stabilisierungsphase, die durch positive Rückkopplungsschleifen des sozialen Umfelds gekennzeichnet ist. Danach können Jugendliche durch Partnerschaften und nichtdelinquente Freundschaftsnetzwerke oder durch Arbeitsstellen Bestä­ tigung erlangen. Mit der Zeit formen sich neue Rollenbilder zu neuen eigenen Identitäten. Zudem übernehmen die Abbrecher Normen und Werte ihrer neuen sozialen Bezugssysteme und entwickeln Fähigkeiten, diese in ihrem Verhalten umzusetzen.959 Ungeachtet der für alle jungen Männer gemeinsamen Teilschritte stellten Stelly und Thomas darüber hinaus fest, dass die Ausstiege aus kriminellen Verläufen an unterschiedliche Bedingungen geknüpft waren und sich unter den Abbrechern unterschiedliche Reintegrationstypen herauskristallisieren. Für den Reintegra­ tionstyp „Familienverband“ kam der Familie zentrale Bedeutung für den Krimina­ litätsausstieg zu. Neben der finanziellen Absicherung erwuchsen aus gegenseitigen familiären Verpflichtungen indirekte Verhaltenskontrollen. Die intensivere Einbin­ dung in den Familienverband ging mit neuen Alltagsroutinen und der Möglichkeit neuer Identitätskonstruktionen einher. Beim Reintegrationstyp „Partnerschaft“ trug bei „Ich-schwachen“ Jugendlichen die Partnerschaft zur Stabilisierung der strafrechtlichen Unauffälligkeit bei. Die Partnerin aktivierte die Jugendlichen, unterstützte sie im Integrationsprozess und führte bei den jungen Männern zur Steigerung des Selbstbewusstseins. Zudem half die Partnerschaft bei der Loslösung von der delinquenten Peergroup. Für andere Abbrecher wiederum, bei denen kriminelles Verhalten eng mit fa­ miliären Umständen zusammenhing (oftmals gewalttätige Auseinandersetzungen mit dem neuen Partner der Mutter), erfolgte der Kriminalitätsabbruch erst durch die Loslösung von der Herkunftsfamilie und dem damit einhergehenden Wegfall der problematischen Familienkonstellationen. Der Integrationstyp „Wegfall des Doppellebens“ wies weder Probleme im Leis­ tungsbereich noch solche im familiären Bereich auf. Bei diesem Typ führte die drohende Haftstrafe und die damit verbundene Angst vor dem Wegfall sozialer Bindungen und des sozialen Kapitals zu einem relativ leichten Ausstieg aus schwe­ rer Jugenddelinquenz.960 Die Ergebnisse der Untersuchung von Stelly und Thomas zeigen, dass soziale Kontakte für junge Männer eine zentrale Bedeutung beim Ausstieg aus kriminel­ 957

Vgl. Shapland / Bottoms (2011), S. 271. Vgl. Bottoms / Shapland (2011), S. 69. 959 Vgl. Stelly / Thomas (2004), S. 121. 960 Vgl. Stelly / Thomas (2006), S. 48 f. 958

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

171

len Verläufen haben. Da insbesondere die Veränderung der alten sozialen Einbin­ dungen den Entschluss befördert, kriminelles Verhalten zu beenden, bietet es sich an, durch Langzeitbesuche nicht nur bereits enge bestehende soziale Kontakte, sondern auch neue positive Sozialkontakte wie zum Beispiel lose Bekanntschaf­ ten, die als Vorbilder fungieren können, erweitert in den Vollzug einzubinden. Aufgrund der Tatsache, dass Familie und Partnerschaft in der Vermeidungsphase zentrale Instanzen bilden und den jungen Männern positive Rückkopplungen er­ möglichen, was letztlich zu neuen kriminalitätsfreien Rollenbildern und Identi­ täten führt, ist ihre intensivere Einbindung unbedingt empfehlenswert. Folglich entspricht aus der „Desistance“-Perspektive die erweiterte Einbindung positiver Sozialkontakte den Zielvorgaben und Integrationsgrundsätzen der Landesgesetze zum Jugendstrafvollzug. Peers haben nach Stelly und Thomas im „Desistance“-Prozess eine ambivalente Stellung. Einerseits setzt der Weg in ein konformes Leben die Vermeidung delin­ quenzfördender Peer-Netzwerke voraus. So gesehen wäre es kontraproduktiv, Peers mit vermeintlich negativen Einflüssen an Langzeitbesuchen zu beteiligen. Dem­ entsprechend können in den Landesgesetzen zum Jugendstrafvollzug resozialisie­ rungsschädliche Besucher*innen ausgeschlossen werden.961 Gleichzeitig aber bil­ den sie aus entwicklungspsychologischer Perspektive zentrale Orientierungspunkte im Leben junger Männer, und darüber hinaus kann der Kriminalitätsausstieg auch gemeinsam mit der delinquenten Peergroup gelingen. Insofern bleibt hier fraglich, ob aus dieser Perspektive ein genereller Ausschluss von Peers von Langzeitbesu­ chen als die optimale Lösung gelten kann. Möglich wäre, sie durch Langzeitbesu­ che in dem Wissen einzubinden, dass sie „Desistance“-Prozesse zwar erschweren können, jedoch zu einem „normalen“ Leben junger Männer dazugehören. In die­ ser Konstellation würden Langzeitbesuche zur Realisierung des Angleichungs­ grundsatzes beitragen, insbesondere in solchen Fällen, in denen ein Gefangener unter keinen Umständen alte Freundschaften aufgeben möchte. Etwaige negative Einflüsse durch die Peergroup könnten abgeschwächt werden, indem die Lang­ zeitbesuche sozialpädagogisch oder psychologisch flankiert würden. Dabei gilt es zu bedenken, dass in vielen Fällen problematische Beziehungen auch nach der Gefangenschaft fortbestehen. Es scheint demnach förderlicher, junge Gefangene im Umgang mit „problematischen“ Beziehungen zu trainieren als problematische Beziehungen vom Vollzug fernzuhalten und damit in gewisser Weise die Lebens­ wirklichkeit vieler junger Männer außerhalb der Gefängnismauer zu ignorieren, eine Wirklichkeit, die sie nach der Entlassung erwartet. Auch Bottoms und Shapland beschreiben in der „Sheffield Desistance-Studie“ den „Desistance“-Prozess junger Männer als schrittweisen Prozess, der durch in­ dividuelle wie auch strukturelle Faktoren geformt wird. Nach ihrem Modell beruht erfolgreiche „Desistance“ zunächst auf dem Wunsch, delinquentes Verhalten hin­ ter sich zu lassen. Auf diesen Wunsch folgen kognitive Transformationen, die die 961

Vgl. Abschnitt 2. a) aa) (3) (b).

172

2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

eigene Person und die persönliche Umgebung betreffen. Auf die kognitiven Trans­ formationen folgen individuelle Handlungen mit dem Ziel, Kriminalitätsabstinenz zu erreichen. Nachdem weitere Unternehmungen gefolgt sind, um die „Desistance“ aufrecht zu erhalten und diese Unternehmungen wiederum Verstärkungen finden, erreichen erfolgreiche Personen schlussendlich eine kriminalitätsfreie Identität.962 Soziale Kontakte sind nach Bottoms und Shapland im „Desistance“-Prozess von Relevanz, da sie in Form von sozialem Kapital jeweils positiven Einfluss auf die einzelnen „Desistance“-Schritte haben. So können beispielweise enge Bindungen zu einem Partner als „hooks for change“ fungieren, indem sie jungen Delinquenten dabei helfen, den Wunsch nach einem Leben ohne Kriminalität ernst zu nehmen. Auch gute Bindungen zu und gute Kommunikation mit den Eltern unterstützen den „Desistance“-Prozess, indem sie einen positiven Einfluss auf die Entscheidung zu einem kriminalitätsfreien Leben haben.963 Gleichzeitig aber können soziale Kontakte den „Desistance“-Prozess auch behindern. Danach nehmen einige junge Menschen, die ihre Kriminalität beenden wollen, familiäre Probleme und Druck von Freund*innen und Partnern als Hindernisse für einen erfolgreichen Kriminali­ tätsausstieg wahr.964 Zudem werden Straftäter, die sich weiterhin mit ihren delin­ quenten Freund*innen identifizieren, öfter rückfällig.965 Auch aus den Ergebnissen von Bottoms und Shapland folgt, dass soziale Kontakte ambivalenten Einfluss auf den „Desistance“-Prozess haben und sich annehmen lässt, dass ihre Einbindung durch Langzeitbesuch somit ambivalenten Einfluss auf erfolgreiche „Desistance“ während und nach dem Vollzug der Jugendstrafe haben kann. Neben den Studien von Stelly und Thomas und Bottoms et al. haben weitere Untersuchungen positive Einflüsse von sozialen Beziehungen auf einen erfolgrei­ chen „Desistance“-Prozess nachweisen können. So können soziale Kontakte, wie weiter oben bereits dargestellt, „hooks for change“ darstellen, an denen sich ko­ gnitive Transformationen vollziehen können.966 Zudem hat nach Savolinen die Vaterschaft eine reduzierende Wirkung auf die Rückfallwahrscheinlichkeit.967 Daneben stellen positive Peer-Beziehungen einen präventiven Faktor in Bezug auf Kriminalitätsrückfälle dar.968 Eltern, die liebevoll und unterstützend agieren, schwächen kriminalitätsfördernde „labeling“-Effekte ab, wie sie durch die Invol­ vierung Jugendlicher im Justizsystem hervorgerufen werden, und sie reduzieren somit das Risiko erneuter Straftaten.969 Die Untersuchungen, deren Ergebnisse hier vorgestellt wurden, zeigen noch einmal in aller Deutlichkeit, dass positive soziale

962

Vgl. Bottoms / Shapland (2011), S. 70. Vgl. Bottoms / Shapland (2011), S. 62. 964 Vgl. Bottoms / Shapland (2011), S. 61. 965 Vgl. Bottoms / Shapland (2011), S, 69. 966 Vgl. Giordano et al. (2002), S. 1032. 967 Vgl. Savolainen (2009), S. 301. 968 Vgl. Hoge et al. (1996), S. 423. 969 Vgl. Jackson / Hay (2013), S. 317.

963

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

173

Kontakte für einen erfolgreichen „Desistance“-Prozess unabdingbar sind und somit auch durch Langzeitbesuche ins Vollzugsgeschehen eingebunden werden sollten. Gleichzeitig können aber soziale Beziehungen auch erfolgreiche Bewährungs­ prozesse gefährden. So kam Boxberg in ihrer Untersuchung, die sich auf junge Männer auf Bewährung bezog, zu dem Ergebnis, dass eine hohe Belastung durch familiäre Probleme mit erhöhtem delinquenten Verhalten zusammenhängt.970 Weiter ist der Befund aus der Untersuchung von Hoge et al. zu nennen, nach dem eine negative Beziehung zwischen Jugendlichem und Eltern und elterliche Defizite in der Erziehung mit erhöhter Rückfallwahrscheinlichkeit zusammenhängen.971 Böttger et al. stellten in der „Bremer Längsschnittstudie“ fest, dass ein Ausstieg aus delinquenten Phasen durch die Auflösung der delinquenten Bezugsgruppe bzw. den Ausstieg daraus begünstigt wurde und zur Übernahme „erwachsener“ Rollen sowie einem Rückzug ins Privat- bzw. Familienleben führte.972 In Fällen also, in denen die Loslösung von problematischen sozialen Beziehungen zum Abbruch von Kriminalität führt und der Gefangene seine Bereitschaft signalisiert, sich von ihnen loszulösen, ist die erweiterte Einbindung der problematischen Beziehungen insbesondere durch Langzeitbesuch mit Blick auf die Zielvorgaben der Landes­ gesetze zum Jugendstrafvollzug nicht zu empfehlen. (a) Heirat und Partnerschaft als spezielle Wendepunkte Als für den Kriminalitätsausstieg zentrales Ereignis kann die Heirat bzw. das Ein­ gehen von Partnerschaften bezeichnet werden. Über die Lebensspanne betrachtet werden sie als Wendepunkte im Kontext von Kriminalität betrachtet.973 Demnach führt die Eheschließung insbesondere in jungen Jahren974 zum Abbruch krimineller Verläufe, da durch sie Verbindungen zu alten und oftmals delinquenten Freund*in­ nen getrennt werden,975 mehr Zeit in familiären Aktivitäten als in unstrukturierten Freizeitbeschäftigungen verbracht wird,976 Ehepartner*innen informelle soziale Kontrolle ausüben977 und die Ehe Anknüpfungspunkte für neue soziale Kontakte und Netzwerke bietet.978 Männer, die mit ihren Frauen zusammenleben, werden seltener straffällig.979 970

Vgl. Boxberg (2016), S. 152. Vgl. Hoge et al. (1996), S. 422. 972 Vgl. Böttger et al. (2003), S. 121. 973 Vgl. Elliott et al. (1989), S. 194. 974 Vgl. Theobald / Farrington (2009), S. 512; Bersani et al. (2009), S. 22; Laub et al. (1998), S. 237; Farrington / West (1995), S. 265. 975 Vgl. Maume et al. (2005), S. 48; Simons et al. (2002), S. 427; Warr (1998), S. 199. 976 Vgl. Sampson et al. (2006), S. 498; Laub / Sampson (2003), S. 118. 977 Vgl. Doherty (2006), S. 828; King (2007), S. 54 f.; Sampson et al. (2006), S. 498; Maume et al. (2005), S. 48; Laub / Sampson (2003), S. 118. 978 Vgl. Sampson et al. (2006), S. 498. 979 Vgl. Horney et al. (1995), S. 669. 971

174

2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

Weiter bewirken Ehen kognitive Veränderungen.980 Positive Gefühle, die mit der Beziehung assoziiert werden, erzeugen Selbstzufriedenheit und ersetzen alte Ge­ fühle, die mit Kriminalität assoziiert wurden und unterstützen die Hinwendung zu prosozialen Lebensstilen.981 Zudem können Motivationen zur Lebensveränderung auf Partner*innen zurückgeführt werden, die Kriminalität ablehnend gegenüber­ stehen. Aufgrund des hohen Stellenwertes der Partnerschaft entwickeln Personen Motivation zur Änderung, da sie die Partnerschaft nicht aufs Spiel setzen wollen.982 Überdies wurde nachgewiesen, dass der delinquenzhemmende Einfluss der Heirat den größten Effekt in Ehen hat, die qualitativ hochwertig sind983 und sich durch starke Verbindungen zwischen den Partnern auszeichnen.984 Simons und Barr stellten in diesem Zusammenhang fest, dass im Gegensatz zu Ehen Partner­ schaften nur zum Abbruch von Kriminalität führen, wenn diese von hoher Qualität sind.985 Blokland und De Schipper kamen zu dem Ergebnis, dass für im Jugend­ alter straffällig gewordene Personen Ehen Verurteilungshäufigkeiten mindern, Scheidungen dagegen das Risiko erneuter Verurteilungen erhöhen.986 Bersani et al. konnten den negativen Zusammenhang von Heirat und Kriminalität unabhän­ gig von geschlechtlichen und soziohistorischen Kontexten bestätigen.987 Anders als für Frauen ist es nach Simons und Bahr für Männer im Kontext der krimina­ litätshemmenden Wirkung von Partnerschaften irrelevant, ob die Partnerin selber antisoziale Einstellungen vertritt.988 In der Phase der Adoleszenz kann eine Partnerschaft bei denjenigen, die ohne­ hin bereits anfällig für Kriminalität sind, das Risiko dafür erhöhen, wobei dieser Effekt stärker für weibliche als für männliche junge Menschen ist.989 Unabhängig vom Geschlecht hingegen haben junge Menschen mit devianten Peer-Netzwerken und einem devianten Partner ein höheres Risiko von Delinquenz als Adoleszente mit devianten Peer-Netzwerken und non-deviantem Partner.990 Da insgesamt davon gesprochen werden kann, dass Partnerschaften überwie­ gend kriminalitätsmindernde Wirkungen entfalten und von entscheidender Be­ deutung im „Desistance“-Prozess sein können, sollte ihre Aufrechterhaltung im Jugendvollzug unbedingt gefördert werden. Langzeitbesuche ermöglichen Paaren, ungestörte Zweisamkeit zu teilen, die notwendiger Bestandteil von Partnerschaft

980

Vgl. Simons / Barr (2014), S. 811. Vgl. Giordano et al. (2007), S. 1650. 982 Vgl. Cid / Marti, 2012, S. 613. 983 Vgl. Laub et al. (1998), S. 237. 984 Vgl. Maume et al. (2005), S. 48; Sampson / Laub (1993), S. 153. 985 Vgl. Simons / Bahr (2014), S. 810. 986 Vgl. Blokland / De Schipper (2016), S. 162. 987 Vgl. Bersani et al. (2009), S. 22. 988 Vgl. Simons / Bahr (2014), S. 811. 989 Vgl. Eklund et al. (2010), S. 384. 990 Vgl. Lonardo et al. (2009), S. 381 f. 981

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

175

ist, und eignen sich demzufolge besonders, partnerschaftliche Beziehungen wäh­ rend der Gefangenschaft aufrechtzuerhalten. Dabei scheint es für männliche Ju­ gendstrafgefangene hinsichtlich zukünftiger Kriminalität bedeutungslos, ob ihr*e Partner*in, der*die an Langzeitbesuchen teilnimmt, selber antisoziales oder de­ linquentes Verhalten zeigt. Folglich ist die Intensivierung partnerschaftlicher Bin­ dungen auch durch Langzeitbesuch im Jugendstrafvollzug als resozialisierungs­ förderlich einzustufen. (4) Zwischenergebnis Insgesamt zeigen die hier diskutierten kriminologischen Befunde, dass der Ein­ fluss sozialer Kontakte auch im „Desistance“-Prozess – allgemein nach der Straftat und speziell nach der Entlassung – von einem komplexen Zusammenspiel indivi­ dueller und situativer Faktoren abhängt: Positive soziale Kontakte fördern erfolgreiche „Desistance“ und reduzieren das Risiko von Kriminalitätsrückfällen. Junge Menschen mit starken und bedeu­ tungsvollen sozialen Beziehungen haben eine größere Wahrscheinlichkeit, eine Abkehr von Kriminalität zu vollziehen.991 Es entspricht somit dem Vollzugsziel Rückfallfreiheit, Bindungen an positive Sozialkontakte durch längere und unbe­ aufsichtigte Besuche im Jugendstrafvollzug mit Blick auf die Zeit nach der Ent­ lassung zu stärken. Dagegen können Bindungen an problematische Sozialkontakte „Desistance“ behindern und das Rückfallrisiko nach der Entlassung erhöhen. So nehmen junge Menschen, die ihre Kriminalität beenden wollen, familiäre Probleme und Druck von Freund*innen und Partner*innen als Hindernisse im Prozess ihrer Krimi­ nalitätsabkehr wahr. Vor allem der Kontakt zu delinquenten Peers erhöht das Rückfallrisiko nach der Entlassung. Daher kann die Einbindung problematischer Sozialkontakte während der Gefangenschaft mit Blick auf die Zeit nach der Ge­ fangenschaft dem Vollzugsziel Rückfallfreiheit entgegenwirken. Allerdings folgt aus den kriminologischen Befunden auch, dass die spezifische Wirkweise proble­ matischer Sozialkontakte auf Kriminalität differenziert betrachtet werden muss. So werden Verhaltensweisen und soziale Interaktionen, die das Rückfallrisiko erhöhen, stärker von dynamischen Faktoren wie zum Beispiel negativen Erzie­ hungsstilen geprägt als von statischen Faktoren wie etwa der sozialen Herkunft. Außerdem zeigt sich, dass Partnerinnen von jungen Gefangenen ausschließlich positiven Einfluss im „Desistance“-Prozess haben und es keine Bedeutung hat, ob sie selber antisoziale oder kriminalitätsfördernde Werte vermitteln. Demzufolge ist ein pauschaler Ausschluss von problematischen Sozialkontakten mit Blick auf ihre Bedeutung im „Desistance“-Prozess aus den kriminologischen Befunden nicht 991

Vgl. Healy (2013), S. 568.

176

2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

ableitbar. Abschließend hat sich gezeigt, dass die sozialen Kontakte und insbeson­ dere die Familien von Jugendstrafgefangenen – unabhängig von ihrem Einfluss auf Kriminalität – nach der Entlassung de facto den sozialen Empfangsraum bilden und der zwischenzeitliche Kontaktabbruch ohnehin nicht von Dauer ist.

ee) Langzeitbesuche und reguläre Besuche im Vergleich Nachdem in den vorstehenden Abschnitten des 2. Kapitels die grundsätzliche Bedeutung sozialer Kontakte erfasst wurde, werden in diesem Abschnitt kriminolo­ gische Erkenntnisse über die Einbindung sozialer Kontakte speziell durch reguläre Besuche und Langzeitbesuche dargelegt. Beide Besuchsformen haben gemeinsam, dass sie sich von anderen Maßnahmen zur Erhaltung von Außenkontakt unterschei­ den, indem sie einen direkten „Face-to-Face“ Kontakt zwischen Gefangenem und Angehörigem im Gefängnis ermöglichen. Des Weiteren werden beide Besuchs­ formen regelungssystematisch in den Außenkontaktregelungen der Landesgesetze zum Jugendstrafvollzug überwiegend unter der Überschrift Besuch geführt. (1) Regulärer Besuch (a) Gefangene Implementierung regulärer Besuche Es gibt keine flächendeckenden Untersuchungen bezüglich der Implementierung von regulären Besuchen im deutschen Jugendstrafvollzug. Den Empfehlungen des CPT, die sich auf Gefängnisbesuche von 2005 und 2010 beziehen, ist zu entneh­ men, dass in den Gefängnissen JA Hameln, JVA Herford und JVA Köln über die gesetzlich geregelte Mindestbesuchszeit hinausgehende Besuche ermöglicht wer­ den.992 Nach Hosser und Greve, deren Untersuchung allerdings mehr als 20 Jahre zurückliegt, ist davon auszugehen, dass nur ein Fünftel der Jugendstrafgefangenen mehr als zweimal im Monat besucht wird und über ein Drittel höchstens alle zwei Monate Besuch erhält.993 Hinsichtlich des Erwachsenenstrafvollzugs folgt aus der Untersuchung von Thiele, dass in den meisten Justizvollzugsanstalten die tatsäch­ lich gewährte Besuchszeit über die gesetzlich vorgegebene Mindestzeit hinaus­ geht. Die durchschnittlich gewährte monatliche Besuchszeit beträgt 120 Minuten. Zudem ermöglichen die meisten Justizvollzugsanstalten mindestens einmal pro Monat Besuche am Wochenende.994 Im europäischen Vergleich haben Gefangene des deutschen Strafvollzugs deutlich weniger Besuch als Gefangene aus anderen 992

Vgl. CPT / Inf (2012) 6 Rn. 94; CPT / Inf (2006) 36 Rn. 149. Vgl. Hosser / Greve (2001). 994 Vgl. Thiele (2016), 238 ff. 993

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

177

europäischen Ländern wie Belgien, Dänemark, Spanien, England und Wales so­ wie Schweden.995 Grundsätzlich sind Besuche die wichtigste Kommunikationsform in Gefangen­ schaft und gehören zu den bedeutendsten Ereignissen des Haftalltags.996 Gleich­ zeitig finden sie im Vergleich zu anderen Formen des Außenkontaktes wie Tele­ fonieren oder Briefverkehr wesentlich seltener statt.997 Aus Sicht von Gefangenen können Besuche negative Begleiterscheinungen der Gefangenschaft wie Lange­ weile und Monotonie ausgleichen, die Stimmung aufhellen und das emotionale Überleben innerhalb der Gefängnismauern fördern.998 Besuche geben Gefangenen die Möglichkeit, vorübergehend dem Gefängnisalltag zu entkommen.999 Dem­ entsprechend kann man wohl mit einiger Sicherheit davon ausgehen, dass gerade Langzeitbesuche dem Wunsch von Gefangenen nach mehr und qualitativ anderem Besuch gerecht werden. Typischerweise erfahren Gefangene eines der vier Besuchsmuster: Kein Besuch, Besuch am Anfang der Gefangenschaft, Besuch am Ende der Gefangenschaft, durchgehenden Besuch.1000 Ohder stellte in seiner Untersuchung in der JSA Berlin fest, dass eine deutliche Mehrheit der jungen Gefangenen ihr Besuchskontingent ausschöpft.1001 Weiter stellte er fest, dass der Familienbesuch sich als der zuverläs­ sigste Besuch erweist. Neben der Familie seien auch Freundinnen wichtige Kon­ taktpersonen für die jungen Gefangenen. Zudem gehören auch Freund*innen zu besuchenden Personen, wobei ihre Besuche oftmals unzuverlässig seien und in zu­ nehmend größeren Abständen stattfänden.1002 Huck kam zu dem Ergebnis, dass es die Familien und nicht die Freund*innen sind, die während der Gefangenschaft die jungen Gefangenen unterstützen und zu Besuchen kommen.1003 Da Jugendstrafge­ fangene nahestehende Personen haben, die zu regulären Besuchen kommen, kann angenommen werden, dass diese auch an Langzeitbesuchen teilnehmen würden. Auswirkungen regulärer Besuche Besuche während der Gefangenschaft scheinen Auswirkungen auf die Zeit nach der Gefangenschaft zu haben. Gefangene, die während ihrer Gefangenschaft be­ sucht werden, sind weniger gefährdet, nach der Entlassung rückfällig zu werden.1004 995

Vgl. Drenkhahn (2014), S. 369. Vgl. Goncalves et al. (2016), S. 131; Dixey / Woodall (2012), S. 15; Ohder (2012), S. 52; Brodsky (1975), S. 47. 997 Vgl. Drenkhahn (2014), S. 368. 998 Vgl. Dixey / Woodall (2012), S. 15, S. 24. 999 Vgl. Moran (2013), S. 346. 1000 Vgl. Cochran (2014), S. 218 f. 1001 Vgl. Ohder (2012), S. 52. 1002 Vgl. Ohder (2012), S. 53. 1003 Vgl. Huck (2009), S. 164. 1004 Vgl. Cochran (2014), S. 218 f.; Duwe / Clark (2013), S. 291; Mears et al. (2012), S. 910; Derkzen et al. (2009), S. 19; Bales / Mears (2008), S. 311 f. 996

178

2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

Dabei scheinen in Bezug auf die Stärke des Effekts sowohl der Zeitpunkt und die Qualität des Besuchs als auch der Kreis der besuchenden Personen eine Rolle zu spielen: Je häufiger Besuche stattfinden, desto geringer das Rückfallrisiko.1005 Zudem haben Besuche, die kurz vor der Entlassung stattfinden, einen besonders großen Einfluss auf die Reduzierung des Rückfallrisikos nach der Entlassung.1006 Cochran fand in seiner Untersuchung heraus, dass Gefangene, die bereits zu Be­ ginn ihrer Gefangenschaft besucht wurden und Gefangene, die beständig besucht wurden, ein geringeres Rückfallrisiko aufweisen als Gefangene, die während ihrer Gefangenschaft keine Besuche erhielten.1007 Bales und Mears stellten zudem fest, dass mehrmalige Besuche über mehrere Monate einen stärkeren Effekt auf das Rückfallrisiko haben als Besuche über weniger Monate.1008 Mears et al. konnten in ihrer Untersuchung zeigen, dass die ersten drei bis vier Besuche den größten Einfluss auf die Reduzierung des Rückfallrisikos haben.1009 In einer Metaanalyse kamen Mitchell et al. zu dem Ergebnis, dass Besuche insgesamt das Risiko eines Rückfalls um 26 % verringern.1010 Daneben wurden auch Auswirkungen unterschiedlicher Besuchsgruppierungen auf das Rückfallrisiko untersucht. Der ambivalente Einfluss sozialer Kontakte, wie bereits an verschiedenen Stellen dieser Arbeit thematisiert, setzt sich auch im Forschungsstand über den Einfluss unterschiedlicher Besuchs-Akteur*innen fort. Mears et al. und Bales und Mears stellten fest, dass der stärkste Effekt auf die Re­ duzierung des Rückvollrisikos von Besuchen des Ehepartners ausgeht, gefolgt von Freundesbesuchen und Familienbesuchen.1011 Nach Duwe und Clark verringern Be­ suche von Geschwistern das Risiko einer erneuten Verurteilung während Besuche ­ erkzen et al. von Vätern das Risiko eines Bewährungswiderrufs verringern.1012 D konstatierten, dass Besuche von Eltern und Kindern das Risiko einer erneuten Ge­ fangenschaft verringern.1013 Demgegenüber kamen Bales und Mears in ihrer Unter­ suchung zu dem Ergebnis, dass Kinderbesuche das Rückfallrisiko erhöhen.1014 Die Studie von Duwe und Clark konnte zeigen, dass der Besuch von Ex-Partnern das Rückfallrisiko erhöht.1015 Darüber hinaus besteht ein positiver Zusammenhang zwischen Besuchen im Jugendstrafvollzug und guten Schulnoten.1016 Zudem sind Gefangene mit weniger 1005 Vgl. Mears et al. (2012), S. 910; Duwe / Clark (2013), S. 290; Derkzen et al. (2009), S. 19; Bales / Mears (2008), S. 311. 1006 Vgl. Duwe / Clark (2013), S. 290; Derkzen et al. (2009), S. 19; Bales / Mears (2008), S. 311 f. 1007 Vgl. Cochran (2014), S. 218 f. 1008 Vgl. Bales / Mears (2008), S. 311. 1009 Vgl. Mears et al. (2012), S. 910. 1010 Vgl. Mitchell et al. (2016), S. 80. 1011 Vgl. Mears et al. (2012), S. 910; Bales / Mears, 2008, S. 311 f. 1012 Vgl. Duwe / Clark (2013), S. 291. 1013 Vgl. Derkzen et al. (2009), S. 19. 1014 Vgl. Bales / Mears (2008), S. 311 f. 1015 Vgl. Duwe / Clark (2013), S. 291. 1016 Vgl. Agudelo (2013), S. 4.

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

179

Besuchen angespannter, ängstlicher und niedergeschlagener.1017 Monahan  et al. konnten zeigen, dass Jugendliche, die von ihren Eltern besucht werden, unabhän­ gig von der Qualität der Beziehung, ein größeres psychisches Wohlbefinden und geringere Depressionswerte aufweisen.1018 Besuche können überdies dazu beitragen, Außenbeziehungen aufrecht zu er­ halten und verhindern, dass die Gefangenen den Kontakt zur Außenwelt verlie­ ren.1019 Nach Ansicht von Gefangenen geben Besuche ihnen die Möglichkeit, vo­ rübergehend ihre Rolle als Sohn, Ehemann oder Vater wiederherzustellen.1020 Für gefangene Väter ist der Besuch sehr wichtig, da sie so mit ihren Kindern direkt kommunizieren und sie emotional unterstützen können. Zudem sind Väter bei sol­ chen Besuchen in der Lage, Gefühle gegenüber ihren Kindern auszudrücken.1021 In diesem Zusammenhang stellten Beckmeyer und Arditti fest, dass Besuche, die von gefangenen Vätern als problematisch eingestuft werden, allerdings einen negativen Einfluss auf die empfundene Nähe des Vaters zu seinem Kind haben. Die Häufig­ keit der Besuche hat dagegen keine Auswirkungen auf das Nähempfinden des Va­ ters. Besuche aber, die häufig stattfinden und als weniger problematisch empfunden werden, verringern empfundenen elterlichen Stress.1022 Darüber hinaus konnte ge­ zeigt werden, dass Gefangene, die Besuche erhalten, im Vergleich zu Gefangenen ohne Besuche, bessere Aussichten haben, früher entlassen zu werden.1023 Ob Be­ suche auf Liebesbeziehungen positive oder negative Auswirkungen haben, hängt nach La Vigne et al. von der Qualität der Beziehung vor der Gefangenschaft ab.1024 Im Hinblick auf die Frage, welche Auswirkungen Besuche auf das Verhalten von Gefangenen im Gefängnis haben, liegen unterschiedliche Forschungsergebnisse vor. Cochran stellte für den Erwachsenenstrafvollzug, Goncalves et al., Borgman und Agudelo stellten für den Jugendstrafvollzug fest, dass Besuche von Angehö­ rigen Fehlverhalten innerhalb der Anstalt reduzieren.1025 In anderen Studien konn­ ten Einflüsse der Variable „Besuch“ auf das Verhalten von Gefangenen innerhalb der Anstalt nicht nachgewiesen werden.1026 Benning und Lahm kamen sogar zum dem Ergebnis, dass Besuche von Kindern das Risiko von Fehlverhalten innerhalb der Anstalt erhöhen.1027

1017

Vgl. Wooldredge (1999), S. 245. Vgl. Monahan et al. (2011), S. 149 f. 1019 Vgl. Dixey / Woodall (2012), S. 16; Woodall et al. (2009), S. 16. 1020 Vgl. Dixey / Woodall (2012), S. 16. 1021 Vgl. Clarke et al. (2005), S. 234. 1022 Vgl. Beckmeyer / Arditti (2014), S. 143 ff. 1023 Vgl. Vilcica (2015), S. 505. 1024 Vgl. La Vigne et al. (2005), S. 331. 1025 Vgl. Goncalves et al. (2016), S. 475; Cochran (2013), S. 59; Agudelo (2013), S. 3; Borgman (1985), S. 636. 1026 Vgl. Siennick et al. (2013), S. 435; Lahm (2008), S. 134; Jiang / Winfree (2006), S. 50 f.; Clark (2001), S. 53; Holt / Miller (1972), S. 80. 1027 Vgl. Benning / Lahm (2016), S. 200. 1018

180

2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

Reguläre Besuche als Problemfeld Neben den überwiegend positiven Einflüssen, die von regulären Besuchen aus­ gehen, ist das Feld des Besuchs auch mit Problemen behaftet. Thiele stellte in sei­ ner bundesweiten Untersuchung der Besuchspraxis im deutschen Strafvollzug fest, dass die überwiegende Mehrheit der Justizvollzugsanstalten verheirateten Gefan­ genen oder Gefangenen mit Kindern keine flexiblen Besuchszeiten ermöglichen. Zudem werden Besuche überwiegend in Gruppenbesuchsräumen mit etwa zehn bis 20 Besuchsplätzen durchgeführt.1028 Hohe Lautstärke, Überwachung und fehlende Privatsphäre in den Gruppenbesuchsräumen führen dazu, dass intime und private Themen in der Regel nicht in Ruhe besprochen werden können.1029 Auch das CPT und die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter haben bei ihren Besuchen zum Teil die Besuchsräume deutscher Gefängnisse inspiziert. Das CPT hat bezüglich der Besuchspraxis in einigen deutschen Gefängnissen wiederholt Verbesserungsvorschläge hinsichtlich der Dauer, flexiblen Gestaltung und Umge­ bung der Besuche unterbreitet.1030 Ausdrücklich für den Jugendstrafvollzug wa­ ren Besuchsräume nur einmalig Gegenstand eines Jahresberichtes der Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter. In diesem Bericht rügte die Nationale Stelle „die kärgliche Ausstattung und den hohen Verschmutzungsgrad der Besuchsräume des Drogenfachbereichs“ der Jugendstrafanstalt Berlin.1031 Ob diese Missstände besei­ tigt wurden, ist aus dem Bericht der Nationalen Stelle, der sich auf einen Folgebe­ such in der Jugendstrafanstalt Berlin bezieht, nicht zu entnehmen. Für Gefangene sind Besuche ein zweischneidiges Schwert. Einerseits finden während der Besuche Begegnungen statt, die Freude bereiten. Andererseits wer­ den Besuchsbedingungen, auch wegen personeller Engpässe, als belastend emp­ funden.1032 Gefangene beschweren sich darüber, dass sie zu wenig Besuchszeit erhalten.1033 Zudem haben sie das Gefühl, dass ihre Angehörigen während der Besuche kriminalisiert werden.1034 Es gibt Beschwerden über den Zustand der Besuchsräume und Klagen darüber, dass bedeutungsvolle Interaktionen während der Besuche aufgrund von überfüllten Besuchsräumen und fehlender Privatsphäre nicht zustande kommen können.1035 Gefangene erleben Besuche als befremdlich und ungewohnt. Die Umgebungen, in denen die Besuche stattfinden, werden teil­ weise sogar als feindselig wahrgenommen.1036 Zudem stört Gefangene die Gefäng­ nisatmosphäre und die Tatsache, dass sie sich während der Besuche nicht frei be­ 1028

Vgl. Thiele (2016), S. 250 f. Vgl. Fährmann (2019), S. 91. 1030 Vgl. CPT / Inf. (2017) 13 Rn. 67; CPT / Inf (2012) 6 Rn. 52; CPT / Inf (2006) 36 Rn. 49; CPT / Inf (2003) 20 Rn. 113; CPT / Inf (97) 9 Rn 170 ff. 1031 Vgl. Nationale Stelle zur Verhütung von Folter (2012), S. 44. 1032 Vgl. Hosser / Greve (2001). 1033 Vgl. Schindler (1998), S. 212. 1034 Vgl. Liebling / Arnold (2004), S. 326. 1035 Vgl. Pierce (2015), S. 383. 1036 Vgl. Clarke et al. (2005), S. 234. 1029

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

181

wegen können. Auch fehlt ihnen die Möglichkeit zu körperlichem Kontakt, der aufgrund von Sicherheitsbedenken eingeschränkt ist.1037 In Huttons Untersuchung äußerten Gefangene, dass Restriktionen hinsichtlich körperlicher Kontakte zwar keine Auswirkungen auf ihr Verhältnis zu entfernten Verwandten habe, dafür aber die Beziehung zu ihren Partnerinnen erheblich belaste. Dabei geht es nicht in ers­ ter Linie um sexuelle Kontakte, sondern vielmehr um die Möglichkeit, spontan körperliche Liebesbekundungen durch Küsse, Händchenhalten und Umarmungen äußern zu können, die nach Ansicht der Gefangenen wesentlicher Bestandteil einer Liebesbeziehung sind.1038 Aufgrund der ständigen Überwachung befinden sich Gefangene während der Besuche in einem „quasi-paranoiden“ Zustand. Die Tatsache, dass nach ihrer Ansicht selbst die harmlosesten Gespräche und Gesten in der überwachenden Gefängnisumgebung falsch gedeutet werden können, führt zu großer Unsicherheit während der Besuche und zum Unterlassen „verdächtiger“ Handlungen.1039 Weiter beschreiben Gefangene die Besuchszeit als „kondensierte Familienzeit“, die mit der Familienroutine vor der Gefangenschaft wenig zu tun hat.1040 In diesem Zusammenhang wird auch von „leeren Besuchen“ gesprochen. So gesehen ermöglichen reguläre Besuche Gefangenen zwar, ihre Familie zu se­ hen, nicht aber weiterhin als bedeutungsvoller Teil des Familienlebens agieren zu können.1041 Nach den Besuchen empfinden Gefangene teilweise Gefühle wie Einsamkeit und Traurigkeit.1042 Da Besuche sehr schmerzhaft für Gefangene sein können1043 und einige Gefangene nach Besuchen stark unter der Trennung leiden, entscheiden sich manche nach ersten Erfahrungen dafür, dass sie keine weiteren Besuche empfangen möchten.1044 Gleichzeitig gibt es auch Gefangene, die keine Besuche während ihrer Gefangenschaft erhalten. Als Gründe für fehlende Besuche werden von Gefangenen Kosten und die Entfernung des Wohnortes der Angehö­ rigen angegeben.1045 Hairston et al. fanden heraus, dass die Wahrscheinlichkeit, keinen Besuch zu erhalten umso höher ist, je weiter Gefangene von ihrem Wohn­ ort entfernt untergebracht sind.1046 Besuche in Gefangenschaft entfallen natürlich, wenn Gefangene nicht wollen, dass ihre Angehörigen sie im Gefängnis besuchen, wenn Angehörige nicht zu einem Besuch ins Gefängnis kommen wollen, wenn Gefangene keine Angehörigen haben und / oder wenn durch die Gefangenschaft Kontakte zu Angehörigen abgebrochen sind.1047

1037

Vgl. Clarke et al. (2005), S. 234. Vgl. Hutton (2016), S. 352. 1039 Vgl. Hutton (2016), S. 351. 1040 Vgl. Clarke et al. (2005), S. 234. 1041 Vgl. Hutton (2016), S. 353. 1042 Vgl. Hermes (2012), S. 97. 1043 Vgl. Kiser (1991), S. 65. 1044 Vgl. Dixey / Woodall (2012), S. 16. 1045 Vgl. Niven / Stewart (2005), S. 6. 1046 Vgl. Hairston et al. (2004), S. 2. 1047 Vgl. Niven / Stewart (2005), S. 6. 1038

182

2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

Deutlich wird, dass die von Gefangenen empfundenen Mängel im Zusammen­ hang mit regulären Besuchen insbesondere mit den zeitlichen und räumlichen Ge­ gebenheiten regulärer Besuche zusammenhängen. Langzeitbesuche können die Besuchssituation im Strafvollzug deutlich verbessern, weil sie Gefangenen ein Mehr an Privatsphäre in einer sozial-emotional angemesseneren sowie in einer insgesamt entspannteren Besuchsumgebung ermöglichen. Ein besonderes Problemfeld stellt der reguläre Besuch von Kindern dar. Grund­ sätzlich haben Besuche eine große Bedeutung, da durch sie die emotionale Dis­ tanz zwischen Kind und Elternteil abgebaut und Beziehungen (wieder)hergestellt werden.1048 Gleichzeitig können Kinderbesuche für Gefangene eine Herausforde­ rung darstellen. Für Gefangene des Erwachsenen, aber vor allem des Jugendstraf­ vollzugs, die in der Regel noch nicht über große Erfahrung im Umgang mit Kin­ dern verfügen, können fehlendes Spielzeug und fehlende Spielflächen ein Problem während der Besuche darstellen.1049 Da Interaktionen zwischen Kind und Eltern während der Besuche eingeschränkt sind und der Fokus auf der Kontrolle und Disziplin des Kindes liegt, kann die Gestaltung des Besuchs der Aufrechterhal­ tung einer Eltern-Kind-Bindung entgegenstehen.1050 In einer Studie von Denni­ son  et al. äußerten Väter, dass es ihnen schwer fällt, ohne physischen Kontakt ihren Kindern gegenüber Liebe und Sorge auszudrücken.1051 Weiter stört Väter in Gefangenschaft der Mangel an Privatsphäre und die als übermäßig empfundene Bewachung während der Kinderbesuche.1052 Da während der Besuche Kinder und andere Angehörige gleichzeitig anwesend sind, befinden sich Väter oftmals in einer Zwickmühle, da sie sich in der kurzen Zeit sowohl ihren Kindern als auch anderen Besucher*innen zuwenden wollen.1053 Die ohnehin bestehenden Schwie­ rigkeiten, der Vaterrolle in Gefangenschaft gerecht zu werden, werden durch die Beschaffenheit von Gruppenbesuchsräumen verstärkt. Demnach finden, so Moran, in diesen zwar gute Erfahrungen statt, gleichzeitig lauern hier aber auch Spannun­ gen und Gefahren in regulären Besuchsräumen, die Verhaltensweisen erfordern, die nicht weniger komplex sind als solche, die es in Freiheit für Eltern auf Spiel­ plätzen oder in Restaurants gibt.1054 Nicht selten entpuppen sich Kinderbesuche auch als Enttäuschung.1055 Nurse stellte in ihrer Studie unter Jugendstrafgefange­ nen fest, dass einige Väter keinen Besuch von ihren Kindern wollen, da sie sich vor ihren Kindern dafür schämen, im Gefängnis zu sein.1056 Weiter wollen Väter ihre Kinder vor traumatischen Erfahrungen schützen, die ihrer Ansicht nach durch

1048

Vgl. Tasca et al. (2016), S. 474. Vgl. Dennison et al. (2014), S. 1101; Clarke et al. (2005), S. 234; Nurse (2002), S. 43. 1050 Vgl. Hairston (1998), S. 624 f. 1051 Vgl. Dennison et al. (2014), S. 1100. 1052 Vgl. Boswell / Wedge (2002), S. 102. 1053 Vgl. Nurse (2002), S. 48. 1054 Vgl. Moran et al. (2017), S. 118. 1055 Vgl. Moran et al. (2017), S. 43. 1056 Vgl. Nurse (2002), S. 45. 1049

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

183

die Trennung nach den Besuchen und die einschüchternde Gefängnisumgebung ausgelöst werden.1057 Es ist in jedem Fall erstrebenswert, dass junge Väter ungestört Zeit mit ihren Kindern im Strafvollzug verbringen können. Aufgrund des wohnungsähnlichen Charakters von Langzeitbesuchsräumen können junge Väter „normalere“ Fami­ lienzeit mit ihren Kindern gestalten. Die unbeaufsichtigten Besuche ermöglichen es jungen Vätern, mit ihren Kindern zu spielen, mit ihnen zu essen und sie auch schlafen legen können. Darüber hinaus haben Langzeitbesuche den Vorteil, dass während der Besuche andere Familien nicht gestört werden. Da der Kontakt zwi­ schen Vater und Kind für die gesunde Kindesentwicklung sehr wichtig ist, sollte durch die kindgerechte Gestaltung von Besuchen verhindert werden, dass Väter aus sicher gut gemeintem Schutzbedürfnis nicht wollen, dass ihre Kinder sie im Gefängnis besuchen, um ihnen negative Erfahrungen zu ersparen. (b) Angehörige Aus Studien geht hervor, dass der Besuch im Gefängnis auch für Angehörige durchaus ambivalenten Charakter haben kann. Einerseits bieten Besuche ihnen die Möglichkeit von Verbindung.1058 Durch Besuche können sie sich ein direktes Bild vom Befinden des Gefangenen machen.1059 Zudem können Angehörige während der Besuche moralische Unterstützung leisten und psychologische Schäden reduzie­ ren, die ihrer Meinung nach aus der Gefangenschaft resultieren.1060 Weiter nutzen Angehörige Besuche, um rechtliche und familiäre Angelegenheiten persönlich zu besprechen.1061 Dementsprechend verspüren viele Angehörige vor den Besuchen positive Gefühle und freuen sich auf dem Weg zum Gefängnis auf den Besuch.1062 Anderseits sind Besuche für Angehörige mit negativen Erlebnissen verbunden. Sie berichten von langen Anreisewegen zu Gefängnissen und davon, dass sie für Besuche viel Zeit und Geld investieren müssen.1063 Viele Angehörige beschreiben den Besuch als schmerzvolles Erlebnis.1064 Eine geliebte Person während der Be­ suche in der ungewohnten und beängstigenden Umgebung des Gefängnisses zu sehen, beschreiben sie als belastendes und besorgniserregendes Ereignis.1065 Weiter

1057

Vgl. Dennison et al. (2014), S. 1102; Boswell / Wedge (2002), S. 37. Vgl. Arditti (2003), S. 131. 1059 Vgl. Christian (2005), S. 41. 1060 Vgl. Christian (2005), S. 42. 1061 Vgl. Kotarba (1979), S. 97. 1062 Vgl. Tewksbury / DeMichele (2005), S. 303. 1063 Vgl. Jones et al. (2013), S. 59; Justice for families (2012), S. 24, S. 29; Boswell / Wedge (2002), S. 91; Kern (2007), S. 74 ff. 1064 Vgl. Dixey / Woodall (2012), S. 14; Arditti (2003), S. 123 f.; Fishman (1990), S. 158 f. 1065 Vgl. Dixey / Woodall (2012), S. 13. 1058

184

2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

beschreiben sie Besuche als traumatisch, verstörend,1066 anstrengend und unange­ nehm.1067 Manche Angehörige weinen Tage vor und nach den Besuchen.1068 Über­ dies gehen aus Studien Beschwerden von Angehörigen über die Implementierung von Besuchen hervor. Sie berichten von langen Wartezeiten vor den Besuchen.1069 Ihnen fehlt während der Besuche angemessene Privatsphäre.1070 Zudem stört sie das hohe Maß an Überwachung und Kontrolle.1071 Zwangsläufig werden Gespräche durch die Anwesenheit fremder Personen beeinflusst,1072 und Gespräche anderer Familien können schwer ausgeblendet werden.1073 Angehörige berichten davon, dass sie sich durch die Anwesenheit anderer Personen in ihrer freien Kommunika­ tion gehemmt fühlen.1074 Außerdem bewegen sich nach ihnen Gespräche aufgrund mangelnder Privatsphäre nur auf einem oberflächlichen Niveau.1075 Einige Ange­ hörige haben den Eindruck, dass private Ehe- und Familiengespräche während der Besuche überhaupt nicht möglich sind.1076 Sich stundenlang einfach gegenübersit­ zen zu müssen, beschreiben Paare als „anormal“, „komisch“ und „gekünstelt“.1077 Zudem beschweren sich Angehörige über fehlende Bewegungsfreiheit1078 und dar­ über, dass es während der Besuche keine familienbezogenen Beschäftigungsmög­ lichkeiten gibt.1079 Weiter fehlt ihnen die Möglichkeit zu physischem Kontakt, der ihrer Ansicht nach essentiell für die Bindung zwischen ihnen und dem Gefangenen ist.1080 Sie beschreiben die Besuchsräume als überfüllt, schlecht ausgestattet, laut und dreckig.1081 Die Gestaltung der Besuchsräume gebe in vielen Fällen keine Im­ pulse zur Auflockerung und Anreicherung der Atmosphäre.1082 Obwohl Angehörige ihrer Meinung nach einige Verbesserungsvorschläge bezüglich der Besuche ma­ chen könnten, seien Gefängnisleitungen dafür nicht empfänglich. Der Mangel an Aufmerksamkeit gegenüber Angehörigen seitens der Gefängnisse reflektiert nach Ansicht von Angehörigen einen Mangel an Sensibilität der Institution Gefängnis.1083 Da Angehörigen während der regulären Besuche Privatsphäre sowie Bewegungs­ freiheit fehlen und sie die „gekünstelte“ Besuchssituation von tiefergehenden Ge­ 1066

Vgl. Dixey / Woodall (2012), S. 13. Vgl. Kury / Kern (2003), S. 105. 1068 Vgl. Dixey / Woodall (2012), S. 14. 1069 Vgl. Kury / Kern (2003), S. 105; Hairston (1998), S. 625 f. 1070 Vgl. Fishman (1990), S. 158 f.; Busch et al. (1987), S. 863; Quack (1978), S. 357. 1071 Vgl. Jones et al. (2013), S. 61. 1072 Vgl. Quack (1978), S. 357. 1073 Vgl. McDermott / King (1992), S. 66. 1074 Vgl. Fishman (1990), S. 159; Busch et al. (1987), S. 863. 1075 Vgl. Hughes (1992), S. 155. 1076 Vgl. Ortner / Welter (1975), S. 122. 1077 Vgl. Hutton (2016), S. 352. 1078 Vgl. Fishman (1990), S. 158. 1079 Vgl. Girshick (1996), S. 72. 1080 Vgl. Arditti (2003), S. 123. 1081 Vgl. Arditti (2003), S. 124; Hairston (1998), S. 625. 1082 Vgl. Busch et al. (1987), S. 863. 1083 Vgl. Girshick (1996), S. 92. 1067

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

185

sprächen abhält, sind Langzeitbesuche im Vergleich zu regulären Besuchen aus ihrer Perspektive die eindeutig zu bevorzugende Variante bzw. in jedem Fall eine notwendige Ergänzung. In Zusammenhang mit Besuchsregeln beanstanden Angehörige, dass Informa­ tionen fehlen und Besuchsregeln willkürlich durch die Vollzugsmitarbeiter*innen interpretiert werden.1084 Ein weiterer Problembereich ist nach ihrer Ansicht das Verhalten einiger Vollzugsbeamt*innen während des Besuchsprozesses. Angehö­ rige berichten von rauem, unfreundlichem und respektlosem Umgangston.1085 Sie erleben Stigmatisierungen und haben das Gefühl, während der Besuche wie Kri­ minelle oder Gefangene behandelt zu werden.1086 Spannungen, die zwischen Ge­ fangenen und Bediensteten bestehen, übertragen sich auf Beziehungen zwischen Bediensteten und Besuchenden.1087 In einer Befragung von Frauen Gefangener des baden-württembergischen Strafvollzugs fühlte sich die Hälfte von ihnen durch die Bediensteten gedemütigt und die andere Hälfte korrekt behandelt.1088 Auf­ grund schlechter Besuchsbedingungen und subjektiv erfahrener Verlegenheit wie auch Hilflosigkeit während des Besuchsprozesses verzichten einige Familien auf Gefängnisbesuche.1089 Bedenkt man die bereits aufgeführten positiven Auswirkungen von Besuchen auf die Resozialisierung von Gefangenen, gilt es im Sinne des Vollzugsziels zu verhindern, dass Beziehungen zwischen Gefangenen und Angehörigen abbrechen, weil Angehörige nicht mehr ins Gefängnis kommen wollen. Es muss verhindert werden, dass Gefängnisbesuche zu Negativerlebnissen für Gefangene werden. In diesem Zusammenhang ist auch die proaktive Förderungspflicht von Justizvoll­ zugsanstalten zu verweisen, die sich aus dem Grundsatz der Außenkontaktrege­ lungen der Landesgesetze zum Jugendstrafvollzug ergibt.1090 Kinder als besonders schutzbedürftige Besuchsgruppe Will man die wesentliche Bedeutung von Besuchsinteraktionen zwischen Kin­ dern und Eltern erfassen, hilft zunächst ein Blick auf Studien über in Pflege befind­ liche Kinder. Danach entwickeln Kinder, die sich in Pflege befinden und häufigen sowie beständigen Kontakt zu ihren leiblichen Eltern haben, sicherere Bindungen und kommen mit der Situation besser zurecht als Kinder, die weniger Kontakt ha­ ben.1091 Zudem zeigen Kinder in Pflege, die regelmäßig von ihren Eltern besucht 1084

Vgl. Kern (2007), S. 75; Girshick (1996), S. 77 f.; Shaw (1987), S. 22. Vgl. Arditti (2003), S. 124; 1086 Vgl. Jones, et al. (2013), S. 61; Comfort (2003), S. 102 f.; Girshick (1996), S. 71; Hughes (1992), S. 156; Kotarba (1979), S. 85. 1087 Vgl. Girshick (1996), S. 74. 1088 Vgl. Kury / Kern (2003), S. 105. 1089 Vgl. Hairston (1998), S. 625 f. 1090 Vgl. Abschnitt 2. a) aa) (3) (a). 1091 Vgl. McWey / Mullis (2004), S. 297. 1085

186

2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

werden, weniger internalisierte Verhaltensauffälligkeiten als Kinder, die unregel­ mäßig besucht werden.1092 So sehen Fanshel und Shinn den elterlichen Besuch als besonders wichtig für das allgemeine emotionale Wohlbefinden von Kindern.1093 Diese Befunde machen deutlich, dass Kinder, die ihre Väter durch Langzeitbesu­ che länger und öfter sehen können, vermutlich besser mit der Gefangenschaft ihres Vaters zurechtkommen. Während der Gefangenschaft ist in Deutschland die häufigste Form des Kon­ taktes zwischen gefangenem Elternteil und Kind der Besuch.1094 Den gefangenen Elternteil besuchen zu können, ist eines der wichtigsten Bedürfnisse von Kin­ dern.1095 Besuche ermöglichen die als sehr wichtig einzustufende Gelegenheit des „Face-to-Face“ Kontaktes und bieten Kindern die Chance, sich direkt nach dem Wohlergehen ihres Elternteils erkundigen zu können. Das wiederum trägt dazu bei, dass gewisse Verlustängste gar nicht erst aufkommen.1096 Zudem assoziieren Kinder Besuche auch mit Hoffnungen, da sie positive Entwicklungen und Verän­ derungen des Elternteils (z. B. Abstinenz von Drogen) unmittelbar wahrnehmen können. Weiter nutzen Kinder Besuche auch, um ihre Erwartungen gegenüber dem gefangenen Elternteil zu äußern.1097 Studien zeigen, dass sich Kinder grundsätz­ lich darauf freuen, ihren Vater im Gefängnis zu besuchen.1098 Den meisten Kin­ dern gelingt es, sich der Besuchssituation weitgehend anzupassen.1099 Ungeachtet des Ortes und der Umstände scheint die Wiederaufnahme der Beziehung für sie während der Besuche im Vordergrund zu stehen.1100 Gleichzeitig aber sind Besuche auch mit Problemen behaftet. Roggenthin spricht in diesem Zusammenhang sogar vom Gefängnis als Inbegriff einer kinderfeind­ lichen Institution.1101 Nach Ansicht von Kindern gibt es wenig Besuchszeiten und sie empfinden die Besuchsdauer als sehr kurz.1102 Manche langweilen sich während der Besuche, da es für ihr Empfinden keine Beschäftigungsmöglichkeiten gebe.1103 Für einige Kinder ist der Besuch eine schmerzvolle Erfahrung, da ihnen insbeson­ dere der Abschied nach den Besuchen schwerfällt.1104 Da sie überdies an intensive­ ren und häufigeren physischen Kontaktaustausch gewohnt sind, ist vor allem für kleinere Kinder die Beschränkung von körperlicher Nähe schwer zu verstehen.1105 1092

Vgl. Cantos et al. (1997), S. 324. Vgl. Fanshel / Finn (1978), S. 85. 1094 Vgl. Jones et al. (2013), S. 57. 1095 Vgl. Bieganski et al. (2013), S. 9. 1096 Vgl. Sharratt (2014), S. 767. 1097 Vgl. Tasca et al. (2016), S. 469 ff. 1098 Vgl. Swan (1981), S. 89. 1099 Vgl. Jones et al. (2013), S. 58. 1100 Vgl. Sack et al. (1976), S. 622. 1101 Vgl. Roggenthin (2015), S. 5. 1102 Vgl. Bieganski et al. (2013), S. 15. 1103 Vgl. Boswell / Wedge (2002), S. 71. 1104 Vgl. Jones et al. (2013), S. 58. 1105 Vgl. Johnston (1995a), S. 202. 1093

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

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Zudem fehlen Gelegenheiten, um Zeit alleine mit dem gefangenen Elternteil ver­ bringen zu können.1106 Die Entfremdung zwischen Elternteil und Kind kann unter solchen Umständen in der kurzen Besuchszeit nicht abgebaut werden.1107 Darüber hinaus scheinen Besuchsräume in Gefängnissen oftmals nicht kinderfreundlich eingerichtet zu sein,1108 was wiederum negative Auswirkungen auf die Bindung zwischen Kind und Elternteil hat.1109 Es fehlt zum Teil an Kinderspielzeug und Platz, um sinnvolle Aktivitäten zwischen Kind und Eltern zu ermöglichen.1110 Was die Implementierung von Kinderbesuchen im deutschen Strafvollzug an­ betrifft, haben das Deutsche Institut für Menschenrechte (2017) und Thiele (2016) die Besuchspraxis bundesweit untersucht. Beide Studien zeigen, dass sich diese in den einzelnen Bundesländern erheblich voneinander unterscheidet. Thiele kam in seiner Untersuchung, die sich ausschließlich auf den Erwachsenenstrafvollzug bezieht, zu dem Ergebnis, dass die Mehrheit der deutschen Gefängnisse Besuchs­ räume zwar nach eigenen Angaben kindgerecht ausgestaltet, es jedoch an weitrei­ chenden und flächendeckenden Maßnahmen wie Familienbesuchsräumen, Kinder­ betreuung oder einer gemeinsamen Außenbereichsnutzung fehle.1111 Auch aus der Untersuchung des Deutschen Instituts für Menschenrechte, in der auch Jugend­ strafanstalten miteinbezogen wurden, geht hervor, dass die Besuchsbedingungen bundesweit sehr uneinheitlich ausfallen. Demnach gibt es einige Gefängnisse, in denen Körperkontakt mit Kindern untersagt und Kommunikation nur durch eine Trennscheibe möglich ist. Andere Gefängnisse wiederum ermöglichen einen fa­ miliensensiblen Vollzug, indem sie Besuche in besonderen und familienfreund­ lichen Räumlichkeiten durchführen. Insgesamt kommt das Deutsche Institut für Menschenrechte zu dem Ergebnis, dass Besuchszeiten in Deutschland aus dem Blickwinkel von Kindern sehr knapp bemessen sind und es insgesamt kaum kind­ gerechte Besuchsmöglichkeiten in den Gefängnissen gibt.1112 Defizite hinsichtlich der Gestaltung von Kinderbesuchen in der deutschen Voll­ zugspraxis zeigen sich auch in der wegweisenden „COPING“-Studie, in der die Situation von Kindern Gefangener in Deutschland mit der von Kindern aus anderen europäischen Ländern verglichen wurde. In der Studie zeigt sich, dass in deutschen Gefängnissen Spielecken zwar oftmals in die Besuchshalle integriert sind, diese jedoch insbesondere von älteren Kindern als eher unattraktiv wahrgenommen wer­ den. Gefangene Väter dürfen die Spielflächen oftmals nicht betreten.1113 Kinder, die ihre Eltern in Deutschland im Gefängnis besuchen, nehmen die Besuchsumgebung 1106

Vgl. Tudball (2000), S. 15. Vgl. Busch et al. (1987), S. 497. 1108 Vgl. Philbrick et al. (2014), S. 72; Boswell / Wedge (2002), S. 117; Girshick (1996), S. 72; Busch et al. (1987), S. 497. 1109 Vgl. Philbrick et al. (2014), S. 72. 1110 Vgl. Tudball (2000), S. 15; Girshick (1996), S. 72. 1111 Vgl. Thiele (2016), S. 253 f. 1112 Vgl. Deutsches Institut für Menschenrechte (2017), S. 91. 1113 Vgl. Sharratt (2014), S. 768. 1107

188

2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

als familienunfreundlicher, feindlicher und eintöniger wahr als Kinder aus Schwe­ den, England, Frankreich und der Schweiz.1114 Zudem empfinden sie im Vergleich zu Kindern aus Frankreich und England Sicherheitsmaßnahmen angsteinflößender und beschreiben die Durchsuchungen als aufdringlich, entwürdigend und grob.1115 Der Vergleich nationaler und internationaler rechtlicher Vorgaben mit dem wei­ ter oben aufgeführten Forschungsstand zur Besuchspraxis im deutschen Strafvoll­ zug zeigt, dass die deutsche Besuchspraxis Defizite aufweist. Nach den Außen­ kontaktregelungen der Landesgesetze zum Jugendstrafvollzug sollen Kontakte der Jugendstrafgefangenen zu ihren Kindern besonders gefördert werden.1116 Dement­ sprechend sieht Nordrhein-Westfalen Langzeitbesuche ausdrücklich für Kinder junger Gefangener vor und formuliert in seinen Außenkontaktregelungen zum Besuch, dass ein familiengerechter Umgang zum Wohl minderjähriger Kinder zu gestatten ist und bei der Ausgestaltung der Besuchsmöglichkeiten (Besuchszeiten und Rahmenbedingungen), Bedürfnisse minderjähriger Kinder zu berücksichtigen sind.1117 Zudem haben Kinder nach Art. 9 Abs. 3 der UN-Kinderrechtskonvention das Recht, eine regelmäßige persönliche Beziehung und unmittelbaren Kontakt zu beiden Elternteilen zu pflegen. Da Langzeitbesuche im Vergleich zu regulären Besuchen aufgrund der bereits ausführlich dargestellten zahlreichen Vorteile fa­ milienfreundlichere sowie kindgerechte Besuchsinteraktionen ermöglichen, ist ihre flächendeckende Implementierung erforderlich, um die Situation im Blick auf Kinderbesuche im deutschen Jugendstrafvollzug zu verbessern und insgesamt zu einem familienfreundlichen Strafvollzug beizutragen. (2) Langzeitbesuch Aufgeführt werden nachfolgend Forschungsergebnisse über Langzeitbesuche. Es gibt weder nationale noch internationale Studien, die den Jugendstrafvollzug betreffen.1118 Im Folgenden werden daher Ergebnisse präsentiert, die ausschließlich den Erwachsenenstrafvollzug betreffen. (a) Erfahrungen mit Langzeitbesuchen Als besondere Komponente des Forschungsstands können Erfahrungsberichte von Gefangenen und Mitarbeiter*innen des Gefängnisses angesehen werden. Diese Erfahrungen wurden nicht streng wissenschaftlich erfasst und aufgearbeitet und können somit hier auch nicht als wissenschaftliche Erkenntnisse über Langzeitbe­ 1114

Vgl. Jones et al. (2013), S. 58. Vgl. Sharratt (2014), S. 768. 1116 Vgl. Abschnitt 2. a) aa) (3). 1117 Vgl. Abschnitt 2. a) aa) (3). 1118 Zum Vollzug bei weiblichen jungen Gefangenen siehe Beecken (2021). 1115

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

189

suche bezeichnet werden. Als Narrationen enthalten sie weder die gesamte Wahr­ heit (falls ein solches Konstrukt überhaupt existiert) noch können sie als einzige Erklärung für bestimmte Phänomene herangezogen werden. Gleichwohl können sie aber als unmissverständliche Quelle von Beweisen angesehen werden.1119 Mit anderen Worten, Narrationen Gefangener können zum Thema Langzeitbesuch un­ gefilterte Einblicke in die Realität dieser Kontaktform im Strafvollzug geben und somit durchaus dem Forschungstand zugeordnet und im Kontext wissenschaftlicher Arbeit genutzt werden. Da es, wie bereits erwähnt, sehr wenige Forschungsarbei­ ten im deutschsprachigen Raum gibt, werden hier solche Narrationen ausführ­licher dargestellt, als es in anderen Forschungsarbeiten für gewöhnlich der Fall ist. 1991 schilderte ein Gefangener der JVA Geldern seine persönlichen Erfahrun­ gen, die er mit Langzeitbesuchen im Vergleich zu Normalbesuchen gemacht hatte. Mit Blick auf den Normalbesuch schilderte er Folgendes: „Wartesaalatmosphäre, Hektik und Lärm lassen bei dem Normalbesuch kaum die Mög­ lichkeit aufkommen zu wirklichen Gesprächen. Eine Umgebung, die der des Knastalltages entspricht, schafft nicht die Voraussetzung, sich mit den Problemen auseinanderzusetzen, die durch die Schuld des Inhaftierten für die ganze Familie entstanden sind. Unruhe, störender Lärm, ein beständiges Kommen und Gehen ermöglichen kein wirklich intensives Gespräch, da die Ablenkung zu groß ist. Das Schamgefühl der Familie wird angegriffen. Für viele Angehörige, besonders für die Ehepartner, ist es schon schlimm genug, ins Gefängnis zu Besuch zu kommen, die Atmosphäre des Normalbesuchs zerstört allein schon die Bereit­ schaft zu wirklich intensiven Gesprächen. Die Ablenkung ist groß, die Angst, dass fremde Ohren zuhören könnten – all dies ist nicht geeignet, die Offenheit untereinander zu fördern. Gespräche über den Knastalltag, über andere Menschen, die man gerade sieht, verdrängen die Auseinandersetzung mit den selbst geschaffenen Problemen. Auch die Beziehung zu den eigenen Kindern wird kaum gefördert, da die Möglichkeit des Spielens mit anderen Kindern für diese eine zu große Versuchung darstellt. Bei einem intensiven Gespräch mit Ehefrau, Eltern mag das seine Vorteile haben. Dem Kind-Vater-Verhältnis muss jedoch die Wichtigkeit zukommen, die ihm zusteht, da gerade das Kind seelisch unter den Folgen zu leiden hat. Zärtlichkeitsaustausch findet nur im geringen Maße statt, da dies in der Öffentlichkeit nicht jedermanns Sache ist. Den Partnerschaften wird somit oftmals der Rest gegeben. Ursache ist seltener die fehlende Bereitschaft der Partnerin, an der Beziehung festzuhalten, als die Umgebung, die alles zerstört.“1120

Die positiven Erfahrungen dagegen, die dieser Gefangene mit Langzeitbesuchen gemacht hatte, formulierte er folgendermaßen: „Seit der Möglichkeit des Langzeitbesuches hat sich bei mir einiges verändert. Ich habe das Gefühl, dass die Beziehung zu meinem Kind erheblich intensiver geworden ist. Ihm hilft es vielleicht ein wenig darüber hinweg, dass der Papa nicht zuhause ist; mir hilft es zu der Einsicht, dass es niemals wieder zu einer Straftat kommen darf, wenn ich nicht der Psyche meines Kindes einen erheblichen Schaden schon in diesem Alter zufügen will. Zwischen mir und meiner Familie herrscht wesentlich mehr Offenheit. Die Bereitschaft zur Lösung von 1119 1120

Vgl. Maruna (2015), S. 9. Meyer (1991), S. 220.

190

2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

Problemen, die ich verursacht habe, hat sich erheblich verstärkt. Wir fühlen wieder mitein­ ander. Gegenseitiges Anklagen und Aggressionen sind weitgehend fortgefallen. Mitursache dafür ist im erheblichen Maße der Austausch von Zärtlichkeiten, das damit wiedergekom­ menen Verständnis füreinander. In einer intakten Ehe haben Zärtlichkeit und Sexualität einen hohen Stellenwert. Das Unterbinden dieser normalen menschlichen Bedürfnisse führt unter der ständigen Belastung auf Dauer insbesondere für den Partner draußen zu der Überlegung, ob die Ehe, die nur noch auf dem Papier besteht, noch einen Sinn hat. Liebe ist ein Gut, das täglich neu gefördert werden muss, sie ist nicht grundsätzlich da.“1121

Ein anderer Gefangener aus der JVA Tegel beschreibt den Wert der Langzeit­ besuchssituation in dieser Anstalt als „recht mager“ und berichtete, dass dort nur ungefähr jeder zwanzigste Gefangene überhaupt die Möglichkeit hätte, alle sechs Wochen von seiner Partnerin oder seinen Kindern Langzeitbesuche zu erhalten. Nach seiner Ansicht hat im Zusammenhang mit Langzeitbesuchen „(…) das Gefängnis weder Bock noch Personal um den Menschen, die sich hier befinden oder denen, die zu ihnen gehören eine gesunde Plattform zu bieten“. „Eine Basis um die Jahre der Trennung zu überstehen, will keiner schaffen. Eine gelungene Reintegration geht hier allen am Arsch vorbei. Der soziale Dienst hält den Großteil der Inhaftierten von vornehinein nicht einmal für fähig hierzu und will seine Drehtürkunden im Grunde genommen auch gar nicht wirklich dazu befähigen.“1122

Zudem berichtet er, dass die Messlatte für die Bewertung einer Beziehung als förderungswürdig im Zusammenhang mit der Langzeitbesuchsgenehmigung sehr hoch liege. In einer Dienstanweisung Tegels heiße es, dass die Beziehung idealer­ weise bereits vor der Gefangenschaft in einem ehe- oder eheähnlichen Verhält­ nis bestanden haben soll. Dies führt nach Ansicht des Gefangenen dazu, dass auf Genehmigung der Langzeitbesuche von Beziehungen, die während der Gefan­ genschaft entstanden sind, „gewartet werden kann, bis man schwarz wird“. Noch schwerer sei es, die besonderen Besuche von Verwandten oder Freund*innen zu erhalten.1123 In Bezug auf Erfahrungen, die Vollzugsmitarbeiter*innen mit Langzeitbesuchen gemacht haben, erfuhren Anwärter*innen der JVA Schwalmstadt aus Gesprächen mit männlichen erwachsenen Gefangenen, dass die besonderen Besuche von Ge­ fangenen und Angehörigen sehr gerne wahrgenommen würden und zu einer „in­ neren Ruhe“ der Gefangenen beitrügen. Vor den Besuchen dominierten bei den Gefangenen Gefühle wie „Anspannung und Freude“. Bei Ehegattenbesuchen setz­ ten sich die Gefangenen oftmals unter Druck, „das Beste geben“ zu wollen. Die Anspannung hielt bei vielen Gefangenen auch noch nach den Besuchen an. Ein Gefangener berichtete, dass die Situation für ihn anfangs äußerst schwierig war und beschrieb die Atmosphäre als „verklemmt“. Mit der Zeit aber verschwand dieses Gefühl, und Langzeitbesuche wurden für ihn zu einer positiven Angelegenheit, 1121

Meyer (1991), S. 221. Steiner (2015), S. 5. 1123 Vgl. Steiner (2015), S. 4. 1122

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

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nicht zuletzt dadurch, dass während eines Besuches eines seiner Kinder gezeugt wurde.1124 Die Bediensteten waren der Überzeugung, dass Langzeitbesuche für die Aufrechterhaltung von Ehe und Familie und somit auch für die Wiedereingliede­ rung der Gefangenen von großer Bedeutung seien. Nach ihren Erfahrungen führ­ ten sie nicht zu zusätzlichen Problemen. In vereinzelten Fällen allerdings wurde versucht, im Zusammenhang unbeaufsichtigter Besuche verbotene Gegenstände in die Anstalt zu schmuggeln.1125 Auch in der JVA Bruchsal wurde von überwiegend positiven Erfahrungen be­ richtet. Die Gefangenen hätten durch deren Einführung das Gefühl bekommen, dass das Gefängnis ihre sozialen Kontakte und die damit verbundenen Probleme ernst nehme. Insbesondere von Besuchersinnen kamen positive Rückmeldun­ gen.1126 Sicherheitsbedenken seien weitgehend unberechtigt, da Gefangene und ihre Angehörigen überwiegend verantwortungsbewusst mit diesen Besuchen um­ gingen.1127 Als gesichert wurde angesehen, dass die Missbrauchsgefahr durch ein intensives Kennenlernen und Einbinden der Angehörigen in das Vollzugsgesche­ hen minimiert werden könnte.1128 Sexualneid bei nichtberücksichtigten Gefangenen konnte nicht beobachtet werden. Zudem gab es keine Unruhen, sondern vielmehr führten die Langzeitbesuche zu atmosphärischen Verbesserungen, die sich auf alle Gefangenen auszuwirken schienen.1129 In der JVA Werl wurde von keinerlei negativen Erfahrungen, die Sicherheit und Ordnung betrafen, im Zusammenhang mit Langzeitbesuchen berichtet. Die besonderen Besuche wurden von den Gefangenen und ihren Angehörigen in der Regel sehr positiv aufgenommen. Nur wenige Gefangene nutzen sie nicht und begründeten ihre Ablehnung damit, dass die Besuchszeit zu lang sei. Vom An­ staltspersonal wurde vermutet, dass hinter der Ablehnung von Langzeitbesuchen durch Gefangene und Angehörige eventuell die Einschätzung stehe, Konflikten und Krisensituationen, die sich durch die verlängerte Besuchszeit ergeben könn­ ten, sei besser aus dem Weg zu gehen.1130 Gefangene und Angehörige berichteten, dass sie die Gespräche während der verlängerten Besuche als intensiver erlebten. Das Anstaltspersonal hatte den Eindruck, dass sie sich positiv auf das Anstalts­ klima auswirkten und zur Aufrechterhaltung und Förderung sozialer Außenbe­ ziehungen beitrugen.1131 Auch in der JVA Schwalmstadt wurden gute Erfahrungen mit Langzeitbesuchen gemacht. Allerdings wurden die Besuche hier alle 30 Minuten überwacht und se­ 1124

Vgl. Anwärterinnen und Anwärter der JVA Schwalmstadt, 2008, S. 259. Vgl. Anwärterinnen und Anwärter der JVA Schwalmstadt, 2008, S. 260. 1126 Vgl. Preusker (1989), S. 149. 1127 Vgl. Preusker (2008), S. 255. 1128 Vgl. Preusker (1989), S. 150. 1129 Vgl. Preusker (2008), S. 255. 1130 Vgl. Peters (1994), S. 70 f. 1131 Vgl. Peters (1994), S. 71. 1125

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2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

xuelle Kontakte waren nicht gestattet.1132 Holexa berichtet aus der JVA Celle, dass im Jahr 2007 147 Langzeitbesuche stattfanden, was einer Auslastungsquote von etwa 72 % entsprach.1133 Eine pauschale Einstufung in „gut oder schlecht“ hielt sie für nicht möglich.1134 Abschließend ist darauf zu verweisen, dass Mauruschat und Scharf aus der JVA Lübeck von 15 Jahren guter Erfahrungen mit Langzeitbesuchen berichten. Zwar begegnete das Anstaltspersonal ihrer Einführung im Jahr 1998 zunächst mit Skep­ sis, dann wurden sie jedoch recht schnell angenommen. Gefangene und Angehörige nahmen gerne die Möglichkeit der unbeaufsichtigten Besuche wahr. Die Besuchs­ räume wurden für nachfolgende Gefangene in einem guten Zustand hinterlassen, und es kam, bis auf einen Besuch, der vorzeitig beendet werden musste, nicht zu nennenswerten Vorfällen.1135 Bei Familienbesuchen mit Kindern zeigte sich al­ lerdings, dass den Eltern nach relativ kurzer Zeit „die Puste ausging“. Ursächlich dafür sei die Tatsache, dass Gefangene durch den Freiheitsentzug ver­lernen, ge­ meinsame Zeit sinnvoll zu gestalten.1136 (b) Deskriptive Studien (aa) Internationale Situation Weltweit betrachtet haben Langzeitbesuche eine große Tradition. So konnten Gefangene in den Vereinigten Staaten zum Beispiel bereits ab 1918 in Mississippi Langzeitbesuche empfangen.1137 In anderen Ländern wurden sie seit Anfang der 1960er Jahre durchgeführt. Zu diesen Ländern gehören lateinamerikanische Länder wie Argentinien, Bolivien, Chile, Costa Rica, Guatemala, Ecuador, Honduras, Ko­ lumbien, Mexiko, Peru, Puerto Rico, El Salvador und Venezuela, sowie asiatische Länder wie Burma, Indien, Pakistan und die Philippinen. Zudem gab es Langzeit­ besuche in der ehemaligen Sowjetunion. In Europa wurden sie zu dieser Zeit in Schweden und Polen durchgeführt.1138 Einer nicht publizierten Studie von Goetting aus den 1980er Jahren ist zu ent­ nehmen, dass die Durchführung von Langzeitbesuchen weltweit zunahm. Neben Australien und einigen arabischen Ländern wie Ägypten, Tunesien und SaudiArabien, wurden in zehn von dreiundzwanzig untersuchten europäischen Ländern Langzeitbesuche durchgeführt. Während Schweden, Dänemark und Norwegen al­ 1132

Vgl. Neu (1994), S. 51. Vgl. Holexa (2008), S. 257. 1134 Vgl. Holexa (2008), S. 258. 1135 Vgl. Mauruschat / Scharf (2014), S. 153. 1136 Vgl. Mauruschat / Scharf (2014), S. 154. 1137 Vgl. Hopper (1989), S. 103. 1138 Vgl. Goetting (1982), S. 1; Hopper (1969), S. 6; Verborgen (1963), S. 206 ff.; Cavan  / ​ ­Zemans (1958), S. 136 ff. 1133

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

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len Gefangenen Langzeitbesuche gestatteten, waren sie in Ländern wie Holland, der Schweiz, Westdeutschland und Jugoslawien nur für bestimmte Gruppen von Gefangenen vorgesehen, insbesondere für solche Gefangenen, die kurz vor der Entlassung standen.1139 Für den russischen Strafvollzug stellt Rieckhof fest, dass dort Langzeitbesuche von drei bis fünf Tagen genehmigt werden. Die wohnungsähnlichen Besuchsräume befinden sich außerhalb des Gefängnisses.1140 Dünkel und sein Team untersuchten von 2003–2006 die Lebens- und Haftbe­ dingungen für Gefangene in den Ostseeanrainerstaaten, indem sie jeweils mindes­ tens zwei Justizvollzugsanstalten des geschlossenen Erwachsenenstrafvollzugs aus den entsprechenden Ländern miteinander verglichen. In Bezug auf Langzeitbesuch stellten sie fest, dass in Deutschland (0 % in MV; 1,2 % in SH), Finnland (0 %), und Polen (3,4 %) nur ein sehr geringer Anteil von Gefangenen Langzeitbesuche (mit Übernachtung) erhielt. Dagegen erhielten in Lettland 85,2 %, in Estland 61,8 %, in Litauen 57,7 % und Schweden 45,3 % der untersuchten Gefangenen Langzeitbe­ such. Aus den Ergebnissen schlussfolgerte Dünkel, dass in den baltischen Ländern die restriktive Lockerungspraxis durch die unbeaufsichtigten Besuche „kompen­ siert“ wird.1141 Durch eine Analyse der internationalen Literatur zum Thema Langzeitbesuch arbeitete Loucks heraus, dass in allen europäischen Ländern, abgesehen von Groß­ britannien und der Türkei, grundsätzlich die Möglichkeit von Langzeitbesuchen bestand. Auch in Kanada, den Vereinigten Staaten und vielen lateinamerikanischen Ländern wurden Langzeitbesuche durchgeführt.1142 2014 untersuchten Drenkhahn et al. in ihrer Studie die Situation von Langzeit­ gefangenen in Bezug auf ihre Menschenrechte in Ländern der Europäischen Union und erfassten dabei auch Daten über die Langzeitbesuchssituation. Sie stellten fest, dass etwa die Hälfte aller Gefangenen des Untersuchungssamples die Möglichkeit hatte, längeren unbeaufsichtigten Besuch in eigens dafür eingerichteten Räumen zu empfangen. In einigen wenigen Fällen konnte Besucher*innen über Nacht blei­ ben. Die Möglichkeit für Gefangene, Langzeitbesuch zu erhalten, variierte von 4 % bei englischen Gefangenen bis zu 93 % bei schwedischen Gefangenen. 17 % aller Gefangenen hatten die Möglichkeit, Besuch über Nacht zu empfangen, wobei in Litauen 65 % der Gefangenen und in Schweden 30 % der Gefangenen diese Mög­ lichkeit bekamen.1143 In einigen Ländern bzw. Gefängnissen, die Langzeitbesuche gestatteten, konnte die Dauer der Besuche von Partner*innen und Ehegatten we­ sentlich länger sein als die der meisten anderen Besuchsgruppen.1144 1139

Vgl. Goetting (1982), zit. nach Loucks (2006), S. 8 f. Vgl. Rieckhof (2008), S. 138. 1141 Vgl. Dünkel (2007), S. 117. 1142 Vgl. Loucks (2006), S. 9 ff. 1143 Vgl. Drenkhahn (2014), S. 371. 1144 Vgl. Drenkhahn (2014), S. 370. 1140

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2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

(bb) Situation in Deutschland Was die Situation von Langzeitbesuch in den 1990er Jahren betrifft, so sind Stel­ lungnahmen der Bundesregierung zu den Empfehlungen des CPT zu entnehmen, dass 1992 in Deutschland Langzeitbesuche in sieben Bundesländern durchgeführt wurden. Drei Bundesländer lehnten die Durchführung aufgrund von Bedenken hinsichtlich Sicherheit und Ordnung der Anstalt ab.1145 Zudem folgt aus einer Empfehlung des CPT, dass Langzeitbesuche in der JVA Tegel 1996 modellartig erprobt wurden.1146 Die einzige Studie, die bundesweit die Situation von Langzeitbesuch im Erwach­ senenstrafvollzug untersucht hat, hat Thiele (2016) durchgeführt. Daneben gibt es einige Untersuchungen, die sich der Implementierung der unbeaufsichtigten Be­ suche in einzelnen Bundesländern widmen. Dabei kommen die Studien teilweise für das gleiche Bundesland zu unterschiedlichen Ergebnissen, was im Wesent­ lichen auf die unterschiedlichen Erhebungszeiträume zurückgeführt werden kann. Für das Bundesland Bayern stellte Hirsch fest, dass einzig in der JVA Erlangen Langzeitbesuche für Ehegatten und Kinder bis zu drei Stunden angeboten werden. In den Justizvollzugsanstalten Bayreuth und Hof wurden sie im Rahmen von Eheund Partnerseminaren angeboten. Ausgenommen von dieser Untersuchung waren Einrichtungen des offenen Vollzugs sowie des Vollzugs der Jugendstrafe.1147 Da­ gegen kam Thiele in seiner Untersuchung 2016 zu dem Ergebnis, dass in Bayern keine der befragten Anstalten Langzeitbesuche durchführte.1148 Weiter ist bekannt, dass in Nordrhein-Westfalen in den zehn Anstalten, die Langzeitbesuche durch­ führen, im Jahr 2006 insgesamt 9000 Besuche ermöglicht wurden.1149 Feltes und Schnepper konnten in ihrer Untersuchung 2014 zeigen, dass in Nordrhein-Westfa­ len von 24 befragten Erwachsenenjustizvollzugsanstalten knapp die Hälfte Lang­ zeitbesuche durchführen.1150 Thiele stellte fest, dass von 17 befragten Anstalten in Nordrhein-Westfalen zehn Anstalten Langzeitbesuche anbieten.1151 Fährmann kam zu dem Ergebnis, dass in Nordrhein-Westfalen in allen fünf von ihm untersuchten Anstalten Langzeitbesuche ermöglicht wurden.1152 Für den baden-württembergi­ schen Strafvollzug kam Laule 2009 zu dem Ergebnis, dass von 17 untersuchten Anstalten des Erwachsenenstrafvollzugs nur drei Langzeitbesuche durchführen, wobei in einer Anstalt die Besuche durch ein Fenster beobachtet werden konn­ ten und Intimkontakte nicht gestattet waren. In einer weiteren Anstalt findet der Langzeitbesuch nicht in der Einrichtung selbst, sondern in einer Außenstelle statt. 1145

Vgl. CPT / Inf (97) 9 Part 2; CPT / Inf (93)14. Vgl. CPT / Inf (97) 9 Part 1. 1147 Vgl. Hirsch (2003), S. 213. 1148 Vgl. Thiele (2016), S. 256. 1149 Vgl. Eder (2008), S. 158. 1150 Vgl. Feltes / Schnepper (2014), S. 552 ff. 1151 Vgl. Thiele (2016), S. 256. 1152 Vgl. Fährmann (2019), S. 111 ff. 1146

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

195

Ehefrauen, Kinder und Geschwister sind in allen drei Anstalten zugelassen. Ob daneben auch Eltern, hetero- und homosexuelle Lebenspartner*innen, Verlobte und sonstige Angehörige zugelassen sind, wird, so Laule, in Anstalten unterschied­ lich gehandhabt.1153 Thiele stellte 2016 fest, dass von 15 befragten Anstalten in Baden-Württemberg vier Anstalten Langzeitbesuche durchführen.1154 Für Berlin ergab sich, dass alle vier von Thiele untersuchten Gefängnisse Langzeitbesuche durchführen.1155 Explizit für die JVA Tegel kam Barth 2015 zu dem Ergebnis, dass von 52 befragten Gefangenen 48 Männer noch nie eine Langzeitsprechstunde ge­ währt worden war.1156 Für Niedersachsen stellte Fährmann fest, dass drei von fünf untersuchten Anstalten Langzeitbesuche ermöglichten.1157 Was die Implementierung von Langzeitbesuchen im bundesdeutschen Vergleich betrifft, untersuchte Thiele, wie bereits erwähnt, flächendeckend die Situation in der Praxis des Erwachsenenstrafvollzugs mit dem Ergebnis, dass von 155 befrag­ ten Anstalten 44 den Gefangenen die Möglichkeit von unbeaufsichtigten Lang­ zeitbesuchen ermöglichen. In allen Bundesländern bis auf Bayern, Saarland und Thüringen wurden Langzeitbesuche angeboten.1158 Im Saarland und in Thüringen wurde das Fehlen der Besuche mit organisatorischen Verzögerungen erklärt, die Bedeutung solcher Besuche jedoch anerkannt.1159 Anstalten, die keine Langzeitbe­ suche durchführen, gaben folgende Gründe an: „Fehlende Räumlichkeiten“ (73 %), „kurze Verweildauer“ (24 %), „Sicherheitsbedenken“ (22 %), „geringe Nachfrage“ (13 %), „konkret in Planung“ und „Verlegung in andere JVA zu Langzeitbesuchen“ (6 %).1160 In der Regel verfügen die Langzeitbesuchsräume über eine Schlafgelegen­ heit, einen möblierten Wohnbereich, einen Küchenbereich, eine Dusche und ein WC. Die Möglichkeit von Übernachtungen bestehe in keiner der befragten Anstal­ ten.1161 Die Dauer der Langzeitbesuche erstreckt sich von zwei auf bis zu sieben­ einhalb Stunden.1162 Alle Anstalten, die Langzeitbesuche anbieten, geben an, dass sowohl Ehepartner*innen als auch Kinder prinzipiell Besucher*innen im Rahmen von Langzeitbesuchen sein können.1163 55 % der befragten Anstalten beschränken den Personenkreis nicht und stellen alleine auf die Eignung der besuchenden Per­ son ab. 32 % beschränken die Besuche auf Angehörige und feste Partner*innen. 9 % der Anstalten beschränken die Langzeitbesuche auf Ehepartner*innen oder Partner*innen in eheähnlichen Beziehungen.1164 1153

Vgl. Laule (2009), S. 219 ff. Vgl. Thiele (2016), S. 256. 1155 Vgl. Thiele (2016), S. 256. 1156 Vgl. Barth (2015), S. 77. 1157 Vgl. Fährmann (2019), S. 100 ff. 1158 Vgl. Thiele (2016), S. 256. 1159 Vgl. Thiele (2016), S. 258. 1160 Vgl. Thiele (2016), S. 259. 1161 Vgl. Thiele (2016), S. 260. 1162 Vgl. Thiele (2016), S. 260 ff. 1163 Vgl. Thiele (2016), S. 263. 1164 Vgl. Thiele (2016), S. 264. 1154

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2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

Darüber hinaus hat Feige im Jahr 2017 durch eine nicht repräsentative OnlineUmfrage, an der 83 Gefängnisse teilgenommen haben, die Langzeitbesuchssitu­ ation speziell für Kinder von gefangenen Eltern untersucht. Sie stellte fest, dass etwa ein Drittel der Gefängnisse keine Langzeitbesuche für Kinder zuließen.1165 Insgesamt kam sie zu dem Ergebnis, dass das Langzeitbesuchsangebot ausgewei­ tet werden müsste und Kinder an der Ausgestaltung der Langzeitbesuche beteiligt werden sollten.1166 Explizit für den Jugendstrafvollzug ist aus der Studie von Eder bekannt, dass die JVA Herford im Jahr 2000 Langzeitbesuchsräume im geschlossenen Vollzug ein­ führte. Der Schwerpunkt lag auf der Aufrechterhaltung der familiären Bindungen. Im Jahr 2007 seien 53 Langzeitbesuche durchgeführt worden. Die Vollzugsmit­ arbeiter*innen sehen in Langzeitbesuchen einen behandlerischen Ansatz, weshalb die Langzeitbesuche vor- und nachbereitet werden. Aufgrund positiver Erfahrun­ gen sei die Möglichkeit von Langzeitbesuchen in das neue Jugendstrafvollzugs­ gesetz Nordrhein-Westfalens aufgenommen worden. Zudem seien beim geplanten Ausbau anderer Jugendstrafvollzugsanstalten in Nordrhein-Westfalen Langzeit­ besuchsräume fest eingeplant.1167 In einer vergleichenden Studie zur Normierung des Jugendstrafvollzugs berichtet auch Tierel, dass jungen Gefangenen in der JVA Herford einmal im Monat ein dreistündiger Langzeitbesuch gestattet werde. Der Kreis an Außenkontakten, der für die Besuche zugelassen wird, beschränke sich auf Ehefrauen, volljährige Partner, Kinder in Begleitung von erwachsenen Perso­ nen, Eltern und Großeltern.1168 Insgesamt zeigt der Forschungsstand, dass die Durchführung von Langzeitbe­ suchen im deutschen Strafvollzug sukzessive deutlich zugenommen hat. Während gegenwärtig bis auf Bayern und das Saarland, wie Thiele (2016) zeigt, bundes­ weit Langzeitbesuche ermöglicht werden, folgte aus der Untersuchung von Ernst (1972) für die 1970er Jahre, dass in nur sehr wenigen Justizvollzugsanstalten und seltenen Ausnahmefällen überhaupt die Möglichkeit von unbeaufsichtigten Be­ suchen bestand sowie alle Anstalten die Gestattung von Sexualität in der Anstalt ablehnten.1169 Auch noch in den 1990er Jahren, wie die Stellungnahme der Bun­ desregierung zu den Empfehlungen des CPT (1996) ausweist, ermöglichten nur sieben Bundesländer Langzeitbesuche. Die Untersuchungen von Fährmann (2019) und Barth (2015) zeigen allerdings, dass in einzelnen Justizvollzugsanstalten immer noch sehr wenige Gefangene Langzeitbesuche erhalten können und sowohl Gefangene als auch nahestehende Personen für die Genehmigung der Besuche zahlreiche Voraussetzungen erfüllen müssen. Auch im internationalen Vergleich hat der deutsche Strafvollzug nach 1165

Vgl. Feige (2019), S. 26. Vgl. Feige (2019), S. 36. 1167 Vgl. Eder (2008), S. 158. 1168 Vgl. Tierel (2008), S. 174. 1169 Vgl. Ernst (1972), S. 145 ff. 1166

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

197

Dünkel in Bezug auf die Ausweitung von Langzeitbesuchen Nachholbedarf.1170 Dies zeigt sich vor allem am Vergleich der Untersuchungen von Fährmann (2019), Drenkhahn (2014) und Dünkel (2007). So lag in der Untersuchung von Dünkel der Anteil von Gefangenen mit Langzeitbesuch aus Estland, Lettland, Litauen sowie Schweden zwischen 45–85 %. In der Untersuchung von Drenkhahn hatte etwa die Hälfte von Gefangenen aus 36 europäischen Gefängnissen die Möglichkeit zu Langzeitbesuchen. Dagegen stellte Dünkel für das deutsche Untersuchungssample fest, dass nur etwa 1 % der Gefangenen Langzeitbesuch erhielt. Fährmann konnte in diesem Zusammenhang zeigen, dass nur etwa 10 % von Gefangenen aus vier deutschen Justizvollzugsanstalten die besonderen Besuche erhielten. In Bezug auf die Vergleichbarkeit muss aber bedacht werden, dass sich die Ergebnisse von Fähr­ mann eben nur auf vier deutsche Gefängnisse beziehen, in der Untersuchung von Drenkhahn ausschließlich Gefangene mit langen Freiheitsstrafen befragt wurden, und Dünkel ausschließlich Gefängnisse der Ostseeanrainerstaaten untersuchte.1171 (c) Einfluss von Langzeitbesuch Studien haben Einflüsse von Langzeitbesuch auf Gefangene, deren Angehörige und Vollzugsmitarbeiter*innen untersucht. Zudem erfassen einige Studien die Einstellungen von beteiligten Akteur*innen gegenüber den besonderen Besuchen. (aa) Gefangene In Bezug auf Einstellungen gegenüber Langzeitbesuchen im deutschen Straf­ vollzug sind Untersuchungen von Ernst, Stöckle-Niklas und Barth zu nennen. Ernst stellte in seiner bundesweiten Untersuchung hinsichtlich des Verkehrs von Gefan­ genen mit der Außenwelt fest, dass die überwiegende Mehrheit der Gefangenen der Möglichkeit der Realisierung von Sexualität in der Anstalt durch Langzeitbesuch ablehnend gegenüberstand.1172 Allerdings ist an der Methodik von Ernst zu kriti­ sieren, dass er die Gefangenen nicht direkt befragte, sondern die Justizministerien befragte, die dann die Einstellungen der Gefangenen wiedergaben. Stöckle-Niklas führte u. a. teilstandardisierte Interviews mit 14 Gefangenen in der JVA Rottenburg durch, die zwischen 22 und 59 Jahre alt waren. Ziel der Interviews war es, einen Einblick in das Problem der Geschlechtertrennung im Strafvollzug zu gewinnen. Dabei wurde auch die Möglichkeit von Langzeitbesuchen thematisiert. Einige Ge­ fangene offenbarten in den Gesprächen diesbezüglich eine ablehnende Haltung. Angesprochen darauf, was sie von der Einführung von Langzeitbesuchen hielten, äußerten sie Folgendes: „Ich würde meine Frau niemals herkommen lassen. Ein 1170

Vgl. Dünkel (2002), S. 43. Vgl. Fährmann (2019), S. 113 ff.; Drenkhahn (2014), S. 371; Dünkel (2007), S. 119. 1172 Vgl. Ernst (1972), S. 150. 1171

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2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

Flittchen, das draußen für mich anschaffen geht, kann ich in so einer Besucher­ zelle abnageln, nicht jedoch die Frau, die ich liebe.“ – „Einer Partnerin, die ich liebe, möchte ich das nicht zumuten.“1173 Stöckle-Niklas interpretierte diese Aus­ sagen dahingehend, dass die Gefangenen bereits das öffentlich gemalte Bild einer unwürdigen „Sexzelle“ übernommen hätten. Sie setzten den Besuch automatisch mit einem Sexualkontakt gleich, ohne darüber nachzudenken, dass sie ihn auch zu einem intensiven Gespräch nutzen könnten. Weiter äußerte ein Gefangener fol­ gende Befürchtung: „Die Frau kommt in den Raum und danach kommen von den Beamten so Sprüche wie – guck mal, dem X seine Frau hat aber glückliche und glasige Augen gekriegt –. Diese entwürdigende Situation würde ich meiner Frau ersparen. Ich könnte mit den Sprüchen der Beamten umgehen, aber nicht die Frau; sie läuft Spießruten, bis sie wieder draußen ist.“1174 In der Untersuchung von Barth in der JVA Tegel gaben Gefangene an, dass sie Langzeitbesuche erhalten, diese Möglichkeit jedoch zu selten gewährt werde.1175 Aus qualitativen Interviews, die Moran mit Gefangenen in Russland führte, geht hervor, dass Langzeitbesuche ihnen die Möglichkeit geben, sich ein wenig „wie zuhause“ fühlen zu können, indem sie mit ihren Angehörigen innerhalb des Gefängnisses häusliche Aktivitäten wie Kochen, Fernsehen und ungestörtes Bei­ sammensein ausleben können.1176 Obwohl die Gefangenen während der Besuche zeitweise in einer „draußen-ähnlichen“ Welt verweilen können, kehren sie nach ihren „Ausflügen“ wieder in ihren Gefängnisalltag zurück. Demnach bieten Lang­ zeitbesuche keine Möglichkeit einer dauerhaften Statustransformation, was bei Gefangenen und Angehörigen, so Moran, Verzweiflung hervorrufe. Manche Ge­ fangene lehnen Langzeitbesuche ab, da der schnelle Wechsel zwischen Gefäng­ nisroutine und simulierter Häuslichkeit als zu schmerzhaft empfunden werde.1177 Weitere Untersuchungen stammen aus dem nordamerikanischen Raum. Einige Studien untersuchten die Auswirkungen von Langzeitbesuchen auf die Zeit nach der Entlassung. Burstein konnte durch eine standardisierte Befragung von 20 männlichen Gefangenen, die Langzeitbesuche von ihren Ehefrauen bekommen, und 20 Gefangenen, die nur reguläre Besuche empfangen hatten, eine starke Korre­ lation zwischen Langzeitbesuchen und einer erfolgreichen Bewährung feststellen. Diese Korrelation galt allerdings nicht für Entlassene, die zuvor weniger als fünf Jahre mit ihren Ehefrauen verheiratet waren und von einer Substanzabhängigkeit betroffen waren.1178 Howser et al. sowie MacDonald und Kelly kamen zu der Er­ kenntnis, dass Gefangene in New York, die familiären Langzeitbesuch erhielten,

1173

Vgl. Stöckle-Niklas (1989), S. 231. Vgl. Stöckle-Niklas (1989), S. 233. 1175 Vgl. Barth (2015), S. 77. 1176 Vgl. Moran (2013), S. 347. 1177 Vgl. Moran (2013), S. 347 f. 1178 Vgl. Burstein (1977), S. 90. 1174

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

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ein signifikant geringeres Risiko einer erneuten Gefangenschaft aufwiesen.1179 Holt und Miller fanden 1972 in ihrer Studie über Entlassene aus einem kalifornischen Gefängnis heraus, dass diejenigen, die während der Gefangenschaft unbeaufsich­ tigte Familienbesuche erhielten, deutlich weniger Probleme in ihrer Bewährungs­ zeit hatten als diejenigen Entlassenen, die solche Besuche nicht erhielten.1180 Derk­ zen et al. verwiesen in einer aktuelleren Studie aus dem Jahr 2009 darauf, dass Gefangene, die unbeaufsichtigte Familienbesuche erhalten, ein geringeres Risiko aufweisen, nach der Entlassung rückfällig zu werden.1181 In einer Metaanalyse aus dem Jahr 2016 kamen Mitchell et al. zu dem Ergebnis, dass Langzeitbesuche die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalles um 36 % reduzieren und somit von allen Be­ suchsformen den stärksten Effekt auf das Rückfallrisiko haben. Dieses Ergebnis könne darauf hinweisen, dass Intimität und Nähe, wie sie mit einem solchen Besuch einhergehen, mit einer Verringerung des Rückfallrisikos zusammenhängen.1182 Zudem liegen Studien vor, die den Einfluss von Langzeitbesuchen auf das insti­ tutionelle Verhalten der Gefangenen untersuchten. Hensley et al. (2000) fanden in ihrer Untersuchung in Gefängnissen in Mississippi heraus, dass 90 % der befragten Gefangenen, die Langzeitbesuche erhielten und 80 % der befragten Gefangenen, die keine Langzeitbesuche erhielten, den Eindruck hatten, dass Langzeitbesuche Gewalt und Spannungen innerhalb der Gefängnismauern verringerten. Zudem fanden sie heraus, dass Gefangene, die Langzeitbesuche erhielten, in geringerem Maß zu gewalttätigem Verhalten neigten als diejenigen Gefangenen, bei denen das nicht der Fall war. Diesen Befund erklärten die Forschenden dadurch, dass verhei­ ratete Gefangene bei gewalttätigem Verhalten ihr Privileg von Langzeitbesuchen verlieren würden. Da sie dieses Risiko nicht eingehen wollten, wirkten Langzeit­ besuche als Kontrollmechanismus zur Unterdrückung gewalttätiger Handlungen im Gefängnis.1183 Eine positive Wirkung von Langzeitbesuchen im Hinblick auf eine Verhaltensveränderung derjenigen Gefangenen, denen aufgrund mangelnder Disziplin Langzeitbesuche anfänglich nicht gewährt wurden, konnten Howser et al. in ihrer Untersuchung feststellen. Da sie unbedingt an dem Besuchsprogramm teilnehmen wollten, motivierte sie die anfängliche Ablehnung, ihr institutionelles Verhalten im Gefängnis zu verbessern.1184 Hensley et al. (2002) führten eine ähn­ liche Untersuchung (126 männlich, 130 weiblich) in Mississippi durch. Hier hat­ ten Langzeitbesuche weder Auswirkungen auf die Ausübung von gewalttätigem noch gewaltandrohendem Verhalten der Gefangenen gegenüber Mitgefangenen.1185

1179

Vgl. Howser et al. (1983), S. 32; MacDonald / Kelly (1980), zit. nach Carlson / Cervera (1991), S. 320. 1180 Vgl. Holt / Miller (1972), S. 107. 1181 Vgl. Derkzen et al. (2009), S. 19. 1182 Vgl. Mitchell et al. (2016), S. 79. 1183 Vgl. Hensley  et al. (2000), zit. nach Hensley  et al. (2002), S. 52 f.; Carlson / Cervera (1991), S. 320. 1184 Vgl. Howser et al. (1983), S. 35. 1185 Vgl. Hensley et al. (2002), S. 61.

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2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

Hopper untersuchte die Auswirkungen von Langzeitbesuchen auf die Prisoni­ sierung1186 von Gefangenen. Hierfür befragte er 465 männliche Gefangene mit und 1136 ohne Langzeitbesuch mit einem standardisierten Fragebogen zu ihren Ein­ stellungen gegenüber einem subkulturellen Gefangenenkodex. Langzeitbesuche hatten, so das Ergebnis, einen positiven Einfluss auf die Einstellung der Gefan­ genen zu harter Arbeit, auf ihre Kooperationsbereitschaft mit den Bediensteten, auf ihr Vertrauen gegenüber den Bediensteten und ihre Einschätzung der Fairness der Bediensteten durch die Gefangenen. Sie schienen keine Auswirkungen auf die Loyalität zwischen den Gefangenen, das Vertrauen gegenüber den Mitgefangenen und die Anzahl der Freund*innen unter den Gefangenen zu haben. Nach Hopper hatten Langzeitbesuche demnach Auswirkungen auf Prisonisierungstendenzen der Gefangenen im Zusammenhang mit den Bediensteten, nicht aber im Kontext der Interaktion mit anderen Gefangenen.1187 Überdies sahen in einer Studie von Pierce gefangene Väter Langzeitbesuche im Vergleich zu regulären Besuchen als bessere Alternative und bedeutsamere Be­ suche an, da sie während der unbeaufsichtigten Besuche ihre Vaterrolle auch tat­ sächlich einnehmen konnten.1188 Einen besonderen Platz unter den vielfältigen Auswirkungen von Langzeitbesu­ chen auf das Verhalten der Gefangenen nimmt die Frage nach Auswirkungen von Langzeitbesuchen auf nicht einverständliches sexuell-gewalttätiges Verhalten unter Gefangenen ein. Diese Untersuchungsfrage verortet sich in einer theoretischen Grundsatzdiskussion zwischen der feministischen und evolutionspsychologischen Perspektive auf das Phänomen der Vergewaltigung.1189 Aus der feministischen Per­ spektive ist die Ursache sexueller Übergriffe nicht das Verlangen nach sexueller Befriedigung. Vielmehr liege die Ursache in übergeordneten sozialen Strukturen, die dazu führen, dass Akteure mit Macht gesellschaftlich niedriger positionierte und dadurch verletzlichere Akteure zum Opfer machen.1190 Aus feministischer Perspektive können Langzeitbesuche, die Sexualität im Gefängnis ermöglichen, keinen Einfluss auf sexuelle Übergriffe im Gefängnis haben, da die Ursache dieser Übergriffe eben nicht mit fehlender Sexualität zusammenhängt. Nach der „sexual gratification theory“ dagegen liegt die Ursache sexueller Übergriffe nicht in der Motivation kontrollierender und dominierender Handlungen, sondern in der Er­ langung sexueller Befriedigung.1191 Fehlen also die Möglichkeiten einverständli­ cher Sexualität, können sexuell gewalttätige Handlungen als Alternativhandlungen verstanden werden. Im Kontext dieser Einschätzung können Langzeitbesuche ein probates Mittel zur Reduzierung sexuell gewalttätigen Verhaltens sein, da sie ein­ verständliche Sexualität ermöglichen. In diesem Zusammenhang führte Knowles 1186

Zum Begriff: Clemmer (1958). Vgl. Hopper (1969), S. 134 f. 1188 Vgl. Pierce (2015), S. 384. 1189 Vgl. D’Alessio et al. (2013), S. 14 ff. 1190 Vgl. Groth (1979), S. 5 ff. 1191 Vgl. Thornhill / Palmer (2000), S. 189 ff. 1187

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

201

eine Inhaltsanalyse der zu Vergewaltigungen in Männergefängnissen erschienen Literatur und Studien durch. Er kam zu dem Ergebnis, dass Langzeitbesuche keine befriedigende Lösung bezüglich der Vergewaltigungsproblematik in Männerge­ fängnissen zu sein scheinen, da die Literaturanalyse gezeigt habe, dass die Motiva­ tion von Vergewaltigungen in der Befriedigung von Machtbedürfnissen und nicht sexuellen Bedürfnissen liege.1192 Im Gegensatz dazu konnten Beck und Harrison in ihrer Untersuchung einen negativen Zusammenhang zwischen Langzeitbesuchen und sexueller Gewalt nachweisen.1193 Zu ähnlichen Ergebnissen kamen D’Alessio et al. Sie konstatierten, dass US-Bundesstaaten, in denen Langzeitbesuche durch­ geführt werden, ein geringeres Ausmaß an sexuellen Übergriffen aufwiesen als Staaten, in denen keine Langzeitbesuche durchgeführt wurden. Die Ergebnisse dieser Studie unterstützen somit Annahmen der „sexual gratification theory“1194 und legen zumindest im Kontext von Gefangenschaft nahe, dass sexuelle Gewalt in erster Linie sexuell motiviert zu sein scheint. Des Weiteren haben Studien Auswirkungen von Langzeitbesuchen auf familiäre Bindungen von Gefangenen untersucht. Howser et al. fanden in diesem Zusammen­ hang heraus, dass 62 der 73 Gefangenen, die an einem Langzeitbesuchsprogramm in New York teilgenommen hatten, nach der Entlassung mit Familienangehörigen zusammenlebten. Da die Gefangenen länger als zwei Jahre im Gefängnis waren, gingen die Forscher davon aus, dass Langzeitbesuche die Aufrechterhaltung fami­ liärer Bindungen unterstützen.1195 Burstein konnte in seiner Untersuchung bestäti­ gen, dass Langzeitbesuche eine stabilisierende Wirkung auf die Ehe der Entlasse­ nen hatten.1196 Zudem sahen 75 % der Gefangenen mit Langzeitbesuch die größten Vorteile dieser Besuchsform in der Stabilisierung und Verbesserung ehelicher und familiärer Beziehungen. Nur 30 % der Gefangenen ohne Langzeitbesuch benannten in Bursteins Untersuchung diese Vorteile.1197 Hopper stellte fest, dass die Hälfte der von ihm befragten Gefangenen mit Langzeitbesuch die Aufrechterhaltung der Ehe als hilfreichsten Aspekt ansah.1198 Diese Gefangenen hoben die emotionale Be­ friedigung gegenüber der physischen Befriedigung hervor, da sie in erster Linie die offenen und intimen Gespräche mit ihren Ehefrauen während der Langzeitbesuche schätzten.1199 Die Evaluation eines kanadischen Langzeitbesuchsprogramms ergab, dass etwa 60 % der befragten Teilnehmer davon ausgingen, dass die Besuche einen positiven Effekt auf ihr Familienleben hatten.1200 Carlson und Cervera dagegen konnten eine stabilisierende Wirkung auf familiäre Beziehungen in ihrer Studie nicht bestätigen. 63 Gefangene und 39 Ehefrauen wurden durch standardisierte 1192

Vgl. Knowles (1999), S. 279. Vgl. Beck / Harrison (2005), zit. nach Castle (2014), S. 85. 1194 Vgl. D’Alessio et al. (2013), S. 22. 1195 Vgl. Howser et al. (1983), S. 31 f. 1196 Vgl. Burstein (1977), S. 91 ff. 1197 Vgl. Burstein (1977), S. 79. 1198 Vgl. Hopper (1969), S. 102. 1199 Vgl. Hopper (1969), S. 103 f. 1200 Vgl. Miller (1989), S. 17. 1193

202

2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

Interviews zu Langzeitbesuchen befragt. In dieser Studie konnte kein Unterschied bezüglich des familiären Zusammenhalts und der familiären Anpassungsfähigkeit zwischen den Befragten, die an Langzeitbesuchen teilnahmen, und den Befragten, die daran nicht teilnahmen, festgestellt werden.1201 Wurden Teilnehmer allerdings nach ihren Gefühlen von Nähe vor und nach den Besuchen direkt befragt, hatten die meisten den Eindruck, dass ihre Gefühle von Nähe gegenüber ihrer Ehefrauen durch die Besuche verstärkt wurden.1202 Einen weiteren Gegenstand bildet die Bevorzugung bestimmter Gefangener bei der Gewährung von Langzeitbesuch. Diesbezüglich untersuchten Hensley et al. im Jahr 2000 Einstellungen männlicher und weiblicher Gefangener eines Gefängnis­ ses in Mississippi. Sie zeigten, dass die Einstellungen der Gefangenen gegenüber den meisten „key-issues“ von Langzeitbesuchen (Sollen verheiratete Gefangene Langzeitbesuche empfangen? Sollen Gefangene der Hochsicherheitseinrichtung Langzeitbesuche empfangen? Sollen Gefangene mit einer Ehepartnerin Langzeit­ besuche empfangen? Sollen die Gefangenen während der Langzeitbesuche verhü­ ten? Sollen die Langzeitbesuche überwacht werden? Verringern Langzeitbesuche Spannungen im Gefängnis? Verringern Langzeitbesuche sexuelle Aktivitäten in der Gefangenschaft?) nicht davon beeinflusst wurden, ob sie selbst Langzeitbesu­ che erhielten oder nicht.1203 Hensley et al. konnten folglich nicht bestätigen, dass eine vermeintliche Bevorzugung verheirateter Gefangener zu negativen Auswir­ kungen auf die Einstellungen vermeintlich benachteiligter Gefangener führt1204 und empfahlen, weiterhin Langzeitbesuche durchzuführen.1205 Auch Hopper stellte in seiner Untersuchung anhand standardisierter Fragebögen fest, dass etwa 90 % (n = 822) der befragten unverheirateten Gefangenen keine Missgunst gegenüber verheirateten Gefangenen mit Langzeitbesuch verspürten.1206 Nur 4 % von 462 be­ fragten Gefangenen, die Langzeitbesuche erhielten, berichteten von Erfahrun­ gen mit respektlosem Verhalten von Mitgefangenen gegenüber ihren Ehefrauen. 10 % der Gefangenen mit Langzeitbesuch empfanden die Besuche für sich als pein­ lich, und knapp 20 % glaubten, dass Langzeitbesuche für ihre Ehefrauen peinlich seien.1207 Darüber hinaus sind Langzeitbesuche mit dem Thema HIV verknüpft, da wäh­ rend der Besuche sexuelle Handlungen stattfinden können und sowohl die Gefan­ genen als auch deren Angehörige infiziert sein können. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass die HIV-Verbreitung im deutschen Strafvollzug auf etwa 1 % geschätzt wird und damit deutlich höher zu sein scheint als in der übrigen Be­

1201

Vgl. Carlson / Cervera (1991), S. 328. Vgl. Carlson / Cervera (1992), S. 146. 1203 Vgl. Hensley et al. (2000a), S. 145. 1204 Vgl. Hensley et al. (2000a), S. 139. 1205 Vgl. Hensley et al. (2000a), S. 145. 1206 Vgl. Hopper (1969), S. 98. 1207 Vgl. Hopper (1969), S. 101.

1202

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

203

völkerung.1208 Im deutschsprachigen Raum gibt es keine Forschungsarbeiten zum Thema HIV und Langzeitbesuch. Goldstein stellte für den US-amerikanischen Strafvollzug fest, dass von zehn Gefängnissen, in denen Langzeitbesuche durch­ geführt wurden, nur in einer dieser Anstalten Gefangenen mit HIV die Teilnahme an Langzeitbesuchen gestattet wurde.1209 (bb) Angehörige Soweit ersichtlich, finden sich nur sehr wenige Forschungsarbeiten, die Aus­ wirkungen von Langzeitbesuchen auf Angehörige und Einstellungen gegenüber Langzeitbesuchen von Angehörigen durch eine direkte Befragung dieser Perso­ nengruppe abbilden. Die bereits zitierte Evaluation eines kanadischen Langzeitbesuchsprogramms ergab, dass die überwiegende Mehrheit der befragten Angehörigen gute Erfah­ rungen mit Langzeitbesuchen gemacht hatte und diesen Besuchen einen hohen Stellenwert einräumte.1210 Carlson und Cervera untersuchten mittels der Durchfüh­ rung standardisierter Interviews mit 63 männlichen Gefangenen und 39 Ehefrauen der Gefangenen u. a. Auswirkungen von Langzeitbesuchen auf familiäre Bindung und partnerschaftliche Nähe. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass kein Unterschied bezüglich der Variablen „ehelicher Zusammenhalt“ und „ehelicher Anpassungs­ fähigkeit“ bei Ehegatten, die an Langzeitbesuchen teilnahmen, und solchen, die nicht an Langzeitbesuchen teilnahmen, festgestellt werden konnte.1211 Gefragt nach der Gestaltung der Langzeitbesuche gaben die Frauen an, dass sie sich mit ihrem Mann unterhielten, zusammen kochten, Fernsehen guckten, lasen, mit den Kin­ dern spielten und bzw. oder Sex hatten. Die meisten der befragten Ehefrauen hat­ ten den Eindruck, dass ihre Beziehung zum Ehemann enger wurde und sich auch die Vater-Kind-Beziehung durch die Besuche verbesserte.1212 Insgesamt standen die Gefangenen den Langzeitbesuchen positiver als ihre Ehefrauen gegenüber, was nach Carlson und Cevera wohl daran lag, dass die Frauen die Verantwortung für die Besuchsvorbereitung und die Anreise trugen.1213 Girshick fand heraus, dass nach Ansicht der von ihr befragten Ehefrauen Sex bei Langzeitbesuchen nur ein Aspekt der gemeinsamen Zeit sei.1214 In diesem Zusammenhang verwiesen Sil­ veira et al. darauf, dass Frauen, die Sex mit ihrem Partner während der Langzeit­ besuche haben, kein größeres Risiko sexueller Dysfunktionen haben als Frauen,

1208

Vgl. Kraft / Knorr (2009), S. 170. Vgl. Goldstein (1990), S. 994. 1210 Vgl. Miller (1989), S. 19 f. 1211 Vgl. Carlson / Cervera (1991), S. 329. 1212 Vgl. Carlson / Cervera (1992), S. 90. 1213 Vgl. Carlson / Cervera (1992), S. 146. 1214 Vgl. Girshick (1996), S. 76 f. 1209

204

2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

die ihre Sexualität mit ihrem Partner zuhause ausleben.1215 Weiter beschwerten sich Frauen in Girshicks Untersuchung teilweise über die geringe Verfügbarkeit von Terminen bzw. über die langen Zeitabstände zwischen den Besuchen. Einige Frauen äußerten außerdem ihren Unmut über kaputte Geräte und Möbelstücke in den Langzeitbesuchsräumen. Zudem hatten einige Frauen den Eindruck, dass aufgrund „bürokratischen Durcheinanders“ einige Langzeitbesuche nicht zustande kamen.1216 Comfort führte qualitative Interviews mit Frauen, die zu Langzeitbesuchen in kalifornische Gefängnisse kamen. Für viele dieser Frauen waren die Langzeit­ besuche sehr wichtig, da sie während der Besuche partnerschaftliche Intimität ausleben konnten, die vor der Gefangenschaft nach Angaben der Frauen wichti­ ger Bestandteil ihre Beziehungen war und durch die Gefangenschaft abrupt be­ endet wurde. Daneben hatten die Frauen während der Besuche die Gelegenheit, alltägliche Lebenssituationen zu simulieren. Einige Frauen berichteten, dass sie sich während der Besuche „wie zuhause“ fühlten.1217 Für andere Frauen boten die Langzeitbesuchsräume sogar ein „kleines gemütliches Zuhause“, das sie in der Welt draußen nicht hatten.1218 Toeppell und Greaves konzentrierten sich in einer qualitativen Untersuchung auf Missbrauchserfahrungen von Frauen in Zusammenhang mit Langzeitbesuchen in Kanada. Sie stellten fest, dass es bei vier der 35 befragten Frauen bereits vor der Gefangenschaft zu physischen, psychischen und sexuellen Misshandlungen gekommen war.1219 Einige Frauen fühlten sich ängstlich vor dem ersten Langzeit­ besuch und waren sich unsicher, ob ihr Partner ihnen gegenüber kontrollierendes, psychisch oder physisch misshandelndes oder explosives Verhalten während der Besuche zeigen würde. Die Frauen trauten sich nicht, ihre Bedenken dem Gefäng­ nis mitzuteilen, da sie fürchteten, dass dies die Chancen ihres Partners auf eine frühere Entlassung oder andere Privilegien verringern könnte und sie so den Ärger ihrer Partner auf sich lenken würden.1220 Während der Besuche fühlten sich die meisten Frauen sicher. Nur eine der 35 befragten Frauen hatte einen „schlechten“ Langzeitbesuch, in dessen Verlauf sich ihr Partner kontrollierend, misshandelnd und / oder bedrohend zeigte.1221 Viele der befragten Frauen wussten von schwierigen und degradierenden Erlebnissen wegen der Behandlung durch das Gefängnisper­ sonal im Zusammenhang mit Langzeitbesuchen zu berichten.1222

1215

Vgl. Silveira et al. (2015), S. 300 f. Vgl. Girshick (1996), S. 91. 1217 Vgl. Comfort (2002), S. 486 ff. 1218 Vgl. Comfort (2002), S. 490. 1219 Vgl. Toepell / Greaves (2001), S. 86. 1220 Vgl. Toepell / Greaves (2001), S. 90. 1221 Vgl. Toepell / Greaves (2001), S. 93. 1222 Vgl. Toepell / Greaves (2001), S. 89. 1216

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

205

Im deutschen Strafvollzug untersuchten 1995 Buchert et al. in der JVA Geldern, einer Anstalt des geschlossenen Erwachsenenstrafvollzugs für männliche Gefan­ gene, die Auswirkungen von Langzeitbesuchen auf die Beziehung zwischen Ge­ fangenen und ihren Angehörigen. Die überwiegende Mehrheit der Angehörigen berichtete über eine Veränderung der Beziehung zum Gefangenen durch Langzeit­ besuche. Die Gespräche wurden von ihnen als besonders aufrichtig erlebt. Viele gaben zudem an, dass sich die Gesprächsinhalte verändert hätten. Langzeitbesuche wurden genutzt, um Schwierigkeiten anzusprechen, die bei der normalen Besuchs­ situation nicht thematisiert worden wären. Die Mehrheit der Angehörigen würden das Angebot zur Teilnahme an einem Gesprächskreis wahrnehmen. Insgesamt wurden die Langzeitbesuche positiv bewertet.1223 (cc) Vollzugsmitarbeiter*innen Die meisten Studien, die Einstellungen der Vollzugsmitarbeiter*innen zu Lang­ zeitbesuchen thematisieren, stammen aus dem nordamerikanischen Raum und sind überwiegend älteren Datums. In einer der ersten Langzeitbesuchsstudien unter­ suchte Balough die Einstellung von 52 amerikanischen und kanadischen Gefäng­ nisverwaltungen gegenüber dieser Besuchsform. Nur 13 % der Befragten befürwor­ teten die Durchführung von Langzeitbesuchen. 56 % dagegen sprachen sich gegen Langzeitbesuche aus. Die Befürworter*innen von Langzeitbesuchen glaubten, dass die Besuche die ehelichen und familiären Bindungen stärken. Da sie nur bei gutem Verhalten genehmigt wurden, sahen die Befragten in Langzeitbesuchen eine Art Kontrollmechanismus für gutes Verhalten der Gefangenen. Zudem glaubten die Befürworter*innen, dass Langzeitbesuche die Anzahl homosexueller Handlungen von Gefangenen verringern würden. Die Gegner*innen von Langzeitbesuchen ga­ ben fehlende finanzielle Ressourcen als Grund für ihre Ablehnungen an, da ihrer Einschätzung nach die Anstalten nicht für die Durchführung solcher Besuche ausgestattet waren. Zudem glaubten sie, dass solche Besuche nur den „sexuellen ­Appetit“ der Gefangenen steigern und somit die Wahrscheinlichkeit homosexuel­ ler Handlungen unter Gefangenen erhöhen würden.1224 Vedder und King fanden kurz nach der Untersuchung von Balough in ihrer Studie heraus, dass etwa 26 % der befragten Gefängnisleitungen der Durchführung von Langzeitbesuchen positiv gegenüberstanden.1225 In der Untersuchung von Hopper (1969) waren alle Bediensteten der Meinung, dass Gefangene, die Langzeitbesuche erhielten, weniger homosexuelles Verhalten zeigen würden.1226 Etwa die Hälfte der Befragten konnte keine Unterschiede im Disziplinarverhalten der Gefangenen mit und ohne Langzeitbesuch feststellen, 1223

Vgl. Buchert et al. (1995), S. 261 f. Vgl. Balough (1964), zit. nach Hensley et al. (2002a), S. 309. 1225 Vgl. Vedder / King (1965), zit. nach Bennett (1989), S. 110. 1226 Vgl. Hopper (1969), S. 92. 1224

206

2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

hatte aber den Eindruck, dass Gefangene mit Langzeitbesuch weniger Probleme im Gefängnis hatten. Die Mehrheit des befragten Personals hatte zudem den Ein­ druck, dass sich Langzeitbesuche positiv auf die Bereitschaft der Gefangenen zur Arbeit im Gefängnis auswirken.1227 Alle waren zudem der Meinung, dass Gefan­ gene mit Langzeitbesuch kooperationsbereiter seien.1228 Nach der Einschätzung der meisten Befragten sei der hilfreichste Aspekt von Langzeitbesuchen, dass diese zur Aufrechterhaltung ehelicher Bindungen beitragen. Zwölf der 14 befragten Mitarbeiter*innen gaben an, keine erhöhte Arbeitsbelastung durch die Langzeit­ besuche zu verspüren.1229 Alle befragten Personen bezeichneten Langzeitbesuche als großen Erfolg. Burstein führte 1977 qualitative Interviews mit vier Gefängnisbediensteten in einem kalifornischen Gefängnis durch. Die Befragten standen der Durchführung von Langzeitbesuchen durchweg positiv gegenüber und schätzten die besonderen Besuche gegenüber normalen Besuchen als die effektivere Besuchsform ein.1230 Sie hatten den Eindruck, dass die Besuche sowohl das Verhältnis der Gefangenen zu ihren Ehefrauen als auch zu den Bediensteten nachhaltig verbesserten.1231 Auch schätzten sie die Reaktionen der Ehefrauen der Gefangenen als positiv ein.1232 In einer Untersuchung von Bennett aus dem Jahr 1989 gab die Hälfte des stan­ dardisiert befragten Personals an, dass ihrer Ansicht nach Langzeitbesuche diszi­ plinäre Probleme innerhalb der Anstalt reduzieren.1233 Außerdem gingen 70 % der Befragten davon aus, dass Langzeitbesuche dazu beitragen, familiäre Beziehungen zu stärken. Etwa die Hälfte glaubte, dass Langzeitbesuche die Stimmung der Ge­ fangene aufhellen und zu einer positiven Bewährungsplanung führten. 60 % waren nicht der Meinung, dass Langzeitbesuche die Zahl sexueller Übergriffe verringern können. Etwa die Hälfte ging davon aus, dass sie weder Homosexualität noch Ge­ walt im Gefängnis reduzieren.1234 Die Hälfte der Befragten glaubte zudem, dass Langzeitbesuch die Gefahr erhöhe, dass Angehörige unerlaubte Gegenstände ins Gefängnis einführen.1235 Insgesamt waren Mitarbeiter*innen Langzeitbesuchen gegenüber positiver eingestellt, die in ihrer Anstalt Langzeitbesuche durchführen, als Mitarbeiter*innen, die keine Erfahrungen mit ihnen gemacht haben.1236 Die Evaluation eines kanadischen Langzeitbesuchsprogramms im selben Jahr er­ gab, dass 95 % der Gefängnisbediensteten davon ausgingen, dass Langzeitbesuche

1227

Vgl. Hopper (1969), S. 94 f. Vgl. Hopper (1969), S. 95. 1229 Vgl. Hopper (1969), S. 95. 1230 Vgl. Burstein (1977), S. 113. 1231 Vgl. Burstein (1977), S. 111. 1232 Vgl. Burstein (1977), S. 110. 1233 Vgl. Bennett (1989), S. 111. 1234 Vgl. Bennett (1989), S. 111. 1235 Vgl. Bennett (1989), S. 111. 1236 Vgl. Bennett (1989), S. 112. 1228

b) Erkenntnisse über die erweiterte Einbindung sozialer Kontakte 

207

einen positiven Einfluss auf die Anstalt hatten.1237 In einer aktuelleren Untersu­ chung mit ähnlichem Design befragten Hensley et al. 226 US-amerikanische Be­ dienstete mit einem standardisierten Fragebogen zu ihren Einstellungen gegenüber Langzeitbesuchen. Drei Viertel aller Befragten berichteten, dass sie nicht glauben, dass Langzeitbesuche zur Aufrechterhaltung von Familienbeziehungen beitragen. Etwa 85 % der Befragten waren nicht der Ansicht, dass Langzeitbesuche Gewalt im Gefängnis oder homosexuelle Handlungen zwischen Gefangenen verringern können. Werden allerdings nur die Antworten von Mitarbeiter*innen betrachtet, die tatsächlich Erfahrungen mit Langzeitbesuchen gemacht haben, sind 75 % der Befragten der Ansicht, dass Langzeitbesuche zur Aufrechterhaltung familiärer Verbindungen beitragen. Weiter gingen 60 % davon aus, dass Langzeitbesuche gewalttätiges Verhalten im Gefängnis verringern. 26 % dieser Befragten glaub­ ten, dass Langzeitbesuche homosexuelles Verhalten im Gefängnis verringern.1238 Im Hinblick auf alle befragten Mitarbeiter*innen stellten die Forscher fest, dass je höher der Bildungsgrad befragter Personen war, diese desto eher davon ausgin­ gen, dass Langzeitbesuche Gewalt verringern und die Aufrechterhaltung familiärer Bindungen unterstützen.1239 Die Variable Geschlecht hatte anders als in der Unter­ suchung von Bennett, der feststellte, dass weibliche Personen eher Langzeitbesuche unterstützen, keinen Einfluss.1240 Was die Abbildung der Einstellungen von Mitarbeiter*innen deutscher Gefäng­ nisse betrifft, führte Ernst 1972 eine bundesweite Befragung (mit Ausnahme von Hamburg und Bremen) durch und stellte fest, dass die Erfahrungen in den An­ stalten, die überhaupt unbewachte Besuche durchführten, unterschiedlich ausfie­ len. Einige Anstalten gaben an, über keine gesicherten Erfahrungen zu verfügen. Andere Anstalten berichteten von guten Erfahrungen mit den unbeaufsichtigten Besuchen und konnten keine besonderen Vorkommnisse beobachten. Manche An­ stalten wiederum berichteten von Vertrauensmissbräuchen seitens der Gefange­ nen durch das Übergeben unerlaubter Gegenstände während der Besuche.1241 Alle befragten Anstaltsleiter*innen waren sich in der Ablehnung der Gestattung von Geschlechtsverkehr einig.1242 Buchert et al. untersuchten in der JVA Geldern die Akzeptanz von Langzeitbesuch durch das Gefängnispersonal. Die Mitarbeiter*in­ nen der Fachdienste bewerteten übereinstimmend Langzeitbesuche als wichtige Behandlungsmaßnahme. Keiner der Befragten befürchtete eine zusätzliche Ge­ fährdung von Ordnung und Sicherheit in der Anstalt wegen der Besuche. Da die Rücklaufquote bei den Vollzugsmitarbeiter*innen nur 10 % betrug, konnte die Einstellung gegenüber Langzeitbesuch bei dieser Gruppe nicht ermittelt werden.

1237

Vgl. Miller (1989), S. 18. Vgl. Hensley et al. (2002a), S. 312. 1239 Vgl. Hensley et al. (2002a), S. 317. 1240 Vgl. Hensley et al. (2002a), S. 316. 1241 Vgl. Ernst (1972), S. 147. 1242 Vgl. Ernst (1972), S. 147. 1238

208

2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

Die Forschenden schlussfolgerten aus dem geringen Rücklauf, dass der Langzeit­ besuch kein vollzugspolitisches Reizthema mehr sei und nicht mehr im Schussfeld der Kritik stehe.1243 (3) Zwischenergebnis Nachdem die Abschnitte 2. b) bb)–2. b) dd) kriminologische Befunde zum allge­ meinen Einfluss von Sozialkontakten auf Gefangene und Kriminalität vor, während und nach der Gefangenschaft wiedergegeben haben, wurden in diesem Abschnitt die Studien behandelt, die es konkret zur Wirkung von Langzeitbesuchen und re­ gulären Besuchen gibt. Aus der Zusammenfassung der kriminologischen Befunde folgt, dass beide Be­ suchsformen zahlreiche positive Auswirkungen auf Gefangene haben. So reduzie­ ren sie die Rückfallwahrscheinlichkeit nach der Entlassung, wobei Studien zeigen, dass Langzeitbesuche von allen Besuchsformen den größten rückfallreduzierenden Effekt aufweisen. Studien über Langzeitbesuche belegen zudem, dass die unbe­ aufsichtigten Besuche Bindungen stärken, sexuelle Übergriffe während der Ge­ fangenschaft reduzieren, zu positivem Verhalten während der Gefangenschaft an­ regen und einigen Prisonisierungseffekten entgegenwirken. Studien über reguläre Besuche stellen fest, dass sie insbesondere schädlichen Auswirkungen entgegen­ wirken, die aus der Beschränkung des Außenkontaktes resultieren. Gleichzeitig zeigen Studien über die Implementierung von regulären Besuchen im deutschen Strafvollzug allerdings, dass die Besuchssituation im deutschen Strafvollzug ei­ niger Verbesserungen bedarf. Dabei sind es vor allem die kurze Dauer und der Mangel an Privatsphäre, die im Rahmen von regulären Besuchen einer Bindungs­ intensivierung zwischen Gefangenem und seinem Umfeld entgegenstehen. Von diesen Defiziten sind auch die Angehörigen der Gefangenen negativ betroffen. In diesem Zusammenhang zeigen kriminologische Befunde, dass vor allem aus der Perspektive von Kindern reguläre Besuche aufgrund von fehlender Privatsphäre und Bewegungsfreiheit familienfreundlichen Interaktionen entgegenstehen. Dagegen zeigen nationale und internationale Studien sowie Erfahrungsberichte aus der Praxis des deutschen Strafvollzugs, dass Langzeitbesuche von Gefange­ nen, Angehörigen und Vollzugsmitarbeiter*innen als familienfreundliche Besuche wahrgenommen werden. Sie erfreuen sich bei Gefangenen großer Beliebtheit und sind nach Ansicht von gefangenen Vätern im Vergleich zu regulären Besuchen die kinderfreundlichere Besuchsform. Aus der Perspektive von Angehörigen tragen sie zur Verbesserung von Beziehungen während der Gefangenschaft bei. Aus der Perspektive der überwiegenden Mehrheit der Vollzugsmitarbeiter*innen bestätig­ ten sich in Studien Befürchtungen nicht, nach denen Langzeitbesuche zu Miss­ gunst bei Mitgefangenen führen und negative Auswirkungen auf die Sicherheit 1243

Vgl. Buchert et al. (1995), S. 261 f.

c) Zwischenfazit   

209

und Ordnung der Anstalt haben könnten. Vielmehr sind Vollzugsmitarbeiter*in­ nen der Ansicht, dass Langzeitbesuche positiven Einfluss auf das Anstaltsklima haben und im Vergleich zu regulären Besuchen die geeignetere Besuchsvariante zur Stärkung familiärer Bindungen darstellen. Ungeachtet der positiven Auswirkungen von Langzeitbesuchen und ihren Vor­ teilen gegenüber regulären Besuchen zeigen die kriminologischen Befunde auch, dass im internationalen Vergleich Langzeitbesuche im deutschen Strafvollzug nur wenig etabliert sind. Zudem zeigen Untersuchungen, dass in deutschen An­ stalten, die Langzeitbesuche durchführen, nur wenige Gefangene Langzeitbesu­ che tatsächlich erhalten und die Kriterien der Zulassungsprüfung sehr streng und limitierend wirken.

c) Zwischenfazit  Wie bereits im raumsoziologischen und rechtshistorischen Teil offenbart der Langzeitbesuch auch im Abgleich der Rechtslage mit kriminologischer Theorie und Forschungspraxis seinen ambivalenten Charakter. Im Abschnitt 2. a) wurden rechtliche Kategorien herausgearbeitet, mit denen der Langzeitbesuch bewertet werden kann. Landesstrafvollzugsgesetze und das Grundgesetz als nationales Recht, die ERJOSSM als internationale Mindeststan­ dards sowie Grundsatzurteile des Bundesverfassungsgerichts geben Maßstäbe vor, welche Ziele und Aufgaben der Strafvollzug hat. Je nachdem, ob der Langzeitbe­ such dazu beiträgt, diese zu realisieren, kann beurteilt werden, ob er den Vollzugs­ behörden als Maßnahme empfohlen werden sollte oder nicht. Im Recht wie auch in der Wissenschaft steht die Vorgabe der zukünftigen Rückfallfreiheit als Beurteilungsmaßstab an prominenter Stelle. So ist sie in den Landesgesetzen zum Jugendstrafvollzug das übergeordnete Ziel des Jugendstraf­ vollzugs, das über jeder Maßnahme schwebt.1244 Außerdem werden die Außenkon­ taktregelungen in diesen Gesetzen häufig unter dem Aspekt verhandelt, welchen Einfluss soziale Kontakte auf zukünftige Rückfallfreiheit haben. Die Zulassung des Langzeitbesuchs insbesondere wird an die Bedingung geknüpft, dass von der einzubindenden Person positiver Einfluss zu erwarten ist.1245 Auch zahlreiche kriminologische Studien untersuchen spezifisch den Einfluss sozialer Beziehungen auf (Rückfall-)Kriminalität, da diese – etwa im Gegensatz zum Vollzugsziel der sozialen Integration – gut mess- und quantifizierbar ist. Die Beurteilung des Langzeitbesuchs als einer besonderen Form des sozialen Kon­ takts im Gefängnis muss sich an dieser Diskussion orientieren. Daher wurden im Abschnitt 2. b) nicht nur die wenigen Studien, die sich konkret mit dem Langzeit­ 1244 1245

Vgl. Abschnitt 2. a) aa) (1). Vgl. Abschnitt 2. a) aa) (3) (c).

210

2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

besuch beschäftigen, diskutiert, sondern auf einer übergeordneten Ebene wurden die kriminologischen Befunde zum Einfluss sozialer Kontakte vor, während und nach einer Gefangenschaft auf ihre Relevanz für den Gegenstand des Langzeit­ besuchs untersucht. In der Zusammenschau der im Abschnitt 2. b) präsentierten kriminologischen Befunde wird ersichtlich, dass der Einfluss sozialer Kontakte auf Kriminalität in der Wissenschaft kontrovers diskutiert wird und Pauschalaussagen über den Ein­ fluss von Langzeitbesuchen auf zukünftige Rückfallfreiheit nicht möglich sind. Aus kriminologischer Sicht scheint es vielmehr geboten, stark zu differenzieren, wer mit wem unter welchen Umständen interagiert: Zahlreiche Befunde weisen in unstrittiger Weise aus, dass positive Sozialkon­ takte kriminalitätshemmend wirken. In diesem Zusammenhang ist die aktuelle Metaanalyse von Mitchell et al. (2016) hervorzuheben, nach der gerade der Lang­ zeitbesuch von allen Besuchsformen den stärksten rückfallreduzierenden Effekt aufweist. Indem er wie keine andere Außenkontakterhaltungsmaßnahme Nähe und Intimität ermöglicht, stärkt er die sozialen Beziehungen des Gefangenen nach außen und stärkt seine Ressourcen, um nach der Entlassung straffrei zu bleiben.1246 Betrachtet man hingegen problematische Sozialkontakte weisen einige krimino­ logische Befunde daraufhin, dass diese durchaus Kriminalität fördern können. Für Kritiker*innen des Langzeitbesuchs liegt in diesem Befund das stärkste Argument, um den Langzeitbesuch zu kritisieren. Würde man aus diesem Grund problemati­ sche Sozialkontakte von Langzeitbesuchen ausschließen, kämen nur sehr wenige Jugendstrafgefangene für die besonderen Besuche infrage, da die Mehrzahl der Jugendlichen aus einem konfliktreichen sozialen Umfeld stammt: innerfamiliäre Gewalt, gewalthaltige Erziehung, Substanzabhängigkeit, Bindungsbrüchigkeit und Kriminalität sind weitverbreitete Charakteristika unter den Familien und Bekann­ ten der Gefangenen.1247 Auch wenn daher ein Pauschalausschluss dieser Kontakte auf den ersten Blick naheliegend erscheint, lässt sich dies aus den kriminologischen Befunden nicht ableiten: Erstens zeigen Studien, dass soziale Umfelder von Jugendstrafgefangenen in Deutschland nur selten als eindeutig positiv oder problematisch eingestuft werden können.1248 Exemplarisch dafür ist der Befund von Boxberg (2018), nach dem die Hälfte der von ihr befragten Jugendstrafgefangenen, die körperliche Gewalt durch ihre Eltern erfuhren, zugleich fürsorglichen und liebevollen Umgang mit ihnen pflegten. Zweitens geht sowohl aus der kriminologischen Theorie wie auch aus empirischen Befunden hervor, dass der Einfluss sozialer Kontakte auf Kriminali­ tät von einem komplexen Zusammenspiel persönlicher und struktureller Faktoren abhängt: Aus der Perspektive der situativen Kriminalitätstheorie wirkt problema­ 1246

Vgl. Abschnitt 2. b) ee) (2) (c) (aa). Vgl. Abschnitt 2. b) cc) (2). 1248 Vgl. Abschnitt 2. b) cc) (2). 1247

c) Zwischenfazit   

211

tischer Sozialkontakt nur in bestimmen Situationen bei Menschen mit geringer Selbstkontrolle und kriminogener Neigung tatsächlich kriminalitätsfördernd.1249 Lerntheoretische Ansätze zeigen, dass nicht allein das Charakteristikum „proble­ matisch“ bestimmt, ob ein Sozialkontakt tatsächlich kriminalitätsermutigend ist, sondern viel entscheidender ist, wie sich die Person gegenüber dem jungen Gefan­ genen verhält.1250 So haben Stelly und Thomas (2003) gezeigt, dass problematische strukturelle Hintergrundfaktoren der Familie überhaupt nur dann Kriminalität fördern, wenn sie auch familiäre Interaktionen (Erziehungsstil, Beaufsichtigung, Bindungen) negativ beeinflussen. Drittens würde der temporäre Ausschluss von problematischen Sozialbeziehun­ gen für die Zeit der Gefangenschaft nicht zum Verschwinden vermeintlich schäd­ licher Einflüsse führen. Studien zeigen, dass sich viele Jugendstrafgefangene nach der Entlassung wieder in ihren alten sozialen Umfeldern bewegen und sich denselben problematischen Sozialkontakten gegenüber konfrontiert sehen.1251 Der temporäre Ausschluss problematischer Sozialkontakte führt dazu, dass sich Prob­ leme anstauen, die nach der Entlassung besonders heftig über die jungen Menschen hereinbrechen, was Kriminalitätsrückfälle wiederum begünstigen kann.1252 Daher ist fraglich, wie nachhaltig die Strategie der Landesgesetzgeber ist, problematische Sozialkontakte weitestgehend vom Jugendstrafvollzug fernzuhalten. Wenn Maßnahmen nur am Maßstab der Rückfallfreiheit bewertet werden, wird die Realität nach der Entlassung häufig aus den Augen verloren: De facto bilden nämlich soziale Kontakte unabhängig von der Qualität ihres Einflusses nach der Entlassung den sozialen Empfangsraum, in dem junge Menschen Obdach, Ver­ pflegung und soziale Unterstützung erhalten.1253 Aus kriminologischer Sicht muss auch die Bedeutung von Langzeitbesuchen für die Lebensverhältnisse im Gefängnis allgemein und für die psychosoziale Entwick­ lung jugendlicher Gefangener und ihrer Angehörigen im Besonderen Eingang in die Beurteilung dieser Maßnahme finden. Die Grundsätze der Vollzugsgestaltung greifen diese Dimensionen der Gefängnisrealität auf. Im Lichte der Aufgaben des Strafvollzugs und seiner Verpflichtungen, wie sie diese Grundsätze formulieren, erscheint der Langzeitbesuch noch einmal in einer anderen Weise als unbedingt anzuempfehlende Maßnahme: Er hilft in besonderer Weise, das Leben im Gefäng­ nis dem Leben in Freiheit anzugleichen und dort, wo dies nicht möglich ist, ent­ sprechend dem Gegensteuerungsprinzip schädlichen Folgen des Freiheitsentzugs entgegenzusteuern.

1249

Vgl. Abschnitt 2. b) aa) (2) (g). Vgl. Abschnitt 2. b) aa) (2) (c). 1251 Vgl. Abschnitt 2. b) dd). 1252 Vgl. Abschnitt 2. b) dd) (1) (b). 1253 Vgl. Abschnitt 2. b) dd) (1). 1250

212

2. Ein Vergleich der Rechtslage des Langzeitbesuchs

Intime Gespräche mit Familie und Freund*innen in einem unbeobachteten Raum zu führen, die Erfahrung der Haft in einem Moment unterbrochener Dauer­ beobachtung zu verarbeiten oder die Möglichkeit, die eigene Sexualität mit Men­ schen von draußen auszuleben, haben eine Qualität, die wie kaum eine andere Maßnahme den Gefangenen in seiner Menschenwürde achtet. Der Entzug von Sozialkontakten, insbesondere mit der eigenen Familie, wird von Gefangenen als eine der größten Belastungen der Gefangenschaft wahrge­ nommen. Darüber hinaus geht aus Studien hervor, dass die Art und Weise, wie der Jugendstrafvollzug gestaltet ist, jungen Gefangenen erschwert, enge soziale Be­ ziehungen über die Gefangenschaft hinaus aufrechtzuerhalten. Sie führt in vielen Fällen zu Kontaktunterbrechungen bzw. -abbrüchen.1254 Reguläre Besuche reichen häufig nicht aus, um Bindungen zu pflegen oder zu stärken, da sie aufgrund feh­ lender Privatsphäre von Gefangenen als „leere Besuche“ wahrgenommen werden. Indem Langzeitbesuche dagegen im Vergleich zu regulären Besuchen bedeutungs­ vollere soziale Interaktionen ermöglichen und Bindungen stärken, können sie Kon­ taktunterbrechungen bzw. -abbrüchen entgegenwirken.1255 Die Beurteilung des Langzeitbesuchs im Jugendstrafvollzug muss zudem die besondere Lebensphase der Gefangenen mitberücksichtigen. Die Jugendlichen ste­ hen vor wichtigen Entwicklungsaufgaben des Heranwachsendenalters, die durch die Haft negativ beeinflusst werden können. Die Bildung der eigenen Identität, der Erwerb von interaktionalen Fähigkeiten sowie der Umgang mit Bindungs- und Ab­ lösekonflikten sind an haltgebende soziale Beziehungen und stabile soziale Inter­ aktionen gekoppelt, die der Langzeitbesuch unterstützend begleiten kann. In dem geschützten Raum des Langzeitbesuchs können junge Gefangene sozial interagie­ ren, sich ausprobieren und wichtige Erfahrungen machen, wie sie für die Phasen in ihrem Alter typisch sind. Auch die Perspektive der Angehörigen von Gefangenen wird häufig vernach­ lässigt, obwohl ihre Belange ebenfalls Gegenstand der Außenkontaktregelungen der Landesgesetze zum Jugendstrafvollzug sind,1256 und auch sie von schädlichen Auswirkungen einer Gefangenschaft betroffen sind.1257 Studien zeigen, dass für Kinder von gefangenen Vätern die Gefangenschaft und die mit ihr einhergehende Kontaktbeschränkung zahlreiche negative Auswirkungen auf ihre gesunde Kin­ desentwicklung zur Folge haben. Sie haben allgemein ein deutlich erhöhtes Risiko, an psychischen und körperlichen Problemen zu leiden1258, wobei Kinder unter elf Jahren im europäischen Vergleich in Deutschland ein erhöhtes Risiko für emo­ tionale und psychische Probleme sowie Verhaltensauffälligkeiten aufweisen.1259 1254

Vgl. Abschnitt 2. b) cc) (3). Vgl. Abschnitt 2. b) ee). 1256 Vgl. Abschnitt 2. a) aa) (3). 1257 Vgl. Abschnitt 2. b) cc) (4) (b). 1258 Vgl. Bieganski et al. (2013), S. 10. 1259 Vgl. Jones et al. (2013), S. 47, S. 50. 1255

c) Zwischenfazit   

213

Auch leiden Partner*innen unter psychischen Belastungen wie Einsamkeit und befinden sich in großer Sorge um den Gefangenen. Der Mangel an Intimität wird als Bedrohung für ihre Partnerschaft wahrgenommen. Auch hier zeigen krimino­ logische Befunde, dass reguläre Besuche nicht ausreichen, um die Bedürfnisse der Angehörigen nach körperlicher Nähe und Intimität zu befriedigen.1260 Es gibt jedoch keine Hinweise, dass Langzeitbesuche in der Praxis des Strafvoll­ zugs ein unangemessen hohes Risiko für die Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung darstellen. Im Gegenteil tragen sie vielmehr aufgrund ihres positiven Ein­ flusses auf das Anstaltsklimas zur sozialen Sicherheit innerhalb der Anstalt bei.1261 Zuletzt bleibt mit Blick auf rechtliche Standards festzuhalten, dass Langzeitbe­ suche die durch Art. 6 GG geschützten Rechtspositionen von Gefangenen sowie ihren Angehörigen stärken. Sie können dazu beitragen, dass das Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts zum Jugendstrafvollzug realisiert wird, nach dem das Besuchskontingent von Jugendstrafgefangenen deutlich über dem im Erwach­ senenstrafvollzug liegen muss und der Möglichkeit der Pflege sozialer Außenbezie­ hungen im Jugendstrafvollzug ein besonders hoher Stellenwert eingeräumt werden muss. Auch die ERJOSSM empfehlen Langzeitbesuche für Jugendstrafgefangene, die nicht in regelmäßigem Abstand die Anstalt verlassen können. In der Gesamtschau zeigt sich, dass Langzeitbesuche nicht nur im Erwachsenen­ strafvollzug,1262 sondern auch im Jugendstrafvollzug wichtige Besuchsergänzungen darstellen, da sie auf vielen Ebenen das Potenzial haben, dabei zu helfen, die Maß­ stäbe zu erfüllen, die den Vollzugsbehörden durch nationales Recht sowie interna­ tionale Mindeststandards vorgegeben werden. Im Abgleich rechtlicher Vorgaben mit kriminologischen Erkenntnissen erweist sich der Langzeitbesuch als ein not­ wendiges Instrument eines modernen Jugendstrafvollzugs, der sich an Humanität und Menschenwürde ausrichtet.

1260

Vgl. Abschnitt 2. b) ee) (1) (b). Vgl. Abschnitt 2. b) ee) (2). 1262 Vgl. Thiele (2016). 1261

3. Empirische Untersuchung des Langzeitbesuchs im Jugendstrafvollzug Der empirische Teil dieser Arbeit setzt sich aus einer quantitativen und einer qualitativen Untersuchung zusammen. In der quantitativen Untersuchung wurde durch einen teilstandardisierten Fragebogen bundesweit die Implementierung von Langzeitbesuchen in Justizvollzugsanstalten erfasst, in denen männliche Gefan­ gene eine Jugendstrafe oder eine Freiheitsstrafe nach § 114 JGG verbüßen. Von der Untersuchung ausgenommen sind Strafvollzugsanstalten, in denen einzig die Untersuchungshaft vollzogen wird. Mit dem Ziel, alle Justizvollzugsanstalten zu befragen, die die vorstehend genannten Kriterien erfüllen, wurden die Vollstre­ ckungspläne der Bundesländer und die Zusammenfassung der „Jugendvollzugsein­ richtungen in Deutschland“ von Ostendorf1 ausgewertet. Der teilstandardisierte Fragebogen wurde 2016 konzipiert und zielt größtenteils auf die Erfassung von Daten ab, die sich auf 2015 beziehen. Obwohl die Anträge auf Genehmigung der bundesweiten Befragung an die Landesjustizministerien bzw. kriminologischen Dienste der Bundesländer im März 2016 gestellt und die Fragebögen umgehend nach der Genehmigungserteilung an die Justizvollzugsanstalten verschickt wurden, kamen die letzten ausgefüllten Fragebögen erst 2018 zurück, sodass die bundes­ weite Untersuchung auch erst in diesem Jahr abgeschlossen werden konnte.2 Folglich beziehen sich die Ergebnisse aus der quantitativen Untersuchung, wenn im Fragebogen nicht ausdrücklich nach Daten aus dem Jahr 2015 gefragt wurde, auf den Zeitraum vom Juni 2016 bis zum Januar 2018. Im zweiten Teil der Untersuchung wurde die Implementierung von Langzeit­ besuchen in Jugendstrafanstalten, die Langzeitbesuche durchführen, mittels qua­ litativer Interviews mit Gefangenen, deren nahestehenden Personen von draußen sowie Vollzugsmitarbeiter*innen vertiefend untersucht. Da zu Beginn der Unter­ suchung aus der Fachliteratur einzig entnommen werden konnte, dass in der JVA Herford Langzeitbesuche durchgeführt werden, sollten die ersten Interviews in dieser Justizvollzugsanstalt durchgeführt werden. Aufgrund von Bedenken, die sich auf den erforderlichen personellen Aufwand, das Zuführen und Beaufsichtigen der Gefangenen sowie die Teilnahme der betroffenen Vollzugsmitarbeiter*innen bezogen, wurde das Interviewvorhaben seitens des Justizministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen zunächst nicht genehmigt. Erst nach weiteren Bemühungen 1

Vgl. Ostendorf (2016), Vorbemerkungen Rn. 33; Ostendorf (2012), S. 74 ff. Zur Kontroverse über Strafvollzugsforschung und Wissenschaftsfreiheit sowie die Rolle staatlicher Akteure im Kontext externer Strafvollzugsforschung: Breuer et al. (2018); Bäumler et al., (2018); Fährmann / Knop (2017). 2

a) Bundesweite Untersuchung der Langzeitbesuchssituation  

215

wurden die Interviews schlussendlich im August 2016 doch genehmigt und konn­ ten im Februar 2017 durchgeführt werden. In der Zwischenzeit zeigte die quantitative bundesweite Befragung, dass außer in der JVA Herford auch in der JVA Wuppertal-Ronsdorf, der JVA Zweibrücken, der JVA Wriezen und der JA Hameln die Möglichkeit von Langzeitbesuch besteht. Da innerhalb des Untersuchungszeitraumes in der JVA Zweibrücken keine unbe­ aufsichtigten Besuche durchgeführt wurden, kam sie für eine vertiefende Unter­ suchung nicht in Frage. Auch in der JVA Wriezen gab es zum Zeitpunkt der Unter­ suchung keine Gefangenen, die Langzeitbesuche erhielten. In der JVA Adelsheim wurde auf eine vertiefende Untersuchung verzichtet, da im Jahr 2015 keine Lang­ zeitbesuche durchgeführt wurden, die unbeaufsichtigten Besuche „nur“ für Kin­ der von Gefangenen vorgesehen sind und es nach Aussage dieser Anstalt seit zwei Jahren aufgrund von Umbaumaßnahmen keinen geeigneten Langzeitbesuchsraum gab. Übrig blieben deutschlandweit die JA Hameln und die JVA Wuppertal-Rons­ dorf. Die Interviews in der JVA Wuppertal-Ronsdorf wurden im November 2017 genehmigt und im Januar 2018 durchgeführt. Nachdem im Januar 2018 der Frage­ bogen aus der JA Hameln zurückkam, wurden erforderliche Genehmigungen beim Kriminologischen Dienst Niedersachsen beantragt und die Interviewdurchführung seitens des Kriminologischen Dienstes Niedersachsen im Februar 2018 geneh­ migt. Im Mai 2018 wurden sodann die Interviews in der JA Hameln durchgeführt.

a) Bundesweite Untersuchung der Langzeitbesuchssituation aa) Methodik Um die Langzeitbesuchssituation im deutschen Jugendstrafvollzug bundesweit zu erfassen, wurde sich für die quantitative Methode der Fragebogenerhebung ent­ schieden. Drei Unterfragen (UF) zielen darauf ab, die übergeordnete Frage nach der bundesweiten Implementierung von Langzeitbesuchen im Jugendstrafvollzug zu beantworten: – UF 1. Welche Justizvollzugsanstalten, in denen männliche Gefangene eine Ju­ gendstrafe oder eine Freiheitsstrafe nach § 114 JGG verbüßen, bieten die Mög­ lichkeit von Langzeitbesuch an? – UF 2. Welche Unterschiede sind in der konkreten Ausgestaltung der Langzeit­ besuche erkennbar? – UF 3. Welche Gründe sprechen aus Sicht der Anstaltsleitungen für bzw. gegen die Durchführung von Langzeitbesuchen? Der Beantwortung dieser Fragen diente ein Fragebogen, der sich sowohl aus geschlossenen als auch offenen Fragen zusammensetzt.3 Der Fragebogen wurde 3

Vgl. Friedrichs (1990), S. 198 f.

216

3. Empirische Untersuchung des Langzeitbesuchs im Jugendstrafvollzug 

an alle Anstaltsleitungen von Justizvollzugsanstalten per Post oder elektronisch zugestellt, die die weiter oben aufgeführten Kriterien erfüllen. Von den befragten Justizvollzugsanstalten fiel die JVA Schwäbisch Gmünd aus der Untersuchung heraus, da sich herausstellte, dass in dieser Anstalt nur weib­ liche Jugendstrafgefangene untergebracht werden. Weiter stellte sich heraus, dass die JVAen Zeithain, Pforzheim und Siegburg nicht mehr zuständig für den Vollzug von Jugendstrafen waren. Die JVAen Heinsberg, Cottbus-Dissenchen und Vechta haben die Teilnahme an der Untersuchung abgelehnt. Insgesamt haben 25 Justiz­ vollzugsanstalten an der Untersuchung teilgenommen.

bb) Auswertung (1) Möglichkeit von Langzeitbesuch Von 25 befragten Justizvollzugsanstalten gibt es in sechs Anstalten die Möglich­ keit, Langzeitbesuch zu empfangen. Vergleicht man die gesetzlichen Vorgaben der Landesgesetze zum Jugendstrafvollzug mit der Praxis des Jugendstrafvollzugs, zeigt sich, dass bei den Justizvollzugsanstalten, die Langzeitbesuche durchführen (s.  Tab. 1), auch in den entsprechenden Jugendstrafvollzugsgesetzen Langzeit­ besuche erwähnt werden.4 In Baden-Württemberg besteht allerdings nur in der JVA Adelsheim die Mög­ lichkeit von Langzeitbesuch. In Nordrhein-Westfalen können Jugendstrafgefangene in der JVA Herford und der JVA Wuppertal-Ronsdorf Langzeitbesuche empfan­ gen, während diese Möglichkeit für Gefangene der JVA Iserlohn nicht besteht. Ähnliches gilt für Rheinland-Pfalz. Hier gibt es drei Jugendstrafanstalten für junge Gefangene, aber nur in der JVA Zweibrücken können sie unbeaufsichtigte Besuche empfangen. In weiteren Bundesländern fehlen Langzeitbesuche in den Justizvollzugsanstal­ ten, obwohl sie im Gesetz Erwähnung finden. Das gilt für die JSA Regis-Breitin­ gen in Sachsen5, die JA Raßnitz in Sachsen-Anhalt6 und die JSA Arnstadt in Thüringen7. Allerdings können in der JSA Arnstadt nach Angabe der Anstalts­ leitung ältere Jugendstrafgefangene mit längeren Haftstrafen entsprechende Räum­ lichkeiten der JVA Tonna zum Langzeitbesuch nutzen. In den Bundesländern Bayern, Berlin, Bremen, Hamburg, Hessen, MecklenburgVorpommern, Saarland und Schleswig-Holstein sind Langzeitbesuche in den Ju­ gendstrafvollzugsgesetzen nicht normiert und in den jeweiligen Justizvollzugsan­ 4

§ 17 Abs. 5 J­ VollzGB IV (BW);§ 34 Abs. 4 BbgJVollzG (BB); § 123 Abs. 3 Satz 2 NJVollzG (NI); § 23 Abs. 4 ­JStVollzG NRW (NW); § 33 Abs. 5 LJVollzG (RP). 5 §  47 Abs.  3 ­Sächs­JStVollzG (SN). 6 § 33 Abs. 5 ­JVollzGB LSA (ST). 7 §  34 Abs.  5 ­Thür­JVollzGB (TH).

a) Bundesweite Untersuchung der Langzeitbesuchssituation  

217

stalten dieser Bundesländer auch nicht möglich. Ob sich die Ergebnisse so deuten lassen, dass in Bezug auf Langzeitbesuch die Ausgestaltung der jeweiligen Landes­ gesetze zum Jugendstrafvollzug die Praxis in den Jugendstrafanstalten beeinflusst hat, lässt sich nicht eindeutig beantworten. Einerseits zeigt die hier vorgenommene Befragung, dass der von den Anstaltsleitungen am zweithäufigsten genannte Grund für das Fehlen von Langzeitbesuch die Nicht-Normierung im Landesjugendstraf­ vollzugsgesetz ist. Andererseits wurden in der JVA Wriezen, der JA Hameln und der JVA Herford Langzeitbesuche bereits vor dem Inkrafttreten der Landesgesetze zum Jugendstrafvollzug implementiert. Darüber hinaus zeigt der Vergleich dieser Untersuchungsergebnisse mit Rechts­ tatsachen, die sich auf den Erwachsenenstrafvollzug beziehen, dass Jugendstrafge­ fangene hinsichtlich der Möglichkeit von Langzeitbesuch nicht nur rechtlich, son­ dern auch rechtstatsächlich gegenüber Gefangenen des Erwachsenenstrafvollzugs schlechter gestellt sind. Während Jugendstrafgefangene in dieser Untersuchung in 24 % der Justizvollzugsanstalten theoretisch Langzeitbesuch empfangen können, zeigt die bundesweite Untersuchung von Thiele für den Erwachsenenstrafvollzug, dass etwa 38 % der Justizvollzugsanstalten (ohne Kurzstrafenvollzug und U-Haft) die besonderen Besuche ermöglichen.8 Tabelle 1 Möglichkeit von Langzeitbesuch in Justizvollzugsanstalten des Jugendstrafvollzugs in Deutschland einschließlich Begründungen (zusammenfassende Tabelle) Institution

Bundesland

Möglichkeit von Langzeitbesuch

Begründung des Fehlens von Langzeit­besuch

JVA Rottweil

BW

Nein

Kein Bedarf, da Gefangene mehrstündige Besuchsausgänge und Freistellungen aus der Haft erhalten

JVA Adels­ heim

BW

Ja



JVA Ebrach

BY

Nein

Rechtliche und organisatorische Ein­ schränkungen

JVA LaufenLebenau

BY

Nein

Sicherheit und Ordnung der Anstalt

JVA NeuburgHerrenwörth

BY

Nein

Im ­BayStVollzG (BY) nicht vorgesehen

JSA Berlin

BE

Nein

Im ­JStVollzG Bln (BE) nicht aufgeführt; im Jugendstrafvollzug wenig verheiratete ju­ gendliche Inhaftierte oder in einer längeren, dauerhaften Beziehung; für Gefangene mit Kindern gibt es Vätersprechstunden

8

Vgl. Thiele (2016), S. 256.

218

3. Empirische Untersuchung des Langzeitbesuchs im Jugendstrafvollzug 

Institution

Bundesland

Möglichkeit von Langzeitbesuch

Begründung des Fehlens von Langzeit­besuch

JVA Wriezen

BB

Ja



JVA Bremen

HB

Nein

Im Landesgesetz nicht vorgesehen; Ju­ gendstrafgefangene haben im Durchschnitt eine relativ kurze Haftdauer (Strafhaft: 1,5–2 Jahre)

JVA Hahnöfer­ sand

HH

Nein

Aufgrund der vergleichsweise in nahezu al­ len Fällen geringen Haftzeit sowie der auch bei langjährigen Verurteilungen überschau­ baren Haftzeit im geschlossenen Vollzug wird dafür kein Bedarf gesehen

JVA Rocken­ berg

HE

Nein

Ausreichende Besuchszeiten und -möglich­ keiten in anderer Form

JVA Wies­ baden

HE

Nein

Zusätzliche Besuche werden als Erziehungs­ gespräche oder Familiengespräche genutzt

JA Neustrelitz

MV

Nein

Notwendigkeit für den Jugendvollzug wird nicht gesehen; Familienbesuche werden angeboten und im normalen Besuchsraum durchgeführt; langjährige Partnerschaften, die es zu pflegen gilt, bestehen bei jugend­ lichen Gefangenen eher nicht; auch ist die Haftdauer viel kürzer als bei Erwachsenen, sodass Beziehungen eher bestehen bleiben

JA Hameln

NI

Ja



JVA Herford

NW

Ja



JVA Iserlohn

NW

Nein

Aus baulichen Gründen nicht möglich

JVA Wupper­ tal-Ronsdorf

NW

Ja



JVA Zwei­ brücken

RP

Ja



JVA Wittlich

RP

Nein

Inhaftierte haben bis zu vier Stunden Be­ such im Monat; zusätzlich können Väter zwei Stunden Besuch mit den Kindern ha­ ben; kann ein unbewachter Besuch verant­ wortet werden, erhält der Inhaftierte Be­ suchsausgang

JVA Schiffer­ stadt

RP

Nein

Bauliche Voraussetzungen sind nicht gege­ ben; Anzahl der Gefangenen mit längerer Strafe und in funktionierender Beziehung ist sehr gering

JVA Ottweiler

SL

Nein

Standardbesuche reichen aus, um die be­ stehenden sozialen Bindungen zu festigen

a) Bundesweite Untersuchung der Langzeitbesuchssituation  

219

Institution

Bundesland

Möglichkeit von Langzeitbesuch

Begründung des Fehlens von Langzeit­besuch

JSA RegisBreitingen

SN

Nein

Keine geeigneten Räume

JA Raßnitz

ST

Nein

Stattdessen sind sozialpädagogisch beglei­ tete Familienbesuche mit mehrstündiger Dauer vorgesehen

JVA Neu­ münster

SH

Nein

Geringe Zahl von Haftplätzen für Jugendli­ che; relativ kurze Jugendstrafen; keine räum­ lichen Möglichkeiten; Langzeit­besuche für Jugendliche im ­JStVollzG nicht vorgesehen

JA Schleswig

SH

Nein

Langzeitbesuche im ­JStVollzG nicht vor­ gesehen

JSA Arnstadt

TH

Nein

Konzeptionell nicht vorgesehen; oft nur kurze Haftstrafen; ältere Gefangene mit längeren Haftstrafen können die Möglich­ keiten der JVA Tonna zum Langzeit­besuch nutzen

(Möglichkeit von Langzeitbesuch in JVAen, in denen männliche Gefangene eine Jugendstrafe oder eine Freiheitsstrafe nach § 114 JGG verbüßen. Die Ergebnisse beziehen sich auf den Zeitraum Juni 2016-Januar 2018)

(2) Jugendstrafgefangene mit Langzeitbesuch Die Daten zeigen auf Gefangenen-Ebene, dass deutschlandweit im Jahr 2015 nur etwa 52 Jugendstrafgefangene tatsächlich Langzeitbesuche erhalten haben. Das waren bei 4258 Gefangenen insgesamt ca. 1,2 %. Allerdings muss dieser Prozent­ wert insofern relativiert werden, als die JVAen Wriezen, Hameln und Zweibrücken, die theoretisch Langzeitbesuche ermöglichen, im Fragebogen keine Angaben über die Anzahl von Gefangenen mit Langzeitbesuch im Jahr 2015 gemacht haben. Obwohl ein Vergleich der Ergebnisse aus dieser Untersuchung mit internatio­ nalen und nationalen kriminologischen Befunden zum Erwachsenenstrafvollzug aufgrund sehr unterschiedlicher Untersuchungsdesigns nur einen eingeschränkten Aussagewert hat,9 werden hier dennoch sehr große Unterschiede zwischen Jugendund Erwachsenenstrafgefangenen deutlich. Während im deutschen Jugendstraf­ vollzug im Jahr 2015 nur etwa 1 % der Jugendstrafgefangenen Langzeitbesuche empfingen, so erhielten, wie bereits thematisiert, in der Untersuchung von Fähr­ mann (2019) immerhin etwa 10 % der erwachsenen Gefangenen in vier deutschen JVAen Langzeitbesuch.10 Drenkhahn (2014) stellte fest, dass sogar etwa die Hälfte 9 10

Vgl. Abschnitt 2. b) ee) (2) (b). Vgl. Fährmann (2019), S. 113 ff.

220

3. Empirische Untersuchung des Langzeitbesuchs im Jugendstrafvollzug 

von erwachsenen Gefangenen aus 36 europäischen Gefängnissen die Möglichkeit zu Langzeitbesuch hatte.11 Dünkel konnte in seiner Untersuchung zeigen, dass 45–85 % von erwachsenen Gefangenen aus einigen Ostseeanrainerstaaten Mög­ lichkeiten zum Langzeitbesuch hatten.12 (3) Begründungen hinsichtlich des Fehlens von Langzeitbesuch Das Fehlen von Langzeitbesuchen wird seitens der Justizvollzugsanstalten am häufigsten damit begründet, dass es stattdessen andere Besuchsformen wie Väter­ sprechstunden oder Familienbesuche gebe. Grundsätzlich ist es begrüßenswert, dass es zusätzliche Besuchsalternativen zu geben scheint. Allerdings ist davon aus­ zugehen, dass die zusätzlichen Besuche weder mehrstündig und unbeaufsichtigt sind, noch in wohnungsähnlichen Räumen stattfinden und somit die Vorteile von Langzeitbesuchen nicht ersetzen können. Die zweithäufigste Begründung bezieht sich darauf, dass Langzeitbesuche im Gesetz nicht vorgesehen seien. An dritter Stelle wird das Fehlen mit kurzen Haft­ strafen sowie fehlenden baulichen Möglichkeiten begründet. Hinsichtlich der zeitlichen Dauer ist es richtig, dass es im Jugendstrafvollzug im Gegensatz zum Erwachsenenstrafvollzug keine Gefangenen gibt, die eine lebenslange Freiheits­ strafe verbüßen. Gleichzeitig aber gibt es viele Gefangene, die auch im Jugendstraf­ vollzug mehrjährige Haftstrafen verbüßen. So gab es zum Beispiel am 31. 03. 2020 84 männliche Jugendstrafgefangene mit einer Jugendstrafe von mehr als 5 bis einschließlich 10 Jahren und 1.273 männliche Jugendstrafgefangene mit einer Ju­ gendstrafe von mehr als 2 bis einschließlich 5 Jahren.13 Führt man sich zudem vor Augen, dass Jugendstrafgefangene, wie bereits erwähnt, nicht nur mehrjährige Ju­ gendstrafen verbüßen, sondern im Vergleich zu erwachsenen Gefangenen ein ande­ res Zeitempfinden haben sowie stärker unter der Trennung von ihrem gewohnten Umfeld leiden,14 wird deutlich, dass Langzeitbesuche trotz durchschnittlich kür­ zerer Haftdauer auch für die Gestaltung des Jugendstrafvollzugs bedeutsam sind. In Bezug auf fehlende bauliche Möglichkeiten gilt es zu bedenken, dass der Staat den Strafvollzug so ausstatten muss, wie es zur Realisierung des Vollzugsziels er­ forderlich ist.15 So wurde bereits dargelegt, inwiefern die erweiterte Einbindung von Außenkontakten insbesondere durch Langzeitbesuch resozialisierungsfördern­ 11

Vgl. Drenkhahn (2014), S. 371. Vgl. Dünkel (2007), S. 119. 13 Vgl. Statistisches Bundesamt (2020), S. 15; zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass sich die tatsächliche Haftdauer aufgrund der Möglichkeit der vorzeitigen Entlassung gem. § 88 JGG nicht automatisch nach der Dauer der verurteilten Jugendstrafe bestimmt und nur ein Teil der Jugendstrafgefangenen „Vollverbüßer“ sind. Zahlen hinsichtlich der Entlassungspraxis gibt es aber nicht, da eine genaue statistische Erfassung nicht erfolgt (Vgl. Ostendorf (2016a), Vorbemerkungen Rn. 24). 14 Vgl. BVerfGE 116, 69, 87 f. 15 BVerfGE 35, 202, 236. 12

a) Bundesweite Untersuchung der Langzeitbesuchssituation  

221

den Einfluss hat. Da die Errichtung eines Langzeitbesuchsraums so schwierig nicht sein dürfte, insbesondere zu Zeiten von Unterbelegung, und die Durchführung der unbeaufsichtigten Besuche keinen personellen Mehraufwand erfordert,16 bewegt sich die Durchführung von Langzeitbesuchen im Rahmen des Zumutbaren. In die­ sem Zusammenhang rufen Feest und Wegner für den Erwachsenenstrafvollzug in Erinnerung, dass in der JVA Werl und der JVA Bruchsal ohne weitere Baumaßnah­ men angemessene Unterbringungsmöglichkeiten für Langzeitbesuche gefunden wurden, „wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.“17 Da nach Ansicht des OLG Hamm Justizvollzugsanstalten in Bundesländern, in denen Langzeitbesuche rechtlich ge­ regelt sind, verpflichtet sind, räumliche Möglichkeiten für die besonderen Besuche vorzuhalten,18 sind die Verweise auf fehlende Räumlichkeiten der JVAen RegisBreitingen, Schifferstadt und Iserlohn als besonders problematisch anzusehen. Des Weiteren wird das Fehlen von Langzeitbesuch mit Verweis auf die Mög­ lichkeit von regulären Besuchen begründet. Hier führt die JVA Ottweiler an, dass reguläre Besuche ausreichen, um bestehende Beziehungen zu festigen. Das wider­ spricht Ergebnissen aus der Forschung, dass die aktuelle Gestaltung des Jugend­ strafvollzugs hinsichtlich Außenkontakten die Aufrechterhaltung sozialer Bezie­ hungen erschwert,19 Von den weiteren Vorteilen von Langzeitbesuch abgesehen. Zwei Anstalten geben an, dass Jugendstrafgefangene keine funktionierenden Beziehungen haben. Nach Auskunft von zwei weiteren Anstalten gebe es kaum verheiratete Gefangene bzw. Gefangene mit langjährigen Partnerschaften. Um­ fassende Untersuchungen zeigen allerdings, dass Jugendstrafgefangene zum Teil sehr wohl verheiratet sind, in Partnerschaften leben, funktionierende Beziehungen aufweisen und Eltern sowie Geschwister haben.20 Weitere Anstalten setzen anstelle von Langzeitbesuch auf vollzugsöffnende Maßnahmen. In diesem Zusammenhang führt die JVA Wittlich an, dass Gefangene stattdessen Besuchsausgänge erhalten, wenn ein unbeaufsichtigter Besuch verant­ wortet werden kann. Vollzugsöffnende Maßnahmen21 wie Ausgänge, Urlaube und Freigänge sollten Langzeitbesuchen vorgezogen werden, da Jugendstrafgefangene dadurch ihre sozialen Beziehungen in Freiheit pflegen können. Dementsprechend empfiehlt das Ministerkomitee des Europarats für junge Gefangene in den ER­ JOSSM die Durchführung von Langzeitbesuchen in den Fällen, in denen ein regel­

16

Vgl. Abschnitt 3. b) bb) (3). AK-Feest / Wegner (2017), § 26 Rn. 21. 18 Vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 28. November 2017 – III-1 Vollz (Ws) 471/17 – juris. 19 Vgl. Abschnitt 2. b) cc) (3). 20 Vgl. Abschnitt 2. b) cc) (2). 21 § 9 ­JVollzGB IV (BW); Art. 134 ­BayStVollzG (BY); § 44 ­JStVollzG Bln (BE); § 46 BbgJVollzG (BB); § 15 Brem­JStVollzG (HB); § 12 ­Hmb­JStVollzG (HH); § 13 H ­ ess­JStVollzG (HE); § 15 ­JStVollzG M-V (MV); § 13 NJVollzG (NI); § 42 ­JStVollzG NRW (NW); § 45 LJVollzG (RP); § 15 S­JStVollzG (SL); § 15 ­Sächs­JStVollzG (SN); § 45 ­JVollzGB LSA (ST); § 15 ­JStVollzG (SH); § 46 ­Thür­JVollzGB (TH). 17

222

3. Empirische Untersuchung des Langzeitbesuchs im Jugendstrafvollzug 

mäßiges Verlassen der Justizvollzugsanstalt nicht praktikabel ist.22 In der Praxis des deutschen Jugendstrafvollzugs ist es aber nicht so, dass Durchführungen von Langzeitbesuch überflüssig wären, weil Jugendstrafgefangene regelmäßig die An­ stalten verlassen würden. Vielmehr unterscheiden sich die Bundesländer hinsicht­ lich vollzugsöffnender Maßnahmen teils erheblich voneinander.23 Während in der Studie von Dünkel und Geng zum Beispiel Bremen als Spitzenwert 3.904 Ausgänge pro 100 Strafgefangene gewährte, waren es in Bayern nur 95 Ausgänge. Beurlau­ bungen wurden in Bremen 488 Male gewährt, während es in Sachsen-Anhalt nur sechs waren. Auch bezüglich des Freigangs liegt Bremen mit 53 pro 100 Gefangene vorne. Thüringen dagegen führte keine Freigänge durch. Während in Bremen im Kalenderjahr über 90 % der Gefangenen Ausgang, zwei Drittel Hafturlaub und ein Drittel Freigang erhielten, wurden in Thüringen 90 % der Jugendstrafgefangenen ohne jegliche Lockerungsmaßnahme entlassen. Folglich gibt es im deutschen Ju­ gendstrafvollzug viele Gefangene, die nicht regelmäßig die Anstalt verlassen und für die die Durchführung von Langzeitbesuchen aus diesem Grund geboten sind. Jeweils einmal wird das Fehlen von Langzeitbesuch durch den Verweis auf or­ ganisatorische Gründe sowie auf Sicherheit und Ordnung innerhalb der Anstalt begründet.

(Begründungen von Justizvollzugsanstalten, in denen männliche Gefangene eine Jugendstrafe oder eine Freiheitsstrafe nach § 114 JGG verbüßen, hinsichtlich des Fehlens von Langzeitbesuch. Die Ergebnisse beziehen sich auf den Zeitraum Juni 2016-Januar 2018.) Abbildung 1: Gründe für das Fehlen von Langzeitbesuch

22 23

Vgl. Nr. 86.2 ERJOSSM. Vgl. Dünkel / Geng (2012), S. 129 ff.

a) Bundesweite Untersuchung der Langzeitbesuchssituation  

223

(4) Vergleich von Rechtslage und Rechtstatsachen Diese Untersuchung zeigt deutlich, inwiefern sich hier hinsichtlich Langzeitbe­ such die rechtliche Situation in den Landesgesetzen zum Jugendstrafvollzug von der tatsächlichen Situation im Jugendstrafvollzug unterscheidet: Während Lang­ zeitbesuche in der Hälfte der Landesgesetze zum Jugendstrafvollzug normiert werden, ermöglichen nur etwa ein Drittel der Justizvollzugsanstalten theoretisch Langzeitbesuch, und tatsächlich haben nur etwa 1 % der Jugendstrafgefangenen im Jahr 2015 Langzeitbesuche empfangen. Es zeigt sich hier also deutlich, dass die rechtlichen Regelungen der Landesgesetze zum Jugendstrafvollzug nicht in die Praxis der Jugendstrafanstalten übersetzt werden.

(Langzeitbesuchssituation in den Jugendstrafvollzugsgesetzen (2018); Langzeitbesuchssituation in Justizvollzugsanstalten, in denen Jugendstrafen oder Freiheitsstrafen nach § 114 JGG vollzogen werden, Juni 2016-Januar 2018; Langzeitbesuchssituation von Jugendstrafgefangenen in Deutschland (2015). Von den Anstalten, die Langzeitbesuche ermöglichen, haben die JVA Wriezen, JA Hameln, und JVA Zweibrücken keine Angaben gemacht, wie viele Jugendstrafgefangene Langzeitbesuch im Jahr 2015 erhalten haben.) Abbildung 2: Vergleich der rechtlichen Situation in den Jugendstrafvollzugsgesetzen mit der Praxis im Jugendstrafvollzug in Bezug auf Langzeitbesuch

(5) Justizvollzugsanstalten mit Langzeitbesuch In einigen Justizvollzugsanstalten können Gefangene nur viermal im Jahr Lang­ zeitbesuche erhalten, während andere keine Obergrenze festsetzen. Die maximale zeitliche Dauer bewegt sich zwischen drei und fünf Stunden. Da­ mit liegt die maximale Länge des Besuches im Jugendstrafvollzug unterhalb der maximalen Länge im Erwachsenenstrafvollzug (7,5 Stunden).24 Im Hinblick auf 24

Vgl. Thiele (2016), S. 260 ff.

224

3. Empirische Untersuchung des Langzeitbesuchs im Jugendstrafvollzug 

die Anzahl der unbeaufsichtigten Besuche unterscheiden sich die Justizvollzugs­ anstalten deutlich. Während in der JVA Adelsheim im Jahr 2015 kein Langzeit­ besuch durchgeführt wurde, waren es in der JA Hameln 180, in der JVA Herford 95 und in der JVA Wuppertal-Ronsdorf 22 Besuche. Auch bezüglich der Kriterien, die Gefangene erfüllen müssen, um Langzeitbe­ suche empfangen zu dürfen, unterscheiden sich die Justizvollzugsanstalten zum Teil erheblich. In der JVA Adelsheim und der JVA Zweibrücken können nur Väter Langzeitbesuch erhalten. In der JVA Herford müssen die Gefangenen mindestens 18 Jahre alt sein, während es in der JVA Zweibrücken, der JVA Wuppertal-Rons­ dorf, der JA Hameln sowie der JVA Adelsheim keine Altersbegrenzung gibt und in der JVA Wriezen Gefangene über 16 Jahre alt sein müssen. Den Personenkreis von besuchenden Personen beschränken die meisten Justiz­ vollzugsanstalten auf Angehörige und Partner*innen. Einzig in der JVA Wupper­ tal-Ronsdorf dürfen darüber hinaus Personen zu Besuch kommen, die in einer auf Dauer angelegten Beziehung zu dem Gefangenen stehen. Damit unterscheiden sich insgesamt die Beschränkungen des Personenkreises im Jugendvollzug von solchen im Erwachsenenstrafvollzug. Hier wird in über der Hälfte der Justizvollzugsanstal­ ten Langzeitbesuch nicht einer festen Personengruppe ermöglicht, sondern nach der individuellen Eignung der besuchenden Person entschieden.25 Die Untersuchung zeigt, dass in den Justizvollzugsanstalten JVA Wriezen, JA Hameln und JVA Herford Langzeitbesuche bereits seit über zehn Jahren durch­ geführt werden.

25

Vgl. Thiele (2016), S. 264.

2015

1

Keine Obergrenze

Nein

4 Std.

0

0

Nein

Eigene Kinder; keine Haftfrei­ stellung

LZB-Einführung

LZB-Räume

Häufigkeit

Aufteilung zwischen Familienund Partner*innenraum

Max. zeitliche Dauer

Anzahl von LZB-Durchführungen (2015)

Anzahl von Gefangenen mit Langzeitbesuch (2015)

Theoretisch Gestattung für alle Gefangene

Kriterien für Gefangene

JVA Adelsheim

Keine Untersuchungs­ haft als Überhaft; keine besonderen Maßnahmen wegen Gefahr von Gewalttä­ tigkeit gegen

Nein

k. A.

k. A.

5 Std.

Nein

Keine Obergrenze

1

2004

JVA Wriezen

Mindestens 6 Mo­ nate in Haft; posi­ tiver Vollzugs­ verlauf; keine besonderen Vor­ kommnisse;

Nein

k. A.

180

4 Std.

Nein

Keine Obergrenze

3

2005

JA Hameln

Mindestens 18 Jahre alt; mindestens be­ reits sechs Monate inhaftiert;

Nein

30

95

3 Std.

Nein

Einmal im Monat

3

2006

JVA Herford

Tabelle 2 Implementierung von Langzeitbesuch (Juni 2016-Januar 2018)

Mindestens 6 Mo­ nate in Haft; min­ destens 3 Jahre Ju­ gendstrafe;

Ja

22

22

3 Std.

Ja

Viermal im Jahr

3

2013

JVA WuppertalRonsdorf

Nur Gefangene mit Kindern; kein Drogenkonsum; keine besonderen Sicherungsmaß­ nahmen

Nein

k. A.

k. A.

3 Std.

Nein

Viermal im Jahr

1

2016

JVA Zwei­ brücken

a) Bundesweite Untersuchung der Langzeitbesuchssituation  

225

JVA Adelsheim keine Verstöße gegen Hausordnung, StGB; keine Flucht­ gefahr; keine Ge­ fahr von Straftaten; keine Lockerungs­ maßnahmen; keine Notwendigkeit von akustischer / opti­ scher Überwachung

vorherige Besu­ che ohne Auffäl­ ligkeiten

Sachen oder Perso­ nen; keine Anhalts­ punkte für subkultu­ relle Tätigkeiten; keine Befürchtung von ver­ balen Angriffen oder körperlichen Über­ griffe auf Besucher oder Bedienstete; über 16 Jahre alt; ein Jahr im Vollzug; nicht lo­ ckerungsgeeignet; keine Disziplinarmaß­ nahme in den letzten drei Monaten; Nach­ weis von Drogen­ abstinenz in den letz­ ten drei Monaten; keine Regelverstöße bei Besuchen in den letzten sechs Monaten; Bereitschaft zur Mit­ arbeit am Vollzugsziel zu erkennen gegeben;

bei Gefangenen zwi­ schen 16 und 18 Jah­ ren Genehmigung der Sorgeberechtigten erforderlich

JVA Herford

JA Hameln

JVA Wriezen mehr als 6 Monate bis zur Entlassung beim ersten Lang­ zeitbesuch; keine selbstständigen Voll­ zugslockerungen oder Urlaub; keine besonderen Siche­ rungsmaßnahmen; keine Vorkommnisse bei früheren Besu­ chen; kein Miss­ brauch bei in der Vergangenheit ge­ währten Lockerun­ gen; kein Fund von unerlaubten Gegen­ ständen; kein Han­ del und Konsum von Rauschmitteln

JVA WuppertalRonsdorf

JVA Zwei­ brücken

226 3. Empirische Untersuchung des Langzeitbesuchs im Jugendstrafvollzug 

Ca. 1 %

Kinder von Ge­ fangenen

Besuch sollte för­ derlich für das Kindeswohl sein

Wie viele Gefan­ gene können LZB erhalten

Besucher­ gruppen

Sonstige Voraussetzungen

JVA Adelsheim

die bei früheren Besu­ chen gravierende Re­ gelverstöße begangen haben, die an Strafta­ ten der Jugendstrafge­ fangenen beteiligt wa­ ren, die Tatopfer der Jugendstrafgefange­ nen sind

Besucher ausgeschlos­ sen, die einen ungüns­ tigen Einfluss erwar­ ten lassen,

Eltern, Geschwister, Großeltern, sonstige Angehörige (nach Prü­ fung der Beziehung), Ehepartner*in, Part­ ner*in, Kinder der Ge­ fangenen, Freund*in, Minderjährige (zwi­ schen 16 u. 18 mit Ge­ nehmigung des Sorge­ berechtigten)

k. A.

JVA Wriezen

Von besuchenden Personen soll ein günstiger Einfluss ausgehen

Eltern, Geschwis­ ter, Großeltern, sonstige Ange­ hörige, Ehepart­ ner*in, Part­ ner*in, Kinder der Gefangenen, Freund*in

k. A.

JA Hameln

Besucher*innen müssen Gespräche mit dem / der Betreu­ er*in des Gefange­ nen führen

Eltern, Geschwister, Großeltern, Ehepart­ ner*in, Partner*in, Kinder der Gefan­ genen

Einzelfallprüfung nur auf Antrag; vom Vollzugsverlauf ab­ hängig

JVA Herford

Minderjährige nur in Begleitung volljäh­ riger Personen und mit Einverständnis­ erklärung des Erzie­ hungsberechtigten; von besuchenden Personen darf kein schädlicher Einfluss befürchtet werden

Es muss sich um för­ derungswürdige und tragfähige Kontakte handeln;

Angehörige i. S. § 11 Abs. 1 StGB; sons­ tige Personen, die in einer auf Dauer an­ gelegten Beziehung zu dem Inhaftierten stehen

k. A.

JVA WuppertalRonsdorf

Nur in Begleitung von Erwachsenen

Eltern, Geschwis­ ter, Großeltern, sonstige Ange­ hörige, Ehepart­ ner*in, Part­ ner*in, Kinder der Gefangenen, Freund*in

8

JVA Zwei­ brücken

a) Bundesweite Untersuchung der Langzeitbesuchssituation  

227

k. A.

Zustimmung der Mutter des Kindes und des Jugend­ amtes

Dienstanweisungen

Aufgrund von Um­ baumaßnahmen derzeit ein Pro­ visorium. Fertig­ stellung des LZBRaums ungefähr im Jahr 2019. Momen­ tan: Tische, Stühle, Spielzeug

Gestattung von Intimkontakten

Besuchsvorund / oder Besuchsnach­ bereitung

Spezifische hauseigene Re­gelungen zu Langzeit­ besuchen

Ausstattung der Räume

JVA Adelsheim

Pantryküche, Kinder­ bett, Ausziehcouch, Sessel, Tisch

Hausverfügung

Feststellung der Be­ ziehungsqualität; in­ dividuelle Festlegung durch Abteilungsver­ antwortlichen; Einwei­ sung durch Besuchs­ abteilung

Ja

JVA Wriezen

Ein separater Raum mit Sitz­ gruppe, Schrank, Kochgelegenheit, Sanitärbereich

Anstaltsregelung

Gespräche mit dem Fachdienst

Ja (Sexualität ist Teil einer Bezie­ hung)

JA Hameln

Ähnlich wie kleine Wohnung; Sanitär­ anlagen, Dusche, WC, Sofa, Spiel­ zeug

Hausverfügungen

Körperliche Durch­ suchung des Gefan­ genen (vor und nach den Besuchen); Ge­ spräch mit Sozial­ arbeiter vor dem Be­ such

Ja (Angleichungs­ grundsatz im Voll­ zug)

JVA Herford

Kochgelegenheit, Nassbereich mit Du­ sche, Couchgarnitur

k. A.

k. A.

k. A.

JVA WuppertalRonsdorf

Kindgerechte Ausstattung (Spiel- und Mal­ sachen, Kinder­ tisch, Tisch mit vier Stühlen, Couch)

Dienstanwei­ sungen

Nein

Nein

JVA Zwei­ brücken

228 3. Empirische Untersuchung des Langzeitbesuchs im Jugendstrafvollzug 

a) Bundesweite Untersuchung der Langzeitbesuchssituation  

229

(6) Auslastung Der Vergleich der Anzahl von Jugendstrafgefangenen mit Langzeitbesuch mit der durchschnittlichen Belegungszahl in den Justizvollzugsanstalten, die solche Besuche durchführen, für das Jahr 2015 zeigt, dass die Auslastung beim Langzeit­ besuch niedrig ist. So haben in der JVA Adelsheim 0 %, in der JVA Herford etwa 14 % und in der JVA Wuppertal-Ronsdorf etwa 8 % der Jugendstrafgefangenen tatsächlich Langzeitbesuch im Jahr 2015 erhalten. Die Frage, weshalb nur wenige Gefangene Langzeitbesuche empfangen, wird im qualitativen Teil dieser Arbeit er­ örtert. Hier zeigen die Befunde, dass aufgrund der formalen Kriterien, die junge Ge­ fangene erfüllen müssen, um Langzeitbesuch zu empfangen, viele von vorneherein ausgeschlossen sind. So können in der JVA Adelsheim nur Väter – und demnach nur etwa 1 % der Gefangenen dieser Anstalt – theoretisch Langzeitbesuche empfangen. In einer anderen Anstalt, ist zwar der Kreis möglicher Besucher*innen weiter ge­ fasst, aber Gefangene müssen bereits seit sechs Monaten untergebracht sein, eine Jugendstrafe von mindestens drei Jahren zu verbüßen haben und noch länger als sechs Monate bis zur Entlassung haben. Außerdem dürfen sie keine selbstständigen Vollzugslockerungen oder keinen Urlaub haben. Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass nicht nur im Erwachsenenstrafvollzug,26 sondern auch im Jugendstrafvollzug die Zahl von Gefangenen mit Langzeitbesuch sehr gering ausfällt.

(„Jugendstrafgefangene mit Langzeitbesuch“ im Vergleich zu „Jugendstrafgefangene insgesamt“ in den Justizvollzugsanstalten mit Langzeitbesuch. Die Angaben beziehen sich auf das Jahr 2015. Die Angaben hinsichtlich „Jugendstrafgefangene insgesamt“ stehen für die durchschnittliche Belegungszahl ohne Gefangene der Untersuchungshaft.) Abbildung 3: Auslastung hinsichtlich Langzeitbesuchsdurchführungen

26

Vgl. Fährmann (2019), S. 113 ff.; Barth (2015), S. 77.

230

3. Empirische Untersuchung des Langzeitbesuchs im Jugendstrafvollzug 

(7) Sexualität Die Möglichkeit des Auslebens von Sexualität im Rahmen von Langzeitbesuch ist in den Anstalten JVA Wriezen, JA Hameln und JVA Herford ausdrücklich ge­ stattet. Weshalb die Frage nach der Gestattung von Intimkontakten von den An­ staltsleitungen der JVAen Wuppertal-Ronsdorf und Adelsheim im Fragebogen nicht beantwortet wurde, bleibt offen. Aus meiner vertiefenden Untersuchung in der JVA Wuppertal-Ronsdorf geht jedoch hervor, dass dort Intimkontakte während der un­ beaufsichtigten Besuche gestattet sind.27 In der JVA Zweibrücken sind Intimkon­ takte während der Besuche nicht gestattet. Zusammenfassend zeigt die Untersuchung, dass die Mehrzahl der Justizvoll­ zugsanstalten in Deutschland, in denen junge Gefangene eine Jugendstrafe oder eine Freiheitsstrafe nach § 114 JGG verbüßen, Gefangenen das Ausleben sexueller Bedürfnisse mit Personen von draußen innerhalb der Justizvollzugsanstalt nicht gestatten. Von den 25 Justizvollzugsanstalten, die an der Untersuchung teilgenommen ha­ ben, wird theoretisch in etwa 28 % der Haftplätze die Möglichkeit des Auslebens von Sexualität im Rahmen von Langzeitbesuch vorgesehen.

(Möglichkeit von Sexualität im Rahmen von Langzeitbesuch in Justizvollzugsanstalten, in denen Gefangene eine Jugendstrafe oder eine Freiheitsstrafe nach § 114 JGG verbüßen. Die Daten beziehen sich auf den Zeitraum Juni 2016-Januar 2018) Abbildung 4: Möglichkeit von Sexualität im Rahmen von Langzeitbesuchen im Jugendstrafvollzug in Deutschland

27

Vgl. Abschnitt 3. b) bb).

b) Vertiefende Untersuchung   

231

cc) Zwischenergebnis Nachdem im theoretischen Teil Langzeitbesuche raumsoziologisch, historisch, rechtlich und kriminologisch verortet wurden, liefert dieser Abschnitt erstmals em­ pirische Erkenntnisse über die rechtstatsächliche Situation von Langzeitbesuchen im deutschen Jugendstrafvollzug. Aus der bundesweiten Vollerhebung der Langzeitbesuchssituation in Justiz­ vollzugsanstalten, in denen männliche Gefangene Jugendstrafen oder Freiheits­ strafen nach § 114 JGG verbüßen, folgt, dass im Bundesländervergleich nicht nur rechtlich, sondern auch rechtstatsächlich erhebliche Unterschiede bestehen: Von 25 Anstalten, die an der Untersuchung teilgenommen haben, können Jugend­ strafgefangene theoretisch nur in sechs Langzeitbesuche empfangen, wobei nur vier dieser Anstalten Sexualität im Rahmen von Langzeitbesuch gestatten. De facto haben im Jahr 2015 insgesamt nur etwa 1 % aller Jugendstrafgefangenen in Deutschland Langzeitbesuche erhalten. Damit zeigt diese Untersuchung, dass der Langzeitbesuch als Instrumentarium zur Intensivierung von sozialen Beziehungen und Realisierung von Sexualität in der Praxis des deutschen Jugendstrafvollzugs bisher nicht ernsthaft genutzt wurde. Seitens der Anstaltsleitungen wird dieser Umstand am häufigsten damit begrün­ det, dass diese Besuchsform im Gesetz nicht vorgesehen ist, andere Besuchsformen ausreichen oder bauliche bzw. organisatorische Einschränkungen der Durchfüh­ rung von Langzeitbesuchen entgegenstehen. Außerdem zeigt die Untersuchung, dass bei den wenigen Anstalten, die Langzeitbesuche durchführen, erhebliche Unterschiede hinsichtlich der Dauer, Häufigkeit und der zugelassenen Gefange­ nen- und Besucher*innengruppen zu erkennen sind.

b) Vertiefende Untersuchung in den Justizvollzugsanstalten JA Hameln, der JVA Herford und der JVA Wuppertal-Ronsdorf aa) Methodik Forschungsinteresse und Forschungsfrage Wie im Theorieteil gezeigt, gibt es in der deutschsprachigen Strafvollzugsfor­ schung nur wenige Studien, die sich mit Langzeitbesuchen auseinandersetzen. Die meisten beziehen sich dabei auf die Deskription der Implementierung der un­ beaufsichtigten Besuche im Erwachsenenstrafvollzug.28 Einige wenige Studien haben darüber hinaus Einstellungen von Gefangenen, Angehörigen und Vollzugs­ 28

Vgl. Abschnitt 2. b) ee) (2) (b).

232

3. Empirische Untersuchung des Langzeitbesuchs im Jugendstrafvollzug 

mitarbeiter*innen gegenüber Langzeitbesuch untersucht.29 Einzig Stöckle Niklas (1989) und Buchert et al. (1995) haben in ihren Untersuchungen qualitative Me­ thoden integriert. Für den Jugendstrafvollzug gibt es keine Studien über Langzeitbesuch. Auch hinsichtlich der Themengebiete soziale Außenbeziehungen und Sexualität, die eng mit dem Thema Langzeitbesuch verbunden sind, gibt es nur wenige Studien.30 Außer der Tatsache, dass in der JVA Herford Langzeitbesuche im Jugendstraf­ vollzug durchgeführt werden, lagen bis zum Zeitpunkt dieser Untersuchung in der Literatur keine weiteren Informationen über die Situation dieser besonderen Besuche im Jugendstrafvollzug vor. Die Aufstellung eines theoretischen Konzepts und die Generierung von Vorannahmen bzw. Hypothesen aus dem bisherigen For­ schungsstand bot sich demnach nicht an. Ein standardisiertes Abfragen im Sinne quantitativer Sozialforschung hätte vielmehr dazu führen können, den Befragten nicht geteilte Meinungen oder Absichten zu suggerieren oder aufzuoktroyieren.31 Hinzu kommt, dass in den meisten Studien Daten über soziale Kontakte junger Gefangener eher als „Nebenprodukte“ anzusehen sind, da andere Fragestellungen im Vordergrund standen.32 Die Mehrzahl der Daten, die überhaupt über das so­ ziale Umfeld Jugendstrafgefangener vorliegen, wurden durch Aktenanalysen gene­ riert. Das bedeutet, dass es sich bei diesen Daten um „harte“ statistische Daten han­ delt.33 Die Daten von Boxberg,34 Hosser und Greve,35 Enzmann und Greve,36 die aus dem Projekt „Entwicklungsfolgen der Jugendstrafe“ und dessen Vorläufer „Gefängnis und die Folgen“ des Kriminologischen Forschungsinstituts Nieder­ sachsen e. V. resultieren, sowie Daten von Stelly und Thomas37 wurden zusätz­ lich durch Befragungen gewonnen. Da es sich bei den Interviews in diesen Studien um standardisierte Interviews handelte, die quantitativ ausgewertet wurden, sind diese Daten forschungstheoretisch einem quantitativen Ansatz zuzuordnen. Neben diesen Studien gibt es nur sehr wenige, die sich dem Thema soziale Beziehung junger Gefangener durch qualitative Forschungsmethoden genähert haben. Hierzu zählen Bereswill – mit dem Schwerpunkt der Verarbeitung einer Jugendstrafe38, Vornholt – mit dem Schwerpunkt Sexualität im Jugendstrafvollzug,39 Huck – mit

29

Vgl. Abschnitt 2. b) ee) (2) (c). Vgl. Abschnitt 2. b) cc). 31 Vgl. Lamnek (2005), S. 7. 32 Vgl. Lang (2007); Schindler (1998); Dolde / Grübl (1996); Maetze et al. (1996); Hürlimann (1993); Geissler (1991). 33 Vgl. Lang (2007); Mey / Wirth (1999); Schindler (1998); Dolde / Grübl (1996); Maetze et al. (1996); Dünkel (1992); Geissler (1991). 34 Vgl. Boxberg (2018). 35 Vgl. Hosser / Greve (2003). 36 Vgl. Enzmann / Greve (2001). 37 Vgl. Stelly / Thomas (2011). 38 Vgl. Bereswill (2007), (2006a), (2006b), (2004), (2003). 39 Vgl. Vornholt (2009), (2008). 30

b) Vertiefende Untersuchung   

233

dem Fokus auf jugendliche Intensivtäter40, und Stenger – mit dem Schwerpunkt auf der beruflichen Sozialisation in der Biografie junger Straftäter41. Bei diesen Daten handelt es sich um weichere Daten, die Aussagewert über die Qualität der sozialen Beziehungen besitzen und in denen sich auch das befragte Subjekt mit seinem Empfinden im Zusammenhang mit sozialen Beziehungen widerspiegelt. Da es sich also bei dem Themengebiet Langzeitbesuch um einen noch wenig strukturierten Gegenstandsbereich handelt und es insgesamt sehr wenige qualita­ tive Untersuchungen über soziale Kontakte von Jugendstrafgefangenen gibt, emp­ fahl sich die qualitative Forschung als Exploration.42 Den wissenschaftstheoretischen Hintergrund für qualitativ orientierte Forschung bildet das interpretative Paradigma, das soziale Wirklichkeit als durch Inter­ pretation konstruiert versteht.43 Daraus folgte für die Durchführung dieser qua­ litativen Untersuchung, relativ offen an Akteur*innen des Jugendstrafvollzugs heranzutreten, die vom Themenfeld Langzeitbesuch betroffen sind. Ziel war es insbesondere, durch Interviews erste Erkenntnisse über den bisher unerforschten Untersuchungsgegenstand zu generieren. Das vor der Untersuchung allgemein vor­ liegende Forschungsinteresse am Phänomen Langzeitbesuch wurde durch folgende übergeordnete Fragestellungen konkretisiert und eingegrenzt: Welche subjektive Bedeutung haben Langzeitbesuche und mit dieser Besuchsform verbundene The­ menfelder von sozialen Außenbeziehungen und Sexualität für junge Gefangene, Angehörige und Vollzugsmitarbeiter*innen in Jugendstrafanstalten, die Langzeit­ besuche durchführen? Erhebungsmethode In der vorliegenden Untersuchung sollten vorwiegend Meinungen, Einstellun­ gen und Wissen erfragt werden. Daher boten sich zur Datenerhebung qualitative Interviews an.44 Qualitative Interviews lassen sich definieren als „planmäßiges Vorgehen mit wissenschaftlicher Zielsetzung, bei dem die Versuchsperson durch eine Reihe gezielter Fragen oder mitgeteilter Stimuli zu verbalen Informationen veranlasst werden soll.“45 Wie erwähnt, ergibt sich aus der Besonderheit von Langzeitbesuchen eine Viel­ falt von relevanten Aspekten. Sie sind als besondere Besuchsform unbeaufsichtigt und mehrstündig, durch die Besuche werden soziale Außenbeziehungen erweitert eingebunden, während der Besuche ist das Ausleben von Sexualität möglich usw. Aus diesem Grund empfahl es sich, die Interviewabläufe durch die Verwendung 40

Vgl. Huck (2009). Vgl. Stenger (1984). 42 Vgl. Stenger (1984), S. 90. 43 Vgl. Stenger (1984), S. 35. 44 Vgl. Reinders (2012), S. 84. 45 Scheuch (1967), S. 138. 41

234

3. Empirische Untersuchung des Langzeitbesuchs im Jugendstrafvollzug 

eines Leitfadens zu strukturieren, um sicher zu gehen, dass das Themenspektrum möglichst in seiner Gesamtheit erfasst wird. Die in dieser Untersuchung verwende­ ten Leitfäden wurden thematisch an die jeweiligen Akteursgruppen angepasst, die vom Langzeitbesuch betroffen sind bzw. im Zuge ihrer beruflichen Tätigkeit damit zu tun haben. Die Leitfäden haben gemeinsam, dass sie Erzählaufforderungen, explizit formulierte Fragen und Stichworte für frei formulierbare Fragen enthal­ ten.46 Leitfadeninterviews gehören zu den semistrukturierten Erhebungsformen und bilden einen Metabegriff, unter dem verschiedene Interviewformen subsumiert werden.47 Da Gefangene, Angehörige und Vollzugsmitarbeiter*innen interviewt werden sollten, hatte ich es mit unterschiedlichen Akteursgruppen zu tun. Vollzugsmitarbeiter*innen sind unbestreitbar Expert*innen in Bezug auf den Justizvollzug,48 da sie in vielerlei Hinsicht Verantwortung für den Entwurf, die Implementierung oder die Kontrolle einer Maßnahme übernehmen sowie über einen privilegierten Zugang zu Informationen, zu Personengruppen oder Ent­ scheidungsprozessen verfügen.49 Da bezüglich der Mitarbeiter*innen das Interesse vorwiegend an aus der „Praxis gewonnenem, reflexiv verfügbarem und spontan kommunizierbarem Handlungs- und Erfahrungswissen“50 in Zusammenhang mit Langzeitbesuchen bestand, wurde als Erhebungsmethode das leitfadengestützte Expert*inneninterview ausgewählt. Durch die Erstellung von Interviewleitfäden sollte sichergestellt werden, dass alle mir wichtig erscheinenden Themenbereiche des zu untersuchenden Themenspektrums erfasst werden, um insgesamt „praxisund erfahrungsbezogenes“ sowie „technisches Wissen“ zu erheben.51 Zwar verfügen auch Gefangene über ein gewisses Expertenwissen über das Gefängnis,52 sie unterscheiden sich von den Vollzugsmitarbeiter*innen jedoch dadurch, dass sie und auch ihre Angehörigen in besonderer Weise betroffen und involviert sind: Sie sind gefangen, sie sind von ihren Angehörigen getrennt, sie sind durch die Gefangenschaft von dem Sexualentzug betroffen, ihr Antrag auf Lang­ zeitbesuch kann abgelehnt werden und sie werden von den Bediensteten kontrolliert und bewacht etc. Folglich berichteten sie in den Interviews nicht abstrakt darüber, wie etwas abläuft. Bei ihnen ging es eben nicht vordergründig um die Erhebung von „institutionalisierten Wissensbeständen“, sondern vor allem um „subjektive Konstruktionen und Sinngebungen“.53 Sie standen daher als Personen mit je eige­ nen Voraussetzungen und Problemen im Vordergrund. Für die Gefangenen und ihre Angehörigen wurde als Interviewform daher das problemzentrierte Interview

46

Vgl. Helfferich (2014), S. 560. Vgl. Misoch (2015), S. 65. 48 Vgl. Liebling / Arnold (2004), S. 464. 49 Vgl. Meuser / Nagel (1991), S. 443. 50 Vgl. Bogner / Menz (2002), S. 37. 51 Vgl. Helfferich (2014), S. 571. 52 Vgl. Liebling / Arnold (2004), S. 464. 53 Vgl. Misoch (2015), S. 121. 47

b) Vertiefende Untersuchung   

235

nach Witzel54 ausgewählt, das zu den Leitfadeninterviews zählt.55 Methodologisch ist es dem symbolischen Interaktionismus56 und dem Verfahren der „grounded theory“57 zuzurechnen.58 Die Durchführung des Interviews setzte sich aus einem Kurzfragebogen, einer Tonträgeraufzeichnung, einem Leitfaden und einem Post­ skript zusammen.59 Diese Interviewform wurde als Erhebungsmethode aus mehreren Gründen aus­ gewählt: Sie eignet sich, die „Fragestellung auf dem Hintergrund subjektiver Be­ deutungen, vom Subjekt selbst formuliert, zu eruieren.“60 Zudem kommen die Be­ fragten relativ frei zu Wort, während das Gespräch gleichzeitig auf eine bestimmte Problemstellung zentriert ist.61 Da bis zu meiner Untersuchung sehr wenige In­ formationen hinsichtlich Langzeitbesuch im Jugendstrafvollzug vorlagen, war es notwendig, die Befragten frei zu Wort kommen zu lassen, um den explorativen Charakter beizubehalten. Da sich der Untersuchungsgegenstand gleichzeitig durch verschiedene Themenfelder strukturieren ließ und es einige Studien zu Langzeit­ besuchen im Erwachsenenstrafvollzug gibt,62 war der Untersuchungsgegenstand nicht vollständig unbekannt. Demzufolge konnte mein Vorwissen explizit gemacht, die Problemstellung relativ klar umrissen und durch gezielte Fragen zu bestimm­ ten Themenkomplexen, die durch Leitfäden zusammengefasst wurden, strukturiert werden.63 Darüber hinaus eignen sich problemzentrierte Interviews für Untersu­ chungen mit jungen Menschen, da die klare Umgrenzung eines Themenbereichs es Interviewten erleichtert, ihre Gedanken auf einige wenige Aspekte zu lenken. Zudem müssen sie aufgrund des Leitfadens nicht durchgängig selbststrukturiert erzählen.64 Die Leitfäden wurden für die erste Interviewdurchführung in der JVA Herford konzipiert. Neue Erkenntnisse, die durch die ersten Interviews dort gewonnen wurden, flossen in die Konzeption der Leitfäden für die Folgeuntersuchungen in der JVA Wuppertal-Ronsdorf und der JA Hameln mit ein. Somit wurden die Leit­ fäden prozesshaft entwickelt und entsprechen damit den im problemzentrierten Interview geforderten Standards.65

54

Witzel (1982). Reinders (2012), S. 101. 56 Blumer (1969). 57 Glaser / Strauss (1967). 58 Vgl. Reinders (2012), S. 101. 59 Vgl. Witzel (2000). 60 Mayring (2002), S. 69. 61 Vgl. Mayring (2002), S. 67. 62 Vgl. Abschnitt 2. b) ee) (2). 63 Vgl. Reinders (2012), S. 101. 64 Vgl. Reinders (2012), S. 106 f. 65 Vgl. Misoch (2015), S. 72. 55

236

3. Empirische Untersuchung des Langzeitbesuchs im Jugendstrafvollzug 

Populationsauswahl Anstelle statistischer Repräsentativität steht bei der qualitativen Sozialforschung das Typische im Vordergrund.66 Da im deutschen Jugendstrafvollzug nur sehr we­ nige Gefangene überhaupt Langzeitbesuche erhalten können,67 ergab sich die Aus­ wahl der Untersuchungspersonen fast von selbst. Demnach wurde versucht, mit allen Gefangenen zu sprechen, die während des Untersuchungszeitraums in den Justizvollzugsanstalten mit Langzeitbesuch die besonderen Besuche erhalten. Da in drei dieser Anstalten zum Zeitpunkt der Untersuchung keine Gefangenen waren, die Langzeitbesuche erhalten, kamen diese Anstalten nicht in Frage. In den Anstal­ ten JVA Herford,68 JVA Wuppertal-Ronsdorf69 und JA Hameln70 wurde versucht, mit so vielen Gefangenen wie möglich Interviews zum Themenspektrum Lang­ zeitbesuch zu führen. In der JA Hameln konnten Interviews mit fünf Gefangenen geführt werden, die Langzeitbesuche erhalten. Darüber hinaus erhielt ich nach der Datenerhebung von einem weiteren Gefangenen, der Langzeitbesuche erhält, einen handschriftlich geschriebenen und anonym verfassten Brief, den ich abtippte und dessen Transkript auch in die Auswertung Eingang gefunden hat. In der JVA Wuppertal-Ronsdorf konnte ich mit vier Gefangenen Interviews führen, von denen drei Langzeitbesuche erhalten und einer eine Zulassung zum Langzeitbesuch hatte, die ihm aber zum Zeitpunkt der Interviewdurchführung aufgrund einer positiven Urinkontrolle in Bezug auf Cannabis erstmal wieder ent­ zogen worden war. In der JVA Herford konnten sechs Interviews mit Gefangenen geführt werden. Drei von ihnen erhielten Langzeitbesuch. Einer wurde zugelassen und wartete zum Zeitpunkt der Interviewdurchführung auf seinen ersten. Zwei Gefangene erhielten keinen Langzeitbesuch. Insgesamt wurden also Interviews mit elf Gefangenen geführt, die Langzeitbe­ such erhalten. Vier weitere Interviews wurden mit Gefangenen geführt, die keine Langzeitbesuche erhalten. Gefangene ohne Langzeitbesuch sind für meine Unter­ suchung relevant, da ich mich auch für ihre subjektiven Einstellungen gegenüber dem Themenspektrum Langzeitbesuch interessiere und gegebenenfalls Kontraste im Blick auf relevante Themenfelder zwischen Gefangenen mit und ohne Lang­ zeitbesuch herauszuarbeiten sind. Die Auswahl „geeigneter“ Gefangener wurde von den Anstalten übernommen. Mir liegen weder Informationen vor, nach welchen Kriterien die Gefangenen schlussendlich ausgewählt wurden, noch aus welchen Gründen infrage kommende Gefangene nicht an meiner Untersuchung teilnahmen.71 Seitens der Anstalten 66

Vgl. Lamnek (2005), S. 186. Vgl. Abschnitt 3. a) bb) (2). 68 Belegungszahl zum Zeitpunkt der Untersuchung ohne Untersuchungshaft: 156. 69 Belegungszahl zum Zeitpunkt der Untersuchung ohne Untersuchungshaft: 307. 70 Belegungszahl zum Zeitpunkt der Untersuchung ohne Untersuchungshaft: 320. 71 Zu methodischen Einschränkungen in der Praxis deutscher Strafvollzugsforschung: Bäumler et al. (2018), S. 219. 67

b) Vertiefende Untersuchung   

237

wurde es mir nicht ermöglicht, vor der Befragung einen Informationstermin zu ver­ anstalten, an dem ich mich persönlich und mein Forschungsvorhaben hätte vorstel­ len können. Dieser wäre aber notwendig gewesen, um die jungen Gefangenen von der Relevanz meiner Forschung und – insbesondere bei dem sensiblen Themenfeld Langzeitbesuch – meiner Vertrauenswürdigkeit zu überzeugen. Die Situation der Gefangenschaft nämlich führt dazu, dass Gefangene der „Justiz“ misstrauen und sie die Weitergabe von Daten sowie Sanktionen durch Vollzugsmitarbeiter*innen oder der Anstaltsleitungen fürchten, die nach ihrer Wahrnehmung aus der Teil­ nahme an Forschung folgen könnten.72 Es ist Forscher*innen kaum möglich, das in den Gefangenen tief sitzende Misstrauen der Institution gegenüber durch eine kurze „Warm-Up“-Phase vor dem Interview beim erstmaligen Kennenlernen ab­ zubauen und den Gefangenen zu verdeutlichen, dass man nicht Teil des Strafvoll­ zugssystems ist. Mein Ziel, so viele Angehörige wie möglich zu interviewen, die zu Langzeit­ besuchen in die Anstalten kommen, erwies sich in der praktischen Umsetzung als äußerst schwierig. In der JVA Herford erklärte sich keine angehörige Person bereit, ein Interview mit mir zu führen. In der JVA Wuppertal-Ronsdorf erklärten sich zwei Partnerinnen bereit, ein Telefoninterview mit mir zu führen. In der JA Hameln erklärten sich eine Mutter und eine Freundin bereit, mit mir ein Telefoninterview zu führen. Insgesamt konnten immerhin Interviews mit vier angehörigen Personen geführt werden. Die geringe Bereitschaft zur Teilnahme an den Interviews könnte einerseits auf das bereits angesprochene Misstrauen der „Justiz“ gegenüber zurück­ zuführen sein, das auch bei Angehörigen vorliegt und auf Forschende, wenn auch in geringerem Maße, übertragen wird.73 Andererseits kann davon ausgegangen werden, dass es Angehörigen von Gefangenen unangenehm ist, mit einem „frem­ den“ Menschen (anderen Geschlechts) über sensible Themen wie Gefangenschaft, Langzeitbesuch und Sexualität zu sprechen. Mit Blick auf Befragungen der Vollzugsmitarbeiter*innen habe ich die Perso­ nen ausgewählt, die mit dem Themenspektrum Langzeitbesuch in der jeweiligen Anstalt besonders vertraut waren. Die verschiedenen Professionen des Jugend­ strafvollzugs wurden abgebildet, indem Interviews mit Personen aus dem All­ gemeinen Vollzugsdienst und dem Sozialen Dienst sowie in einem Fall mit der Anstaltsleitung geführt wurden. In der JVA Herford wurden die Anstaltsleitung, ein Bediensteter aus der Besuchsabteilung, ein Bediensteter aus dem Bereich Si­ cherheit und Ordnung, ein Sozialarbeiter und ein Psychologe interviewt. In Wup­ pertal-Ronsdorf waren es ein Bediensteter aus der Besuchsabteilung und ein Mit­ arbeiter aus dem Sozialen Dienst. In Hameln wurden zwei Sozialarbeiter und eine Bedienstete aus der Besuchsabteilung interviewt. Insgesamt wurden Interviews mit zehn Expert*innen geführt.

72 73

Vgl. Bäumler et al. (2018), S. 215 ff. Vgl. Comfort (2008); Comfort (2009).

238

3. Empirische Untersuchung des Langzeitbesuchs im Jugendstrafvollzug 

Datenauswertung Die Auswertung der Interviews folgt der qualitativen Inhaltsanalyse nach May­ ring,74 da sie sich für eine systematische, theoriegeleitete Bearbeitung von Text­ material besonders gut eignet.75 Sie stellt eine Methode der Auswertung fixierter Kommunikation (z. B. Texte) dar, eine Methode, die mittels eines Sets von Ka­ tegorien systematisch, regel- und theoriegeleitet vorgeht und sich an Gütekrite­ rien misst.76 Nach Mayring werden bei der Inhaltsanalyse allgemein zehn Stufen durchlaufen: Festlegung des Materials (1), Analyse der Entstehungssituation (2), formale Charakterisierung des Materials (3), Richtung der Analyse (4), theoriege­ leitete Differenzierung der Fragestellung (5), Bestimmung der Analysetechnik (6), Definition der Analyseeinheit (7), Analyse des Materials (8), Interpretation (9) und Anwendung der inhaltsanalytischen Gütekriterien.77 Von den drei Grundformen der qualitativen Inhaltsanalyse78 gilt die inhaltlichstrukturierende Inhaltsanalyse als „Kern“ einer qualitativen Inhaltsanalyse. Bei dieser Analyseform werden am Material ausgewählte inhaltliche Aspekte identi­ fiziert sowie konzeptualisiert, und das Material wird im Hinblick auf solche As­ pekte systematisch beschrieben. Folgende Schritte sind bei der inhaltlich-struktu­ rierenden Inhaltsanalyse zu durchlaufen: Sich vertraut machen mit dem Material, Ableitung von Oberkategorien aus der Fragestellung / dem Interviewleitfaden, Be­ stimmen von Fundstellen bzw. Kodiereinheiten, Entwicklung von Unterkategorien und Kategoriendefinitionen, Erprobung des Kategoriensystems, Modifikation, Kodieren des gesamten Materials mit dem überarbeiteten Kategoriensystem und Ergebnisdarstellung, Interpretation sowie Beantwortung der Forschungsfrage.79

bb) Auswertung Im Folgenden werden die Ergebnisse der qualitativen Untersuchung dargestellt. Dabei wird nach den drei Akteursgruppen Gefangene, Angehörige und Vollzugs­ mitarbeiter*innen unterschieden. Zudem werden die Ergebnisse entlang von The­ menblöcken sowie den von mir gebildeten Ober- sowie Subkategorien und Merk­ malen aufgeführt.

74

Mayring (1983); Mayring (1985); Mayring (2002). Vgl. Mayring (2002), S. 121. 76 Vgl. Mayring / Brunner (2009), S. 673. 77 Vgl. Mayring (2010), S. 60. 78 Vgl. Mayring (2002), S. 115. 79 Vgl. Schreier (2014). 75

b) Vertiefende Untersuchung   

239

(1) Jugendstrafgefangene Zunächst wird es um das Themenfeld soziale Außenbeziehungen aus Sicht der Gefangenen gehen. Dabei wird thematisiert, welche Auswirkungen die Gefan­ genschaft auf die Beschaffenheit von sozialen Außenbeziehungen hat und welche Bedeutung Außenkontakte während der Gefangenschaft für junge Gefangene ha­ ben. Im Anschluss daran werden Erfahrungen, die junge Gefangene in Bezug auf reguläre Besuche gemacht haben, mit Erfahrungen hinsichtlich Langzeitbesuch verglichen. In diesem Zusammenhang wird auch das Themenfeld Sexualität im Jugendstrafvollzug in den Fokus genommen. Wohnsituation und familiäre Verhältnisse vor der Gefangenschaft Die hier interviewten Gefangenen wohnten vor der Gefangenschaft entweder alleine, bei ihren Eltern, gemeinsam mit ihrer Partnerin oder bei Freund*innen. Ihr soziales Umfeld setzt sich überwiegend aus Eltern, Geschwistern, Partnerinnen und entfernten Verwandten zusammen. Kontaktintensität Neben Besuchen halten die Jugendstrafgefangenen durch Telefonate und Briefe Kontakt zu ihren sozialen Umfeldern. Die Kontaktintensität variiert dabei zwi­ schen den einzelnen Gefangenen und den jeweiligen Angehörigen. Am intensivsten scheint insgesamt der Kontakt zur engen Familie und der Partnerin auszufallen. Kontakte zu Freund*innen hingegen finden deutlich seltener statt. „D. h. meine Eltern, meine Geschwister, meine Tanten, mein Onkel, meine Großeltern, meine Cousinen, Cousins und das war’s. Ich habe zwar noch zu Kollegen auch Kontakt, aber das ist halt weniger, also die kommen mich seltener besuchen sozusagen.“ (Gefangener 1, JVA W.) „Mit meiner Frau und meinen Kindern. Ich telefonier jeden Abend mit denen, schreibe ihr dreimal pro Woche einen Brief, da habe ich den meisten Kontakt zu.“ (Gefangener 1, JVA H.)

Auswirkung der Gefangenschaft auf soziale Beziehungen Grundsätzlich hat der Kontakt zu Angehörigen einen hohen Stellenwert für Ju­ gendstrafgefangene. Dementsprechend wird die Kontakt-Deprivation als schwierige Situation wahrgenommen. „Schlimm, auf jeden Fall, weil vorher wie mit meiner Freundin z. B. da war ich ja täglich mit der zusammen und dann auf einmal von einen Tag auf den anderen ist sie nicht mehr da neh […].“ (Gefangener 2, JVA H.) „[…] wenn die Geburtstag haben oder ich Geburtstag habe oder Weihnachten oder Silvester, da ist das halt ganz schlimm, da liegt man auch mal im Bett und denkt über alles nach, was

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3. Empirische Untersuchung des Langzeitbesuchs im Jugendstrafvollzug 

passiert ist, was man der Familie angetan hat, als man draußen war, wie man halt war, ob man eh die Zeit zurückdrehen könnte, wenn man das machen könnte und all sowas.“ (Gefangener 4, JVA H) „Ja, die ersten drei vier Monate war schwierig, ich konnte nicht schlafen, ich hatte Schlaf­ probleme ich habe viele schlechte Träume gehabt.“ (Gefangener 3, JVA W)

Auf die Kontakt-Deprivation reagieren Jugendstrafgefangene mit Gefühlen wie Unmut, Wut, und Trauer. Zudem geben sie an, dass sie ihre Angehörigen während der Gefangenschaft vermissen. „ehm, (Pause), einerseits beschissen (Pause) ja was heißt einerseits, also ich find’s scheiße eigentlich, weil meine Familie bedeutet mir alles. Und dann hier drinne eingesperrt zu sein und sie dann immer nur beim Besuch zu sehen, ist auch nicht gerade so das Wahre neh.“ (Gefangener 1, JVA H.) „[…] weil es fehlt was, mann es bedrückt auch einen so, ich sag mal, man ist dann traurig.“ (Gefangener 3, JA H.) „Dieses ist allgemein sone Sache hier, natürlich haste schon Rechte hier näh, aber die sind sehr, sehr stark eingeschränkt und so und wenn ich denke, ey, ich kann nicht mit meiner Familie reden, wenn ich will und so neh, tut schon weh.“ (Gefangener 3, JVA H.)

Die Beschränkung von Außenkontakten hat Auswirkungen auf die Außenbezie­ hungen der Gefangenen. Viele Jugendstrafgefangene berichten von Kontaktverringerungen und Kontaktabbrüchen während der Gefangenschaft. Insbesondere zu Freundeskreisen scheint der Kontakt abzubrechen, da sich alte Freund*innen, wie Gefangene berichten, mit Beginn der Gefangenschaft nicht mehr melden. Ein Ge­ fangener berichtet zudem, dass sich seine Freundin aufgrund der Gefangenschaft von ihm getrennt hat. „Meine Kollegen sind so, die kommen und gehen und das merkt man hier drinne erst recht. Man sieht das halt, dass von den Leuten, von den man erwartet hat, dass sie auf jeden Fall kommen werden, dass die dann einfach nicht kommen und sich nicht melden.“ (Gefangener 1, JVA W.) „Das sind falsche Freunde, anders kann ich mir das nicht erklären. So draußen, das sind Kollegen so, wenn man etwas hat, sind die mit dir und wenn man nichts mehr hat, ist das dann halt nicht mehr der Fall. Wie sagt man so schön: Aus den Augen aus dem Sinn. Und das kommt hier zum Vorschein.“ (Gefangener 1, JVA W.) „Natürlich man hat gesehen, man dachte man hat 1000 Freunde, aber sind nicht viele so im Endeffekt […] und ich habe von ein paar Leuten Besuch, kann man an einer Hand abzählen, die auch nicht regelmäßig und so.“ (Gefangener 4 JVA W.) „Also grundsätzlich sind das, also ich sag jetzt im Nachhinein nenn ich das Kollegen, also früher das sind Leute, die sich früher Freunde genannt haben mit denen man mehr oder we­ niger fast den ganzen Lebenszeitraum verbracht hat und dann ist man in Haft, nicht mal ein Brief kommt, gar nichts kommt so.“ (Gefangener 2, JA H.) „Also ich muss ganz ehrlich sagen, bei mir ist gerade auch eh ich sag mal die Trennung, die ist jetzt also unsere Trennung durch meine Ex Lebensgefährtin und unsere Kinder auch ist jetzt erst vor kurzem gewesen […]. Wir haben eine Beziehung über sieben Jahre geführt

b) Vertiefende Untersuchung   

241

[…] Naja ehm natürlich war ein Punkt natürlich die Haft, klar, gar keine Frage. Aber ich denke ein anderer Punkt war es auch so gewesen, dass ja ich weiß also dieser ganze Grund der hat sich irgendwie noch nicht so richtig aufgeklärt, vielleicht ist jemand Neues ja. Ja das ist halt, das ist halt von heute auf morgen von ihr so ich sag mal entschlossen worden und ja das ist halt ein bisschen komisch nach sieben Jahren und so neh. Ich sag mal, wir kennen uns ein Drittel unseres Lebens und einen Menschen den so schnell einfach so abschießen ja.“ (Gefangener 3, JA H.)

Auf die als passiv erlebte Trennung reagieren Gefangene auf unterschiedliche Weise. Einige fühlen sich im Stich gelassen und erleben die Trennung als belas­ tendes Ereignis, auf das sie teilweise mit Unverständnis reagieren. „[…] weil klar der Knast ist hart, aber trotz allem finde ich, ich bin ja trotzdem noch da und ich habe ja trotzdem ich habe meine Freunde, ich war für die immer früher da und jetzt durch den Knast gar nichts mehr nicht ein Brief, gar nichts.“ (Gefangener 2, JA H.) „Ja warum nicht, das ist immer so die Frage, die man sich auch selber stellt als Inhaftier­ ter eh. Ich denke mal einfach, dass das Interesse von einem dann auch nicht so groß ist an einem, sag ich mal oder die Freundschaft dann gar nicht so war, wie man immer gedacht hat, wo sie draußen war. Weil ich sag mal ne 70 Cent Briefmarke hat eigentlich jeder mal übrig oder 5 Minuten abends mal für einen Brief schreiben, wenns nur drei Zeilen sind neh.“ (Gefangener 3, JA H.)

Andere können der Trennung positive Aspekte abgewinnen, da sie jetzt wenigs­ tes Klarheit darüber haben, wer ihre „wahren“ Freund*innen sind. Neben Gefangenen, die von ihren sozialen Umfeldern verlassen wurden, gibt es auch Gefangene, die aktiv den Kontakt zu ihnen nahestehenden Personen abbrechen. „Also mit den alten Leuten sag ich mal, mit dem Klientel, mit dem ich mich befasst habe in der kriminellen Phase hab ich nichts mehr zu tun, also da hab ich mich komplett abgewandt.“ (Gefangener 3, JVA H.) „Ich habe mich dazu entschieden und hab gesagt, ey so und so, du lebst dein Leben und ich leb mein Leben.“ (Gefangener 3, JVA H.)

In Bezug auf die Veränderung der Beziehungsqualität gibt es verschiedene Wahrnehmungsmuster. Einige erleben Verbesserungen der Beziehungen im Zu­ sammenhang mit der Gefangenschaft. Sie berichten von der Wiederaufnahme des Kontaktes zu Personen wie „alten Freunden“. Sie erleben zudem Beziehungen als stabilisiert, gestärkt und intensiver. Für viele Gefangene führt die Gefangenschaft zur Wiederentdeckung und vor allem Wertschätzung ihrer Beziehungen. „[…] aber bei Familie weiß ich ganz genau, das ist meine Familie und sie wird für mich immer da sein und deswegen, das ist halt man weiß das viel mehr zu schätzen, man lernt also, das ist nicht selbstverständlich, dass die Personen von außerhalb herkommen, für vier Stunden und mit einem die Zeit verbringen.“ (Gefangener 2, JA H.) „[…] man hat ganz, ganz andere Perspektiven, z. B. früher, weiß ich nicht, ich war immer am Alkohol saufen, heute würde ich alles andere tun außer Alkohol saufen, früher man war

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3. Empirische Untersuchung des Langzeitbesuchs im Jugendstrafvollzug 

jeden Tag auf der Straße sozusagen, heute würde ich alles dafür geben, dass ich mal mit meiner Familie einen Tag richtig draußen sein kann.“ (Gefangener 2, JA H.) „Damals habe ich nicht so auf die geachtet oder nicht das wertgeschätzt, was ich hatte neh, mit der Familie und der Verlobten, Freundin, und heute bin ich hier und man schätzt wieder kleine Dinge […]. Jetzt schätze ich das auch, dass ich hier sitze seit einem Jahr und zwei Monaten und die trotzdem noch zu mir halten und immer hier sind.“ (Gefangener 1, JA H.) „Da habe ich das ja das erste Mal gesehen, wie das ist, wenn man inhaftiert ist, und wie sich das abspielt mit der Familie, so das hat mir da schonmal die Augen geöffnet, sodass ich in diesen vier Monaten als ich draußen war mich mehr auf meine Familie konzentriert habe und ganz viel Sachen meiner Familie auch geholfen habe und sie unterstützt habe.“ (Gefangener, 1 JVA W.) „So das hat mir hier nochmal die Augen geöffnet, weil draußen habe ich weniger Zeit mit meiner Familie verbracht, als ich das in Zukunft machen werde. Man sieht ja auch, nur die Familie steht hinter einem, wenn man einen steinigen Weg hat. Weil die Kollegen, wie gesagt, die kommen und gehen.“ (Gefangener 1, JVA W.) „Die ist besser geworden, wir sind enger zusammengerückt.“ (Gefangener 1, JVA W.) „Die ist eher, teilweise zu meinen Geschwistern ist sie besser geworden, weil ich hatte drau­ ßen nicht wirklich viel Kontakt zu meinen Geschwistern, hierdurch hat sich das n bisschen gefestigt, sag ich mal.“ (Gefangener 2, JVA H.)

Die Mehrzahl der Gefangenen erlebt negative Beziehungsveränderungen wäh­ rend der Gefangenschaft. Sie haben das Gefühl, nicht mehr am Leben ihrer Liebs­ ten teilnehmen zu können und sich aufgrund der Kontaktreduzierung auseinander­ zuleben. Die ungewisse Situation ruft Verlustängste hervor. „Ich hatte auch in der Anfangszeit Angst darüber, dass ich meine Freundin verliere, weil ich halt nicht mehr da bin, sie ist ein junges Mädchen, sie ist hübsch, wat soll ich sagen, hat ich Angst neh.“ (Gefangener 1, JA H.)

Bedeutung des Kontaktes zu Personen von draußen In den Interviews zeigen sich verschiedene positive Auswirkungen, von denen Gefangene im Zusammenhang mit Außenkontakten berichten. Kontakt zu An­ gehörigen ruft Freude in ihnen hervor und trägt zum psychischen Wohlbefinden während der Gefangenschaft bei. Die durch die Familie erlebte Unterstützung hat für Gefangene einen sehr großen Stellenwert, da sie dadurch Hoffnung für die Zu­ kunft schöpfen können und sich emotional gestärkt fühlen. Für einige Gefangene scheinen Außenbeziehungen entscheidend dafür zu sein, die Zeit der Gefangen­ schaft überhaupt überstehen zu können. „Ja, weil man dann, wenn man ganz alleine wäre, hätte man nur noch Stress so. So wenn man mal nen Brief oder Besuch kriegt, man freut sich, dass man mal wieder jemanden Vertrautes sieht.“ (Gefangener 6, JVA H.) „Das hat ne sehr große Bedeutung für mich, ohne meine Familie wüsste ich gar nicht, was ich hier machen sollte. Also ich würde hier gar nicht klar kommen.“ (Gefangener 1, JVA W.)

b) Vertiefende Untersuchung   

243

„So meine Familie gibt mir Kraft, gibt mir Hoffnung, stärkt mir den Rücken. Steht immer zu mir, auch draußen kann ich mir das gar nicht vorstellen ohne meine Familie. Geht nicht, ohne Familie geht auf keinen Fall. Familie ist das wichtigste in meinem Leben. Geht vor alles.“ (Gefangener 1, JVA W.) „Das hat für mich ne große Bedeutung, weil die mich von draußen auch unterstützen.“ (Gefangener 5, JVA H.) „Also Familie hält stark.“ (Gefangener 3, JVA W.) „Ohne Familie wäre ich vielleicht hier aufn Boden zugrunde gegangen so, also die geben mir Kraft, Schutz, die geben mir eigentlich alles, also ohne Familie wäre das eigentlich viel schwieriger.“ (Gefangener 3, JVA W.)

Darüber hinaus stellen Angehörige einen Anknüpfungspunkt für die Zeit nach der Entlassung dar. In Bezug auf das Verhalten während und nach der Gefangen­ schaft von Jugendstrafgefangenen scheinen Angehörige als Ansporn für norm­ konformes und kooperatives Verhalten zu fungieren. „Dass, wenn ich rauskomme, ich halt was habe, wo ich wieder hingehen kann.“ (Gefangener 4, JVA H.) „Also wenn ich glaub ich hier gar keinen hätte, mit dem ich Schreiben könnte, mit dem ich telefonieren oder gar keinen Besuch hätte, dann würd ich glaub ich depressiv werden, aber vom Allerfeinsten sag ich mal. Ich glaub, dann würd ich nur noch in meiner Zelle, da wär ja gar nichts mehr. Dann weiß man auch, draußen wartet auf einen wirklich gar nichts und dann fragt man sich, warum soll man dann überhaupt noch draußen bleiben, sag ich mal neh.“ (Gefangener 2, JVA H.) „Und wenn ich jetzt nichts hätte, ich glaub ich würd wieder kriminell werden.“ (Gefangener 4, JVA H.) „Bedeutung bedeutet so für mich, also ich mache meinen Haftalltag hier drinne ähm (lacht leicht) zu hundert Prozent lupenrein, würde ich mal sagen. Ich tue es alles für meine Familie, dass ich wieder schnellst möglich aus der Haft entlassen werde, d. h. beziehungsweise ich absolviere psychologische Gruppen, ich mach diverse Projekte mit, um resozialisiert zu werden. Äh ja und das tue ich halt alles teilweise für mich, aber das meiste tue ich für meine Familie, dass ich meine Familie wiedersehen kann schnell.“ (Gefangener 1, JVA H.) „Viel, das gibt mir viel, wenn ich jetzt wüsste, ich habe draußen nichts so, dann weiß ich nicht, ob ich so alles so durchziehen würde jetzt auch mit der Therapie hier und so neh. Das ist so im Hinterkopf so, wenn normal mach ich das auch für mich so neh, ist natürlich am wichtigsten für mich selber, aber Familie ist auch großer Wert für mich so neh. Und ich ma­ che das zum Teil auch für die und so neh. Für meine Freundin auch, weil die wieder wartet und seit zwei Jahren wartet und so neh, das ist nicht so oft so neh.“ (Gefangener 4, JVA W.)

Wie bereits im theoretischen Teil mehrfach aufgezeigt, nehmen auch die hier interviewten jungen Gefangenen ambivalente Einflüsse wahr, die von ihren so­ zialen Umfeldern ausgehen. „Ich ertrag das mit meinen Eltern so lange nicht neh, meine Mama, kommt immer hier hin, macht mich 90 Minuten lang fertig und dann haut sie wieder ab.“ (Gefangener 1, JA H.)

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3. Empirische Untersuchung des Langzeitbesuchs im Jugendstrafvollzug 

„Also mit denen, mit denen ich abgeschlossen habe, die hätten mir vielleicht jetzt mal Pro­ bleme gemacht, wenn ich mal wieder rausgekommen wäre.“ (Gefangener 3, JVA W.)

Reguläre Besuche Wie bereits erwähnt, können Jugendstrafgefangene mindestens vier Stunden im Monat reguläre Besuche empfangen, die in der Regel in Gruppenbesuchsräumen stattfinden. Der Personenkreis besuchender Personen reicht bei den hier interview­ ten Gefangenen von nur einem Besucher (Betreuer des Gefangenen) bis zu sehr vielen Besucher*innen. Gefangene, die über ein großes soziales Umfeld verfügen, stehen vor der Herausforderung, ihr Besuchskontingent auf die verschiedenen An­ gehörigen aufzuteilen, da während der Besuche immer nur eine begrenzte Anzahl an Besucher*innen gleichzeitig anwesend sein darf. „In erster Linie, weil ich denen das gesagt habe, so ich möchte hier mehr meine Familie sehen als meine Kollegen. Das ist auch so geregelt, dass meine Familie mich dreimal im Monat besucht, obwohl ich vier Besuchstermine habe, und den vierten Besuchstermin lassen die in der Regel frei, falls mich jemand besuchen kommen möchte.“ (Gefangener 1, JVA W.)

Hinsichtlich der Besuchsgestaltung werden die regulären Besuche genutzt, um sich gegenseitig auf dem Laufenden zu halten, Zukunftspläne zu schmieden, An­ gelegenheiten von draußen zu regeln, mit den Kindern zu spielen sowie Zärtlich­ keiten auszutauschen (Küssen, Umarmungen, „Händchen halten“). Einerseits sind reguläre Besuche für die jungen Gefangenen ein hohes Gut und werden als Ausnahmen im Gefängnisalltag wahrgenommen. Sie verbinden diese mit positiver Aufregung und Freude. Zudem ermöglichen sie Jugendstrafgefange­ nen, Außenkontakte aufrecht zu erhalten. Insbesondere schätzen sie an Besuchen, Bedürfnisse nach Nähe und körperlichem Kontakt ausleben zu können. Darüber hinaus scheinen Besuche sich positiv auf das psychische Wohlbefinden von jungen Gefangenen auszuwirken. „Also, wenn ich hier in dem Warteraum bin, ja ich fühle mich so wie ein kleines Kind, ich freue mich auf meine Familie.“ (Gefangener 3, JVA W.) „[…] man sieht die Familie nicht, man hat sie halt nur am Telefon, man redet mit denen per Telefon. Aber so halt anfassen, sehen, Händchen halten, das ist halt spüren, dass sie halt noch da sind, das ist halt besonders schön.“ (Gefangener 4, JVA H.) „dass ich sag mal mein Sohn ist zwei Jahre alt meine Tochter ist jetzt sechs Monate fast und ehm ja, dass das halt auch aufrecht erhalten bleibt der Kontakt, dass meine Kinder auch wissen, dass ich ihr Vater bin.“ (Gefangener 3, JA H.) „Ich will halt meine Familie nicht verlieren und das tut mir halt auch gut, wenn die mich besuchen kommen.“ (Gefangener 4, JVA H.) „Das eh macht auch manchmal den Kopf frei, man hat Stress, kein Bock mehr, man sieht mal jemanden Vertrautes, unterhält sich ein bisschen, lässt alles raus. Schon gutes Gefühl ja.“ (Gefangener 6, JVA H.)

b) Vertiefende Untersuchung   

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Andererseits empfinden Gefangene vor allem die Verabschiedung nach abgelau­ fener Besuchszeit und die mit ihr verbundene Rückkehr in den Gefängnisalltag als emotional sehr belastend. Mit zunehmender Haftdauer scheinen einige allerdings besser mit der Besuchssituation zurechtzukommen. „[…] weil ich die jedes Mal wieder gehen lassen muss und ich weiß, ich gehe wieder in mein Loch neh.“ (Gefangener 1, JA H.) „Traurig, weil ich weiß, die gehen wieder raus und ich muss hier allein, das ist traurig.“ (Gefangener 5, JVA H.) „Ja relativ entspannt so, das hat die Zeit auch mit sich gebracht neh. Am Anfang […] ist n bisschen komisch, wenn die jetzt kommen und so, sind traurig oder vielleicht, weint dann mal jemand oder so näh, das war schon so eine angespannte Situation, aber mittlerweile nach den Jahren relativ normal sag ich mal geworden neh.“ (Gefangener 3, JVA H.)

Zudem finden Gefangene, dass die Besuchszeit zu kurz ist und sie deshalb wäh­ rend der Besuche Zeitdruck verspüren. Außerdem empfinden sie die Abstände zwischen den Besuchen als zu lang und die Häufigkeit der Besuche insgesamt als zu gering. Auch das Untersagen von körperlicher Nähe und privater Kleidung während des Besuches werden als störend wahrgenommen. „[…] weil ich sag mal zum normalen Besuch, man hat diesen enormen Zeitdruck, neunzig Minuten man sitzt vor der Uhr da ist eine riesen große Uhr im Besuchsraum und eh die neunzig Minuten, die sind so schnell vorbei, dass wenn der Besuch vorbei ist, hat man immer noch einhundert Fragen oder einhundert Antworten, die man gerne geben möchte, aber die Zeit ist um so und, ist halt immer ein ekliges Gefühl, wenn man diesen Zeitdruck verspürt.“ (Gefangener 3, JA H.) „[…] da ist das halt schon schlimm, dass man halt nicht richtig Knutschen kann und sowas neh, sich in den Arm nehmen kann so lange wie man will, das ist halt schon schlimm.“ (Gefangener 4, JVA H.)

Ein besonderes Themenfeld stellen die Aspekte Überwachung und Privatsphäre insbesondere während der regulären Besuche dar. Grundsätzlich sind sich die Ge­ fangenen bewusst, dass sie allgemein während der Gefangenschaft und speziell während der Besuchsinteraktionen beaufsichtigt werden. „Wenn ich meine Gardine zuziehe und mich in mein Bett lege, weil die Kameras, die schielen mir in die Zelle rein.“ (Gefangener 3, JVA H.) „Dieser Raum wird permanent videoüberwacht, ich weiß nicht, ob das auch akustisch ist, da habe ich keine Ahnung von. […] auf jeden Fall […], das findet in einem Raum statt, wo man uns die ganze Zeit sehen kann.“ (Gefangener 1, JVA H.)

Auf die Anwesenheit von Bediensteten sowie anderen Gefangenen und deren Angehörigen reagieren die Gefangenen unterschiedlich. Viele empfinden die feh­ lende Privatsphäre als äußerst störend und fühlen sich durch die Anwesenheit an­ derer Personen gehemmt. „Ja bisschen stressig für mich, weil ich mag das nicht, wenn z. B. andere Gefangene mit ihren Familien da sitzen und dann die ganze Zeit hat man das Gefühl, die beobachten einen und

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3. Empirische Untersuchung des Langzeitbesuchs im Jugendstrafvollzug 

denkt dann so, warum guckst du die ganze Zeit so, was los mit dir, […] da kriegt man die ganze Zeit so dieses Gefühl, der beobachtet einen […].“ (Gefangener 1, JVA H.) „Ist dann schon ziemlich nervig neh, man kann nicht großartig groß laut reden oder so sein wie man vielleicht grad sein will, weil viele Augen auf einen gerichtet sind.“ (Gefangener 1, JA H.) „Erstmal sitzen die ganzen Mit-Knackis beieinander, dann die Beamten, die einen die ganze Zeit beobachten, denken immer, dass wir manche Sachen reinholen. Ja ist auf jeden Fall null Privatsphäre, anstrengend.“ (Gefangener 1, JA H.) „Was mich stört ist so, wenn da jetzt die Beamten sitzen und meine Freundin sitzt da und die uns die ganze Zeit beobachten, dann denke ich mir so. Wenn meine Mama kommt neh und die beobachten so, was denken die so wat wir jetzt machen, dass wir hier Drogen überreichen und das stört mich extrem. Ich weiß, das ist der Job von denen und sind ja auch schon viel so Sachen vorgefallen, dass irgendwelche Leute was reingebracht haben, bei anderen, bei mir ist es halt nicht der Fall neh, aber das stört mich dann trotzdem so, dass man nicht wirklich seine Ruhe hat so.“ (Gefangener 4, JVA W.) „Ehm das ist leicht befremdlich, weil die gucken einen ja die ganze Zeit an ob man irgend­ was eingesteckt kriegt oder ob man, die hören z. B. nicht, was wir sagen, aber die sehen, was wir machen, die können ja Mundgestiken und sowas lesen, die sind ja die wurden dafür ja geschult und das ist befremdlich, wenn man jetzt z. B. n privates mit der Freundin anspricht, wie es halt so draußen ist oder wie es um den LZB steht und halt sowas alles das sind ganz private Themen, das ist schon befremdlich.“ (Gefangener 4, JVA H.)

Die Anwesenheit anderer Personen führt sogar dazu, dass Gefangene sich wäh­ rend der Besuche verstellen und bestimmte Themen gar nicht erst angesprochen werden. „Jeder Häftling trägt eine Maske, ja auch beim Besuch, da man vor anderen Häftlingen selten seine Gefühle zeigen kann und auch mal weinen kann.“ (Gefangener 4, JA H.) „[…] da war ich auch mit meiner Verlobten zusammen und eh ja da habe ich versucht leise zu reden, damit die nicht mitbekommen oder so. Ich möchte nicht, dass die mein Privates wissen, also Probleme und so weiter. Weil auf der Abteilung wissen ja ein paar Beamte steht ja in Basis immer irgendwas, schlechter Brief bekommen, schlechtes Telefonat gehabt und ich möchte nicht, dass die das wissen.“ (Gefangener 3, JVA W.) „[…] wo man nicht beim normalen Besuch drüber reden möchte, weil vielleicht Leute zuhören könnten.“ (Gefangener 2, JVA H.)

Manchen Gefangenen gelingt es allerdings, die Anwesenheit anderer Menschen im Besuchsraum auszublenden. „In dem Moment ist das so, man ist nur auf seinen Besuch konzentriert und eh das drum herum, das schaltet man so ein bisschen ab. Also das nimmt man gar nicht wahr.“ (Gefangener 1, JVA W.) „Ich hör da gar nicht drauf, keine Ahnung. Da sitzt zum Beispiel meine Mama, da meine Freundin und da mein Papa und wir unterhalten uns ausgiebig, da kommen die anderen gar nicht so in den Sinn.“ (Gefangener 5, JVA H.)

b) Vertiefende Untersuchung   

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Langzeitbesuch Über die Möglichkeit von Langzeitbesuch erfahren die Gefangenen überwiegend durch Mitgefangene und teilweise durch Familienangehörige und Vollzugsmit­ arbeiter*innen. Zu den Besucher*innen zählen hier Partnerinnen, Kinder, Eltern, Geschwister und in zwei Fällen jeweils die Patentante sowie ein gesetzlicher Be­ treuer. Vor den Besuchen werden die Gefangenen in der Hauskammer mit Utensi­ lien wie Bettzeug, Handtüchern und Kondomen ausgestattet. Hinsichtlich der Besuchsgestaltung berichten Gefangene, dass sie die Besuche nutzen, um Unterhaltungen zu führen, mit ihren Kindern zu interagieren, gemein­ sam zu essen und trinken sowie körperliche Nähe inklusive Sexualität auszuleben. Sie schätzen an Langzeitbesuchen vor allem die Privatsphäre. „Für mich ist das schön, einfach mal wieder unbeobachtet mit meiner Familie zu sein, wie früher und nicht die ganze Zeit unter Kamerabeobachtung zu stehen, ist natürlich was anderes neh.“ (Gefangener 1, JVA H.) „[…] der sexuelle Aspekt spielt dabei eine sehr große Rolle, wenn man eine Freundin / Frau hat und ein paar Jahre hier sein muss.“ (Gefangener 4, JA H.) „Also man fühlt sich in erster Linie unbeobachtet […]“ (Gefangener 1, JVA W.) „[…] man hat nicht diese Kontrollsachen im Kopf. Man weiß man wird nicht abgehört oder irgendwer, man kann sich auch über persönliche Dinge n bisschen besser unterhalten, man weiß, man wird nicht von irgendwem belauscht oder sonst irgendwas […].“ (Gefangener 2, JVA H.)

Die Gespräche während des Langzeitbesuchs werden im Vergleich zum regu­ lären Besuch als wesentlich intensiver erlebt. Zudem berichten Gefangene, dass sie andere Gesprächsthemen als im Gefängnisalltag haben. Solche Gespräche scheinen positive Auswirkungen auf das psychische Wohlbefinden der jungen Gefangenen zu haben. „So kann man Dinge erzählen und besprechen, die man am Telefon oder beim normalen Besuch nicht kann.“ (Gefangener 4, JA H.) „Jetzt habe ich ja auch den Langzeitbesuch, das nimmt schon viel Druck weg […].“ (Gefangener 1, JA H.) „Nach dem Besuch geht es mir super. Ich komme auf die Abteilung bin sogar n bisschen aufgedreht vor Freude.“ (Gefangener 1, JVA W.)

Zudem schätzen Gefangene an den Besuchen, dass sie mehrstündig sind, sie ihren Angehörigen wieder näher kommen und Intimität realisieren können. Ge­ fangene, deren Familien eine weite Anreise haben, beschreiben, dass die mehrstün­ digen Besuche auch für ihre Angehörigen angenehmer sind. Einigen Gefangenen gefällt die Einrichtung des Langzeitbesuchsraumes. „[…] das ist ja so ein bisschen wie zuhause.“ (Gefangener 1, JVA W.)

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3. Empirische Untersuchung des Langzeitbesuchs im Jugendstrafvollzug 

„Für meine Angehörigen, die zwei Stunden Fahrt auf sich nehmen, um mich zu sehen, sind vier Stunden Besuch deutlich besser und sinnvoller zu nutzen als die 1,5 Stunden.“ (Gefangener 4, JA H.)

Die jungen Gefangenen berichten, dass sie während der längeren Besuche keinen Zeitdruck verspüren. Auch scheinen sich Hemmungen zu lösen, von denen sie im Zusammenhang mit regulären Besuchen berichten. „[…] man muss nicht irgendwie um sich herumschauen, dass der eine oder andere mitschaut oder aufgrund meines als das was ich halt durchgemacht habe, aufgrund des Todes von mei­ nem Vater möchte ich immer stark sein, aber dann wenn das Thema dann hochkommt oder wenn Familie davon berichtet, kullert schon die eine oder andere Träne und vor den Inhaf­ tierten, man möchte halt keine Schwäche zeigen, aber so bei dem Raum da ist das scheißegal, wie lange ich weine, keiner guckt zu […].“ (Gefangener 2, JA H.) „Eigentlich ist besser im Einzelraum als im ganz großen Raum wegen man kann so mehr Sachen reden und mehr Gefühle zeigen nicht nur so […] man zeigen starker Mann oder ich weine nicht oder irgendwie so und dann kommt ah der hat geweint oder, wissen Sie was ich meine.“ (Gefangener 2, JVA W.)

In der Wahrnehmung der Gefangenen scheint der Langzeitbesuch sich stark vom Gefängnisalltag zu unterscheiden, der für die jungen Gefangenen den Verlust von Autonomie und Entscheidungsfreiheit sowie eine gewisse soziale Isolation impli­ ziert. Weiter berichten sie von Monotonie und Langeweile. „[…] und ja ich kann nicht selber entscheiden zum Beispiel, wenn Bediensteter sagt ja auf­ stehen der Besuch ist beendet, dann muss man halt darauf hören und man kann nicht sagen noch 5 Minuten noch 10 Minuten.“ (Gefangener 2, JA H.) „Man ist angewiesen, würde ich sagen, also was heißt angewiesen, man hat halt nicht mehr die Macht über sich selbst und kann einfach mal über WhatsApp klären, dass man sich trifft, sondern man ist angewiesen auf diese Termine und entweder klappt es dann und wenn nicht, hat man gelitten neh. (Gefangener 1, JA H.) „[…] eigentlich habe ich auch Privatkleider dabei, aber die habe ich erstmal weggenommen bekommen.“ (Gefangener 1, JA H.) „Dann irgendwann nach n paar Stunden hab ich das erstmal realisiert, dass ich überhaupt draußen bin und sowas, dann ja war das immer noch so wie hier drin neh. Ich hab meine Mutter gefragt, ob ich da und da hingehen darf, obwohl ich sie eigentlich so etwas nicht fragen musste neh und das hat irgendwie ja das Leben zuhause schon anders gemacht neh.“ (Gefangener 5, JVA H.) „[…] vermisst man schon so diese ganze Zeit. Dieses alltäglich einfach dieses freie Entschei­ den einfach, ich mach meine Tür auf, wann ich will, ich gehe einfach in die Küche, wann ich will, ich gehe Duschen, wann ich will, ich geh essen, was ich will und wann ich will, ich treff mich, mit wem ich will, ich schreib jemanden oder ich telefonier.“ (Gefangener 3, JVA H.) „Ja bevor ich LZB hatte, habe ich ja schon ein Jahr gesessen, schon ein Jahr keine Nähe gehabt, gar nichts so.“ (Gefangener 4, JVA W.) „Du bist eigentlich vom normalen Leben weggesperrt, fast wie tot, aber alle weiß, was du machst.“ (Gefangener 2, JVA W.)

b) Vertiefende Untersuchung   

249

Durch die besonderen Besuche erlangen sie dagegen im Gefängnis Autonomie zurück. Zudem können sie während der Besuche für eine Zeit dem Gefängnisalltag entkommen. Langzeitbesuche bedeuten für Gefangene in gewisser Weise Freiheit. Deutlich wird, inwiefern sich Langzeitbesuche auch aus einer räumlichen Perspek­ tive zwischen Freiheit und Gefängnis situieren. „Ja man kriegt diese vier Stunden, kommt in diesen Raum, man kann den abschließen und dann hat man vier Stunden, in denen man machen kann, was man will, mit ner Person, die dabei ist und nicht unbedingt einem Gefangenen, sondern eine Person, die man mag, ist schon angenehm.“ (Gefangener 1, JVA H.) „Also man sitzt da ganz normal mit der Familie in einem ungestörten Raum und tut das halt, wo man gerade Lust drauf hat.“ (Gefangener 1, JVA W.) „[…] okay wir sind alleine und so […], alles cool fast sag ich mal, wie damals und so war das schon so, dass positive Erinnerungen wieder hochkamen und so […] und man das in diesem Zeitpunkt positiv gesehen hat man hat das ja dieses Knastleben ja ausgeblendet, sag ich mal so, weil man war alleine, man hat gar nicht mehr dran gedacht an dieses ganze drum herum.“ (Gefangener 3, JVA H.)

Langzeitbesuche stellen für einige Gefangene einen Anreiz dar, sich im Gefäng­ nis positiv zu verhalten. „[…] und dann bevor ich angefangen hab mich dafür bereit zu machen, um das zu bekom­ men, hab ich gemerkt, dass das für mich so ein Anreiz ist hier so gerade durchzulaufen neh. Einen LZB zu haben oder hier ab und zu mal zu kiffen oder sich zu hauen mit irgendwelchen Leuten, etwas Schlechtes zu tun.“ (Gefangener 1, JA H.) „Ja, der ganze Knast weiß, dass man hier LZB haben kann, aber nicht jeder kann halt teil­ nehmen, weil wie gesagt hängt von der Haftstrafe ab und halt wie man sich benimmt und sowat und viele kriegen das nicht auf die Kette sich vernünftig zu benehmen so, da kann er sonst noch so viele Jahre haben, wie er möchte, solange sein Benehmen nicht entspricht, findet auch keine LZB statt.“ (Gefangener 1, JVA W.)

Im Zusammenhang mit Langzeitbesuchen berichten die jungen Gefangenen auch von negativen Aspekten. Die Hürden, die man überwinden muss, um über­ haupt eine Genehmigung zu erhalten, werden als unangemessen hoch empfunden. „Aber es ist nicht so einfach hier einen LZB zu kriegen, so schnell geht das auch gar nicht, das war schon sehr viel Kopfschmerz.“ (Gefangener 1, JA H.) „und zwar wir sitzen alle hier weil wir Scheiße gebaut haben, oder immer noch Scheiße machen und hier gibt es viele Jugendliche, die auch gerne LZB hätten, aber denen das nicht gestattet wird, weil die sich hier vielleicht nicht ideal benehmen oder.“(Gefangener 1, JA H.)

Des Weiteren berichten Gefangene, dass sie drei Stunden Besuchszeit als zu kurz und die Abstände (in vielen Fällen drei Monate) zwischen den Besuchen als zu lang empfinden. In den Langzeitbesuchsräumen fehlen ihnen zum Teil Koch­ möglichkeiten. Außerdem beanstanden sie die hygienischen Zustände. „Was mich allerdings sehr stört, ist das Hygienische in diesen Langzeitbesuchsräumen, weil da sind ja auch mehrere, die machen Langzeitbesuch und wenn da dann zum Beispiel

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3. Empirische Untersuchung des Langzeitbesuchs im Jugendstrafvollzug 

benutze Kondome auf dem Boden liegen oder sich da jemand in der Dusche gewisse Haare vom Körper entfernt hat, äääh und das nicht sauber gemacht wird, dann denkt man natürlich so, was soll denn das […].“ (Gefangener 1, JVA H.)

In diesem Zusammenhang monieren Gefangene, dass sowohl für Familien- als auch Partner*innenbesuche der gleiche Raum benutzt wird. In einem Fall führte dieser Umstand dazu, dass der Gefangene keine Langzeitbesuche mehr empfan­ gen wollte. „Ich weiß ja nicht, ich kann ja nicht zu 100 Prozent sagen, ey der Raum ist klinisch sauber nach dem Akt, den die da vollzogen haben, weiß Gott wie viele da schon drinne waren, da hol ich nicht meine Brüder oder meine Familie rein so.“ (Gefangener 3, JVA H.)

Zudem stört Gefangene, dass sie während der Besuche Anstaltskleidung tragen müssen. Weiter beanstanden sie, dass sie das abgepackte Essen, dass sie zu den Besuchen mitgebracht und nicht aufgegessen haben, entsorgen müssen. Die vollständige Entkleidung vor zwei Bediensteten nach den Besuchen wird von den Gefangenen als besonders belastend wahrgenommen. „Also ich hatte da einmal mit meinem Bruder darüber vorher gesprochen und er kann sich das gar nicht vorstellen und ich habe das halt schon mehrmals erlebt, aber es ist ich weiß nicht, das ist jedes Mal aufs Neue irgendwie ein Schock. Also man fühlt, das ist kein gutes Gefühl, wenn man sich vor irgendwelchen zwei Personen, die man in seinem Leben noch nie gesehen hat oder kein Kontakt zu den Personen hat, sich komplett blank ziehen muss und dann halt in die Hocke gehen muss.“ (Gefangener 2, JA H.)

Des Weiteren können Langzeitbesuche negative Auswirkungen auf das psychi­ sche Wohlbefinden von Gefangenen haben. Insbesondere der abrupte Wechsel von simulierter Häuslichkeit sowie Freiheit während des Besuchs auf der einen und Gefängnisalltag vor und nach den Besuchen auf der anderen Seite wird von Ge­ fangenen als besonders belastende Situation wahrgenommen. „Nach Besuchen ist immer komisch, zieht mich nur runter neh, normalerweise zieht mich das nicht so runter, aber beim LZB immer richtig so, weil da vermisse ich das so, drei Stunden hat man so für sich alleine, man liegt da zusammen so und dann ist man wieder auf Zelle so und dann noch sonntags, da ist sowieso nicht los, dann man den ganzen Tag auf Zelle und dann voll traurig […] macht sich die ganze Zeit Gedanken und so, das ist schon so ein bisschen Kacke nach LZB ja. Dann wieder drei Monate warten und so das.“ (Gefangener 4, JVA W.)

Einige Gefangene empfinden zudem die Lage des Raumes als störend, da sie sich nach den Besuchen beim Verlassen des Raumes direkt mit anderen Gefange­ nen und deren Besucher*innen konfrontiert sehen. Darüber hinaus thematisieren Gefangene das Verhalten der Bediensteten im Rahmen der Langzeitbesuche. Diesbezüglich gibt es unterschiedliche Wahrneh­ mungsmuster. Einige Gefangene fühlen sich korrekt von den Bediensteten behan­ delt. Andere wiederum stören sich vor allem an dem harschen Ton und fehlender Kritikfähigkeit einiger Bediensteter.

b) Vertiefende Untersuchung   

251

„[…] was Langzeitbesuche anbetrifft eigentlich sehr chillig drauf so, ähm ja die achten halt auch immer drauf, dass alles geregelt abläuft und so näh, ähm ja. Aber wenn man sie z. B. auf so Sachen anspricht, wie warum ist denn das da schmutzig drinne oder, fühlen sie sich direkt angegriffen, ja so und nehmen das immer persönlich irgendwie, das verstehe ich nicht so ganz.“ (Gefangener 1, JVA H.) „Ich finde Langzeitbesuch sind die ein bisschen komisch neh, erstmal merkt man, dass sie pervers sind, die Beamten sind pervers, na die kommen da immer mit so nem blöden Spruch und so. […] So ein Spruch wie und wie viele Runden gabs heute oder so, wissen Sie, und ich habe z. B. ne deutsche Freundin, ne kleine süße Freundin, denen passt das gar nicht, LZB mit ner Deutschen, das merke ich.“ (Gefangener 1, JA H.) „Ganz locker also die verhalten sich einem gegenüber jetzt nicht gegenüber, als ob man sich für irgendwas schämen müsste oder so oder sonst irgendwas.“ (Gefangener 2, JVA H.) „Ja ich sage mal, die Stimmungen sind natürlich immer angespannt, einerseits kann ichs ja auch verstehen, weil die immer viel auch versucht rein zu schmuggeln wird neh so und ich sag mal die Kontrolle […]manche fragen oder sonstiges dann reagieren die auch manchmal genervt direkt, dann denk ich mir mensch, der kann doch auch mal oder so, aber sonst ei­ gentlich im Großen und Ganzen ist es eigentlich okay.“ (Gefangener 3, JA H.)

Zur Frage, wie Mitgefangene auf Langzeitbesuche reagieren, die selber keine Langzeitbesuche erhalten, erleben Gefangene mit Langzeitbesuch unterschiedli­ che Reaktionen. Die meisten Gefangenen freuen sich mit dem Mitgefangenen und gönnen ihm den Langzeitbesuch. „[…] die freuen sich ja auch einerseits ich sag mal Freundschaften, die man hier kennen­ gelernt hat, die freuen sich auch für einen, genieß die Zeit schön mit deinen Kindern.“ (Gefangener 3, JA H.)

Nur wenige Gefangene berichten dagegen von Neid anderer Gefangener. „Eifersüchtig […], die gönnen einem das nicht, also die das nicht haben, ich sag mal von den ganzen die hier sind haben vielleicht 5 % LZB […] und der restliche Teil 95 % hat das nicht und die sitzen dann ja wirklich jahrelang hier, Neid […], die ärgern sich.“ (Gefangener 1, JA H.)

Sexualität In den Narrationen der Gefangenen zeigt sich deutlich, dass sie hinsichtlich Se­ xualität einen großen Unterschied im Vergleich zum Leben in Freiheit wahrnehmen. Während sie draußen ein aktives Sexleben hatten, müssen sie im Freiheitsentzug auf Sexualität verzichten. „Aber am Wochenende haben wir dann zusammen verbracht, hatten auch Geschlechtsverkehr und sowas und dann von so einem Rhythmus von draußen von hier drinnen auf gar nicht, das ist schon echt mies.“ (Gefangener 5, JVA H.) „Der Unterschied ist draußen kann man sich Sex kaufen, so wenn man es unbedingt nötig hat, kann man sich das kaufen und hier drin, kann man einfach gar nichts machen. Selbst­ befriedigung, sonst nichts.“ (Gefangener 1, JVA W.)

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3. Empirische Untersuchung des Langzeitbesuchs im Jugendstrafvollzug 

In Bezug auf den Stellenwert von Sexualität liegen unterschiedliche Wahrneh­ mungsmuster vor. Für die meisten Gefangenen hat Sexualität nicht den höchsten Stellenwert, da sie anderen Bedürfnissen eine höhere Priorität einräumen. Ein Ge­ fangener dagegen beschreibt Sexualität als Trieb. „Ja ich sag mal so, Sex ist ein Trieb von einem Menschen, das ist einfach ein Instinkt neh.“ (Gefangener 5, JVA H.) „Aber ich weiß nicht, ich hab auch im Moment so gar nicht den Kopf dafür, weil ich hatte jetzt ich hab jetzt bald ne Prüfung, Zwischenprüfung.“ (Gefangener 5, JVA H.) „Also für mich ist das sagen wir mal so nicht so wichtig, weil halt mein Kind, ich möchte mein Kind so oft wie es geht sehen und Sex ist mir dann da so eher so zweite Reihe, weil ich bin ja jetzt nicht mein Leben lang hier und paar Monate ohne Sex kann ich auch vertragen.“ (Gefangener 3, JVA W.) „Auch nicht das wichtigste beim LZB, ne auf gar keinen Fall. Allgemein neh, das füreinander da zu sein ist mir wichtiger, wie jemanden auszunutzen wegen des Körpers.“ (Gefangener 1, JA H.)

Die hier interviewten Gefangenen verbinden die wahrgenommene sexuelle De­ privation mit negativen Gefühlen und sehen sich hier in einer schwierigen Situation. „Das ist schon scheiße neh, natürlich auf eine Art neh.“ (Gefangener 5, JVA H.) „Schwierig, die war schwierig ja. Die auch mal bei Besuch zu sehen und so, wenn ich daran dachte, boah über drei Jahre, das wird richtig schwer und so neh.“ (Gefangener 4, JVA W.) „[…] wenn sie dann in den Brief halt reinschreibt, dass halt schon schöner wäre, wenn ich jetzt da wäre und, dass wenn wir halt jetzt das und das machen könnten und dann macht man sich halt seine Gedanken.“ (Gefangener 4, JVA H.) „Richtig komisch, zu viel Testosteron usw. Aber wenn du bist noch junge Phase, Beispiel bist 19, 20 oder 21 so und du wächst noch bis 25 der Testosteronspiegel immer steigt hoch, hoch, hoch, und ja, ist schwer.“ (Gefangener 2, JVA W.)

Als Reaktion auf den erzwungenen Verzicht auf Sexualität zeigen sich in den Narrationen der jungen Gefangenen verschiedene Bewältigungsstrategien wie Selbstbefriedigung und Pornografielonsum. „Als ich draußen war, da war halt viel mehr los. Und jetzt ist halt nur noch Fünffingertechnik angesagt.“ (Gefangener 4, JVA H.) „[…] weil mehr oder weniger mehr die als die Hälfte der Inhaftierten muss sich irgendwelche Filme anschauen.“ (Gefangener 2, JA H.) „Selbstbefriedigung, sonst nichts.“ (Gefangener 1, JVA W.)

Mit zunehmender Dauer der Gefangenschaft scheinen sich die jungen Gefange­ nen an die sexuelle Deprivation zu gewöhnen. „[…] man gewöhnt sich dran, also ja, kein Sex, man muss dadurch, man kann da nichts ändern. Das ist einfach so.“ (Gefangener 1, JVA W.)

b) Vertiefende Untersuchung   

253

„Ja man muss damit klarkommen neh. Sag ich mal so offen gesagt ich mein, ab ner gewissen Zeit gewöhnt man sich darunter und in manchen Fällen ist ja selbst ist der Mann.“ (Gefangener 3, JVA H.)

Das Ausleben von Sexualität während der Besuche wird von Gefangenen als äußerst positives Erlebnis wahrgenommen. „[…] wir sind jetzt schon lange zusammen, war jetzt nichts Neues so, war schön, sehr schön war das.“ (Gefangener 4, JVA W.) „Die ersten sechs Monate hat man ja gar nichts, da darf man das ja nicht haben, aber dann ist das schon sag ich mal überwältigend dann, wenn man das haben kann.“ (Gefangener 2, JA H.)

Die jungen Gefangenen berichten von positiven Auswirkungen sowohl auf die Beziehung als auch auf sich selber. Sie erleben ihre Beziehungen als gestärkt. Außerdem scheinen die Besuche ihre „pains of imprisonment“ zu lindern. „Das ist also ich glaub, wenn ich das hier, ich würd n bisschen noch mehr hier drinne durch­ drehen neh, auf jeden Fall, das hilft.“ (Gefangener 2, JA H.) „Das hat glaub ich auch nochmal alles so mehr zusammengebracht […].“ (Gefangener 4, JVA W.) „Das hat einem nochmal wieder Kraft gegeben neh für die nächsten Jahre, also dat dat neh alles so bleibt und so. Und auch bei den Besuchen wird mehr geredet und dat war einfach keine Ahnung anderes so neh.“ (Gefangener 4, JVA W.)

In Bezug auf den Vergleich zwischen der Zeit vor und während der Gefan­ genschaft berichten Gefangene sowohl von veränderter als auch unveränderter Sexualität. „Es ist intensiver jetzt. Also damals draußen sag ich mal war das ja einfach nur neh man hat gevögelt sag ich mal und dann war schlafen angesagt und jetzt ist das ne ganz andere Geschichte, weil man’s halt nur einmal im Monat machen kann fühlt sich das viel intimer, intensiver auf jeden Fall an.“ (Gefangener 2, JA H.) „[…] immer noch so wie früher.“ (Gefangener 1, JVA H.) „Ja ist gar keine Frage, natürlich neh, aber hab ich auch schnell beendet die Sache. So für mich war das nichts in so nem Raum, so ne ausklappbare Couch und so n Schrank, wo so ne Platte ist und so n Wasserkocher näääh, turnt mich nicht an.“ (Gefangener 3, JVA H.)

(2) Angehörige Im Folgenden werden die Ergebnisse der Interviews mit Personen präsentiert, die den Gefangenen nahestehen. Dabei wird zunächst darauf eingegangenen, welche Auswirkungen der Gefangenschaft sie wahrnehmen. Daran anknüpfend werden ihre Erfahrungen in Bezug auf reguläre Besuche mit Langzeitbesuchen verglichen, und der Blick richtet sich ebenfalls auf das Themenfeld Sexualität.

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3. Empirische Untersuchung des Langzeitbesuchs im Jugendstrafvollzug 

Auswirkung der Gefangenschaft auf das soziale Umfeld Die hier interviewten Angehörigen berichten von zahlreichen Auswirkungen, die die Gefangenschaft eines ihnen nahestehenden Menschen auf sie hat. Im Fol­ genden werden die Ergebnisse unter den Subkategorien Veränderung, belastende Situation, Wechsel sozialer Rollen, Unterstützung, negativer Einfluss auf Kinder, Veränderung der Beziehung und Reaktion des sozialen Umfelds zusammengefasst. Die Gefangenschaft wird als große Veränderung im eigenen Leben wahr­ genommen. Einige Angehörige erleben dabei insbesondere die Anfangszeit der Gefangenschaft als eine sehr schwere Situation und beschreiben den Haftantritt als einschneidendes Ereignis. Mit zunehmender Haftdauer scheinen sich manche an die Situation zu gewöhnen und mit ihr zunehmend besser zurechtzukommen. „Ehm am Anfang war das wohl verdammt hart, dass ich halt auf mich irgendwo allein ge­ stellt bin […].“ (Partnerin I) „Aber die ersten Monate waren wirklich, wirklich schlimm, weil wie gesagt, eine andere Wohnung musste ich dann suchen, den ganzen Umzug machen, halt immer den Kleinen da­ bei gehabt. In der Zeit habe ich auch noch gestillt, sprich ich konnte den Kleinen nicht mal eben abgeben.“ (Partnerin mit gemeinsamem Kind) „[…] aber nach ner Zeit weiß ich oder wusste ich halt, dass er sich damit abgefunden hat, dass er damit klar kommt und dass er halt die Zeit absitzen muss und ehm, dadurch gings mir natürlich auch irgendwo besser, weil ich dann auch selber mitbekommen habe, dass es ihm besser geht, dass er wieder sag ich mal normal wird, dass er einfach den Tag umkriegt […].“ (Partnerin I) „Aber jetzt mittlerweile ist das eigentlich eine Situation, klar es ist immer noch schwer, aber ich hab jetzt, mittlerweile gucken wir wirklich nach vorne und freuen uns eher auf die Zeit, die kommt, als auf das, was war.“ (Partnerin mit gemeinsamem Kind)

Andere dagegen scheinen mit der Anfangsphase besser zurechtzukommen und beschreiben, dass sie mit fortschreitender Dauer der Gefangenschaft die Situation als zunehmend belastend wahrnehmen. „Also am Anfang, es wird mit der Zeit schwieriger, weil man schon denjenigen immer mehr und mehr vermisst. Am Anfang ist es ja, das schafft man schon und da geht alles vorbei […].“ (Partnerin II)

Unabhängig vom Zeitpunkt der Gefangenschaft stellt sich diese für Angehörige im Ganzen als belastende Situation dar. Die Subkategorie belastende Situation zeichnet sich durch verschiedene Merkmale aus. So berichten die hier interviewten Angehörigen von psychischen und finanziellen Belastungen, die aus der Gefan­ genschaft resultieren. Weiter berichten sie, dass die Gefangenschaft sie zu einem Wohnortwechsel zwang. „[…] und das war schon sehr, sehr hart, wo ich auch oft wirklich mit den Nerven am Ende war. Wenn z. B. der Kleine dann geschlafen hat, dass ich auch wirklich einfach nur angefan­ gen habe zu weinen. Und manchmal auch nicht wusste, wie soll es weitergehen.“ (Partnerin mit gemeinsamem Kind)

b) Vertiefende Untersuchung   

255

Auf die dargestellten Belastungen reagieren Angehörige mit Gefühlen wie Einsamkeit und Trauer. Sie vermissen den Gefangenen und sorgen sich um sein Wohlergehen. „Und wenn man dann halt wieder zuhause ist, dann ist man ja schon geknickt, dass man halt alleine ist. Das ist schon schwierig, alleine zu sein dann die ganze Zeit.“ (Partnerin II) „Nein, also klar man vermisst sich und ja es ist halt so, was soll ich dazu sagen […].“ (Partnerin II) „Und dass, die Gebäude neh, also diese naja neh ich muss mich immer weinen, also weil tut weh sag mal so […].“ (Mutter) „[…] und ehm klar man will nicht, dass der Mann halt im Gefängnis sitzt und eh man denkt sich dann ja auch, dem gehts nicht so gut und das tut dann einem einfach selber weh, wie er dann auch ausgesehen hat und, dass es halt verdammt schwierig für ihn war und für mich halt die ganze Situation auch […].“ (Partnerin I)

Darüber hinaus zeigen hier die Narrationen, dass die Gefangenschaft zum Wechsel sozialer Rollen bzw. zur Reorganisation bisheriger Familienstrukturen führen kann. Partnerinnen erleben sich als alleinerziehende Mütter und verweisen darauf, dass sie sich seit der Gefangenschaft auf sich alleine gestellt fühlen. Die Herausforderung, sowohl zuhause alles „auf die Reihe kriegen zu müssen“, als auch gleichzeitig den Partner im Gefängnis versorgen zu wollen, wird als Doppel­ belastung wahrgenommen. Dabei wird die Rollenveränderung aber nicht ausnahmslos als negatives Erleb­ nis gesehen. Für einige führt die Abwesenheit des Partners auch zur Erlangung von Autonomie und Eigenständigkeit. „Ich muss aber auch sagen, irgendwo tat das so gut, dass das so alles passiert ist, weil eh, ich bin doch dadurch reifer und erwachsener geworden, das muss ich echt mal zugeben und ehm ich weiß auch, dass ich quasi, wenn es hart auf hart kommt, alles alleine klären kann. Vorher war ich immer so, wenn nicht heute, dann morgen so ungefähr. Ich kläre das so die Tage, aber jetzt habe jetzt gemerkt, dass es doch besser ist, wenn man sofort eben halt alles regelt.“ (Partnerin II)

Zudem beschreiben Angehörige, dass sie den Gefangenen unterstützen und zu ihm halten. „muss man dann halt klar kommen oder auch nicht […]. Ich weiß ja worauf man sich also mir ist ja auch klar gewesen, worauf ich mich da eingelassen habe als ich gesagt habe, ich bleib bei dir und ich verlasse dich nicht, ich steh zu dir und ich warte auf dich und dann ja […].“ (Partnerin II) „[…] also mein Sohn ist mir auch neh, das ist mein Sohn neh ja eh und ich stehe auch hinter dem und helfe.“ (Mutter)

Des Weiteren berichtet die Partnerin eines Jugendstrafgefangenen von unter­ schiedlichen negativen Einflüssen der Gefangenschaft, die sie bei ihrem Kind beobachten konnte. Vor allem vermisse das Kind seinen Vater und könne nicht nachvollziehen, weshalb der Vater nicht mehr zuhause ist.

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3. Empirische Untersuchung des Langzeitbesuchs im Jugendstrafvollzug 

„Ja doch auf jeden Fall. Wo der Herr […] inhaftiert worden ist, da war das ganz extrem. Da ist der Kleine nachts aufgewacht, weinend, und da konnte er zwar noch nicht reden, aber er hat halt die ganze Situation mitbekommen […].“ (Partnerin mit gemeinsamem Kind)

Was die Veränderung der Beziehung während der Gefangenschaft anbetrifft, wird diese größtenteils als positiv wahrgenommen. So empfinden Angehörige, dass ihre Beziehungen durch die Gefangenschaft reifer und stärker geworden sind und von größerer Nähe und größerem Zusammenhalt geprägt sind. Bezüglich der Subkategorie Reaktionen des sozialen Umfelds auf die Gefangen­ schaft berichten Angehörige von neutralem bis zu ablehnendem Verhalten ihnen gegenüber. Zudem erleben sie große Unterstützung – teilweise von Freund*innen und vor allem durch ihre Familie – bei der Bewältigung der mit der Gefangen­ schaft einhergehenden Probleme. „Also was meinen Sohn angeht, meine Schwiegermutter, die ist eigentlich egal wann ich sie brauche ist die da, sprich was mit dem Kleinen angeht eigentlich egal z. B. wenn ich Ter­ mine habe, komm bring mir den Kleinen oder mal am Wochenende oder auch in der Woche, wenn sie nichts zu tun hat, komm bring mir den Kleinen vorbei damit ich einfach mal Zeit für mich habe, weil die fehlt schon mal. Unterstützung von meiner Schwiegermutter habe ich sehr, von meiner Mama auch, obwohl meine Mama sehr viel arbeitet, sprich eher von meiner Schwiegermutter.“ (Partnerin mit gemeinsamem Kind)

Besuch Neben dem Themenblock Auswirkungen der Gefangenschaft auf das soziale Umfeld ergibt sich aus der inhaltlich strukturierenden Zusammenfassung des Datenmaterials der zweite Themenblock Besuch. Dieser untergliedert sich in die Oberkategorien regulärer Besuch und Langzeitbesuch. Regulärer Besuch Angehörige nutzen reguläre Besuche, um über aktuelle Themen zu sprechen und sich gegenseitig auf dem Laufenden zu halten. Zudem berichten sie, dass sie während der Besuche sowohl in Erinnerungen schwelgen als auch konkrete Zu­ kunftspläne schmieden. „[…] jetzt hat er ja bald wahrscheinlich die vorzeitige Entlassung, dass man dann halt ein bisschen redet, wie sein Plan aussieht, wie ich mir was vorstelle, wie wir uns gemeinsam was vorstellen.“ (Partnerin mit gemeinsamem Kind)

Wie bereits im theoretischen Teil dieser Arbeit dargestellt,80 stellen reguläre Besuche auch für die hier interviewten Angehörigen ambivalente Ereignisse dar.

80

Vgl. Abschnitt 2. b) ee) (1) (b).

b) Vertiefende Untersuchung   

257

Einerseits empfinden sie vor den Besuchen Vorfreude und Aufregung. Besuche ermöglichen Angehörigen zudem, für eine gewisse Zeit die Gefangenschaft „aus­ blenden“ und „im Moment sein“ zu können. Andererseits aber sehen sie sich ge­ zwungen, während der Besuche „wahre“ Gefühle unterdrücken zu müssen, um den Gefangenen nicht zusätzlich zu belasten. Darüber hinaus ist der Abschied nach der Besuchszeit mit Trauer verbunden. „Ja es kommt halt immer drauf an, wie ich es sehe, also es gibt halt Tage, wo ich echt glücklich bin, aber dann gibt es auch Tage, zum Beispiel wenn wirklich sowas kommt von meinem Sohn, zum Beispiel Papa komm nachhause oder wenn ich sehe, er ist traurig und auch sein Papa ist traurig, das zieht mich dann auch immer ziemlich mit.“ (Partnerin mit gemeinsamem Kind) „Anfang war das so extrem, dass ich dann auch wohl geweint habe [unverständlich] als wir dann gehen mussten […].“ (Partnerin I) „[…] ich versuch meine Emotionen immer sehr zurückzuhalten beim Besuch, weil ich, wenn ich irgendwas anfange von wegen, dass ich ihn vermisse, dann geht es ihm dadurch noch schlechter.“ (Partnerin mit gemeinsamem Kind)

Auch für das besuchende Kind, wie die Partnerin mit gemeinsamem Kind er­ zählt, stellt sich der reguläre Besuch als ein emotional aufwühlendes Erlebnis dar. „[…] ist trotzdem die Freude jedes Mal wieder unheimlich groß und man merkt das auch an dem Kleinen extrem, er ist dann halt auch aufgeregt und total hibbelig, nach dem Besuch ist er auch meistens sehr, sehr aufgedreht, weil ist für ihn halt auch Papa. Warum muss Papa da bleiben?“ (Partnerin mit gemeinsamem Kind)

Angehörige beschreiben außerdem, inwiefern reguläre Besuche mit negativen Aspekten verbunden sind. Aufgrund der kurzen Besuchszeit können nach ihrer Ansicht Konflikte nicht ausgetragen werden. „Also da drinne bleibt keine Zeit für Streitigkeiten oder sonst was, was wir vor der Inhaf­ tierung leider in der letzten Zeit sehr oft hatten, halt auch durch das was er gemacht hat, weswegen er inhaftiert ist.“ (Partnerin mit Kind)

Weiter erzählen Angehörige, dass sie sich die vier Stunden Besuch mit anderen Familienangehörigen aufteilen müssen und bei einstündigen Besuchen, an denen mehrere Angehörige gleichzeitig anwesend sind, „richtige“ Gespräche nicht zu­ stande kommen. „[…] also so für Gespräche bleibt wenig Zeit, weil er eigentlich die meiste Zeit immer mit dem Kleinen beschäftigt ist.“ (Partnerin mit gemeinsamem Kind)

Außerdem monieren Angehörige, dass sie sich während der Besuchsinteraktion gegenübersitzen müssen und – außer „Händchen Halten“ und kurzen Umarmungen zur Begrüßung und zum Abschied – körperliche Nähe untersagt ist. Eine weitere Subkategorie ist Privatsphäre während der Besuche, deren Aus­ prägung dichotom ausfällt. In diesem Zusammenhang fühlen sich manche durch

258

3. Empirische Untersuchung des Langzeitbesuchs im Jugendstrafvollzug 

die Anwesenheit anderer Gefangener und deren Angehörigen sowie Bediensteter in ihren Interaktionen gehemmt. Anderen dagegen gelingt es, auszublenden, was während der Besuche um sie herum geschieht. „Oh das ist ein Riesenunterschied, also erstmal bei dem normalen Besuch ist ja halt, man ist quasi mit allen in einem Raum und […] man ist irgendwo ein bisschen gezwungen, sich so zusammenzureißen und nicht laut zu sein oder so […].“ (Partnerin I) „Das blende ich eigentlich komplett aus, also für mich gibt es dann da nicht die anderen Häftlinge, ich bin nur auf meinen Mann fixiert und die anderen Häftlinge, die interessieren uns nicht.“ (Partnerin mit Kind) „Also, wenn wir z. B. morgens früh um 8:45 Uhr sind wir meistens alleine da, da sind dann wirklich kaum Leute, dann ist er wirklich immer auch konzentriert auch aufs Spielen und alles. Wenn mehrere Leute so da sind, klar, ist er abgelenkt, dann muss er mal da gucken mal da gucken. Aber so nimmt der den Besuch eigentlich immer also mittlerweile recht positiv auf.“ (Partnerin mit gemeinsamem Kind) „Ja also mal wird man mehr beobachtet, mal gar nicht, mal ist es wirklich so, dass man denkt, die gucken einen permanent an und der Blick geht nicht weg. Das kommt halt auch immer drauf an, welcher Beamte.“ (Partnerin mit gemeinsamem Kind)

Zusammenfassend zeigen die Interviewauszüge, dass auch aus Sicht von Ange­ hörigen die Gestaltung regulärer Besuche im Jugendstrafvollzug in vielen Fällen „normale“ soziale Interaktionen nicht zulässt. Langzeitbesuch Über die Möglichkeit von Langzeitbesuch erfahren Angehörige direkt von den Gefangenen. Die Wartezeit bis zur Genehmigung des ersten Langzeitbesuchs wird von einigen als sehr lang empfunden. Andere wiederum zeigen sich erstaunt dar­ über, dass der beantragte Langzeitbesuch innerhalb eines sehr kurzen Zeitraumes genehmigt wurde. „[…] dann hat er gesagt ja, ist kein Problem, […] muss beantragen und dann war auch Rucki Zucki. Ich habe mit das Schnelligkeit nicht gerechnet, weil wir haben da am Sonntag ge­ sprochen und schon am Dienstag hat […] Antrag geschrieben und über eine Woche waren wir schon wie gesagt bei lange Besuch neh.“ (Mutter) „[…] aber das Problem war halt, wo er das erfahren hat, das war eigentlich noch recht am Anfang, das hat auch gedauert bis wir LZB überhaupt beantragen konnten, weil […] so und so viel Zeit musste vergehen und so und so oft musste man ihn halt mindestens besucht ha­ ben, dass man das überhaupt erst das beantragen kann.“ (Partnerin I)

In Bezug auf die Besuchsgestaltung scheinen Angehörige während der unbeauf­ sichtigten Besuchszeit Aktivitäten nachzuholen, die sie aufgrund der Gefangen­ schaft bis dahin nicht ausführen konnten. Hierzu zählen längere und tiefergehende Unterhaltungen, das gemeinsame Einnehmen von Mahlzeiten sowie insbesondere das Ausleben körperlicher Nähe.

b) Vertiefende Untersuchung   

259

„[…] dann ja ist da halt viel Nähe da und eh ja, was […] man in den ganzen drei Mona­ ten, […] man liebt sich viel, ganz normal glaub ich.“ (Partnerin I)

Sie verbinden diverse positive Aspekte mit den unbeaufsichtigten Besuchen. Sie schätzen Privatsphäre und die Möglichkeit, körperliche Nähe genießen zu können. Eine Partnerin berichtet, während des Langzeitbesuchs sogar vergessen zu können, dass die Besuche im Gefängnis stattfinden. Zudem tragen die unbeaufsichtigten Besuche dazu bei, Belastungen zu reduzieren, die aus der Gefangenschaft resul­ tieren. Darüber hinaus haben Angehörige den Eindruck, dass Langzeitbesuche positive Auswirkungen wie die Stärkung von Bindungen auf ihre Beziehung zum Gefangenen haben. Auch dem Kind, so die Partnerin mit gemeinsamem Kind, gebe der Besuch Kraft, was spürbar zur positiven Veränderung des Kindes beitrage. Des Weiteren ermöglichen Langzeitbesuche Angehörigen auch, soziale Rollen dem Gefangenen gegenüber wiedereinzunehmen, die sie bisher ohne die unbeaufsichtigten Besuche nicht einnehmen konnten. „Also das verbindet einen auch wieder mehr und man kommt wirklich wieder mehr zuein­ ander.“ (Partnerin I) „[…] aber wenn du bist alleine mit dem im Zimmer, das ist was anderes. Das ist wie Mama und Kind neh. Also das ist wirklich […] ist gut neh. Gibt sowas neh, ja. […].“ (Mutter) „Ja, das 100 %. Das ist also von unserer, also so jetzt ich spreche über meinen Sohn jetzt, das ist richtig 100 % hat dem wieder Kraft gegeben und diese ganze Verarbeiten neh das also das hat auch nicht nur ich gemerkt, auch Oma hat mir dann nach andere Besuch hat gesagt […] guck mal das ist jetzt schon ein ganz anderer Mensch geworden […].“ (Partnerin mit gemeinsamem Kind)

Die Langzeitbesuchsräume werden insgesamt als freundliche Besuchsumge­ bung wahrgenommen. So haben Langzeitbesuche insgesamt einen hohen Stellen­ wert für Angehörige. Gerade im Vergleich zu regulären Besuchen verbinden sie Langzeitbesuche mit größerer Freude und Aufregung. Zudem erleben sie durch diese mehr Privatsphäre und längere Besuche in ungestörter Umgebung. Hinsichtlich der Kontrollen vor den Langzeitbesuchen werden diese im Ver­ gleich zum regulären Besuch in unterschiedlicher Weise wahrgenommen. Einige haben den Eindruck, dass vor den Langzeitbesuchen deutlich intensiver kontrolliert wird. Andere beschreiben die Kontrollen als „lascher“. Die Partnerin mit gemein­ samem Kind steht vor allem der Kontrolle ihres Kleinkindes ambivalent gegenüber. „Also die Kontrolle finde ich an sich gut. Was ich ein bisschen übertrieben finde, dass auch die Kinder so kontrolliert werden, mit Pampers wechseln und, dass sie zugucken. Also das ist immer, wo ich so sage, mmh muss das wirklich sein, weil ich mein Kinder, so ich weiß die machen das wegen dem Schmuggel und allem, aber ich denke, wer schmuggelt mit Kindern. Also das ist was, was ich nicht ganz nachvollziehen kann.“ (Partnerin mit gemeinsamem Kind)

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3. Empirische Untersuchung des Langzeitbesuchs im Jugendstrafvollzug 

Das Verhalten der Bediensteten sowohl im Zusammenhang mit regulären als auch Langzeitbesuchen beschreiben Angehörige als größtenteils freundlich und professionell. Nur vereinzelt beschweren sie sich darüber, dass Absprachen nicht eingehalten werden. Daneben verbinden Angehörige die Langzeitbesuche auch mit negativen Aspekten. Teilweise beschreiben sie die Anreise zu den Besuchen als beschwerlich und nicht barrierefrei. „Es ist ja wirklich bei Schnee kaum durchzukommen, vor allem ich habe, unser Sohn ist Zwei, sprich würde ich mit dem Kinderwagen, oder wenn ich dann noch einen Kinderwagen mitnehme, kommt man nicht mit dem Schnee durch mit dem Kinderwagen, wenn es regnet halt dieser Weg das ist wirklich manchmal extrem weit.“ (Partnerin mit gemeinsamem Kind)

Teilweise empfinden sie drei Stunden als zu kurz und den dreimonatigen Ab­ stand zwischen den Besuchen als zu lang. Die Mutter eines Gefangenen dagegen empfindet die Besuchszeit als ausreichend. Dieser Befund deutet darauf hin, dass die Besuchsgestaltungen von Langzeitbesuchen auch von dem bzw. der jeweiligen Besuchsakteur*in abhängig ist. „Also die vier Stunden das ist perfekt, also, für mich reicht das, weil muss man auch ver­ stehen, die Leute sind da geschlossen neh und dann kommt da sowas und da bist du vier Stunden mit deiner Familie, das reicht. Also (unverständlich) wenn die sind da verlobt oder Mann, Frau oder Freund, vielleicht ist das was anderes, aber so Mama und Kind das reicht, weil wir haben viel zu erzählen, aber wahrscheinlich weiß ich von meinem Sohn nicht so viel zu viel. Weil wenn nicht neh, er kann quatschen, wir machen Spaß wie gesagt neh, aber ich merke oder ich denke so, nicht jede Familie hat nicht immer diese vier Stunden was er­ zählen und sitzt er wahrscheinlich so und denkt, ah, was jetzt neh. Bei uns ist was anderes neh, wir quatschen, machen Lachen und sowas neh, aber muss man auch nicht vergessen, die Leute wo sind geschlossen und dann plötzlich dann vier Stunden das reicht.“ (Mutter) „Ja äh vielleicht ein bisschen mehr Zeit beim LZB, das wäre schon schön. Aber ich weiß nicht, wie da die Regeln sind.“ (Partnerin II)

Abschließend zeigen die Interviews, dass Angehörige teilweise die ersten un­ beaufsichtigten Besuche als sehr ungewohnt erlebten. Auch berichten Angehörige hier von emotionalen Belastungen nach den Besuchen. „Ja das ist schwer zu sagen, also man ist einfach ein bisschen bedrückt danach und möchte am liebsten dann alleine sein und gar nicht mit irgend jemanden dann reden. Bei mir ist das zumindest so, ich bin dann immer sehr traurig in dem Moment.“ (Partnerin II) „Oh, das ist schlimm, also das ist schlimm. Also letzte Besuch ich sage Euch das war, das war diese ganze Besuche immer so, ehm, um sechs Uhr ist da Schluss, dann kommt eine Beamte rein neh, macht uns offen, oder wir selber machen wir uns offen, also die Schloss und dann sagen wir Tschüss, umarmen und dann gehen wir neh. Und diese letzte Mal, wann war das Letzte, weiß ich jetzt nicht so neh, und das war so, wir gehen schon raus, also von diese Knast raus neh, und dann auf einmal mein Sohn ruft mich so Mama, so durch das Fenster, eeh das war schlimm. Er steht in diesem, in diesem Zimmer noch und von dem Fenster kann er uns sehen, ich den auch und er mit diese Hände in diese Gitter, ich habe gedacht oooooh, das

b) Vertiefende Untersuchung   

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war schlimm, das war schlimm neh. Naja aber dann hat er gesagt Mama wir schaffen alles, ich sag ja, schaffen wir neh, aber ja das war erste Mal sowas, also früher war das immer so, die haben den diese Zeit, wo wir Treppe runter gehen, in diese Zeit habe ich den nicht mehr gesehen, aber diese Mal boah, naja neh.“ (Mutter)

(3) Vollzugsmitarbeiter*innen Im Folgenden wird die Analyse der Narrationen der beiden Berufsgruppen Sozialer Dienst und Allgemeiner Vollzugsdienst aus den Anstalten JA Hameln, JVA Herford und JVA Wuppertal-Ronsdorf präsentiert. Auch hier erfolgt die Darstellung der Ergebnisse entlang der Oberkategorien Auswirkungen der Gefangenschaft auf Sozialkontakt, Bedeutung sozialer Außenkontakte, regulärer Besuch, Langzeitbesuch sowie Sexualität. Auswirkungen der Gefangenschaft auf Sozialkontakt Die Mitarbeiter*innen beschreiben das Gefängnis als einen Ort, der größtenteils von der Außenwelt abgeschlossen ist, was wiederum die Beziehungspflege für junge Gefangene erschwert und Kontaktabbrüche zur Folge hat. Außerdem führt die Gefangenschaft nach Wahrnehmung der Mitarbeiter*innen zur Vereinsamung. „Die sind gerade jetzt im jungen Alter, werden die da irgendwo ausm Leben gerissen, gerade wo die sich eigentlich ein Leben aufbauen würden und da fehlen hier natürlich absolut die sozialen Kontakte.“ (AVD I) „[…] das passiert auch meistens, dass die Beziehungen kaputt gehen, ja das die nicht, be­ sonders hier die Jungen, das sind ja noch nicht so die langjährigen Beziehungen, aber das ist bei Erwachsenen auch, geht in der Regel kaputt. Freunde, das reißt ab der Kontakt.“ (Sozialarbeiterin III)

Eine weitere von Mitarbeiter*innen beschriebene Auswirkung der Gefangenschaft stellt die erhebliche Einschränkung von Autonomie und Privatsphäre der jungen Gefangenen dar. „Ich kann mich hier nicht frei bewegen, wenn ich irgendwo hingehen will, stehe ich vor einer Tür und muss immer jemanden fragen, können sie die Tür mal aufmachen, dann wird gefragt, wo wolltest du denn hin, dann wird nicht einfach laufen gelassen, sondern er wird übergeben […].“ (Psychologe) „Sie müssen hier alles genehmigt kriegen, sie müssen genehmigt kriegen, darf ich mit der Person telefonieren zum Beispiel.“ (Psychologe)

In Bezug auf die Subkategorie Privatsphäre liegen den Wahrnehmungen der Mitarbeiter*innen unterschiedliche Einschätzungen zugrunde. Für einige führt die Gefangenschaft zu einer umfassenden Reduzierung von Privatsphäre. „[…] hier im Vollzugsalltag, es gibt ja kaum noch eine Rückzugsmöglichkeit […].“ (Sozial­ arbeiter I)

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3. Empirische Untersuchung des Langzeitbesuchs im Jugendstrafvollzug 

„Unbeaufsichtigt ist eigentlich etwas, was die im Jugendvollzug nicht kennen, weil alles beaufsichtigt wird. Teilweise bis hin in den Schlaf.“ (Psychologe) „[…] es ist schon schwierig hier, wenn man inhaftiert ist und 24 Stunden am Tag wird man bewacht und alles und ich sag mal gegängelt.“ (AVD II)

Andere wiederum finden, dass es im Gefängnisalltag durchaus Situationen gibt, in denen junge Gefangene sich dem dauerhaften Zustand von Sichtbarkeit partiell entziehen können. „Nein, es ist die einzige Situation mit Leuten von draußen unbeaufsichtigt zu sein. Hier drin­ nen gibt es natürlich die Freistunden, da ist zwar Beaufsichtigung, aber das ist ja nicht so, dass man mitbekommt, was die Gefangenen untereinander besprechen […]. Ebenso gibt es ja die Umschlusszeiten, die sind ja im Prinzip jeden Tag und auch da sind die Gefangenen ja im Prin­ zip nicht unter Beaufsichtigung, sondern dann auf ihren Hafträumen […].“ (Sozialarbeiter II) „Ehrenamtler sind hier zugelassen. Die sind sicherheitsüberprüft und können von daher von uns nicht beobachtet mit den Gefangenen zusammenkommen.“ (Anstaltsleitung)

Bedeutung sozialer Außenkontakte In den Narrationen der Mitarbeiter*innen zeigt sich, dass soziale Kontakte ambivalenten Einfluss im Kontext der Gefangenschaft haben. So spielen sie einer­ seits nach Ansicht der Mitarbeiter*innen im Leben junger Gefangener eine zen­ trale Rolle. Sie leisten psychische Unterstützung, gleichen emotionale Defizite aus und bilden Anknüpfungspunkte für die Zukunft. Nach der Entlassung stellen sie in vielen Fällen den sozialen Empfangsraum dar. „Die Vereinsamung geht häufig im Vollzug ja weiter und egal wie viel Mühe wir uns geben, das ist ja auch sehr unterschiedlich, können wir ja nie einen Partner ersetzen, Eltern ersetzen, Großeltern ersetzen, Freunde ersetzen […].“ (Sozialarbeiter II)

Die Reduzierung des Außenkontaktes erleben junge Gefangene, so beschreiben es die Mitarbeiter*innen, als schwersten Aspekt der Gefangenschaft. Dementspre­ chend leiden sie unter der Kontaktreduzierung und sorgen sich um den Fortbestand ihrer sozialen Beziehungen. „Das ist glaub ich mit das schwerste an der Strafe inhaftiert zu sein, dass man, man eben nicht mehr so einfach den Kontakt mit Angehörigen pflegen kann […].“ (Psychologe) „Das geht also bis hin zu deutlichen Ängsten, wenn man nicht ausreichend Kontakt zur Verlobten erhält, dass die Verlobung platzt das damit Lebensträume platzen […].“ (Anstaltsleitung)

Andererseits berichten Mitarbeiter*innen von negativen Einflüssen, die Ange­ hörige auf junge Gefangene haben. So kommt es vor, dass sie verbotene Gegen­ stände in die Anstalt einbringen. Außerdem kommen Jugendstrafgefangene überproportional häufig aus problema­ tischen Verhältnissen, die von den Mitarbeiter*innen als defizitär beschrieben wer­

b) Vertiefende Untersuchung   

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den. Das soziale Umfeld sei häufig von Kriminalität, Erziehungsunfähigkeit, Hilf­ losigkeit, mangelnder Kompetenz und Überforderung geprägt. Da dies Kriminalität bedinge und begünstige und die jungen Gefangenen in dieselben Umfelder entlas­ sen würden, würden Resozialisierungsbemühungen in vielen Fällen konterkariert. „[…] da hört man am Telefon, wenn die ihren Kindern sagen mach einfach alles mit, was die dir sagen und wenn du rauskommst, dann machen wir so weiter so wie früher, also wo Eltern auch teilweise Straftaten mit den Kindern begehen […].“ (Psychologe)

In Bezug auf die Frage, wie sie mit problematischen Sozialkontakten während der Gefangenschaft umgehen, wäre es nach Ansicht der Mitarbeiter*innen ideal, die jungen Gefangenen aus problematischen Umfeldern herauszulösen, um den negativen Einfluss zu unterbinden. Teilweise wird das auch versucht, allerdings ist ihrer Einschätzung nach dieses Vorgehen weder realistisch noch langfristig Erfolg versprechend, da die Gefangenen unbedingt Kontakt haben wollen, Angehörige auch bei kriminalitätsförderndem Einfluss gleichzeitig Stützen in anderen wich­ tigen Lebensbereichen bilden und die jungen Menschen nach der Gefangenschaft sowieso wieder in dieselben Umfelder entlassen werden. Deshalb legen Mitarbeiter*innen den Schwerpunkt ihrer Arbeit eher darauf, die jungen Gefangenen für Problemlagen zu sensibilisieren und sie bei der Res­ sourcenentwicklung für den Umgang mit problematischen Sozialkontakten zu unterstützen. Dabei versuchen sie auch, das soziale Umfeld miteinzubeziehen. In diesem Zusammenhang müsste nach Ansicht der Mitarbeiter*innen – noch stär­ ker als es bisher der Fall ist – an den Problemen des sozialen Umfelds gearbeitet werden, indem diese Personen auch wesentlich stärker miteinbezogen werden. Nach Ansicht eines Sozialarbeiters könnte der Langzeitbesuch dafür ein geeigne­ tes Instrument sein.

Reguläre Besuche Nach Einschätzung der Mitarbeiter*innen dienen reguläre Besuche der Stabi­ lisierung von Gefangenen. Zum einen haben sie positiven Einfluss, indem sie bis zu einem gewissen Grad Nähe und Intimität ermöglichen, vom Gefängnisalltag ablenken und Beziehungen stärken. Außerdem erleben Gefangene durch Besuche Unterstützung und werden daran erinnert, dass es eine Welt draußen und eine Zeit nach der Gefangenschaft gibt. „Auch da ist, ich tu mir wirklich schwer mit dem Wort Intimität in diesem Zusammenhang, aber auch da ist Berührung möglich und so ein bisschen Wärme fühlen, das ist möglich […].“ (Psychologe )

Zum anderen erweisen sich reguläre Besuche auch als problematisch. So wer­ den sie genutzt, um verbotene Gegenstände ins Gefängnis einzubringen. Aufgrund fehlender Privatsphäre sind ungestörte Unterhaltungen und das Ansprechen zum Beispiel von intimeren Familienangelegenheiten nicht möglich.

264

3. Empirische Untersuchung des Langzeitbesuchs im Jugendstrafvollzug 

„Der normale Besuch wird optisch überwacht. Es sind mehrere Parteien in dem Besuchsraum, d. h., man kann sich gar nicht ungestört unterhalten. Das bedeutet also, dass das intimere familiäre Angelegenheiten gar nicht angesprochen werden können, wenn man weiß, da gibt es andere, die hören mit.“ (Anstaltsleitung)

Langzeitbesuch Inhaltlich wird im Folgenden die Oberkategorie Langzeitbesuch anhand ver­ schiedener Subkategorien strukturiert. Grundsätzlich werden Langzeitbesuche mit den Zielen durchgeführt, soziale Beziehungen zu stärken und Entfremdungspro­ zessen entgegenzuwirken. Außerdem dienen sie der Ermöglichung von Sexualität. Die mit dem Langzeitbesuch verbundenen Aufgabenfelder gestalten sich für die beiden interviewten Berufsgruppen unterschiedlich: Die Bediensteten des AVD sind – je nach Einsatzgebiet und Justizvollzugsanstalt leicht variierend – insgesamt für den Ablauf der Langzeitbesuche zuständig. Sie koordinieren Besuchstermine und nehmen den Gefangenen und seinen Besuch in Empfang. Anschließend klären sie beide Besuchsparteien über Abläufe und Regeln auf. Sie teilen bei Bedarf Utensilien wie Handtücher und Kondome aus. Außerdem achten sie auf die Einhaltung der zeitlichen Rahmenbedingungen. Während der Besuche halten sie sich als Ansprechpartner*innen bereit. Im Falle der Auslösung eines Notrufes müssen sie unverzüglich den Langzeitbesuchsraum betreten. Nach den Besuchen kontrollieren sie den Zustand des Raumes. Außerdem nehmen sie die Durchsuchung des Gefangenen vor und nach den Besuchen vor. Speziell Be­ dienstete der Abteilung Sicherheit und Ordnung geben vor der ersten beantragten Besuchsdurchführung ein Votum bezüglich der Zulassungsfrage ab. Die Mitarbeiter*innen des Sozialen Dienstes sind für die Prüfung und Ge­ nehmigung der unbeaufsichtigten Besuche zuständig. Im Rahmen des Genehmi­ gungsverfahrens prüfen sie, meistens durch ein persönliches Gespräch mit dem Gefangenen und seinen Angehörigen, ob von dem einzubindenden Kontakt ein positiver bzw. kein schädlicher Einfluss zu erwarten ist. Außerdem begutachten sie, ob es sich bei der Beziehung um eine tragfähige Beziehung handelt. Darüber hinaus holen sie sich das angesprochene Votum der Abteilung für Sicherheit und Ordnung ein. Was den Inhalt der Prüfungskriterien anbelangt, stellen Drogenkonsum oder der hinreichende Verdacht, dass der in Frage stehende Gefangene in subkulturelle Aktivitäten eingebunden ist, Ausschlussgründe dar. Von Angehörigen soll stabili­ sierender sowie reintegrierender Einfluss ausgehen. Außerdem werden Menschen mit Abgrenzungsproblemen als kritisch für die Teilnahme an Langzeitbesuchen wahrgenommen. Im Falle der Zulassung gehört es außerdem zu den Aufgaben der Mitarbeiter*innen des Sozialen Dienstes, die Besuche pädagogisch vor- und nachzubereiten. Im Rahmen der Vorbereitung werden mögliche Gesprächs- und Konfliktthemen thematisiert sowie Abläufe und Regeln besprochen. Ähnlich dazu

b) Vertiefende Untersuchung   

265

wird im Nachgang mit den Besuchsparteien besprochen, wie sie den Besuch ge­ staltet und erlebt haben. Eine Sonderstellung nehmen Peers unter den potenziellen Besuchsakteur*in­ nen ein. In allen drei Justizvollzugsanstalten sind sie von Langzeitbesuchen aus­ geschlossen. Dies liegt nach Einschätzungen der Mitarbeiter* darin begründet, dass sie in vielen Fällen dem kriminellen Milieu zuzuordnen sind und sie deshalb in der Regel keinen positiven oder stabilisierenden Einfluss auf die Gefangenen haben. Außerdem nehmen sie die Beziehungen zwischen den jungen Gefangenen und ihren alten Freundeskreisen als unbeständig wahr. Außerdem würde, so die Einschätzung eines Mitarbeiters, durch die erweiterte Einbindung von Peers durch Langzeitbesuch die Gefahr für die Sicherheit und Ordnung zu groß werden, da sie unerlaubte Gegenstände wie zum Beispiel Waffen einbringen könnten. „[…] weil das eben auch schwerer zu überprüfen ist und weil die eben ähnlich unstet sind oder auch kein günstiger Einfluss oder eben auch wenig tragfähige Beziehung.“ (Sozialarbeiterin III)

Dennoch berichten ihnen Gefangene in diesem Zusammenhang gleichzeitig, dass es ihnen sehr wichtig wäre, dass auch Freund*innen an Langzeitbesuchen teilnehmen könnten. Auch zeigt sich in den Narrationen der Mitarbeiter*innen ein Bewusstsein dafür, dass es durchaus Gefangene mit funktionierenden Freundkrei­ sen und Freund*innen gibt, die als Verhaltensvorbilder fungieren können. „[…] ich würde immer Einzelfall machen neh und eh gucken, da ist jemand auch die schiefe Bahn geraten, Schulabbruch ist dann an der Hauptschule oder Förderschule und da völlig untergegangen und abgekracht und hat aber noch von der anderen Schule oder so ein Bu­ senfreund aus Kindertagen, der ein gutes Vorbild ist, dann macht das ja durchaus Sinn, den dazu zu holen. Dann muss nur klar sein wer beeinflusst wen, also so Modelllernen […].“ (Sozialarbeiterin III)

Zur Frage, welchen Einfluss Langzeitbesuch auf die Sicherheit und Ordnung des Gefängnisses hat, liegen unterschiedliche Wahrnehmungsmuster vor. Einige Mitarbeiter*innen berichten, dass Langzeitbesuche keine Probleme hinsichtlich der Sicherheit und Ordnung nach sich ziehen. Ursächlich dafür, so die zusammen­ gefasste Einschätzung der Mitarbeiter*innen, sind bestimmte Vorkehrungen, die im Bereich der Vorabprüfung und Durchsuchung getroffen werden. „Die Besucher werden durchsucht, von daher mache ich mir da wenig Sorgen. In den al­ lermeisten Fällen ist das okay, die Jugendlichen werden nachher komplett untersucht also ausgezogen, dann durchsucht, dass da nichts stattfindet, wenn wir was finden, dann wäre eben auch dieses hohe Gut weg, der LZB, und ich glaube das riskieren die da weniger.“ (Sozialarbeiter I)

Andere Mitarbeiter*innen berichten zwar nicht direkt von problematischen Vor­ fällen, ihren Narrationen ist aber zu entnehmen, dass nach ihrer Wahrnehmung Langzeitbesuche potentiell das Risiko des Einbringens unerlaubter Gegenstände sowie von Geiselnahmen erhöhen. Darüber hinaus berichten Mitarbeiter*innen

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3. Empirische Untersuchung des Langzeitbesuchs im Jugendstrafvollzug 

von Fällen, in denen durch Langzeitbesuch unerlaubte Gegenstände tatsächlich eingebracht wurden. Unabhängig davon zeigt sich, dass negative Vorfälle in Zusammenhang mit Langzeitbesuch in anderen Justizvollzugsanstalten, die in die öffentliche Wahrneh­ mung gelangt sind, sowohl im Bewusstsein einiger Mitarbeiter*innen vorhanden sind als auch zu Veränderungen im Bereich der Sicherheit und Ordnung in Justiz­ vollzugsanstalten geführt haben, die von dem Vorfall selber nicht betroffen waren. „Es wird immer wieder dann schwierig, wie vor einigen Jahren in Schwerte, wenn irgendwas Dramatisches passiert, da hat irgend ein Gefangener versucht […] seine Freundin umzubrin­ gen oder hat sie sogar umgebracht, dann wird’s natürlich nochmal schwierig, dann schreckt verständlicher Weise im Ministerium alles hoch, d. h. dann kriegt man auch mal den Auftrag, überprüft bitte eure Kriterien nochmal ganz genau, stoppt jetzt erstmal die LZB, bis jetzt alle überprüft sind […].“ (Psychologe I)

In Bezug auf die wahrgenommenen Auswirkungen von Langzeitbesuch wird im Folgenden zwischen Auswirkungen auf Gefangene und Auswirkungen auf Mitarbeiter*innen unterschieden. In den Narrationen der Mitarbeiter*innen bestätigt sich, dass Langzeitbesuche im Vergleich zu regulären Besuchen normalere Kommunikation ermöglichen, indem sie Privatsphäre gewährleisten und Zeitdruck reduzieren. Dadurch, so die Mitarbeiter*innen, tragen sie zur Stabilisierung und Verbesserung der Beziehun­ gen zwischen dem Gefangenen und seinem sozialen Umfeld bei. Außerdem neh­ men Mitarbeiter*innen wahr, dass sie zur Entspannung und Entlastung beitragen und insgesamt das psychische Wohlbefinden der jungen Gefangenen steigern. Als positiv bewerten Mitarbeiter*innen zudem, dass die jungen Gefangenen aufgrund der Besuchsdauer gezwungen sind, längere Gespräche durchhalten und auch mög­ licherweise unangenehme Themen besprechen zu müssen. Auch beschreiben sie den unbeaufsichtigten Besuch als ein wichtiges Instrument, um es sowohl dem Gefangenen als auch seinem sozialen Umfeld zu ermöglichen, Einblicke in die jeweils andere Welt zu erhalten. So erhalten beide Besuchsparteien das Gefühl, trotz der Trennung bis zu einem gewissen Grad immer noch Teil des jeweils an­ deren Lebens sein zu können. „Und jeder Besuch gibt die Möglichkeit nicht nur über Telefon und Brief, nicht nur mit den Leuten zu sprechen, beratend tätig zu sein, nachzufragen, wie auch immer, die LZB ver­ stärken das alles in einer viel größeren Dimension, deswegen sind sie für die Gefangenen immer wichtig, weil sie wissen, oder sie bekommen immer wieder das Gefühl ich bin nicht ganz raus […].“ (Sozialarbeiter IV)

Negativ bewerten Mitarbeiter*innen, dass das Besuchsende mit Trauer aufseiten der Gefangenen verbunden ist. Kontroversen zeigen sich bei der Frage, inwiefern Langzeitbesuche als Beloh­ nung eingesetzt werden und dadurch Verhalten von Gefangenen steuern. Nach ei­ nigen Mitarbeiter*innen sollten die Besuche nicht als Belohnung im Jugendstraf­

b) Vertiefende Untersuchung   

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vollzug eingesetzt werden, da sie Besuche als wichtiges Recht der Gefangenen ansehen und außerdem aufgrund des „problematischen Klientels“ nur sehr wenige Gefangene Langzeitbesuche erhalten würden. „[…] sonst könnte man sagen, ihr benehmt auch jetzt mal alle ganz toll und arbeitet schön mit und dafür dürft ihr mehr Besuch machen und das würde Ihnen jedes Gericht um die Ohren hauen.“ (Sozialarbeiterin III)

Andere Mitarbeiter*innen dagegen beschreiben den Langzeitbesuch als „Bonus“ oder „Bonbon“, der tatsächlich als Reaktion auf Wohlverhalten erfolgt bzw. ihrer Meinung nach erfolgen sollte. „Ich sehe LZB eher als „Bonbon“. Wenn sich die Gefangenen hier nicht oder kein beanstan­ dungsfreies Vollzugsverhalten zeigen, nicht am Vollzugsziel mitarbeiten […] nicht noch mit LZB zu beschenken.“ (AVD III)

Unabhängig von der Frage, welche Einstellung die Mitarbeiter*innen zu diesem Thema haben, zeigt sich in ihren Narrationen, dass Langzeitbesuche in den unter­ suchten Justizvollzugsanstalten de facto als Reaktion auf Wohlverhalten eingesetzt werden. So werden Langzeitbesuche zum Beispiel entzogen, wenn der Besuchs­ raum in einem unordentlichen Zustand hinterlassen wurde. Da die Gefangenen wissen, dass der Besuch bei Regelverstößen entzogen werden kann und er für sie, wie es die Mitarbeiter*innen beschreiben, einen sehr hohen Stellenwert hat, wirkt er als Verhaltenskorrektiv zum Beispiel in Situationen, in denen der Gefangene versucht ist, Regelverstöße zu begehen. „Aber da legen wir vom Grundsatz her schon ganz klar Wert darauf, dass die Räume sauber von den Gefangenen in Empfang genommen werden und genauso sauber auch wieder zurück­ gegeben werden, das gehört einfach zum normalen Miteinander und da gehört es auch zum Lernprozess dazu, wenn der Raum nicht ordentlich hinterlassen wird, dass der Gefangene erstmal damit rechnen muss, dass der Besuch so nicht stattfinden kann, weil er sich nicht an die Regeln gehalten hat.“ (Anstaltsleitung) „[…] dass die alles dafür tun diesen Langzeitbesuch, den sie wirklich als Privileg empfinden, auf keinen Fall auf’s Spiel zu setzen. Das ist teilweise so, wenn hier ein Gefangener mal ein wenig hochfährt der Langzeitbesuche hat, hier sind die Türen ja offen auf der Sotha, dass dann ein anderer hingeht, hör mal auf Mensch sonst kriegst du Schwierigkeiten mit dem Langzeitbesuch, lass das sein.“ (Psychologe I)

Aus Sicht der Mitarbeiter*innen hat der Langzeitbesuch positive Auswirkun­ gen, da er, wie bereits mehrfach erwähnt, das psychische Wohlbefinden steigert und dadurch, so der Eindruck eines Mitarbeiters, auch die Arbeit mit dem Gefan­ genen erleichtert. Als negativ wird wahrgenommen, dass sich die erstmalige Implementierung der besonderen Besuche und die damit zusammenhängende Erarbeitung von Zu­ lassungskriterien als großer Arbeitsaufwand darstellt. Hinsichtlich der Einstellungen der Mitarbeiter*innen zu den besonderen Be­ suchen zeigen sich unterschiedliche Muster in den Narrationen. Überwiegend

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3. Empirische Untersuchung des Langzeitbesuchs im Jugendstrafvollzug 

wird der Langzeitbesuch als wichtige, resozialisierungsfreundliche Besuchsform beschrieben. Die Ermöglichung von Privatsphäre wird als äußerst wichtig wahr­ genommen. Ein Mitarbeiter erachtet Langzeitbesuche für die Förderung der VaterKind-Beziehung als unabdingbar. Ein anderer ordnet seine Bedeutung für Jugend­ strafgefangene höher als für erwachsene Gefangene ein. Gleichzeitig beschreibt es ein Mitarbeiter als kritisch, dass Langzeitbesuche als Spießroutenlauf für besuchende Partner*innen wirken können, indem die Mit­ arbeiter*innen wüssten, dass sie zum Geschlechtsverkehr in die Anstalt kämen. Darüber hinaus bewertet ein Mitarbeiter die Häufigkeit der Besuche (in diesem Fall alle drei Monate) als ausreichend, da aufgrund der regulären Besuche und der Dauer des Langzeitbesuchs den Besuchsparteien der Gesprächsstoff ausginge. Außerdem beschreiben sie Langzeitbesuche als herausfordernden Spagat zwischen Resozialisierung auf der einen und Sicherheit und Ordnung auf der anderen Seite. Übernachtungen werden in Zusammenhang mit Langzeitbesuch nicht als not­ wendig erachtet. So seien Jugendstrafen im Vergleich zu Freiheitsstrafen kürzer und Übernachtungen für die Bindungsstärkung nicht ausschlaggebend. Außer­ dem würden sie ein zu hohes Risiko für die Sicherheit und Ordnung der Anstalt darstellen. In Bezug auf die Gründe für die geringe Anzahl von Langzeitbesuch in den durchführenden Justizvollzugsanstalten geben Mitarbeiter*innen Zulassungskri­ terien, das Fehlen einer Partnerschaft, fehlendes Interesse der Gefangenen und die kurze Dauer vieler Jugendstrafen an. Hinsichtlich des Verhältnisses von Langzeitbesuch zu Lockerungen werden Langzeitbesuche nicht für Gefangene vorgesehen, die Lockerungen erhalten, da sie in diesem Fall als überflüssig angesehen werden. So halten Mitarbeiter*innen in diesem Zusammenhang eine Öffnung nach außen für wichtiger als eine Öff­ nung nach innen. Unabhängig davon, so die Einschätzung der Mitarbeiter*innen, kommt der Langzeitbesuch insbesondere für Gefangene infrage, die zwar nicht lockerungsgeeignet sind, weil sie mit den Versuchungen in der Außenwelt überfor­ dert wären, jedoch in der Lage sind, sich an die anstaltsinternen Regeln zu halten. Abschließend zeigen sich in den Narrationen der Mitarbeiter*innen verschie­ dene Änderungsvorschläge im Rahmen von Langzeitbesuch. Sie würden Langzeit­ besuche stärker in den Behandlungsgedanken integrieren und die Besuche noch stärker für die Familien- und Frauenbildarbeit nutzen. Außerdem würde es nach Angaben einer Mitarbeiterin mehr Sinn machen, stärker inhaltlich und weniger formal zu prüfen, da dadurch mehr Gefangene für die Zulassung infrage kämen.

b) Vertiefende Untersuchung   

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Sexualität Die Oberkategorie Sexualität gliedert sich in die Unterkategorien, Gründe für das Fehlen von Sexualität, Einstellung der Mitarbeiter*innen zu Sexualität, Bedeutung des Fehlens / der Realisierung von Sexualität für Gefangene und Prostitution. Ursächlich dafür, dass deutschlandweit jungen Gefangenen fast ausnahmslos die Realisierung von Sexualität im Gefängnis verwehrt wird, ist nach Ansicht eines Mitarbeiters der Umstand, dass dort der Gedanke an Sicherheit und Ord­ nung überwiege. Außerdem ist es nach seiner Einschätzung schwer überprüfbar, ob der Sexualkontakt aufseiten des einzubindenden Kontaktes freiwillig erfolge. So seien Situationen denkbar, in denen die Familie zum Beispiel eine junge Frau dazu drängt, Sex mit dem jungen Gefangenen im Gefängnis auszuleben. „Ich glaube einfach, dass man derzeit auch wahrscheinlich prüfen müsste, wie freiwillig sind diese Kontakte eigentlich, oder besteht seitens der Familie irgendwie ein Druck, du musst jetzt den und den besuchen und der möchte jetzt mit dir intim sein und das hast du gefälligst zu tun, ich glaube das ist etwas, was hier im Strafvollzug oder beziehungsweise bei uns im Jugendvollzug schon immer auch als Fragezeichen über der ganzen Situation steht.“ (Sozialarbeiter IV)

Hinsichtlich der Einstellung gegenüber Sexualität wird das Fehlen von Sexua­ lität insgesamt als problematisch wahrgenommen. So beschreibt ein Mitarbeiter die sexuelle Deprivation als „Amputation“. Ein anderer Mitarbeiter beschreibt sie als massiven Grundrechtseingriff. Die Mitarbeiter*innen erkennen Sexualität als wichtiges Bedürfnis an. Außerdem erachten sie ihr Ausleben als sehr wich­ tig für die Entwicklung junger Menschen. Sie nehmen im Anstaltsalltag wahr, dass Sexualität durchweg einen sehr hohen Stellenwert für junge Gefangene hat. Obwohl Sexualität im Gefängnis insgesamt tabuisiert werde, ließe sie sich nicht unterdrücken. Das zeige sich auch daran, dass Gefangene und ihre Partner*innen trotz Untersagung während des regulären Besuches in Anwesenheit anderer Be­ sucher*innen und Mitarbeiter*innen sehr intim würden, was wiederum von den Bediensteten unterbunden werden müsse. „Also hier sind ja welche, die verpassen ihre gesamte Jugend, das ist so wichtig in der Ent­ wicklung da Erfahrungen zu machen.“ (Sozialarbeiterin III) „[…] weil es halt schon so weit gekommen ist, dass einfach definitiv zu viel gekuschelt wurde in Anführungszeichen. Und seitdem funktioniert das ganz gut muss ich sagen, also irgendwo muss auch immer noch die Kirche im Dorf bleiben, wir wissen, wo wir sind und […] dann muss das auch einfach laufen.“ (AVD IV)

Was mögliche Folgen des Fehlens von Sexualität anbetrifft, berichten die Mit­ arbeiter*innen von zahlreichen negativen Auswirkungen. So sind die Gefangenen gezwungen, sich alternative Strategien wie zum Beispiel Selbstbefriedigung zur Entlastung zu suchen, obwohl aufgrund fehlender Rückzugsmöglichkeiten auch diese nach Wahrnehmung eines Mitarbeiters zum Teil schwer zu realisieren ist. Außerdem führe die sexuelle Deprivation zu einer negativen Veränderung des

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3. Empirische Untersuchung des Langzeitbesuchs im Jugendstrafvollzug 

Frauenbildes. Darüber hinaus weiß eine Mitarbeiterin zu berichten, dass es auf­ grund der sexuellen Deprivation zu sexuellen Übergriffen und sexuellen Erpres­ sungen kommt. Außerdem stelle der Sexualentzug eine große Herausforderung für Partnerschaften dar. „[…] es kommt ja auch zu so Zwangssexualität dann, dass die sich dann gegenseitig befrie­ digen oder sowas neh. Und da kriegt man nicht so viel mit, also subkulturell ist da glaube ich einiges, nicht glaube ich, weiß ich, also die Erpressen sich hier den Einkauf, die hauen sich, also die helfen, Gefangene kommen hier hin und dann sagt ein anderer du hast jetzt gar nichts, am Anfang haben die nichts keine Zigaretten, unter 18 dürfen die keine Zigaretten kaufen, gesetzlich ist großes Dilemma, weil das fördert die Subkultur, dann putzen die die Zelle dafür oder die anderen sagen ja guck mal ich gebe dir jetzt eine Zigarette und dann müssen die drei Packungen Tabak wieder zurück geben und so neh. Oder eben auch sexuell kommt das vor.“ (Sozialarbeiterin III)

Die Ermöglichung von Sexualität, wenn auch nur für wenige Gefangene, wird von einem Mitarbeiter als ein Stück Normalität beschrieben. Gleichzeitig aber, so ein anderer Mitarbeiter, sind Langzeitbesuche nicht geeignet, das Fehlen von Sexualität im Gefängnis zu kompensieren, da sie dafür zu selten stattfinden. Ab­ gesehen davon geht es nach der Wahrnehmung einiger Mitarbeiter*innen im Zu­ sammenhang von Sexualität und Langzeitbesuch nicht zwingend nur um den rei­ nen Sexualakt, sondern auch um die Möglichkeit, Intimitäten und Zärtlichkeiten auszutauschen. Was das Thema Prostitution anbetrifft, so spielt diese nach den Erfahrungen der Mitarbeiter*innen im Rahmen von Langzeitbesuch keine Rolle. „Also ne Diskussion darüber ist mir nicht bekannt. Es ist mir auch nie bekannt, dass es hier bei uns tatsächlich auch ein Thema ist oder dass es überprüft wird oder dass es Beobachtun­ gen gibt, die den Anschein erwecken, als wäre Prostitution mit im Spiel.“ (Sozialarbeiter II)

Aus den Narrationen der Mitarbeiter*innen ergibt sich, dass der Strafvollzug der Ermöglichung von Prostitution in Zusammenhang mit Langzeitbesuch insgesamt ablehnend gegenübersteht. „D. h. dass statt der Besucher dann tatsächlich Prostituierte angeheuert werden, ist theore­ tisch denkbar. Der ist ja halt nicht abwegig der Gedanke, versuchen wir, also Prostitution unterstützen wollen wir nicht […].“ (Sozialarbeiter I) „[…] ich glaube nicht, dass das mit Prostitution hier ein Thema ist und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass man das zulassen würde.“ (Sozialarbeiter II)

Als ursächlich für diese ablehnende Haltung sieht ein Sozialarbeiter vor allem moralische Gründe. „Ich glaube, das ist eine moralische Diskussion tatsächlich. Weil im ersten Moment würde ich sagen, was spricht dagegen, da ist jemand über 18, d. h. er darf, er kann es ganz anders juristisch auch eh oder rechtlich auch ganz anders einschätzen, darf er dann auch und wenn er sagt, ich möchte ganz gerne hier also, wenn wir Prostitution als Dienstleistung benennen, ich möchte diese Dienstleistung, die möchte ich gerne nutzen, dann spricht für mich erst­

b) Vertiefende Untersuchung   

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mal nichts dagegen. Ob der Staat sich sozusagen daran beteiligt, das System Prostitution zu fördern, ich glaube, dahin würde das gehen, dass man sagt, okay es gibt diese Art und wir haben sie mit dem Prostitutionsgesetz versuchen wir sie auch etwas zu strukturieren bzw. zu entkriminalisieren. Aber ich glaube, man wäre dann auch ein potentieller Arbeitgeber, ich glaube das ist so eine moralische Geschichte, wo man einfach sagen würde, wir können hier nicht jeden Samstag 10 Menschen aus der Prostitution reinlassen und sagen, meldet euch, wenn ihr dann fertig seid. Ich glaube, das ist wirklich ne moralische Geschichte und das würde man einfach nicht zulassen, dass dafür ist das Gewerbe der Prostitution einfach nach wie vor auch verrufen neh.“ (Sozialarbeiter II)

cc) Zwischenergebnis Während im Abschnitt 3. a) empirische Befunde über die Situation von Lang­ zeitbesuchen auf der Ebene der Justizvollzugsanstalten präsentiert wurden, stan­ den in diesem Abschnitt die unmittelbar betroffenen Personengruppen im Fokus. Gefangene, Angehörige und Vollzugsmitarbeiter*innen wurden zu ihren subjekti­ ven Einschätzungen zum Themenfeld Langzeitbesuch befragt. In diesem Rahmen konnte die qualitative Untersuchung sowohl Erkenntnisse zum Langzeitbesuch aus dem Erwachsenenstrafvollzug erstmals für den deutschen Jugendstrafvollzug be­ stätigen als auch neue Erkenntnisse gewinnen, die in der Forschung bisher nicht thematisiert wurden. Jugendstrafgefangene Die Narrationen junger Gefangener bestätigen Erkenntnisse aus anderen Studien über den deutschen Jugendstrafvollzug,81 dass soziale Beziehungen während der Gefangenschaft abbrechen und eine Gefängnisstrafe in vielen Fällen zur Reorgani­ sation ihres bisherigen sozialen Umfelds führt. Dabei berichten sie jedoch nicht nur von negativen Auswirkungen. So bestätigen die Befunde hier, dass soziale Kontakte während des Jugendstrafvollzugs auch reaktiviert und soziale Beziehungen durch die Gefangenschaft verbessert werden können. Auch der in anderen Studien häufig bestätigte Befund,82 nach dem die Beschrän­ kung des Außenkontaktes und die damit einhergehende Trennung vom sozialen Umfeld als sehr große Belastung wahrgenommen werden, wurde hier bestätigt. Der hier präsentierte Befund, dass Kontakt zu Angehörigen Freude und Hoffnung hervorruft sowie das psychische Wohlbefinden von Jugendstrafgefangenen steigert, bestätigt die Ergebnisse aus zahlreichen Untersuchungen,83 nach denen Außen­ kontakt während der Gefangenschaft positiven Einfluss auf Gefangene hat. Erst­ mals wurde für den Jugendstrafvollzug gezeigt, dass es insbesondere mangelnde 81

Vgl. Abschnitt 2. b) cc). Vgl. Abschnitt 2. b) cc) (4) (a). 83 Vgl. Abschnitt 2. b) cc) (4) (a). 82

272

3. Empirische Untersuchung des Langzeitbesuchs im Jugendstrafvollzug 

Privatsphäre und kurze Dauer sind, die bei regulären Besuchen bedeutungsvolle Interaktionen verhindern. Junge Gefangene haben das Gefühl, dass sie eine Maske tragen und sich während der Besuche verstellen müssen. Dagegen führen die interviewten Gefangenen zahlreiche Vorteile auf, die der Langzeitbesuch gegenüber regulären Besuchen für sie hat. So bestätigen die Er­ gebnisse hier insgesamt nationale und internationale Befunde aus dem Bereich des Erwachsenenstrafvollzugs,84 dass Langzeitbesuche zahlreiche positive Aus­ wirkungen auf Gefangene haben. Vor allem empfinden junge Gefangene, dass sie während des Langzeitbesuchs Gefühle zeigen können, die sie im Gefängnisalltag unterdrücken müssen. Außerdem bestätigt sich hier für den Bereich der Sexuali­ tät, dass die sexuelle Deprivation, wie für den Erwachsenenstrafvollzug bereits belegt,85 auch für Jugendstrafgefangene eine höchst problematische Situation schafft, der sie mit unterschiedlichen Bewältigungsstrategien im Laufe der Ge­ fangenschaft begegnen. Als neue Erkenntnis und gleichzeitig im Widerspruch zu den Befunden aus Studien und Erfahrungsberichten aus dem deutschen Erwachsenenstrafvollzug,86 zeigen die Interviewergebnisse, dass Jugendstrafgefangene, die selber keine Lang­ zeitbesuche erhalten, durchaus in Einzelfällen Missgunst gegenüber Gefangenen mit Langzeitbesuch verspüren. Auch zeigt sich, dass Sexualität für Jugendstraf­ gefangene nicht den höchsten Stellenwert hat, wenn sie über die Bedeutung des Langzeitbesuchs aus ihrer Perspektive reden, und dass Sexualität in Diskussionen über Langzeitbesuch oftmals überbetont wird.87 Im Vordergrund stehen vielmehr Themen wie Intimität oder Gespräche in privater Atmosphäre. Unabhängig davon nehmen die jungen Gefangenen die Ermöglichung von Sexualität im Rahmen von Langzeitbesuch als große Erleichterung der Gefangenschaft wahr. Im Forschungsstand blieb die Tatsache, dass eine Entkleidung inklusive kör­ perlicher Durchsuchung in den Gefängnissen zum Standardprocedere nach den Langzeitbesuchen gehört, bisher unerwähnt. Dies wird von den jungen Gefangenen als starke Belastung wahrgenommen. Daran schließt sich als Erkenntnis an, dass sich Gefangene im Zusammenhang mit Langzeitbesuch häufig ungerecht behan­ delt fühlen. So empfinden sie die vollständige Entkleidung nach den Besuchen als ungerecht, da sie nicht nachvollziehen können, weshalb ihnen einerseits Vertrauen entgegengebracht wird, was sich an der Zulassung von Langzeitbesuchen zeigt, ihnen dann aber andererseits extremes Misstrauen demonstriert, durch die Entklei­ dung, entgegengebracht wird, obwohl sie sich während der Besuche nichts haben zu Schulden kommen lassen. Außerdem konnte ein Gefangener nicht nachvollzie­ hen, weshalb nur sehr wenige Gefangene Langzeitbesuche erhalten würden und die Messlatte für die Zulassung sehr hoch läge, obwohl auch ihnen Langzeitbesuche 84

Vgl. Abschnitt 2. b) ee) (2) (c). Vgl. Abschnitt 2. b) cc) (5) (c) (dd). 86 Vgl. Abschnitt 2. b) ee) (2). 87 Vgl. Abschnitt 1. b). 85

b) Vertiefende Untersuchung   

273

sehr guttun würden. Gerade vor dem Hintergrund, dass im Jugendstrafvollzug eben junge Menschen seien, die Probleme haben und auch mal „Scheiße“ bauten, sei es unfair, dass die Besuche nur bei Wohlverhalten zugelassen und bei kleinen Vergehen verboten werden. In Anlehnung an Annahmen aus klassischen Gefäng­ nisstudien, nach denen sich das Gefängnis durch eine andauernde Disziplin- und Kontrolleinwirkung auszeichnet,88 zeigen die Narrationen der Gefangenen auf, dass Langzeitbesuche ermöglichen, sich diesen andauernd erlebten Einwirkungen temporär zu entziehen. Abschließend sind die Mängel zu erwähnen, die Jugendstrafgefangene in Bezug auf Langzeitbesuche wahrnehmen. So stören sich einige Gefangene an hygieni­ schen Mängeln in den ihnen zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten. Auch die Tatsache, dass in einigen Fällen der Langzeitbesuchsraum für Partner*innen und Familien derselbe ist, wurde als problematisch angesehen. Gefangenen missfällt dabei die Vorstellung, dass in demselben Raum bzw. auf demselben Sofa Sexuali­ tät von vielen Gefangenen ausgelebt wird, in dem sie gleichzeitig ihre Eltern und Geschwister in Empfang nehmen. Angehörige Die durchgeführten Interviews lieferten wichtige Einblicke in die Wahrnehmung des Themenfelds Langzeitbesuchs durch Angehörige der Jugendstrafgefangenen. Wie bereits in Studien über den Erwachsenen- und Jugendstrafvollzug nachge­ wiesen,89 zeigen auch die vorliegenden Interviewauszüge, dass Angehörige von Jugendstrafgefangenen wichtige Ressourcen vor allem während und nach der Ge­ fangenschaft darstellen, indem sie die Gefangenen in vielen Fällen bedingungslos unterstützen. Übereinstimmend mit nationalen und internationalen kriminologischen Befun­ den90 über den Jugendstrafvollzug zeigen die Interviews, dass auch für sie als An­ gehörige von jungen Gefangenen der Vollzug einer Jugendstrafe zu psychischen und finanziellen Belastungen führt. So erleben sie insgesamt die Gefangenschaft in Anlehnung an Granja (2016) als „parallele Strafe“. Außerdem zeigen die Narrationen hier übereinstimmend mit Erkenntnissen aus anderen Studien, dass manche Angehörige die Gefangenschaft auch als positiven „Turning Point“ wahrnehmen.91 So berichten einige, dass die Gefangenschaft zur Verbesserung ihrer Beziehung mit dem Gefangenen geführt hat. Sie berichten zudem, dass ihre Beziehungen reifer und stärker wurden und sich größerer Nähe und größerer Zusammenhalt einstellten. 88

Vgl. Abschnitt 1. a) cc). Vgl. Abschnitt 2. b) cc) (4) (a). 90 Vgl. Abschnitt 2. b) cc) (4) (b). 91 Vgl. Abschnitt 2. b) cc) (4) (b). 89

274

3. Empirische Untersuchung des Langzeitbesuchs im Jugendstrafvollzug 

Es zeigt sich, dass nicht nur aus der Perspektive von jungen Gefangenen, son­ dern auch aus der ihrer Angehörigen die gegenwärtige Gestaltung von regulären Besuchen „normalen“ sozialen Interaktionen entgegensteht. Angehörigen fehlen vor allem Privatsphäre und die Möglichkeit von körperlicher Nähe. Als besonders kritisch erweist sich die Aussage, dass weder Raum noch Zeit für die Bearbeitung von Konflikten gegeben sei. Diese Befunde unterstützten demnach die Annahme von Dolde und Grübl (1996), dass aus dem Jugendstrafvollzug Entlassene, die zu Angehörigen ziehen, im Vergleich zu Alleinstehenden ein höheres Rückfallrisiko aufweisen, da Konflikte im zwischenmenschlichen Bereich, die vor der Gefan­ genschaft bestanden, während der Gefangenschaft ungelöst bleiben und nach der Entlassung wieder aufleben. Im Vergleich zu den regulären Besuchen empfinden Angehörige Langzeitbesu­ che als die wesentlich familienfreundlichere Besuchsvariante und berichten von positiven Auswirkungen der besonderen Besuche. Auch für Angehörige erleichtern Langzeitbesuche die Zeit der Gefangenschaft. Insbesondere durch die Ermögli­ chung von Privatsphäre und körperlicher Nähe erleben sie die Stärkung von Bin­ dungen auch zwischen den Gefangenen und ihren Kindern. Vollzugsmitarbeiter*innen Auch über Einstellungen von Mitarbeiter*innen des Jugendstrafvollzugs gegen­ über Langzeitbesuch lagen bisher keine Erkenntnisse in der Forschung vor. Die Interviews geben wichtige Hinweise darauf, inwiefern nationale und internatio­ nale kriminologische Befunde zum Themenfeld Langzeitbesuch aus dem Bereich des Erwachsenenstrafvollzugs auch für die Praxis des Jugendstrafvollzugs gelten: Übereinstimmend mit kriminologischen Befunden92 zeigten die Interviews, dass Mitarbeiter*innen des Jugendstrafvollzugs unterschiedliche schädliche Aus­ wirkungen der Gefangenschaft wahrnehmen. Als besonders relevant für das Themenfeld Langzeitbesuch zeigen sich dabei die fehlende Privatsphäre in Ge­ fangenschaft sowie die Einschätzung einer Mitarbeiterin, nach der die sexuelle Deprivation sexuelle Übergriffe in Gefangenschaft zur Folge hat. Damit wird ins­ gesamt die Annahme gestützt, dass die Ausübung von nicht konsensueller Sexua­ lität mit dem Entzug von Sexualität zusammenhängt.93 Auch hinsichtlich des ambivalenten Einflusses von Angehörigen bestätigen die hier vorliegenden Narrationen Befunde aus anderen Studien,94 nach denen von Angehörigen sowohl positiver als auch negativer Einfluss auf Gefangene ausgeht. Angehörige nehmen eine zentrale Position im Leben von jungen Gefangenen ein,

92

Vgl. Abschnitt 2. b) cc) (4) (a). Vgl. Abschnitt 2. b) ee) (2) (c) (aa). 94 Vgl. Abschnitt 2. b). 93

b) Vertiefende Untersuchung   

275

die durch die Mitarbeiter*innen nicht gleichwertig ersetzt werden kann. Auf der anderen Seite berichteten Mitarbeiter*innen auch, dass Langzeitbesuche insbeson­ dere auf das Vollzugsziel Rückfallfreiheit negative Auswirkungen haben können. Als neue Erkenntnis zeigt sich hier, dass vor allem die Mitarbeiter*innen des So­ zialen Dienstes die Vorgabe der Landesgesetze zum Jugendstrafvollzug, nach der ausschließlich positiver Sozialkontakt zu fördern ist, für nicht praxistauglich hal­ ten. So stimmen sie zwar zu, dass ein Ausschluss von problematischen Kontakten theoretisch sinnvoll, praktisch aber nicht umsetzbar sei, da auch problematische Kontakte zentrale Instanzen im Leben von Jugendstrafgefangenen bilden und sie eben meistens nach der Entlassung auch den sozialen Empfangsraum bilden. Da­ her erachten sie es als nachhaltiger, die jungen Gefangenen für problematische So­ zialbeziehungen zu sensibilisieren sowie ihnen Handlungskompetenzen in diesem Bereich zu vermitteln. Allgemein wurden Erkenntnisse bestätigt, die zeigen, dass die Mitarbeiter*innen des Erwachsenenvollzugs unbeaufsichtigte Besuche grund­ sätzlich als normale Besuchsvariante akzeptieren und positive Einflüsse auf junge Gefangene ausmachen können.95 Außerdem bestätigen die vorliegenden Narratio­ nen Befunde aus anderen Studien,96 dass Langzeitbesuche zu gutem Verhalten im Vollzug anspornen können. Als neue Erkenntnis zeigt sich, dass Langzeitbesuche im Jugendstrafvollzug bewusst und unbewusst bereits von Mitarbeiter*innen als Ansporn zu erwünschtem Verhalten bzw. als Belohnung eingesetzt werden. Wenig überraschend zeigen die Interviews, dass Sicherheit und Ordnung in der Anstalt bei Mitarbeiter*innen des AVD im Vergleich zu Mitarbeiter*innen des So­ zialen Dienstes bei Fragen zum Langzeitbesuch ein höherer Stellenwert eingeräumt wird. Außerdem liefern die Interviews Hinweise, dass die strengen Zulassungsvo­ raussetzungen der Grund für die geringe Anzahl von Jugendstrafgefangenen sind, die tatsächliche Langzeitbesuche erhalten. Als Erkenntnis zeigt sich außerdem, dass sexuelle Bedürfnisse bei Besuchssi­ tuationen auch unter den gegenwärtigen Bedingungen nicht gänzlich unterdrückt werden können. So bestätigen Mitarbeiter*innen, dass junge Gefangene während der regulären Besuche versuchen, Intimitäten und Zärtlichkeiten mit ihren Part­ ner*innen auszutauschen, was von Seiten der Anstalt unterbunden werden muss. Erstmalig berichten Mitarbeiter*innen von dem positiven Einfluss, der von der Ermöglichung von Sexualität durch Langzeitbesuch auf junge Gefangene ausge­ hen kann. Zudem lieferten die Interviews Hinweise darauf, dass Sicherheitsbedenken und die Schwierigkeit zu überprüfen, ob der einzubindende Kontakt freiwillig für se­ xuelle Handlungen ins Gefängnis kommt, die Hauptgründe für die sexuelle Depri­ vation darstellen. In diesem Zusammenhang wurde auch Prostitution im Jugend­ strafvollzug thematisiert. Die Narrationen zeigen, dass Prostitution im Kontext von 95 96

Vgl. Abschnitt 2. b) ee) (2) (c) (cc). Vgl. Abschnitt 2. b) ee) (2) (c).

276

3. Empirische Untersuchung des Langzeitbesuchs im Jugendstrafvollzug 

Langzeitbesuch kein Problem zu sein scheint. Gleichzeitig wird die Ermöglichung von Prostitution durch Langzeitbesuch in den untersuchten Jugendstrafanstalten von den Mitarbeiter*innen abgelehnt. Unabhängig davon zeigen die Narrationen der Mitarbeiter*innen auch, dass die Ermöglichung von Prostitution im Gefängnis ein Anliegen von jungen Gefangenen zu sein scheint.

Fazit In dieser interdisziplinär angelegten Arbeit wurde der Langzeitbesuch als Maß­ nahme zur Einbindung von Außenkontakten im Jugendstrafvollzug untersucht. Dabei hat sich erwiesen, dass eine an der Oberfläche simpel erscheinende Be­ suchsmaßnahme im Strafvollzug aus kriminologischer Perspektive einen kom­ plexen Untersuchungsgegenstand darstellt, der neben rein rechtlichen auch sozio­ logische, ethische und gesellschaftspolitische Fragen provoziert. Entsprechend wurden Theorien und Methoden aus unterschiedlichen Disziplinen genutzt, um die aktuelle Rechtslage und die Praxis im Jugendstrafvollzug systematisch zu erfassen und sie anschließend mit kriminologischen Erkenntnissen zu analysieren und zu bewerten. Der zentrale Befund der Untersuchung besteht darin, dass Langzeitbesuche im deutschen Jugendstrafvollzug bisher nicht etabliert sind. So werden sie nur in der Hälfte der Bundesländer normiert, nur in einem Drittel der Justizvollzugsanstal­ ten theoretisch ermöglicht, wobei nur etwa 1 % aller Jugendstrafgefangenen in Deutschland sie tatsächlich erhalten. Die kriminologische Interpretation der rechtlichen Vorgaben im 2. Kapitel zeigte, dass der Langzeitbesuch hilft, rechtliche Vorgaben zu erfüllen und soziale und emotionale Bedürfnisse von Gefangenen und ihren Angehörigen zu adressie­ ren, die bei bisherigen Besuchsvarianten unbefriedigt blieben. Dass nur ein Bruch­ teil der jungen Gefangenen Langzeitbesuche erhält, muss daher als ein schweres Defizit des deutschen Jugendstrafvollzugs bewertet werden. Wie in dieser Arbeit deutlich geworden ist, lässt sich für die Diskrepanz zwi­ schen kriminologischen Befunden, Recht und Rechtswirklichkeit nicht eine ein­ zelne Ursache identifizieren. Die Erkenntnisse aus den einzelnen Kapiteln legen vielmehr unterschiedliche Antworten nahe, warum der Langzeitbesuch nur unzu­ reichend im Jugendstrafvollzug verankert ist: Die historische Betrachtung des Langzeitbesuchs hat aufgezeigt, dass besonders seit den 1970er Jahren bei wissenschaftlichen Expert*innen und kontrollierenden Instanzen wie dem CPT ein Konsens entstanden ist, dass Langzeitbesuche sinn­ volle Ergänzungen der Außenkontaktregelungen sind. Für diese Akteur*innen war nicht so sehr die Frage, Ob als vielmehr Wie sie umgesetzt werden sollten, Gegenstand von Debatten. Nichtdestotrotz sind auch während dieser Zeit kritische Stimmen in der Öffentlichkeit, die beim Thema Langzeitbesuch entweder grund­ sätzlich Sexualität in Gefangenschaft skandalisierten oder Bedenken wegen der Sicherheit und Ordnung im Vollzug anführten, nie ganz verhallt.

278

Fazit

Daraus erwächst die spannende – jedoch durch diese Arbeit nicht präzise zu beantwortende – Frage, wie die verschiedenen Landesgesetze zum Jugendstraf­ vollzug nach der Föderalismusreform I entstanden sind, welche Rolle politische Überzeugungen, wissenschaftliche Befunde und „Nicht-Wissen“ in diesem Pro­ zess spielten. In den verschiedenen Gesetzen ist keine einheitliche Linie erkenn­ bar und die Normierung gleicht einem teilweise willkürlich geknüpften wirkenden Flickenteppich, der zu gravierender Besser- oder Schlechterstellung von jungen Gefangenen je nach Ort der Unterbringung führt. Daher erscheint die Annahme plausibel, dass die fragmentierte oder teilweise vollständig ausgebliebene Nor­ mierung des Langzeitbesuchs in zahlreichen Fällen nicht auf eine kritische Aus­ einandersetzung mit empirischen Befunden aus der Kriminologie zurückgeführt werden kann. Im Gegenteil weist auch der Befund, dass das Thema Sexualität so­ wohl in der Gesetzgebung als auch in der Strafvollzugspraxis bis heute tabuisiert ist, darauf hin, dass wissenschaftliche Erkenntnisse zum Thema nur unzureichend berücksichtigt wurden. Dies setzt sich, wie in der quantitativen Befragung der Anstalten deutlich wurde, auch auf Anstaltsebene fort. Zwei Drittel der befragten Anstalten führen keinen Langzeitbesuch durch und begründen dies am häufigsten damit, dass sie andere Besuchsformen ermöglichen, dass der Langzeitbesuch im Gesetz nicht normiert ist und dass bauliche sowie organisatorische Gründe der Durchführung im Wege stehen. Auch wenn diese Antworten zunächst plausibel erscheinen, sind sie aus kriminologischer Perspektive unbefriedigend: Diese Untersuchung hat gezeigt, dass der Langzeitbesuch gegenüber anderen Besuchsformen vielfältige Vorzüge hat und gerade für die spezifischen Herausfor­ derungen, vor denen junge Gefangene stehen, unbedingt zu empfehlen ist. Nur der Langzeitbesuch wahrt Privatsphäre und Intimität und ermöglicht emotionale und soziale Interaktionen zwischen Gefangenen und ihren Angehörigen, die Bindun­ gen aufrechterhalten und stärken sowie persönliche Entwicklung fördern. Deshalb ist der Einschätzung zu widersprechen, dass andere Besuchsformen ausreichen, um soziale Kontakte nach außen zu pflegen und den negativen Auswirkungen des Freiheitsentzugs entgegenzuwirken. Diese Arbeit hat außerdem gezeigt, dass während der 1980er und 1990er Jahre Langzeitbesuche im Erwachsenenstrafvollzug durchgeführt wurden, ohne dass sie im Gesetz normiert waren. Indem sich die Justizvollzugsanstalten auf die feh­ lende Normierung der Maßnahme in den Landesgesetzen zum Jugendstrafvoll­ zug berufen, verkennen sie die Bedeutung des Langzeitbesuchs für die Erfüllung der Gestaltungsgrundsätze, verfassungsrechtlichen Vorgaben und internationalen Mindeststandards. Auch der Verweis auf organisatorische und bauliche Einschränkungen erklärt nicht in befriedigender Weise, warum die Anstalten Langzeitbesuche nicht durch­ führen. Justizvollzugsanstalten müssen im Rahmen des Zumutbaren so ausgestattet werden, dass das Vollzugsziel realisiert werden kann. Die qualitative Untersuchung

Fazit

279

hat gezeigt, dass die Durchführung von Langzeitbesuchen in der Regel zu keinem personellen Mehraufwand führt. Auch dass andere Justizvollzugsanstalten in der Lage waren, familienfreundliche Besuchsräume einzurichten und darüber hinaus Jugendstrafanstalten in den letzten Jahren immer leerer geworden sind, legt nahe, dass das Problem, entsprechende Räumlichkeiten zu finden, lösbar sein sollte. Doch auch in den Justizvollzugsanstalten, die Langzeitbesuche theoretisch er­ möglichen, wird er nur sehr selten durchgeführt. Wie in den meisten Landesge­ setzen zum Jugendstrafvollzug, in denen der Langzeitbesuch normiert ist, spielt das Kriterium des positiven Einflusses eines Sozialkontakts auch in den Voraus­ setzungen, die die Anstalten formulieren, eine zentrale Rolle. Vor dem Hintergrund dieser Untersuchung erscheint eine fundierte Entschei­ dung über die Qualität eines Sozialkontakts und die Eignung eines Gefangenen, die Mitarbeiter*innen des Vollzuges treffen müssen, als Überforderung. Aufgrund der Komplexität der Entscheidungssituation liegt nahe, dass im Zweifel Langzeit­ besuche eher nicht gestattet werden, wenn die Art der Beziehung zwischen Ge­ fangenen und Angehörigen nicht offensichtlich ist. Die umfassenden Kriterienkataloge der Justizvollzugsanstalten führen dazu, dass ein Großteil der Gefangenen kategorisch von Langzeitbesuchen ausgeschlos­ sen ist. Im Vergleich sind reguläre Besuche als Recht von Gefangenen normiert und an keinerlei Bedingungen geknüpft. Mit der Normierung des regulären Be­ suchs erkennen die Gesetzgeber die fundamentale Bedeutung von persönlichen Begegnungen an. In dieser Arbeit wurde jedoch herausgearbeitet, dass oftmals erst Langzeitbesuche eine authentische Begegnung ermöglichen. Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnis erscheint die Tatsache, dass der Langzeitbesuch an umfängliche Kriterienkataloge gekoppelt ist, die Gefangene durch ihr eigenes Handeln nur sel­ ten erfüllen können, als ein Missverhältnis in der Vollzugsgestaltung. In der qualitativen Untersuchung bestätigten die Narrationen der Mitarbei­ ter*innen die Probleme im Umgang mit den Kriterien. Speziell die Frage, ob ein Sozialkontakt positiven oder negativen Einfluss auf den Gefangenen hat, stellt die Mitarbeiter*innen vor Probleme. Auf der einen Seite berichteten sie, dass einige Sozialkontakte destruktiv wirken, indem sie ihre Arbeit behindern und die Sicher­ heit und Ordnung im Gefängnis bedrohen. Auf der anderen Seite ist ihnen ebenfalls bewusst, dass auch diese Sozialkontakte häufig eine wichtige Rolle im Leben der Gefangenen spielen und Vertrauen, Geborgenheit und bedingungslose Unterstüt­ zung stiften, wie es durch Mitgefangene oder sie selbst als Mitarbeiter*innen des Gefängnisses nicht möglich ist. Der Umgang mit vermeintlich negativem Einfluss von Sozialkontakte stellt sie daher häufig vor ein Dilemma. Die Sorge vor dem Einzelfall, in dem Langzeitbesuche von Einzelpersonen genutzt werden könnten, um gegen die Gefängnisordnung zu verstoßen, führt dazu, dass eine für die Mehr­ heit förderliche Maßnahme die meisten Gefangenen nicht erreicht.

280

Fazit

Ausblick Bisher wurden die zentralen Befunde dieser Arbeit rekapituliert, kriminologisch bewertet und verschiedene Erklärungsansätze diskutiert. Zum Abschluss soll je­ doch der Bezugsrahmen des Strafvollzugsrechts und Strafvollzugs verlassen und Problemstellungen aufgezeigt werden, die nach der gesellschaftspolitischen Be­ deutung des Status Quo fragen. Im Langzeitbesuch verdichtet sich der in der em­ pirischen Forschung oftmals problematisierte Zusammenhang von Sozialstruktur und Strafvollzug: Die qualitativen Interviews haben gezeigt, dass Langzeitbesuche aus der Per­ spektive der Gefangenen eine herausragende Bedeutung haben und zahlreichen negativen Auswirkungen des Freiheitsentzugs entgegenwirken. So berichteten interviewte Gefangene, dass er ihnen half „nicht durchzudrehen“ und „nicht zu Grunde zu gehen“. Die Vorgabe des positiven Einflusses führt jedoch dazu, dass jungen Gefangenen, die aus einem problematischen sozialen Umfeld kommen, in­ tensiverer Sozialkontakt mit ihren Bezugspersonen verwehrt wird. Da die Förde­ rung von Außenkontakt durch den Langzeitbesuch als bedeutsame Erleichterung der Gefangenschaft wahrgenommen und Reduzierung von Außenkontakt, mit allen ihren in dieser Arbeit dargelegten schädlichen Auswirkungen, hingegen als straf­ verschärfend erlebt wird, wirkt die Vorgabe als zusätzliche Bestrafung derjenigen, die in der Gesellschaft ohnehin unterprivilegiert sind. Da die jungen Gefangenen kaum Einfluss darauf haben, wer ihr direktes soziales Umfeld bildet, ist eine Be­ strafung für diesen Umstand ethisch problematisch. Zuletzt hat die Arbeit außerdem ein Problem aufgeworfen, das hier nicht aus­ führlich diskutiert wurde, jedoch für eine Beurteilung der gesellschaftspolitischen Bedeutung äußerst wichtig ist: Wie zu Beginn erörtert, lässt sich der Langzeitbesuch als Ereignis in einem spe­ ziellen Ort begreifen, der sich zwischen der Innen- und Außenwelt des Gefäng­ nisses befindet. Der Langzeitbesuchsraum als „heterotoper“ bzw. „liminaler“ Ort, lässt die eindeutige, binäre Grenze zwischen dem „Innen“ und dem „Außen“ des Gefängnisses verschwimmen. Wenn Orte dieser Art innerhalb des Gefängnisses geschaffen werden, in denen Wiedereingliederung tendenziell verwirklicht wer­ den kann, ohne den Gefangenen vollständig in die reale Welt entlassen zu müssen, könnten Langzeitbesuche an Bedeutung gewinnen und zum Anlass genommen werden, Lockerungen als Maßnahme seltener einzusetzen. Der Gefangene rückt aus seiner Perspektive durch Langzeitbesuch näher an die Gesellschaft draußen heran, während er mit dieser tatsächlich wesentlich weniger in Berührung kommt. Wäre dieser Effekt bei einer flächendeckenden Durchführung empirisch zu beob­ achten, wären Langzeitbesuche gleichbedeutend mit einer Schlechterstellung der Gefangenen. Für Gegner*innen von Lockerungen könnten sie folglich argumen­ tative Fluchtpunkte bilden, um problematische Gefangene innerhalb der Gefäng­ nismauern zu halten und gleichzeitig den modernen und humanen Strafvollzug zu zelebrieren.

Fazit

281

Der Langzeitbesuch würde für die Gefangenen dann eine Verbesserung ihrer Stellung innerhalb des Gefängnisses bei gleichzeitiger Verschlechterung ihrer Stellung als Individuen innerhalb der Gesellschaft bedeuten. Aus der Gesamtschau folgt, dass Langzeitbesuche notwendige Besuchsergän­ zungen in einem humanen und familienfreundlichen Jugendstrafvollzug darstellen. Die vielen Widersprüche und Probleme, die sich bei der mangelhaften Umsetzung des Langzeitbesuchs in der Realität zeigen, legen jedoch auch immer wieder nahe, über die Sinnhaftigkeit von Jugendgefängnissen nachzudenken. Ob sie die rich­ tigen Orte sind, um junge Menschen langfristig sozial zu integrieren und sie von der Begehung weiterer Straftaten abzubringen, kann hier nicht weiter diskutiert werden. Die Vorstellung, junge Menschen während ihrer intensiven Entwicklungs­ jahre von ihrem sozialen Umfeld zu separieren, mit dem Ziel sie anschließend in die Gesellschaft zu integrieren, erscheint jedoch als inhärent problematisch. Nicht nur gibt es zahlreiche negative Auswirkungen des Freiheitsentzugs, die auch ein Langzeitbesuch nicht kompensieren kann, und die über die Zeit im Gefängnis fortbestehen. Die Realität zeigt auch, dass die jungen Gefangenen nach ihrer Ent­ lassung ohnehin in den meisten Fällen in ihre vormaligen Umfelder zurückkehren.

Anhang I: Fragebogen Allgemeines Name der Institution:                         Haftplätze insgesamt:      Momentane Belegungszahl:     , davon Minderjährige:      Möglichkeit von Langzeitbesuchen Besteht für die Gefangenen des Jugendstrafvollzugs in Ihrer Institution die Möglichkeit Lang­ zeitbesuche (unbewachte Besuche von mehrstündiger Dauer in eigens dafür eingerichteten Räumen) zu empfangen? F Ja

F Nein

Falls keine Langzeitbesuche angeboten werden: Aus welchen Gründen gibt es keine Langzeitbesuche?    (Falls keine Langzeitbesuche angeboten weiter mit Frage 4.1.) Langzeitbesuche In welchem Jahr wurden Langzeitbesuche eingeführt?      Für welche maximale zeitliche Dauer werden Langzeitbesuche zugelassen?      Std. Wie viele Langzeitbesuche wurden im Jahr 2015 durchgeführt?     

Anhang I: Fragebogen

283

Wie viele Gefangene haben im Jahr 2015 Langzeitbesuche empfangen?      Welche Besuchsgruppen sind für die Langzeitbesuche zugelassen? Mehrfachnennung möglich. F Eltern F Geschwister F Großeltern F Sonstige Angehörige, wenn ja, welche:   F Ehepartner / Ehepartnerin F Partner / Partnerin F Kinder der Gefangenen F Freund / Freundin F Opfer der Straftat des Gefangenen F (Eigene Kinder ausgenommen) Minderjährige Sind von den Besuchern, die an Langzeitbesuchen teilnehmen wollen, bestimmte Vorausset­ zungen zu erfüllen? F Ja

F Nein

Falls ja, welche?     Wie sind die Langzeitbesuchsräume beschaffen?    Wird theoretisch allen Gefangenen der Empfang von Langzeitbesuchen gestattet? F Ja

F Nein

284

Anhang I: Fragebogen

Falls nein, nach welchen Kriterien wird selektiert? Mehrfachnennung möglich. F Alter, falls ja, inwiefern:   F Delikt, falls ja, inwiefern:  F Haftdauer, falls ja, inwiefern:  F Verlauf des Vollzugs, falls ja inwiefern:  F Sonstiges, falls ja, wonach:  Wie viele der Gefangenen Ihrer Anstalt dürfen dann theoretisch Langzeitbesuche empfangen?          3.9. Sind von den Gefangenen sonstige Voraussetzungen zu erfüllen, um Langzeitbesuche zu empfangen? F Ja

F Nein

Falls ja, welche?   3.10. Sind Intimkontakte während der Langzeitbesuche gestattet? F Ja

F Nein

Wie wird diese Entscheidung begründet?     3.11. Findet eine spezielle Besuchsvor- und / oder -nachbereitung der Langzeitbesuche statt? F Ja

F Nein

Falls ja, inwiefern:    

Anhang I: Fragebogen

285

3.12. Gibt es hauseigene spezifische Regelungen zu Langzeitbesuchen? Mehrfachnennung möglich. F Hausordnung F Verwaltungsvorschriften F Dienstanweisungen F Sonstige Regelungen:  Informationsangebote für Personensorgeberechtigte 4.1. Welche Informationsangebote gibt es für Personensorgeberechtigte (im Folgenden: Eltern) im Fall der Inhaftierung ihres Kindes?     4.2. Werden die Eltern über das Instrument des Vollzugs-/Erziehungs-/Förderplans (im Folgen­ den: Vollzugsplan) informiert? F Ja

F Nein

F Im Einzelfall

Kenntnis vom Vollzugsplan und Erläuterung der Planung Erhalten die Eltern Kenntnis vom Vollzugsplan und dessen Fortschreibungen? F Ja

F Nein

F Im Einzelfall

F Unter welchen Voraussetzungen erhalten die Eltern Kenntnis? F Wunsch der Eltern F Wunsch des Gefangenen F Einverständnis des Gefangenen F Intaktheit der Familie F Kein schädlicher Einfluss F Sonstiges, und zwar  

286

Anhang I: Fragebogen

Werden den Eltern der Vollzugsplan und dessen Fortschreibung erläutert? F Ja

F Nein

F Im Einzelfall

Unter welchen Voraussetzungen werden den Eltern Vollzugsplan und dessen Fortschreibung erläutert? F Wunsch der Eltern F Einverständnis des / der Gefangenen F Kein schädlicher Einfluss der Eltern F Sonstiges, und zwar   Einbeziehung der Eltern in die Vollzugsplanung Werden die Eltern in die Vollzugsplanung einbezogen? F Ja

F Nein

F Im Einzelfall

Unter welchen Voraussetzungen werden die Eltern in die Vollzugsplanung einbezogen? F Wunsch der Eltern F Wunsch des Gefangenen F Einverständnis des Gefangenen F Intaktheit der Familie F Kein schädlicher Einfluss der Eltern F Sonstiges, und zwar   Wie erfolgt die Einbeziehung der Eltern in die Vollzugsplanung konkret? F Teilnahme an Vollzugsplankonferenz F Gespräch(e) mit Gruppenleiter/-in F Schriftliche Stellungnahme

Anhang I: Fragebogen

287

F Sonstiges, und zwar   6.2. Welche Probleme gibt es bei der Einbeziehung der Eltern in die Vollzugsplanung? F Fehlendes Interesse F Hohe räumliche Distanz F Sonstiges, und zwar   6.3. In wie vielen Fällen fand 2015 eine Einbeziehung der Eltern statt?      7. Einbeziehung der Eltern in die Vollzugsgestaltung 7.1. Werden die Eltern in die Vollzugsgestaltung einbezogen? F Ja

F Nein

F Im Einzelfall

7. 1. 1 Unter welchen Voraussetzungen werden die Eltern einbezogen? F Wunsch der Eltern F Wunsch des / der Gefangenen F Einverständnis des / der Gefangenen F Intaktheit der Familie F Kein schädlicher Einfluss durch die Eltern, wenn ja, auf welcher Grundlage wird das be­ urteilt?  F Sonstiges, und zwar  7. 1. 2. Wie erfolgt die Einbeziehung der Eltern in die Vollzugsgestaltung konkret? F Elterngespräche F Angehörigentage mit Führung durch die Anstalt F Begleitete Hausbesuche F Kulturveranstaltungen

288

Anhang I: Fragebogen

F Familientherapie F Sonstiges, und zwar   7.2. Welche Probleme gibt es bei der Einbeziehung der Eltern in die Vollzugsgestaltung? F Fehlendes Interesse F Hohe räumliche Distanz F Sonstiges, und zwar   In wie vielen Fällen fand 2015 eine Einbeziehung der Eltern statt?      8. Sonstiges Falls Sie noch ergänzende Anmerkungen zu unseren Dissertationsprojekten haben, beispiels­ weise besondere Konzepte oder Schwierigkeiten, die Sie im Zusammenhang mit der erwei­ terten Einbeziehung von Familie und nahestehenden Personen sehen, bitten wir Sie diese im Folgenden zu benennen.        Vielen Dank!

Anhang II: Gesetzentwürfe der Bundesländer und des Bundes zum Justizvollzug Abgeordnetenhaus Berlin

Begründungen zum StVollzG Bln

Zuletzt abgerufen am 23. 01. 2019 unter: https://www.berlin.de/justizvollzug/ service/recht/gesetz-zurweiterentwicklung-des-berlinerjustizvollzugs/artikel.460256.php

Begründung zu den ein­ zelnen Bestimmungen des ­JStVollzG Bln (BE)

Zuletzt abgerufen am 23. 01. 2019 unter: https://www.berlin.de/justizvollzug/ service/recht/gesetz-zurweiterentwicklung-des-berlinerjustizvollzugs/artikel.460256.php

Bayrischer Landtag

Drucksache 15/8101. Ge­ setzentwurf der Staatsregie­ rung über den Vollzug der Freiheitsstrafe, der Jugend­ strafe und der Sicherungs­ verwahrung

Zuletzt abgerufen am 03. 05. 2018 unter: https://www.bayern.landtag.de/www/ ElanTextAblage_WP15/Drucksachen/ Basisdrucksachen/0000004500/000​ 0004564.pdf

Bremische Bürgerschaft

Drucksache 18/1475. Gesetz zur Neuregelung des Voll­ zugs der Freiheitsstrafe in der Freien Hansestadt Bremen

Zuletzt abgerufen am 23. 01. 2019 unter: https://www.bremische-buergerschaft.de/ drs_abo/2014-07-09_Drs-18-1475_35c5c. pdf

Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg

Begründung zu den Außen­ kontaktregelungen des HmbStVollzG nicht gefun­ den



Bundes­ ministerium der Justiz

Entwurf eines Geset­ zes zur Regelung des Ju­ gendstrafvollzuges (Stand:28. 04. 2004)

Zuletzt abgerufen am 03. 05. 2018 unter: http://www.dvjj.de/sites/ default/files/medien/imce/documente/ themenschwerpunkte/gesetzgebung/15leg/ BMJRef-E-GJVollz.pdf

Begründung (Stand: 28. 04. 2004)

Zuletzt abgerufen am 05. 05. 2018 unter: http://www.dvjj.de/sites/ default/files/medien/imce/documente/ themenschwerpunkte/gesetzgebung/15leg/ BMJRef-E-GJVollzBegruendung.pdf

Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Jugendstrafvoll­ zuges (Stand: 7. Juni 2006)

Zuletzt abgerufen am 03. 05. 2018 unter: https://rsw.beck.de/docs/librariesprovider5/ rsw-dokumente/entwurf-bmj

290

Anhang II: Gesetzentwürfe der Bundesländer und des Bundes

Hessischer Landtag

Entwurf Hessisches Jugend­ strafvollzugsgesetz

Zuletzt abgerufen am 03. 05. 2018 unter: http://www.dvjj.de/ themenschwerpunkte/jugendstrafvollzug/ jugendstrafvollzugsgesetz-iii-gesetzentwrfe-stellungnahme

Landtag Brandenburg

Drucksache 5/6437. Gesetz­ entwurf der Landesregie­ rung. Gesetz über den Voll­ zug der Freiheitsstrafe, der Jugendstrafe und der Unter­ suchungshaft im Land Brandenburg

Zuletzt abgerufen am 03. 05. 2018 unter: https://www.landtag.brandenburg.de/ media_fast/5701/6437.pdf

Entwurf (Stand: 23. Ja­ nuar 2009)

Zuletzt abgerufen am 7. 05. 2018 unter: http://www.dvjj.de/sites/ default/files/medien/imce/documente/ themenschwerpunkte/jugendstrafvollzug/ gesetz-vollzug-jugenstrafe-brandenburg.pdf

Drucksache 15/386. Gesetz­ entwurf der Regierung des Saarlandes. Gesetz zur Neu­ regelung des Vollzuges der Freiheitsstrafe im Saarland

Zuletzt abgerufen am 03. 05. 2018 unter: https://www.landtag-saar.de/Drucksache/ Gs15_0386.pdf

Drucksache 13/1390. Ge­ setzentwurf der Regierung des Saarlandes. Gesetz über den Vollzug der Jugendstrafe

Zuletzt abgerufen am 03. 05. 2018 unter: http://www.dvjj.de/sites/ default/files/medien/imce/documente/ themenschwerpunkte/jugendstrafvollzug/ saarland-gesetzesentwurf-vollzugjugendstrafe.pdf

Drucksache 6/1337. Ge­ setzentwurf der Landesre­ gierung. Entwurf eines Ge­ setzes über den Vollzug der Freiheitsstrafe in Mecklen­ burg-Vorpommern

Zuletzt abgerufen am 03. 05. 2018 unter: https://www.landtag-mv.de/fileadmin/ media/Dokumente/Parlamentsdokumente/ Drucksachen/6_Wahlperiode/D06-1000/ Drs06-1337.pdf

Drucksache 5/807. Gesetz­ entwurf der Landesregie­ rung. Entwurf eines Geset­ zes über den Vollzug der Jugendstrafe

Zuletzt abgerufen am 03. 05. 2018 unter: https://www.landtag-mv. de/fileadmin/media/Dokumente/ Ausschuesse/Rechtsausschuss/ Gesetzentw%C3%BCrfe__ Unterrichtungen_etc/Drs05-0807.pdf

Landtag des Saarlandes

Landtag MecklenburgVorpommern

Anhang II: Gesetzentwürfe der Bundesländer und des Bundes

Landtag NordrheinWestfalen

Landtag RheinlandPfalz

Landtag von BadenWürttemberg

291

Drucksache 16/13470. Ge­ setz zur Regelung des Ju­ gendstrafvollzugs und zur Änderung der Vollzugsge­ setze in Nordrhein-Westfalen

Zuletzt abgerufen am 7. 06. 2018 unter: https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/ dokumentenarchiv/Dokument/MMD1613470.pdf

Drucksache 16/5413. Ge­ setzentwurf der Landesregie­ rung. Gesetz zur Regelung des Vollzuges der Freiheits­ strafe und zur Änderung des Jugendstrafvollzugsgesetzes in Nordrhein-Westfalen

Zuletzt abgerufen am 03. 05. 2018 unter: https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/ dokumentenarchiv/Dokument/MMD165413.pdf

Drucksache 14/4412. Ge­ setzentwurf der Landesregie­ rung. Gesetz zur Regelung des Jugendstrafvollzuges in Nordrhein-Westfalen

Zuletzt abgerufen am 03. 05. 2018 unter: https://www.landtag.nrw.de/ Dokumentenservice/portal/WWW/ dokumentenarchiv/Dokument/MMD144412.pdf

Drucksache 16/1910. Ge­ setzentwurf der Landesre­ gierung. Landesgesetz zur Weiterentwicklung von Jus­ tizvollzug, Sicherungsver­ wahrung und Datenschutz

Zuletzt abgerufen am 03. 05. 2018 unter: https://www.landtag.rlp.de/landtag/ drucksachen/1910-16.pdf

Gesetzentwurf der Landesre­ gierung (Stand: 07. 03. 2007)

Zuletzt abgerufen am 07. 05. 2017 unter: http://www.dvjj.de/sites/ default/files/medien/imce/ documente/themenschwerpunkte/ jugendstrafvollzug/rheinlandpfalzLandesjugendstrafvollzugsgesetz-entwurf. pdf

Drucksache 14/5012. Ge­ setzentwurf der Landes­ regierung. Gesetz zur Umsetzung der Föderalis­ musreform im Justizvollzug

Zuletzt abgerufen am 07. 06. 2018 unter: https://www.landtag-bw.de/files/live/ sites/LTBW/files/dokumente/WP14/ Drucksachen/5000/14_5012_D.pdf

Drucksache 14/1240. Ge­ setzentwurf der Landes­ regierung. Gesetz über den Vollzug der Jugendstrafe in Baden-Württemberg

Zuletzt abgerufen am 05. 05. 2018 unter: https://www.landtag-bw.de/files/live/ sites/LTBW/files/dokumente/WP14/ Drucksachen/1000/14_1240_D.pdf

292 Landtag von SachsenAnhalt

Niedersäch­ sischer Landtag

Sächsischer Landtag

SchleswigHolsteinischer Landtag

Anhang II: Gesetzentwürfe der Bundesländer und des Bundes

Begründung zu den Außen­ kontaktregelungen des ­JVollzGB LSA



Drucksache 5/749 Gesetz­ entwurf. Entwurf eines Ge­ setzes über den Vollzug der Jugendstrafe in SachsenAnhalt

Zuletzt angerufen am 07. 05. 2018 unter: http://www.dvjj.de/sites/default/files/medien/ imce/documente/themenschwerpunkte/ jugendstrafvollzug/sachsen-anhaltgestzesentwurf-vollzug-jugenstrafe.pdf

Drucksache 17/7414. Ent­ wurf eines Gesetzes zur Än­ derung des Niedersächsi­ schen Justizvollzugsgesetzes

Zuletzt abgerufen am 7. 6. 2018 unter: file:///Users / julianknop / Desktop/17–7414. pdf

Entwurf. Gesetz zur Neure­ gelung des Justizvollzuges in Niedersachsen

Zuletzt abgerufen am 07. 05. 2018 unter: http://www.dvjj.de/ themenschwerpunkte/jugendstrafvollzug/ jugendstrafvollzugsgesetz-iii-gesetzentwrfe-stellungnahme

Entwurf. Gesetz zur Ände­ rung des niedersächsischen Justizvollzugsgesetzes

Zuletzt abgerufen am 07. 05. 2018 unter: file:///Users / julianknop / Desktop / MJ_ NJVollzG-ndG_Anhrung_LT%20(1).pdf

Begründung zu den Außen­ kontaktregelungen des SächsStVollzG



Begründung zu den Außen­ kontaktregelungen von 2013 des ­Sächs­JStVollzG (SN)



Drucksache 4/9467. Gesetz­ entwurf der Staatsregierung. Sächsisches Gesetz über den Vollzug der Jugendstrafe

Zuletzt abgerufen am 03. 05. 2018 unter: http://edas.landtag.sachsen.de/viewer. aspx?dok_nr=9467&dok_art=Drs&leg_ per=4

Drucksache 18/3153. Ge­ setzentwurf der Landesre­ gierung. Entwurf eines Ge­ setzes über den Vollzug der Freiheitsstrafe in SchleswigHolstein und zur Schaffung eines Justizvollzugsdaten­ schutzgesetzes

Zuletzt abgerufen am 03. 05. 2018 unter: https://www.landtag.ltsh.de/infothek/ wahl18/drucks/3100/drucksache-18-3153. pdf

Gesetzentwurf der Landes­ regierung. Gesetz über den Vollzug der Jugendstrafe in Schleswig-Holstein

Zuletzt abgerufen am 03. 05. 2017 unter: http://www.dvjj.de/sites/ default/files/medien/imce/documente/ themenschwerpunkte/jugendstrafvollzug/ schleswig-holstein-gesetzesentwurfvollzug-jugendstrafe.pdf

Anhang II: Gesetzentwürfe der Bundesländer und des Bundes

Thüringer Landtag

293

Drucksache 5/6700. Gesetz­ entwurf der Landesregie­ rung. Thüringer Justizvoll­ zugsgesetzbuch

Zuletzt abgerufen am 03. 05. 2018 unter: http://www.parldok. thueringen.de/ParlDok/ dokument/50222/th%C3%BCringerjustizvollzugsgesetzbuch-th%C3%BCr­ JVollzGB-.pdf

Referentenentwurf. Thürin­ ger Gesetz über den Vollzug der Jugendstrafe

Zuletzt abgerufen am 07. 05. 2018 unter: http://www.dvjj.de/sites/ default/files/medien/imce/documente/ themenschwerpunkte/jugendstrafvollzug/ thueringen-gesetzesentwurf-vollzugjungendstrafe.pdf

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Sachverzeichnis Abbruch krimineller Verläufe  88 ff., 161, 167, 169 f., 173 f., 176 Age-Crime Curve  81, 160 Angleichungsgrundsatz  41 f., 49 f., 115, 159, 171 Anomietheorie  71 ff. Anstaltsklima  41, 191, 209, 213 Behandlung  46, 92 ff., 111, 268 Bindung  34, 39, 41 ff., 70, 74 ff., 78, 87 ff., 99 f., 102, 105 f., 111 f., 120, 122 f., 126 f., 136, 138, 140, 149, 151, 163, 167 ff., 185, 196, 201, 205 ff., 211 f., 218, 259, 274, 278 Bundesverfassungsgericht  31, 37, 40, 55, 64, 67 f., 209, 213 CPT  66 f., 176, 180, 194, 196, 277 Deprivation  47, 49, 99, 123, 147, 151 ff., 239 f., 252, 269 ff. Deprivationsmodell 154 Desistance  15, 88 ff., 161 ff. Entlassung  41, 55, 60, 86, 95, 124 f., 128, 131, 133, 135 f., 139 f., 143, 156, 160 ff., 171, 175 ff., 193, 198 f., 201, 204, 208, 210 f., 226, 229, 243, 256, 262, 274 f., 281 ERJOSSM  42, 67, 209, 213, 221 Erziehung  37, 44, 46, 50 f., 55, 57, 60, 63, 74, 77, 96, 98, 113, 122, 144, 173, 210 – Erziehungsauftrag  50, 56, 63 – Erziehungsberechtigte  64, 118, 121 – Erziehungsmethode  96, 112, 139 – Erziehungsperson  101, 117 – Erziehungspraktik  121 f. – Erziehungsschwierigkeit  144, 167 – Erziehungsstil  8, 96 f., 102, 119, 122, 211 Europarat  66 f., 221

Familie  28 f., 32, 42 f., 63 f., 66 f., 69 f., 74 ff., 87, 89, 91, 96, 101 ff., 106, 112 f., 115, 117 ff., 127 f., 137, 139, 141 ff., 147, 159 ff., 165, 168 ff., 170 f., 176 f., 181, 183 ff., 189, 191, 210 ff., 225, 239 ff., 247 ff., 256, 260, 269, 273, 285 ff. – Familienangehörige  38, 40, 42, 64, 124, 167, 201, 247, 257 – Familienbesuch  177 f., 187, 192, 199, 218 ff. – Familienbeziehung  22, 63 f., 127, 142, 207 – familienfreundlich  33, 188, 208, 274, 279, 281 – familiengerecht  55, 188 – Familiengespräche  184, 218 – Familienleben  151, 173, 181, 201 – Familienmensch 140 – Familienmitglied  63, 91, 119, 120 f., 128, 142, 168 – Familienstruktur  101 f., 255 Föderalismusreform  15, 31, 34, 37, 40, 43, 45, 278 Fragebogen  18, 200, 202, 207, 214 f., 219, 230, 282 ff. Gewalt  97, 101, 119 ff., 135, 155, 158, 199, 201, 206 f., 210 – gewaltbefürwortend  99, 108 – gewaltbestimmt  120, 122 – gewaltfrei  51, 122, 160 – gewaltsam  96, 119, 121 – Gewalttat  101, 110 – Gewalttätigkeit; gewalttätig  101, 108 f., 111, 135, 160, 170, 199 f., 207 GLM  92, 94 f. Heterotoper Ort  19, 20, 280 Historische Entwicklung  16, 26 f., 35 Importationsmodell 154

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Sachverzeichnis

Intimität  15, 21, 107, 132, 152, 156, 158, 160, 199, 204, 210, 213, 247, 263, 270, 272, 275, 278 Kinder  29, 33, 29, 39 ff., 44, 55 f., 60, 63, 67, 70, 74 f., 77, 82, 91, 96 ff., 103, 113, 115 f., 121 f., 129, 136 ff., 142, 144, 146 ff., 160, 162, 168, 178 ff., 182 f., 185 ff., 194 ff., 203, 208, 212, 215, 217 f., 225, 227 f., 239 f., 244, 247, 251, 254, 259, 263, 274, 283 – Kinderbeaufsichtigung  143 f. – Kinderbesuch  55, 178, 182, 187 f. – kinderfreundlich  187, 208 – Kinderrechtskonvention  66, 188 Kontrolltheorien  75 ff. Labelingtheorien 84 Leitfaden  234 f. Lerntheorien  78 ff., 106 f., 211 Liminaler Raum  16, 22 f., 25, 280 Lockerungen  41, 62, 65, 226, 229, 268, 280 Menschenwürde  212, 213 Nationale Stelle zur Verhütung von Folter  180 Nationalsozialismus  28, 36, 43 Partnerschaft  90 f., 94, 115, 123 f., 126, 129, 145, 152, 157, 159, 162, 164 f., 170 f., 173 f., 189, 213, 218, 221, 268, 270 – -partnerschaftlich  60, 68, 93 f., 156, 159, 164, 175, 203 f. Peers  69, 73, 82 f., 86 f., 97 ff., 105 ff., 114, 133, 135 f., 162 f., 169, 171, 175, 265 Qualitative Interviews  131, 156, 204, 206, 214, 233 Qualitative Untersuchung  18, 233, 271, 278 Raumsoziologie; raumsoziologisch  7, 16, 19, 25, 209, 231

Reguläre Besuche  10, 15, 18, 27, 33, 54 f., 60, 65, 143, 176 ff., 180 ff., 184 f., 188, 198, 200, 208 f., 212 f., 221, 239, 244 f., 248, 253, 256 ff., 263, 266, 268 f., 272, 274 f., 279 Resozialisierung  15, 41, 43, 46 ff., 53, 64, 134, 139 f., 159, 185, 268 RNR-Modell  92 ff. Schutz der Allgemeinheit  47 ff. Sexualität  17, 20 ff., 27, 28 ff., 33, 37, 43, 50, 61, 65 ff.,145, 150 ff., 190, 196 f., 200, 204, 212, 228, 230 ff., 237, 239, 247, 251 ff., 261, 264, 269, 270 f., 272 ff., 277 f. Sicherheit und Ordnung  17, 33, 50 ff., 56, 61 ff., 191, 194, 213,217, 222, 237, 264 ff., 268 f., 275, 277 Soziale Beziehung; soziale Außenbeziehung  15, 17, 30, 33, 38, 47, 66, 68 ff., 82 ff., 100, 111, 115, 124 ff., 159, 165, 169, 173, 175, 209, 212, 231 ff., 262, 239, 264, 271 Soziales Kapital  70 f., 95, 102 f., 111, 142, Soziales Umfeld  115, 141, 160, 239, 244, 280 Strafvollzugsgrundsätze 49 Subkultur  79 ff., 83, 134 f., 139, 270 – subkulturell  80, 129, 132, 134 f., 155, 169, 200, 264,270 Totale Institution  19, 123 Überwachung  24, 27, 47, 57, 93, 138, 147, 180 f., 184, 226 Verfassungsrecht  17, 63, 65, 67 Vollzugsmitarbeiter*innen  24, 47, 127, 185, 190, 196, 205, 207 ff., 214, 233 f., 237, 247, 261, 271, 274 Wiedereingliederung  28 ff., 32 ff., 39, 43, 46, 48, 59 f., 68, 139, 163, 191, 280 Zielvorgaben  171, 173