Eigentumsschutz im Völkerrecht: Eine vergleichende Untersuchung zum internationalen Investitionsrecht sowie zum Menschenrechtsschutz [1 ed.] 9783428527021, 9783428127023

Die Arbeit ist eine vergleichende Untersuchung zum Eigentumsschutz im internationalen Investitionsrecht und im internati

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Eigentumsschutz im Völkerrecht: Eine vergleichende Untersuchung zum internationalen Investitionsrecht sowie zum Menschenrechtsschutz [1 ed.]
 9783428527021, 9783428127023

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Schriften zum Völkerrecht Band 178

Eigentumsschutz im Völkerrecht Eine vergleichende Untersuchung zum internationalen Investitionsrecht sowie zum Menschenrechtsschutz

Von

Ursula Kriebaum

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

URSULA KRIEBAUM

Eigentumsschutz im Völkerrecht

Schriften zum Völkerrecht Band 178

Eigentumsschutz im Völkerrecht Eine vergleichende Untersuchung zum internationalen Investitionsrecht sowie zum Menschenrechtsschutz

Von

Ursula Kriebaum

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Gedruckt mit Unterstützung des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung in Wien.

Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Wien hat diese Arbeit im Jahre 2008 als Habilitationsschrift angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2008 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0251 ISBN 978-3-428-12702-3 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Für Paul

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2008 an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien als Habilitationsschrift angenommen. Ihr Erscheinen gibt mir die Gelegenheit, jenen Menschen zu danken, die mich in den vergangenen Jahren auf die eine oder andere Weise unterstützt haben. Vor allen gebührt mein Dank Herrn Univ. Prof. Dr. Christoph Schreuer. Von ihm stammt der Vorschlag des Themas. Besonderer Dank gebührt auch meinem Lehrer, Herrn Univ. Prof. Dr. Hanspeter Neuhold. Beide haben mich während der Arbeit mit Ratschlägen und Anregungen immer wieder unterstützt und das Manuskript mehrfach gelesen. Prof. Neuhold hat meinen akademischen Werdegang seit dem Jahr 1995, in dem ich seine Assistentin geworden bin, stets gefördert. Wann immer es erforderlich war, war er mir mit seinem Rat in fachlichen oder dienstlichen Belangen zur Seite. In den letzten Jahren stellte er mich von vielen Verpflichtungen des laufenden Institutsbetriebs frei, um mir die Fertigstellung dieser Arbeit zu ermöglichen. Herzlich bedanken möchte ich mich bei Univ. Prof. Dr. Gerhard Hafner, a.o. Univ. Prof. Dr. August Reinisch, Prof. Dr. Rudolf Dolzer und Prof. Dr. Gabrielle Kaufmann-Kohler für die kritische Lektüre des Manuskripts und ihre wertvollen Anregungen. Ferner gilt mein Dank meinen Kolleginnen und Kollegen am Institut nunmehr der Abteilung für Völkerrecht und Internationale Beziehungen der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien, die es mir ermöglicht haben, ein Jahr frei von Lehrverpflichtungen zu sein, und so die Arbeit zügig zu Ende führen zu können. Meinen Eltern habe ich nicht nur für die liebevolle Betreuung meines Sohnes, sondern auch für das Korrekturlesen des Manuskripts zu danken. Frau Scarlett Ortner, Frau Johanna Willmann und meinem Bruder verdanke ich viele wertvolle Hinweise zur Formatierung der Arbeit. Herrn Dr. Florian Simon und Herrn Prof. Dr. h.c. Norbert Simon danke ich für die Aufnahme der Arbeit in die „Schriften zum Völkerrecht“, Frau Regine Schädlich für die geduldige Hilfe bei der Anpassung des Mansukripts an die Verlagsvorgaben.

8

Vorwort

Nicht zuletzt möchte ich mich bei jenen Stellen bedanken, die durch ihre finanziellen Zuwendungen zum Druckkostenbeitrag das Erscheinen dieser Arbeit ermöglicht haben: Dem Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung in Wien und dem Verein der Freunde der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien. Wien, im Frühjahr 2008

Ursula Kriebaum

Inhaltsverzeichnis Einleitung ................................................................................................................ I.

23

Historischer und institutioneller Rahmen ..................................................

23

1.

Der Eigentumsschutz nach traditionellem Völkerrecht ......................

23

2.

Menschenrechtlicher und investitionsrechtlicher Eigentumsschutz – Gemeinsamkeiten und Unterschiede ..................................................

30

3.

Die Entwicklung des menschenrechtlichen Eigentumsschutzes.........

33

4.

Die Entwicklung des investitionsrechtlichen Eigentumsschutzes ......

37

II. Ziel, Gegenstand und Methode der Untersuchung.....................................

39

1. Teil Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff A. Allgemeines...................................................................................................... I.

Das Schutzobjekt im Menschenrechts- und im Investitionsschutz ............

43 44 44

1.

Menschenrechtsschutz........................................................................

45

2.

Investitionsschutz...............................................................................

47

II. Relevanz des nationalen Rechts.................................................................

56

1.

Menschenrechtsschutz........................................................................

2.

Investitionsschutz...............................................................................

63

B. Sachenrechte....................................................................................................

65

I.

56

Mobilien und Immobilien ..........................................................................

65

1.

Menschenrechtsschutz........................................................................

65

2.

Investitionsschutz...............................................................................

68

II. Sonstige Sachenrechte ...............................................................................

70

C. Immaterialgüterrechte....................................................................................

71

D. Unternehmensbeteiligungen...........................................................................

75

I.

Aktien und sonstige Anteilsrechte .............................................................

76

1.

Menschenrechtsschutz........................................................................

76

2.

Investitionsschutz...............................................................................

78

II. Ansprüche von Minderheitenbeteiligten....................................................

82

10

Inhaltsverzeichnis 1.

Menschenrechtsschutz........................................................................

83

2.

Investitionsschutz...............................................................................

87

III. Indirekte Schäden ......................................................................................

93

1.

Menschenrechtsschutz........................................................................

95

2.

Investitionsschutz...............................................................................

98

IV. Cut-off Punkt bei Kettenbeteiligungen ...................................................... 105 V. Zwischenergebnis zu Unternehmensbeteiligungen.................................... 108 E. Schuldrechtliche Ansprüche........................................................................... 110 I.

Allgemeines............................................................................................... 110 1.

Menschenrechtsschutz........................................................................ 111

2.

Investitionsschutz............................................................................... 125

3.

Zwischenergebnis............................................................................... 135

II. Ansprüche im Zusammenhang mit Steuerschuldverhältnissen oder sonstigen Abgaben..................................................................................... 135 1.

Menschenrechtsschutz........................................................................ 136

2.

Investitionsschutz............................................................................... 137

III. Konzessionen, Lizenzen und Bewilligungen ............................................. 140 1.

Menschenrechtsschutz........................................................................ 141

2.

Investitionsschutz............................................................................... 145

IV. Goodwill.................................................................................................... 152 1.

Menschenrechtsschutz........................................................................ 152

2.

Investitionsschutz............................................................................... 157

3.

Zwischenergebnis............................................................................... 161

V. Finanzierungsinstrumente.......................................................................... 163 1.

Menschenrechtsschutz........................................................................ 163

2.

Investitionsschutz............................................................................... 163

VI. Sozialleistungen und Pensionsleistungen .................................................. 169 F.

Schlussfolgerungen.......................................................................................... 172 I.

Gemeinsamkeiten zwischen Menschenrechts- und Investitionsschutz ...... 173

II. Unterschiede zwischen Menschenrechts- und Investitionsschutz.............. 174 1.

Schutzziele ......................................................................................... 174

2.

Unterschiedliche Jurisdiktionsvoraussetzungen ................................. 176 a)

„Consent“ ................................................................................... 176

b)

„Investment“............................................................................... 177

c)

Nationalität ................................................................................. 179

Inhaltsverzeichnis

11

2. Teil Eingriffe in das Eigentumsrecht

181

A. Allgemeines...................................................................................................... 181 I.

Eingriffsformen im Menschenrechtsschutz ............................................... 186 1.

Ziel und Vorgangsweise der menschenrechtlichen Eingriffsprüfung............................................................................................... 187

2.

Die Eingriffstatbestände..................................................................... 190 a)

Enteignung.................................................................................. 190

b)

Nutzungsregelungen (Control of use)......................................... 191 aa) Wann liegt eine Nutzungsregelung vor? ............................. 191 (1) Eingriffsintensität ........................................................ 191 (2) Eingriffszweck............................................................. 192 bb) Charakteristische Fallgruppen in der Judikatur ................... 193 cc) Zwischenergebnis – Nutzungsregelung............................... 198

c)

Sonstige Eingriffe ....................................................................... 198 aa) Wann liegt ein „sonstiger Eingriff“ vor?............................. 202 (1) Eingriffsintensität ........................................................ 203 (2) Eingriffszweck............................................................. 205 bb) Charakteristische Fallgruppen in der Judikatur ................... 205 (1) Provisorische Landumverteilung ................................. 205 (2) Raumplanerische und ökologische Maßnahmen.......... 206 (3) Rückwirkende gesetzliche Maßnahmen zur Beseitigung von Forderungen gegen den Staat ............ 206 (4) Unmöglichkeit, rechtskräftige Urteile zu vollstrecken; Nichtzahlung von Entschädigung ................................ 207 (5) Räumung von Mietobjekten......................................... 209 (6) Eingriffe in Goodwill................................................... 210 (7) Verlust von Managementrechten ................................. 211 (8) Sonstige Fälle .............................................................. 212 cc) Zwischenergebnis – „sonstige Eingriffe“ ............................ 212

II. Eingriffsformen im Investitionsschutz....................................................... 213 1.

Ziel und Vorgangsweise der investitionsrechtlichen Eingriffsprüfung............................................................................................... 215

2.

Erfordert eine Enteignung einen Hoheitsakt?..................................... 219

III. Zwischenergebnis ...................................................................................... 225

12

Inhaltsverzeichnis

B. Die Enteignung ................................................................................................ 227 I.

Die formelle Enteignung ........................................................................... 232 1.

Menschenrechtsschutz........................................................................ 232

2.

Investitionsschutz............................................................................... 235

3.

Zwischenergebnis............................................................................... 238

II. Der de facto Entzug ................................................................................... 238 1.

2.

Menschenrechtsschutz........................................................................ 240 a)

Schwere des Eingriffs ................................................................. 241

b)

Zeitliche Dimension des Eingriffs .............................................. 247

c)

Vertrauensschutz ........................................................................ 251

d)

Zwischenergebnis – Menschenrechtsschutz ............................... 252

Investitionsschutz............................................................................... 253 a)

Einleitung ................................................................................... 253

b)

Einschlägige völkerrechtliche Regelungen................................. 258

c)

Die indirekte Enteignung in der Judikatur .................................. 272 aa) „Measures having equivalent effect to expropriation“ und „measures tantamount to expropriation“ ............................. 276 bb) Typen indirekter Enteignung............................................... 280 (1) Der Zeitfaktor des Eingriffs – einmaliger Akt oder schleichende Enteignung („creeping expropriation“) .. 281 (2) Die Art des Eingriffs – physischer Eingriff oder regulative Maßnahme („regulatory taking“) ................ 288 cc) Indirekte Enteignung oder zulässige entschädigungslose Regulierung......................................................................... 295 (1) Die Auswirkungen des Eingriffs.................................. 297 (a) Die Schwere des Eingriffs.................................... 307 (b) Die zeitliche Dimension des Eingriffs.................. 325 (c) Die „Sole-effects“-Doktrin................................... 334 (2) Eingriffszweck als Kriterium für das Vorliegen einer Enteignung................................................................... 341 (a) Absicht zu enteignen ............................................ 342 (b) Die gemäßigte „Police-powers“-Doktrin.............. 347 (c) Die radikale „Police-powers“-Doktrin ................. 361 (3) Vertrauensschutz ......................................................... 373

d)

Überblick, welche Arten von Eingriffen bisher als indirekte Enteignungen angesehen wurden................................................ 379

Inhaltsverzeichnis e)

13

Zwischenergebnis – Investitionsschutz....................................... 380

III. Ist eine Teilenteignung möglich?............................................................... 385 1.

Menschenrechtsschutz........................................................................ 385

2.

Investitionsschutz............................................................................... 389

3.

a)

Ablehnung einer Teilenteignung ................................................ 393

b)

Ausdrückliche Anerkennung des Konzepts der Teilenteignung . 397

c)

Implizite Anerkennung des Konzepts der Teilenteignung .......... 400

Zwischenergebnis............................................................................... 404

IV. Begünstigte der Enteignung....................................................................... 406 1.

Menschenrechtsschutz........................................................................ 407

2.

Investitionsschutz............................................................................... 416

C. Schlussfolgerungen.......................................................................................... 422 3. Teil Die Folgen des Eigentumseingriffs

430

A. Allgemeines...................................................................................................... 430 I.

Die unterschiedliche Ausgangssituation .................................................... 430

II. Gegenstand und Ziel der Untersuchung..................................................... 430 B. Die Rechtfertigung einer Enteignung (Menschenrechtsschutz) .................. 431 I.

Das öffentliche Interesse ........................................................................... 431

II. Die Gesetzmäßigkeit des Entzugs.............................................................. 437 III. Verhältnismäßigkeit .................................................................................. 446 1.

Zur Erreichung des öffentlichen Zwecks geeignet ............................. 448

2.

Dringlichkeit des öffentlichen Zwecks............................................... 451

3.

Eingriff in „legitimate expectations“.................................................. 452

4.

Entschädigungspflicht? ...................................................................... 456

5.

Umfang der Entschädigung................................................................ 458 a)

War die Enteignung an sich rechtmäßig und im öffentlichen Interesse? .................................................................................... 460

b)

Besonderes öffentliches Interesse an der Enteignung ................. 463

c)

Besonders berücksichtigenswerte Interessen auf Seite des Enteigneten ................................................................................. 473

d)

Zeitspanne zwischen Entzug und Entschädigung ....................... 475

e)

Von der Enteignung/Nationalisierung sind Ausländer betroffen

477

IV. Zwischenergebnis ...................................................................................... 483

14

Inhaltsverzeichnis

C. Die Rechtmäßigkeit einer Enteignung (Investitionsschutz)......................... 488 I.

Das öffentliche Interesse ........................................................................... 488

II. Das Erfordernis eines rechtsstaatlichen Verfahrens – Due Process ........... 499 III. Nichtdiskriminierung................................................................................. 509 IV. Entschädigung ........................................................................................... 524 V. Zwischenergebnis ...................................................................................... 536 D. Die rechtlichen Folgen der Rechtfertigungs-/Rechtmäßigkeitsprüfung ..... 538 I.

… bei Vorliegen einer gerechtfertigten/rechtmäßigen Enteignung............ 538

II. … bei Vorliegen eines nicht gerechtfertigten/rechtswidrigen Eingriffs..... 539 1.

Menschenrechtsschutz........................................................................ 539

2.

Investitionsschutz............................................................................... 543

E. Schlussfolgerungen.......................................................................................... 544 I.

Bereiche weitgehender Übereinstimmung zwischen Menschenrechtsund Investitionsschutz ............................................................................... 544

II. Unterschiede zwischen Menschenrechts- und Investitionsschutz.............. 546 4. Teil Ein neues Modell

549

A. Die Gründe für den Änderungsvorschlag ..................................................... 549 B. Vorschlag für ein neues Prüfungsmodell ...................................................... 551 I.

Zielsetzung und Funktionsweise des neuen Modells ................................. 551

II. Praktische Umsetzung ............................................................................... 553 1.

Vorliegen der Enteignung .................................................................. 553

2.

Rechtmäßigkeit der Enteignung ......................................................... 553

3.

Verhältnismäßigkeit der Enteignung.................................................. 554 a)

Schutzwürdige Interessen des Investors ..................................... 555 aa) Schwere des Eingriffs ......................................................... 555 bb) Berechtigte Erwartungen des Investors ............................... 555 (1) Berechtigte Erwartungen als Indikator für die Schutzwürdigkeit des Investors ................................... 555 (2) Kriterien für das Vorliegen berechtigter Erwartungen. 559

b)

Schutzwürdige Interessen des Staates......................................... 564 aa) Eignung des Eingriffs zur Erreichung des öffentlichen Zwecks ................................................................................ 564 bb) Dringlichkeit des öffentlichen Interesses ............................ 565

Inhaltsverzeichnis

15

cc) Besonderes öffentliches Interesse an einer verminderten Entschädigung..................................................................... 567 c)

Die erforderliche Entschädigung ................................................ 570

III. Ergebnis..................................................................................................... 572 Literaturverzeichnis ............................................................................................... 574 Judikaturverzeichnis.............................................................................................. 592 Sachregister............................................................................................................. 614

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Prüfungssystem zur Feststellung, ob eine Verletzung des Rechts auf Eigentum vorliegt ......................................................................

189

Abbildung 2: Prüfungssystem zur Feststellung, ob eine Ersatzleistung seitens des Staates zu erfolgen hat...............................................................

217

Abbildung 3: Ausprägungsformen von Enteignungen im Menschenrechtsschutz.

230

Abbildung 4: Ausprägungsformen von Enteignungen im Investitionsschutz ........

231

Abbildung 5: Ausprägungsformen indirekter Enteignungen .................................

239

Abbildung 6: Übernahme der Kriterien aus dem Urteil im Fall Penn Central Transportation Co. v. New York City in die Modell-BITs der USA und Kanadas ....................................................................................

266

Abbildung 7: Gegenüberstellung der bisherigen Vorgangsweise zur Feststellung, ob für einen Eigentumseingriff zu entschädigen ist mit jener nach dem US und Kanada Modell-BITs ................................................. 268 Abbildung 8: Kriterien, die jeweils zur Feststellung einer Enteignung herangezogen werden ......................................................................

297

Abbildung 9: Abfolge der Prüfungsschritte zur Feststellung wie schwerwiegend ein Eingriff sein muss, damit eine Enteignung vorliegt ...................

308

Abbildung 10: Prüfungsschritte zur Feststellung, ob ein für eine Enteignung hinreichend schwerer Eingriff vorliegt ............................................

321

Abbildung 11: Einfluss der US Supreme Court Judikatur und der Modell BITs auf die Schiedssprüche in Methanex und Saluka .............................

372

Abbildung 12: Fragmentierung des investitionsrechtlichen Eigentumsschutzes bei Anwendung der radikalen Police-Powers-Theorie.....................

373

Abbildung 13: Rechtsprechungsübersicht – Eigentumsübertragung an Private.......

409

Abbildung 14: Prüfungsabfolge im Menschenrechts- und Investitionsschutz zur Feststellung, ob eine Ersatzleistungspflicht besteht.........................

426

Abbildung 15: Bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigende Faktoren...........................................................................................

554

Abbildung 16: Die Verhältnismäßigkeitsprüfung: Faktoren und Folgen.................

571

Abkürzungsverzeichnis A

Série A des publications de la Cour européenne des droits de l’homme: Arrêts et décisions (bis Ende 1995; im Zitat gefolgt von der Bandnummer und der Zahl im Urteil [oder im Bericht der Kommission] bzw. von einem Separatvotum)

a.A., A.A.

anderer Ansicht

Abs.

Absatz

ACHR

American Convention on Human Rights

AFDI

Annuaire français de droit international

AfrCh

African Charter on Human and Peoples’ Rights

AJIL

American Journal of International Law

AMRK

Amerikanische Menschenrechtskonvention

ARIEL

The Austrian Review of International and European Law

Art.

Artikel

ASIL

American Society of International Law

Aufl

Auflage

Bd.

Band

Beschw.

Beschwerde bei der Europäischen Menschenrechtskommission

BGBl

Bundesgesetzblatt (Österreich)

BIT

Bilateral Investment Treaty

BP

British Petroleum

BYIL

British Yearbook of International Law

bzw.

beziehungsweise

Cornell Int’l L.J

Cornell International Law Journal

Corp

Corporation

CSA

Claims Settlement Agreement

ders.

derselbe

d.h., D.h.

das heißt

dies.

dieselben

Doc

Document

18

Abkürzungsverzeichnis

Dok

Dokument

DR

Decisions and Reports of the European Commission of Human Rights

ECHR

European Court of Human Rights (ECHR- Band der Entscheidungssammlung des EGMR (verwendet für Urteile ab 1996))

ECT

Energy Charter Treaty

EGMR

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte

EJIL

European Journal of International Law

EKMR

Europäische Kommission für Menschenrechte

EMRK

(Europäische) Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten

EPIL

Encyclopedia of Public International Law

et al.

et alii

etc.

et cetera

ETS

European Treaty Series

EuGH

Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften

EuGRZ

Europäische Grundrechte Zeitschrift

f.

folgende

FCN-Vertrag

Freundschafts-, Handels und Schiffahrtsvertrag (Treaty of Friendship, Commerce and Navigation)

ff.

folgenden

FILJ

Foreign Investment Law Journal

FN

Fußnote

FTA

Free Trade Agreement

GA

General Assembly, Genfer Abkommen

GAOR

General Assembly Official Records

gem.

gemäß

gg

gegen

GYIL

German Yearbook of International Law

Hrsg.

Herausgeber, herausgegeben

HUDOC

Datenbank der Judikatur der Überwachungsorgane der Europäischen Menschenrechtskonvention

IAGMR

Interamerikanischer Gerichtshof für Menschenrechte

ibid.

ebenda

ICC

International Chamber of Commerce

Abkürzungsverzeichnis ICJ

International Court of Justice

ICQL

The International and Comparative Law Quarterly

ICSID

International Centre for Settlement of Investment Disputes

ICSID Rev. – FILJ

ICSID Review – Foreign Investment Law Journal

i.d.F.

in der Fassung, in der Folge

i.d.S., I.d.S.

in diesem Sinne

IGH

Internationaler Gerichtshof

ILC

International Law Commission

ILM

International Legal Materials

ILR

International Law Reports

Inc.

Incorporated

insbes.

insbesondere

int’l

international

i.S.d.

im Sinne der

IUSCT

Iran-US-Claims-Tribunal

IUSCTR

Iran-US-Claims-Tribunal-Reports

i.V.m.

in Verbindung mit

JWIT

Journal of World Investment and Trade

lit.

litera

loc. cit.

loco citato

MAI

Multilateral Agreement on Investment

MFN

Most Favored Nation; Meistbegüngstigung

MIGA

Multilateral Investment Guarantee Agency

m.w.N.

mit weiteren Nachweisen

NAFTA

North American Free Trade Agreement/Association

NGO

Non-Governmental Organisation

NILR

Netherlands International Law Review

NYIL

Netherlands Yearbook of International Law

NJIL

Nordic Journal of International Law

Nr.

Nummer

NYU

New York University

OAS

Organization of American States

OAU

Organization of African Unity

OECD

Organization for Economic Cooperation and Development

19

20

Abkürzungsverzeichnis

ÖZöRV

Österreichische Zeitschrift für öffentliches Recht und Völkerrecht

PCIJ

Permanent Court of International Justice

RdC

Recueil des Cours de l’Académie de droit international

Rep

Report

Res

Resolution

Rev

Revue/Review

rev.

revidiert

RGD

Revue générale de droit

RGDIP

Revue Générale de Droit International Public

RJD

Reports of Judgments and Decisions; Entscheidungssammlung des EGMR (seit 1996)

Rz

Randzahl

S.

Seite

Slg

Sammlung

StIGH

Ständiger Internationaler Gerichtshof

Supp.

Supplement

TDM

Transnational Dispute Management

Texaco

Texas Oil Company

u.a.

und andere, unter anderem

UK

Vereinigtes Königreich

UN

United Nations

UNCITRAL

United Nations Commission for International Trade Law

UNCTAD

United Nations Conference on Trade and Development

UNGA

United Nations General Assembly

UNTS

United Nations Treaty Series

US

United States

USD

US-Dollar

usw.

und so weiter

v.

versus

vgl.

vergleiche

Virginia JIL

Virginia Journal of International Law

VN

Vereinte Nationen

Vol.

Volume

WVK

Wiener Vertragsrechtskonvention

Abkürzungsverzeichnis

21

YB

Yearbook of the European Convention on Human Rights

Z

Ziffer

ZaÖRV

Zeitschrift für Völkerrecht

z.B.

zum Beispiel

ZP

Zusatzprotokoll

ausländisches

öffentliches

Recht

und

Einleitung Der Umfang des Eigentumsschutzes ist nicht nur für Individuen, sondern auch für Staaten von großer Bedeutung. Je stärker das Recht Privateigentum schützt, desto enger wird der Spielraum der Staaten, entschädigungslos Reformen im sozialen, wirtschaftlichen oder Umweltbereich durchführen zu können. Es ist Aufgabe des Rechts, einen Ausgleich zwischen Privatinteressen und den Bedürfnissen der Gesellschaft zu finden. Wie versucht wird, diese Balance im internationalen Menschenrechtsschutz und im internationalen Investitionsschutz sicherzustellen, ist Gegenstand dieser Untersuchung.

I. Historischer und institutioneller Rahmen 1. Der Eigentumsschutz nach traditionellem Völkerrecht Derzeit gibt es im Völkerrecht mehrere parallele einander beeinflussende Systeme zum Schutz von Eigentum. Das älteste von ihnen ist ein zwischenstaatliches System. Es ist Teil der völkergewohnheitsrechtlichen Regeln zum Fremdenrecht. Der völkerrechtliche fremdenrechtliche Eigentumsschutz ist ein Beispiel dafür, wie politische Veränderungen drastische Auswirkungen auf eine Rechtsordnung haben können. Er war im 20. Jahrhundert mehrmals tiefgreifenden Änderungen unterworfen.1 Es stand immer außer Streit, dass ein Staat das Recht hat, Ausländer zu enteignen, und eine Enteignung von Ausländern daher per se kein rechtswidriger Akt ist. Jedoch musste nach klassischem Völkerrecht die Enteignung im öffent___________ 1 Zur historischen Entwicklung des Enteignungsvölkerrechts siehe z.B.: K.-H. Böckstiegel, Die allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts über Eigentumsentziehungen. Eine Untersuchung zu Art. 1 des Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention, 1963, S. 3–11; R. B. Lillich, The Current Status of the Law of State Responsibility for Injuries to Aliens, in: R. B. Lillich (Hrsg.), International Law of State Responsibility for INJURIES to ALIENS, 1983, S. 1 ff.; W. D. Verwey/N. J. Schrijver, The Taking of Foreign Property under International Law: A New Legal Perspective?, XV NYIL 1984, 3, S. 4 ff. Zum Wandel des Investitionsrechts im 20. Jahrhundert siehe insbes. C. Schreuer, Paradigmenwechsel im Internationalen Investitionsrecht, in: W. Hummer (Hrsg.), Paradigmenwechsel im Völkerrecht zur Jahrtausendwende, 2002, 237–250.

24

Einleitung

lichen Interesse sein, durfte nicht diskriminierend sein und durfte nur gegen Entschädigung erfolgen.2 Was zunehmend umstritten war, war der Umfang, in dem Staaten für Enteignungen zu entschädigen hatten. Dieser Grundsatz wurde zum ersten Mal in der Folge der kommunistischen Revolutionen Anfang des 20. Jahrhunderts in Frage gestellt. Um die aufgrund der neuen ideologischen Ansichten notwendigen Reformen umsetzen zu können, kam es in einer Reihe von Staaten in großem Umfang zu Nationalisierungen von Land und Produktionsmitteln, die teils auch ohne jegliche Entschädigung erfolgten.3 Auch im Zeitraum zwischen den beiden Weltkriegen waren Nationalisierungen häufig. So wurden in Mexiko Land und Erdölunternehmen in ausländischem Eigentum nationalisiert.4 Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden in Ost- und Südosteuropa Nationalisierungen in sehr großem Umfang durchgeführt. Sogar in Großbritannien und Frankreich wurden Unternehmen nationalisiert, ohne dass der Grundsatz der vollen Entschädigung eingehalten wurde.5 Der zweite wesentliche Einschnitt erfolgte im Zuge des Dekolonisierungsprozesses. Ausländische Investoren waren bis Mitte des 20. Jahrhunderts häufig große internationale Konzerne, die für sie sehr günstige Konzessionsverträge – meist zur Gewinnung und Verwertung von Rohstoffen – innehatten. Private Investoren wurden von Entwicklungsländern als Fortsetzer der früheren Kolonisatoren angesehen. Dies führte in weiten Teilen der Welt (kommunistische Staaten und Entwicklungsländer) zu einer Wirtschaftspolitik, die Auslandsinvestitionen negativ gegenüber stand.6 Diese ehemaligen Kolonien, die nach dem Zweiten Weltkrieg ihre Unabhängigkeit erlangt hatten, nahmen ebenfalls Nationalisierungen in großem Umfang vor.7 Die Höhe der im Falle einer Natio___________ 2 Siehe z.B.: R. Jennings/A. Watts, Oppenheim’s International Law9, 1992, Vol I, S. 919 ff. 3 Siehe z.B.: G. Fouilloux, La Nationalisation et le Droit International Public, 1962, S. 94 ff. 4 Die mexikanischen Nationalisierungen begannen bereits 1915 und wurden in der Zwischenkriegszeit fortgesetzt. Siehe dazu z.B.: G. H. Hackworth, Digest of International Law, Bd. III 1942, S. 655–665. J. Bullington, Problems of International Law in the Mexican Constitution of 1917, 21 AJIL 1927, 685–705; L. H. Woolsey, The Expropriation of Oil Properties by Mexico, 32 AJIL 1938, 519–526. 5 Siehe z.B.: G. Fouilloux, La Nationalisation et le Droit International Public, 1962, S. 112 ff. 6 C. Schreuer, Paradigmenwechsel im Internationalen Investitionsrecht, loc. cit., S. 238, 245. 7 Iran 1951 Algerien ab 1963 Chile 1970 Ägypten 1956 Syrien 1964 Libyen ab 1970 Indonesien 1957 Peru 1968 Saudi Arabien 1972 Irak, Ceylon und Kuba 1961 Bolivien und Sambia 1969 Kuweit ab 1973.

Einleitung

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nalisierung zu leistenden Entschädigung war jedoch sehr umstritten. Viele westliche Staaten, deren Staatsangehörige in Entwicklungsländern investiert hatten, vertraten die Meinung, dass hinsichtlich der erforderlichen Enteignungsentschädigung die sogenannte „Hull-Formel“ (adequate, prompt, effective compensation) einzuhalten sei. Sie ist nach US Außenminister Cordell Hull benannt. Dieser verwendete die Formel in einer diplomatischen Note an den mexikanischen Außenminister. In dieser forderte er von Mexiko die Einhaltung dieser Standards im Hinblick auf die im Anschluss an die mexikanischen Nationalisierungen an US-Staatsbürger zu leistende Entschädigung.8 Mexiko,9 die Sowjetunion, andere „sozialistischen“ Staaten sowie eine mit dem voranschreitenden Dekolonisierungsprozess steigende Anzahl an Entwicklungsländern bestritt jedoch, dass diese Formel für sie bindend sei.10 Somit lag kein eindeutiges allgemeines Völkergewohnheitsrecht mehr vor. Auch die Generalversammlung der Vereinten Nationen setzte sich in der Folge mit dieser Frage auseinander. Ob und in welchem Umfang für Nationalisierungen zu entschädigen sei, war zu einem der zentralen Streitpunkte in der Auseinandersetzung um eine Neue Internationale Wirtschaftsordnung (NIWO) in den Vereinten Nationen geworden. Aufgrund des Dekoloniserungsprozesses hatten sich die Mehrheitsverhältnisse in der Generalversammlung der Vereinten Nationen zu Gunsten der „sozialistische“ Staaten und der Entwicklungsländer verschoben. Daher war es ihnen möglich, ihre wirtschaftspolitischen Vorstellungen in der Form von Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen zum Ausdruck zu bringen. Dies führte in den 60er und 70er Jahren zu

___________ Für eine völkerrechtliche Analyse dieser Nationalisierungen siehe z.B.: J. H. Herz, Expropriation of Foreign Property, 35 AJIL 1941, 243-262, S. 256 ff.; G. White, Nationalisation of Foreign Property, 1961; M. Domke, Foreign Nationalisations, Some Aspects of Contemporary International Law, 55 AJIL 1961, 585–616; G. Fouilloux, La Nationalisation et le Droit International Public, 1962; J. Huerta, Peruvian Nationalization and the Peruvian-American Compensation Agreements, 10 New York University Journal of International Law and Politics 1977, 1–63. 8 Note from Secretary of State Hull of 22 August 1938: … The Government of the United States merely adverts to a self-evident fact when it notes that the applicable precedents and recognized authorities on international law support its declaration that, under every rule of law and equity, no government is entitled to expropriate private property, for whatever purpose, without provision for prompt, adequate and effective payment therefore. … Abgedruckt in: G. H. Hackworth, Digest of International Law, Bd. III 1942, S. 658 f. 9 G. H. Hackworth, Digest of International Law, Bd. III 1942, S. 655–657. 10 Für eine kritische Auseinandersetzung mit kommunistischen Theorien zur Enteignung siehe: I. Seidl-Hohenveldern, Communist Theories on Confiscation and Expropriation. Critical Comments, 7 The American Journal of Comparative Law 1958, 541–571.

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einer Reihe von Resolutionen mit wirtschaftspolitischem Inhalt.11 1974 wurde eine eigene Session der Generalversammlung unter dem Titel „Special Session on a New International Economic Order“ abgehalten. Die Resolutionen trugen zunächst die Bezeichnung „permanent sovereignty over natural resources“, danach „Neue Internationale Wirtschaftsordnung“ (NIWO), und schließlich wurde eine Charta der wirtschaftlichen Rechte und Pflichten in einer Kampfabstimmung angenommen.12 Für Enteignungen und Nationalisierungen sah die einschlägige Resolution aus 1962 noch vor, dass diese „permanent sovereignty over natural resources“ nur gegen Entschädigung im Einklang mit dem Völkerrecht auszuüben sei.13 1973 fand sich dann kein Hinweis mehr auf völkerrechtliche Grenzen in der entsprechenden UN Resolution. Vielmehr sollten die enteignenden Staaten die Höhe einer allfälligen Entschädigung nach innerstaatlichem Recht festlegen. Im Streitfall sollten innerstaatliche Gerichte nach innerstaatlichem Recht entscheiden.14 Auch die Charta der wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten ___________ 11

Siehe z.B.: W. D. Verwey/N. J. Schrijver, The Taking of Foreign Property under International Law: A New Legal Perspective?, XV NYIL 1984, 3, S. 27 ff. 12 UNGA Resolution 1803 (XVII), 14 December 1962 – permanent sovereignty over natural resources. UNGA Resolution 3171 (XXVIII), 17 December 1973 – permanent sovereignty over natural resources. UNGA Resolution 3201, 1 May 1974 – Declaration of the Establishment of a New International Economic Order (anlässlich der Special Session on a New International Economic Order). UNGA Resolution 3281 (XXIX), 12 December 1974 – Charter of Economic Rights and Duties of States. 120 Staaten stimmten für die Charta, 6 Staaten stimmten dagegen (Belgien, BRD, Dänemark, Luxemburg, Vereinigtes Königreich) und 10 enthielten sich der Stimme (Frankreich, Irland, Israel, Italien, Japan, Kanada, Niederlande, Norwegen, Spanien, Österreich). 13 GA Resolution 1803(XVII), 14 December 1962 – permanent sovereignty over natural resources 1. The right of peoples and nations to permanent sovereignty over their wealth and resources must be exercised in the interest of their national development and of the well-being of the people of the State concerned. … 4. Nationalization, expropriation or requisitioning shall be based on grounds or reasons of public utility, security or the national interest which are recognized as overriding purely individual or private interests, both domestic and foreign. In such cases the owner shall be paid appropriate compensation, in accordance with the rules in force in the State taking such measures in the exercise of its sovereignty and in accordance with i n t e r n a t i o n a l l a w. (Hervorhebung durch die Autorin). 14 GA Resolution 3171 (XXVIII), 17 December 1973 – permanent sovereignty over natural resources

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aus 1974 enthielt keinen Verweis auf völkerrechtliche Grenzen. Sie sah ebenfalls vor, dass die Höhe einer allfälligen Entschädigung nach innerstaatlichem Recht festzulegen ist, und im Streitfall innerstaatliche Gerichte nach innerstaatlichem Recht entscheiden.15 Die meisten westlichen Staaten stimmten entweder gegen die Charta oder enthielten sich der Stimme.16 Somit blieb es für lange Zeit umstritten, ob und in welchem Umfang eine Entschädigungspflicht für Enteignungen aufgrund des Völkergewohnheitsrechts besteht. Statt das für eine Entwicklung des Staates erforderliche Kapital durch Auslandsinvestitionen ins Land zu holen, bevorzugten die Staaten, welche die Ideen der NIWO vertraten, dieses im Wege von Darlehen zu beschaffen. Dieser Weg der Geldbeschaffung war wesentlich korruptionsanfälliger und erlaubte den Betrieb ineffizienter Staatsunternehmen, die hoch subventioniert wurden. ___________ 3. Affirms that the application of the principle of nationalization carried out by States, as an expression of their sovereignty in order to safeguard their natural resources, implies that each State is entitled to determine the amount of possible compensation and the mode of payment, and that any disputes which might arise should be settled in accordance with the national legislation of each State carrying out such measures. (Hervorhebung durch die Autorin). 15 GA Resolution 3281 (XXIX), 12 December 1974 – Charter of Economic Rights and Duties of States Article 2(2) 2. Each State has the right: … (c) To nationalize, expropriate or transfer ownership of foreign property in which case appropriate compensation should be paid by the State adopting such measures, taking into account its relevant laws and regulations and all circumstances that the State considers pertinent. In any case where the question of compensation gives rise to a controversy, it shall be settled under the domestic law of the nationalizing State and by its tribunals, unless it is freely and mutually agreed by all States concerned that other peaceful means be sought on the basis of the sovereign equality of States and in accordance with the principle of free choice of means. (Hervorhebung durch die Autorin). Siehe z.B.: J. Castaneda, La Charte des Droits et Devoirs Economiques des Etats, 20 AFDI 1974, 31–56; I. Brownlie, Legal Status of Natural Resources in International Law (Some Aspects) 162 RdC 1979 I, 245–317, 255 ff.; B. Weston, The Charter of Economic Rights and Duties of States and the Deprivation of Foreign-Owned Wealth, 75 AJIL 1981, 437–475; R. Dolzer, Eigentum, Enteignung und Entschädigung im geltenden Völkerrecht 1985, S. 24 ff. m.w.N. 16 Siehe FN 12. Bei der Abstimmung nach Artikeln im zweiten Komitee der UN Generalversammlung stimmten 104 Staaten für Artikel 2(2)c, 16 (Belgien, BRD, Dänemark, Frankreich, Irland, Italien, Japan, Kanada, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Österreich, Spanien, Schweden, Vereinigtes Königreich und die Vereinigten Staaten) stimmten dagegen und sechs (Australien, Barbados, Finnland, Israel, Neuseeland und Portugal) enthielten sich der Stimme.

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Eine Kontrolle durch den Markt war nicht vorhanden. Statt der erhofften Gewinne, mit denen die Rückzahlung der aufgenommenen Darlehen finanziert werden sollte, führte diese Politik zu einer Schuldenkrise in einer Reihe von Entwicklungsländern und schließlich zu einem Kurswechsel Ende der 1980er Jahre. Die der NIWO zugrunde liegenden Ideen werden heute als überholt angesehen. Der Begriff findet nur noch als historische Bezeichnung Verwendung.17 Es folgte eine zum Teil rigoros durchgeführte Privatisierungspolitik mit einem Wettbewerb der Entwicklungsländer um Investoren. Rechtlich schlug sich dieser neuerliche Wandel sowohl in innerstaatlichen Investitionsschutzgesetzen als auch in völkerrechtlichen Verträgen zum Schutz von Auslandsinvestitionen nieder. Diese enthielten investitionsschutzfreundliche Normen.18 Heute ist weltweit anerkannt, dass ausländische Direktinvestitionen eine große Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung haben, wenn ihre Rolle auch nicht unumstritten ist.19 Eine Ursache für das Scheitern der Ausarbeitung eines multilateralen Investitionsschutzvertrages (Multilateral Agreement on Investment – MAI) waren die nach wie vor bestehenden Meinungsunterschiede über die Auswirkungen eines effizienten Investitionsschutzes auf Entwicklung, Umweltschutz und Arbeitnehmerrechte. Die Annahme des MAI wurde jedoch nicht von Entwicklungsländern verhindert. Vielmehr waren dafür der Druck von nichtstaatlichen Organisationen sowie letztlich der Rückzug Frankreichs20 von den Verhandlun-

___________ 17 T. Waelde, A Requiem for the „New International Economic Order“, in: G. Hafner u.a. (Hrsg.), Liber Amicorum Professor Ignaz Seidl-Hohenveldern, 1998, 771–803; C. Schreuer, Paradigmenwechsel im Internationalen Investitionsrecht, in: W. Hummer (Hrsg.), Paradigmenwechsel im Völkerrecht zur Jahrtausendwende, 2002, S. 238; I. Seidl-Hohenveldern, Wandlungen der Entschädigungsregeln für Staatseingriffe in ausländisches Privateigentum, in: W. Hummer (Hrsg.), Paradigmenwechsel im Völkerrecht zur Jahrtausendwende, 2002, S. 261 ff. 18 Zum modernen Investitionsrecht siehe z.B.: N. D. Rubins/N. S. Kinsella, International Investment, Political Risk, and Dispute Resolution: A Practitioner’s Guide, 2005. Für eine Analyse der Entwicklung der Schutzstandards in völkerrechtlichen Investitionsschutzverträgen siehe z.B.: W. D. Verwey/N. J. Schrijver, The Taking of Foreign Property under International Law: A New Legal Perspective?, XV NYIL 1984, 3, S. 60 ff. 19 Siehe z.B.: A. A. Fatouros, International Investment Agreements and Development – Problems and Prospects at the Turn of the Century in: G. Hafner u.a. (Hrsg.), Liber Amicorum Professor Ignaz Seidl-Hohenveldern, 1998, 115–132. Für eine kritische Position siehe insbesondere: M. Sornarajah, The International Law on Foreign Investment, 2004. 20 Frankreich befürchtete zudem den Verlust seiner kulturellen Eigenständigkeit und negative Konsequenzen für die französische Filmindustrie und andere Kulturbereiche.

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gen im Oktober 1998 ausschlaggebend.21 Dies, obwohl Auslandsinvestitionen aus menschenrechtlicher und entwicklungspolitischer Sicht keineswegs grundsätzlich abgelehnt werden. So geht etwa aus ein Bericht des High Commissioners for Human Rights hervor, dass Investitionen zum Schutz der Menschenrechte beitragen können.22 Viele Entwicklungsländer bemühen sich daher zurzeit um Auslandsinvestitionen, um ihre Entwicklung voranzutreiben. Zudem setzen im Zeitalter der Globalisierung auch zunehmend Industriestaaten auf ausländische Investitionen im Inland, unter anderem zur Sicherung von Arbeitsplätzen. Derzeit gibt es daher Auslandsinvestitionen in erheblichem Umfang, die innerhalb der Gruppe der entwickelten Länder erfolgen.23 Über die Notwendigkeit von Auslandsinvestitionen sowie eines funktionierenden Systems zu ihrem Schutz besteht daher im Wesentlichen Konsens,24 auch wenn es in der Frage des genauen Umfangs des Eigentumsschutzes nach wie vor Konflikte gibt. Die Rechtsverfolgung erfolgt im traditionellen völkerrechtlichen Eigentumsschutz letztlich in Form des diplomatischen Schutzes. Dieser kann vom Heimatstaat zugunsten seiner Staatsangehörigen ausgeübt werden. Es besteht hierbei die rechtliche Fiktion, dass der Staat eigene Rechte geltend macht. Der Heimatstaat ist Herr des Verfahrens und kann auch zu Lasten des unmittelbar betroffenen Individuums auf Ansprüche verzichten. Es besteht kein Anspruch auf Ausübung des diplomatischen Schutzes durch den Heimatstaat.25 Individuen ___________ 21 Siehe z.B.: A. Böhmer, The Struggle for a Multilateral Agreement on Investment – an Assessment of the Negotiation Process in the OECD, 41 GYIL 1998, 267–298. 22 Report of the High Commissioner for Human Rights, Human rights, trade and investment, 2 July 2003, E/CN.4/Sub.2/2003/9, S. 2. 23 H. Christiansen/A. Bertrand, Trends and Recent Developments in Foreign Direct Investment, in: OECD (Hrsg.), International Investment Perspectives, 2005, S. 14 ff. 24 Siehe z.B.: C. Schreuer, Paradigmenwechsel im Internationalen Investitionsrecht, in: W. Hummer (Hrsg.), Paradigmenwechsel im Völkerrecht zur Jahrtausendwende, 2002, S. 237 ff. 25 Siehe dazu Artikel 2 der ILC Draft articles on Diplomatic Protection (http://un treaty.un.org/ilc/texts/instruments/english/draft%20articles/9_8_2006.pdf) aus 2006. Article 2 Right to exercise diplomatic protection A State has the right to exercise diplomatic protection in accordance with the present draft articles. Im Kommentar zu den ILC Draft articles on Diplomatic Protection (http://untreaty. un.org/ilc/texts/instruments/english/commentaries/9_8_2006.pdf) wird unter Bezugnahme auf das Urteil des IGH in Barcelona Traction (Barcelona Traction, Light and Power Co., Ltd (Belgien gg Spanien), Urteil vom 5. Februar 1970, ICJ Reports 3 (1970) 4, S. 44) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich hierbei um ein Recht des Staates und nicht um eine Verpflichtung handelt: (2) A State has the right to exercise diplomatic protection on behalf of a national. It is under no duty or obligation to do so. … (S. 29).

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haben daher keine unmittelbare Rechtsdurchsetzungsmöglichkeit im Fall einer Enteignung. Im 19. und frühen 20. Jahrhundert wurden häufig gemischte Schiedskommissionen und -gerichte mit der Frage der Entschädigung nach dem Entzug von Eigentum von Privaten befasst.26 Aber auch der Ständige Internationale Gerichtshof und der Internationale Gerichtshof hatten Fragen der Staatenverantwortlichkeit nach dem Entzug von Eigentum von Privaten zu entscheiden. Der Anwendungsbereich dieses Schutzsystems ist auf das Eigentum von Ausländern beschränkt. Neben diesen Formen der Streitbeilegung, die alle vom Heimatstaat des betroffenen Investors eingeleitet werden müssen, kann der Investor selbst einen Streitfall nur entweder vor ein nationales Gericht des Gastgeberstaates bringen oder versuchen, ihn bei einem Gericht eines Drittstaates anhängig zu machen. Beide Varianten haben erhebliche Nachteile. Im ersten Fall besteht die Gefahr, dass die Gerichte befangen sind. Überdies sind sie an die Gesetze des Gastgeberstaates gebunden. Formelle Enteignungen und insbesondere Nationalisierungen erfolgen jedoch typischerweise durch eine Änderung der Rechtsordnung. Eine effiziente Rechtsdurchsetzung vor Gerichten von Drittstaaten ist ebenfalls nicht gewährleistet. Einerseits verursacht es Probleme, die örtliche Zuständigkeit eines Gerichtes in einem Drittstaat zu begründen. Andererseits kann die Staatenimmunität bereits im Erkenntnisverfahren, aber noch in viel stärkerem Ausmaß bei der Durchsetzung von Urteilen zu Schwierigkeiten führen.27

2. Menschenrechtlicher und investitionsrechtlicher Eigentumsschutz – Gemeinsamkeiten und Unterschiede Parallel zu dieser Entwicklung wurden nach dem Zweiten Weltkrieg zwei neue völkerrechtliche Eigentumsschutzsysteme geschaffen: eines im Bereich des Menschenrechtsschutzes; ein zweites als Reaktion auf die unklare rechtliche Situation im Bereich des Völkergewohnheitsrechts in Form von zumeist bilateralen Investitionsschutzverträgen (BITs). ___________ In Artikel 19 der Draft Articles wird den Staaten jedoch nahegelegt, zumindest bei schwerwiegenden Schäden die Ausübung des diplomatischen Schutzes ernsthaft in Erwägung zu ziehen. (Siehe dazu den Kommentar S. 94 ff). 26 N. Wühler, Mixed Arbitral Tribunals, EPIL III 1992, 422–436; R. Dolzer, Mixed Claims Commissions, EPIL III 1992, 436–439. 27 Siehe z.B. zur Problematik in Botschaftskonten zu vollstrecken: Österreich, Oberster Gerichtshof, Urteil vom 30. April 1986, 90 JBl 1986, 733; Deutschland, Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 6. Dezember 2006, 2 BvM 9/03.

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Beide Rechtsbereiche weisen eine Reihe von Gemeinsamkeiten auf: Beide Systeme beruhen auf vertraglicher Basis. Sowohl im menschenrechtlichen wie im investitionsrechtlichen Eigentumsschutz können Individuen ihre Ansprüche direkt gegen den Staat, der in ihr Eigentum eingreift, geltend machen. Individuen sind daher nicht mehr darauf angewiesen, dass ihr Heimatstaat diplomatischen Schutz ausübt. Den Individuen steht ein institutionalisierter Zugang zu einem unparteilichen internationalen Entscheidungsorgan offen. Diese Entscheidungsorgane fällen jeweils bindende Urteile (Menschenrechtsschutz) oder bindende Schiedssprüche (Investitionsschutz). Jedoch weisen die beiden Eigentumsschutzsysteme auch eine Reihe von Unterschieden auf. Im Hinblick auf die geschützten Personen ist im Menschenrechtsschutz Eigentum unabhängig von der Staatsbürgerschaft des Eigentümers geschützt. Es kommt vielmehr darauf an, dass er unter der Hoheitsgewalt des eingreifenden Staates stand. Im Unterschied dazu ist im internationalen Investitionsschutz nur ausländisches Eigentum geschützt. Für den Schutz des Eigentums ist die Staatsangehörigkeit des Eigentümers ausschlaggebend. Menschenrechts- und Investitionsschutz verfolgen auch unterschiedliche Schutzziele. Im Bereich der Menschenrechte steht der Schutz fundamentaler Rechte des Individuums im Vordergrund. Im Gegensatz dazu bezweckt das internationale Investitionsrecht die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung der Vertragsparteien sowie den Schutz von wirtschaftlichen Interessen der Investoren. Während im Menschenrechtsschutz „ständige“28 Gerichtshöfe über Beschwerden urteilen, entscheiden im Investitionsrecht jeweils ad hoc zusammengesetzte Schiedsgerichte. Die Unterwerfung unter die Spruchkörper erfolgt im Menschenrechtsschutz entweder bereits durch Ratifikation der entsprechenden Konvention (Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten – EMRK) oder durch eine gesonderte Unterwerfungserklärung (Amerikanische Menschenrechtskonvention – AMRK) . Im Bereich der EMRK handelt es sich dabei um eine Unterwerfung auf unbeschränkte Dauer. Im Bereich der AMRK kann die Dauer beschränkt sein. Im Unterschied dazu ist die Zustimmung (consent) des Staates zur internationalen Investitionsschiedsgerichtsbarkeit auf verschiedene Weise möglich. Die Zustimmung kann einerseits durch ___________ 28 Ständig im eigentlichen Sinn ist nur der Europäische Gerichtshof. (Artikel 19 EMRK). Der Interamerikanische Gerichtshof tritt in Sessionen zusammen. Nur der Präsident steht dem Gerichtshof ständig zur Verfügung. Zudem verfügt der Gerichtshof über ein ständiges Sekretariat. Dennoch wird er hier als ständig bezeichnet, weil zumindest während drei Jahren eine gleiche Zusammensetzung des Entscheidungsorgans gewährleistet ist. Die Richter werden für sechs Jahre bestellt. Von drei der ersten Richter lief das Mandat bereits nach drei Jahren ab, um eine Kontinuität in der Zusammensetzung sicherzustellen. (Artikel 54 AMRK). Siehe dazu J. M. Pasqualucci, The Practice and Procedure of the Inter-American Court of Human Rights, 2003, S. 10.

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vertragliche Vereinbarung zwischen Investor und Staat, andererseits durch ein nationales Investitionsschutzgesetz oder einen bi- oder multilateralen Investitionsschutzvertrag erteilt werden. Im Fall bi- oder multilateraler Investitionsschutzverträge kommt die Zustimmung zur Schiedsgerichtsbarkeit folgendermaßen zu Stande: Das Angebot des Staates, sich im Streitfall einem Schiedsgericht zu unterwerfen, liegt durch die einschlägige Klausel im völkerrechtlichen Vertrag vor. Dieses wird durch die Einleitung des Schiedsverfahrens durch den Investor angenommen. Auch im Bereich der Durchsetzungsmöglichkeit der Urteile und Schiedssprüche bestehen Unterschiede zwischen den beiden Systemen. Im Menschenrechtsschutz ist der Staat völkerrechtlich verpflichtet, die Urteile umzusetzen. Unterlässt er dies, begeht er eine Völkerrechtsverletzung. Im Bereich der EMRK wird die Umsetzung der Urteile durch das Ministerkomitee des Europarats überwacht. Im Investitionsschutz werden im Bereich der International Convention for Settlement of Investment Disputes (ICSID)29 die Schiedssprüche (final awards) in allen Staaten als bindend angesehen.30 Sie können in allen Vertragsparteien der ICSID-Konvention wie innerstaatliche rechtskräftige Urteile durchgesetzt werden. Allerdings gelten die allgemeinen Regeln über Staatenimmunität in Exekutionsverfahren.31 Bei Schiedssprüchen, die nicht nach der ICSID-Konvention ergangen sind, ist maßgeblich, ob die New York Convention32 auf sie anwendbar ist. Wenn dies der Fall ist, ist der Schiedsspruch nach dem Verfahrensrecht des Staates, vor dessen Gerichten der Schiedsspruch durchgesetzt werden soll, zu exekutieren. Eine Exekution kann nur dann unterbleiben, wenn einer der Gründe aus einer taxativen in der Konvention enthaltenen Liste vorliegt.33 Ein weiterer wesentlicher Unterschied zwischen dem menschenrechtlichen und dem investitionsrechtlichen Eigentumsschutz besteht beim Erfordernis der Ausschöpfung des innerstaatlichen Instanzenzuges. Im Menschenrechtsschutz muss dieses Erfordernis erfüllt sein. Im Gegensatz zum Menschenrechtsschutz ___________ 29

Dazu siehe: C. Schreuer, The ICSID Convention: A Commentary, 2001. Für einen Überblick siehe z.B.: D. Wang, Binding Force and Enforcement in: UNCTAD, Course on Dispute Settlement, International Centre for Settlement of Investment Disputes, 2.9., 2003. 31 Article 55 ICSID Konvention: Nothing in Article 54 shall be construed as derogating from the law in force in any Contracting State relating to immunity of that State or of any foreign State from execution. Siehe dazu näher: C. Schreuer, The ICSID Convention: A Commentary, 2001, S. 1141 ff. 32 Convention on the Recognition and Enforcement of Foreign Arbitral Awards. Done at New York, 10 June 1958, 330 U.N.T.S. 38 (1959). 33 Siehe Artikel V der Konvention. 30

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besteht ein derartiges Erfordernis im Investitionsrecht nur dann, wenn der entsprechende Investitionsschutzvertrag dies ausdrücklich vorsieht.34

3. Die Entwicklung des menschenrechtlichen Eigentumsschutzes Der menschenrechtliche Eigentumsschutz besteht derzeit in vertraglich verbindlicher Form nur auf regionaler Ebene. Auf globaler Ebene ist der Schutz von Eigentum lediglich in Artikel 17 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verankert.35 In die beiden UN Pakte über bürgerliche und politische Rechte sowie über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte wurde der Eigentumsschutz jedoch nicht aufgenommen. Es wurde zwar von keinem Staat der menschenrechtliche Charakter des Eigentumsrechts geleugnet. Die Differenzen, die vorwiegend zwischen kapitalistischen und „sozialistischen“ Staaten aber auch Entwicklungsländern vor allem hinsichtlich des Schutzumfangs bestanden, verhinderten jedoch die Einigung auf eine Norm zum Schutz des Eigentums.36 Somit gibt es auf globaler Ebene keinen vertraglich verankerten Eigentumsschutz. 1990 wurde jedoch in einer Resolution der UN Generalversammlung auf die Wichtigkeit des Eigentumsschutzes, wie er in Artikel 17 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verankert ist, hingewiesen. Es wurden die Staaten aufgefordert, in ihrem innerstaatlichen Recht dafür Sorge zu tragen, dass geeignete Verfassungsbestimmungen und einfachgesetzliche Normen in Geltung sind. Diese sollen in Einklang mit der in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte enthaltenen Vorschrift zum Schutz des Rechts auf Eigentum sein.37 ___________ 34

In Artikel 26 ICSID Konvention sieht vor, dass außer, wenn ein Staat dies ausdrücklich bei seiner Zustimmung zur Schiedsgerichtsbarkeit verlangt, keine Ausschöpfung des nationalen Instanzenzuges erforderlich ist: … A Contracting State may require the exhaustion of local administrative or judicial remedies as a condition of its consent to arbitration under this Convention. 35 Article 17 Universal Declaration of Human Rights: 1. Everyone has the right to own property alone as well as in association with others. 2. No one shall be arbitrarily deprived of his property. 36 Zu den Diskussionen um das Eigentumsrecht in den Vorarbeiten zu den UN Menschenrechtspakten siehe: R. Dolzer, Eigentum, Enteignung und Entschädigung im geltenden Völkerrecht 1985, S. 85–94. 37 General Assembly, 14 December 1990, A/RES/45/98. … 3. Considers that further measures may be appropriate at the national level, consistent with national policies, to ensure respect for the right of everyone to own property alone as well as in association with others and the right not to be

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Auf regionaler Ebene ist der Eigentumsschutz seit 1952 in Europa in Artikel 1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK38, seit 1969 in Amerika in Artikel 21 der AMRK39 und seit 1981 in Afrika in Artikel 14 der African Charter on Human and Peoples’ Rights40 verankert. Da es bisher noch kein Urteil des Afrikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte gibt, bleibt die Afrikanische Charta trotz der Existenz des Artikels 14 in dieser Arbeit außer Betracht. In Europa war zunächst heftig umstritten, welchen Inhalt eine Norm zum Schutz des Eigentums haben sollte.41 Dies ist eine der Ursachen dafür, dass die entsprechende Norm erst in das Erste Zusatzprotokoll zur EMRK aufgenommen wurde. Einige Mitglieder der beratenden Versammlung des Europarats waren gänzlich gegen die Aufnahme einer derartigen Norm in die Konvention.42 Manche deshalb, weil sie sich gegen die Aufnahme nur eines wirtschaftlichen und sozialen Rechts in den Katalog der geschützten Rechte aussprachen und daher entweder mehrere oder keines geschützt sehen wollten.43 Andere waren der ___________ arbitrarily deprived of one’s property, as set forth in article 17 of the Universal Declaration of Human Rights, so as to protect and preserve these rights in relation to the following types of property: (a) Personal property, including the residence of one’s self and family; (b) Economically productive property, including property associated with agriculture, commerce and industry; 4. Urges States, therefore, in accordance with their respective constitutional systems and the Universal Declaration of Human Rights, to provide, where they have not done so, adequate constitutional and legal provisions to protect the right of everyone to own property alone as well as in association with others and the right not to be arbitrarily deprived of one’s property; … 38 Convention for the Protection of Human Rights and Fundamental Freedoms (ECHR), 4. November 1950, ETS No. 5, 213 UNTS 222; Protocol to the Convention for the Protection of Human Rights and Fundamental Freedoms, 20 März 1952, ETS No. 9. 39 American Convention on Human Rights, 22. November 1969, 1144 UNTS 123. 40 African [Banjul] Charter on Human and Peoples’ Right, 27. Juni 1981, OAU Doc. CAB/LEG/67/3 rev. 5, 21 ILM 58 (1982). 41 Zur Entstehungsgeschichte des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK siehe z.B.: K.-H. Böckstiegel, Die allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts über Eigentumsentziehungen. Eine Untersuchung zu Art. 1 des Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention, 1963, S. 11–21; W. Peukert, Artikel 1 des 1. ZP, in: J. A. Frowein/W. Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK Kommentar², 1996, 764–766; A. R. Çoban, Protection of Property Rights within the European Convention on Human Rights, 2004, S. 127–137. 42 Travaux préparatoire de l’article 1er du Protocole additionnel à la Convention, DH (57) 10, S. 3, 4 verweist auf das Explanatory Memorandum zum Draft Report and Report of the Committee to the Assembly, Doc. A. 290, S. 5–6; Doc. 77, S. 199–200. 43 Siehe z.B.: Rolin (Belgien), Lord Layton (Vereinigtes Königreich), UngoedThomas (Vereinigtes Königreich), Elmgren (Schweden), Edberg (Scheden), Travaux

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Auffassung, dass eine internationale Kontrolle staatlicher Eingriffe im Bereich des Eigentumsschutzes nicht wünschenswert sei.44 Einige Mitglieder sprachen sich dafür aus, dass nur ein beschränkter Eigentumsschutz gewährleistet sein sollte. Nach Meinung eines Abgeordneten sollte nur „personal property“ vom Eigentumsschutz umfasst werden.45 Andere waren der Auffassung, dass nur gegen willkürliche Eingriffe Eigentumsschutz bestehen sollte.46 Wieder andere vertraten die Meinung, dass Eigentum ganz allgemein geschützt werden sollte.47 Im Ministerrat einigte man sich schließlich nach langwierigen Verhandlungen auf eine Textierung, in der die friedliche Nutzung des Eigentums geschützt ist, ohne Eigentum näher zu definieren.48 Der entscheidende Streitpunkt war, ob Enteignungen immer eine Entschädigung erfordern sollen oder nicht. Großbritannien war gegen eine ausdrückliche Entschädigungsverpflichtung.49 Die Kompromisslösung traf keine Aussage zu dieser Frage, sondern verweist lediglich auf die allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts, womit klargestellt werden sollte, dass Ausländer zu entschädigen seien.50 Angesichts der vorher dargestellten Unklarheit hinsichtlich des Umfangs der Entschädigungspflicht im Völkergewohnheitsrecht schafft auch in diesem Bereich die Norm keine wirkliche Klarheit über den tatsächlichen Umfang der zu leistenden Entschädigung. Die Spruchpraxis des Gerichtshofs führte in diesem Punkt eine ___________ préparatoire de l’article 1er du Protocole additionnel à la Convention, DH (57) 10, S. 5 (verweist auf Amendments to the draft Recommendation submitted by the Committee to the Assembly, Doc. 95, S. 240); de la Vallée-Poussin, ibid., S. 11; Elmgren (Schweden), ibid., S. 17. 44 Bericht von Teitgen (Frankreich) in seiner Funktion als Berichterstatter, Travaux préparatoire de l’article 1er du Protocole additionnel à la Convention, DH (57) 10, S. 6 verweist auf Official Report of the Consultative Assembly, 1949 IV, 1146. 45 Philip (Frankreich), Travaux préparatoire de l’article 1er du Protocole additionnel à la Convention, DH (57) 10, S. 4 (verweist auf Amendments to the draft Recommendation submitted by the Committee to the Assembly, Doc. 86, S. 226), S. 13 ff. 46 Siehe z.B.: Sundt (Norwegen), Travaux préparatoire de l’article 1er du Protocole additionnel à la Convention, DH (57) 10, S. 4 verweist auf Amendments to the draft Recommendation submitted by the Committee to the Assembly, Doc. 92, S. 237. 47 McEntee (Irland), Travaux préparatoire de l’article 1er du Protocole additionnel à la Convention, DH (57) 10, S. 4 verweist auf Official Report of Debates of the Assembly, 1949 II, S. 462. 48 Travaux préparatoire de l’article 1er du Protocole additionnel à la Convention, DH (57) 10, S. 154. 49 Report of the Committee of Experts to the Committee of Ministers, 24 February 1951 abgedruckt in: Travaux préparatoire de l’article 1er du Protocole additionnel à la Convention, DH (57) 10, S. 132. 50 K.-H. Böckstiegel, Die allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts über Eigentumsentziehungen. Eine Untersuchung zu Art. 1 des Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention, 1963, S. 17–19. Siehe Travaux préparatoire de l’article 1er du Protocole additionnel à la Convention, DH (57) 10, S. 146 ff., 169.

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Klärung herbei. Aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip leitete der Gerichtshof ab, dass bei Enteignungen grundsätzlich auch eigene Staatsbürger zu entschädigen seien. Die Vertragsparteien der EMRK wollten mittels der Konvention im Wesentlichen ihren verfassungsrechtlichen Grundrechtsschutz auf die völkerrechtliche Ebene heben.51 Daher weist der Eigentumsschutz in Menschenrechtskonventionen eine stark verfassungsrechtliche Prägung auf.52 Die Streitbeilegung erfolgt im Menschenrechtsschutz durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) sowie die Interamerikanische Kommission und den Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte. Seit 1998 ist die Jurisdiktion des EGMR für alle Vertragsparteien der EMRK obligatorisch. Im Fall der AMRK ist die Jurisdiktion des Interamerikanischen Gerichtshofs von einer entsprechenden Unterwerfungserklärung abhängig. Seine Urteile sind ebenso wie jene des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bindend. Der EGMR und die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte können von den Beschwerdeführern direkt angerufen werden. Beim Interamerikanischen Gerichtshof kann nur entweder die Interamerikanische Kommission oder der beklagte Vertragsstaat den Fall anhängig machen. Der EGMR fällte in den ersten Jahren seiner Existenz überhaupt kein Urteil zum Eigentumsschutz.53 Auch danach judizierte er nur spärlich zu diesem Recht.54 Erst seit den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts stieg die Anzahl der Judikate zum Eigentumsrecht sehr stark.55 Der Interamerikanische Gerichtshof hatte bisher im Vergleich zu EGMR nur sehr wenige Fälle, in denen Eigentumsrechtsverletzungen behauptet wurden, zu entscheiden.

___________ 51 Collected Edition of the „Travaux Préparatoires“ of the European Convention on Human Rights, 1985, Volume I, S. 218. 52 Das Recht auf Eigentum hat innerstaatlich in westlichen Ländern eine lange verfassungsrechtliche Tradition und wurde in viele berühmte Grundrechtstexte aufgenommen. Die bekanntesten davon sind: Die Magna Charta Libertatum aus 1215; die französische „Déclaration des droits de l’homme et du citoyen“ aus 1789, die 1958 in die französische Verfassung integriert wurde, sowie das Fifth amendment zur Amerikanischen Verfassung aus 1789. 53 Das erste Urteil stammt aus dem Jahr 1976 und bezog sich primär auf das Recht auf freie Meinungsäußerung nach Artikel 10 EMRK (EGMR, Handyside gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 7. Dezember 1976, Serie A, Nr. 24); der erste eigentliche Eigentumsfall wurde 1982 entschieden (EGMR, Sporong und Lönnroth gg Schweden, Urteil vom 23. September 1982, Serie A, Nr. 52). 54 Das nächste Urteil erging im Jahr 1986 (EGMR, James u.a. gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 21. Februar 1986, Serie A, Nr. 98). 55 137 Urteile ergingen zum Recht auf Eigentum im Jahr 2003; Quelle: http://www. echr.coe.int/Eng/EDocs/SUBJECTMATTER2003TABLE.pdf.

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4. Die Entwicklung des investitionsrechtlichen Eigentumsschutzes Während vor dem Zweiten Weltkrieg einzeln ausgehandelte Verträge zwischen Investor und Gastgeberstaat üblich waren,56 ist seither ein dichtes Netz bilateraler Investitionsschutzverträge (BIT)57 und Free Trade Agreements (FTAs) entstanden. Die Anzahl derartiger völkerrechtlicher Verträge hat sich seit den 1980er Jahren rasant erhöht. Derzeit wird die Anzahl der bilaterale Investitionsschutzverträge auf weit über 2500 geschätzt.58 Es handelt sich bei den BITS zwar um jeweils einen rechtlich selbständigen Vertrag. Die Verträge enthalten jedoch weitgehend ähnliche Normen. Insbesondere enthalten die meisten von ihnen eine Norm, wonach eine Enteignung nur in nicht diskriminierender Weise, im öffentlichen Interesse und gegen Entschädigung erfolgen darf und dabei die Grundsätze eines rechtsstaatlichen Verfahrens einzuhalten sind. Derartige Normen sind auch in regionalen Abkommen zum Schutz von Auslandsinvestitionen enthalten. Der Energy Charter Treaty (ECT)59 beschränkt sich auf Investitionen im Energiesektor und wurde zwischen einer Reihe von OECD Staaten und ehemaligen Ostblockstaaten abgeschlossen. NAFTA60 ist ein Freihandelsabkommen, das auch Bestimmungen zum Investitionsschutz enthält und den nordamerikanischen Kontinent umfasst. Die Annahme eines globalen Abkommens zum Schutz von Auslandsinvestitionen ist bisher gescheitert. Dies lag unter anderem daran, dass keine allgemein akzeptable Regelung im Bereich der regulativen Eigentumseingriffe zwischen jenen Staaten, die Investoreninteressen vertraten, und den Investitionsempfängerstaaten gefunden werden konnte. Durch die Globalisierung ist es jedoch auch zu einer Verschiebung der Interessen der Staaten im Bereich des Investitionsschutzes gekommen. Früher sehr investorenfreundliche Staaten sind vermehrt nicht nur Ursprung von Investitio___________ 56 Zur Entwicklung des Vertragsverhältnisses zwischen Investoren und Gaststaaten siehe z.B.: C. Schreuer, Paradigmenwechsel im Internationalen Investitionsrecht, in: W. Hummer (Hrsg.), Paradigmenwechsel im Völkerrecht zur Jahrtausendwende, 2002, 245 ff. 57 Siehe insbesondere: R. Dolzer/M. Stevens, Bilateral Investment Treaties, 1995. Der erste derartige Vertrag wurde 1959 zwischen Deutschland und Pakistan abgeschlossen. Ibid., S. 1. 58 Ende 2005 waren es knapp unter 2500 (UNCTAD, Bilateral Investment Treaties 1995-2006: Trends in Investment Rulemaking, 2007, S. 1). Über 1700 davon sind in Kraft (UNCTAD, Research Note, Recent developments in international investment agreements, 30 August 2005, UNCTAD/WEB/ITE/IIT/2005/1, S. 7). 59 Für einen Überblick über den Energy Charter Treaty siehe z.B.: C. Ribeiro (Hrsg.), Investment Arbitration and the Energy Charter Treaty, 2006. 60 32 ILM 1993, S. 605 ff.

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nen, sondern auch Empfänger von Auslandsinvestitionen und beklagte Partei in Investitionsschiedsverfahren. Als Reaktion darauf formulierten einige von ihnen in jüngeren Investitionsschutzverträgen Klauseln, die nur einen sehr engen Enteignungstatbestand im Bereich der indirekten Enteignungen aufwiesen. Andererseits kam es in den letzten Jahren vermehrt zu Auslandsinvestitionen durch Investoren aus Entwicklungsländern.61 Daher haben diese Staaten nunmehr ihrerseits Interesse an einem effektiven Schutz ihrer Investoren im Ausland. Im Investitionsschutz wurden bis in die 1960er Jahre Ansprüche privater Investoren in der Regel durch den Heimatstaat ad hoc im Wege der Ausübung diplomatischen Schutzes verfolgt. Da auf diplomatischen Schutz durch den Heimatstaat kein Rechtsanspruch besteht62 und dieser daher für Investoren meist keine ausreichende rechtliche Sicherheit bot, wurde ein System mit einem direkten Streitschlichtungsmechanismus zwischen Investoren und Gastgeberstaaten entwickelt. Zunächst wurde die Unterwerfung unter ein Schiedsgericht häufig in Verträgen zwischen Investoren und Gastgeberstaaten vereinbart. Später wurde diese Form der Streitbeilegung in zwischenstaatliche Investitionsschutzverträge mit entsprechenden Streitbeilegungsklauseln aufgenommen. Staaten, die derartige Verträge abschließen, sind dadurch nicht mehr vor das Dilemma gestellt, ihre Investoren zu schützen und damit ihre politischen und wirtschaftlichen Beziehungen mit Staaten, die in Investorenrechte eingreifen, zu gefährden. BITs und FTAs sehen im Fall von Enteignungen zum überwiegenden Teil einen Streitbeilegungsmechanismus in Form von Investitionsschiedsgerichtsbarkeit direkt zwischen Investor und Gastgeberstaat vor. Die Schiedsklausel kann sich auf eine bestehende Schiedsordnung (z.B. UNCITRAL rules) oder auf eine bestehende Schiedseinrichtung beziehen. Das International Centre for Settlement of Investment Disputes (ICSID)63 wurde zu diesem Zweck von der Weltbank als Einrichtung zur Administration von Schiedsverfahren geschaffen.64 143 Staaten hatten Anfang 2007 die ICSID-Konvention ratifiziert.65 Viele der oben genannten BITs enthalten eine Schiedsklausel, die eine Zuständigkeit eines Schiedsgerichts nach den Regeln der ICSID-Konvention begründet. Ebenso wie die Anzahl der Investitionsschutzverträge hat in den letzten Jahren auch die Anzahl der Schiedssprüche im Bereich der Investitionsschiedsge___________ 61 H. Christiansen/A. Bertrand, Trends and Recent Developments in Foreign Direct Investment, in: OECD (Hrsg.), International Investment Perspectives, 2005, S. 11, 13. 62 Siehe oben, FN 25. 63 Dazu siehe: C. Schreuer, The ICSID Convention: A Commentary, 2001. 64 In Frage kommen aber auch andere Einrichtungen wie etwa die International Chamber of Commerce (ICC) in Paris. 65 http://www.worldbank.org/icsid/constate/c-states-en.htm.

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richtsbarkeit erheblich zugenommen. Von 1966 bis 1993 kam es lediglich zu 27 Verfahren nach der ICSID-Konvention. Im Jänner 2007 waren über 100 Fälle anhängig.66

II. Ziel, Gegenstand und Methode der Untersuchung Im Zentrum der Arbeit steht ein Vergleich des menschenrechtlichen und des investitionsrechtlichen Eigentumsschutzes an Hand der Praxis der internationalen Rechtsprechung. Da die Entwicklung in beiden Rechtsbereichen weitgehend voneinander unbeachtet von statten ging, wird untersucht, inwieweit ähnliche Konzepte zur Frage, ob ein entschädigungspflichtiger Eigentumseingriff vorliegt, entwickelt wurden. Dabei zeigt sich, dass im Bereich des Eigentumsschutzes eine Fragmentierung im internationalen Recht aufgetreten ist. Zwischen menschenrechtlichem- und investitionsrechtlichem Eigentumsschutz bestehen wesentliche Unterschiede. Nicht nur der Schutzbereich in den beiden untersuchten Rechtsbereichen unterscheidet sich. Auch die Methoden, mit denen festgestellt wird, ob ein entschädigungspflichtiger Eigentumseingriff vorliegt, weichen erheblich voneinander ab. Sofern unterschiedliche Lösungen für ähnliche Problemstellungen in den beiden Rechtsbereichen festgestellt werden, wird untersucht, ob dies angesichts der jeweils verschiedenen Rahmenbedingungen sinnvoll ist. Schließlich wird untersucht, ob es möglich ist, zielführend Lösungsansätze aus dem Menschenrechtsschutz im Investitionsrecht zu verwenden. Dies gilt vor allem für die Frage der Abgrenzung zwischen regulativen nicht entschädigungspflichtigen Eigentumseingriffen und regulativen Enteignungen. Diesem Problem kommt zurzeit eine große Bedeutung zu. Es wird auch in Hinkunft Anlass zu Rechtsstreitigkeiten geben. Dies insbesondere, weil zu erwarten ist, dass das Spannungsverhältnis zwischen Menschenrechtsschutz, Umweltschutz und Investitionsschutz im Zuge der Globalisierung und den damit verbundenen Diskussionen immer wieder Bedeutung erlangen wird.67 Ein wesentliches Ergebnis der vorliegenden Arbeit ist, dass eine Übernahme von Methoden aus dem menschenrechtlichen Eigentumsschutz im Investitionsschutz einen besseren Interessenausgleich zwischen staatlichem Regelungsinteresse und dem Interesse der Individuen am Eigentumsschutz ermöglichen und zudem die Fragmentierung zwischen den beiden Rechtsbereichen verringern könnte. ___________ 66

http://www.worldbank.org/icsid/cases/pending.htm. Siehe dazu z.B.: U. Kriebaum, Privatizing Human Rights – The Interface between International Investment Protection and Human Rights, in: A. Reinisch/U. Kriebaum (Hrsg.), The Law of International Relations – Liber Amicorum Hanspeter Neuhold, 2007, 165–189. 67

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Einleitung

Zur Untersuchung werden sowohl die Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu Artikel 1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK68 als auch Schiedssprüche, die aufgrund von bilateralen Investitionsschutzverträgen, Art. 1110 NAFTA, Art. 13 Energy Charter Treaty und nationalen Investitionsschutzgesetzen oder Ad-hoc-Vereinbarungen ergangen sind, herangezogen. Entscheidungen des Iran-US-Claims-Tribunals69 und sonstiger Schiedsgerichte, in denen Individuen unmittelbar Staaten gegenüber standen, sowie des IAGMR70 wurden nur soweit berücksichtigt, als sie Einfluss auf die Tätigkeit von Investitionsschiedsgerichten genommen haben. Auf die Judikate in zwischenstaatlichen Verfahren wird nur dann Bezug genommen, wenn sie für die unmittelbar untersuchte Frage bedeutende Prinzipien entwickelt haben. In einem ersten Teil der Arbeit wird der Frage des Schutzobjekts der völkerrechtlichen Normen zum Schutz des Eigentums nachgegangen. Hierbei ist klar, dass aufgrund der unterschiedlichen Aufgabenstellungen im Investitionsschutz und im Menschenrechtsschutz Differenzen auftreten müssen. Einerseits werden die Unterschiede im Schutzbereich der beiden Eigentumsschutzsysteme beleuchtet. Andererseits wird gezeigt, dass es auch beträchtliche Überschneidungen der Schutzbereiche gibt.

___________ 68

Dazu siehe z.B.: K. Gelinsky, Der Schutz des Eigentums gemäß Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention, 1996; W. Peukert, Artikel 1 des 1. ZP, in: J. A. Frowein/W. Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK Kommentar², 1996, 763-827; P. Mittelberger, Der Eigentumsschutz nach Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur EMRK im Lichte der Rechtsprechung der Strassburger Organe, 2000; A. van Rijn, Right to the Peaceful Enjoyment of One’s Possessions (Article 1 of Protocol No. 1), in: P. van Dijk u.a. (Hrsg.), Theory and Practice of the European Convention on Human Rights4, 2006, 863-893; C. Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention3, 2008, Kapitel 25, Wirtschaftliche Grundrechte, I. Eigentumsgarantie. 69 Siehe dazu z.B.: A. Mouri, The International Law of Expropriation as Reflected in the Work of the Iran-United States Claims Tribunal, 1994; C. N. Brower/J. D. Brueschke, The Iran-United States Claims Tribunal, 1998; R. B. Lillich/D. B. Magraw, (Hrsg.) The Iran-United States Claims Tribunal: Its Contribution to the Law of State Responsibility, 1998; G. H. Aldrich, The Jurisprudence of the Iran-United States Claims Tribunal, 1996; G. H. Aldrich, What Constitutes a Compensable Taking of Property? The Decisions of the Iran-United States Claims Tribunal, 88 AJIL 1994, 585–610; M. Pellonpää/M. Fitzmaurice, Taking of Property in the Practice of the Iran-United States Claims Tribunal, 19 NYIL 1988, 53. 70 Zur Funktionsweise des Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte siehe z.B.: J. M. Pasqualucci, The Practice and Procedure of the Inter-American Court of Human Rights, 2003; T. B. Buergenthal/D. Shelton, Protecting Human Rights in the Americas, Cases and Materials4, 1995; S. Davidson, The Inter-American Court of Human Rights, 1992.

Einleitung

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Die Frage der Eingriffstatbestände gewinnt zunehmend an Bedeutung. Der zweite Teil der Arbeit analysiert daher erstens, welche Eingriffstatbestände in Eigentumsrechte in den beiden Rechtsbereichen eine Entschädigungspflicht auslösen können. Zweitens wird untersucht, wie in den beiden Rechtsbereichen jeweils festgestellt wird, ob ein entschädigungspflichtiger Eingriff vorliegt. Es werden jene Punkte aufgezeigt, die beim derzeitigen Entscheidungsprozess zu Problemen führen. Ferner wird analysiert, wie es besser gelingen könnte, einen Ausgleich zwischen einander widersprechenden staatlichen und individuellen Interessen im Hinblick auf den Eigentumsschutz zu erzielen. Ein dritter Teil ist den Konsequenzen eines einmal festgestellten Eingriffes gewidmet. Sowohl im Menschenrechtsbereich als auch im Investitionsschutz bedeutet dies, zunächst zu analysieren, unter welchen Voraussetzungen beim derzeitigen Stand der Judikatur Eingriffe in das Eigentumsrecht als zulässig beurteilt werden. Darüber hinaus gilt es die Konsequenzen von rechtswidrigen und rechtmäßigen Eingriffen zu untersuchen. Dies betrifft insbesondere die Frage, in welchen Konstellationen Schadenersatz oder eine Entschädigung zu leisten ist. Weiters soll die Frage behandelt werden, inwieweit es möglich und sinnvoll wäre, Bewertungsmodelle des einen Systems für das andere System nutzbar zu machen. Individuen haben ein Interesse am Schutz ihres Eigentums, Staaten an der Möglichkeit, aus öffentlichem Interesse entschädigungslos Eingriffe in Eigentumsrechte zu machen. Im vierten Teil der Arbeit wird erläutert, wie ein Abwägungsprozess ausgestaltet sein müsste, damit ein besserer Ausgleich zwischen diesen einander widersprechenden Interessen von Individuen und Staaten gelingt. Die geschichtliche Entwicklung des Eigentumsschutzes steht nicht im Vordergrund der Untersuchung und soll daher nur im absolut notwendigen Umfang berücksichtigt werden.71 Das sehr umfangreiche Schrifttum zu Fragen des völkerrechtlichen Enteignungsrechts soll ebenfalls nur insofern Berücksichtigung finden, als es zur Analyse der Judikatur erforderlich ist. Es werden in der vorliegenden Arbeit keineswegs alle Fragen behandelt, die sich im Zusammenhang mit Problemen der Enteignung im Völkerrecht stellen. So werden etwa die Berechnung von Entschädigung und Schadenersatz, die als Folge von rechtmäßigen bzw. unrechtmäßigen Enteignungen zu leisten sind, nicht untersucht.72 ___________ 71 Siehe dazu z.B.: R. Dolzer, Eigentum, Enteignung und Entschädigung im geltenden Völkerrecht 1985, S. 13-34 m.w.N. 72 Dazu siehe z.B.: W. C. Lieblich, Determinations by International Tribunals of the Economic Value of Expropriated Enterprises, 7 Journal of International Arbitration 1990, 37–76; W. C. Lieblich, Determining the Economic Value of Expropriated IncomeProducing Property in International Arbitration, 8 Journal of International Arbitration 1991, 59–80; W. R. Reisman/R. D. Sloane, Indirect Expropriation and its Valuation in

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Einleitung

Auch die vor allem für die Berechnung der Entschädigung von Enteignungen bedeutsame Frage des Zeitpunkts der Enteignung wird in der Untersuchung nicht behandelt. Ein weiterer Aspekt, der einer nachfolgenden Arbeit vorbehalten bleiben muss, ist der Aspekt der Zurechnung von Handlungen zum Staat. Hier ist im Investitionsschutz vor allem von großer praktischer Bedeutung, ob und inwieweit staatliche Infrastrukturgesellschaften den Staaten zugerechnet werden können. Nicht näher eingegangen wird im Rahmen dieser Arbeit ferner auf die Frage nach den philosophischen Grundlagen des menschenrechtlichen Eigentumsschutzes. Die Beantwortung dieser Frage würde eine Erörterung und Diskussion konzeptueller und philosophischer Fundamente der Menschenrechte erfordern und sollte vom Umfang und der Komplexität der Materie her den Gegenstand einer eigenen Untersuchung bilden.73

___________ the BIT Generation, 74 BYIL 2003, 115–150; I. Marboe, Compensation and Damages in International Law, The Limits of „Fair Market Value“, 7 The Journal of World Investment 2006, 725–759. 73 Siehe dazu z.B.: A. R. Çoban, Protection of Property Rights within the European Convention on Human Rights, 2004, 9–120; L. Henkin, The Rights of Man Today, 1979; R. Bilder, Rethinking International Human Rights: Some Basic Questions, 11 HRJ 1969, 557–607; M. McDougal, Human Rights and World Public Order; Principles of Content and Procedure for Clarifying General Community Policies, 14 Virginia Journal of International Law 1974, 387–421.

1. Teil

Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff Vor einer Auseinandersetzung mit Eingriffen in Eigentumsrechte und den Rechtsfolgen, die sich an diese knüpfen, ist es nötig, sich mit dem Schutzgut und dessen Definition zu beschäftigen. Nur so ist es möglich, die Grenzen der Schutzwirkung des menschenrechtlichen und investitionsrechtlichen Eigentumsschutzes zu bestimmen. Sowohl der menschenrechtliche als auch der investitionsrechtliche Eigentumsschutz basieren auf völkerrechtlichen Normen. Deshalb können die innerstaatlichen Eigentumsbegriffe (vor allem die privatrechtlichen) der einzelnen Staaten nicht einfach übernommen werden. Bereits innerhalb einer nationalen Rechtsordnung ist man mit zumindest drei verschiedenen Eigentumsbegriffen konfrontiert: einem privatrechtlichen, einem strafrechtlichen und einem verfassungsrechtlichen. Diese innerstaatlichen Eigentumsbegriffe und ihre Grenzen sind in den einzelnen Staaten keineswegs einheitlich. Dass nicht einmal in Europa ein einheitlicher privatrechtlicher Eigentumsbegriff besteht, haben unter anderem die Untersuchungen Çobans ergeben.1 Dolzer2 kam nach einer umfassenden Untersuchung von Völkergewohnheitsrecht, Völkervertragsrecht und allgemeinen Rechtsgrundsätzen zum Ergebnis, dass das Völkerrecht einen eigenen Eigentumsbegriff enthält, den es aus den nationalen Rechtsordnungen rezipiert hat und der im Grundsatz alle vermögenswerten Rechtspositionen Privater umfasst. […] soweit sich aus dem Wortlaut sowie aus dem Sinn und Zweck eines Vertrages nichts anderes ergibt, wird der Eigentumsbegriff auch in völkerrechtlichen Verträgen in dieser Weise zu verstehen sein.3

Der Eigentumsbegriff, auf den Dolzer sich hier bezieht, ist ein völkerrechtlicher, dem in den nationalen Rechtsordnungen die jeweiligen verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffe am nächsten kommen, nicht jedoch privatrechtliche oder strafrechtliche. Velu und Ergec4 haben unter anderem darauf hingewiesen, ___________ 1

Siehe z.B.: A. R. Çoban, Protection of Property Rights within the European Convention on Human Rights, 2004, S. 10 ff. m.w.N. 2 R. Dolzer, Eigentum, Enteignung und Entschädigung im geltenden Völkerrecht 1985, S. 149 ff., 171. 3 Ibid., S. 171. 4 J. Velu/R. Ergec, La Convention européenne des droits de l’homme, 1990.

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1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

dass der Eigentumsbegriff der EMRK ein völkerrechtlicher und nicht der den nationalen Privatrechten gewöhnlich zugrunde liegender sei: Le terme „propriété“ est pris ici dans l’acception large qu’il revêt en droit international, et non dans le sens étroit qu’il reçoit en général dans le droit civil.5

Dieser Ansatz hat für die vorliegende Arbeit deshalb seine Berechtigung, weil sowohl im Menschenrechtsschutz als auch im internationalen Investitionsschutz das Verhältnis eines Individuums oder einer juristischen Person zu einem Staat und nicht die rechtliche Beziehung von zwei oder mehreren Individuen zueinander geregelt ist. Wenn in der Folge in dieser Arbeit von Eigentum die Rede sein wird, kann vorausgeschickt werden, dass dies im Sinne dieses weiten völkerrechtlichen Begriffs zu verstehen ist. Basierend auf der von Dolzer gewonnenen allgemeinen Definition soll im Folgenden in induktiver Weise die Praxis von Menschenrechtsgerichten und Investitionsschiedsgerichten untersucht werden. Ziel dieses Kapitels ist es, festzustellen, ob und inwieweit sich der Schutzbereich in den beiden Rechtsbereichen deckt. Je größer die Übereinstimmung der Schutzbereiche ist, desto eher ist eine Übertragung von methodischen Ansätzen von einem Eigentumsschutzsystem auf das andere möglich. Wenn den beiden Eigentumsschutzsystemen gänzlich verschiedene Schutzbereiche zugrunde lägen, wäre es fraglich, ob sich in einem System bewährte Methoden auch auf das andere übertragen lassen.

A. Allgemeines I. Das Schutzobjekt im Menschenrechts- und im Investitionsschutz Der grundlegende Unterschied zwischen Menschenrechts- und Investitionsschutz besteht darin, dass im ersten Fall „Eigentum“, im zweiten Fall eine „Investition“ das geschützte Gut ist. Die beiden Begriffe werden im Folgenden erörtert.

___________ 5 Ibid., S. 676. I.d.S. auch J. Raymond, L’article 1 du Protocole additionnel et les rapports entre particuliers, in: F. Matscher/H. Petzold (Hrsg.), Protecting human rights: the European dimension, studies in honour of Gérard J. Wiarda, 1988, S. 533.

A. Allgemeines

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1. Menschenrechtsschutz Die materielle Eigentumsgarantie der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) findet sich in deren Artikel 1 des 1. Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention.6 Dieser regelt den Eigentumsschutz in folgender Weise:7 Every natural or legal person is entitled to the peaceful enjoyment of his possessions. No one shall be deprived of his possessions except in the public interest and subject to the conditions provided for by law and by the general principles of international law. The preceding provisions shall not, however, in any way impair the right of a State to enforce such laws as it deems necessary to control the use of property in accordance with the general interest or to secure the payment of taxes or other contributions or penalties. Toute personne physique ou morale a droit au respect de ses biens. Nul ne peut être privé de sa propriété que pour cause d’utilité publique et dans les conditions prévues par la loi et les principes généraux du droit international. Les dispositions précédentes ne portent pas atteinte au droit que possèdent les Etats de mettre en vigueur les lois qu’ils jugent nécessaires pour réglementer l’usage des biens conformément à l’intérêt général ou pour assurer le paiement des impôts ou d’autres contributions ou des amendes.8

In Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK wird in Absatz 1 „peaceful enjoyment of possession“ und „deprivation of possession“ verwendet, in Absatz 2 der Terminus „property“. Im Französischen werden die Begriffe „biens“ in Absatz 1 Satz 1 (Recht auf Achtung des Eigentums) und Absatz 2 verwendet (Nutzungsregelung), „propriété“ hingegen in Absatz 1 Satz 2 (Enteignung). Der Europäische Gerichthof für Menschenrechte (EGMR) hat bereits in den Urteilen Handyside9 und Marckx10 klargestellt, dass er den unterschiedlichen Ausdrücken keine differenzierte Bedeutung beimisst: By recognising that everyone has the right to the peaceful enjoyment of his possessions, Article 1 (P1-1) is in substance guaranteeing the right of property. This is the

___________ 6

Im Folgenden: Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK. Zur Entstehungsgeschichte siehe z.B.: K. Böckstiegel, Die allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts über Eigentumsentziehung, 1963, S. 11 ff.; L. G. Weil, The European Convention on Human Rights: Background, Development and Prospects, 1963, S. 21 ff., 180–183; R. Dolzer, Eigentum, Enteignung und Entschädigung im geltenden Völkerrecht, 1985, S. 94 ff.; A. R. Çoban, Protection of Property Rights within the European Convention on Human Rights, 2004, S. 127 ff. 8 Hervorhebung durch die Autorin. 9 EGMR, Handyside gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 7. Dezember 1976, Serie A, Nr. 24, § 62. 10 EGMR, Marckx gg Belgien, Urteil vom 13. Juni 1979, Serie A, Nr. 31. 7

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1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff clear impression left by the words “possessions” and “use of property” [in French: “biens”, “propriété”, “usage des biens”); the “travaux préparatoires”, for their part, confirm this unequivocally: the drafters continually spoke of “right of property” or “right to property” to describe the subject-matter of the successive drafts which were the forerunners of the present Article 1 (P1-1). Indeed, the right to dispose of one’s property constitutes a traditional and fundamental aspect of the right of property (…)11

Satz 1 räumt jeder Person ein Recht auf Achtung ihres Eigentums ein; Satz 2 und Absatz 2 enthalten nähere Ausführungen zu unterschiedlichen staatlichen Eingriffsformen. Die Norm enthält jedoch keine nähere Definition des geschützten Rechtes. Eine nähere Abgrenzung bleibt daher der Judikatur der Straßburger Organe vorbehalten. Diese haben in ihrer bisherigen Rechtsprechung eine Definition dessen, was Eigentum ist, vermieden und ihrer Judikatur einen weiten Eigentumsbegriff zugrunde gelegt.12 Die Amerikanische Menschenrechtskonvention (AMRK) enthält in Artikel 21 ebenfalls eine Norm zum Schutz des Eigentumsrechts: Article 21. Right to Property 1. Everyone has the right to the use and enjoyment of his property. The law may subordinate such use and enjoyment to the interest of society. 2. No one shall be deprived of his property except upon payment of just compensation, for reasons of public utility or social interest, and in the cases and according to the forms established by law. Artículo 21. Derecho a la Propriedad Privada 1. Toda persona tiene derecho al uso y goce de sus bienes. La ley puede subordinar tal uso y goce al intereés social. 2. Ninguna persona puede ser privada de sus bienes, excepto mediante el pago de indemnización justa, por razones de utilidad pública o de interés social y en los casos y según las formas establecidas par la ley.

Der Aufbau des Artikels 21 AMRK ist klarer als der von Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK. Zudem normiert er in Absatz 2 das Erfordernis einer Entschädigung für die Rechtmäßigkeit des Entzugs ausdrücklich. Die Konvention enthält ebenso wie ihr europäisches Pendant keine Definition des Eigentumsbegriffs. Der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte (IAGMR) definierte im Unterschied zum EGMR in zwei Urteilen den Begriff „Eigentum“ abstrakt.

___________ 11

Ibid., § 63. W. Peukert, Der Schutz des Eigentums nach Art. 1 des ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention, 8 EuGRZ 1981, 97–114, S. 100. 12

A. Allgemeines

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Im Ivcher Bronstein Case13 hielt er fest: “Property” may be defined as those material objects that may be appropriated, and also any right that may form part of a person’s patrimony; this concept includes all moveable and immovable property; corporal and incorporal elements, and any other intangible object of any value.14

Ganz ähnlich seine Ausführungen in Awas Tingni Community15, wo er unter Bezugnahme auf Ivcher Bronstein ausführt: “Property” can be defined as those material things which can be possessed, as well as any right which may be part of a person’s patrimony; that concept includes all movables and immovables, corporal and incorporal elements and any other intangible object capable of having value.16

Der Interamerikanische Menschenrechtsgerichtshof versteht unter Eigentum daher alle Gegenstände, die besessen werden können, und alle vermögenswerten Rechte. Somit sind sowohl körperliche als auch immaterielle Rechte und jegliches andere Objekt, das einen Wert hat, umfasst. Schutzgut des menschenrechtlichen Eigentumsschutzes ist daher in beiden untersuchten regionalen Menschenrechtskonventionen „property“ (Eigentum). Wie gezeigt werden wird, legen beide Menschenrechtsgerichte diesen Terminus weit aus. Ihrer Judikatur liegt daher ein weiter Eigentumsbegriff zugrunde. Sowohl bei der EMRK als auch bei der AMRK sind die materiellen Garantien und das Streitbeilegungsverfahren in einem Vertrag festgelegt.17 Eigentum ist daher nicht nur Schutzobjekt, sondern sein Vorliegen ist auch Jurisdiktionsvoraussetzung. Wenn einer der Gerichtshöfe das Vorliegen von Eigentum verneint, fehlt es ihm zugleich auch an der Jurisdiktion ratione materiae im Hinblick auf das geschützte Recht.

2. Investitionsschutz Die Ausgangssituation bei Investitionsschiedsgerichten unterscheidet sich in mehreren Aspekten von jener der Gerichtshöfe zum Schutz der Menschenrechte. Abgesehen vom Iran-US-Claims Tribunal (IUSCT) ist im internationalen Investitionsschutz im Unterschied zum Menschenrechtsschutz nicht Eigentum ___________ 13

IAGMR, Ivcher Bronstein v. Peru , Urteil vom 6. Februar 2001, Series C No. 74. Ibid., § 122. 15 IAGMR, The Case of the Mayagna (Sumo) Awas Tingni Community v. Nicaragua, Urteil vom 31. August 2001. 16 Ibid., § 144. 17 Art 33 ff. EMRK und Art 33 ff. AMRK regeln den Streitbeilegungsmechanismus. 14

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1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

per se das Schutzobjekt, sondern eine Investition.18 So enthält beispielsweise der bilaterale Investitionsschutzvertrag (BIT) zwischen Österreich und Indien folgende Formulierung: ___________ 18

Siehe z.B.: Art. 1110 North American Free Trade Agreement (NAFTA): No Party may directly or indirectly nationalize or expropriate an investment of an investor of another Party in its territory or take a measure tantamount to nationalization or expropriation of such an investment (‘expropriation’), except …; (Hervorhebung durch die Autorin). Art 13 Energy Charter Treaty (ECT) : ARTICLE 13 EXPROPRIATION (1) Investments of Investors of a Contracting Party in the Area of any other Contracting Party shall not be nationalized, expropriated or subjected to a measure or measures having effect equivalent to nationalization or expropriation (hereinafter referred to as “Expropriation”) except where such Expropriation is: … (Hervorhebung durch die Autorin). Artikel 5 Tschechien/Niederlande BIT: Article 5: Neither Contracting Party shall take any measures depriving, directly or indirectly, investors of the other Contracting Party of their investment unless the following conditions are complied with: ... (Hervorhebung durch die Autorin). Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/czech_netherlands.pdf. Artikel III (1) US/Tschechien BIT: ARTICLE III 1. Investments shall not be expropriated or nationalized either directly or indirectly through measures tantamount to expropriation or nationalization (“expropriation”) except: … (Hervorhebung durch die Autorin). Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/czech_us.pdf. Artikel IV(1) US/Argentinien BIT: Article VI(1): Investments shall not be expropriated or nationalized either directly or indirectly through measures tantamount to expropriation or nationalization (“expropriation”) except: … (Hervorhebung durch die Autorin). Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/argentina_us.pdf. Artikel 5 Republic of Korea/Kamboscha BIT: ARTICLE 5 Expropriation: (1) Investments of investors of one Contracting Party shall not be nationalized, expropriated or otherwise subjected to any other measures having effect equivalent to nationalization or expropriation (hereinafter referred to as “expropriation”) in the territory of the other Contracting Party except for … (Hervorhebung durch die Autorin). Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/korea_cambodia.pdf. Artikel 4 Marokko/Tschad BIT: Article 4 (1): Les mesures de nationalisation, d’expropriation ou toute autre mesure ayant le même effet ou le même caractère qui pourraient être prises par les autorités de l’une des Parties Contractantes à l’encontre des investissements effectués par des investisseurs de l’autre Partie ….

A. Allgemeines

49

Article 4 Compensation Investments of investors of either Contracting Party shall not be expropriated in the territory of the other Contracting Party except for …19

Das Vorliegen einer Investition ist für den investitionsrechtlichen Eigentumsschutz in zweifacher Weise bedeutsam: Einerseits ist das Schutzobjekt des internationalen Investitionsschutzes eine Investition. Andererseits ist das Vorliegen einer Investition Jurisdiktionsvoraussetzung für die Zuständigkeit von Investitionsschiedsgerichten.20 Nur wenn beide Aspekte vorliegen, ist das von ___________ (Hervorhebung durch die Autorin). Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/morroc_chad_fr.pdf Artikel 5 Ungarn/Russland BIT: Article 5 Expropriation: 1. Investments of investors of one Contracting Party shall not be nationalised, expropriated or subjected to other measures having effect equivalent to nationalisation or expropriation (hereinafter referred to as ‘expropriation’) in the territory of the other Contracting Party except for …. (Hervorhebung durch die Autorin). Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/hungary_russia.PDF. Zum Investitionsbegriff in der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit siehe u.a.: C. Schreuer, The ICSID Convention: A Commentary, 2001, S. 121 ff.; N. Rubins, The Notion of „Investment“ in International Investment Arbitration, in: N. Horn (Hrsg.), Arbitrating Foreign Investment Disputes, 2004, S. 283 ff.; F. Yala, The Notion of ‚Investment’ in ICSID Case Law: a Drifting Jurisdictional Requirement? Some „UnConventional“ Thoughts on Salini, SGS & Mihaly, 1 TDM issue 4, October 2004; S. Manciaux, Investissements étrangers et arbitrage entre États et ressortissants d’autres États, 2004, S. 37 ff.; W. Ben Hamida, The Mihaly v. Sri Lanka Case: Some Thoughts relating to the status of pre-investment expenditures, in: T. Weiler (Hrsg.), International Investment Law and Arbitration – Leading Cases from the ICSID, NAFTA, Bilateral Treaties and Customary International Law, 2005, 47–76; T. Wälde, The Serbian Loans Case: A Precendent for Investment Treaty Protection of Foreign Debt?, in: T. Weiler (Hrsg.), International Investment Law and Arbitration – Leading Cases from the ICSID, NAFTA, Bilateral Treaties and Customary International Law, 2005, 383-423. 19 BGBl. III Nr. 27 vom 31. Jänner 2001. 20 Für den jurisdiktionellen Aspekt ist Artikel 25 der ICSID Konvention (Convention on the Settlement of Investment Disputes between States and Nationals of other States, UNTS, 575 (1966), S. 159; ILM, 4 (1965) S. 532.) typisch. Dieser sieht vor, dass nur für Streitigkeiten „arising directly out of an investment“ Jurisdiktion gegeben ist. Die Konvention enthält aber selbst keine Definition des Begriffs der Investition. Von Schreuer (C. Schreuer, The ICSID Convention: A Commentary, 2001, S. 140) wurde eine Liste typischer Investitionscharakteristika entwickelt, die von einer Reihe von Schiedsgerichten übernommen wurde. Die einzelnen Kriterien sind jedoch interdependent und sollten daher in einer Zusammenschau analysiert werden. Diese Kriterien sind aber nur dafür relevant, ob ein Schiedsgericht Jurisdiktion aufgrund der ICSID Konvention hat. Maßgeblich dafür muss die gesamte Tätigkeit des Investors sein, und nicht nur der Klagsgegenstand eines konkreten Verfahrens. Diese Liste umfasst folgende Kriterien: 1. Vertragsdauer, 2. Gewinn und Einkünfte,

50

1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

einem Eingriff betroffene Recht vom internationalen Investitionsschutz sowohl materiell als auch prozedural umfasst. Bei mangelnder Zuständigkeit der Schiedsgerichte, weil keine „Investition“ im Sinne der Jurisdiktionsvoraussetzungen vorliegt, hat der Investor zwar möglicherweise materielle Ansprüche, kann diese aber nicht selbständig durchsetzen. Zwar ist in derartigen Situationen die Ausübung von diplomatischem Schutz durch seinen Heimatstaat denkbar, jedoch besteht darauf kein Rechtsanspruch.21 Für die Frage nach dem Schutzobjekt kommt es ausschließlich auf den materiellrechtlichen Aspekt an. Nur auf diesen wird im Weiteren eingegangen. ___________ 3. Risiko, das mit der Transaktion verbunden ist, 4. substantieller Einsatz, 5. Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung des Gaststaates. Siehe z.B.: Fedax N.V. v. Venezuela, (The Netherlands/Venezuela BIT), Decision on Jurisdiction, 11 July 1997, 5 ICSID Reports 186, § 43; Ceskoslovenska Obchodni Banka, A.S. v. The Slovak Republic, (Czech Republic/Slovak Republic BIT), Decision on Jurisdiction, 24 May 1999, 5 ICSID Reports 335, §§ 63-91; Salini Costruttori S.p. A and Italstrade S.p. A. v. Morocco, (Italy/Morocco BIT), Decision on Jurisdiction, 23 July 2001, 6 ICSID Reports 400, §§ 52, 53; SGS v. Pakistan, Decision on Jurisdiction, 6 August 2003, 8 ICSID Reports 406, § 133, FN 113; Joy Mining Machinery Limited v. The Arab Republic of Egypt, (United Kingdom/Egypt BIT), Award on Jurisdiction, 6 August 2004, 19 ICSID Review-Foreign Investment Law Journal (2004) 486, §§ 53, 57, 62; AES Corporation v. Argentina, (US/Argentina BIT), Decision on Jurisdiction, 26 April 2005, 12 ICSID Reports 312, § 88; Bayindir Insaat Turizm Ticaret ve Sanayi A.ù. v. Islamic Republic of Pakistan, (Turkey/Pakistan BIT), Decision on Jurisdiction, 14 November 2005, http://ita.law.uvic.ca/documents/Bayindr-jurisdiction.pdf, §§ 130–138; Patrick Mitchell v. Democratic Republic of the Congo, (US/Democratic Republic of Congo BIT), Decision on the Application for Annulment of the Award, 1 November 2006, http://ita.law.uvic.ca/documents/mitchellannulment.pdf, §§ 27–47; Malaysian Historical Salvors Sdn, Bhp v. Malaysia, (UK/Malaysia BIT), Decision on Jurisdiction, 17 May 2007, http://ita.law.uvic.ca/documents/MHS-jurisdiction.pdf, §§ 43–45, 48–147. 21 Siehe dazu Artikel 2 der ILC Draft articles on Diplomatic Protection aus 2006. Article 2 Right to exercise diplomatic protection A State has the right to exercise diplomatic protection in accordance with the present draft articles. Im Kommentar zu den ILC Draft articles on Diplomatic Protection (http://un treaty.un.org/ilc/texts/instruments/english/commentaries/9_8_2006.pdf) wird unter Bezugnahme auf das Urteil des IGH in Barcelona Traction (Barcelona Traction, Light and Power Co., Ltd (Belgien gg Spanien), Urteil vom 5. Februar 1970, ICJ Reports 3 (1970) 4, S. 44) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich hierbei um ein Recht des Staates und nicht um eine Verpflichtung handelt: (2) A State has the right to exercise diplomatic protection on behalf of a national. It is under no duty or obligation to do so. … (S. 29). In Artikel 19 der Draft Articles wird den Staaten jedoch nahegelegt, zumindest bei schwerwiegenden Schäden die Ausübung des diplomatischen Schutzes ernsthaft in Erwägung zu ziehen. (Siehe dazu den Kommentar S. 94 ff.).

A. Allgemeines

51

Investitionen können aufgrund folgender unterschiedlicher Rechtsgrundlagen geschützt sein: –

Abkommen zwischen Investoren und Gastgeberstaaten,



nationale Investitionsschutzgesetze,



bilaterale völkerrechtliche Investitionsschutzverträge (BIT),



regionale/multilaterale (MIT)



Völkergewohnheitsrecht.

völkerrechtliche

Investitionsschutzverträge,

Der jeweiligen Rechtsgrundlage ist zu entnehmen, was im konkreten Fall als geschützte Investition in Betracht kommt. Der Investitionsbegriff nationaler Gesetze ist von seiner Reichweite durchaus unterschiedlich und teilweise sehr breit.22 Zum Teil wird ausdrücklich auf jegliches investierte Eigentumsrecht verwiesen. Ein Beispiel für eine derartige Lösung bietet das Investitionsschutzgesetz von Estland: §2 Foreign Investment Act 1991 of Estonia: For the purposes of this Act, a foreign investment is any class of property or proprietary rights, including intellectual property, which a foreign investor invests in an enterprise located in the Republic of Estonia.23

Eine andere Möglichkeit ist, dass beispielhaft diverse Vermögenswerte aufgelistet werden, die geschützt sind, wenn sie Teil einer Investition sind.24 Typisch für eine derartige Lösung ist das Investitionsschutzgesetz von Turkmenistan: Article 1. Foreign investment By foreign investment there are meant all kinds of property and intellectual values, which are invested by foreign investors into the object of entrepreneurial and other activities on the territory of Turkmenistan in the form of: – foreign currency, other currency values, currency valid on the territory of Turkmenistan;

___________ 22 A. R. Parra, The Scope of new Investment Laws and International Instruments, in: E. Pritchard (Hrsg.), Economic Development, Foreign Investment and the Law, 1996, S. 32; M. M. Al-Sharmani, National Investment Codes of Developing Countries, 2000, S. 52 ff. 23 Quelle: http://www.legaltext.ee/en/andmebaas/ava.asp?m=022. 24 Siehe: A. R. Parra, The Scope of new Investment Laws and International Instruments, in: E. Pritchard (Hrsg.), Economic Development, Foreign Investment and the Law, 1996, S. 31 ff; M. M. Al-Sharmani, National Investment Codes of Developing Countries, 2000, S. 52 ff.

52

1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff – personal and real property (buildings, constructions, equipment and other material values) and property rights related to them; – shares, bonds, other securities or forms of participation in enterprises; – money requirements or rights of requirements of contract obligations execution, which are of value; – any rights of intellectual property having value, including copyrights, rights on inventions, trade marks, firm names, industrial samples, „know-how“ and others; – right on economic activities, including exploration, extraction, output of mine or exploitation of natural resources, received by Law or agreement; – paid services; 25

– other kinds of investments not prohibited by the legislation of Turkmenistan.

Bilaterale Investitionsschutzverträge enthalten ebenfalls mit wenigen Ausnahmen Investitionsdefinitionen.26 Nach 1990 abgeschlossene Verträge ähneln einander weitgehend und enthalten in der Regel einen sehr weiten Investitionsbegriff.27 Zunächst wird typischerweise festgestellt, dass der Begriff „Investition“ alle Vermögenswerte umfasst. Anschließend werden häufig fünf Gruppen, die üblicherweise folgende Kategorien umfassen, als illustrative Beispiele angeführt:28

___________ 25 Quelle: http://faolex.fao.org/docs/texts/tuk42557.doc. ebenfalls auffindbar unter: http://www.tax.gov.tm/english/law0001en.html; (Hervorhebung durch die Autorin). 26 R. Dolzer/M. Stevens, Bilateral Investment Treaties, 1995, S. 25 ff. Siehe auch: N. Rubins, The Notion of ‘Investment’ in International Investment Arbitration, in: N. Horn (Hrsg.), Arbitrating Foreign Investment Disputes, 2004, S. 292 ff. 27 I.F. I. Shihata/A. R. Parra, The Experience of the International Centre for Settlement of Investment Disputes, 14 ICSID Rev. – FILJ (1999), S. 307. I.d.S. auch Fedax N.V. v. Republic of Venezuela, (The Netherlands/Venezuela BIT), Decision on Objections to Jurisdiction, 11 July 1997, 5 ICSID Reports 186, § 34. 28 R. Dolzer/M. Stevens, Bilateral Investment Treaties, 1995, S. 26; siehe auch: R. Dolzer, The Notion of Investment in Recent Practice, in: S. Charnovitz, D. P. Steger, P. Van den Bossche (Hrsg.), Law in the Service of Human Dignity, Essays in Honour of Florentino Feliciano, 2005, 261, S. 263; C. Schreuer, The ICSID Convention: A Commentary, 2001, Rz 99; A. R. Parra, The Scope of new Investment Laws and International Instruments, in: E. Pritchard (Hrsg.), Economic Development, Foreign Investment and the Law, 1996, S. 35 ff. Siehe z.B.: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Moldau über die Förderung und den Schutz von Investitionen, BGBl. III Nr. 142/2002 Artikel 1 Definitionen Für die Zwecke dieses Abkommens (1) umfasst der Begriff „Investition“ alle Vermögenswerte, und insbesondere, aber nicht ausschließlich:

A. Allgemeines

1.

traditionelle Eigentumsrechte,

2.

Anteilsrechte an Unternehmen,

3.

Ansprüche auf Geld oder Ansprüche auf eine Leistung etwa aus einem Vertrag, die einen wirtschaftlichen Wert haben,

4.

geistige und gewerbliche Schutzrechte,

53

5.

industrielle Eigentumsrechte und Konzessionen sowie ähnliche Rechte. Die in multilateralen Investitionsschutzverträgen enthaltenen Investitionsdefinitionen divergieren ebenfalls leicht.29 Auch sie gehen von einem sehr breiten Investitionsbegriff aus und enthalten eine Liste geschützter Vermögenswerte. Im Unterschied zum Energy Charter Treaty (ECT)30, dessen Definition von der Konstruktion her dem Modell der meisten BITs entspricht, wählt Art. 1139 ___________ a) Eigentum an beweglichen und unbeweglichen Sachen sowie sonstige dingliche Rechte, wie Hypotheken, Zurückbehaltungsrechte, Pfandrechte, Nutzungsrechte und ähnliche Rechte; b) Anteilsrechte und andere Arten von Beteiligungen an Unternehmen; c) Ansprüche auf Geld, das übergeben wurde, um einen wirtschaftlichen Wert zu schaffen, oder Ansprüche auf eine Leistung, die einen wirtschaftlichen Wert hat; d) geistige und gewerbliche Schutzrechte, wie sie in den im Rahmen der Weltorganisation für Geistiges Eigentum abgeschlossenen multilateralen Abkommen definiert wurden, einschließlich, aber nicht beschränkt auf Urheberrechte, Handelsmarken, Erfinderpatente, gewerbliche Modelle sowie technische Verfahren, Knowhow, Handelsgeheimnisse, Handelsnamen und Goodwill; e) öffentlichrechtliche Konzessionen für die Aufsuchung, den Abbau oder die Gewinnung von Naturschätzen. 29 Siehe dazu: R. Dolzer, The Notion of Investment in Recent Practice, in: S. Charnovitz, D. P. Steger, P. Van den Bossche (Hrsg.), Law in the Service of Human Dignity, Essays in Honour of Florentino Feliciano, 2005, 261, S. 263 f.; A. R. Parra, The Scope of new Investment Laws and International Instruments, in: E. Pritchard (Hrsg.), Economic Development, Foreign Investment and the Law, 1996, S. 39 ff. 30 Energy Charter Treaty Article 1 – DEFINITIONS As used in this Treaty: … (6) “Investment” means every kind of asset, owned or controlled directly or indirectly by an Investor and includes: (a) tangible and intangible, and movable and immovable, property, and any property rights such as leases, mortgages, liens, and pledges; (b) a company or business enterprise, or shares, stock, or other forms of equity participation in a company or business enterprise, and bonds and other debt of a company or business enterprise; (c) claims to money and claims to performance pursuant to contract having an economic value and associated with an Investment; (d) Intellectual Property; (e) Returns;

54

1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

NAFTA31 die Form einer abschließenden Definition, die auch einige explizite Ausnahmen vom Investitionsbegriff statuiert.32 ___________ (f) any right conferred by law or contract or by virtue of any licences and permits granted pursuant to law to undertake any Economic Activity in the Energy Sector. A change in the form in which assets are invested does not affect their character as investments and the term “Investment” includes all investments, whether existing at or made after the later of the date of entry into force of this Treaty for the Contracting Party of the Investor making the investment and that for the Contracting Party in the Area of which the investment is made (hereinafter referred to as the “Effective Date”) provided that the Treaty shall only apply to matters affecting such investments after the Effective Date. “Investment” refers to any investment associated with an Economic Activity in the Energy Sector and to investments or classes of investments designated by a Contracting Party in its Area as “Charter efficiency projects” and so notified to the Secretariat. Für einen Überblick über den Energy Charter Treaty siehe z.B.: C. Ribeiro (Hrsg.), Investment Arbitration and the Energy Charter Treaty, 2006. 31 Article 1139 NAFTA: Definitions … investment means: a. an enterprise; b. an equity security of an enterprise; c. a debt security of an enterprise i) where the enterprise is an affiliate of the investor, or ii) where the original maturity of the debt security is at least three years, but does not include a debt security, regardless of original maturity, of a state enterprise; d. a loan to an enterprise i) where the enterprise is an affiliate of the investor, or ii) where the original maturity of the loan is at least three years, but does not include a loan, regardless of original maturity, to a state enterprise; e. an interest in an enterprise that entitles the owner to share in income or profits of the enterprise; f. an interest in an enterprise that entitles the owner to share in the assets of that enterprise on dissolution, other than a debt security or a loan excluded from subparagraph (c) or (d); g. real estate or other property, tangible or intangible, acquired in the expectation or used for the purpose of economic benefit or other business purposes; and h. interests arising from the commitment of capital or other resources in the territory of a Party to economic activity in such territory, such as under i) contracts involving the presence of an investor’s property in the territory of the Party, including turnkey or construction contracts, or concessions, or ii) contracts where remuneration depends substantially on the production, revenues or profits of an enterprise; but investment does not mean, i. claims to money that arise solely from

A. Allgemeines

55

Somit ist zwar das unmittelbare Schutzgut im Investitionsschutz die „Investition“, indirekt sind dadurch aber Eigentumsrechte geschützt. Der Unterschied zum menschenrechtlichen Eigentumsschutz liegt darin, dass die Investitionsdefinition des jeweiligen nationalen Gesetzes oder bi- bzw. multilateralen Vertrages erfüllt sein muss, damit ein Eigentumsrecht geschützt ist. Das Iran-US-Claims Tribunal ist eine Ausnahmeerscheinung im internationalen Investitionsschutz. Es wurde nach der Revolution im Iran eingesetzt, um unter anderem über eigentumsrechtliche Ansprüche von US-Bürgern und iranischen Bürgern gegen den jeweils anderen Staat zu entscheiden. Es hat gemäß Artikel II, §1, der Deklaration von Algier33 … the purpose of deciding claims of nationals of the United States against Iran and claims of nationals of Iran against the United States, and any counterclaim which arises out of the same contract, transaction or occurrence that constitutes the subject matter of that national’s claim, if such claims and counterclaims are outstanding on the date of this Agreement, whether or not filed with any court, and arise out of debts, contracts (including transactions which are the subject of letters of credit or bank guarantees), expropriations or other measures affecting property rights, …

Damit ist sein Bezugspunkt ebenso wie bei den Menschenrechten „property rights“. Die Deklaration enthält jedoch keine Definition, was unter „property rights“ zu verstehen sei. Eine nähere Abgrenzung bleibt daher der Judikatur des Iran-US Claims Tribunals vorbehalten. Das Tribunal hat seiner Judikatur einen weiten Eigentumsbegriff zugrunde gelegt. So hielt es etwa in Amoco34 fest: ___________ i) commercial contracts for the sale of goods or services by a national or enterprise in the territory of a Party to an enterprise in the territory of another Party, or ii) the extension of credit in connection with a commercial transaction, such as trade financing, other than a loan covered by subparagraph (d); or j. any other claims to money, that do not involve the kinds of interests set out in subparagraphs (a) through (h); [Hervorhebung im Original]. 32 Für eine Diskussion der Investitionsdefinition im Multilateral Agreement on Investment (MAI), das nicht angenommen wurde, siehe z.B.: R. Dolzer, The Notion of Investment in Recent Practice, in: S. Charnovitz, D. P. Steger, P. Van den Bossche (Hrsg.), Law in the Service of Human Dignity, Essays in Honour of Florentino Feliciano, 2005, 261, S. 265; J. Karl, On the Way to Multilateral Investment Rules – Some Recent Policy Issues, 17 ICSID Review – FILJ 2002, S. 293 ff. 33 Declaration of the Government of the Democratic and Popular Republic of Algeria Concerning the Settlement of Claims by the Government of the United States of America and the Government of the Islamic Republic of Iran (Claims Settlement Declaration), 19. Jänner 1981, 1 Iran-United States Claims Tribunal Reports (IUSCTR), S. 3 f. 34 IUSCT, Amoco International Finance Corporation v. The Government of the Islamic Republic of Iran, et al., Partial Award No. 310-56-3, 14 July 1987, 15 IUSCTR 189.

56

1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff Expropriation, which can be defined as a compulsory transfer of property rights, may extend to any right which can be the object of a commercial transaction, i.e., freely sold and bought, and thus has monetary value.35

Im Folgenden wird untersucht, inwieweit trotz des Umstandes, dass in einem Fall „property“ im anderen „investment“ geschützt ist, der Schutzumfang der beiden Systeme übereinstimmt.

II. Relevanz des nationalen Rechts 1. Menschenrechtsschutz Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte betonte wiederholt, dass es an erster Stelle den nationalen Gerichten zukomme, über das Eigentumsrecht einer Person zu entscheiden.36 Jedoch nimmt der Gerichtshof in ständiger Judikatur in Form einer nachprüfenden Kontrolle eine autonome Auslegung37 des Schutzbereichs vor, die unabhängig von der formellen Qualifikation des innerstaatlichen Rechts ist. Dazu führte er aus: “[P]ossessions” in the first part of Article 1 has an autonomous meaning which is not limited to ownership of physical goods and is independent from the formal classification in domestic law: certain other rights and interests constituting assets can also be regarded as “property rights”, and thus as “possessions” for the purpose of this provision (…). The issue that needs to be examined is whether the circumstances of the case, considered as a whole, conferred on the applicant title to a substantive interest protected by Article 1.38

Die formelle Beurteilung einer Rechtsposition im innerstaatlichen Recht ist daher nur von untergeordneter Bedeutung für den Gerichtshof. Sehr wohl beachtlich war in einer Reihe von Urteilen allerdings, wie materiell die Rechte des Beschwerdeführers durch den Staat vor dem Eigentumseingriff behandelt worden waren. Dies zeigen die folgenden Fälle. ___________ 35

Ibid., § 108. Siehe z.B.: EGMR, Nastou gg Griechenland, Nr. 51356/99, Urteil vom 16. Jänner 2003, § 28. 37 Zur autonomen Auslegung von „possession“ siehe auch: EGMR, Matos e Silva Lda. gg Portugal, Urteil vom 27. August 1996, ECHR 1996-IV, § 75; Ehemaliger König von Griechenland gg Griechenland, Urteil vom 23. November 2000, ECHR 2000-XII, § 60; Tsirikakis gg Griechenland, Nr. 46355/99, Urteil vom 17. Jänner 2002, § 53; Forrer-Niedenthal gg Deutschland, Nr. 47316/99, Urteil vom 20. Februar 2003, § 32; Broniowski gg Polen [GC], Nr. 31443/96, Urteil vom 22. Juni 2004, ECHR 2004-V, § 129; Öneryildiz gg Türkei [GC], Nr. 48939/99, Urteil vom 30. November 2004, ECHR 2004-XII, § 124. 38 EGMR, Beyeler gg Italien [GC], Nr. 33202/96, Urteil vom 5. Jänner 2000, RJD 2000-I, § 100. 36

A. Allgemeines

57

In Matos e Silva Lda. gg Portugal39 stellte der Gerichtshof fest, dass über fast hundert Jahre lang ein unbestrittenes Recht an dem Grundstück und den Erträgen, die aus dessen Bearbeitung stammten, bestanden hatte. Diese seien als „possessions“ im Sinne des Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK zu qualifizieren: … the Court agrees with the Government that it is not for the Court to decide whether or not a right of property exists under domestic law. However, it recalls that the notion “possessions” (in French: “biens”) in Article 1 of Protocol No. 1 (P1-1) has an autonomous meaning (…). In the present case the applicants’ unchallenged rights over the disputed land for almost a century and the revenue they derive from working it may qualify as “possessions” for the purposes of Article 1 (P1-1).40

In Ceskomoravská myslivecká jednota gg Tschechische Republik41 wurde eine Vereinigung, die bona fide ein Grundstück erworben hatte, 45 Jahre lang in allen rechtlichen Belangen als Eigentümer behandelt. Aufgrund eines tschechischen Restitutionsgesetzes wurde dann der Kaufvertrag rückwirkend für nichtig erklärt und die Vereinigung zur Rückstellung des Grundstückes gezwungen. Der Gerichtshof stellte fest, dass eine Vorgangsweise, bei der durch Gesetz ein bona fide erworbener Titel ex tunc vernichtet würde und sich der Staat dadurch seiner Verantwortung entziehe, inakzeptabel sei. Der Gerichtshof führte aus: … that the applicant association had a “possession” within the meaning of Article 1 of Protocol No. 1 to the Convention even if its property was restored to the successors of the former owner. Thus, for about 45 years it possessed the property in question and was considered its owner for all legal purposes. Moreover, it would be unreasonable to accept that a State may enact legislation which allows the restitution of property acquired bona fide and, in fact, nullify ab initio a purchase contract of the property and thus escape the responsibility for an interference with property rights under the Convention. 42

Im Fall Beyeler gg Italien43 hatte der Beschwerdeführer ein Van Gogh-Gemälde 1977 in Italien über einen Strohmann gekauft. Die italienischen Behörden erfuhren dies bereits 1983, übten aber erst 1988 ein Vorkaufsrecht aus und erwarben das Gemälde zum Preis von 1977. Der Gerichtshof stellte bei seiner Entscheidung, dass Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK anwendbar sei, darauf ab, dass der Beschwerdeführer bei einer Reihe von Anlässen von den Behörden als de facto Eigentümer behandelt worden war: ___________ 39 EGMR, Matos e Silva Lda. gg Portugal, Urteil vom 27. August 1996, ECHR 1996-IV. 40 Ibid., § 75. 41 EGMR, Ceskomoravská myslivecká jednota gg Tschechische Republik, Nr. 33091/96, Entscheidung vom 23. März 1999. 42 Hervorhebung durch die Autorin. 43 EGMR, Beyeler gg Italien, Urteil vom 5. Jänner 2000, ECHR 2000-I.

58

1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff Between the purchase of the work and the exercise by the State of its right of preemption, that is, during the period in which the applicant was implicitly subject to the pre-emption rules, the applicant was in possession of the painting for several years. Furthermore, on a number of occasions the applicant appears to have been considered de facto by the authorities as having a proprietary interest in the painting, and even as its real owner: …44 In the Court’s view, those factors prove that the applicant had a proprietary interest recognised under Italian law – … – from the time the work was purchased until the right of pre-emption was exercised and he was paid compensation (…). This interest therefore constituted a “possession” for the purposes of Article 1 of Protocol No. 1 (…). That provision is therefore applicable to the instant case.45

Beyeler hatte nach Ansicht des Gerichtshofs daher eine „possession“ im Sinne der Konvention. Im Urteil Ehemaliger König von Griechenland gg Griechenland46 machte die griechische Regierung geltend, dass es sich bei den von der ehemaligen Königsfamilie beanspruchten Grundstücken um „quasi öffentliches“ Land handle. Es liege daher kein Eigentum der ehemaligen Königsfamilie vor. Für den Gerichtshof war von entscheidender Bedeutung, dass der Staat selbst die Grundstücke wiederholt als Privateigentum behandelt hatte. Er führte aus: … the Greek State itself repeatedly treated it as private property and had not produced a general set of rules governing its status. [This fact] prevents the Court from concluding that it had a sui generis and quasi-public character to the effect that it never belonged to the former royal family.47 Therefore, the Court is of the opinion that the relevant properties were owned by the applicants as private persons rather than in their capacity as members of the royal family; accordingly the contested estates constituted a “possession” for the purposes of Article 1 of Protocol No. 1, which is applicable to the instant case.48

Im Fall Papastavrou ua gg Griechenland49 war innerstaatlich umstritten, ob die Beschwerdeführer Eigentümer des Grundstücks seien. Für den Gerichtshof war entscheidend, dass das oberste Verwaltungsgericht den Beschwerdeführern, „who were considered as owners“ (Zitat im Urteil), locus standi einräumte. Er hielt fest, dass die Beschwerdeführer daher für das Verfahren als Eigentümer oder zumindest als Inhaber eines von Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK geschützten Rechts angesehen würden: ___________ 44

Ibid., § 104. Ibid., § 105. 46 EGMR, König von Griechenland gg Griechenland, Urteil vom 23. November 2000, ECHR 2000-XII. 47 Ibid., § 65. 48 Ibid., § 66. 49 EGMR, Papastavrou u.a. gg Griechenland, Urteil vom 10. April 2003, ECHR 2003-IV, §§ 34, 35. 45

A. Allgemeines

59

For the purposes of the poceedings before the Court, the applicants could therefore be regarded as the owners of the land in issue or at least as having an interest that would normally be protected by Article 1 of Protocol No. 1 to the Convention.50

Ebenso argumentierte der Gerichtshof in Katsoulis u.a. gg Griechenland.51 In Öneryildiz gg Türkei52 hatte der Beschwerdeführer 1988 ohne behördliche Genehmigung auf staatlichem Land ein Gebäude in unmittelbarer Nähe einer Mülldeponie errichtet. Dieses bewohnte er mit seiner Familie. Die Behörden tolerierten die Bebauung. Am 28. April 1993 ereignete sich eine Gasexplosion auf der Deponie. Dadurch geriet der Abfallberg in Bewegung, und das Gebäude des Beschwerdeführers sowie etwa zehn weitere Bauwerke wurden zerstört. Der Gerichtshof stellte fest, dass – unabhängig von der nationalrechtlichen Bewertung – das rechtliche Interesse an seiner Behausung ausreichte, um als substantielles Interesse angesehen zu werden. Daher sei es eine „possession“ im Sinne des Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK. Der Gerichtshof betonte: … that the concept of “possessions” in the first part of Article 1 of Protocol No. 1 has an autonomous meaning which is not limited to ownership of physical goods and is independent from the formal classification in domestic law: the issue that needs to be examined is whether the circumstances of the case, considered as a whole, may be regarded as having conferred on the applicant title to a substantive interest protected by that provision (…). [T]he applicant’s proprietary interest in his dwelling was of a sufficient nature and sufficiently recognised to constitute a substantive interest and hence a “possession” within the meaning of the rule laid down in the first sentence of Article 1 of Protocol No. 1, which provision is therefore applicable to this aspect of the complaint.53

Im Fall Gasus Fördertechnik GmbH gg Niederlande54 sah der Gerichtshof die Frage, ob das aus einem Eigentumsvorbehalt abgeleitete Recht der Firma Gasus Fördertechnik GmbH nach nationalem Recht als Eigentumsrecht oder als Sicherheit in rem zu qualifizieren sei, als unerheblich an. Das Recht falle jedenfalls in den Schutzbereich des Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK.55 ___________ 50

Ibid., § 35. EGMR, Katsoulis u.a. gg Griechenland, Nr. 66742/01, Urteil vom 8. Juli 2004, §§ 31, 32. 52 EGMR, Öneryildiz gg Türkei [GC], Nr. 48939/99, Urteil vom 30. November 2004, ECHR 2004-XII. 53 EGMR, Öneryildiz gg Türkei [GC], Nr. 48939/99, Urteil vom 30. November 2004, ECHR 2004-XII, §§ 124, 129. 54 EGMR, Gasus Fördertechnik GmbH gg Niederlande, Urteil vom 23. Februar 1995, Serie A, Nr. 306-B. 55 Ibid., § 53: [T]he Court recalls that the notion “possession” in Article 1 has an autonomous meaning which is certainly not limited to ownership of physical goods: certain other rights and interests constituting assets can also be regarded as “property rights” and thus as “possessions”, for the purpose of this provision. In the present 51

60

1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

Der Gerichtshof stellte also in sämtlichen der angeführten Fälle darauf ab, wie der Staat materiell das in Frage stehende Rechtsobjekt behandelt hatte. Die formelle Einordnung durch das innerstaatliche Recht war nur von untergeordneter Bedeutung. Entscheidend war für den Gerichtshof, ob der Beschwerdeführer bei einer Gesamtbetrachtung ein substantielles Interesse habe, das von Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK geschützt sei.56 Der Gerichtshof nahm jedoch keine Definition dieses substantiellen Interesses vor. Es ist anzunehmen, dass es immer dann vorliegt, wenn die materielle Behandlung durch das innerstaatliche Recht der eines Eigentümers entspricht. Im Bereich der Restitution von Eigentum, das vor Inkrafttreten der EMRK entzogen worden war, ist das innerstaatliche Recht von Bedeutung für die Frage, ob ein Eigentumsanspruch besteht. Der Gerichtshof stellte ganz allgemein fest, dass Restitutionsansprüche für vor Inkrafttreten der EMRK entzogenes Vermögen grundsätzlich in den Schutzbereich des Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK fallen können,57 jedoch keine allgemeine Restitutionspflicht bestehe. Die Staaten können nach Ansicht des Gerichtshofs den Umfang, in dem und die Bedingungen, unter denen sie Eigentum restituieren, das auf sie vor Inkrafttreten der Konvention übergegangen ist, selbst festlegen.58 Wenn ein Staat nach Inkrafttreten der Konvention Gesetze erlässt, die eine teilweise oder gänzliche Restitution von vor dem Inkrafttreten entzogenem Vermögen vorsehen, so entsteht für jene Personen, die die Kriterien erfüllen, ein neues Eigentumsrecht, das von der Konvention geschützt ist. Das gleiche gilt für Restitutionsgesetze, die bereits vor Inkrafttreten der Konvention erlassen wurden und danach in Kraft bleiben.59 Jedoch müssen die Beschwerdeführer beweisen, dass eine hinreichende Basis für den Anspruch im nationalen Recht vorhanden ist. Damit besteht ein Recht auf Restitution nur in dem Umfang, in dem es das nationale ___________ context it is therefore immaterial whether Gasus’s right to the concrete mixer is to be considered as a right of ownership or as a security right in rem. 56 EGMR, Iatridis gg Griechenland [GC], Nr. 31107/96, Urteil vom 25. März 1999, ECHR 1999-II, § 54; Beyeler gg Italien [GC], Nr. 33202/96, Urteil vom 5. Jänner 2000, RJD 2000-I, § 100; Ehemaliger König von Griechenland gg Griechenland, Urteil vom 23. November 2000, ECHR 2000-XII, § 60; ZwierzyĔski gg Polen, Nr. 34049/96, Urteil vom 19. Juni 2001, ECHR 2001-VI, § 63; Broniowski gg Polen [GC], Nr. 31443/96, Urteil vom 22. Juni 2004, ECHR 2004-V, § 129; Öneryildiz gg Türkei [GC], Nr. 48939/99, Urteil vom 30. November 2004, ECHR 2004-XII, § 124. 57 EKMR, Gospodinova gg Bulgarien, Nr. 37912/97, Entscheidung vom 16. April 1998. 58 EGMR, Jantner gg Slowakei, Nr. 39050/97, Urteil vom 4. März 2003, § 34; Kopecký gg Slowakei [GC], Nr. 44912/98, Urteil vom 28. September 2004, ECHR 2004IX, § 35; von Maltzan u.a. gg Deutschland [GC], Nr. 71916/01, 71917/01, 10260/02, Entscheidung vom 2. März 2005, § 74. 59 EGMR, von Maltzan u.a. gg Deutschland [GC], Nr. 71916/01, 71917/01, 10260/02, Entscheidung vom 2. März 2005, § 74; Broniowski gg Polen [GC], Nr. 31443/96, Urteil vom 22. 6. 2004, ECHR 2004-V, §§ 125, 132.

A. Allgemeines

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Recht einräumt. Wie noch ausführlich erörtert werden wird,60 ist das maßgebliche Kriterium, ob eine berechtigte Erwartung auf das Bestehen eines Rückgabeanspruchs vorliegt. Der Fall The Synod College of the Evangelical Reformed Church of Lithuania gg Litauen61 ist ein Beispiel dafür, dass im Bereich der Restitution von vor Inkrafttreten der Konvention entzogenem Eigentum auch die faktische Behandlung durch den Staat für die Entscheidung, ob eine „possession“ im Sinne der Konvention vorliegt, von Bedeutung ist. Das innerstaatliche Recht sah vor, dass Eigentumsrechte ab der Entscheidung durch die zuständige Behörde als zurückgegeben anzusehen seien. Bevor die Entscheidung über die Rückstellung eines Hauses an die Kirche erfolgte, beschloss jedoch eine andere Behörde die Privatisierung von in diesem Haus befindlichen Wohnungen. Es lagen daher widersprüchliche innerstaatliche Entscheidungen vor. Der Rechtsstreit über die Gültigkeit der Rückgabeentscheidung hatte nach innerstaatlichem Recht keine aufschiebende Wirkung. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Kirche zumindest viereinhalb Jahre die Kontrolle über das Gebäude innegehabt hatte, entschied der Gerichtshof, dass ein schützenswertes Eigentumsrecht derselben vorliege. Er führte aus: … Indeed, the fact remains, that from 27 December 1993 until at least 14 May 1998, the applicant church had exercised the control of the building on the basis of the decisions of 8 and 20 December 1993 (as confirmed by the civil proceedings concerning the charges for heating, see …). In the Court’s view, those factors prove that the applicant church had a certain proprietary interest recognised under Lithuanian law from the time the decisions of 8 and 20 December 1993 were taken until they were quashed on 14 October 1997. This interest therefore constituted a “possession” for the purposes of Article 1 of Protocol No. 1 (…). That provision is therefore applicable in regard to this part of the application.62

Dieser Fall kann daher als Beleg dafür angesehen werden, dass auch im Bereich der Restitution für den Gerichthof die materielle Behandlung durch das innerstaatliche Recht maßgeblich ist. Dies wird auch durch einen Verweis auf den bereits zuvor erörterten Fall Beyeler deutlich. Auch der IAGMR hatte sich mit der Frage der Relevanz der nationalrechtlichen Qualifikation auseinander zu setzen. Er stellte in The Case of the Mayagna (Sumo) Awas Tingni Community v. Nicaragua63 fest, dass die Be___________ 60 Zur Frage wann eine berechtigte Erwartung für das Vorliegen eines Restitutionsanspruches vorliegt siehe unten S. 114 ff. 61 EGMR, The Synod College of the Evangelical Reformed Church of Lithuania gg Litauen, Nr. 44548/98, Entscheidung vom 5. Dezember 2002. 62 Ibid., S. 10 der online Version. 63 IAGMR, The Case of the Mayagna (Sumo) Awas Tingni Community v. Nicaragua, Urteil vom 31. August 2001, Series C, Nr. 79. Siehe dazu u.a.: C. Binder, The Case of

62

1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

griffe in internationalen Menschenrechtsverträgen eine autonome Bedeutung hätten und daher nicht jenen des jeweiligen nationalen Rechts gleichzusetzen seien: The terms of an international human rights treaty have an autonomous meaning, for which reason they cannot be made equivalent to the meaning given to them in domestic law. 64

Er führte in der Folge aus, wie Artikel 21 der Interamerikanischen Konvention Gemeinschaftseigentum indigener Völker schützt. Es komme nicht auf einen innerstaatlichen formalen Titel an, um ein Eigentumsrecht der Awas Tingni zu begründen.65 Gemäß Artikel 5 der Verfassung von Nicaragua haben die Mitglieder der Awas-Tingni-Gemeinschaft ein Eigentumsrecht auf das Land, das sie gegenwärtig bewohnen.66 Der Umfang des geschützten Landes sei gemäß dem Gewohnheitsrecht der indigenen Völker und in Einklang mit ihrem traditionellen Siedlungsgebiet zu bestimmen.67 Somit ist für den Menschenrechtsschutz festzuhalten, dass der Begriff „possession“ von den Menschenrechtsgerichten autonom ausgelegt wird. Der EGMR stellte in sämtlichen der angeführten Fälle auf die tatsächliche Behandlung der Beschwerdeführer im Hinblick auf das strittige Recht ab. Entscheidend sei, so der Gerichtshof, ob der Beschwerdeführer bei einer Gesamtbetrachtung ein substantielles Interesse habe, das von Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK geschützt sei.68 Der Gerichtshof nahm jedoch keine Definition dieses substantiellen Interesses vor. Einer formellen Einordnung durch das innerstaatliche Recht maß der Gerichtshof nur eine untergeordnete Bedeutung bei. Es kann davon ausgegangen werden, dass ein substantielles Interesse immer dann vorliegt, wenn die materielle Behandlung durch das innerstaatliche Recht der eines Eigentümers entspricht.

___________ the Atlantic Coast of Nicaragua: The Awas Tingni Case, or Realizing that a Good Legal System of Protection of Land Rights is no Guarantee of Effective Implementation, in J. Castellino/N. Walsh (Hrsg.), International Law and Indigenous Peoples, 2005, S. 249 ff. 64 IAGMR, The Case of the Mayagna (Sumo) Awas Tingni Community v. Nicaragua, Urteil vom 31. August 2001, Series C, Nr. 79, § 146. 65 Ibid., § 151. 66 Ibid., § 153. 67 Ibid., § 151. 68 EGMR, Iatridis gg Griechenland [GC], Nr. 31107/96, Urteil vom 25. März 1999, ECHR 1999-II, § 54; Beyeler gg Italien [GC], Nr. 33202/96, Urteil vom 5. Jänner 2000, ECHR 2000-I, § 100; Ehemaliger König von Griechenland gg Griechenland, Urteil vom 23. November 2000, ECHR 2000-XII, § 60; ZwierzyĔski gg Polen, Nr. 34049/96, Urteil vom 19. Juni 2001, ECHR 2001-VI, § 63; Broniowski gg Polen [GC], Nr. 31443/96, Urteil vom 22. Juni 2004, ECHR 2004-V, § 129; Öneryildiz gg Türkei [GC], Nr. 48939/99, Urteil vom 30. November 2004, ECHR 2004-XII, § 124.

A. Allgemeines

63

2. Investitionsschutz Schiedsgerichte haben es, wenn die Zustimmung zu ihrer Jurisdiktion aufgrund eines BIT/MIT erfolgte, als unerheblich angesehen, wie das innerstaatliche Recht „Investition“ definiert. Manche BITs enthalten in ihrer Investitionsdefinition einen Hinweis darauf, dass die Investitionen in Übereinstimmung mit dem Landesrecht („in accordance with host State law“) gemacht sein müssen. So z.B. das BIT zwischen Pakistan und der Türkei, wo „Investition“ folgendermaßen definiert wird: The term “investment”, in conformity with the hosting Party’s laws and regulations, shall include every kind of asset in particular, but not exclusively: …69

Dieser Hinweis bezieht sich nach Meinung der Schiedsgerichte auf die Rechtmäßigkeit der Investition und nicht auf deren Definition.70 In diesem Zusammenhang führte beispielsweise das Schiedsgericht in Salini v. Morocco71 aus: This provision [the required compliance with the laws and regulations of the host state] refers to the validity of the investment and not to its definition. More specifically, it seeks to prevent the Bilateral Treaty from protecting investments that should not be protected because they would be illegal.72

Daran wurde von Schiedsgerichten selbst dann festgehalten, wenn das BIT eine Klausel enthielt, wonach sich die Bedeutung und der Umfang der in der Investitionsdefinition des BIT zuvor aufgezählten Rechtspositionen nach den Gesetzen des Staates bestimmen, in dem die Investition erfolgte. Ein Beispiel dafür ist das BIT zwischen Spanien und Argentinien: The meaning and scope of the assets above mentioned shall be determined by the laws and regulations of the Party in whose territory the investment was made.73

___________ 69

Agreement between the Islamic Republic of Pakistan and the Republic of Turkey concerning the Reciprocal Promotion and Protection of Investments, Article I 2. Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/pakistan_turkey.pdf 70 Siehe z.B.: Salini Costruttori S.p. A and Italstrade S.p. A. v. Morocco, (Italy/Morocco BIT), Decision on Jurisdiction, 23 July 2001, 6 ICSID Reports 400, § 46; Tokios Tokelơs v. Ukraine, (Lithuania/Ukraine BIT), Decision on Jurisdiction, 29 April 2004, http://ita.law.uvic.ca/documents/Tokios-Jurisdiction_000.pdf, § 84; Bayindir Insaat Turizm Ticaret ve Sanayi A.ù. v. Islamic Republic of Pakistan, (Turkey/Pakistan BIT), Decision on Jurisdiction, 14 November 2005, http://ita.law.uvic.ca/documents/ Bayindr-jurisdiction.pdf, §§ 105–110; Saluka Investments BV v. Czech Republic, (Dutch/Czech BIT), Partial Award, 17 March 2006, http://ita.law.uvic.ca/documents/ Saluka-PartialawardFinal.pdf, §§ 203, 204, 217. 71 Siehe z.B. Salini Costruttori S.p. A and Italstrade S.p. A. v. Morocco, (Italy/Morocco BIT), Decision on Jurisdiction, 23 July 2001, 6 ICSID Reports 400. 72 Ibid., § 46. 73 Article I(2) of the Argentine-Spain BIT. Quelle: Gas Natural SDG, S. A. v. Argentina, (Argentina/Spain BIT), Decision on Jurisdiction, 17 June 2005, http://ita.

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1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

Das aufgrund dieses BITs tätig gewordene Schiedsgericht in Gas Natural74 stellte fest, dass die entsprechende Norm nur die Modalitäten der Ausübung des betroffenen Rechts, nicht aber die Frage, ob das in Frage stehende Recht eine geschützte Investition sei, regelte. Es führte aus: The rights appertaining to shareholders under the law pursuant to which the corporation is organized are, as the second paragraph of Article I(2) states, subject to the law of Argentina. That law would determine, for example, how shareholders’ meetings are convened, how directors are elected, what accounts must be maintained, etc. But the shares themselves, when held by a national of a party to the Treaty, clearly constitute an “investment” as defined in the Treaty.75

Daraus ergibt sich, dass die Schiedsgerichte der Auffassung sind, dass aufgrund der anwendbaren völkerrechtlichen Regeln und nicht aufgrund des nationalen Rechts zu bestimmen sei, ob eine Investition vorliege. Das heißt, die Antwort auf die Frage, welche Rechtspositionen grundsätzlich dem Eigentumsschutz unterliegen, bestimmt sich nach Völkerrecht. Dafür, ob diese Rechte jedoch überhaupt bestehen, ist das nationale Recht von Bedeutung. So ist etwa nach nationalem Recht zu prüfen, ob eine Unternehmensbeteiligung gültig erworben wurde. Auch das IUSCT war der Auffassung, dass völkerrechtliche Normen heranzuziehen seien, um festzustellen, ob ein vom Eigentumsschutz umfasstes Recht vorliege. Seine Rechtsgrundlage ist dabei die Rechtswahlklausel des Artikels V der Claims Settlement Declaration. Dieser sieht Folgendes vor: … on the basis of respect for law, applying such choice of law rules and principles of commercial and international law as the Tribunal determines to be applicable, taking into account relevant usages of the trade, contract provisions and changed circumstances.

In Starrett Housing v. Iran76 stellte das IUSCT fest, dass die Kläger sich zum Beweis dafür, dass auch vertragliche Rechte enteignet werden können und ___________ law.uvic.ca/documents/GasNaturalSDG-DecisiononPreliminaryQuestionsonJurisdiction. pdf. Das spanische Original lautet: El contenido y alcance de los derechos correspondientes a las diversas categorías de haberes estarán determinados por las leyes y reglamentaciones de la Parte en cuyo territorio esté situada la inversión. Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/argentina_spain_sp.pdf. 74 Gas Natural SDG, S. A. v. Argentina, (Argentina/Spain BIT), Decision on Jurisdiction, 17 June 2005, Quelle: http://ita.law.uvic.ca/documents/GasNaturalSDGDecisiononPreliminaryQuestionsonJurisdiction.pdf. 75 Ibid., § 34. 76 IUSCT, Starrett Housing Corporation v. Government of the Islamic Republic of Iran, Interlocutory Award No. ITL 32-24-1 vom 19. Dezember 1983, 4 IUSCTR 122.

B. Sachenrechte

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somit dem Eigentumsschutz unterliegen, auf völkerrechtliche Präzedenzfälle stützen könnten und daran nichts ungewöhnlich sei: There is nothing unique in the Claimants’ position in this regard. They rely on precedents in international law in which cases measures of expropriation or taking, primarily aimed at physical property, have been deemed to comprise also rights of a contractual nature closely related to the physical property.77

Wie an diesem Beispiel deutlich wird, wandte auch das IUSCT Völkerrecht an, um festzustellen, ob eine geschützte Eigentumsposition vorliege. Somit ist in dieser Frage ein einheitliches Vorgehen der Schiedsgerichte feststellbar.

B. Sachenrechte I. Mobilien und Immobilien 1. Menschenrechtsschutz Immobilien sind, weil sie nur in begrenzter Menge vorhanden und nicht vermehrbar sind, sowohl für Individuen als auch für den Staat wirtschaftlich von besonderer Bedeutung. Sie unterliegen einer intensiven Regelung durch nationale Gesetzgeber und boten daher immer wieder Anlass für Beschwerden an den EGMR. Sowohl Rechte an Mobilien als auch an Grundstücken waren immer wieder Anlass für Beschwerden an die Konventionsorgane. Wie die Kommission bereits 1979 klarstellte, unterliegen nicht nur Mobilien, sondern auch Immobilien der Eigentumsgarantie des Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK.78 Seither ist es ständige Rechtsprechung, dass diese beiden Kategorien vom Eigentumsbegriff umfasst sind.79

___________ 77

Ibid., S. 156. EKMR, Wiggins gg Vereinigtes Königreich, Entscheidung vom 8. Februar 1978, DR 13, S. 40, 46 („The Commission furthermore does not accept the view of the Government that the term ‚possessions’ within the meaning of that provision should be limited to moveable property only“). 79 Siehe z.B.: EGMR, Raimondo gg Italien Urteil vom 22. Februar 1994, Serie A, Nr. 281-A, §§ 24–26: 24. Mr Raimondo complained of the seizure on 13 May 1985 of sixteen items of real property and six vehicles, and the confiscation of several of these assets ordered on 16 October 1985 (…). 78

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1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

Die ersten Fälle des EGMR, bei denen der Eigentumsschutz im Mittelpunkt stand, waren Sporrong und Lönnroth80 und James.81 Jener betraf ein Bauverbot mit Enteignungsermächtigung auf einer Liegenschaft, dieser einen Entzug von Treuhandeigentum an einem Wohnkomplex. In anderen frühen Fällen hatte sich der Gerichtshof mit Grundstückszusammenlegungen oder provisorischen ___________ 25. In order to determine whether the contested measures amounted to controlling the “use of property” within the meaning of the second paragraph or constituted deprivation of possessions under the first paragraph, the Court will … . 26. The Government did not deny that there had been an interference with the applicant’s right to peaceful enjoyment of his possessions. They contended, however, that the seizure and confiscation was justified on the basis of the exceptions allowed under Article 1 (P1-1) to the principle set forth in the first sentence of that provision. Air Canada gg Vereingtes Königreich, Urteil vom 5. Mai 1995, Serie A, Nr. 316-A, §§ 27, 28: 27. The applicant company complained that the seizure of its aircraft and the subsequent requirement to pay £50,000 for its return amounted to an unjustified interference with the peaceful enjoyment of its possessions contrary to Article 1 of Protocol No. 1 (P1-1) to the Convention which reads: … 28. It is not in dispute between those appearing before the Court that the matters complained of constituted an interference with the peaceful enjoyment of the applicant’s possessions. Wittek gg Deutschland, Nr. 37290/97, Urteil vom 12. Dezember 2002, ECHR 2002X, §§ 42, 43: 42. … the notion “possessions” in Article 1 of Protocol No. 1 has an autonomous meaning which is not limited to ownership of physical goods: … . 43. The Court notes that in the present case the applicants had a right of property in their dwelling house, coupled with a usufruct over the land belonging to the State on which it stood in accordance with the relevant GDR legislation, the StateOwned Land (Grants of Usufructs) Act of 14 December 1970. Forrer-Niedenthal gg Deutschland, Nr. 47316/99, Urteil vom 20. Februar 2003, §§ 32, 33: 32. D’après la jurisprudence de la Cour, la notion de « biens » de l’article 1 du Protocole no1 a une portée autonome qui ne se limite pas à la propriété de biens corporels : certains autres droits et intérêts constituant des actifs peuvent aussi passer pour des « droits de propriété » et donc pour des « biens » aux fins de cette disposition (…). 33. La Cour relève qu’en l’espèce la requérante était le successeur légal d’une indivision successorale, propriétaire d’un terrain situé en RDA et sur lequel se trouvaient les locaux d’une société pharmaceutique. Für die Lehre siehe z.B.: W. Peukert, Artikel 1 des 1. ZP, in: J. A. Frowein/W. Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK Kommentar², 1996, S. 767; C. Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention3, 2007, Kapitel 25, Wirtschaftliche Grundrechte, Rz 4. 80 EGMR, Sporrong und Lönnroth gg Schweden, Urteil vom 23. September 1982, Serie A, Nr. 52. 81 EGMR, James gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 21. Februar 1986, Serie A, Nr. 98.

B. Sachenrechte

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Grundstückstransfers in landwirtschaftlichen Kommassierungs- (Flurbereinigungs-) verfahren zu befassen.82 Auch ein Superädifikat in Verbindung mit einem Fruchtgenussrecht am Grundstück wurde vom Gerichtshof als „possession“ qualifiziert.83 Im bereits erwähnten Fall Öneryildiz gg Türkei84 qualifizierte der Gerichtshof die Behausung und die in ihr befindlichen Mobilien, die wegen der Nichterfüllung einer positiven Schutzpflicht zerstört worden waren, als im Schutzbereich des Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK; dies, obwohl sie sich auf Staatseigentum befanden. Er stellte fest, dass der Beschwerdeführer Eigentümer der Substanz und aller Einrichtungsgegenstände war, und wies darauf hin, dass im Unterschied zum Fall Chapman gg Vereinigtes Königreich85 die Behörden implizit die Bebauung und Nutzung toleriert hätten.86 Die vom Beschwerdeführer gebaute Behausung und der Umstand, dass er dort mit seiner Familie lebte, wurden als substantielles wirtschaftliches Interesse und in weiterer Folge als „possession“ i.S. des 1. Satzes Art. 1 des 1. ZP zur EMRK angesehen. Sowohl die Kleine Kammer, die den Fall zunächst zu beurteilen hatte, als auch die Große Kammer, die in der Folge darüber endgültig entschied, stellten dies fest: Kleine Kammer: In short, the Court considers that the dwelling built by the applicant and his residence there with his family represented a substantial economic interest. That interest, which the authorities allowed to subsist over a long period of time, amounts to a “possession” within the meaning of the rule laid down in the first sentence of Article 1 § 1 of Protocol No. 1 (…).87 Große Kammer: The Court considers that the applicant’s proprietary interest in his dwelling was of a sufficient nature and sufficiently recognised to constitute a substantive interest and hence a “possession” within the meaning of the rule laid down in the first sentence of Article 1 of Protocol No. 1, which provision is therefore applicable to this aspect of the complaint.88

___________ 82 EGMR, Poiss gg Österreich, Urteil vom 23. April 1987, Serie A, Nr. 117; Erkner and Hofauer gg Österreich, Urteil vom 23. April 1987, Serie A, Nr. 117; Wiesinger gg Österreich, Urteil vom 30. Oktober 1991, Serie A, Nr. 213; Prötsch gg Österreich, Urteil vom 15. November 1996, Reports 1996-V; Håkansson and Sturesson gg Schweden, Urteil vom 21. Februar 1990, Serie A, Nr. 171-A; Piron gg Frankreich, Nr. 36436/97, Urteil vom 14. November 2000. 83 EGMR, Wittek gg Deutschland, Nr. 37290/97, Urteil vom 12. Dezember 2002, ECHR 2002-X, § 43 f. 84 EGMR, Öneryildiz gg Türkei [GC], Nr. 48939/99, Urteil vom 30. November 2004, ECHR 2004-XII. 85 EGMR, Chapman gg Vereinigtes Königreich, Nr. 27238/95, ECHR 2001-I. 86 EGMR, Öneryildiz gg Türkei, Nr. 48939/99, Urteil vom 18. Juni 2002, § 141. 87 Ibid., § 142. 88 EGMR, Öneryildiz gg Türkei [GC], Nr. 48939/99, Urteil vom 30. November 2004, ECHR 2004-XII, § 129.

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1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

Sowohl für Mobilien wie für Immobilien ist es daher heute unbestritten, dass sie vom Eigentumsschutz des 1. ZP zur EMRK umfasst sind.

2. Investitionsschutz Eigentum an beweglichen und unbeweglichen Sachen sowie sonstigen dinglichen Rechten ist routinemäßig in der oben erwähnten ersten Gruppe von Eigentumsrechten in BITs enthalten.89 So beispielsweise in der Investitionsdefinition des BIT zwischen Österreich und Moldau: Artikel 1 Definitionen Für die Zwecke dieses Abkommens (1) umfasst der Begriff „Investition“ alle Vermögenswerte, und insbesondere, aber nicht ausschließlich: a) Eigentum an beweglichen und unbeweglichen Sachen sowie sonstige dingliche Rechte, wie Hypotheken, Zurückbehaltungsrechte, Pfandrechte, Nutzungsrechte und ähnliche Rechte;90

Auch Schiedsgerichte stellten immer wieder fest, dass bewegliche und unbewegliche Sachen vom Schutz umfasst seien. Als Beispiel für einen Fall, in dem eine Enteignung einer beweglichen Sache vorlag, sei der Fall Middle East Cement Shipping and Handling Co. S.A. v. Arab Republic of Egypt91 erwähnt. Es wurde von Ägypten zunächst ein Zementimportverbot erlassen, obwohl dem Unternehmen eine Berechtigung zu zollfreiem Handel erteilt worden war. In der Folge wurde Poseidon, das Schiff des Klägers, zwangsversteigert. Das Schiedsgericht sah das Schiff Poseidon als durch eine enteignungsgleiche Maßnahme entzogen an. Es führte aus: Thus, the Tribunal concludes that the Poseidon was taken by a “measure the effects of which would be tantamount to expropriation” and that the Claimant is entitled to a compensation as provided for under Art. 4. c) of the BIT.92

Auch in Tokios Tokeles v. Ukraine93 hielt ein Schiedsgericht fest, dass physisches Eigentum geschützt sei, indem es ausführte, dass nicht nur dieses, son___________ 89

Dazu siehe oben S. 52 f. Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Moldau über die Förderung und den Schutz von Investitionen, BGBl. III Nr. 142/2002. Hervorhebung durch die Autorin. 91 Middle East Cement Shipping and Handling Co. S. A. v. Arab Republic of Egypt, (Greece/Egypt BIT), Award, 12 April 2002, 7 ICSID Reports 178. 92 Ibid., § 144. 93 Tokios Tokelés v. Ukraine, (Lithuania/Ukraine BIT), Decision on Jurisdiction, 29 April 2004, http://ita.law.uvic.ca/documents/Tokios-Jurisdiction_000.pdf. 90

B. Sachenrechte

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dern auch die damit in Zusammenhang stehende Wirtschaftstätigkeit geschützt sei: Thus, the Respondent’s obligations with respect to “investment” relate not only to the physical property of Lithuanian investors but also to the business operations associated with that physical property.94

Auch Grundstücke waren immer wieder Gegenstand von Enteignungen,95 so beispielsweise in Compañía del Desarrollo de Santa Elena S.A. v. Republic of Costa Rica.96 In dem Fall war unumstritten, dass es sich um eine formelle Enteignung des Grundstückes handelte, fraglich war nur die Höhe der geschuldeten Entschädigung: The Property is located in Costa Rica’s Guanacaste Province, in the northwest corner of the country. The terrain consists of over 30 kilometres of Pacific coastline, as well as numerous rivers, springs, valleys, forests and mountains. On 5 May 1978, Costa Rica issued an expropriation decree for Santa Elena (the “1978 Decree”). This is, at the end of the day, a case of expropriation in which the fundamental issue before the Tribunal is the amount of compensation to be paid by Respondent, Costa Rica, to Claimant, CDSE.97

Auch das IUSCT hielt wiederholt fest, dass physisches Eigentum in Form von Immobilien und Mobilien vom Eigentumsschutz umfasst seien. Zum Teil waren Grundstücke und Mobilien Gegenstand von Eigentumseingriffen und wurden als vom Schutz umfasst angesehen.98 Zum Teil tat das IUSCT dies indi___________ 94

Ibid., § 92. Siehe z.B.: In the Claim of Walter Fletcher Smith v. The Compania Urbanizadora del Parque y Playa de Marianao (Cuba v. USA), 2 UN Reports on International Arbitral Awards (1929), 913-918; The United States of America, on Behalf of Marguerite de Joly de Sabla v. The Republic of Panama, US – Panama Claims Commission, 29 June 1933, 6 UN Reports on International Arbitral Awards, 358–370. 96 Compañía del Desarrollo de Santa Elena S.A. v. Republic of Costa Rica, (Ad-hoc Agreement), Award, 17 February 2000, 5 ICSID Reports 153. 97 Ibid., §§ 15, 17, 54. 98 Siehe z.B.: IUSCT, Starrett Housing Corporation v. Islamic Republic of Iran, Interlocutory Award No. ITL 32-24-1, 19 December 1983, 4 IUSCTR 122, S. 156; Dames and Moore v. Islamic Republic of Iran, Award No. 97-54-3, 20 December 1983, 4 IUSCTR 212, S. 221 (Autos, Büroeinrichtung, Messgeräte etc.); William L. Pereira Associates, Iran v. Islamic Republic of Iran, Award Nr. 116-1-3, 19 March 1984, 5 IUSCTR 198, S. 226 f. (Büroeinrichtung, Auto); Sedco, Inc. v. National Iranian Oil Company, Interlocutory Award Nr. ITL 55-129-3, 28 October 1985, 9 IUSCTR, 248, S. 266 (Ölfördereinrichtung); Oil Field of Texas, Inc. v. Islamic Republic of Iran, Nr. 258-43-1, 8 October 1986, 12 IUSCTR 308, S. 318 f. (Druckausgleichssysteme); Sola Tiles Inc. v. Islamic Republic of Iran, Nr. 298-317-1, 22 April 1987, 14 IUSCTR 223, S. 231 ff., 240; Kenneth P. Yeager v. Islamic Republic of Iran, Partial Award No. 32410199-1, 2 November 1987, 17 IUSCTR 92, S. 100, § 31; Leonard and Mavis Daley v. Islamic Republic of Iran, Award No. 360-10514-1, 20 April 1988, 18 IUSCTR 232, S. 237 ff.; United Painting Company, Inc. v. Islamic Republic of Iran, Nr. 458-11286-3, 95

70

1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

rekt, indem es darauf hinwies, dass nicht nur physisches Eigentum sondern auch Vertragsrechte geschützt seien.99 Probleme vor dem IUSCT im Zusammenhang mit Mobilien betrafen stets bloß Beweisfragen, beispielsweise, ob Schmuckstücke tatsächlich entzogen worden waren.100 Sowohl in der Judikatur von Investitionsschiedsgerichten als auch in jener des IUSCT ist die Frage, ob Mobilien und Immobilien vom geschützten Eigentumsbegriff umfasst seien, nie strittig geworden. Im Bereich des Menschenrechtsschutzes ist bereits sehr früh geklärt worden, dass auch Immobilien vom Schutzbereich umfasst sind. Es ist daher festzuhalten, dass Mobilien und Immobilien im Einklang mit dem allgemeinen Völkerrecht sowohl von Menschenrechtsgerichten als auch von Investitionsschiedsgerichten stets als vom Schutz des Eigentumsrechts umfasst angesehen wurden.

II. Sonstige Sachenrechte Sicherheitsrechte, beispielsweise ein Eigentumsvorbehalt, wurden auch als vom Schutz des Artikel 1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK erfasst angesehen.101 Hinsichtlich des Erbrechts hat der EGMR wiederholt festgestellt, dass es

___________ 20 December 1989, 23 IUSCTR 351, S. 369 ff.; Harold Birnbaum v. Islamic Republic of Iran, Award No. 549-967-2, 6 July 1993, 29 IUSCTR 260, S. 275 ff. (Bürogebäude). 99 IUSCT, Phillips Petrolium Co. Iran v. Islamic Republic of Iran, Award No. 42539-2, 29 June 1989, 21 IUSCTR, 79, S. 106, § 76: … expropriation … of the property of an alien gives rise under international law to liability for compensation, and this is so ... whether the property is tangible, such as real estate or a factory, or intangible, … 100 Siehe z.B.: IUSCT, Dames and Moore v. Islamic Republic of Iran, Award No. 9754-3, 20 December 1983, 4 IUSCTR 212, S. 223; In der Literatur siehe ausführlich: C. N. Brower/J. D. Brueschke, The Iran-United States Claims Tribunal, 1998, S. 389 ff. 101 EGMR, Gasus Fördertechnik GmbH gg Niederlande, 23.2.1995, Serie A, Nr. 306-B, § 53: [t]he Court recalls that the notion “possession” in Article 1 has an autonomous meaning which is certainly not limited to ownership of physical goods: certain other rights and interests constituting assets can also be regarded as “property rights” and thus as “possessions”, for the purpose of this provision. In the present context it is therefore immaterial whether Gasus’s right to the concrete mixer is to be considered as a right of ownership or as a security right in rem. In diesem Sinne auch, Forrer-Niedenthal gg Deutschland, Nr. 47316/99, Urteil vom 20. Februar 2003, § 32.

C. Immaterialgüterrechte

71

kein Recht auf Eigentumserwerb gebe.102 Die bloße Möglichkeit, jemanden zu beerben, begründet daher noch kein von Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK geschütztes Recht.103 Folglich kann ein Erbe sich erst dann auf Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK berufen, wenn er nachweisen kann, dass ihm ein Anteil am Nachlass zusteht.104 Sehr wohl geschützt ist das Recht des Erblassers, von Todes wegen über sein Vermögen zu disponieren.105

C. Immaterialgüterrechte Im Menschenrechtsschutz gibt es nur wenige Fälle, die den Eigentumsschutz von Immaterialgüterrechten betreffen: In British-American Tobacco Ltd106 verneinte die Europäische Kommission für Menschenrechte die Anwendbarkeit von Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK auf ein Verfahren zur Gewährung eines Patents, weil nur bereits existierende Eigentumsrechte geschützt seien: The Commission recalls that Article 1 of Protocol No. 1 applies only to existing possessions (…). In the present case, the applicant company did not succeed in obtaining an effective protection for their invention by means of a patent. Consequently, the company were denied a protected intellectual property right but were not deprived of their existing property.107

___________ 102 Siehe z.B.: EGMR, Marckx gg Belgien, Urteil vom 13. Juni 1979, Serie A, Nr. 31, § 50; ZwierzyĔski gg Polen, Nr. 34049/96, Urteil vom 19. Juli 2001, ECHR 2001-VI, § 61. 103 EGMR, Marckx gg Belgien, Urteil vom 13. Juni 1979, Serie A, Nr. 31, § 50: ... like the Commission and the Government, it notes that this Article (P1-1) does no more than enshrine the right of everyone to the peaceful enjoyment of “his” possessions, that consequently it applies only to a person’s existing possessions and that it does not guarantee the right to acquire possessions whether on intestacy or through voluntary dispositions. 104 EGMR, Inze gg Österreich, Urteil vom 28. Oktober 1987, Serie A, Nr. 126, § 38; ZwierzyĔski gg Polen, Nr. 34049/96, Urteil vom 19. Juli 2001, ECHR 2001-VI, § 64; Mazurek gg Frankreich, Nr. 34406/97, Urteil vom 1. Februar 2000, § 42. 105 EGMR, Marckx gg Belgien, Urteil vom 13. Juni 1979, Serie A, Nr. 31, § 63. 106 EKMR, British-American Tobacco Ltd gg Niederlande, Bericht gemäß Art. 31 vom 19. Mai 1994, abgedruckt in EGMR, British-American Tobacco Ltd gg Niederlande, Urteil vom 22. November 1995, Serie A, Nr. 331, S. 32 ff. 107 Ibid., §§ 71, 72.

72

1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

Dies lässt nicht auf eine Verweigerung des Schutzes von Artikel 1 für Patentrechte schließen, sondern ist durchaus in Übereinstimmung mit der Judikatur, wonach nur bereits erworbene Rechte vom Schutzbereich umfasst sind. In Smith-Kline and Frensh Laboratories108 bejahte die Kommission die Anwendbarkeit des Art. 1 des 1. ZP auf ein Patentrecht unter Verweis auf den Umstand, dass auch die nationale Rechtsordnung dieses Recht als persönliches Eigentum, das auch übertragbar sei, einstufe: The Commission notes that under Dutch law the holder of a patent is referred to as the proprietor of a patent and that patents are deemed, subject to the provisions of the Patents Act, to be personal property which is transferable and assignable. The Commission finds that a patent accordingly falls within the scope of the term “possessions” in Article 1 of Protocol No. 1 (P1-1).109

In Anheuser-Busch Inc. gg Portugal110 stellte der Gerichtshof klar, dass Immaterialgüterrechte vom Schutzbereich des Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls umfasst seien. Zweitens erkannte er, dass der Schutz bereits vor erfolgter Eintragung der Marke bestehe. Der Fall betraf einen Antrag der Firma Anheuser-Busch aus 1981 an das portugiesische Institut für industrielles Eigentum (INPI) auf Registrierung von „Budweiser“ als Marke. Diesem Antrag wurde nicht sofort entsprochen, weil „Budweiser Bier“ bereits als Herkunftsbezeichnung zu Gunsten des tschechischen Unternehmens Budejovicky Budvar eingetragen war. 1989 brachte der Beschwerdeführer (die Firma Anheuser-Busch) eine Klage auf Löschung der Eintragung der Herkunftsbezeichnung ein. Dieser wurde durch ein rechtskräftiges innerstaatliches Urteil 1995 stattgegeben und die Marke registriert. Diese Entscheidung bekämpfte das tschechische Unternehmen vor einem Lissabonner Gericht. Es berief sich auf ein bilaterales Abkommen zwischen Portugal und der Tschechoslowakei. Das Abkommen schützte registrierte Herkunftsbezeichnungen. Das erstinstanzliche Gericht wies die Klage ab, die Rechtsmittelinstanz gab ihr jedoch statt und wies INPI an, die Eintragung der Marke „Budweiser“ zu verweigern. Der Oberste Gerichtshof wies ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung ab. Er berief sich darauf, dass die Herkunftsbezeichnung unter dem Abkommen geschützt war. Die Marke zugunsten von Anheuser-Busch wurde daher gelöscht. Der EGMR stellte zur Beschwerde von Anheuser-Busch eindeutig fest, dass Immaterialgüterrechte als solche vom Schutz umfasst sind: ___________ 108

EKMR, Smith-Kline and Frensh Laboratories, Nr. 12633/87, Entscheidung vom 4. Oktober 1990, DR 66, 70. 109 Ibid., S. 79. 110 EGMR, Anheuser-Busch Inc. gg Portugal [GC], Nr. 73049/01, Urteil vom 11. Jänner 2007.

C. Immaterialgüterrechte

73

… the Grand Chamber agrees with the Chamber’s conclusion that Article 1 of Protocol No. 1 is applicable to intellectual property as such.111

Umstritten war jedoch, ab wann ein solcher Schutz zu gewähren ist. Die Kleine Kammer und die Große Kammer vertraten hierzu verschiedene Ansichten. Beide stellten fest, dass schon ab Antrag auf Registrierung einer Marke dem Antragsteller bestimmte Rechte gewährt würden. Mit diesen seien auch wirtschaftliche Interessen und ein gewisser Rechtsschutz verbunden. Jedoch führte die Bedingtheit der Rechtsposition dazu, dass die Kleine Kammer das Vorliegen des Eigentumsrechts verneinte, weil die Bedingung nicht eingetreten war. Die Große Kammer fand, dass es für das Vorliegen eines geschützten Eigentums ausreiche, wenn dem Antragsteller bestimmte Rechte eingeräumt worden waren, mit denen wirtschaftliche Interessen verbunden seien. Dass diese unter bestimmten Bedingungen entzogen werden können, schade nicht: It agrees with the Chamber that such applications [an application for the registration of a trade mark] may give rise to a variety of legal transactions, such as a sale or licence agreement for consideration, and possess – or are capable of possessing – a substantial financial value. … The applicant company therefore owned a set of proprietary rights – linked to its application for the registration of a trade mark – that were recognised under Portuguese law, even though they could be revoked under certain conditions. This suffices to make Article 1 of Protocol No 1 applicable in the instant case and to make it unnecessary for the Court to examine whether the applicant company could claim to have had a “legitimate expectation”.112

Persönliche Schriftstücke wie Briefe, die privaten und nicht wirtschaftlichen Zwecken dienen, wurden nicht als von Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK geschützt angesehen.113 Durch die Judikatur ist für den Bereich des 1. ZP zur EMRK nunmehr klargestellt, dass Immaterialgüterrechte geschützt sind. Hinsichtlich des Zeitpunkts, ab dem der Schutz gegeben ist, steht fest, dass, wenn bereits die Antragstellung bestimmte wirtschaftliche Rechte und Interessen mit sich bringt, bereits vor der erfolgten Eintragung etwa einer Marke oder eines Patents ein von der Konvention geschütztes Eigentumsrecht vorliegt. Auch in der Literatur wird einhellig davon ausgegangen, dass Immaterialgüterrechte vom Schutzbereich des Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK umfasst sind.114 ___________ 111

Ibid., § 72. Ibid., §§ 76, 77. 113 EKMR, A.D. gg die Niederlande, Nr. 21962/93, Entscheidung vom 11. Jänner 1994, DR 76-A, 157. 114 C. Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention3, 2008, Kapitel 25, Wirtschaftliche Grundrechte, Rz 4; W. Peukert, Der Schutz des Eigentums nach Art. 1 112

74

1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

In bilateralen Investitionsschutzverträgen sind geistige und gewerbliche Schutzrechte regelmäßig in der Investitionsdefinition enthalten.115 So umfasst die Investitionsdefinition des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Moldau über die Förderung und den Schutz von Investitionen:116 d) geistige und gewerbliche Schutzrechte, wie sie in den im Rahmen der Weltorganisation für Geistiges Eigentum abgeschlossenen multilateralen Abkommen definiert wurden, einschließlich, aber nicht beschränkt auf Urheberrechte, Handelsmarken, Erfinderpatente, gewerbliche Modelle sowie technische Verfahren, Know-how, Handelsgeheimnisse, Handelsnamen und Goodwill;

Jedoch gibt es auch im Investitionsschutz nur wenig Judikatur in diesem Bereich. Der Ständige Internationale Gerichtshof sah im Fall German Interests in Polish Upper Silesia auch Patente, Verträge und Managementrechte als im Widerspruch zu den Artikeln 6 ff. der zwischen Polen und Deutschland 1922 abgeschlossenen Genfer Konvention117 als enteignet an.118 In diesem Fall hat die Enteignung eines Unternehmens mittelbar zum Entzug der Immaterialgüterrechte eines anderen Unternehmens geführt. Immaterialgüterrechte fallen jedenfalls unter die weite Eigentumsdefinition, die das IUSCT im Amoco119 Fall vorgenommen hat: ___________ des ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention, 8 EuGRZ 1981, S. 103; C. von Milczewski, Grundrechtlicher Schutz des Eigentums im Europäischen Gemeinschaftsrecht, 1994, S. 127; P. Mittelberger, Der Eigentumsschutz nach Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur EMRK im Lichte der Rechtsprechung der Strassburger Organe, 2000, S. 22 f.; K. Gelinsky, Der Schutz des Eigentums gemäß Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention, 1996, S. 32; O. Müller-Michaels, Grundrechtlicher Eigentumsschutz in der Europäischen Union, 1996, S. 65; W. Peukert, Artikel 1 des 1. ZP, in: J. A. Frowein/W. Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK Kommentar², S. 768; E. Riedel, Entschädigung für Eigentumsentzug nach Artikel 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur europäischen Menschenrechtskonvention, 15 EuGRZ 1988, S. 334. 115 Siehe dazu oben, S. 53. 116 BGBl. III Nr. 142/2002, Artikel 1 Definitionen. 117 Geneva Convention, abgeschlossen in Genf am 15. Mai 1922 zwischen Deutschland und Polen, Head III, Article 6: Poland may expropriate in Polish Upper Silesia, in conformity with the provision of Articles 7 to 23, undertakings belonging to the category of major industries including mineral deposits and rural estates. Except as provided in these clauses, the property, rights and interests of German nationals or of companies controlled by German nationals may not be liquidated in Polish Upper Silesia. (abgedruckt im Urteil, S. 21). 118 PCIJ Series A, No. 7 (1926), S. 44. 119 IUSCT, Amoco International Finance Corporation v. The Government of the Islamic Republic of Iran, et al., Partial Award No. 310-56-3, 14 July 1987, 15 IUSCTR 189.

D. Unternehmensbeteiligungen

75

Expropriation, which can be defined as a compulsory transfer of property rights, may extend to any right which can be the object of a commercial transaction, i.e., freely sold and bought, and thus has monetary value.120

Auch im Schrifttum wird davon ausgegangen, dass Immaterialgüterrechte vom investitionsrechtlichen Eigentumsschutz umfasst sind.121

D. Unternehmensbeteiligungen Unternehmensbeteiligungen weisen sowohl sachen- als auch schuldrechtliche Aspekte auf. Hinsichtlich der Anrechte auf eine Gewinnbeteiligung oder Dividende (bei Aktiengesellschaften) liegen schuldrechtliche Ansprüche vor. Bei den Mitwirkungs- und Kontrollrechten am Management eines Unternehmens sowie den Teilnahmerechten an der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft, die verbunden sind mit Stimm-, Rede- und Fragerechten, überwiegen die sachenrechtlichen Aspekte. Deshalb werden Unternehmensbeteiligungen als eigene Unterkategorie der Schutzobjekte behandelt. Es stellen sich im Zusammenhang mit Rechten aus Unternehmensbeteiligungen vier Fragen, denen im Folgenden nachgegangen wird. –

Fallen Aktien und sonstige Anteilsrechte in die jeweiligen Schutzbereiche?



Sind (Minderheiten-)Aktionäre berechtigt, Ansprüche unabhängig vom Unternehmen geltend zu machen?



Können Aktionäre und sonstige Unternehmensbeteiligte Rechte geltend machen, wenn nicht die Anteilsrechte per se beeinträchtigt werden, sondern Unternehmensrechte, die zu einem Wertverlust der Anteilsrechte führen?



Ist „indirect shareholding“ über eine oder mehrere dazwischen geschaltete Gesellschaften auch geschützt?

Die letzten drei Fragen betreffen nicht direkt das Schutzobjekt der Unternehmensbeteiligung als solches, sondern beschäftigen sich eher mit der Möglichkeit, Rechte aus Unternehmensbeteiligungen geltend zu machen. Diese Fragen sind jedoch eng mit der Frage des Schutzumfangs ratione materiae ___________ 120

Ibid., S. 220, § 108. Siehe z.B.: C. M. Correa, Bilateral Investment Agreements: Agents of new global standards for the protection of intellectual property rights, 1994, http://www.grain.org/ briefings/?id=186#correa. 121

76

1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

verknüpft. Ihre Beantwortung hat erhebliche Auswirkungen auf den tatsächlichen Schutzumfang im Bereich von Unternehmensbeteiligungen. Zudem bestehen gerade in diesem essentiellen Punkt wesentliche Unterschiede zwischen dem Menschenrechts- und dem Investitionsschutz. Diese Fragen werden daher aufgrund ihrer Wichtigkeit für den Schutzumfang für Unternehmensbeteiligungen hier mitbehandelt.

I. Aktien und sonstige Anteilsrechte 1. Menschenrechtsschutz Wiederholt wurde von den Straßburger Organen festgestellt, dass Aktien als solche in den Schutzbereich des Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK fallen.122 In der Entscheidung Bramelid & Malmström gg Schweden,123 wo es um einen Zwangsverkauf von Aktien an den Mehrheitsaktionär ging, stellte die Kommission fest: A company share is a complex thing: certifying that the holder possesses a share in the company, together with the corresponding rights (especially voting rights), it also constitutes, as it were, an indirect claim on company assets. In the present case, there is no doubt that the NK shares had an economic value. The Commission is therefore of the opinion that, with respect to Article 1 of the First Protocol, the NK shares held by the applicants were indeed “possessions” giving rise to a right of ownership.124

Der Gerichtshof bestätigte diese Qualifikation indirekt, als er im Fall Lithgow ua gg Vereinigtes Königreich125 eine Nationalisierung von Aktien an ___________ 122 Siehe z.B.: EKMR, Bramelid & Malmström gg Schweden, Nr. 8588/79, 8589/79, Entscheidung vom 12. Oktober 1982, DR 29 (1982) S. 64; EGMR, Lithgow u.a. gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 8. Juli 1986, Serie A, Nr. 102; EKMR, Société S & T gg Schweden, Nr. 11189/84, Entscheidung vom 11. Dezember 1986, DR 50, 121, S. 139; Yarrow P.L.C. u.a. gg Vereinigtes Königreich, Nr. 9266/81, Entscheidung vom 28. Jänner 1983, DR 30, 155, S. 187; EGMR, Offerhaus und Offerhaus gg NL, Nr. 35730/97, Entscheidung vom 16. Jänner 2001 (Zwangsverkauf an Mehrheitsaktionär); Marini gg Albanien, Nr. 3738/02, Urteil vom 18. Dezember 2007, §164. 123 EKMR, Bramelid & Malmström gg Schweden, Nr. 8588/79, 8589/79, Entscheidung vom 12. Oktober 1982, DR 29, S. 64. 124 Ibid., S. 81. Condorelli kritisierte, dass die Kommission meinte, dass Aktien „in diesem Fall“ einen wirtschaftlichen Wert hätten, weil er zu Recht der Ansicht ist, dass dies immer der Fall sei. (L. Condorelli, Premier Protocol additionnel Article 1, in: L-E. Pettiti/E. Decaux/P.-H. Imbert (Hrsg.), La Convention européenne des Droits de l’homme, Commentare article par article, 1995, S. 976, FN 5); i.d.S. auch P. Mittelberger, Der Eigentumsschutz nach Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur EMRK im Lichte der Rechtsprechung der Strassburger Organe, S. 21, FN 104. 125 EGMR, Lithgow u.a. gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 8. Juli 1986, Serie A, Nr. 102.

D. Unternehmensbeteiligungen

77

britischen Unternehmen mittels Luftfahrt- und Schiffbauindustriegesetz als Enteignung im Sinne des Art. 1 des 1. ZP ansah.126 Auch in rezenteren Fällen, wie in Sovtransavto Holding gg Ukraine,127 bestätigte der Gerichtshof, dass die Aktionäre einen Teil des Kapitals der Gesellschaft und die damit verbundenen Rechte innehatten. Die Aktien hätten unzweifelhaft einen wirtschaftlichen Wert und könnten daher als „possession“ im Sinn von Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls angesehen werden: … the shares held by the applicant company undoubtedly had an economic value and constituted “possessions” within the meaning of Article 1 of Protocol No. 1.128

Auch der Interamerikanische Gerichtshof bejahte die Frage, ob Aktien Eigentum im Sinne der Konvention seien. Im Fall Ivcher Bronstein Case v. Peru129 sagte er: … it may be concluded that … he owned shares in the Company and that, in 1986, they represented 53,95%, and he was therefore the Company’s majority shareholder. Obviously, this participation in the share capital could be evaluated and formed part of its owner’s patrimony from the moment of its acquisition; as such, that participation constituted a property over which Mr. Ivcher had the right to use and enjoyment. 130

Der Gerichtshof stellte in der Folge eine Enteignung des Klägers fest.131 Individuen können sich daher im Falle eines Entzugs von Anteilsrechten an einem Unternehmen erfolgreich auf Artikel 21 der Amerikanische Menschenrechtskonvention berufen. Beide Gerichtshöfe stellen also auf den wirtschaftlichen Wert der Aktien ab und bejahen im Hinblick auf Aktien das Vorliegen von Eigentum im Sinne der jeweiligen Konvention.

___________ 126

Ibid., § 107. EGMR, Sovtransavto Holding gg Ukraine, Nr. 48553/99, Entscheidung vom 27. September 2001, Urteil vom 25. Juli 2002, ECHR 2002-VII. Ebenfalls i.d.S. EGMR, Olczak gg Polen, Nr. 30417/96, Entscheidung vom 7. November 2002, ECHR 2002-X, § 60. 128 EGMR, Sovtransavto Holding gg Ukraine, Urteil vom 25. Juli 2002, ECHR 2002VII, § 91. 129 IAGMR, Ivcher Bronstein Case v. Peru, Urteil vom 6. Februar 2001, Series C No. 74. 130 Ibid., § 123. 131 Ibid., § 127. 127

78

1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

2. Investitionsschutz Aktien oder Anteilsrechte sind durchwegs in den Investitionsdefinitionen von BITs enthalten und meist ausdrücklich angeführt.132 So umfasst beispielsweise Artikel 1 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Moldau über die Förderung und den Schutz von Investitionen133 auch Unternehmensbeteiligungen und Anteilsrechte: Artikel 1 Definitionen Für die Zwecke dieses Abkommens (1) umfasst der Begriff „Investition“ alle Vermögenswerte, und insbesondere, aber nicht ausschließlich: … b) Anteilsrechte und andere Arten von Beteiligungen an Unternehmen;

Auch Schiedsgerichte haben regelmäßig Aktien sowohl von Minderheits- als auch von Mehrheitsaktionären als geschützt angesehen.134 In Benvenuti and ___________ 132

Siehe R. Dolzer/M. Stevens, Bilateral Investment Treaties, 1995, S. 27 f. Zum Schutz von Aktionären im Internationalen Investitionsrecht siehe: C. Schreuer, Shareholder Protection in International Investment Law, in: P.-M. Dupuy/B. Fassbender/M. N. Shaw u.a. (Hrsg.), Völkerrecht als Wertordnung, Festschrift für Christian Tomuschat, 2006, 601–619; S. A. Alexandrov, The “Baby Boom” of TreatyBased Arbitrations and the Jurisdiction of ICSID Tribunals: Shareholders as “Investors” and Jurisdiction Ratione Temporis, 4 The Law and Practice of International Courts and Tribunals, 2005, 19–59. Artikel 1139 NAFTA Definitions …investment means: e. an interest in an enterprise that entitles the owner to share in income or profits of the enterprise; f. an interest in an enterprise that entitles the owner to share in the assets of that enterprise on dissolution, other than a debt security or a loan excluded from subparagraph (c) or (d); … Artikel 1(6)(b) Energy Charter Treaty (6) “Investment” means every kind of asset, owned or controlled directly or indirectly by an Investor and includes: (b) a company or business enterprise, or shares, stock, or other forms of equity participation in a company or business enterprise, and bonds and other debt of a company or business enterprise; … 133 BGBl. III Nr. 142/2002. 134 Für weitere in der Folge nicht behandelte Fälle betreffend Aktien siehe z.B.: Antoine Goetz and Others v. Republic of Burundi, (Belgium-Luxembourg Economic Union/Burundi BIT), Award, 10 February 1999, 6 ICSID Reports 5; Maffezini v. The Kingdom of Spain, (Argentina/Spain BIT), Decision on Jurisdiction, 25 January 2000, 5 ICSID Reports 396, §§ 68–70; Genin, Eastern Credit Limited, Inc. and A.S. Baltoil v. The Republic of Estonia, (United States/Estonia BIT), Award, 25 June 2001, 6 ICSID

D. Unternehmensbeteiligungen

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Bonfant v. Kongo135 wurde das Schiedsgericht nicht aufgrund eines BIT, sondern aufgrund eines Investitionsvertrags zwischen Investor und Gastgeberstaat tätig. B&B hielt 40% der Aktien an PLASCO. Das Schiedsgericht stellte fest, dass die Regierung diese de facto enteignet habe und daher zu einer Entschädigungsleistung verpflichtet sei: The Tribunal therefore considers that the Government did, in fact, appropriate B&B’s share in PLASCO and owes it damages.136

Aktien wurden daher eindeutig als vom Schutz umfasst angesehen. Auch in AMT v. Zaire137 reichte der Umstand aus, dass der Investor Mehrheitsaktionär an einem zairischen Unternehmen war, um unter den Investitionsbegriff des BIT zwischen Zaire und den Vereinigten Staaten zu fallen. Die Investitionsdefinition dieses BITs enthält „… shares of stock or other interests in a company…“.138 Die Investition lag in der Beteiligung am Unternehmen.139 ___________ Reports 241, § 324; CME Czech Republic B. V. (The Netherlands) v. The Czech Republic, (Netherlands/Czech Republic BIT), Partial Award, 13 September 2001, 9 ICSID Reports 121; Compañía de Aguas del Aconquija, S. A. & Compagnie Générale des Eaux/Vivendi Universal v. Argentine Republic, (France/Argentina BIT), Decision on Annulment, 3 July 2002, 6 ICSID Reports 340; Azurix Corp. v. Argentine Republic, (United States/Argentina BIT), Decision on Jurisdiction, 8 December 2003, 10 ICSID Reports 416, § 63; LG&E Energy Corp. v. Argentine Republic, (United States/Argentina BIT), Decision on Jurisdiction, 30 April 2004, http://ita.law.uvic.ca/documents/LGEDecisionJurisdiction-English.pdf, §§ 50–63; Plama Consortium Ltd. v. Republic of Bulgaria, (ECT), Decision on Jurisdiction, 8 February 2005, http://ita.law.uvic.ca/ documents/plamavbulgaria.pdf, §§ 125–129; Camuzzi v. Argentina, (Belgo-Luxembourg/Argentina BIT), Decision on Jurisdiction, 11 May 2005, http://ita.law.uvic.ca/do c uments/camuzzijurisdiction.pdf, §§ 12, 78–82, 140–142; Gas Natural SDG, S. A. v. Argentina, (Argentina/Spain BIT), Decision on Jurisdiction, 17 June 2005, http://ita.La w.uvic.ca/documents/GasNaturalSDG-DecisiononPreliminaryQuestionsonJurisdiction.p df, §§ 32–35, 50–51; AES Corporation v. Argentina, (US/Argentina BIT), Decision on Jurisdiction, 26 April 2005, 12 ICSID Reports 312, §§ 85–89; Compañía de Aguas del Aconquija, S. A. & Vivendi Universal S. A. v. Argentina (Vivendi II), (France/Argentina BIT), Decision on Jurisdiction, 14 November 2005, http://ita.law.uvic.ca/documents/ AgueasVivendijurisdictiondecision.pdf, §§ 88–94; Continental Casualty v. Argentina, (US/Argentina BIT), Decision on Jurisdiction, 22 February 2006, http://ita.law. uvic.ca/documents/ContinentalCasualty-Jurisdiction.pdf, §§ 51–54, 76–89; Saluka Investments BV v. Czech Republic, (Dutch/Czech BIT), Partial Award, 17 March 2006, http://ita.law.uvic.ca/documents/Saluka-PartialawardFinal.pdf, 205; National Grid plc v. The Argentine Republic, (UK/Argentina BIT), Decision on Jurisdiction, 20 June 2006, http://ita.law.uvic.ca/documents/NationalGrid-Jurisdiction-En.pdf, §§ 154–158. 135 Benvenuti and Bonfant v. Kongo, (Investment Agreement), Award of 8 August 1980, 67 ILR 1984, 345. 136 Ibid., 4.62. 137 American Manufacturing & Trading, Inc. v. Republic of Zaire, (United States/Zaire BIT), Award, 21 February 1997, 5 ICSID Reports 14. 138 Article I (c), wiedergegeben in § 5.14 des Awards. 139 Ibid., §§ 5.14, 5.15.

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1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

Gleiches gilt für den CME-Fall,140 wo das Schiedsgericht zunächst feststellte, dass Aktien von der Investitionsdefinition umfasst seien: […] Article 1 (a) [of the Treaty] provides that the term investment shall comprise every kind of asset invested either directly or through an investor of a third State. The investment can be (inter alia) shares, other kinds of interests in companies and joint ventures, as well as rights deriving therefrom, title to money and other assets and to any performance having an economic value. The Claimant is the 99% shareholder of CNTS. These shares as well as all rights deriving therefrom qualify as an investment of the Claimant under Article 8.1 and Article 1 (a) (ii) of the Treaty.141

In der Folge sah es die Investition als enteignet an.142 Ebenso führte das Schiedsgericht in Siemens143 ausdrücklich an, dass Aktien und Beteiligungsrechte eine vom anwendbaren BIT geschützte Investition seien: The definition of “investment” is very broad. … The specific categories of investment included in the definition are included as examples rather than with the purpose of excluding those not listed. The drafters were careful to use the words “not exclusively” before listing the categories of “particularly” included investments. One of the categories consists of “shares, rights of participation in companies and other types of participation in companies” … The plain meaning of this provision is that shares held by a German shareholder are protected under the Treaty.144

Auch Kammern des IUSCT haben wiederholt festgestellt, dass Aktien und die damit verbundenen Mitwirkungsrechte sowie das Recht, Dividenden ausgeschüttet zu erhalten, vom Schutzbereich umfasst seien.145 ___________ 140 CME v. The Czech Republic, (Netherlands/Czech Republic BIT), Partial Award, 13 September 2001, 9 ICSID Reports 121. 141 Ibid., §§ 375, 376. 142 Ibid., §§ 607, 609. 143 Siemens AG v. Argentine Republic, (Argentina/Germany BIT), Decision on Jurisdiction, 3 August 2004, 12 ICSID Reports 174. 144 Ibid., § 137. 145 Für weitere in der Folge nicht behandelte Fälle betreffend die Anspruchsberechtigung von Minderheitenaktionären siehe z.B.: IUSCT, Ataollah Golpira v. The Islamic Republic of Iran, Award No. 32-211-2, 29 March 1983, 2 IUSCTR 171 (Golpira hielt 8% an der Borzooyeh Medical Group – zwar vom Schutzbereich umfasst, jedoch nicht enteignet); Sedco, Inc. v. National Iranian Oil Company, Interlocutory Award, Nr. ITL 55-129-3, 28 October 1985, 9 IUSCTR 248, 264 f. (direkte Enteignung von Sedcos Aktien an Sediran); Thomas Earl Payne v. The Islamic Republic of Iran, Award No. 245-335-2, 8 August 1986, 12 IUSCTR 3, S. 13 (Payne hatte durchschnittlich 34% Aktien Anteil an Berkeh und Irantronics); Otis Elevator Company v. Islamic Republic of Iran, 14 IUSCTR 283, (Es lag eine Enteignung der 40% Stammaktien an Iran Elevator Company Ltd. vor, die Otis hielt.); Merrill Lynch & Co, Inc. v. The Islamic Republic of Iran, 27 IUSCTR 122, S. 143, (40 % Aktien von IFSC); Amoco International Finance

D. Unternehmensbeteiligungen

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So wurde beispielsweise das US Unternehmen Phelps Dodge,146 das 19,36 Prozent der Aktien von SICAB (einem iranischen Unternehmen) hielt, vom IUSCT als anspruchsberechtigt angesehen. Das IUSCT stellt eine de facto Enteignung der Eigentümerrechte von Phelps Dodge an SICAB fest: Applying the rule of law set forth in Article IV of the Treaty of Amity to the present case, it is clear that the taking of Phelps Dodge’s property, that is its ownership rights in SICAB, required the prompt payment of “just compensation”, which must represent the “full equivalent” of the property taken. … It remains to determine what is the “full equivalent” of Phelps Dodge’s 19.36 percent interest in SICAB.147

Foremost Tehran148 machte den Entzug seiner Anteile an Pak Dairy vor dem IUSCT geltend. Der genaue Anteil der Beteiligung von Foremost war zunächst umstritten. Das IUSCT stellte in der Folge fest, dass Foremost Tehran für 31% der Aktien und daher als Minderheitenaktionär klageberechtigt sei: Foremost is therefore entitled to make its claim in respect of all 31%.149

Anteilsrechte an einer Partnerschaft waren der Streitgegenstand in Birnbaum.150 Das IUSCT stellte fest, dass es für die Klage über den Entzug von 8,6% der Anteile an AFFA, einer iranischen Partnerschaft, zuständig sei: He [Birnbaum] claims against The Islamic Republic of Iran (…) for the value of his 8.6 percent ownership interest in Abdolaziz Farmanfarmaian & Associated (“AFFA”), an Iranian architectural and engineering partnership, which he alleges was expropriated … . The claim is for the alleged deprivation of the Claimant’s property interest in AFFA and therefore falls within the Tribunal’s subject matter jurisdiction …151

Auch die schon erwähnte weite Schutzbereichsdefinition im Fall Amoco,152 die jedes Recht, das Gegenstand einer wirtschaftlichen Transaktion sein kann,

___________ Corporation v. The Government of the Islamic Republic of Iran, et al., Partial Award No. 310-56-3, 14 July 1987, 15 IUSCTR 189, S. 220, (50% der Aktien von Khemco). In diesem Sinne auch: C. N. Brower/J. D. Brueschke, The Iran-United States Claims Tribunal, 1998, S. 374; A. Mouri, The International Law of Expropriation as Reflected in the Work of the Iran-United States Claims Tribunal, 1994, S. 50. 146 IUSCT, Phelps Dodge Corp. v. The Islamic Republic of Iran, Award No. 217-992, 19 March 1986, 10 IUSCTR 121. 147 Ibid., §§ 28, 29. 148 IUSCT, Foremost Tehran, Inc. v. The Islamic Republic of Iran, Award No. 22037/231-1, 11 April 1986, 10 IUSCTR 228. 149 Ibid., S. 240. 150 IUSCT, Birnbaum v. The Islamic Republic of Iran, Nr. 549-967-2, 6 July 1993, 29 IUSCTR 260. 151 Ibid., §§ 1, 19.

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1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

als innerhalb des Schutzbereiches liegend ansieht, erfasst eindeutig Aktien und andere Unternehmensbeteiligungen: Expropriation, which can be defined as a compulsory transfer of property rights, may extend to any right which can be the object of a commercial transaction, i.e., freely sold and bought, and thus has monetary value.153

Somit sind Aktien und sonstige Unternehmensbeteiligungen eindeutig vom Schutzbereich des investitionsrechtlichen Eigentumsschutzes umfasst.

II. Ansprüche von Minderheitenbeteiligten Eine andere Frage ist, ob Minderheitenbeteiligte berechtigt sind, unabhängig vom Unternehmen Ansprüche geltend zumachen. Dieses Recht ist deshalb von Bedeutung, weil es Unternehmensbeteiligten ermöglicht, auch unabhängig vom Unternehmen ihr rechtliches Interesse wahrzunehmen. Grundsätzlich ist das Schutzbedürfnis von Minderheitenaktionären größer als jenes von Mehrheitsaktionären, weil diese die Rechtsverfolgung durch die Gesellschaft entscheidend beeinflussen können. Dies kann vor allem dann von Bedeutung sein, wenn das betroffene Unternehmen die Ansprüche entweder nicht geltend machen will oder nicht geltend machen kann. Im Bereich des Menschenrechtsschutzes stellt sich das Problem vor allem im Hinblick auf die AMRK. Im Unterschied zu Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK erwähnt Art. 21 AMRK juristische Personen nicht. Die Interamerikanische Kommission geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass sie keine Jurisdiktion über Beschwerden habe, in denen das Opfer der Verletzung eine juristische Person ist.154 Dies führt notwendigerweise zum Ausschluss all jener Fälle, in denen juristische Personen die Opfer von Verletzungen des Rechts auf Eigentum sind. Andererseits zeigt die Judikatur der Investitionsschiedsgerichte, dass eine erhebliche Anzahl, wenn nicht die Mehrzahl der Fälle von juristischen Personen anhängig gemacht wird. ___________ 152 IUSCT, Amoco International Finance Corporation v. The Government of the Islamic Republic of Iran, et al., Partial Award No. 310-56-3, 14 July 1987, 15 IUSCTR 189. 153 Ibid., § 108. 154 Siehe z.B.: IAKMR, Report Nº 10/91, Case 10.169 (Banco del Perú), Peru, 19901991 Annual Report, S. 452. Die Kommission stellte fest, dass sie kompetent ist, die Rechte von Individuen, deren Eigentum enteignet wurde zu schützen, aber nicht „the rights of legal entities“, wie „companies or…banks.“; Report Nº 47/97, (Tabacalera Boquerón), October 16, 1997, Paraguay, 1997 Annual Report, S. 229; Report Nº 39/99, (Mevopal, S. A.), Argentina, March 11, 1999, Inter-Am.C.H.R. OEA/Ser.L./V./II.95 doc. 7 rev. 297 (1998), para. 20.

D. Unternehmensbeteiligungen

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Im Investitionsrecht wird die Frage beispielsweise in folgenden Konstellationen relevant: –

Ein Unternehmensbeteiligter ist Staatsbürger eines Staates A, der einen Investitionsschutzvertrag mit dem Staat B geschlossen hat, in dem die Investition erfolgte. Es handelt sich um einen Minderheitenaktionär, der das Unternehmen auch nicht kontrolliert. Das Unternehmen, an dem er beteiligt ist, ist in Staat B registriert und kann daher selbst keine Rechte aus dem Investitionsschutzvertrag geltend machen.



Ein Unternehmensbeteiligter ist Staatsbürger eines Staates A. Er ist beteiligt an einem Unternehmen, das seinen Sitz in einem Drittstaat hat und von Drittstaatsbürgern kontrolliert wird. Dieses Unternehmen investiert im Staat B. A hat einen Investitionsschutzvertrag mit B. Der Drittstaat hat mit B kein Investitionsschutzabkommen. Das Unternehmen selbst kann also keine Rechte aus dem Investitionsschutzvertrag geltend machen.

In beiden Konstellationen kann sich das Unternehmen nicht auf einen Investitionsschutzvertrag berufen. Daher ist es für den Unternehmensbeteiligten entscheidend, ob er selbst anspruchsberechtigt ist.

1. Menschenrechtsschutz Die Frage, ob Anteilseigentümer ihre Rechte unabhängig vom Unternehmen geltend machen können, wurde von den Straßburger Organen restriktiv beantwortet. In zwei Fällen, X gg Österreich155 und Kaplan gg Vereinigtes Königreich,156 in denen Mehrheitsaktionäre geklagt hatten, bejahte die Kommission deren Opfereigenschaft.157 Sie wies jedoch darauf hin, dass sie ihr Unterneh___________ 155 EKMR, X gg Österreich, Nr. 1706/62, Entscheidung vom 4. Oktober 1966, 9 YB 1966, 112. 156 EKMR, Kaplan gg Vereinigtes Königreich, Nr. 7598/76, Bericht gemäß Art 31 vom 17. Juli 1980, DR 21, 5. 157 Zur Opfereigenschaft siehe z.B.: H. Delvaux, Die Opfereigenschaft nach Artikel 25 der europäischen Menschenrechtskonvention, in: I. Maier (Hrsg.), Europäischer Menschenrechtsschutz, Schranken und Wirkungen, Verhandlungen des Fünften Internationalen Kolloquiums über die Europäische Menschenrechtskonvention in Frankfurt (Main), 1982, S. 57; siehe auch: K. Rogge, Artikel 25, in: H. Golsong/W. Karl u.a. (Hrsg.), Internationaler Kommentar zur Europäischen Menschenrechtskonvention mit einschlägigen Texten und Dokumenten, Rn. 216 f.; K. Rogge, The “victim” requirement in Article 25 of the European Convention on Human Rights, in: F. Matscher/H. Petzold (Hrsg.), Protecting Human Rights, Studies in honour of Gérard J. Wiarda, 1988, S. 541; W. Peukert, Art 25 (Individualbeschwerde), in: J. A. Frowein/W. Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK Kommentar², 1996, Rn 27; L. Zwaak, General Survey of the European Convention, in: P. van Dijk u.a. (Hrsg.), Theory

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1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

men mittels der Gesellschaft betrieben und daher ein direktes Interesse am Beschwerdegegenstand hätten.158 Im Fall Yarrow P.L.C. ua gg Vereinigtes Königreich159 lehnte die Kommission die Anspruchsberechtigung von Minderheitenaktionären ab. Entscheidend war, dass die Beschwerdeführer im Unterschied zu den vorher erwähnten Fällen weder Mehrheits- noch kontrollierende Aktionäre waren und nicht ihr Unternehmen mittels der Gesellschaft betrieben: However the Commission recalls that in both these cases [X gg Österreich und Kaplan gg Vereinigtes Königreich] the individual concerned held a substantial majority shareholding in the company. In effect both applicants were carrying on their own business through the medium of the company and both applicants had a direct personal interest in the subject-matter of the complaint. … None of the three applicants in question here held a majority or controlling interest in Yarrow. The nationalisation measure did not involve them personally. It is true that by reducing the assets of Yarrow (…) it would no doubt have reduced the value of their shareholding. However it is open to Yarrow itself to lodge a complaint under the Convention, as it has done. … In the circumstance the Commission considers that the matters complained of in the present application had only an indirect effect on the second, third and fourth applicants and not a direct effect such as to entitle them to claim to be “victims” for the purpose of Article 25 of the Convention.160

Das entscheidende Kriterium für das Bestehen eines Beschwerderechts scheint in diesen Fällen die Kontrolle über die Gesellschaft, die unmittelbare Betroffenheit der Person sowie eine Übereinstimmung der Interessen zwischen Aktionär und Unternehmen gewesen zu sein.161 Überdies erwähnte die Kom___________ and Practice of the European Convention on Human Rights4, 2006, S. 68–73; C. Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention3, 2008, Kapitel 13, Ablauf des Verfahrens, Rz 13-17. Im Hinblick auf Aktionäre siehe insbesondere: C. Schwaighofer, Legal Persons, Organisations, Shareholders as Applicants (Article 25 of the Convention), in: M. de Salvia/M.E. Villiger (Hrsg.), The Birth of European Human Rights Law/L’éclosion du Droit européen des Droits de l’homme, Liber Amicorum Studies in honour of – Mélanges en l’honneur de Carl Aage Nørgaard, 1998, 321–331; P. van den Broek, The Protection of Property Rights under the European Convention on Human Rights, in: Legal Issues of European Integration 1986/1, S. 66; P. Mittelberger, Der Eigentumsschutz nach Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur EMRK im Lichte der Rechtsprechung der Strassburger Organe, 2000, S. 40 ff. 158 EKMR, X gg Österreich, Beschw. Nr. 1706/62, Entscheidung vom 4. Oktober 1966, 9 YB 1966, S. 130; Kaplan gg Vereinigtes Königreich, Beschwerde Nr. 7598/76, Bericht gem. Art 31 vom 17. Juli 1980, DR 21, S. 23. 159 EKMR, Yarrow P.L.C. u.a. gg Vereinigtes Königreich, Nr. 9266/81, Entscheidung vom 28. Jänner 1983, DR 30, 155. In diesem Sinne auch EKMR, Société S & T gg Schweden, Nr. 11189/84, Entscheidung vom 11. Dezember 1986, DR 50, 121, S. 139. 160 Ibid., S. 185. 161 Ebenso, EGMR, Ankarcrona gg Schweden, Nr. 35178/97, Entscheidung vom 27. Juni 2000, ECHR 2000-VI (Eigentümer war Alleinaktionär).

D. Unternehmensbeteiligungen

85

mission im letztgenannten Fall zusätzlich, dass die Gesellschaft in der Lage war, selbst eine Beschwerde zu erheben. Aber auch eine Aktienmehrheit ist nicht allein ausschlaggebend für die Entscheidung, ob Aktionäre in eigenem Namen anspruchberechtigt sind. Im Fall Agrotexim Hellas S.A. ua gg Griechenland162 hatte zwar keiner der Beschwerdeführer allein die Aktienmehrheit, gemeinsam hielten sie jedoch 51,35%. Die Kommission stellte in diesem Zusammenhang fest, dass es nicht nur von Bedeutung sei, ob ein Aktionär die Aktienmehrheit innehabe. Zusätzlich komme es darauf an, ob der Aktionär seiner Geschäftstätigkeit mittels der Gesellschaft nachgehe und daher ein persönliches Interesse an der Beschwerde habe. Weiters sei entscheidend, ob die Gesellschaft selbst, Beschwerde führen könne: … the question whether a shareholder may claim to be victim of measures affecting a company cannot be determined on the sole criterion of whether the shareholder holds the majority of the company shares. This element is an objective and important indication but other elements may also be relevant … it [the Commission] has previously taken into account the fact that an applicant shareholder was carrying out its own business through the medium of the company and that he had a personal interest in the subject matter of the complaint (…). It has also considered whether it was open to the company itself, being the direct victim, to lodge an application with the Commission.163

Für die Kommission entscheidend war, dass sich die Gesellschaft in Liquidation befand und seit 1983 im Wesentlichen unter staatlicher Kontrolle stand, sodass nicht verlangt werden könne, dass die Gesellschaft gegen den Staat klage. Der Gerichtshof teilte diese Ansicht nicht und war der Auffassung, dass die Gesellschaft sich mit Hilfe der Liquidatoren an die Kommission und den Gerichtshof hätte wenden können.164 Der EGMR führte aus, dass er generell von Folgendem ausgehe: Nur unter außergewöhnlichen Umständen bestehe eine Durchgriffsmöglichkeit, sodass die Aktionäre selbst beschwerdelegitimiert ___________ I.d.S. auch C. Schwaighofer, Legal Persons, Organisations, Shareholders as Applicants (Article 25 of the Convention), in: M. de Salvia/M.E. Villiger (Hrsg.), The Birth of European Human Rights Law/L’èclosion du Droit européen des Droits de l’homme, Liber Amicorum Studies in honour of – Mélanges en l’honneur de Carl Aage Nørgaard, 1998, 321, S. 327. 162 EKMR, Agrotexim Hellas S. A. u.a. gg Griechenland, DR 72, 148, S. 155; EGMR, Agrotexim Hellas S. A. u.a. gg Griechenland, Urteil vom 24. Oktober 1995, Serie A, Nr. 330-A. Für eine genaue Analyse von Kommissionsentscheidung und Urteil siehe: P. Mittelberger, Der Eigentumsschutz nach Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur EMRK im Lichte der Rechtsprechung der Strassburger Organe, S. 41 f. 163 EKMR, Agrotexim Hellas S. A. u.a. gg Griechenland, DR 72, 148, S. 156. 164 EGMR, Agrotexim Hellas S. A. u.a. gg Griechenland, Urteil vom 24. Oktober 1995, Serie A, Nr. 330-A, § 68. Dazu zu Recht kritisch P. Mittelberger, Der Eigentumsschutz nach Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur EMRK im Lichte der Rechtsprechung der Strassburger Organe, S. 41 ff.

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1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

würden. Dies sei etwa dann der Fall, wenn es unmöglich sei, dass ein Unternehmen durch seine Organe oder den Liquidator eine Beschwerde einbringe.165 Der Gerichtshof führte dazu aus: … the piercing of the “corporate veil” or the disregarding of a company’s legal personality will be justified only in exceptional circumstances, in particular where it is clearly established that it is impossible for the company to apply to the Convention institutions through the organs set up under its articles of incorporation or – in the event of liquidation – through its liquidators. … This principle has also been confirmed with regard to the diplomatic protection of companies by the International Court of Justice (Barcelona Traction, Light and Power Company Limited, judgment of 5 February 1970, Reports of judgments, advisory opinions and orders 1970, pp. 39 and 41, paras. 56-58 and 66).166

Als maßgeblichen Grund für die Ablehnung des Beschwerderechts sah der Gerichtshof den Umstand an, dass die Gesellschaft auch selbst Beschwerde führen könnte. Er brachte gegen eine eigene Beschwerdemöglichkeit der Aktionäre auch ins Treffen, dass es dann zu Problemen hinsichtlich des Erfordernisses der Erschöpfung des innerstaatlichen Rechtsweges komme, weil viele nationale Rechtsordnungen keine Rechtsmittel für Aktionäre vorsähen. Dies ist jedoch eher ein Problem, das unter Artikel 13 EMRK fällt. Denn wenn es keine Rechtsmittel gibt, sind laut ständiger Judikatur zu Artikel 35(1) EMRK auch keine zu ergreifen.167 Entscheidend in diesem Fall war daher, dass es für die Gesellschaft möglich gewesen wäre, selbst Beschwerde zu erheben. Gemäß der Judikatur des Gerichtshofs können Aktionäre daher nur dann Unternehmensrechte unter Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK erfolgreich geltend machen, wenn sie nachweisen können, dass es für das Unternehmen oder den Liquidator unmöglich ist, selbst eine Beschwerde zu erheben.168 Die Organe der AMRK sind in der Frage der Beschwerdemöglichkeit von Unternehmensbeteiligten im Ergebnis noch restriktiver. Wie bereits erörtert, können juristische Personen nicht vor den Organen Beschwerde führen. Die Interamerikanische Kommission verneinte die Jurisdiktion aber auch dann, wenn ___________ 165 Ebenso in EGMR, CDI Holding Aktiengesellschaft and others gg Slowakei, Nr. 37398/97, Entscheidung vom 18. Oktober 2001; Lebedev gg Russland, Nr. 4493/04, Entscheidung vom 25. November 2004. 166 EGMR, Agrotexim Hellas S. A. u.a. gg Griechenland, Urteil vom 24. Oktober 1995, Serie A, Nr. 330-A, § 66. 167 Zu Artikel 35 EMRK siehe z.B.: C. Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention3, 2008, Kapitel 13, Ablauf des Verfahrens, Rz 20–27 m.w.N. 168 I.d.S. auch: EGMR, Olzak gg Polen, Nr. 30417/96, Entscheidung vom 7. November 2002, ECHR 2002-X, § 57. I.d.S. auch: H. Ruiz Fabri, The Approach Taken by the European Court of Human Rights to the Assessment of Compensation for “Regulatory Expropriations” of the Property of Foreign Investors, 11 NYU Environmental Law Journal 2003, S. 154.

D. Unternehmensbeteiligungen

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nicht das Unternehmen selbst, sondern ein Aktionär klagte. Im Fall BendeckCOHDINSA gg Honduras169 hatte der Mehrheitsaktionär die Beschwerde bei der Kommission eingebracht. Aufgrund des Konnexes zwischen dem Individuum und dem Unternehmen, der Tatsache, dass die gerügten Vorgangsweisen von Staatsunternehmen und Beamten in direktem Zusammenhang mit dem Unternehmen standen und nicht mit dem Individuum, und dem Umstand, dass das Unternehmen und nicht der Beschwerdeführer den innerstaatlichen Instanzenzug ausgeschöpft hatte, lehnte die Kommission eine Behandlung der Beschwerde mangels Zuständigkeit ratione personae ab.170 Folglich könnten Unternehmensbeteiligte jedenfalls nur dann Beschwerde führen, wenn sie selbst den innerstaatlichen Instanzenzug ausgeschöpft haben.171 Wie die Organe entscheiden werden, wenn dies versucht wird, aber nicht möglich ist, weil ein solcher nicht vorgesehen ist, muss offen bleiben. Im Rahmen der EMRK können Unternehmensbeteiligte Ansprüche unabhängig vom Unternehmen jedenfalls dann geltend machen, wenn das Unternehmen nicht selbst in der Lage ist, Beschwerde zu führen. Darüber hinaus ließ die Kommission auch eine Geltendmachung von Ansprüchen zu, wenn ein Unternehmensbeteiligter die Kontrolle über das Unternehmen hatte und seiner Geschäftstätigkeit mittels des Unternehmens nachging. Im Interamerikanischen Menschenrechtsschutz können juristische Personen weder selbst Beschwerde führen, noch können Unternehmensbeteiligte unabhängig vom Unternehmen Ansprüche geltend machen, wenn sie nicht selbst den innerstaatlichen Instanzenzug erschöpft haben und ein direkter Zusammenhang zwischen dem Eingriff und den Rechten des Individuums gegeben ist. Es besteht daher nur ein sehr eingeschränkter Schutz von Eigentumsrechten an Unternehmen.

2. Investitionsschutz Die Judikatur des IUSCT zur Anspruchsberechtigung von Unternehmensbeteiligten und Aktionären weicht in etlichen Punkten erheblich von der übrigen ___________ 169

IAKMR, Bendeck-COHDINSA gg Honduras, Report N° 106/99, 27 September 1999, verfügbar unter: www.cidh.oas.org/annualrep/99eng/Inadmissible/Honduras.Ben deck.htm. 170 Ibid., §§ 17–30. 171 I.d.S. auch IAGMR, Cantos v. Argentina, Judgment of 7 September 2001, Series C No. 85, §§ 2, 30. Der Interamerikanischen Gerichtshof ließ die Klage von Herrn Cantos zu. Dieser war Eigentümer bzw. Mehrheitsaktionär der Gesellschaften, deren Eigentum beschlagnahmt worden war. Er hatte im eigenen Namen und im Namen der Gesellschaft den innerstaatlichen Instanzenzug erschöpft. Auf diesen Umstand wies der Gerichtshof in seinem Urteil ausdrücklich hin.

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1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

investitionsrechtlichen Judikatur ab. Dieser Unterschied ist durch Artikel VII Claims Settlement Agreement (CSA)172 bedingt. Dieser unterscheidet zwischen Ansprüchen von einerseits natürlichen Personen und andererseits „corporations“ oder „shareholders“. Bei „corporations“ und „shareholders“ wird wiederum zwischen Ansprüchen von direkten Beteiligten (natürliche Person hat Aktien eines Iranischen Unternehmens) und indirekten Beteiligten (US-Aktionär an Unternehmen mit Nationalität eines Drittstaates beteiligt) unterschieden. Bei Klagen im Namen des Unternehmens (corporate claims) muss dieses zu mindestens 50% im Eigentum von Staatsbürgern der Vereinigten Staaten sein. Wenn indirekte Beteiligungen mit dazwischen geschalteten ausländischen Unternehmen bestehen, so muss aufgrund von Artikel VII, Absatz 2 CSA Kontrolle über das ausländische Unternehmen vorliegen. Zudem darf es dem Unternehmen nicht möglich sein, im eigenen Namen zu klagen, damit ein Fall für zulässig erachtet werden kann.173 ___________ 172

Article VII Claims Settlement Agreement For the purpose of this Agreement: 1. A “national” of Iran or of the United States, as the case may be, means (a) a natural person who is a citizen of Iran or the United States; and (b) a corporation or other legal entity which is organized under the laws of Iran or the United States or any of its states or territories, the District of Columbia or the Commonwealth of Puerto Rico, if, collectively, natural persons who are citizens of such country hold, directly or indirectly, an interest in such corporation or entity equivalent to fifty per cent or more of its capital stock. 2. “Claims of nationals” of Iran or the United States, as the case may be, means claims owned continuously, from the date on which the claim arose to the date on which this Agreement enters into force, by nationals of that state, including claims that are owned indirectly by such nationals through ownership of capital stock or other proprietary interests in juridical persons, provided that the ownership interests of such nationals, collectively, were sufficient at the time the claim arose to control the corporation or other entity, and provided, further, that the corporation or other entity is not itself entitled to bring a claim under the terms of this Agreement. Claims referred to the arbitration Tribunal shall, as of the date of filing of such claims with the Tribunal, be considered excluded from the jurisdiction of the courts of Iran, or of the United States, or of any other court. 173 Für Fälle in denen diese Voraussetzungen erfüllt waren siehe z.B.: IUSCT, R.N. Pomeroy et al. v. The Islamic Republic of Iran, Award Nr. 50-40-3, 8 June 1983, 2 IUSCTR 372, S. 377–378 (100% Aktieneigentümer; die Beschwerdeführer „indirectly ... also own the claims of all the stock of this [a Liberian company] corporation and are proper parties to assert them before the Tribunal under Article VII, paragraph 2 of the Claims Settlement Declaration“.); American International Group v. The Islamic Republic of Iran, Award Nr. 93-2-3, 19 December 1983, 4 IUSCTR 96, (100% Eigentümer einer Gesellschaft in Bermuda); Dames & Moore v. The Islamic Republic of Iran, Award Nr. 97-54-3, 20 December 1983, 4 IUSCTR 212 (90% Eigentümer einer venezuelanischen Gesellschaft); Sedco, Inc. v. National Iranian Oil Company, Interlocutory Award, Nr. ITL 55-129-3, 28 October 1985, 9 IUSCTR 248, S. 255, „Sedco as the 100% shareholder of SISA [einer Panamesischen Gesellschaft], obviously controls that company ... [and] is, therefore, entitled to present indirectly the claim of

D. Unternehmensbeteiligungen

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Die erwähnten Differenzierungen, aber auch die Klagevoraussetzungen bei Unternehmensbeteiligungen,174 unterscheiden sich erheblich von jenen im allgemeinen Investitionsschutz, die in der Folge dargelegt werden. Die Urteile des IUSCT werden daher in diesem Punkt von Investitionsschiedsgerichten auch nicht herangezogen. Sie werden daher in der Folge nicht weiter erörtert. BITs sehen in ihren Investitionsdefinitionen Unternehmensbeteiligungen ausdrücklich als Form der Investition vor.175 Investitionsschiedsgerichte hatten ___________ SISA under Art. VII(2) because SISA, a Panamanian corporation, is not entitled to bring a claim in its own behalf.“ International Technical Products Corp. (ITCP) v. Islamic Republic of Iran, 9 USCTR 206, S. 230–233 (Claimants, by virtue both of their 100 percent beneficial ownership interest in Mitchel and Roberts prior to and since 14 December 1978, and their legal ownership of at least 89 percent of the [Iranian] company’s capital stock thereafter, own indirectly, within the meaning of this paragraph, the claim they here assert). 174 Zu den Jurisdiktionsvoraussetzungen beim IUSCT siehe z.B.: D. J. Bederman, Chapter 2 – Eligible Claimants before the Iran-United States Claims Tribunal, in: R. B. Lillich, D. B. Magraw, (Hrsg.) The Iran-United States Claims Tribunal: Its Contribution to the Law of State Responsibility, 1998, S. 92 ff.; C. N. Brower/J. D. Brueschke, The Iran-United States Claims Tribunal, 1998, S. 26 ff.; G. H. Aldrich, The Jurisprudence of the Iran-United States Claims Tribunal, 1996, S. 44–79, 88–92; C. N. Brower, The IranUnited States Claims Tribunal, 224 RdC (1990-V), 126, S. 140 ff.; S. C. Fauver, Partnership Claims before the Iran-United States Claims Tribunal, 27 Virginia JIL 1987, 307–341. 175 Siehe z.B.: Artikel 1 Schweden/Albanien BIT: Article 1 Definitions: For the purposes of this Agreement: (1) “investment” shall mean any kind of asset, … and shall include in particular, …: … (b) a company, shares in the capital stock of a company or any other form of participation in a company; Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/sweden_albania.pdf. Artikel 1 Niederlande/Tschechien, Slowakei BIT: Article 1 For the purposes of the present Agreement: (a) the term ‘investments’ shall comprise …: … ii. shares, bonds and other kinds of interests in companies and joint ventures, as well as rights derived therefrom; Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/czech_netherlands.pdf Artikel 1 Mexiko/Österreich BIT: ARTICLE 1 Definitions For the purpose of this Agreement … (2) “investment by an investor of a Contracting Party” means …:

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1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

im Unterschied zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte keine Probleme, Minderheitenaktionären unabhängig vom Unternehmen jus standi einzuräumen.176 Der Umstand, dass LIAMCO im Fall LIAMCO v. Libya177 nur eine 25% Beteiligung an der Förderkonzession hatte und nicht alle Konzessionäre gemeinsam klagten, wurde vom Schiedsgericht nicht einmal releviert und jus standi eingeräumt. In Goetz v. Burundi178 prüfte das Schiedsgericht die Frage des jus standi von sich aus in einem Fall, in dem die belgischen Aktionäre von AFFIMET gemeinsam 99% der Anteile hielten. Das Schiedsgericht stellte fest, dass die Vorjudikatur von ICSID die Klagemöglichkeit nicht auf die direkt betroffenen Unternehmen beschränkte, sondern auf deren Aktionäre, welche die tatsächlichen Investoren seien, ausdehnte: … le Tribunal observe que la jurisprudence antérieure du CIRDI ne limite pas la qualité pour agir aux seules personnes morales directement visées par les mesures litigieuses mais l’étend aux actionnaires de ces personnes, qui sont les véritables investisseurs.179

Während in den Fällen AAPL v. Sri Lanka180 und Lanco v. Argentine Republic181 das Beschwerderecht der Minderheitenaktionäre von den Beklagten nicht bestritten wurde, hatte sich das Schiedsgericht in CMS v. Argentine Re___________ … (b) shares, stocks and other forms of equity participation in an enterprise as referred to in subparagraph (a), and rights derived therefrom; Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/austria_mexico.pdf. 176 I.d.S. auch: S. A. Alexandrov, The “Baby Boom” of Treaty-Based Arbitrations and the Jurisdiction of ICSID Tribunals: Shareholders as “Investors” and Jurisdiction Ratione Temporis, 4 The Law and Practice of International Courts and Tribunals, 2005, S. 27 f. 177 Libyan American Oil Company (LIAMCO) v. Government of the Libyan Arab Republic, (Investment Agreement), Award, 12 April 1977, 20 ILM 1981, 1 ff., S. 14 f. Siehe zu diesem Fall z.B.: O. Alt, Neue Schiedssprüche zum Recht der Verstaatlichung, 35 ÖZÖRV 1985, S. 265 ff. 178 Antoine Goetz and Others v. Republic of Burundi, (Belgium-Luxembourg Economic Union/Burundi BIT), Award, 10 February 1999, 6 ICSID Reports 5. 179 Ibid., § 89. 180 Asian Agricultural Products Ltd (AAPL) v. Sri Lanka, (United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland/Sri Lanka BIT), Award, 27 June 1990, 4 ICSID Reports 4, 250. Eine Gesellschaft aus Hong Kong hielt je nach rechtlicher Beurteilung 37% oder 48% (§ 98) der Aktien an einer Sri Lankesischen Gesellschaft, deren Shrimpsfarm im Zusammenhang von Auseinandersetzungen zwischen Tamil Tigers und Regierungstruppen zerstört worden war. 181 Lanco International Inc. v. Argentina, (United States/Argentina BIT), Preliminary Decision on Jurisdiction, 8 December 1998, 5 ICSID Reports 369. Das Recht der Aktionäre bei einem Stammaktienanteil von 18,3% zu klagen, wurde aufrechterhalten. (§ 10).

D. Unternehmensbeteiligungen

91

public182 ausführlich mit der Frage der Rechte von Minderheitsaktionären zu befassen. Die Kläger hielten 29,42% an der argentinischen Gesellschaft Transportada de Gas del Norte (TGN).183 Das Schiedsgericht wies die Argumente Argentiniens, wonach CMS als Minderheitenaktionär seine Rechte nicht unabhängig von der Gesellschaft geltend machen könne,184 zurück: The Tribunal therefore finds no bar in current international law to the concept of allowing claims by shareholders independently from those of the corporation concerned, not even if those shareholders are minority or non-controlling shareholders. … … There is indeed no requirement [in the ICSID Convention] that an investment, in order to qualify, must necessarily be made by shareholders controlling a company or owning the majority of its shares. … In light of the above considerations, the Tribunal concludes that jurisdiction can be established under the terms of the specific provisions of the BIT. Whether the protected investor is in addition a party to a concession agreement or a license agreement with the host State is immaterial for the purpose of finding jurisdiction under those treaty provisions, since there is a direct right of action of shareholders. It follows that the Claimant has jus standi before this Tribunal under international law, the 1965 Convention and the Argentina-United States Bilateral Investment Treaty.185

In Enron v. Argentine Republic186 hielt die klagende Gesellschaft über andere Unternehmen, an denen sie beteiligt war, 35,263% der Aktien an Transportadora de Gas del Sure (TGS).187 Argentinien machte geltend, dass daher nur eine indirekte Betroffenheit von Enron vorliege, was zu einer Unzulässigkeit der Klage führen müsse.188 Das Schiedsgericht hielt fest, dass die Investitionsdefinition im BIT sehr weit sei und ebenso wie in Lanco189 und Compañia de Aguas del Aconquija, S.A. & Compagnie Générale des Eaux v.

___________ 182

CMS Gas Transmission Company v. Argentine Republic, (US/Argentina BIT), Decision on Objections to Jurisdiction, 17 July 2003, 7 ICSID Reports 494. Siehe dazu auch: E. C. Schlemmer, Bilateral investment treaties, protection of shareholders, and ICSID, 28 South African Yearbook of International Law, 2003, 292–300. 183 Ibid., § 19. 184 Ibid., §§ 36, 37. 185 Ibid., §§ 48, 51, 65. 186 Enron and Ponderosa Assets v. Argentine Republic, (United States/Argentina BIT), Decision on Jurisdiction, 14 January 2004, Quelle: http://ita.law.uvic.ca/docu ments/Enron-Jurisdiction.pdf. 187 Ibid., § 21. 188 Ibid., § 34. 189 Lanco International Inc. v. Argentina Republic, (United States/Argentina BIT), Preliminary Decision on Jurisdiction, 8 December 1998, 5 ICSID Reports 369, § 10.

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1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

Argentine Republic190 Ansprüche von Minderheits- oder nicht kontrollierenden Aktionären einschließe.191 This Tribunal must accordingly conclude that under provisions of the Bilateral Investment Treaty, broad as they are, claims made by investors that are not in the majority or control of the affected corporation when claiming for violations of their rights under such treaty are admissible.192

Auch im Fall GAMI v. Mexico193, in dem GAMI mit 14,18% an GAM beteiligt war, stellte ein Schiedsgericht fest, dass der Umstand, dass GAMI nur ein Minderheitsaktionär sei, nichts an seinem Klagerecht vor dem Schiedsgericht ändere: It has been shown above that the fact that GAMI is only a minority shareholder does not affect its right to seek international arbitral remedy.194

Damit ist es auch unter NAFTA Kapitel 11 nicht erforderlich, dass ein Kläger Mehrheits- oder kontrollierender Aktionär ist, um unter den Schutz zu fallen. Die Investitionsschiedsgerichte kamen damit einhellig zum Ergebnis, dass Unternehmensbeteiligte, Aktionäre im Allgemeinen, aber auch Minderheitenaktionäre, unabhängig vom Unternehmen Ansprüche aus Unternehmensbeteiligungen geltend machen können.195 Sowohl Schreuer, der die diversen Unterfor___________ 190

Compañía de Aguas del Aconquija S. A. and Vivendi Universal v. Argentine Republic, (France/Argentina BIT), Decision on Annulment 3 July 2002, 6 ICSID Reports 340, § 50. 191 Enron and Ponderosa Assets v. Argentine Republic, (United States/Argentina BIT), Decision on Jurisdiction, 14 January 2004, http://ita.law.uvic.ca/documents/ Enron-Jurisdiction.pdf., § 44. 192 Ibid., § 49. 193 GAMI Investment Inc. v. Mexico, (NAFTA), Award, 15 November 2004, http:// ita.law.uvic.ca/documents/Gami.pdf. 194 Ibid., § 37. 195 Neben den erörterten Fällen bestätigen u.a. folgende weitere Fälle diesen Schluss: Azurix Corp. v. Argentine Republic, (United States/Argentina BIT), Decision on Jurisdiction, 8 December 2003, 10 ICSID Reports 416, §§ 63–74; LG&E Energy Corp. v. Argentine Republic, (United States/Argentina BIT), Decision on Jurisdiction, 30 April 2004, http://ita.law.uvic.ca/documents/LGE-DecisionJurisdiction-English.pdf, §§ 50–63; AES Corporation v. Argentina, (US/Argentina BIT), Decision on Jurisdiction, 26 April 2005, 12 ICSID Reports 312, §§ 85–89; Sempra Energy v. Argentina, (US/Argentina BIT), Decision on Jurisdiction, 11 May 2005, http://ita.law.uvic.ca/documents/Sempra jurisdiction.pdf, §§ 73-79, 92–94; Camuzzi v. Argentina, (Belgo-Luxembourg/Argentina BIT), Decision on Jurisdiction, 11 May 2005, http://ita.law.uvic.ca/documents/camuzzi jurisdiction.pdf, §§ 12, 19–44, 78–82, 140–142; Gas Natural SDG, S. A. v. Argentina, (Argentina/Spain BIT), Decision on Jurisdiction, 17 June 2005, http://ita.law.uvic.ca/ documents/GasNaturalSDG-DecisiononPreliminaryQuestionsonJurisdiction.pdf, §§ 32– 35, 50–52; Continental Casualty v. Argentina, (US/Argentina BIT), Decision on Jurisdiction, 22 February 2006, http://ita.law.uvic.ca/documents/ContinentalCasualty-Ju

D. Unternehmensbeteiligungen

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men indirekter Unternehmensbeteiligungen untersuchte, als auch Alexandrov kommen ebenfalls zu diesem Ergebnis.196

III. Indirekte Schäden Die Frage, ob nur direkte Beeinträchtigungen der Anteilsrechte oder auch Maßnahmen, die unmittelbar das Unternehmen betreffen und sich nur durch eine Wertverringerung der Anteile am Unternehmen auf die Beteiligten auswirken, von Unternehmensbeteiligten geltend gemacht werden können, beschäftigte sowohl den IGH als auch Menschenrechtsgerichte und Investitionsschiedsgerichte immer wieder. Der IGH hatte sich in seinem Urteil Barcelona Traction197 mit diesem Problem zu befassen und es aufgrund von Völkergewohnheitsrecht zu entscheiden. ___________ risdiction.pdf, §§ 51–54, 76–89; Bogdanov v. Moldova, (Russia/Moldova BIT), Award, 22 September 2005, §§ 2.2.1, http://ita.law.uvic.ca/documents/Bogdanov-Moldova22September2005.pdf; EnCana Corporation v. Republic of Ecuador, (Canada/Ecuador BIT), Award, 3 February 2006, 12 ICSID Reports 427, §§ 116, 117, 122, http://ita.law. uvic.ca/documents/EncanaAwardEnglish.pdf; Suez, Sociedad General de Aguas de Barcelona S. A., and InterAguas ServiciosIntegrales del Agua S. A. v. The Argentine Republic, (France/Argentina and Spain/Argentina BITs), Decision on Jurisdiction, 16 May 2006, http://ita.law.uvic.ca/documents/Suez-Jurisdiction.pdf, §§ 46–51; National Grid plc v. The Argentine Republic, (UK/Argentina BIT), Decision on Jurisdiction, 20 June 2006, http://ita.law.uvic.ca/documents/NationalGrid-Jurisdiction-En.pdf, §§ 147– 158; Pan American Energy LLC and BP Argentina Exploration Company v. Argentine Republic, (US/Argentina BIT), Decision on Preliminary Objections, 27 July 2006, http:/ /ita.law.uvic.ca/documents/PanAmericanBPJurisdiction-eng.pdf, §§ 209–222; Suez, Sociedad General de Aguas de Barcelona S. A., and Vivendi Universal S. A. v. The Argentine Republic, (France/Argentina and Spain/Argentina BITs), Decision on Jurisdiction, 3 August 2006, http://ita.law.uvic.ca/documents/SuezVivendiAWGjurisdiction. pdf, §§ 49–51. 196 C. Schreuer, Shareholder Protection in International Investment Law, in: P.-M. Dupuy/B. Fassbender/M. N. Shaw u.a. (Hrsg.), Völkerrecht als Wertordnung, Festschrift für Christian Tomuschat, 2006, S. 616; S. A. Alexandrov, The “Baby Boom” of TreatyBased Arbitrations and the Jurisdiction of ICSID Tribunals: Shareholders as “Investors” and Jurisdiction Ratione Temporis, 4 The Law and Practice of International Courts and Tribunals, 2005, S. 27 ff. 197 Barcelona Traction, Light and Power Co., Ltd (Belgien gg Spanien), Urteil vom 5. Februar 1970, ICJ Reports 3 (1970). Siehe dazu z.B.: R. Higgins, Aspects of the Case Concerning the Barcelona Traction, Light and Power Company Ltd., 11 Virginia JIL 1971, S. 327 ff.; H. W. Briggs, Barcelona Traction, The Jus Standi of Belgium, 65 AJIL 1971, 327–345; F. A. Mann, The Protection of Shareholder’s Rights in Light of the Barcelona Traction case, 67 AJIL 1973, 259–274. Siehe dazu: C. Schreuer, Shareholder Protection in International Investment Law, in: P.-M. Dupuy/B. Fassbender/M. N. Shaw u.a. (Hrsg.), Völkerrecht als Wertordnung, Festschrift für Christian Tomuschat, 2006, 601–619; I. A. Laird, A Community of Destiny – The Barcelona Traction Case and the Development of Shareholder Rights to

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1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

Er hielt darin fest, dass der Staat Belgien, dessen Staatsangehörige die Mehrheitseigentümer an einer Gesellschaft mit Sitz in Kanada waren, kein diplomatisches Schutzrecht gegen den Staat, der das Unternehmen geschädigt hatte (Spanien), geltend machen konnte. Er führte dazu aus, dass zwischen einer direkten Beeinträchtigung der Rechte der Aktionäre und Verlusten des Unternehmens, welche wirtschaftliche Auswirkungen auf die Aktionäre hätten, zu unterscheiden sei: Notwithstanding the separate corporate personality, a wrong done to the company frequently caused prejudice to its shareholders. But the mere fact that damage is sustained by both company and shareholder does not imply that both are entitled to claim compensation. Thus no legal conclusion can be drawn from the fact that the same event caused damage simultaneously affecting several natural or juristic persons. Creditors do not have any right to claim compensation from a person who, by wronging their debtor, causes them loss. In such cases, no doubt, the interests of the aggrieved are affected, but not their rights. Thus whenever a shareholder’s interests are harmed by an act done to the company, it is to the latter that he must look to institute appropriate action; for although two separate entities may have suffered from the same wrong, it is only one entity whose rights have been infringed.198

Diplomatischen Schutz kann der Staat, dessen Staatsangehöriger ein Aktionär ist, nach Ansicht des Gerichtshofes also nur bei einem direkten Eingriff in die Rechte des Aktionärs, wie Stimmrechte oder das Recht auf eine Dividende, ausüben. In diesem Sinne führt der Gerichtshof aus, dass zwischen direkten und indirekten Eingriffen in die Rechte eines Aktionärs zu unterscheiden sei: The situation is different if the act complained of is aimed at the direct rights of the shareholder as such. … Whenever one of his direct rights is infringed, the shareholder has an independent right of action. … But a distinction must be drawn between a direct infringement of the shareholder’s rights, and difficulties or financial losses to which he may be exposed as the result of the situation of the company.199

Die Lösungen dieser Frage fallen im Menschenrechts- und im Investitionsschutz, wie im Folgenden erörtert wird, unterschiedlich aus. Während im Investitionsschutz das Recht von Aktionären, auch indirekte Schäden geltend zu machen generell anerkannt wird, besteht ein derartiges Recht für Aktionäre im Menschenrechtsschutz nicht.200 ___________ Bring Investment Claims, in: T. Weiler (Hrsg.), International Investment Law and Arbitration: Leading Cases form the ICSID, NAFTA, Bilateral Treaties and Customary International Law, 2005, S. 77–96; Y. Dinstein, Diplomatic Protection of Companies under International Law, in: K. Wellens, (Hrsg.), International Law: Theory and Practice, Essays in Honour of Eric Suy, 1998, S. 505–517. 198 Ibid., § 44. 199 Ibid., § 47. 200 Die ILC (http://untreaty.un.org/ilc/texts/instruments/english/commentaries/98_ 2006.pdf) orientierte sich bei der Regelung der Ausübung diplomatischen Schutzes für Aktionäre in den Draft articles on Diplomatic Protection aus 2006 am Urteil des IGH in

D. Unternehmensbeteiligungen

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1. Menschenrechtsschutz Bei Mehrheitsaktionären, die ihrer Geschäftstätigkeit durch die Gesellschaft nachgingen, wirkte sich der Umstand, dass nicht Anteilsrechte per se beeinträchtigt wurden, sondern Unternehmensrechte, die mittelbar zu einem Wertverlust der Anteilsrechte führten, nicht negativ auf das Beschwerderecht der Aktionäre aus.201 ___________ Barcelona Traction. Artikel 11 der Draft articles legt fest, dass der Staat, dessen Staatsangehörige die Aktionäre sind, bei indirekten Schäden der Aktionäre nur in zwei Fällen diplomatischen Schutz ausüben darf. Dies ist einerseits der Fall, wenn die Gesellschaft im Staat, dessen Staatsangehörigkeit sie hat, untergegangen ist und der Untergang nicht durch die gerügte Verletzung verursacht wurde. Andererseits darf dann diplomatischer Schutz durch den Heimatstaat der Aktionäre ausgeübt werden, wenn folgende zwei Bedingungen vorliegen: Die Gesellschaft muss die Staatsangehörigkeit des verletzenden Staates zum Zeitpunkt der Verletzung innegehabt haben. Eine Gesellschaftsgründung im Verletzerstaat muss Voraussetzung für die unternehmerische Tätigkeit in dem Staat gewesen sein. Article 11 Protection of shareholders The State of nationality of shareholders in a corporation shall not be entitled to exercise diplomatic protection in respect of such shareholders in the case of an injury to the corporation unless: (a) The corporation has ceased to exist according to the law of the State of incorporation for a reason unrelated to the injury; or (b) The corporation had, at the date of injury, the nationality of the State alleged to be responsible for causing the injury, and incorporation in that State was required by it as a precondition for doing business there. Artikel 17 der Draft articles on Diplomatic Protection sieht vor, dass diese Regelung, keine Anwendung auf entgegenstehende vertragliche Bestimmungen findet. Es wird in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf Bestimmungen des internationalen Investitionsschutzes verwiesen. Daher finden diese Normen bei entgegenstehenden Regelungen in völkerrechtlichen Investitionsschutzverträgen keine Anwendung. Der IGH befasste sich im Fall Ahmadou Sadio Diallo (Republic of Guinea v. Democratic Republic of the Congo) (Urteil vom 24. Mai 2007, http://www.icjcij.org/docket/files/103/13856.pdf?PHPSESSID=479fa419f91a84565184a156b72adeb2, §§ 86–94) erneut mit der Frage, ob ein Staat diplomatischen Schutz im Fall indirekter Schäden von Unternehmensbeteiligten ausüben darf. Er wies darauf hin, dass heute die Rechte von Unternehmen und deren Aktionären zumeist durch bi- oder multilaterale Investitionsschutzverträge geregelt sind. (Im Rahmen derartiger Abkommen sind Aktien zumeist als Investition geschützt und Aktionäre genießen unabhängig vom Unternehmen prozeduralen Schutz.) Der Gerichtshof wies darauf, hin, dass es eine völlig andere Frage sei, ob bei indirekten Schäden von Unternehmensbeteiligten aufgrund des Völkergewohnheitsrechts diplomatischer Schutzes ausgeübt werden darf. Der Gerichtshof verneinte dies im konkreten Fall und ließ offen, ob Artikel 11 (b) der ILC Draft articles on Diplomatic Protection Gewohnheitsrecht darstellt. 201 EKMR, X gg Österreich, Nr. 1706/62, Entscheidung vom 4. Oktober 1966, 9 YB 1966, S. 112 ff.; Kaplan gg Vereinigtes Königreich, Nr. 7598/76, Bericht gem. Art 31 vom 17. Juli 1980, DR 21, S. 5 ff.

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1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

Im bereits erwähnten Fall Yarrow P.L.C. ua gg Vereinigtes Königreich202 handelte es sich um nicht kontrollierende Minderheitenaktionäre, deren Aktien durch den staatlichen Eigentumseingriff an Wert verloren hatten. Die Kommission stellte fest, dass für indirekte Schäden keine Beschwerderechte der Aktionäre bestünden: None of the three applicants in question here held a majority or controlling interest in Yarrow. The nationalisation measure did not involve them personally. It is true that by reducing the assets of Yarrow (…) it would no doubt have reduced the value of their shareholding. However it is open to Yarrow itself to lodge a complaint under the Convention, as it has done. … In the circumstance the Commission considers that the matters complained of in the present application had only an indirect effect on the second, third and fourth applicants and not a direct effect such as to entitle them to claim to be “victims” for the purpose of Article 25 of the Convention.203

Gleiches tat der Gerichtshof im ebenfalls bereits erwähnten Fall Agrotexim Hellas S.A. ua gg Griechenland.204 In diesem Fall hielten die Beschwerdeführer gemeinsam 51,35%. Der Gerichtshof betonte in diesem Fall, dass selbst ein Mehrheitsaktionär für indirekte Schäden nur beschwerdeberechtigt sei, wenn das Unternehmen selbst keine Beschwerde einbringen könne.205 The Court notes at the outset that the applicant companies did not complain of a violation of the rights vested in them as shareholders of Fix Brewery, … Their complaint was based exclusively on the proposition that the alleged violation of the Brewery’s right to the peaceful enjoyment of its possessions had adversely affected their own financial interests because of the resulting fall in the value of their shares. They considered that the financial losses sustained by the company and the latter’s rights were to be regarded as their own, and that they were therefore victims, albeit indirectly, of the alleged violation. In sum, they sought to have the company’s corporate veil pierced in their favour. … … the Court considers that the piercing of the “corporate veil” or the disregarding of a company’s legal personality will be justified only in exceptional circumstances, in particular where it is clearly established that it is impossible for the company to apply to the Convention institutions through the organs set up under its articles of incorporation or – in the event of liquidation – through its liquidators.206

___________ 202 EKMR, Yarrow P.L.C. u.a. gg Vereinigtes Königreich, Nr. 9266/81, Entscheidung vom 28. Jänner 1983, DR 30, 155. 203 Ibid., S. 185. 204 EKMR, Agrotexim Hellas S. A. u.a. gg Griechenland, DR 72, 148, S. 155; EGMR, Agrotexim Hellas S. A. u.a. gg Griechenland, Urteil vom 24. Oktober 1995, Serie A, Nr. 330-A. Für eine genaue Analyse von Kommissionsentscheidung und Urteil siehe, P. Mittelberger, Der Eigentumsschutz nach Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur EMRK im Lichte der Rechtsprechung der Strassburger Organe, S. 41 f. 205 Ibid., §§ 62–66. 206 Ibid., §§ 62, 66.

D. Unternehmensbeteiligungen

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Das in Liquidation befindliche betroffene Unternehmen hätte also selbst Beschwerde führen müssen. Im Fall Olczak gg Polen207 setzte sich der Gerichtshof in einem obiter dictum ausdrücklich mit dem Unterschied zwischen den Rechten der Aktionäre und der Gesellschaft bei Verletzung von Rechten der Gesellschaft auseinander. Er stellte fest, dass Verletzungen von Rechten der Gesellschaft zu Schädigungen der Aktionäre führen können. Dies führe aber nicht dazu, dass diese ein Recht auf Schadenersatz hätten. Diese Feststellung stützte er auf die Ausführungen des IGH in Barcelona Traction. Der IGH führte in den zitierten Passagen aus, dass ein „piercing of the corporate veil“ in Frage komme, wenn ein Unternehmen selbst nicht in der Lage sei, Rechtsmittel zu ergreifen. Ein derartiger Fall sei aber in Barcelona Traction nicht vorgelegen. Der EGMR sagte dazu: Secondly, as regards the distinction between the shareholder’s interests and those of the company, it should be recalled that the concept of the public company is founded on a firm distinction between the rights of the company and those of its shareholders. Only the company, endowed with legal personality, can take action in respect of corporate matters. A wrong done to the company can indirectly cause prejudice to its shareholders, but this does not imply that both are entitled to claim compensation. Whenever a shareholder’s interests are harmed by a measure directed at the company, it is up to the latter to take appropriate action. An act infringing only the company’s rights does not involve responsibility towards the shareholders, even if their interests are affected. Such responsibility arises only if the act complained of is aimed at the rights of the shareholder as such (International Court of Justice, Barcelona Traction, Light and Power Company Limited, judgment of 5 February 1970, Reports of judgments, advisory opinions and orders 1970, pp. 39 and 41, paras. 56–58 and 66), or if the company has been wound up.208

Im konkreten Fall wurde direkt in die Rechte des Aktionärs durch Verringerung seiner Anteile am Unternehmen eingegriffen, daher stellte sich das Problem nicht. Somit besteht im Bereich der EMRK selbst bei Mehrheitseigentümern nur dann ein Beschwerderecht für indirekte Schäden von Aktionären, wenn das direkt betroffene Unternehmen selbst rechtlich nicht in der Lage ist, Beschwerde zu führen. Im Bereich der AMRK besteht keinerlei Beschwerderecht für derartige Schäden. Im einzigen bisher dazu entschiedenen Fall, BendeckCOHDINSA gg Honduras,209 begründete die Interamerikanische Kommission ___________ 207 EGMR, Olczak gg Polen, Nr. 30417/96, Entscheidung vom 7. November 2002, ECHR 2002-X. 208 Ibid., § 59. 209 IAKMR, Bendeck-COHDINSA gg Honduras, Report N° 106/99, 27. September 1999, verfügbar unter: www.cidh.oas.org/annualrep/99eng/Inadmissible/Honduras.Ben deck.htm.

98

1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

die Ablehnung der Jurisdiktion unter anderem damit, dass die Eingriffe in direktem Zusammenhang mit dem Unternehmen standen und nicht mit dem Individuum.210

2. Investitionsschutz Sowohl im NAFTA als auch im ECT weisen bereits die Formulierungen der Vertragsbestimmungen darauf hin, dass auch bei bloßen Beeinträchtigungen des Unternehmens Aktionäre berechtigt sind, Schadenersatzansprüche geltend zu machen. Die Investitionsdefinition in Artikel 1139 NAFTA spricht von „investment of an investor of a Party means an investment owned or controlled directly or indirectly by an investor of such Party“.211 Artikel 13(3) des ECT sieht vor: (3) For the avoidance of doubt, Expropriation shall include situations where a Contracting Party expropriates the assets of a company or enterprise in its Area in which an Investor of any other Contracting Party has an Investment, including through the ownership of shares.

Von belangten Staaten wurde oft eingewandt, dass Aktionäre nicht aufgrund von Eingriffen in die Rechte von Unternehmen klageberechtigt seien.212 Ein derartiges Klagerecht wurde von einer Reihe von Schiedsgerichten bejaht:

___________ 210

Ibid., § 18. Hervorhebung durch die Autorin. 212 Siehe z.B.: CMS Gas Transmission Company v. Argentine Republic, (United States/Argentina BIT), Decision on Jurisdiction, 17 July 2003, 7 ICSID Reports 494, § 59: The Republic of Argentina has also asserted that an investment in shares is indeed a protected investment under the Treaty, but this would only allow claims for measures affecting the shares as such, … . Such interpretation would not allow, however, for claims connected to damage suffered by the corporate entity. Azurix Corp. v. Argentine Republic, (United States/Argentina BIT), Decision on Jurisdiction, 8 December 2003, 10 ICSID Reports 416, § 69. Enron and Ponderosa Assets v. Argentine Republic, (United States/Argentina BIT), Decision on Jurisdiction, 14 January 2004, http://ita.law.uvic.ca/documents/EnronJurisdiction.pdf, § 35: The Argentine Republic accepts that an investment in shares qualifies for protection under the Bilateral Investment Treaty, but in such a case claims can only be made in respect of measures affecting the shares qua shares, as in the event of expropriation of the shares or other measures affecting directly the economic rights of the shareholders. Claims by minority shareholders concerning measures that affect the corporation as a separate legal entity cannot be admissible in the context of the Treaty. 211

D. Unternehmensbeteiligungen

99

In Mondev213 argumentierte der Kläger, dass die Formulierung „investment of an investor of a Party means an investment owned or controlled directly or indirectly“ in den NAFTA aufgenommen worden war, um Schwierigkeiten, wie sie sich hinsichtlich der Klageberechtigung von Aktionären aus dem Barcelona Traction Urteil ergaben, vorzubeugen.214 Das Schiedsgericht akzeptierte diese Argumentation und stellte fest, dass aufgrund der vertraglichen Regelung kein Raum für die Anwendbarkeit allgemeiner völkerrechtlicher Regelungen über die Unzulässigkeit der Durchbrechung des „corporate veil“ bliebe.215 Es stellte in der Folge fest, dass Mondev unabhängig vom direkt geschädigten Unternehmen klageberechtigt sei: In the Tribunal’s view, it is certainly open to Mondev to show that it has suffered loss or damage by reason of the decisions it complains of, even if loss or damage was also suffered by the enterprise itself, LPA. For these reasons, the Tribunal concludes that Mondev has standing to bring its claim ... .216

___________ Enron and Ponderosa Assets v. Argentine Republic, (United States/Argentina BIT), Decision on Jurisdiction Ancillary Claim, 2 August 2004, http://ita.law.uvic.ca/docu ments/Enron-DecisiononJurisdiction-FINAL-English.pdf, § 17: In Argentina’s view shareholders cannot claim separately from the corporation, not even in proportion to their interest, as they would have only an indirect claim. Under both Argentine legislation and international law, Argentina argues, corporate personality does not allow for indirect claims by shareholders. To the extent that this has been allowed it has always been under express provisions of an exceptional nature. While an investment in shares might qualify for protection under the Treaty, this is only when the shares have been affected as such by measures of the host Government. Siemens A.G. v. Argentine Republic, (Germany/Argentina BIT), Decision on Jurisdiction, 3 August 2004, 12 ICSID Reports 174, § 125: The Respondent recognizes that “It is clear that an investor in shares has standing to activate dispute settlement mechanisms under bilateral investment treaties in cases of acts by the host state that affect it directly.” The situation is different when shareholders bring a claim for damages suffered by the company in which they have shares (indirect claims). The shareholders and the company have distinct legal personality. In these cases, the possibility for the shareholders to file indirect claims is always based on an express authorization. These principles are reflected in the judgments of the ICJ in Barcelona Traction and ELSI. ICSID decisions have not modified this rule since the claims were brought personally and directly (Maffezini v. Kingdom of Spain), the local corporation qualified as an investment (AMT v. Zaire), or the applicable treaty permitted an indirect claim (AAPL v. Sri Lanka). 213 Mondev International Ltd. v. United States of America, (NAFTA), Award, 11 October 2002, 6 ICSID Reports 192. 214 Ibid., § 78. 215 Ibid., § 79. 216 Ibid., §§ 82, 83.

100

1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

Somit lehnte es das Schiedsgericht aufgrund der lex specialis im NAFTA ab, die vom IGH in Barcelona Traction entwickelten Kriterien heranzuziehen. Es erachtete eine Klageberechtigung des Klägers auch dann als gegeben, wenn seine Anteilsrechte nur mittelbar durch einen Schaden an einem Unternehmen, in das er investiert hatte, beeinträchtigt worden waren. Auch im Fall GAMI217 stellte sich die Frage einer indirekten Beeinträchtigung von Aktionären durch einen Entzug von Rechten der Aktiengesellschaft.218 GAMI war Aktionär von GAM. Der Beklagte, Mexiko, enteignete eine Reihe von Windmühlen im Eigentum von GAM. Das Schiedsgericht hielt fest, dass GAMIs Aktien an GAM selbst nicht enteignet worden waren. Vielmehr behauptete GAMI, dass Mexikos Vorgangsweise den Wert der Aktien in einer Weise beeinträchtige, die einer Enteignung gleichkomme.219 Die USA argumentierten in einer schriftlichen Stellungnahme, dass Aktionäre nur Beeinträchtigungen ihrer Interessen, nicht jedoch Verletzungen von Rechten des Unternehmens geltend machen könnten, und beriefen sich hierbei auf Barcelona Traction:220 It [the United States] argues however that Article 1116 does not reflect “an intent to derogate from the rule that shareholders may assert claims only for injuries to their interests and not for injuries to the corporation.”

Das Schiedsgericht anerkannte jedoch nicht, dass Barcelona Traction einen Grundsatz gebildet habe, der über die Ausübung von diplomatischem Schutz hinausgehe,221 und verwies in diesem Zusammenhang auch auf den Fall ELSI.222 The ICJ accepted in ELSI that US shareholders of an Italian corporate entity could seize the international jurisdiction when seeking to hold Italy liable for alleged violation of a treaty by way of measures imposed on that entity.223

___________ 217

GAMI Investment Inc. v. Mexico, (NAFTA), Award, 15 November 2004, http://ita.law.uvic.ca/documents/Gami.pdf. 218 Siehe dazu auch C. Schreuer, Shareholder Protection in International Investment Law, in: P.-M. Dupuy/B. Fassbender/M. N. Shaw u.a. (Hrsg.), Völkerrecht als Wertordnung, Festschrift für Christian Tomuschat, 2006, S. 616 f. 219 GAMI Investment Inc. v. Mexico, (NAFTA), Award, 15 November 2004, http://ita.law.uvic.ca/documents/Gami.pdf, § 33. 220 GAMI Investment Inc. v. Mexico, (NAFTA), Award, 15 November 2004, http://ita.law.uvic.ca/documents/Gami.pdf, § 29. Barcelona Traction, Light and Power Co., Ltd (Belgium v. Spain), Judgment, 5 February 1970, ICJ Reports 3 (1970). 221 GAMI Investment Inc. v. Mexico, (NAFTA), Award, 15 November 2004, http://ita.law.uvic.ca/documents/Gami.pdf, § 30. 222 Case concerning the Elettronica Sicula S.p. A. (ELSI) (United States of America v. Italy), Judgment, 20 July 1989, ICJ Reports 15 (1989). 223 GAMI Investment Inc. v. Mexico, (NAFTA), Award, 15 November 2004, http://ita.law.uvic.ca/documents/Gami.pdf, § 30. Hervorhebung im Original.

D. Unternehmensbeteiligungen

101

Im Hinblick auf den Unterschied der Ausgangslagen zwischen Barcelona Traction und GAMI erscheint es jedoch weniger wichtig, dass in einem Fall diplomatischer Schutz geltend gemacht wurde und im anderen Fall ein Aktionär direkt klagte, was das Schiedsgericht hervorhob. Auch in ELSI wurde diplomatischer Schutz geltend gemacht.224 Der entscheidende Unterschied liegt vielmehr darin, dass der IGH in Barcelona Traction Völkergewohnheitsrecht anzuwenden hatte, GAMI hingegen aufgrund des NAFTA zu entscheiden war.225 Auch ELSI war nicht aufgrund von Völkergewohnheitsrecht zu entscheiden, sondern die Vereinigten Staaten stützten ihre Ansprüche auf einen Freundschaftsvertrag samt Annexen mit Italien aus 1951.226 Wesentlich ist daher nicht, dass ein Individuum der Kläger ist, sondern, dass sich die Klage hier, ebenso wie in ELSI und im zuvor erwähnten Fall Mondev, auf Vertragsrecht stützt. Im Übrigen vermied der IGH in ELSI die entscheidende Frage, wie weit die Rechte der Aktionäre reichen.227 While there may be doubts whether the word “property” in Article V, paragraph 1, extends, in the case of shareholders, beyond the shares themselves, to the company or its assets, the Chamber will nevertheless examine the matter on the basis argued by the United States that the “property” to be protected under this provision of the FCN Treaty was not the plant and equipment the subject of the requisition, but the entity of ELSI itself.

Im Gegensatz dazu stellte sich das Schiedsgericht in GAMI dem Problem und hielt fest, dass es nicht maßgeblich sei, ob der Staat, in dem investiert wurde, direkt in das Eigentum an den Aktien eingreift. Entscheidend sei vielmehr, ob mit hinreichender Direktheit ein Schaden an der Investition eintritt: The Tribunal does not accept that directness for the purposes of NAFTA Article 1116 is a matter of form. The fact that a host state does not explicitly interfere with share

___________ 224 Siehe zu Aktionärsrechten in Barcelona Traction und ELSI auch: V. Lowe, Shareholders’ Rights to Control and Manage: From Barcelona Traction to ELSI, in: N. Ando u.a. (Hrsg.), Liber Amicorum Judge Shigeru Oda, 2002, S. 269–284; F. A. Mann, Foreign Investment in the International Court of Justice: The ELSI Case, 86 AJIL 1992, S. 94–102. 225 Es ist nicht Ziel dieser Arbeit zu untersuchen, inwieweit sich das Völkergewohnheitsrecht in diesem Punkt bereits geändert hat. Siehe hierzu z.B.: I. A. Laird, A Community of Destiny – The Barcelona Traction Case and the Development of Shareholder Rights to Bring Investment Claims, in: T. Weiler (Hrsg.), International Investment Law and Arbitration: Leading Cases form the ICSID, NAFTA, Bilateral Treaties and Customary International Law, 2005, S. 85 ff. 226 Treaty of Friendship, Commerce, and Navigation, Protocol, Additional Protocol, and Exchange of Notes, February 2 1948, Italy – United States, 79 UNTS 171. 227 V. Lowe, Shareholders’ Rights to Control and Manage: From Barcelona Traction to ELSI, in: N. Ando u.a. (Hrsg.), Liber Amicorum Judge Shigeru Oda, 2002, 269, S. 272 ff.

102

1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

ownership is not decisive. The issue is rather whether a breach of NAFTA leads with sufficient directness to loss or damage in respect of a given investment.

Das Schiedsgericht anerkannte daher ein Klagerecht von Aktionären. Der Grundgedanke, dass die Schädigung des Unternehmens und die damit verbundenen wirtschaftlichen Folgen ausreichen, um einen Entschädigungsanspruch der Aktionäre auszulösen, findet sich auch in der sonstigen Spruchpraxis. Der Fall CMS228 war aufgrund des BIT zwischen Argentinien und den USA zu entscheiden. Der behauptete Eingriff bestand in der Suspendierung einer Bindung der Tarife für Gastransporte an US Preis Indizes und der Umrechnung der Tarife zu einem Kurs ein Peso für einen Dollar. Die Transportlizenz hatte TGN inne, an dem CMS eine Minderheitenbeteiligung hatte. Argentinien erhob den Einwand, CMS könne sich nur wegen Eingriffen, welche die Aktien direkt betrafen, beschweren. Das Schiedsgericht stellt dazu fest, dass die Rechte des Klägers unabhängig von jenen von TGN als eigener Klagegrund geltend gemacht werden können: Because, as noted above, the rights of the Claimant can be asserted independently from the rights of TGN and those relating to the License, and because the Claimant has a separate cause of action under the Treaty in connection with the protected investment, the Tribunal concludes that the present dispute arises directly from the investment made and that therefore there is no bar to the exercise of jurisdiction on this count.229

Das Schiedsgericht in Azurix230 bestätigte diese Vorgangsweise. Es betonte, dass es sich nicht um einen Rechtsstreit handle, der aufgrund von Völkergewohnheitsrecht zu entscheiden sei, sondern um einen Anspruch aufgrund eines BIT. Angesichts des weiten Investitionsbegriffs im BIT und unter Verweis auf CMS stellte es in der Folge fest, dass den Aktionären unabhängig vom Unternehmen ein Klagerecht zukomme: The issues before this Tribunal concern not diplomatic protection under customary international law but the rights of investors, including shareholders, as determined by treaty, namely, under the BIT. The Tribunal does not find it necessary to resolve the controversy regarding the extent of the right of a State under public international law to protect its nationals who are shareholders in foreign companies. The Tribunal has already found that given the wide meaning of investment in the definition in Article I.1(a), the provisions of the BIT protect indirect claims. This conclusion, based on an analysis of the text of the provision, concurs with decisions of tribunals that have interpreted the same provision in the same BIT or similar provisions in other BITs to which Respondent is a party and that have been referred to

___________ 228

CMS Gas Transmission Company v. Argentine Republic, (US/Argentina BIT), Decision on Objections to Jurisdiction, 17 July 2003, 7 ICSID Reports 494. 229 Ibid., § 68. 230 Azurix Corp. v. Argentine Republic, (United States/Argentina BIT), Decision on Jurisdiction, 8 December 2003, 10 ICSID Reports 416.

D. Unternehmensbeteiligungen

103

by the parties in their pleadings. Thus in CMS the tribunal concluded that “jurisdiction can be established under the terms of the specific provision of the BIT. Whether the protected investor is in addition a party to a concession agreement or a license agreement with the host State is immaterial for the purpose of finding jurisdiction under those treaty provisions, since there is a direct right of action of shareholders”.231

Auch das Schiedsgericht in ENRON232 hob im Zusammenhang mit der Möglichkeit eines Aktionärs, indirekte Schäden einzuklagen, hervor, dass in ENRON ein BIT die Anspruchsgrundlage sei und dieses eine Investitionsdefinition enthalte, welche Aktienbesitz einschließe.233 Das Schiedsgericht stellte fest, dass der Aktionär unabhängig vom Unternehmen für indirekte Schäden anspruchberechtigt sei: The Tribunal has noted above that the rights of the Claimants can be asserted independently from the rights of TGS or CIESA. As the Claimants have a separate cause of action under the Treaty in connection with the investment made, the Tribunal concludes that the present dispute arises directly out of the investment made and that accordingly there is no obstacle to a finding of jurisdiction on this count.234

Das Schiedsgericht in Siemens235 stellte im Hinblick auf dieses Problem zusammenfassend fest, dass es eine einheitliche Praxis der Investitionsschiedsgerichte gebe, Klagen eines Aktionärs für Schäden am Unternehmen zuzulassen, und ließ daher auch die Klage von Siemens für derartige Schäden zu: As regards ICSID case law dealing with the issue of the right of shareholders to bring a claim before an arbitral tribunal, the decisions of arbitral tribunals have been consistent in deciding in favor of such right of shareholders. …

___________ 231

Ibid., §§ 72, 73. Hervorhebung Original. Das Schiedsgericht zitiert § 65 der CMS Decision on Jurisdiction. 232 Enron and Ponderosa Assets v. Argentine Republic, (United States/Argentina BIT), Decision on Jurisdiction, 14 January 2004, http://ita.law.uvic.ca/documents/ Enron-Jurisdiction.pdf, §§ 43, 46, 49, 60 und Decision on Jurisdiction Ancillary Claim, 2 August 2004, http://ita.law.uvic.ca/documents/Enron-DecisiononJurisdiction-FINALEnglish.pdf, § 35. 233 Enron and Ponderosa Assets v. Argentine Republic, (United States/Argentina BIT), Decision on Jurisdiction Ancillary Claim, 2 August 2004, http://ita.law.uvic. ca/documents/Enron-DecisiononJurisdiction-FINAL-English.pdf, § 45. 234 Enron and Ponderosa Assets v. Argentine Republic, (United States/Argentina BIT), Decision on Jurisdiction, 14 January 2004, http://ita.law.uvic.ca/documents/ Enron-Jurisdiction.pdf, § 60, in dem auf die Ausführungen in den §§ 43, 46 und 49 dieser Entscheidung Bezug genommen wird. 235 Siemens A.G. v. Argentine Republic, (Germany/Argentina BIT), Decision on Jurisdiction, 3 August 2004, 12 ICSID Reports 174.

104

1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

For the above reasons, the Tribunal considers that Siemens has ius standi in these proceedings as an investor in SITS through SNI.236

Eine Reihe anderer Schiedssprüche bestätigt diese Feststellung,237 sodass festgehalten werden kann, dass eine übereinstimmende Praxis der Schiedsgerichte besteht, indirekt geschädigten Aktionären ein Klagerecht einzuräumen. Damit sind Aktionäre nicht nur im Falle eines Eingriffs in ihre unmittelbaren Eigentumsrechte an den Aktien geschützt. Der Schutz erstreckt sich vielmehr auch auf die Schädigung des Unternehmens und die damit verbundenen wirtschaftlichen Folgen, die eine Schädigung der Aktionäre bewirken.

___________ 236

Ibid., §§ 142, 144. Siehe z.B.: Azurix Corp. v. Argentine Republic, (United States/Argentina BIT), Decision on Jurisdiction, 8 December 2003, 10 ICSID Reports 416, §§ 63-74; LG&E Energy Corp. v. Argentine Republic, (United States/Argentina BIT), Decision on Jurisdiction, 30 April 2004, http://ita.law.uvic.ca/documents/LGE-DecisionJurisdictionEnglish.pdf, §§ 50–63; AES Corporation v. Argentina, (US/Argentina BIT), Decision on Jurisdiction, 26 April 2005, 12 ICSID Reports 312, §§ 85–89; Sempra Energy v. Argentina, (US/Argentina BIT), Decision on Jurisdiction, 11 May 2005, http://ita.law. uvic.ca/documents/semprajurisdiction.pdf, §§ 73-79, 92–94; Camuzzi v. Argentina, (Belgo-Luxembourg/Argentina BIT), Decision on Jurisdiction, 11 May 2005, http://ita. law.uvic.ca/documents/camuzzijurisdiction.pdf, §§ 12, 45, 56, 57, 61–67, 78–82, 140– 142; Gas Natural SDG, S. A. v. Argentina, (Argentina/Spain BIT), Decision on Jurisdiction, 17 June 2005, http://ita.law.uvic.ca/documents/GasNaturalSDG-Decisionon PreliminaryQuestionsonJurisdiction.pdf, §§ 32–35, 50–52; Compañía de Aguas del Aconquija, S. A. & Vivendi Universal S. A. v. Argentina (Vivendi II), (France/Argentina BIT), Decision on Jurisdiction, 14 November 2005, http://ita.law.uvic.ca/documents /AgueasVivendijurisdictiondecision.pdf, §§ 88–94, siehe auch Appendix 1, der eine Liste der 18 bis zum Ergehen dieses Schiedsspruchs entschiedenen Fällen enthält – sämtliche der Schiedsgerichte sprachen sich für ein Klagerecht von Aktionären bei indirekten Schäden aus; Continental Casualty v. Argentina, (US/Argentina BIT), Decision on Jurisdiction, 22 February 2006, http://ita.law.uvic.ca/documents/ContinentalCasual ty-Jurisdiction.pdf, §§ 51–54, 76–89; Bogdanov v. Moldova, (Russia/Moldova BIT), Award, 22 September 2005, http://ita.law.uvic.ca/documents/Bogdanov-Moldova-22Sep tember2005.pdf, §§ 2.2.1, 5.1; EnCana Corporation v. Republic of Ecuador, (Canada/Ecuador BIT), Award, 3 February 2006, 12 ICSID Reports 427, §§ 116, 117,122; Suez, Sociedad General de Aguas de Barcelona S. A., and InterAguasServiciosIntegrales del Agua S. A. v. The Argentine Republic, (France/Argentina and Spain/Argentina BITs), Decision on Jurisdiction, 16 May 2006, http://ita.law.uvic.ca/documents/SuezJurisdiction.pdf, §§ 46–51; National Grid plc v. The Argentine Republic, (UK/Argentina BIT), Decision on Jurisdiction, 20 June 2006, http://ita.law.uvic.ca/docu ments/Natio nalGrid-Jurisdiction-En.pdf, §§ 147–158; Pan American Energy LLC and BP Argentina Exploration Company v. Argentine Republic, (US/Argentina BIT), Decision on Preliminary Objections, 27 July 2006, http://ita.law.uvic.ca/documents/PanAmerican BPJurisdiction-eng.pdf, §§ 209–222. 237

D. Unternehmensbeteiligungen

105

Wie beispielsweise das Schiedsgericht im Fall Impregilo v. Pakistan238 feststellte, können Ansprüche dem Umfang nach nur anteilsmäßig geltend gemacht werden: … there is an established principle of international law that a shareholder of a company, or one member of a partnership or joint venture, may not claim for the entire loss suffered by the corporate entity or group.239

IV. Cut-off Punkt bei Kettenbeteiligungen Im Investitionsschutz ist aufgrund der Tatsache, dass auch Minderheitenaktionäre indirekte Schäden an Unternehmen, deren Aktien sie halten, geltend machen können, nicht ausgeschlossen, dass bei Kettenbeteiligungen Aktionäre am Ende der Kette ihre Rechte geltend machen können. So kann etwa ein Minderheitenaktionär an einem Unternehmen beteiligt sein, das seinerseits Minderheitenaktionär an einem weiteren Unternehmen ist, das den Schaden erleidet. Die Kette ließe sich beliebig fortsetzen. Dazu kommt, dass auch die diversen Gesellschaften selbst ihre Rechte geltend machen und sich dabei unterschiedlicher Strategien bedienen können. Sollen alle diese Beteiligten anspruchsberechtigt sein, wenn sie die sonstigen Erfordernisse erfüllen? Wie verhindert man Mehrfachentschädigungen? Im Menschenrechtsschutz stellt sich aufgrund der im Vergleich zum Investitionsschutz eingeschränkteren Beschwerdemöglichkeit von Aktionären das Problem nicht. Im Investitionsschutz ist es zwar bereits als Problem aufgeworfen worden, eine eindeutige Lösung dafür wurde aber von den Schiedsgerichten bisher nicht entwickelt. In Enron and Ponderosa Assets v. Argentine Republic240 hielt das Schiedsgericht fest, dass es im Fall von Kettenbeteiligungen einen Cut-off-Punkt geben müsse, ab dem Ansprüche nicht mehr zulässig seien. Es sah als entscheidungsrelevantes Kriterium die Zustimmung zur Schiedsgerichtsbarkeit an und wies darauf hin, dass der Kläger von Argentinien eingeladen worden sei, sich an der Investition zu beteiligen, und daher rechtlich geschützt sei:

___________ 238

Impregilo S.p. A. v. Islamic Republic of Pakistan, (Italy/Pakistan BIT), Decision on Jurisdiction, 22 April 2005, 12 ICSID Reports 245. 239 Ibid., § 154. Siehe auch z.B.: American Manufacturing & Trading, Inc. v. Republic of Zaire, (United States/Zaire BIT), Award, 21 February 1997, 5 ICSID Reports 14, S. 15, 37. 240 Enron and Ponderosa Assets v. Argentine Republic, (United States/Argentina BIT), Decision on Jurisdiction, 14 January 2004, http://ita.law.uvic.ca/documents/ Enron-Jurisdiction.pdf.

106

1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

The Tribunal notes that while investors can claim in their own right under the provisions of the treaty, there is indeed a need to establish a cut-off point beyond which claims would not be permissible as they would have only a remote connection to the affected company. As this is in essence a question of admissibility of claims, the answer lies in establishing the extent of the consent to arbitration of the host State. If consent has been given in respect of an investor and an investment, it can be reasonably concluded that the claims brought by such investor are admissible under the treaty. If the consent cannot be considered as extending to another investor or investment, these other claims should then be considered inadmissible as being only remotely connected with the affected company and the scope of the legal system protecting that investment. … The conclusion that follows is that in the present case the participation of the Claimants was specifically sought and that they are thus included within the consent to arbitration given by the Argentine Republic. The Claimants cannot be considered to be only remotely connected to the legal arrangements governing the privatization, they are beyond any doubt the owners of the investment made and their rights are protected under the Treaty as clearly established treaty-rights and not merely contractual rights related to some intermediary.241

Das Schiedsgericht in Camuzzi242 bestätigte die Ansicht des Enron-Schiedsgerichts in diesem Punkt. Es ging davon aus, dass das Problem des Cut-offPunkts bei aus Kettenbeteiligungen abgeleiteten Ansprüchen anhand der Zustimmungsklausel zur Schiedsgerichtsbarkeit zu lösen sei, und zitierte die eben angeführte Passage aus dem Schiedsspruch in Enron.243/244 ___________ 241

Ibid., §§ 52, 56. Hervorhebung durch die Autorin. Camuzzi v. Argentina, (Belgo-Luxembourg/Argentina BIT), Decision on Jurisdiction, 11 May 2005, http://ita.law.uvic.ca/documents/camuzzijurisdiction.pdf. 243 Ibid., §§ 64, 65. 244 Das Schiedsgericht in PSEG v. Turkey (PSEG Global, Inc., The North American Coal Corporation, and Konya Ingin Electrik Uretim ve Ticaret Limited Sirketi v. Turkey, (United States/Turkey BIT), Decision on Jurisdiction, 4 June 2004, http://ita.law.uvic.ca/documents/psegdecision.pdf) wählte ebenfalls diesen Anknüpfungspunkt und berief sich dabei auf den Schiedsspruch im Fall Enron. Allerdings betraf der Fall keine Kettenbeteiligung von Aktionären, sondern einen Fall, in dem ein Unternehmen eine Option auf den Erwerb von Anteilen an einem anderen Unternehmen hatte. Die Erwerbsoption wurde als nicht mehr von der Investitionsdefinition des BIT umfasst angesehen. Das Schiedsgericht führte unter Berufung auf Enron Folgendes aus: The Tribunal considers that the Respondent’s argument that the definition of investment does not include an option is persuasive as a general approach. Broad as many definitions of investment are in treaties of this kind, there is a limit to what they can reasonably encompass as an investment. Options such as this particular one can not, in the view of the Tribunal, be interpreted as an “investment”. (§ 189). In the opinion of the Tribunal NACC was at best only a technical operator for the investor in respect of the mining operations of the project and, later, an equity holder with a standing no different from any other equity holder. … Given the corporate structure of the project, only PSEG as the investor and the Project 242

D. Unternehmensbeteiligungen

107

Fraglich ist, ob der in Enron gewählte Lösungsansatz, wonach das entscheidende Kriterium sich aus dem „consent to arbitration“ ergibt, zielführend ist. Der „consent to arbitration“ wird heute seitens der Staaten im Allgemeinen durch Ratifikation eines bi- oder multilateralen Investitionsschutzvertrags gegeben. Die Zustimmung bezieht sich hierbei generell auf Investoren mit einer entsprechenden Staatsangehörigkeit. Das führt zu keinerlei „cut-off“ hinsichtlich einer bestimmten Investition. Wenn sich die Zustimmung zur Schiedsgerichtsbarkeit aber zusätzlich auf eine bestimmte Investition beziehen muss, also „consent to arbitration in respect of an investor and an investment“ erforderlich ist, wird das System der generellen Zustimmung zur Schiedsgerichtsbarkeit seitens eines Staates durch Abschluss eines BIT oder MIT hinfällig. „Arbitration without privity“245 wäre bei Anwendung dieses Kriteriums für Aktionäre nicht mehr möglich, weil eine spezielle Zustimmung bezüglich der besonderen Investition erforderlich wäre. Zusätzlich ist zu bedenken, dass die in Enron vorliegende Konstellation, in der die Beteiligung des Investors an einer Investition gezielt vom Staat angestrebt wurde, für eine Ketteninvestition keineswegs repräsentativ ist. Es erscheint daher fraglich, ob der in einem solchen Sonderfall gewählte Ansatz verallgemeinerungsfähig ist. Somit kann festgehalten werden, dass die Schiedsgerichte bisher in ihren Jurisdiktionsentscheidungen das Problem der Kettenbeteiligungen über die Frage, wie weit die Zustimmung zur Schiedsgerichtsbarkeit reicht, nicht gelöst haben. Sie wiesen übereinstimmend darauf hin, dass das Verhältnis des Klägers zur Investition nicht zu entfernt (remotely connected) sein dürfe. In merito wurde über die Konsequenzen einer derartigen Klagemöglichkeit und insbesondere, wie die Probleme der Mehrfachentschädigung minimiert werden können, noch nicht entschieden. ___________ Company as the conduit for this investment can be considered legally linked to the Turkish Government for the purpose of the Contract and the operation of the Treaty, including the consent given to arbitration. Other equity holders do not have an interest separate from these entities and consequently cannot claim on their own. … Any interest, which the investor may eventually have, may accrue, in part, to NACC, if the latter still has an ongoing equity participation in the investor company. But this is a matter which concerns only intra-corporate arrangements that are separate and distinct from any Treaty connection between NACC and the Respondent. … As held in Enron, the corporate linkages can be recognized for the purpose of the jurisdiction of an arbitral tribunal to the extent that the consent to arbitration is considered to extend to a given entity, but not beyond. NACC is beyond the reach of the consent to arbitration as far as the Respondent is concerned. (§§ 192, 193). 245 J. Paulson, Arbitration Without Privity, 10 ICSID Review, Foreign Investment Law Journal 1995, 232–257.

108

1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

V. Zwischenergebnis zu Unternehmensbeteiligungen Aktien und sonstige Anteilsrechte sind sowohl vom menschenrechtlichen Eigentums- als auch vom investitionsrechtlichen Investitionsbegriff umfasst. Es besteht daher sowohl im Menschenrechtsschutz als auch im Investitionsschutz grundsätzlich Eigentumsschutz für Aktien und sonstige Unternehmensbeteiligungen. Allerdings ist der Umfang der Rechte von Aktionären, Eigentumseingriffe geltend zu machen sehr unterschiedlich: Übereinstimmung besteht hier zwischen Menschenrechtsschutz und Investitionsschutz nur bei einem direkten Entzug der Anteilsrechte von Individuen. Dieser kann sowohl im Menschenrechts- als auch im Investitionsschutz von den Betroffenen erfolgreich geltend gemacht werden. Juristische Personen sind zwar vor dem EGMR, nicht aber vor den Organen der Amerikanischen Menschenrechtskonvention beschwerdeberechtigt. Es besteht daher kein Eigentumsschutz für Unternehmen im System der AMRK. Erhebliche Unterschiede zwischen Menschenrechtsschutz- und Investitionsschutz bestehen im Hinblick auf Aktionäre, die Eingriffe unabhängig vom Unternehmen geltend machen wollen. Eine Sonderrolle kommt hierbei der Judikatur des Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshofs zu. Zusätzlich zum Umstand, dass juristische Personen nicht Beschwerde führen können, wurde es auch Aktionären verwehrt, Beschwerden einzubringen, wenn das Unternehmen, nicht aber das Individuum vom Eingriff betroffen war. Damit besteht bei Eingriffen in Unternehmensrechte weder für das betroffene Unternehmen noch für die daran beteiligten Aktionäre ein Beschwerderecht. Für Unternehmensbeteiligte besteht daher kein Eigentumsschutz bei indirekten Schäden. Dies ist eine – wirtschaftlich betrachtet – sehr unbefriedigende Lösung. Denn Individuen können nur im Falle eines unmittelbaren Entzugs der Anteilsrechte eine Verletzung ihres Eigentumsrechts wirksam geltend machen. Im Falle von indirekten Schäden durch Eingriffe in Unternehmensrechte können weder das betroffene Unternehmen noch die mittelbar betroffenen Beteiligten Beschwerde erheben. Auch der EGMR hat im Hinblick auf indirekte Schäden von Unternehmensbeteiligten einen restriktiven Zugang. Er räumte nicht einmal in jedem Fall Mehrheitsaktionären bei indirekten Schäden ein Beschwerderecht ein. Voraussetzung für eine Beschwerdemöglichkeit von Aktionären unabhängig vom Unternehmen ist, dass das Unternehmen nicht selbst Beschwerde führen kann. Das vom Gerichtshof ins Treffen geführte Argument, dass nationale Rechtsmittel üblicherweise nur den Unternehmen zur Verfügung stehen und daher von den Beteiligten nicht ausgeschöpft werden können, überzeugt insofern nicht, als nach der ständigen Judikatur des EGMR keine Rechtsmittel auszuschöpfen sind, wenn es diese nicht gibt.

D. Unternehmensbeteiligungen

109

Die stark eingeschränkte Beschwerdemöglichkeit von Aktionären unabhängig vom Unternehmen ist im Rahmen der EMRK deswegen weniger schwerwiegend als im Investitionsrecht, weil die Nationalität eines Unternehmens für eine Beschwerdeberechtigung im Menschenrechtsschutz irrelevant ist. Daher kann im Bereich der EMRK das Unternehmen, in dessen Eigentum eingegriffen wurde, in der Regel selbst Beschwerde erheben. Im Investitionsschutz ist im Unterschied dazu Jurisdiktionsvoraussetzung, dass die vom Eingriff betroffene natürliche oder juristische Person die Nationalität246 eines Staates hat, mit dem der schädigende Staat ein Investitionsschutzabkommen abgeschlossen hat. Weder für natürliche oder juristische Personen des Staates, der den Eingriff gesetzt hat, noch für Drittstaatsangehörige besteht eine Klagemöglichkeit vor Investitionsschiedsgerichten. Im Unterschied zum Menschenrechtsschutz können im Investitionsschutz laut ständiger Rechtsprechung der Schiedsgerichte Aktionäre eine Verletzung ihrer Eigentumsrechte unabhängig vom Unternehmen geltend machten. Dies gilt sowohl für Mehrheits- als auch für Minderheitsbeteiligungen. Das Klagerecht wurde auch in Fällen von indirekten Schäden immer eingeräumt. Damit sind Aktionäre und sonstige Unternehmensbeteiligte nicht nur im Falle eines Eingriffs in ihre Eigentumsrechte an den Aktien selbst geschützt, sondern auch in jenen Fällen, in denen sie nur von den wirtschaftlichen Folgen eines Eingriffs in Eigentumsrechte des Unternehmens betroffen sind. Für Unternehmensbeteiligungen ist der investitionsrechtliche Eigentumsschutz insbesondere für Minderheitenbeteiligte daher wesentlich umfassender als der menschenrechtliche. Mehrheitsbeteiligte können die Vorgangsweise des Unternehmens besser mitbeeinflussen. Da Unternehmen in Rahmen der EMRK aufgrund des Fehlens eines Nationalitätserfordernisses umfassender beschwerdeberechtigt sind als im Investitionsschutz, können Mehrheitsbeteiligte ihre Eigentumsschäden daher in der Regel mittelbar durch das Unternehmen geltend machen. Schwieriger ist das Problem zu lösen, wie man sinnvoller Weise mit unterschiedlichen Strategien der Rechtsverfolgung eines Unternehmens und der diversen an diesem Beteiligten vorgehen kann, wenn man Beschwerden von In___________ 246

Zu den Nationalitätserfordernissen bei Aktionären siehe z.B.: C. Schreuer, Shareholder Protection in International Investment Law, in: P.-M. Dupuy/B. Fassbender/ M. N. Shaw u.a. (Hrsg.), Völkerrecht als Wertordnung, Festschrift für Christian Tomuschat, 2006, S. 604 ff.; S. A. Alexandrov, The „Baby Boom“ of Treaty-Based Arbitrations and the Jurisdiction of ICSID Tribunals: Shareholders as „Investors“ and Jurisdiction Ratione Temporis, 4 The Law and Practice of International Courts and Tribunals, 2005, S. 34 ff.; R. Dolzer/M. Stevens, Bilateral Investment Treaties, 1995, S. 34 ff.

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1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

dividuen unabhängig vom Unternehmen zulässt. Denn es ist keineswegs sicher, dass gleiche Interessenlagen der direkt bzw. indirekt Betroffenen bestehen und sie die gleichen Strategien als Reaktion auf einen Eigentumseingriff wählen. Noch nicht gelöst ist im Investitionsschutz das Problem des cut-off im Fall von Kettenbeteiligungen. Für die Frage der Jurisdiktion behalfen sich die Schiedsgerichte bisher damit, das Problem über den „consent“ zur Schiedsgerichtsbarkeit zu lösen. Es bleibt abzuwarten, wie in der Sache entschieden wird, insbesondere um Mehrfachentschädigungen bei Klagen von Unternehmensbeteiligten und Unternehmen zu verhindern. Übereinstimmend ist die Judikatur hinsichtlich des Umstandes, dass Aktionäre nur zur Geltendmachung der jeweils ihrem Anteil entsprechenden Ansprüche berechtigt sind.

E. Schuldrechtliche Ansprüche I. Allgemeines Ziel des nun folgenden Kapitels ist es, zunächst beispielhaft zu erläutern, dass sämtliche befasste internationale Gerichte und Investitionsschiedsgerichte den Eigentumsbegriff nicht auf körperliches Eigentum begrenzen, sondern vertragliche Ansprüche und Forderungsrechte auch als vom Schutz umfasst ansehen.247

___________ 247

Auch in der Literatur ist dies eindeutig der Fall, siehe z.B.: G. Sacerdoti: “All rights and interests having an economic content come into play, including immaterial and contractual rights.” (G. Sacerdoti, Bilateral Treaties and Multilateral Instruments on Investment Protection, 269 RdC (1997), 251, S. 381); R. Higgins: “… the notion of ‘property’ is not restricted to chattels. Sometimes rights that might seem more naturally to fall under the category of contract rights are treated as property.” (R. Higgins, The Taking of Property by the State: Recent Developments in International Law, 176 RdC (1982-III), 263, S. 271); UNCTAD: “In the past, the concern was only with the physical property of a foreign investor. In modern times, the concern is not so much with the physical property but with the antecedent rights that are necessary for the enjoyment of these property rights as well as with incorporeal property … Most recent BITs include intellectual property within the definition of investment so that, if there are infringements of intellectual property rights by State interference, there would be a taking. So too, contractual rights and regulatory rights associated with the making of an investment are included within the definition of foreign investment in treaties.” (UNCTAD Series, Taking of Property 36 (2000)).

E. Schuldrechtliche Ansprüche

111

In weiterer Folge werden wichtige Untergruppen in der Praxis der Gerichte analysiert. Eine Unterteilung in privatrechtliche und öffentlichrechtliche Ansprüche wird in den einzelnen innerstaatlichen Rechtsordnungen unterschiedlich vorgenommen; zum Teil existiert sie überhaupt nicht. Ihr kommt bei den untersuchten Gerichten und Schiedsgerichten keine wesentliche Bedeutung zu. Es wird daher im Weiteren auf eine Unterteilung in privatrechtliche und öffentlich rechtliche Ansprüche verzichtet.

1. Menschenrechtsschutz Der EGMR legt den Begriff „possession“ in der Konvention weit aus. Er sieht auch vertragliche und deliktische Forderungen unter bestimmten Umständen als vom Eigentumsbegriff des Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK umfasst an. In diesem Zusammenhang war der Gerichtshof etwa mit der Frage konfrontiert, ob vollstreckbare Forderungen Eigentum im Sinne dieses Artikels sind. Dies bestätigte er in seiner Leitentscheidung Stran Greek Refineries und Stratis Andreadis gg Griechenland.248 In diesem Fall hatte der Beschwerdeführer einen Schiedsspruch gegen den griechischen Staat erwirkt, der durch ein Gesetz rückwirkend für nichtig erklärt worden war. Der EGMR hatte darüber zu entscheiden, ob der Schiedsspruch eine „possession“ im Sinne der Konvention und Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK daher anzuwenden sei. Der Gerichtshof sah die Anwendbarkeit von Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK als gegeben an, weil folgende Bedingungen kumulativ erfüllt waren: –

Der Schiedsspruch legte die Verantwortung des Staates bis zu einer spezifizierten Summe fest.

___________ 248 EGMR, Stran Greek Refineries und Stratis Andreadis gg Griechenland, Urteil vom 9. Dezember 1994, Serie A, Nr. 301-B. Der griechische Staat beendete 1977 durch ein Gesetz einen 1972 mit dem Beschwerdeführer geschlossenen Vertrag über die Errichtung einer Ölraffinerie. Die Gesellschaft klagte auf Erstattung der bis dahin entstandenen Kosten. Der Staat bestritt die Gerichtszuständigkeit und befasste ein Schiedsgericht mit dem Fall. Das erstinstanzliche Gericht entschied in einem Zwischenurteil 1979 zu Gunsten des Klägers. Auch das Schiedsgericht entschied 1984 zu Gunsten des Klägers. Der Staat focht den Schiedsspruch vor dem Gericht erster Instanz mit der Begründung an, dass die Schiedsklausel durch das Gesetz aus 1977 annulliert worden und der Schiedsspruch daher null und nichtig sei. Sowohl das Gericht erster Instanz (1985) als auch der Appelationsgerichtshof (1986) entschieden in ihren Urteilen gegen den Staat. Während der Fall vor dem Kassationsgerichtshof anhängig war, beschloss das Parlament ein Gesetz, wodurch sämtliche Verträge, die während der Militärdiktatur geschlossen worden waren, aufgehoben und sämtliche damit im Zusammenhang ergangene Schiedssprüche nichtig waren. Der Kassationsgerichtshof bejahte die Verfassungsmäßigkeit dieses Gesetzes.

112

1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff



Er war rechtskräftig und bindend und erforderte keine weiteren Durchsetzungsmaßnahmen.



Es war kein Rechtsmittel gegen den Schiedsspruch eingelegt worden.



Er wäre nach der griechischen Rechtsordnung vollstreckbar gewesen.

Der Gerichtshof führte dies wie folgt aus: [I]n order to determine whether the applicants had a “possession” the Court must ascertain whether judgement no. … and the arbitration award had given rise to a debt in their favour that was sufficiently established to be enforceable. … The arbitration award clearly recognised the State’s liability up to a maximum of specified amounts in three different currencies. … According to its wording the award was final and binding; it did not require any further enforcement measure and no ordinary or special appeal lay against it. Under Greek legislation arbitration awards have the force of final decisions and are deemed to be enforceable. At the moment when law no. … was passed the arbitration award conferred on the applicants a right in the sums awarded. That right constituted a “possessions” within the meaning of Article 1 of Protocol 1.249

Damit sah der Gerichtshof eine hinreichend bestimmte und vollstreckbare Forderung als Eigentum im Sinne der Konvention an und bejahte daher die Anwendbarkeit des Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK. In Übereinstimmung mit diesem Urteil qualifizierte der Gerichtshof in etlichen anderen Fällen rechtskräftige, gerichtlich anerkannte Forderungen als Eigentum im Sinne der Konvention.250 Sobald ein Urteil das Bestehen einer ___________ 249

§ 59. Siehe z.B.: EGMR, Brumarescu gg Rumänien Nr. 28342/95, ECHR 1999-VII, 70. The Court considers that the applicant had a “possession” for the purposes of Article 1 of Protocol No. 1. The Court of First Instance, in its judgment of 9 December 1993, established that the house in question had been nationalised in breach of Decree no. 92/1950 on nationalisation and held, with retrospective effect, that the applicant, as his parents’ successor in title, was the lawful owner of that house. The Court also notes that that finding as to the applicant’s right was irrevocable. Furthermore, the applicant had peaceful enjoyment of his possession, as its rightful owner, from 9 December 1993 to 1 March 1995. He also paid realproperty taxes on it. O.N. gg Bulgarien, Nr. 35221/97, Entscheidung vom 6. April 2000, … claim for restitution and compensation, as generated in accordance with the rules of unjust enrichment under the applicable general law of obligations. His claim was recognised by the domestic courts as having arisen in 1986. A claim of this nature constitutes an asset and therefore amounts to “a possession” within the meaning of the first sentence of Art. 1. Sciortino gg Italien, Nr. 30127/96, Urteil vom 18. Oktober 2001, – nicht umgesetzes innerstaatliches Urteil, das dem Beschwerdeführer eine Pensionserhöhung zusprach; Burdov gg Russland, Urteil vom 7. Mai 2002, ECHR 2002-III, §§ 39, 40 – Schadenersatzanspruch gegen den Staat, der in einem in Rechtskraft erwachsenen Urteil zugesprochen wurde, ist eine „possession“; Ryabykh gg Russland, Urteil vom 24. Juli 2003, 250

E. Schuldrechtliche Ansprüche

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Forderung festgestellt hat, schadet es nicht, dass noch Rechtsmittel möglich sind, wenn diese keine aufschiebende Wirkung haben.251 In Fällen, in denen nur ein erstinstanzliches Urteil eine Forderung anerkannt, die oberen Instanzen je___________ ECHR 2003-IX, § 61; Bocancea u.a. gg Moldau, Nr. 1887/02, 6. Juli 2004, § 36 – Schadenersatzanspruch gegen den Staat, der in einem in Rechtskraft erwachsenen Urteil zugesprochen wurde, ist eine „possession“ i.S. des Art 1.; Jasiuniene gg Litauen, Urteil vom 6. März 2003, § 44 – nicht umgesetztes innerstaatliches Urteil, das einen Restitutionsanspruch zusprach; Timofeyev gg Russland, 23. Oktober 2003 §§ 45, 46 – Schadenersatzanspruch gegen den Staat, der in einem in Rechtskraft erwachsenen Urteil zugesprochen wurde, ist eine „possession“ i.S. des Art 1; Sabin Popescu gg Rumänien, Nr. 48102/99, Urteil vom 2. März 2004, § 79 – nicht umgesetztes innerstaatliches Restitutionsurteil; Prodan gg Moldau, Urteil vom 18. Mai 2004, § 59 – nicht umgesetztes innerstaatliches Restitutionsurteil; Ogis-Institut Stanislas gg Frankreich, Urteil vom 27. Mai 2004, § 77 – Kriterium wieder genannt, jedoch keine Entscheidung getroffen, ob possession im Einzelfall vorliegt; Broniowski gg Polen [GC], Nr. 31443/96, Urteil vom 22. Juni 2004, ECHR 2004-V, §§ 130–133, wo der Gerichtshof in Übereinstimmung mit dem polnischen Verfassungsgerichtshof und unter Bezugnahme auf diese Rechtsmeinung im Hinblick auf einen der so genannten „Bug-River Fälle“ feststellte, dass das Recht des Beschwerdeführers, beim Erwerb von Staatsgütern Entschädigungsansprüche auf den Kaufpreis bzw. die Gebühr für die fortwährende Nutzung anzurechnen, als „Eigentum“ i.S.v. Art. 1 1. ZP EMRK zu qualifizieren sei; Piven gg Ukraine, Nr. 56849/00, Urteil vom 29. Juni 2004, § 46 – nicht umgesetztes innerstaatliches Gerichtsurteil; Croitoriu gg Rumänien, Nr. 54400/00, Urteil vom 9. November 2004: § 34 On the merits, the Court recalls that a “claim” can constitute a “possession” within the meaning of Article 1 of Protocol No. 1 to the Convention if it is sufficiently established as enforceable (see ...). In the present case, it has already found that the authorities had an obligation to restore certain plots of land to the applicant (see paragraph 28 above) in accordance with the final judgments of 13 March 1995 and 25 January 1996. Therefore, the applicant has enforceable claims deriving from them. Ivanova gg Ukraine, Nr. 74104/01, Urteil vom 13. September 2005, § 28; Stere and others gg Rumänien, Nr. 25632/02, Urteil vom 23. Februar 2006, § 42. 251 Siehe z.B. EGMR, Antonakopoulos, Vortsela und Antonakopoulou gg Griechenland, Nr. 37098/97, Urteil vom 14. Dezember 1999: 31. Or l’arrêt de la Cour des comptes du 4 juillet 1996 avait fait naître dans le chef des requérants une créance suffisamment établie et non un simple droit éventuel comme le soutient le Gouvernement; certes, l’Etat pouvait former un pourvoi contre cet arrêt devant la Cour des comptes siégeant en formation plénière – et il l’a fait du reste le 4 juin 1997, mais l’article 112 du décret présidentiel n° 1225/1981 dispose qu’un tel pourvoi n’a pas d’effet suspensif. Par conséquent, l’impossibilité dans laquelle se sont trouvés les intéressés d’obtenir l’exécution de cet arrêt, du moins jusqu’à l’adoption de la loi n° 2512/1997, constitue une ingérence dans le droit de propriété de ceux-ci qui relève de la première phrase du premier alinéa de l’article 1 du Protocole n° 1. Ebenso, EGMR, Vasilopoulou gg Griechenland, Nr. 47541/99, 21. März 2002, § 22; The Synod College of the Evangelical Reformed Church of Lithuania gg Litauen, Nr. 44548/98, Entscheidung vom 5. Dezember 2002, S. 10 der online Version. In diesem Sinne auch J. Meyer-Ladewig, Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, 2003, S. 328.

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1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

doch abschlägig darüber entschieden hatten, ging der Gerichtshof zutreffender Weise nicht vom Bestehen eines geschützten Eigentumsrechts aus.252 Weiters mussten sich die Kommissionsorgane im Zusammenhang mit Forderungsrechten mit der Frage auseinander setzen, ob Forderungen, bei denen der Inhaber auf ihre Erfüllung legitimerweise vertrauen konnte, vom Schutzbereich des Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK umfasst seien, und unter welchen Voraussetzungen derartige „legitimate expectations“ bestehen. In der Judikatur der Strassburger Organe finden sich dazu zwei Fallgruppen. Die erste von ihnen betraf Sachverhalte, in denen die „legitimate expectation“ im begründeten Vertrauen („reasonably justified reliance“) auf einen gültig scheinenden Rechtsakt bestand und aufgrund dieses Rechtsakts Investitionen getätigt worden waren. Zum ersten Mal hatte der Gerichtshof das Konzept im Fall Pine Valley gg Irland253 verwendet. Eine Gesellschaft hatte ein Gelände erworben, für das nach irischem Recht eine Rahmenplanungsgenehmigung (outline planning permission) existierte, die zur Errichtung von Industriekaufhäusern und Bürogebäuden berechtigte. Das Grundstück lag in einer Zone, die für die künftige ___________ 252 Siehe z.B. EGMR, Ouzounis u.a. gg Griechenland, Nr. 49144/99, 18. April 2002: Ein erstinstanzliches Urteil über eine Pensionsanpassung, das von der zweiten Instanz revidiert wurde, wobei unklar blieb, ob die Berufung aufschiebende Wirkung im innerstaatlichen Recht hat, schuf keine durchsetzbare Forderung. Mehrere gleichlautende Begehren wurden von den Gerichten zurückgewiesen, daher bestand auch keine berechtigte Erwartung, die Forderung zugesprochen zu bekommen. Der Gerichtshof führte aus: 24. La Cour rappelle qu’une « créance » peut constituer un « bien » au sens de l’article 1 du Protocole n° 1, à condition d’être suffisamment établie pour être exigible (voir l’arrêt Raffineries grecques Stran et Stratis Andreadis c. Grèce du 9 décembre 1994, série A n° 301-B, p. 84, § 59). 25. Dans le cas d’espèce, la Cour note que la cour administrative d’appel d’Athènes jugea que les requérants n’avaient pas droit au réajustement de leurs pensions. Par conséquent, même si le jugement du tribunal administratif de première instance avait fait droit à leur demande, les requérants n’ont jamais été titulaires d’un droit de créance définitif contre l’Etat grec. En effet, tant que leur affaire était pendante devant les juridictions grecques, leur action tendant à obtenir un réajustement de leurs pensions ne faisait naître, dans le chef des requérants, aucun droit de créance, mais uniquement l’éventualité d’obtenir pareille créance. Dès lors, l’arrêt de la cour d’appel les ayant définitivement déboutés de leur action n’a pu avoir pour effet de les priver d’un bien dont ils étaient propriétaires. Par ailleurs, la Cour note que plusieurs demandes similaires déposées par d’autres retraités avaient été rejetées par les tribunaux. Dès lors, les requérants n’avaient même pas une « espérance légitime » d’obtenir la reconnaissance de la créance réclamée (voir, a contrario, l’arrêt Pressos Compania Naviera S. A. et autres c. Belgique du 20 novembre 1995, série A n° 332, p. 21, § 31). Il n’y a donc pas eu violation de l’article 1 du Protocole n° 1. 253 EGMR, Pine Valley Developments Ltd. and Others gg Irland, Urteil vom 29. November 1991, Serie A, Nr. 222.

E. Schuldrechtliche Ansprüche

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landwirtschaftliche Nutzung zur Erhaltung eines Grüngürtels gewidmet war. Der Ankauf war im Vertrauen auf die Genehmigung getätigt worden, die im amtlichen Planungsregister eingetragen worden war. Sie war dem Rechtsvorgänger der Gesellschaft von einem Minister erteilt worden. Im Vertrauen auf die Rahmenbewilligung beantragte Pine Valley eine detaillierte Planungsgenehmigung. Diese wurde vom Dublin County Council verweigert. Der von diesem angerufenen Oberste Gerichtshof stellte fest, dass die Gewährung der Rahmenplanungsbewilligung rechtswidrig und nichtig gewesen sei. EGMR und Kommission waren jedoch der Ansicht, dass der Käufer zum Kaufzeitpunkt darauf vertrauen durfte, dass die Genehmigung wirksam erteilt worden war. Der Umstand, dass die Beschwerdeführer legitimer Weise erwarten konnten, dass die Gesellschaft in der Lage sein würde, den vorgeschlagenen Ausbau durchzuführen, war nach Ansicht des Gerichtshofs im Sinne des Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK als Bestandteil des Eigentums anzusehen und genoss daher dessen Schutz: Until [the judgement] was rendered the applicants had at least a legitimate expectation of being able to carry out their proposed development and this has to be regarded, for the purposes of Article 1 Protocol 1 as a component part of the property in question (…).254

In einem zweiten in diesem Zusammenhang vom EGMR zu entscheidenden Fall, Stretch gg Vereinigtes Königreich,255 hatte der Antragsteller Bauland für 22 Jahre gemietet. Er verpflichtete sich, sechs Gebäude zu errichten, und hatte eine Option, den Mietvertrag um weitere 21 Jahre zu verlängern. Als er diese Option ausüben wollte, war die Gemeinde der Ansicht, dass ihre Vorgängerin, ohne dies zu wissen, die Option ultra vires eingeräumt hätte, und diese daher ungültig sei. Keiner der Parteien war bei Vertragsabschluß klar, dass ein rechtliches Hindernis für eine derartige Klausel bestand. Der Beschwerdeführer bebaute das Land, zahlte die Miete und schloss Untermietverträge ab. Er ging davon aus, dass er die Option erneuern und von den Submieten profitieren könne, die er aus den Untermietverträgen erhielt. Er verhandelte mit den lokalen Behörden bereits über die Vertragsverlängerung, und diese machten erst zu einem sehr späten Zeitpunkt den Ungültigkeitseinwand geltend. Daher war der EGMR der Auffassung, dass der Antragsteller zumindest eine berechtigte Erwartung hinsichtlich der Ausübungsmöglichkeit der Erneuerungsoption für den Mietvertrag hatte. Er sah den Anspruch auf Ausübung der Option als vom Schutz des Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK umfasst an: [T]he applicant must be regarded as having at least a legitimate expectation of exercising the option to renew [the lease of the land where he constructed buildings for

___________ 254 255

2003.

Ibid., § 51. EGMR, Stretch gg Vereinigtes Königreich, Nr. 44277/98, Urteil vom 24. Juni

116

1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

industrial use] and this may be regarded, for the purposes of Article 1 as attached to the property rights granted to him.256

Der Fall Djidrovski gg FYROM257 hatte ein Kaufrecht für Wohnungen zu einem Preis, auf den die Einzahlungen der Armeeangehörigen in einen Fonds zum Abzug gebracht wurden, zum Gegenstand. Dieses Recht hatte für Angehörige der jugoslawischen Armee bestanden und bestand in FYROM auch nach dem Zerfall Jugoslawiens weiter. Der Beschwerdeführer wollte eine Wohnung zu diesen Bedingungen kaufen. Das Verteidigungsministerium wies seine diesbezüglichen Anträge zurück. Daraufhin klagte der Beschwerdeführer das Verteidigungsministerium und bekam in zwei Instanzen Recht. Auf Basis dieser Gerichtsurteile schlossen der Beschwerdeführer und die Regierung einen Kaufvertrag zum reduzierten Preis über die Wohnung ab. Dieser Kaufvertrag wurde gerichtlich genehmigt. In der Folge hob der Verfassungsgerichtshof von FYROM das Gesetz, das dieses bevorzugte Bezugsrecht vorsah, jedoch ohne rückwirkende Wirkung auf. Das Verteidigungsministerium erhob beim Obersten Gerichtshof Beschwerde gegen das Urteil des Berufungsgerichts, das den Kaufvertrag billigte. Der Oberste Gerichtshof von FYROM stellte fest, dass der Beschwerdeführer kein Recht auf Erwerb der Wohnung zum bevorzugten Preis gehabt hatte. Das Urteil wurde zugestellt, aber noch nicht vollstreckt. Der EGMR stellte fest, dass auch Ansprüche, auf deren Erfüllung der Beschwerdeführer eine berechtigte Erwartungen hatte, vom Eigentumsschutz erfasst seien. Er betonte, dass der Beschwerdeführer im Vertrauen auf das erstund zweitinstanzliche Urteil den Kauf noch vor der Aufhebung des Gesetzes durch den Verfassungsgerichtshof zum begünstigten Preis getätigt hatte und der Kaufvertrag gerichtlich genehmigt worden war. Er stellte fest, dass der Oberste Gerichtshof von FYROM es ohne Begründung verabsäumt habe, die vorher bestehende Rechtslage und Praxis bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen. Unter Berufung auf die Fälle Pine Valley und Stretch führte der EGMR aus, dass auch die Rahmenbedingungen, die mit dem Erwerb oder Genuss von Eigentum verbunden seien, vom Begriff der berechtigten Erwartungen und daher vom Eigentumsschutz umfasst seien: The “legitimate expectation” may also encompass the conditions attaching to the acquisition or enjoyment of property rights.258

In Anbetracht der vorherigen Einzahlungsleistungen des Beschwerdeführers in den Fonds und der Rechtslage zum Zeitpunkt des Kaufes war der EGMR der Ansicht, dass der Beschwerdeführer eine berechtigte Erwartung hatte, dass er die Wohnung zu dem reduzierten Preis kaufen könne: ___________ 256

Ibid., § 35. EGMR, Djidrovski gg FYROM, Nr. 46447/99, Urteil vom 24. Februar 2005. 258 Ibid., § 80. 257

E. Schuldrechtliche Ansprüche

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In the circumstances, taking into account the applicant’s previous contributions and the agreements in force at the time, the Court considers that the applicant may be regarded as having a “legitimate expectation” that the purchase of his apartment be at a reduced price.259

Somit sah der Gerichtshof das Vertrauen des Beschwerdeführers auf die Gültigkeit des Kaufabschlusses zu den zum Zeitpunkt des Kaufabschlusses gültigen Rahmenbedingungen als vom Eigentumsrecht geschützt an. Im Fall Fedorenko gg Ukraine260 hatte der Beschwerdeführer sein Haus an das Justizministerium verkauft. Es war eine Zahlung auf zwei Raten vereinbart, wobei die Gesamtsumme ein Dollaräquivalent von USD 17.000.- nicht unterschreiten durfte. Zum Zeitpunkt der zweiten Rate hatte sich der Kurs der nationalen Währung im Verhältnis zum US Dollar erheblich verschlechtert und die Mindestsumme von USD 17.000.- wurde unterschritten. Der Beschwerdeführer klagte auf die Differenz. Das Ministerium brachte eine Gegenklage auf Annullierung des Vertrages ein. Diese wurde damit begründet, dass der für das Ministerium unterzeichnende Richter ultra vires gehandelt habe. Das zweitinstanzliche Gericht annullierte nicht den gesamten Vertrag, sondern nur die vertragliche Schutzklausel gegen Inflation und stellte fest, dass die für das Haus bezahlte Summe ausreiche. Der EGMR hielt fest, dass derartige Preisbindungen in der Ukraine üblich gewesen seien. Keiner der Parteien sei bei Vertragsabschluss bewusst gewesen, dass die Klausel rechtlich unzulässig sei. Die Behörden, die den Vertrag von Beginn an kannten, machten den Ungültigkeitseinwand erst in einem sehr späten Stadium geltend. Der Beschwerdeführer dürfe daher auf die Gültigkeit der Klausel vertrauen. Sie sei als Teil der vertraglichen Rechte des Kaufvertrages anzusehen und unterliege dem Eigentumsschutz des Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK: While it is true that there exists no valid court decision confirming the applicant’s right to any further payments beyond that already made to him, the Court observes that the applicant did enter into an agreement with the Department on the basis that he would receive a sum equal to USD 17,000. Neither party had been aware that there was any legal obstacle to this clause forming part of the applicant’s consideration in agreeing to the contract, all the more so since the fixing of contract prices in stable, hard currencies was at the material time a widely used practice in commercial transactions in Ukraine (…). From June 1997 to August 1999 the applicant had received payments from the State in accordance with the contract. The authority itself, being apparently well aware of the terms of the contract from the outset, only raised the problem of its invalidity at a very late stage (29 November 2000). The Court considers that, in the specific circumstances of the case, the applicant must be regarded as having had at least a legitimate expectation of benefiting from the dollar value clause, and this may be regarded, for the purposes of Article 1 of Proto-

___________ 259 260

Ibid., § 85. EGMR, Fedorenko gg Ukraine, Nr. 25921/02, Urteil vom 1. Juni 2006.

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1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

col No. 1, as being attached to the property rights due to him under the contract with the Department (…).261

Die berechtigten Erwartungen wurden in allen erwähnten Fällen durch behördliche Rechtsakte, aufgrund derer die Beschwerdeführer Investitionen getätigt bzw. über Vermögen disponiert hatten, hervorgerufen. Der EGMR stellte fest, dass die berechtigten Erwartungen als Bestandteil des Eigentumsrechts und im Schutzbereich des Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK liegen. Als vom Eigentumsschutz umfasst wurden dabei auch jeweils die Rahmenbedingungen des Eigentumserwerbs bzw. der Ausübung des Eigentumsrechts angesehen. Eine zweite Gruppe von Urteilen befasste sich mit Fällen, in denen entweder nachträglich eine bestehende Rechtslage per Gesetz geändert worden war oder zu prüfen war, ob ein berechtigtes Vertrauen im Hinblick auf das Bestehen von Restitutionsansprüchen von vor Inkrafttreten der EMRK entzogenem Eigentum bestanden hatte. Das Vertrauen in diesen Fällen bezog sich daher auf das Bestehen einer bestimmten Rechtslage. Die Leitentscheidung dieser Gruppe ist der Fall Pressos Compania Naviera S.A. and Others gg Belgien.262 Der Fall betraf Ansprüche in der Folge eines Schifffahrtsunfalls, der durch die Nachlässigkeit eines belgischen Lotsen verursacht worden war. Gemäß einem Urteil des Belgischen Kassationsgerichtshofs aus 1983 bestand ein Schadenersatzanspruch des Reeders eines Schiffes, das in einen Zusammenstoß verwickelt war, gegen den für die Organisation des Lotsendienstes Verantwortlichen. Gemäß nationalem Schadenersatzrecht entstand der Anspruch mit Schadenseintritt. Durch ein Gesetz aus dem Jahr 1988 wurde mit Rückwirkung von 30 Jahren ein derartiger Schadenersatzanspruch gegen den Staat und gegen den für einen Lotsendienst Verantwortlichen ausgeschlossen. Die Zusammenstöße, für die Schadenersatz von den Beschwerdeführern begehrt worden war, ereigneten sich vor Inkrafttreten dieses Gesetzes. Der Gerichtshof qualifizierte die Schadenersatzansprüche als „assets“, die dem Schutz des Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK unterliegen. Die Beschwerdeführer könnten geltend machen, dass sie eine berechtigte Erwartung hatten, dass ihre Schadenersatzansprüche gemäß allgemeinem Schadenersatzrecht behandelt würden: In order to determine whether in this instance there was a “possession”, the Court may have regard to the domestic law in force at the time of the alleged interference, as there is nothing to suggest that that law ran counter to the object and purpose of Article 1 of Protocol No. 1 (P1-1). The rules in question are rules of tort, under which claims for compensation come into existence as soon as the damage occurs. A claim of this nature “constituted an asset” and therefore amounted to “a possession within the meaning of the first sentence of Article 1 (P1-1). This provision (P1-1)

___________ 261

Ibid., §§ 23, 24. EGMR, Pressos Compania Naviera S. A. and Others gg Belgien, Urteil vom 20. November 1995, Serie A, Nr. 332. 262

E. Schuldrechtliche Ansprüche

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was accordingly applicable in the present case” (see, mutatis mutandis, the Van Marle and Others v. the Netherlands judgment of 26 June 1986, Series A no. 101, p. 13, para. 41). On the basis of the judgments of the Court of Cassation of 5 November 1920, 15 December 1983 and 17 May 1985 (see paragraph 17 above), the applicants could argue that they had a “legitimate expectation” that their claims deriving from the accidents in question would be determined in accordance with the general law of tort (see, mutatis mutandis, the Pine Valley Developments Ltd and Others judgment cited above, loc. cit.).263

Die berechtigte Erwartung war also nicht selbst der Vermögenswert. Sie bezog sich vielmehr auf den Umstand, wie eine bestimmte Forderung, die ihrerseits den Vermögenswert bildete, gemäß nationalem Recht in der Praxis behandelt wurde. Das Vertrauen bestand darauf, dass eine bestehende Judikaturlinie der nationalen Gerichte bei unveränderter Gesetzeslage fortgesetzt würde. Ebenso verhielt es sich etwa in den Fällen Smokovitis gg Griechenland,264 Draon gg Frankreich265 und Lecarpentier ua gg Frankreich.266 Auch hier bewirkte ein nachträglicher gesetzlicher Eingriff den Wegfall von Ansprüchen, die aufgrund der ständigen Judikatur zum Zeitpunkt, als sich der Sachverhalt ereignet hatte, bestanden hatten. In Fällen, wo unstrittig eine Voraussetzung des innerstattlichen Rechts für das Bestehen einer Forderung (in der Praxis zumeinst auf Restitution) nicht erfüllt war, lehnte der Gerichtshof das Vorliegen einer „berechtigten Erwartung“ und somit eines geschützten Rechts in ständiger Judikatur ab. Beispielhaft für diese Fallgruppe ist der Fall Malhous gg Tschechien,267 auf den in der Judikatur immer wieder verwiesen wurde. Der Fall betraf landwirt___________ 263

Ibid., § 31. Hervorhebung durch die Autorin. EGMR, Smokovitis gg Griechenland, Nr. 46356/99, Urteil vom 11. April 2002, § 32. Gegenstand des Verfahrens war eine Forschungszulage, die den Beschwerdeführern gemäß einem Urteil eines erstinstanzlichen Gerichts zustand. Noch während des Berufungsverfahrens durch die Schule wurde ein rückwirkendes Gesetz erlassen, wonach die Zulage nicht ständig beschäftigten Lehrern nicht zustand. Der Gerichtshof überprüfte innerstaatliche Urteile in ähnlich gelagerten Fällen, die noch vor Inkrafttreten des Gesetzes ergangen waren, die vielfach feststellten, dass die Zulage sowohl ständig als auch nicht ständig beschäftigten Lehrern zustehe. Daher bestand eine „berechtigte Erwartung“, dass die Gerichte zugunsten der Beschwerdeführer entschieden hätten, wäre nicht inzwischen das rückwirkend geltende Gesetz erlassen worden. Es lag daher ein geschützter Anspruch i.S. des Art 1 des 1. ZP vor. 265 EGMR, Draon gg Frankreich, Nr. 1513/03, Urteil vom 6. Oktober 2005, §§ 65, 68. 266 EGMR, Lecarpentier gg Frankreich, Nr. 67847/01, Urteil vom 14. Februar 2006, § 38. 267 EGMR, Malhous gg Tschechien, (dec.) [GC], Nr. 33071/96, Entscheidung vom 13. Dezember 2000, ECHR 2000-XII. 264

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1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

schaftliche Flächen, die dem Vater des Beschwerdeführers entzogen worden waren. Der Beschwerdeführer war Universalerbe und begehrte in rem Rückgabe der Grundstücke. Den nach innerstaatlichem Recht zustehenden Kompensationsanspruch qualifizierte der Gerichtshof als im Schutzbereich des Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK liegend. Anders verhielt es sich mit dem Restitutionsbegehren. Aufgrund innerstaatlichen Rechts konnte Land nur zurückgegeben werden, wenn es entweder in Staatseigentum oder im Eigentum einer juristischen Person war. Das betroffene Grundstück war aber im Eigentum von natürlichen Personen. Daher war die innerstaatliche Bedingung nicht erfüllt und es lag keine „possession“ i.S. der Konvention vor. Die Hoffnung, dass das Überleben eines alten Eigentumsrechts anerkannt werde, das seit langem nicht ausgeübt werden konnte, ist nach ständiger Rechtsprechung keine „possession“ im Sinne der Konvention.268 Der Gerichtshof stellte in seiner Zulässigkeitsentscheidung ___________ 268

Siehe z.B.: EKMR, Brezny & Brezny gg Slowakei, Nr. 23131/93, Entscheidung vom 4. März 1996, DR 85, 65, S. 80 f.; EGMR, Gratzinger and Gratzingerova gg Tschechische Republik (dec.) [GC], Nr. 39794/98, Entscheidung vom 10. Juli 2002, ECHR 2002-VII, § 69; EGMR, Lindner und Hammermayer gg Rumänien, Nr. 35671/97, Entscheidung vom 3. Dezember 2002 (Eine berechtigte Erwartung lag nicht vor, weil erst ein positives Gerichtsurteil dafür erforderlich gewesen wäre, ein derartiges unterblieb allerdings.); Paduraru gg Rumänien, Nr. 63252/00, Urteil vom 1. Dezember 2005, § 64; Fedorenko gg Ukraine, Nr. 25921/02, Urteil vom 1. Juni 2006, § 21. Siehe insbesonere: EGMR, Bugarski und von Vuchetich gg Slowenien, Nr. 44142/98, Entscheidung vom 3. Juli 2001: En fait, les autorités n’ont fait que donner effet aux dispositions de la loi susmentionnée en vertu desquelles le droit à la restitution ou au dédommagement, dans le cas où les biens d’une société auraient été expropriés, n’était réservé qu’à la personne morale. La requérante, personne physique, ne peut dès lors obtenir la restitution des biens nationalisés ou le dédommagement. Elle aurait éventuellement été habilitée à faire une demande en dénationalisation, en vertu de l’article 13 de la loi slovène, en tant qu’héritière d’une actionnaire si c’était la société elle-même qui avait été nationalisée. Partant, la Cour conclut que la première requérante ne pouvait avoir une « espérance légitime » d’obtenir la restitution des biens ayant appartenu à une société dont sa tante était actionnaire. Dans ces conditions, il est clair que d’après la législation applicable la première requérante n’avait ni un droit ni une espérance légitime, au sens de la jurisprudence de la Cour, d’obtenir pareille restitution ; elle ne possédait donc pas un « bien » au sens de l’article 1er du Protocole n° 1. Partant, le grief formulé sur le terrain de l’article 1er du Protocole n° 1 doit être rejeté, conformément à l’article 35 § 3 de la Convention, pour incompatibilité ratione materiae avec les dispositions de la Convention. Prince Hans-Adam II of Liechtenstein gg Deutschland [GC], Nr. 42527/98, Urteil vom 12. Juli 2001, ECHR 2001-VIII, § 85: ... Subsequent to this measure, the applicant’s father and the applicant himself had not been able to exercise any owner’s rights in respect of the painting, which was kept by the Brno Historical Monuments Office in the Czech Republic. In these circumstances, the applicant as his father’s heir cannot, for the purposes of Article 1 of Protocol No. 1, be deemed to have retained a title to property nor a

E. Schuldrechtliche Ansprüche

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fest, dass eine der gesetzlichen Bedingungen für die Restitution nicht erfüllt war und daher keine „berechtigte Erwartung“ auf Restitution bestand. Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK war daher nicht anwendbar: … the hope of recognition of the survival of an old property right which it has long been impossible to exercise effectively cannot be considered as a “possession” within the meaning of Article 1 of Protocol No. 1, … ... the right to restitution was subject to the condition that the property in question was still in the possession of the State or of a legal person at the time of the entry into force of that Act – a condition which was not met in the applicant’s case. The Court concludes that Mr Malhous could not have had any “legitimate expectation” of realising his claim to restitution of his father’s property. … It is clear that under the applicable legislation he neither had a right nor a claim amounting to a legitimate expectation in the sense of the Court’s case-law to obtain such restitution and therefore no “possession” within the meaning of Article 1 of Protocol No. 1.269

___________ claim to restitution against the Federal Republic of Germany amounting to a “legitimate expectation” in the sense of the Court’s case-law. Polacek and Polackova gg Tschechien [GC], Nr. 38645/97, Entscheidung vom 10. Juli 2002, das Staatsbürgerschaftserfordernis wurde nicht erfüllt, daher bestand keine Restitutionsberechtigung: § 64 The action therefore did not concern “existing possessions” and the applicants did not have the status of owners but were mere claimants. … In spite of their judicial rehabilitation in 1990, their former property was still in the possession of natural persons who had acquired it under the communist regime and who had been entered in the land register as the owners. The applicants therefore continued to be deprived of their property. § 65 As to whether the applicants had at least a “legitimate expectation” that a current, enforceable claim would be determined in their favour, the Court notes that at the time when they brought their action for restitution, the Extrajudicial Rehabilitation Act provided that only those rehabilitated by the courts who had Czech nationality were entitled to make restitution claims. Seeing that the applicants were not entitled either to the return of the property or to compensation in lieu and that the Extrajudicial Rehabilitation Act did not afford them any possibility of regaining their former ownership. … § 66 The belief that the law then in force would be changed to the applicants’ advantage cannot be regarded as a form of legitimate expectation for the purposes of Art 1. The Court considers that there is a difference between a mere hope of restitution and a legitimate expectation which must be of a nature more concrete than a mere hope and be based on a legal provision or a legal act such as a judicial decision (Pressos Compania, § 31). § 67 The Court accordingly concludes that the applicants have not shown that they had a claim which was sufficiently established to be enforceable, and they therefore cannot argue that they had a “possessions” within the meaning of Art 1. 269 EGMR, Malhous gg Tschechien, [GC], Nr. 33071/96, Entscheidung vom 13. Dezember 2000, ECHR 2000-XII.

122

1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

Ganz allgemein kann daher festgehalten werden, dass keine „legitimate expectation“ besteht, wenn das Bestehen einer Forderung im nationalen Recht von einer Bedingung abhängt und diese nicht erfüllt ist. In solchen Fällen ist der Anspruch nicht vom Schutz des Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK umfasst.270 Hinsichtlich der Nichterfüllung der Voraussetzungen des innerstaatlichen Rechts folgte der Gerichtshof der Judikatur der innerstaatlichen Instanzen. Er führte jedoch eine Grobprüfung der Verfahren durch, die zu den Entscheidungen geführt hatten. Dabei überprüfte er, ob die innerstaatlichen Entscheidungen willkürlich oder in Folge unfairer Verfahren erfolgt waren.271 Weiters hatte der Gerichtshof zu klären, ob in Fällen, in denen die Auslegung der innerstaatlichen Vorschriften umstritten und zumindest eine vertretbare Behauptung eines Anspruches möglich war, eine berechtigte Erwartung auf Bestehen des Anspruches bestand und dieser vom Schutz des Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK erfasst war.

___________ 270

I.d.S. bereits EKMR, Mario de Napoles Pacheco gg Belgien, Beschw, Nr. 7775/77, Entscheidung vom 5. November 1978, DR 15 (1979), S. 143. … a claim may constitute “possession” within the meaning of Article 1 of the Protocol (…). In this case, the applicant’s claim was conditional from the outset. … the applicant failed to comply, within the time limit laid down, with the conditions attached to his claim; therefore it lapsed. Accordingly, …, there was no deprivation of possessions within the meaning of Article 1, paragraph 1, second sentence, of the Protocol. … Ebenso in EKMR, Agneessens gg Belgien, 12. Oktober 1988, DR 58 (1988), 63, 83. The Commission has already acknowledged that a debt can constitute a possession within the meaning of Article 1 of Protocol No. 1 (cf. …) but there can be no deprivation of possessions if a conditional claim lapses as a result of the non-fulfilment of the condition (…). …[The applicant] has given no evidence of ever having held a claim to payment on any basis whatsoever against the Belgian State. … Thus there is no appearance of a violation of Article 1 of Protocol No. 1 …. 271 Siehe z.B.: EGMR, Malhous gg Tschechien, [GC], Nr. 33071/96, Entscheidung vom 13. Dezember 2000, ECHR 2000-XII; Bugarski und von Vuchetich gg Slowenien, Nr. 44142/98, Entscheidung vom 3. Juli 2001; Harrach gg Tschechische Republik, Nr. 77532/01, Entscheidung vom 27. Mai 2003: The court has found that the reasons given by the domestic courts determining the applicant’s claim were sufficient and relevant, that the decisions reached were not arbitrary, and that the proceedings leading to their delivery were not unfair. In these circumstances, the Court is not satisfied that the applicant’s claim related to “existing possessions” within the meaning of Article 1 of Prot. 1 or that the applicant had at least a “legitimate expectation” of having his restoration claim upheld and enforced in the context of the proceedings of which complaint was made.

E. Schuldrechtliche Ansprüche

123

Mit dieser Problematik setzte sich der Gerichtshof ausführlich in seinem Urteil Kopecký gg Slowakei272 auseinander. Der Vater des Beschwerdeführers war wegen illegalen Münzenbesitzes verurteilt und nachträglich rehabilitiert worden. Sein Sohn und Erbe beantragte die Rückgabe von dessen Münzensammlung aufgrund des Extra-Judicial Rehabilitation Act. Die Rückgabe von Mobilien hatte zur Voraussetzung, dass der Antragsteller angeben konnte, wo sich diese befinden. Die Münzensammlung war nachweislich dem Innenministerium übergeben worden. Das Ministerium gab an, dass sie unauffindbar sei, und gewährte dem Antragsteller keinen Zutritt zu den Räumlichkeiten des Ministeriums. Das erstinstanzliche Gericht gab der Klage des Antragstellers Recht. Es begründete dies damit, dass diesem nicht zugemutet werden könne, den erforderlichen Nachweis zu erbringen; dies insbesondere, weil das Ministerium nicht bewies, dass die Münzen an einen anderen Ort verbracht oder einer anderen Behörde übergeben worden seien, und man dem Beschwerdeführer keinen Zutritt zu den Räumlichkeiten des Ministeriums gewährt habe.273 Es stellte sich in diesem Fall die Frage, ob ein vertretbarer Anspruch ausreicht, um eine legitime Erwartung zu begründen. Die Kleine Kammer des Gerichtshofs ließ das Bestehen eines vertretbaren Anspruchs für das Vorliegen einer „possession“ im Sinne des 1. Zusatzprotokolls ausreichen.274 Sie stellte fest: Thus there existed a genuine dispute as to whether the applicant met the requirement of Section 5(1) of the Extra-Judicial Rehabilitation Act. The finding of the first instance court indicates that the applicant could claim, at least on arguable grounds, that he met the relevant requirements and that he was entitled to restitution. … the Court therefore finds that the applicant had a “legitimate expectation” of having his claim satisfied which justifies considering it as a possession within the meaning of Article 1 of Protocol No. 1. Reaching a different conclusion … would be, having regard to the above circumstances, too formalistic and would render the protection of the rights under the Convention and its protocol ineffective and illusory.275

___________ 272

EGMR, Kopecký gg Slowakei [GC], Nr. 44912/98, Urteil vom 28. September 2004, ECHR 2004-IX. 273 Ibid., § 28. 274 Diesen Ansatz hatte bereits die Kommission im Fall Gospodinova gg Bulgarien gewählt (EKMR, Gospodinova gg Bulgarien, Nr. 37912/97, Entscheidung vom 16. April 1998). Die Kommission hatte in ihrer Entscheidung festgestellte, dass zwar in jenen Fällen, in denen offensichtlich die Kriterien der Restitutionsgesetze, wie Wohnsitzerfordernis oder Staatseigentum an der zu restituierenden Sache nicht erfüllt waren, keine berechtigte Erwartung vorlag. Sie entschied sich aber in Gospodinova dafür, davon auszugehen, dass eine berechtigte Erwartung bestehe, weil die Beurteilung des Sachverhalts und der Rechtslage sehr komplex gewesen sei, und die Beschwerdeführerin vernünftiger Weise davon ausgehen durfte, dass sie die innerstaatlichen Gerichte überzeugen könne. 275 EGMR, Kopecký gg Slowakei, Nr. 44912/98, Urteil vom 7. Jänner 2003, § 29.

124

1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

Im Gegensatz dazu stellte die Große Kammer des Gerichtshofs fest, dass der Beschwerdeführer zwar im Unklaren darüber gewesen sein könnte, ob er die Kriterien des innerstaatlichen Rechts erfülle, dies aber nicht das entscheidende Kriterium sei. Im Fall Kopecký sei keine Investition im Vertrauen auf einen gültig scheinenden Rechtsakt getätigt worden, und er falle daher nicht in die oben erörterte Gruppe Pine Valley Developments Ltd and Others.276 Im Unterschied zur kleinen Kammer war die Große Kammer der Auffassung, dass bei einem Restitutionsanspruch, für dessen Entstehung bestimmte Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sein müssen, allein entscheidend sei, ob diese objektiv erfüllt seien oder nicht. Sie stellte hiezu fest: ... In particular, the Court notes that the applicant’s restitution claim was a conditional one from the outset and that the question whether or not he complied with the statutory requirements was to be determined in the ensuing judicial proceedings. The courts ultimately found that that was not the case. The Court is therefore not satisfied that, when filing his restitution claim, it can be said to have been sufficiently established to qualify as an “asset” attracting the protection of Article 1 of Protocol No. 1.277

Das für den Beschwerdeführer positive innerstaatliche erstinstanzliche, aber dann von zwei Oberinstanzen revidierte Urteil wurde in Übereinstimmung mit der bereits oben erwähnten Judikatur nicht als Grundlage für einen durchsetzbaren Rechtsanspruch angesehen.278 Daher lag kein Eigentum im Sinne der Konvention vor. Der Gerichtshof stellte also klar, dass ein bloß vertretbarer Anspruch alleine noch keine berechtigte Erwartung begründe.279 Der EGMR geht somit in ständiger Judikatur davon aus, dass „possessions“ entweder bestehende Eigentumsrechte oder unbedingt entstandene Ansprüche auf vermögenswerte Rechte oder Forderungen sind, auf deren Erfüllung beim Inhaber eine berechtigte Erwartung („legitimate expectation“) bestand: “Possessions” can be “existing possessions” or assets, including claims by virtue of which the applicant can argue that he or she has at least a “legitimate expectation” of acquiring effective enjoyment of a property right.280

___________ 276

Siehe oben S. 114. EGMR, Kopecký gg Slowakei [GC], Nr. 44912/98, Urteil vom 28. September 2004, ECHR 2004-IX, § 58. 278 Ibid., § 59. 279 Ibid., § 52. 280 Siehe z.B.: EGMR, Slivenko and Others gg Lettland [GC], Nr. 48321/99, Entscheidung vom 23. Jänner 2002, ECHR 2002-II, § 121; für weitere Beispiele siehe: Van der Mussele gg Belgien, Urteil vom 23. November 1983, Serie A, Nr. 70, § 48; Pine Valley Developments Ltd. and Others gg Irland, Urteil vom 29. November 1991, Serie A, Nr. 222, § 51; Pressos Compania Naviera S. A. u.a. gg Belgien, Urteil vom 20. November 1995, Serie A, Nr. 332, § 31; Gospodinova gg Bulgarien, Nr. 37912/97, Entscheidung vom 16. April 1998; Malhous gg Tschechische Republik (dec.), Nr. 33071/96, Entscheidung vom 13. Dezember 2000, ECHR 2000-XII; Bugarski und von 277

E. Schuldrechtliche Ansprüche

125

Es ist erforderlich, dass die Forderung eine hinreichende Basis im innerstaatlichen Recht hat.281 Ein bloß behauptbarer Anspruch reicht für das Bestehen einer „legitimate expectation“ nicht aus.

2. Investitionsschutz Im internationalen Investitionsschutz ist es ein seit langem etabliertes Prinzip, dass auch vertragliche Rechte vom Schutzumfang des Eigentumsschutzes erfasst sind.282 Dementsprechend umfassen Bestimmungen in BITs283 und re___________ Vuchetich gg Slowenien (dec.), Nr. 44142/98, Entscheidung vom 3. Juli 2001; Prince Hans-Adam II of Liechtenstein v. Germany [GC], Nr. 42527/98, Urteil vom 12. Juli 2001, ECHR 2001-VIII, § 83; Ouzounis and Others gg Griechenland, Nr. 49144/99, Urteil vom 18. April 2002, § 24; Polacek and Polackova gg Tschechische Republik, Nr. 38645/97, Entscheidung vom 10. Juli 2002, § 62; Jantner gg Slowakei, Nr. 39050/97, Urteil vom 4. März 2003, § 27; Des Fours Waldrode gg Tschechische Republik, Nr. 40057/98, Entscheidung vom 4. März 2003; Harrach gg Tschechische Republik, Nr. 77532/01, Entscheidung vom 27. Mai 2003; Kopecký gg Slowakei [GC], Nr. 44912/98, Urteil vom 28. September 2004, ECHR 2004-IX, § 35; Fedorenko gg Ukraine, Nr. 25921/02, Urteil vom 1. Juni 2006, § 21. 281 EGMR, Draon gg Frankreich [GC], Nr. 1513/03, Urteil vom 6. Oktober 2005, § 65. 282 See G. C. Christie, What Constitutes a Taking of Property under International Law?, 38 British Year Book of International Law (1962), 305, S. 311; B. H. Weston, “Constructive Takings” under International Law: A Modest Foray into the Problem of “Creeping Expropriation”, 16 Virginia Journal of International Law (1975) 103, S. 112 f.; R. Higgins, The Taking of Property by the State: Recent Developments in International Law, 176 RdC (1982-III) 263, S. 271; G. Sacerdoti, Bilateral Treaties and Multilateral Instruments on Investment Protection, 269 RdC (1997), 251, 381; UNCTAD Series on issues in international investment agreements, Taking of Property, 2000, 36; T. Waelde/A. Kolo, Environmental Regulation, Investment Protection and “Regulatory Taking” in International Law, 50 ICLQ 2001, 811, S. 835; G. H. Sampliner, Arbitration of Expropriation Cases Under U.P. Investment Treaties – A Threat to Democracy or the Dog That Didn’t Bark?, 18 ICSID Review-Foreign Investment Law Journal (2003) 1, S. 14; J. Paulsson/Z. Douglas, Indirect Expropriation in Investment Treaty Arbitrations, in: N. Horn/P. Kröll (Hrsg.), Arbitrating Foreign Investment Disputes (2004)145, S. 152; P. Alexandrov, Breaches of Contract and Breaches of Treaty, The Jurisdiction of Treaty-based Arbitration Tribunals to Decide Breach of Contract Claims in SGS v. Pakistan and SGS v. Philippines, 5 The Journal of World Investment & Trade (2004) 555, S. 559. 283 Siehe z.B.: BIT USA – Argentinien vom 14. November 1991: Artikel 1(a)v führt ausdrücklich alle vertraglichen Rechte an: (v) any right conferred by law or contract, and any licenses and permits pursuant to law. Siehe weiters z.B.: BIT Vereinigtes Königreich – Ägypten vom 11. Juni 1975: Artikel 1(a) i, ii, iii, v; BIT Niederlande – Tschechische Republik, nicht datiert: Artikel 1 (a) ii, iii, v.

126

1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

gionalen Investitionsschutzabkommen284 vertragliche Ansprüche. Auch in der Judikatur der Schiedsgerichte ist schon seit langem anerkannt, dass auch vertragliche Ansprüche enteignet werden können, wie die folgenden Fälle belegen. Bereits der Ständige Schiedshof entschied 1922 in einem Fall betreffend Verträge zwischen norwegischen Privatpersonen und amerikanischen Werften (Norwegian Shipowners’ Claim)285 über den Bau von Schiffen, dass Verträge enteignet werden können. Die betroffenen Verträge waren während des Ersten Weltkriegs von der Regierung der Vereinigten Staaten für Kriegszwecke enteignet worden. Der Ständige Schiedshof sagte: The order contained in the letter of August 3rd expressly requisitioned not only the ships and the material, but also the contracts, the plans, detailed specification and payments made, … .286

Der Schiedshof entschied: That, whatever the intentions may have been, the United States took, both in fact and in law, the contracts under which the ships in question were being or were to be constructed. That in fact the claimants were fully and for ever deprived of their property and that this amounts to a requisitioning by the exercise of the power of eminent domain within the meaning of American municipal law.287 The United States intended to “take” and have “taken” in fact, the contracts under which the fifteen hulls in question were being constructed by American Shipbuilders in 1917. These contracts were the property, or created it, and what the Untied States call “physical property” is only one of the elements or aspects of the “property”...288

Im Fall Certain German Interests in Polish Upper Silesia Case289 sah der Ständige Internationale Gerichtshof Verträge und Managementrechte als enteignet an. Er sagte: ... it is clear that the rights of the Bayrische to the exploitation of the factory and to the remuneration fixed by the contract for the management of the exploitation and for the use of its patents, licences, experiments, etc., have been directly prejudiced by the taking over of the factory by Poland. As these rights related to the Chorzów factory and were, so to speak, concentrated in that factory, the prohibition contained in the last sentence of Article 6 of the Geneva Convention applies in all respect to them. … the attitude of Poland in regard to the Bayrische has therefore, like its attitude in re-

___________ 284

Siehe z.B.: Artikel 1139 (h) NAFTA; Artikel 1 (6) ECT. The Norwegian Shipowners’ Claims, (Norway v. USA) Arbitral Tribunal, Award of 13 October 1922, 1 RIAA, 307 ff. 286 Ibid., S. 318. 287 Ibid., S. 325. 288 Ibid., S. 334. 289 PCIJ, Certain German Interests in Polish Upper Silesia (Germany v. Poland) (The Merits), Urteil vom 25. Mai 1926, PCIJ 1926, Serie A Nr. 7, S. 44. 285

E. Schuldrechtliche Ansprüche

127

gard to the Oberschlesische, been contrary to Article 6 and the following articles of the Geneva Convention.290

Diese bereits lange zurückliegenden Entscheidungen werden von der jüngeren Investitionsschiedsjudikatur bestätigt. Auch das IUSCT sah vertragliche Rechte als vom Eigentumsschutz umfasst an.291 ___________ 290

Ibid., S. 44. Die Judikatur des IUSCT ist in diesem Punkt nicht einheitlich, weil in einigen Urteilen ein Konnex zwischen vertraglichen Rechten und physischem Eigentum verlangt wird, damit erstere geschützt sind, in anderen aber nicht. Auch die Bewertung dieses Umstandes in der Literatur ist uneinheitlich. Siehe dazu in der Literatur: G. H. Aldrich, What Constitutes a Compensable Taking of Property? The Decision of the Iran-United States Claims Tribunal, 88 AJIL 1994, 585, 598; M. Pellonpää/M. Fitzmaurice, Taking of Property in the Practice of the IranUnited States Claims Tribunal, The Netherlands Yearbook of International Law, Volume XIX, 1988, S. 58; C. N. Brower/J. D. Brueschke, The Iran-United States Claims Tribunal, 1998, S. 373 f.; A. Mouri, The International Law of Expropriation as Reflected in the Work of the Iran-United States Claims Tribunal, 1994, S. 39 ff. Beispiele für Urteile, die einen Konnex verlangten: IUSCT, Starrett Housing Corporation v. Government of the Islamic Republic of Iran, Interlocutory Award No. ITL 32-24-1 vom 19. Dezember 1983, 4 IUSCTR 122, S. 156 f. Das IUSCT stellte im Hinblick auf den Entzug vertraglicher Rechte fest, dass die Kläger sich auf eine Reihe von völkerrechtlicher Vorjudikatur stützen, in der auch vertragliche Ansprüche, die in Zusammenhang mit physischem Eigentum standen, vom Eigentumsschutz erfasst waren: There is nothing unique in the Claimants’ position in this regard. They rely on precedents in international law in which cases measures of expropriation or taking, primarily aimed at physical property, have been deemed to comprise also rights of a contractual nature closely related to the physical property ... . The Tribunal holds that the property interest taken by the Government of Iran must be deemed to comprise the physical property as well as the right to manage the Project and to complete the construction in accordance with the Basic Project Agreement and related agreements, and to deliver the apartments and collect the proceeds of the sales as provided in the Apartment Purchase Agreements. Starrett Housing Corporation v. Government of the Islamic Republic of Iran, Final Award No. 314-24-1 vom 14. August 1987, 16 IUSCTR 112, S. 230, § 361: It is a well-settled rule of customary international law that a taking of one property right may also involve a taking of a closely connected ancillary right. Phelps Dodge Corp. v. Islamic Republic of Iran, Award No. 217-99-2 vom 19 March 1986, 10 IUSCTR 121, S. 130 f. Beispiele für Urteile, die keinen Konnex verlangten: Mobil Oil Iran Inc., et al v. Islamic Republic of Iran, No. 311-74/76/81/150-3 vom 14 July 1987, 16 IUSCTR, 3, S. 25. § 73: … the Tribunal concludes, and the Parties agree, that the lawfulness of an expropriation must be judged by reference to international law. This holds true even when the expropriation is of contractual rights. 291

128

1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

Die im Folgenden angeführten Fälle zeigen, dass sowohl aufgrund von BITs als auch aufgrund des NAFTA und ECT eingesetzte Schiedsgerichte wiederholt festgestellt haben, dass vertragliche Rechte Gegenstand von Eigentumseingriffen sein können. In diesem Zusammenhang sei zunächst der Fall SPP v. Egypt292 erwähnt. Die ägyptische Tourismus- und Hotelorganisation EGOTH hatte mit SPP ein Joint Venture (ETDC) zur Errichtung und zum Betrieb von Hotelbauten (unter anderem am Pyramidenplateau in Kairo) gegründet. Im Juli 1977 war Baubeginn. 1978 wurde aufgrund politischer Opposition im Parlament das Projekt von der Regierung gestoppt. SPP wurden durch diese Vorgangsweise die vertraglichen Rechte, die es als Anteilseigner an ETDC hatte, indirekt entzogen. Ägypten bestritt, dass der Eigentumsschutz des BITs über Sachenrechte hinaus wirke. Das Schiedsgericht hatte zu entscheiden, ob die von Ägypten ergriffenen Maßnahmen eine Enteignung von Rechten seien, die SPP aus einem Vertrag über den Bau und Betrieb von Hotels herleitete. Es wies das Argument, wonach der Begriff „Enteignung“ nur für Sachenrechte (ius in rem) gelte, zurück und stellte fest, dass die Einstellung des Projekts durch den Beklagten dem Kläger wichtige geschützte Rechte und Interessen entzog: Nor can the Tribunal accept the argument that the term “expropriation” applies only to jus in rem. The Respondent’s cancellation of the project had the effect of taking certain important rights and interests of the Claimants. … Clearly, those rights and interests were of a contractual rather than in rem nature. However, there is considerable authority for the proposition that contract rights are entitled to the protection of

___________ Phillips Petrolium Co. Iran v. Islamic Republic of Iran, No. 425-39-2 vom 29 June 1989, 21 IUSCTR 79, S. 106: § 76: As the tribunal has held in a number of cases, expropriation by or attributable to a State of the property of an alien gives rise under international law to liability for compensation, and this is so whether … the property is tangible, such as real estate or a factory, or intangible, such as the contractual rights involved in the present Case. Im Fall SEACO v. Islamic Republic of Iran, (No. 531-260-2 vom 25. Juni 1992, 28 IUSCTR 198, S. 211, § 45) muss aus der Prüfung der Enteignung von Vertragsrechten durch das Tribunal darauf geschlossen werden, dass es diese als vom Schutzbereich erfasst ansieht. Von der bereits angeführten, weiten Eigentumsdefinition, die das IUSCT im Amoco Fall (IUSCT, Amoco International Finance Corporation v. The Government of the Islamic Republic of Iran, et al., Partial Award No. 310-56-3, 14 July 1987, 15 IUSCTR 189.) vorgenommen hat, sind vertragliche Rechte jedenfalls umfasst: Expropriation, which can be defined as a compulsory transfer of property rights, may extend to any right which can be the object of a commercial transaction... (§ 108). 292 Southern Pacific Properties (Middle East) Limited (SPP) v. Arab Republic of Egypt, (National Law), Award, 20 May 1992, 3 ICSID Reports 189. Siehe zum Sachverhalt auch unten, S. 273.

E. Schuldrechtliche Ansprüche

129

international law and that the taking of such rights involves an obligation to make compensation therefor.293

Das Schiedsgericht hielt unter Berufung auf Judikatur294 fest, dass auch vertragliche Rechte enteignet werden können. Daraus ergibt sich zwingend, dass sie im Schutzbereich des Eigentumsrechts liegen. Spätere Schiedssprüche bestätigten diese Auffassung. Der Fall Wena Hotels Ltd. v. Egypt 295 betraf zwei Hotels, die der in Staatseigentum befindlichen Hotelkette EHC gehörten. Beide wurden 1989 bzw. 1990 an Wena für 25 Jahre verleast, und Wena wurden die Betreiberrechte übertragen. Wena verpflichtete sich zur Renovierung und Standardanhebung der beiden Hotels. Es kam bereits in den ersten Jahren zu Auseinandersetzungen über die jeweils geschuldeten Verpflichtungen. Wena stellte daraufhin 1990 die Mietenzahlungen ein. Im April 1991 wurde Wena gewaltsam aus beiden Hotels entfernt. Das Schiedsgericht erklärte unter Bezugnahme auf SPP v. Egypt, dass nicht nur Sachvermögen enteignet werden könne, sondern auch vertragsrechtliche Ansprüche: It is also well established that an expropriation is not limited to tangible property rights. As the panel in SPP v. Egypt explained, “there is considerable authority for the proposition that Contract rights are entitled to the protection of international law and that the taking of such rights involves an obligation to make compensation therefore.”296

___________ 293

Ibid., § 164. Es stützte sich hierfür sowohl auf den Ständigen Internationalen Gerichtshof als auch auf die Judikatur des IUSCT. 165. Moreover, it has long been recognized that contractual rights may be indirectly expropriated. In the judgment of the Permanent Court of International Justice concerning Certain German Interests in Polish Upper Silesia, the Court ruled that, by taking possession of a factory, Poland had also “expropriated the contractual rights” of the operating company. (PCIJ, Series A, No. 7, 1926, at p. 44.) 166. Decisions of international claims tribunals have been to the same effect. Thus, in the Amoco Int’l Finance Corp v Iran case (15 Iran-US CTR, p. 189), the Iran-US Claims Tribunal said: Expropriation, which can be defined as a compulsory transfer of property rights, may extend to any right which can be the object of a commercial transaction ... (para. 108.) 167. And in the Phillips Petroleum Co Iran v Iran case (21 Iran-US CTR, p. 79) the Iran-US Claims Tribunal held that expropriation gives rise to liability for compensation whether the expropriation is formal or de facto and whether the property is tangible, such as real estate or a factory, or intangible, such as the contractual rights involved in the present Case. (para. 76.). Hervorhebung im Urteil. 295 Wena Hotels Ltd. v. Arab Republic of Egypt, (United Kingdom/Egypt BIT), Award, 8 December 2000, 6 ICSID Reports 89. 296 Ibid., § 98. 294

130

1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

Der Fall Consortium RFCC v. Kingdom of Morocco 297 betraf einen Vertrag über die Errichtung einer Straße. Auch in diesem Fall sah ein ICSID-Schiedsgericht vertragsrechtliche Ansprüche als vom Schutz des Eigentumsrechts umfasst an: … des droits issus d’un contrat peuvent être l’objet de mesure d’expropriation, à partir du moment où ledit contrat a été qualifié d’investissement par le Traité luimême. …298

In Azurix v. Argentina299 qualifizierte ein ICSID-Schiedsgericht einen Konzessionsvertrag über die Wasserversorgung einer argentinischen Provinz als Investition im Sinne des BITs: First, a concession contract, such as that entered by ABA with the Province, qualifies as an investment for purposes of the BIT given the wide meaning conferred upon this term in the BIT that includes “any right conferred by law or contract”.300

In PSEG Global, Inc., The North American Coal Corporation, and Konya Ingin Electrik Uretim ve Ticaret Limited Sirketi v. Turkey301 wurde ein Konzessionsvertrag für ein Kraftwerksprojekt in der Türkei als Investition angesehen. Das Schiedsgericht führte diesbezüglich Folgendes aus: A contract is a contract. The Concession Contract exists, is valid and is legally binding. This conclusion is sufficient to establish that the Tribunal has jurisdiction on the basis of an investment having been made in the form of a Concession Contract.302

Der Fall Impregilo v. Pakistan303 betraf ebenfalls ein Kraftwerksprojekt. Auch hier sah das Schiedsgericht vertragliche Rechte als vom Eigentumsschutz erfasst an: The Tribunal recognises that the taking of contractual rights could, potentially, constitute an expropriation or a measure having an equivalent effect.304

___________ 297 Consortium R.F.C.C. v. Kingdom of Morocco, (Italy/Morocco BIT), Award, 22 December 2003, http://ita.law.uvic.ca/documents/ConsortiumRFCC-Award_000.pdf. 298 Ibid., § 60. 299 Azurix Corp. v. Argentine Republic, (United States/Argentina BIT), Decision on Jurisdiction, 8 December 2003, 10 ICSID Reports 416. 300 Ibid., § 62. 301 PSEG Global, Inc., The North American Coal Corporation, and Konya Ingin Electrik Uretim ve Ticaret Limited Sirketi v. Turkey, (United States/Turkey BIT), Decision on Jurisdiction, 4 June 2004, http://ita.law.uvic.ca/documents/psegdecision.pdf. 302 Ibid., § 104. 303 Impregilo S.p. A. v. Pakistan, (Italy/Pakistan BIT), Decision on Jurisdiction, 22 April 2005, 12 ICSID Reports 245. 304 Ibid., § 274.

E. Schuldrechtliche Ansprüche

131

Gegenstand des Rechtsstreits in Bayindir v. Pakistan 305 war ein Autobahnprojekt. Bayindir hatte den Bauauftrag bekommen und mit dem Bau begonnen. In der Folge kam es zu Streitigkeiten über eine Fristverlängerung hinsichtlich der Ausführung des Projekts. Pakistan beendete das Vertragsverhältnis, legte eine 14-tägige Übergabefrist fest und besetzte das Grundstück, auf dem gebaut wurde. In der Folge wurde ein anderes Unternehmen mit der Fertigstellung betraut. In seiner Jurisdiktionsentscheidung stellte das Schiedsgericht im Hinblick auf vertragliche Rechte Bayindirs fest, dass es unbestritten sei, dass Enteignungen nicht auf Rechte in rem beschränkt, sondern auch vertragliche Rechte vom Eigentumsschutz umfasst seien: It is not disputed that expropriation is not limited to in rem rights and may extend to contractual rights.306

In Eureko B.V. v. Poland 307 hatte der Investor im Zuge der Privatisierung eines staatlichen Versicherungskonzerns (PZU) zunächst eine Minderheitenbeteiligung am Konzern erworben.308 In einem mit dem Kaufvertrag (Share Purchase Agreement) in Zusammenhang stehenden späteren Vertrag (1. Addendum) wurde dem Investor das Recht eingeräumt, weitere 21% der Aktien zu erwerben. Damit hätte das investierende Konsortium 51% der Aktien und damit die Kontrolle über das Unternehmen erlangt. Die damit in Zusammenhang stehenden vertraglichen Rechte qualifizierte das Schiedsgericht als vom BIT geschützt und somit als Investition: Consequently, the Tribunal finds that, under the First Addendum, the Republic of Poland contracted obligations and Eureko acquired rights derived from its shareholding in PZU which were entitled to protection under the Treaty.309

Bereits zuvor hatte es festgestellt, dass die Mitwirkungsrechte an der Unternehmensführung einen wirtschaftlichen Wert hätten und eine Investition im Sinne des BIT seien.310 Ohne ihre Einräumung wäre nach Ansicht des Schiedsgerichts die Investition nicht erfolgt.311

___________ 305

Bayindir Insaat Turizm Ticaret ve Sanayi A.ù. v. Islamic Republic of Pakistan, (Turkey/Pakistan BIT), Decision on Jurisdiction, 14 November 2005, http://ita.law.uvic. ca/documents/Bayindr-jurisdiction.pdf. 306 Ibid., § 255. 307 Eureko B.V. v. Republic of Poland, (Netherlands/Poland BIT), Partial Award, 19 August 2005, 12 ICSID Reports 335. 308 Ibid., § 41. 309 Ibid., § 157. 310 Ibid., § 145. 311 Ibid., § 144.

132

1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

Der Fall Siemens312 betraf einen Vertrag zur Herstellung von Identitätskarten, eines Systems zur Durchführung von Grenzkontrollen und zur Erstellung eines Wählerverzeichnisses. Argentinien hatte vorgebracht, dass nur, wenn ein Vertrag durch eine Stabilisierungsklausel internationalisiert worden sei, er enteignet werden könnte. Dem widersprach das Schiedsgericht. Es stellte fest, dass der Vertrag unter die Investitionsdefinition des BIT fällt und dass Artikel 4(2) des BIT von Enteignungen oder Verstaatlichungen von Investitionen spricht. Der Vertrag könne daher enteignet worden sein, was im Einklang mit einer langen schiedsgerichtlichen Praxis sei, wonach nicht nur Sachvermögen enteignet werden könnte: The Contract falls under the definition of “investments” under the Treaty and Article 4(2) refers to expropriation or nationalization of investments. Therefore, the State parties recognized that an investment in terms of the Treaty may be expropriated. There is nothing unusual in this regard. There is a long judicial practice that recognizes that expropriation is not limited to tangible property.313

Das Schiedsgericht im Fall Vivendi II,314 der einen Wasserrechtskonzessionsvertrag mit einer argentinischen Provinz betraf, wies ebenfalls darauf hin, dass vertragliche Rechte unzweifelhaft Gegenstand einer Enteignung sein können: There can be no doubt, that contractual rights are capable of being expropriated, … .315

Auch Schiedsgerichte, die aufgrund des NAFTA tätig wurden, stellten wiederholt fest, dass vertragliche Rechte Eigentumsschutz im Rahmen des NAFTA genießen. Dies war beispielsweise in den Fällen Mondev316 und Waste Management.317 der Fall. Dieser Ansatz wurde auch in Methanex Corporation318 bestä___________ 312 Siemens AG v. Argentine Republic, (Germany/Argentina BIT), Award, 6 February 2007, http://ita.law.uvic.ca/documents/Siemens-Argentina-Award.pdf. 313 Ibid., § 267. 314 Compañía de Aguas del Aconquija S. A. and Vivendi Universal v. Argentine Republic (Vivendi II), (France/Argentina BIT), Award, 20 August 2007, http://ita. law.uvic.ca/documents/VivendiAwardEnglish.pdf. Zum Sachverhalt siehe unten, S. 339. 315 Ibid., § 7.5.4. 316 Mondev International Ltd. v. United States of America, (NAFTA), Award, 11 October 2002, 6 ICSID Reports 192: 98. […] Moreover it is clear that the protection afforded by the prohibition against expropriation or equivalent treatment in Article 1110 can extend to intangible property interests, as it can under customary international law. In the Tribunal’s view, there is no reason for reading Article 1105(1) any more narrowly. 317 Waste Management, Inc. v. United Mexican States, (NAFTA), Award, 30 April 2004, 43 ILM (2004) 967: 163. As another NAFTA tribunal confirmed in the Mondev case, “the protection afforded by the prohibition against expropriation or equivalent treatment in Article 1110 can extend to intangible property interests.”

E. Schuldrechtliche Ansprüche

133

tigt, wo das Schiedsgericht feststellte, dass ein restriktiver, auf materielle Objekte beschränkter Eigentumsbegriff überholt sei. Er sei von einer Konzeption abgelöst worden, die die operative Kontrolle über Komponenten eines Wertschöpfungsprozesses beinhaltete: Certainly, the restrictive notion of property as a material “thing” is obsolete and has ceded its place to a contemporary conception which includes managerial control over components of a process that is wealth producing.319

Auch in der Literatur besteht Konsens darüber, dass vertragliche Rechte vom investitionsrechtlichen Eigentumsschutz umfasst sind. Higgins beschrieb die Erstreckung des Eigentumsschutzes über physisches Eigentum hinaus auf vertragliche Rechte wie folgt: It is apparent that both chattels and land fall within our definition of property (…). … But the notion of “property” is not restricted to chattels. Sometimes rights that might seem more naturally to fall under the category of contract rights are treated as property.320

Ähnlich wie im Methanex-Schiedsspruch wird auch in der Literatur auf den Wandel des Schutzobjekts von bloß physischem Eigentum hin zu jenen Rechten hingewiesen, die wirtschaftlich für den Investor von Bedeutung sind. In diesem Sinne stellte Sacerdoti im Hinblick auf den Schutzumfang des Eigentumsschutzes fest: As to the type and content of the rights covered, a wide concept tends to be used. All rights and interests having an economic content come into play, including immaterial and contractual rights.321

Auch Waelde und Kolo betonen in ihrer Eigentumsdefinition diesen Aspekt des Eigentumsschutzes: In modern understanding, the key function of property is less the tangibility of “things”, but rather the capability of a combination of rights in a commercial and corporate setting and under a regulatory regime to earn a commercial rate of return.322

___________ Das Tribunal anerkennt, dass Verträge enteignet werden können. Stellte aber im konkreten Fall in der Folge fest, dass keine derartige Enteignung vorlag. 318 MethanexCorp. v. USA, (NAFTA), Final Award, 3 August 2005, http://ita.law.uvi c.ca/documents/MethanexFinalAward.pdf. 319 Ibid., Part IV – Chapter D, § 17. 320 R. Higgins, The Taking of Property by the State: Recent Developments in International Law, 176 RdC (1982-III), 259, 271. 321 G. Sacerdoti, Bilateral Treaties and Multilateral Instruments on Investment Protection, 269 RdC (1997), 251, S. 381. 322 T. Waelde/A. Kolo, Environmental Regulation, Investment Protection and ‘Regulatory Taking’ in International Law, 50 ICLQ 2001, 811, S. 835.

134

1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

Neben der Frage, ob vertragliche Rechte überhaupt geschützt sind, die, wie gezeigt wurde, für den internationalen Investitionsschutz zu bejahen ist, stellte sich vereinzelt auch die Frage, ob ein solches Recht besteht. Ein Beispiel dafür ist der Fall Thunderbird.323 Das Schiedsgericht war nicht mit der Frage konfrontiert, ob ein vertragliches Recht geschützt ist, sondern ähnlich wie der EGMR in den Restitutionsfällen, ob überhaupt ein Recht besteht. Es war strittig, ob der Investor berechtigt war, bestimmte Spielautomaten zu betreiben, ohne dafür eine Genehmigung zu haben. Diese wäre nach Ansicht des Staates aufgrund der Gesetzeslage nicht erteilbar gewesen. Der Investor hatte eine Auskunft eingeholt, ob die Automaten, die er verwenden wollte, unter das gesetzliche Verbot, Glückspielautomaten zu betreiben, fallen würden oder nicht. Die Auskunft erteilende staatliche Stelle führte aus, was vom Gesetz umfasst sei. Ferner hielt sie fest, dass unter Zugrundelegung der Angaben des Investors, wonach auf den verwendeten Automaten Geschicklichkeitsspiele und keine Glückspiele spielbar seien, das Verbot nicht anwendbar sei. Das Schiedsgericht stellte fest, dass maßgebliche Eigenschaften der Spielautomaten der Auskunft erteilenden Stelle gegenüber nicht erwähnt worden waren. Daher habe auch keine berechtigte Erwartung dahingehend bestanden, dass der Betrieb nicht verboten sei. Das Schiedsgericht berief sich ausschließlich auf das Fehlen berechtigter Erwartungen, um das Vorliegen einer indirekten Enteignung abzulehnen. Das Nichtvorliegen der indirekten Enteignung sei eine Konsequenz des Fehlens eines geschützten Rechtes, in das hätte eingegriffen werden können: The Tribunal does not need to decide on Mexico’s jurisdictional objection …, since the Tribunal has already found that the EDM Companies could not have operated based on a legitimate expectation in Mexico. Accordingly, as acknowledged by Thunderbird, compensation is not owed for regulatory takings where it can be established that the investor or investment never enjoyed a vested right in the business activity that was subsequently prohibited.324

In diesem Fall führte also das Fehlen der berechtigten Erwartungen dazu, dass kein geschütztes Recht vorlag.325 Somit verneinte das Schiedsgericht nicht, dass vertragliche Rechte vom Eigentumsschutz erfasst sind, sondern das Bestehen der vertraglichen Rechte selbst.

___________ 323

International Thunderbird Gaming Corporation v. Mexico, (NAFTA), Award, 26 January 2006, http://ita.law.uvic.ca/documents/ThunderbirdAward.pdf. 324 Ibid., § 208. 325 Siehe dazu aber auch die dissenting opinion von T. Waelde, der zum genau gegenteiligen Ergebnis hinsichtlich des Vorliegens von „legitimate expectations“ kommt.

E. Schuldrechtliche Ansprüche

135

3. Zwischenergebnis Grundsätzlich kann festgehalten werden, dass schuldrechtliche Ansprüche sowohl vom menschenrechtlichen als auch vom investitionsrechtlichen Eigentumsschutz umfasst sind. Somit besteht grundsätzlich kein Unterschied im Schutzbereich im Hinblick auf Forderungsrechte. Hinsichtlich der Sachverhalte sind aber durchaus Unterschiede zwischen Menschenrechts- und Investitionsschutz feststellbar. Der EGMR hat seine Judikatur zur Frage, welche Voraussetzungen Forderungen im allgemeinen erfüllen müssen, damit sie in den Schutzbereich fallen, anhand von Schadenersatzansprüchen gegen den Staat oder von Restitutionsforderungen entwickelt. Fälle im Zusammenhang mit Investitionen oder Vermögensdispositionen, die im Vertrauen auf staatliche Rechtsakte getätigte worden waren, bilden in seiner Judikatur eher die Ausnahme. Der EGMR entwickelte sehr detaillierte Kriterien für die Bedingungen, die Forderungsrechte erfüllen müssen, um in den Schutzbereich des Eigentumsrechts zu fallen. Forderungen müssen entweder bereits vollstreckbar sein oder es muss zumindest eine berechtigte Erwartung über das Bestehen eines Eigentumsrechts vorliegen, damit Eigentumsschutz besteht. Das Vorhandensein eines vertretbaren Anspruchs allein reicht dafür nicht aus. Im Falle einer bedingten Forderung muss die Bedingung erfüllt sein, damit Eigentumsschutz gewährt wird. Investitionsschiedsgerichte hatten sehr häufig über vertragliche Ansprüche im Zusammenhang mit Investitionen, die im Vertrauen auf staatliche Rechtsakte getätigt worden waren, zu entscheiden. In der Judikatur der Investitionsschiedsgerichte dominierte die Frage, wann eine Investition vorliegt. Die Frage, welche Eigenschaften eine einzelne Forderung haben muss, damit sie vom Schutzbereich umfasst ist, spielt eine geringere Rolle. Das Konzept der berechtigten Erwartungen wurde sowohl im Menschenrechtsschutz als auch im Investitionsschutz herangezogen, um festzustellen, ob ein geschütztes Rechtsgut vorliegt. In der Folge soll auf einige wesentliche Fallgruppen schuldrechtlicher Ansprüche besonders eingegangen werden.

II. Ansprüche im Zusammenhang mit Steuerschuldverhältnissen oder sonstigen Abgaben Sowohl im Menschenrechtsschutz als auch im Investitionsschutz trat die Frage auf, ob auch Ansprüche von Individuen/Investoren auf Rückzahlung von Steuer- und Abgabenleistungen vom Eigentumsschutz umfasst sind. Das noch häufiger aufgetretene Problem, inwieweit Steuern und Abgaben auch Eingriffe

136

1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

in bestehende Eigentumsrechte sein können, wird an dieser Stelle nicht behandelt.326

1. Menschenrechtsschutz Der EGMR hatte sich in einigen Fällen ausdrücklich mit Steuern zu beschäftigen.327 Er brachte, wie die folgenden Beispiele zeigen, auf Ansprüche auf Rückzahlung von Steuern oder Abgaben die eben für Forderungsrechte im Allgemeinen erörterten Grundsätze zur Anwendung. Der Fall S.A. Dangeville gg Frankreich328 betraf einen Rückforderungsanspruch von dem EU-Recht widersprechend eingehobener Mehrwertsteuer. Der Gerichtshof stellte fest, dass ein derartiger Anspruch einen wirtschaftlichen Wert habe und zumindest eine berechtigte Erwartung auf Rückzahlung der zuviel eingehobenen Summe bestehe. Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK sei daher anwendbar: 48. In the light of the foregoing, the Court finds that the applicant company had a valid claim against the State when it lodged its two appeals for the VAT paid in error

___________ 326

Siehe in diesem Zusammenhang z.B.: R. Dolzer, Grenzen nationaler Steuerhoheit im völkerrechtlichen Investitionsschutz, in: K. Grupp/U. Hufeld (Hrsg.), Recht – Kultur – Finanzen, Festschrift für Reinhard Mußgnug zum 70. Geburtstag am 26. Oktober 2005, 2005, 189–294; W. W. Park, Expropriation and Taxation under the NAFTA, in: T. Weiler (Hrsg.), NAFTA, Investment Law and Arbitration: Past Issues, Current Practice, Future Prospects, 2004, 93-104; R. Happ, Beilegung von Steuerstreitigkeiten zwischen Investoren und ausländischen Staaten durch Schiedsgerichte, 15 Internationales Steuerrecht, 2006, 653 f. Siehe z.B.: In the Matter of Revere Copper and Brass Inc. v. Overseas Private Investment Corporation, Award, 24 August 1978, 56 ILR 258; Feldman v. Mexico, (NAFTA), Award, 16 December 2002, 7 ICSID Reports 341, §§ 89–153; Enron and Ponderosa Assets v. Argentine Republic, (United States/Argentina BIT), Decision on Jurisdiction, 14 January 2004, http://ita.law.uvic.ca/documents/Enron-Jurisdiction.pdf, § 71; El Paso Energy International Company v. The Argentine Republic, (US/Argentina BIT), Decision on Jurisdiction, 27 April 2006, http://ita.law.uvic.ca/documents/elpasojurisdiction27april2006.pdf, §§ 112–116; Pan American Energy LLC and BP Argentina Exploration Company v. Argentine Republic, (US/Argentina BIT), Decision on Preliminary Objections, 27 July 2006, http://ita.law.uvic.ca/documents/PanAmericanBP Jurisdiction-eng.pdf, §§ 132–139. 327 Siehe z.B.: EGMR, National & Provincial Building Societies, Leeds Permanent Building Society and Yorkshire Building Society gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 23. Oktober 1997, ECHR 1997-VII, §§ 67–70; S. A. Dangeville gg Frankreich, Nr. 36677/97, Urteil vom 16. April 2002, ECHR 2002-III; Cabinet Diot und SA Gras Savoye gg Frankreich, Nr. 49217/99, 49218/99, Urteil vom 22. Juli 2003, § 26; Buffalo SRL en liquidation gg Italien, Nr. 38746/97, Urteil vom 3. Juli 2003, § 28; Eko-Elda AVVE gg Griechenland, Nr. 10162/02, Urteil vom 9. März 2006, § 27. 328 EGMR, S. A. Dangeville gg Frankreich, Nr. 36677/97, Urteil vom 16. April 2002, ECHR 2002-III.

E. Schuldrechtliche Ansprüche

137

for the period from 1 January to 30 June 1978. A claim of that nature “constituted an asset” and therefore amounted to a “possession” within the meaning of the first sentence of Article 1 of Protocol No. 1, which was accordingly applicable in the present case (…). In any event, the Court considers that the applicant company had at least a legitimate expectation of being able to obtain the reimbursement of the disputed sum (…).329

Im Fall Buffalo SRL en liquidation gg Italien330 zahlten die Steuerbehörden dem Beschwerdeführer erst mit beträchtlicher Verspätung zuviel gezahlte Steuern zurück. Der Gerichtshof stellte fest, dass der Anspruch auf eine zuviel gezahlte Steuer eine „possession“ im Sinne des Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK ist. Dies sei jedenfalls ab dem Zeitpunkt der Fall, zu dem die Finanzbehörden die Deklaration der Einkünfte vom Beschwerdeführer erhalten haben: … en droit italien, l’administration est tenue de procéder d’office au remboursement d’un crédit d’impôt sur les revenus, après réception de la déclaration des revenus qui vaut demande de remboursement. Aucun délai de rigueur pour rembourser n’est prévu. … En conclusion, la Cour estime que la requérante était titulaire d’un intérêt patrimonial reconnu en droit italien, bien que modifiable dans certaines conditions, depuis la réception par l’administration fiscale de la déclaration de revenus et jusqu’au moment où le remboursement a été effectué. L’intérêt de la requérante constituait dès lors un « bien », au sens de l’article 1 du Protocole no 1 (…).331

Gleiches führte der Gerichthof im Fall Eko-Elda AVVE gg Griechenland 332 aus, nachdem er festgestellt hatte, dass die Steuerrückforderung hinreichend bestimmt sei, um vollstreckbar zu sein. Für Ansprüche auf Steuerrückerstattung gelten somit die gleichen Regeln, die auf sonstige Forderungen anwendbar sind. Es muss sich entweder um eine bereits durchsetzbare Forderung handeln oder zumindest eine berechtigte Erwartung vorliegen, wobei eine bloß vertretbare Behauptung nicht ausreicht.

2. Investitionsschutz Auch vor Investitionsschiedsgerichten wurden bereits mehrfach Ansprüche auf Steuerrückerstattung geltend gemacht. Die Rechtsprechung in diesem Bereich ist, wie die nachfolgenden Fälle zeigen, nicht einheitlich.333 ___________ 329 Ibid., § 48. Ebenso Cabinet Diot und SA Gras Savoye gg Frankreich, Nr. 49217/99, 49218/99, Urteil vom 22. Juli 2003, § 26. 330 EGMR, Buffalo SRL en liquidation gg Italien, Nr. 38746/97, Urteil vom 3. Juli 2003. 331 Ibid., §§ 28, 29. 332 EGMR, Eko-Elda AVVE gg Griechenland, Nr. 10162/02, Urteil vom 9. März 2006.

138

1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

Occidental,334 ein Investor im Ölfördersektor, klagte Ecuador vor einem Investitionsschiedsgericht wegen der Einstellung der Gewährung von Mehrwertsteuerrückerstattungen für Anschaffungen, die im Zusammenhang mit der Investition des Klägers standen. Das Schiedsgericht stellte zunächst fest, dass BITs weite Investitionsdefinitionen aufweisen: It is also noticeable that bilateral investment treaties contain broad definitions of investments that can encompass many kinds of assets.335

Es zog aber in der Folge in Zweifel, ob der Anspruch auf Steuerrückerstattung unter den Eigentumsschutz des BIT falle, und stellte in diesem Zusammenhang fest: It is not tenable to argue that there can be “no doubt that under the treaty the Refund Claim is an investment per se”. However broad the definition of investment might be under the Treaty it would be quite extraordinary for a company to invest in a refund

___________ 333

Eine Besonderheit im Zusammenhang mit Ansprüchen auf Steuerrückerstattung ist, dass der ECT, NAFTA und manche BITs bei Streitigkeiten im Zusammenhang mit Steuern Einschränkungen vorsehen. Diese können sich entweder auf den materiellen Schutzbereich und/oder auf die Jurisdiktion der Schiedsgerichte beziehen. So können etwa aufgrund von Artikel 2103(6) NAFTA die Steuerbehörden des Staates des Investors gemeinsam mit jenen des Gastgeberstaates die Schiedsgerichtsbarkeit mittels Veto verhindern: Article 2103 NAFTA: Taxation 1. Except as set out in this Article, nothing in this Agreement shall apply to taxation measures. 6. Article 1110 (Expropriation and Compensation) shall apply to taxation measures except that no investor may invoke that Article as the basis for a claim under Article 1116 (Claim by an Investor of a Party on its Own Behalf) or 1117 (Claim by an Investor of a Party on Behalf of an Enterprise), where it has been determined pursuant to this paragraph that the measure is not an expropriation. The investor shall refer the issue of whether the measure is not an expropriation for a determination to the appropriate competent authorities set out in Annex 2103.6 at the time that it gives notice under Article 1119 (Notice of Intent to Submit a Claim to Arbitration). If the competent authorities do not agree to consider the issue or, having agreed to consider it, fail to agree that the measure is not an expropriation within a period of six months of such referral, the investor may submit its claim to arbitration under Article 1120 (Submission of a Claim to Arbitration). (Zum NAFTA siehe dazu z.B.: W. W. Park, Expropriation and Taxation under the NAFTA, in: T. Weiler (Hrsg.), NAFTA, Investment Law and Arbitration: Past Issues, Current Practice, Future Prospects, 2004, 93-104). Artikel 21 ECT beschränkt die Anwendbarkeit der materiellen Investitionsschutzbestimmungen auf Enteignungen und sieht auch im Fall von Enteignungen (Artikel 21 (5) ECT) vor, dass die Angelegenheit zunächst für sechs Monate den zuständigen Steuerbehörden zu unterbreiten ist. 334 Occidental Exploration and Production Co. v. Ecuador, (US/Ecuador BIT), Award, 1 July 2004, 12 ICSID Reports 59. 335 Ibid., § 85.

E. Schuldrechtliche Ansprüche

139

claim. But even if a refund claim is considered to be included in the claims to money and other rights mentioned in the definition, still the expropriation has to meet the standards required by international law.336

Das Schiedsgericht trennte somit nicht strikt zwischen dem Jurisdiktionserfordernis des Vorliegens einer Investition und der Frage, ob der Klagegegenstand unter die geschützten Rechte der Investitionsdefinition des BIT fällt. Für ersteres ist die Gesamtheit der wirtschaftlichen Tätigkeit des Investors im Gaststaat heranzuziehen. Für zweiteres ist, wenn nach dieser Prüfung feststeht, dass eine Investition vorliegt, im Hinblick auf das konkret geltend gemachte Recht zu prüfen, ob dieses unter die geschützten Rechte, die in der Investitionsdefinition des BIT aufgezählt sind, fällt. In einem dritten Schritt wäre dann zu prüfen, ob tatsächlich eine Enteignung stattfand. Das Vorliegen einer Enteignung lehnte das Schiedsgericht aufgrund mangelnder Schwere des Eingriffes ab.337 Das Schiedsgericht im Fall EnCana Corporation338 unterschied zwischen dem Jurisdiktionserfordernis des Vorliegens einer Investition und der Frage, ob der Klagegegenstand unter die geschützten Rechte der Investitionsdefinition des BIT fällt. Es bejahte eindeutig, dass ein Mehrwertsteuerrückerstattungsanspruch vom Eigentumsschutz des BIT umfasst sei. EnCana hatte über Töchter Öl- und Gasförderverträge mit der staatlichen Ölagentur Ecuadors abgeschlossen. Es war umstritten, ob aufgrund dieser Verträge für Ausgaben der Töchter im Zusammenhang mit der Investition die Mehrwertsteuer rückzuerstatten war. Dabei stellte sich zunächst eine Vorfrage, die im Zusammenhang mit Streitigkeiten über Steuern häufig auftritt: Hat das Schiedsgericht überhaupt Jurisdiktion in Steuersachen, und wenn ja, in welchem Umfang? Artikel XII des BIT zwischen Ecuador und Kanada sah Jurisdiktion nur in zwei Konstellationen vor: In der einen, die nicht vorlag und auch nicht behauptet wurde, musste ein Investitionsvertrag (contract) zwischen dem Investor und dem Staat bestehen, der verletzt sein müsste. In der zweiten Konstellation musste eine Enteignung der Investition vorliegen.339 Im Zuge der Überprüfung dieser zweiten in Frage kommenden Jurisdiktionsmöglichkeit stellte das Schiedsgericht fest, dass auch ein Steuerrückerstattungsanspruch unter den Eigentumsschutz des BIT fällt: … the Tribunal accepts that EnCana did not, as such, invest in certificates entitling it to VAT refunds.

___________ 336

Ibid., § 86. Ibid., § 89. 338 EnCana Corporation v. Republic of Ecuador, (Canada/Ecuador BIT), Award, 3 February 2006, 12 ICSID Reports 427. 339 Siehe ibid., §§ 149, 166–168. 337

140

1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

But this is not an end of the matter. An investment is widely defined to include “claims to money” (Article I(g)(iii)), …Thus claims to money held through a third State investor can constitute an investment. Moreover the protection of Article VIII also extends to “returns” which are widely defined as … “all amounts yielded by an investment and in particular, though not exclusively, includes profits, interest, capital gains, dividends, royalties, fees or other current income.” (Article I(j))

It is hard to imagine a broader definition, … In the Tribunal’s opinion, a law which cancels a liability the State already has to an investor, including an investor of a third state which is owned or controlled by an investor of a State Party, is capable of amounting to expropriation. The right under the law of the host State to refunds of VAT in respect of the past acquisition of goods and services is a material benefit, and it does not matter whether refunds take the form of tax credits or rights to actual payment of the amount due.340

Damit verlangte das Schiedsgericht an dieser Stelle zu Recht nicht, dass der Anspruch auf Steuerrückzahlung für sich die Jurisdiktionserfordernisse des Artikel 25 erfülle. Es überprüfte vielmehr richtigerweise, ob bei vorliegender Investition im wirtschaftlichen Sinn der Anspruch auf Steuerrückerstattung von der Liste der vom Eigentumsschutz umfassten Rechte in der Investitionsdefinition des BIT umfasst sei. Dies sah es als gegeben an. Der Fall ist daher ein Beispiel dafür, dass ein Schiedsgericht einen Anspruch auf Mehrwertsteuerrückerstattung als vom Eigentumsschutz des Investitionsschutzvertrages umfasst ansah. Obwohl die Judikatur in diesem Bereich nicht ganz einheitlich ist, lässt sich dennoch festhalten: Auch Ansprüche im Zusammenhang mit Steuern und Abgaben können grundsätzlich vom Eigentumsschutz eines BIT umfasst sein. Das konkret geltend gemachte Recht muss hierfür ein geschütztes Recht im Sinne der Investitionsdefinition des einschlägigen BIT/MIT oder nationalen Investitionsschutzgesetzes sein.

III. Konzessionen, Lizenzen und Bewilligungen Sowohl Menschenrechts- als auch Investitionsschutzgerichte waren wiederholt mit dem Entzug von Konzessionen341 befasst. Unter Konzession versteht ___________ 340

Ibid., §§ 181–183. Zu Fragen internationaler Konzessionen siehe insbes: P. Fischer, Die internationale Konzession, 1974. Fischer definiert internationale Konzessionen folgendermaßen: Als „internationale“ oder „völkerrechtliche“ Konzession soll … jener synallagmatische Rechtsakt … verstanden werden, durch welchen ein Staat an eine fremde Privatperson die Ausübung eines vorbehaltenen Rechtes überträgt, welche damit an der Verwirklichung staatlicher Verwaltungszwecke teilnimmt, wobei sie eine gegenüber anderen Privatrechtssubjekten privilegierte Stellung innehat. (S. 101; Hervorhebung im Original). 341

E. Schuldrechtliche Ansprüche

141

man einerseits die Verleihung eines Nutzugsrechts an einer öffentlichen Sache durch die zuständige staatliche Behörde (z.B. Erdölförderkonzession). Andererseits werden auch behördliche Bewilligungen zum Betrieb eines bewilligungspflichtigen Gewerbes (z.B. Kieselabbau) so bezeichnet. Im Investitionsschutz werden Rechte zur Förderung von Rohstoffen oder zur Errichtung und zum Betrieb von Anlagen häufig in Verträgen eingeräumt, wobei der Begriff „Konzession“ nur noch selten verwendet wird. So werden derartige Verträge verschiedentlich als „service contracts“ oder BOT (Build-Operate-Transfer) Verträge bezeichnet. Mit der Verleihung von Nutzungsrechten ist zumeist auch ein Exklusivitätsrecht innerhalb eines gewissen Territoriums verbunden. So kann beispielsweise die Wasserver- und -entsorgung eines Gebietes als Konzession vergeben werden, oder es wird eine Holzschlägerkonzession für ein bestimmtes Areal verliehen. Alle diese Beispiele zeigen bereits die wirtschaftliche Bedeutung von Konzessionen.

1. Menschenrechtsschutz Konzessionen, die Grundvoraussetzungen für die Entfaltung einer wirtschaftlichen Tätigkeit waren, qualifizierte der Gerichtshof als im Schutzbereich des Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK.342 So bewertete er (allerdings im Zusammenhang mit der Prüfung, ob es sich um ein ziviles Recht i.S. des Art. 6 EMRK handle) eine Lizenz zum Betrieb einer Flüssiggastankstelle als Recht mit Eigentumscharakter. Dies unter anderem deshalb, weil die Lizenz an dritte Personen übertragen werden könne.343 Eine Banklizenz, deren Entzug automatisch zu einer Zwangsliquidierung der Bank führte, sah der Gerichtshof in Capital Bank gg Bulgarien344 als „possession“ im Sinne des Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK an: The Court further notes that having a licence was one of the principal conditions on which the applicant bank depended for carrying on its business, and that its with-

___________ Je nach Art des Konzessionsgegenstandes komme dem Faktor der öffentlichen Verwaltung eine unterschiedliche Bedeutung zu. Als Beispiele für öffentliche Verwaltungsaufgaben führt Fischer in diesem Zusammenhang unter anderem den Bau von Verkehrswegen und anderen Infrastruktureinrichtungen an. (Siehe S. 111–113). 342 C. Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention3, 2008, Kapitel 25, Wirtschaftliche Grundrechte, Rz 4. 343 EGMR, Benthem gg Niederlande, Urteil vom 23. Oktober 1985, Serie A, Nr. 97, § 36. 344 EGMR, Capital Bank gg Bulgarien, Nr. 49429/99, Urteil vom 24. November 2005.

142

1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

drawal had the effect of automatically putting it into compulsory liquidation (…). Therefore, the revocation of the licence constituted an interference with the applicant bank’s possessions and Article 1 of Protocol No. 1 is applicable (…).345

In einer Reihe von Fällen verlangte der Gerichtshof jedoch, dass die Konzession, um in den Schutzbereich zu fallen, für ihren Inhaber eine berechtigte und legitime Erwartung hinsichtlich ihrer Dauerhaftigkeit begründen müsse.346 Derartige berechtigte Erwartungen lägen insbesondere dann nicht vor, wenn eine Lizenz mit Bedingungen verknüpft ist und eine davon wegfällt. Dies war etwa in Pudas gg Schweden347 der Fall, wo eine innerstädtische Taxilizenz aufgrund einer rechtlich vorgesehenen Beendigungsmöglichkeit entzogen wurde. Gleiches gilt für die Fälle H.J. Batelaan & J. Huiges gg Niederlande348 und M gg BRD:349 Im ersten Fall wurde die Lizenz, Medikamente zu verkaufen, im zweiten die Berechtigung, ärztliche Betreuung auf Kassenvertrag zu leisten, aufgrund der Nichtmehrerfüllung einer Konzessionsvoraussetzung entzogen. Im Urteil Tre Traktörer Aktiebolag gg Schweden,350 das den Entzug einer Alkoholausschankberechtigung zum Gegenstand hatte, stellte der Gerichtshof fest, dass die wirtschaftlichen Interessen, die mit dem Betrieb des Restaurants Le Cardinal verbunden waren, „possessions“ im Sinne der Konvention sind. Er führte aus: … The economic interests connected with the running of Le Cardinal were “possessions” for the purposes of Article 1 of the Protocol. … The maintenance of the licence was one of the principal conditions for the carrying on of the applicants company’s business, and that its withdrawal had adverse effects on the goodwill and value of the restaurant. Such withdrawal thus constitutes, in the circumstances of the case, an interference with TTA’s right to the “peaceful enjoyment of [its] possessions”.351

Der Umstand, dass die Genehmigung in Übereinstimmung mit den rechtlichen Regelungen entzogen wurde, weil der Betreiber sich nicht an die Buchhaltungsvorschriften gehalten hatte, führte im Unterschied zu den vorher ange___________ 345

Ibid., § 130. EKMR, Pudas gg Schweden, Nr. 10426/83, 5. Dezember 1984, DR 40, 234; H.J. Batelaan & J. Huiges gg Niederlande, Nr. 10438/83, Entscheidung vom 3. Oktober 1984, DR 41, 170, 173; M gg BRD, Nr. 10748/84, 7. Oktober 1985, DR 44, 206; Zacher gg Deutschland, Nr. 27026/95, Entscheidung vom 4. September 1996 (unveröffentlicht). 347 EKMR, Pudas gg Schweden, Nr. 10426/83, 5. Dezember 1984, DR 40, (1985) 234. 348 EKMR, H.J. Batelaan & J. Huiges gg Niederlande, Nr. 10438/83, Entscheidung vom 3.10.84, DR 41, 170. 349 EKMR, M gg BRD, Nr. 10748/84, Entscheidung vom 7. Oktober 1985, DR 44, 206. 350 EGMR, Tre Traktörer Aktiebolag gg Schweden, Urteil vom 7. Juli 1989, Serie A, Nr. 159. 351 Ibid., § 53. 346

E. Schuldrechtliche Ansprüche

143

sprochenen Fällen nicht dazu, dass der Gerichtshof davon ausging, dass kein vom Schutzbereich umfasster Vermögenswert vorliege. Das Gleiche gilt für den Fall Fredin gg Schweden,352 der den Entzug einer Kiesabbauberechtigung betraf. Hier stellte der Gerichtshof zur Frage des Bestehens eines Eigentumsrechts nur fest, dass es unbestritten gewesen sei, dass der Entzug der Lizenz ein Eingriff in die Eigentumsrechte des Beschwerdeführers sei: The Court finds – and this point was not contested before it – that the revocation of the permit interfered with the applicants’ right to the peaceful enjoyment of their possessions, including the economic interests connected with the exploitation of the gravel pit (see …).353

Den Umstand, dass keine berechtigte Erwartung auf Fortbestehen der Lizenz bestand, führte nicht dazu, dass bereits das Vorliegen einer „possession“ verneint wurde. Der Gerichtshof überprüfte das Bestehen von berechtigten Erwartungen erst, als er prüfte, welche Art von Eingriff vorlag,354 und ob der erfolgte Eingriff gerechtfertigt war.355 Im Fall Jostein StǛrksen gg Norwegen356, der den Entzug einer Fischfanglizenz betraf, griff die Kommission wieder auf die oben erwähnten Kriterien zurück. Da die Lizenz gemäß gesetzlichen Bestimmungen entzogen wurde, die bereits zum Zeitpunkt der Lizenzerteilung in Kraft waren, sah sie kein von Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK geschütztes Recht als betroffen an. Dass auch durch zivilrechtlichen Vertrag eingeräumte Berechtigungen vom Eigentumsschutz umfasst sind, zeigt der Fall Posti und Rahko gg Finnland.357 Der Gerichtshof stellte fest, dass das Recht des Beschwerdeführers, in staatlichen Gewässern zu fischen, das aufgrund eines Pachtvertrages bestand, eine „possession“ im Sinne der Konvention sei: The Court finds that the applicants’ right to engage in certain types of fishing in State-owned waters on the basis of their lease constituted a “possession” for the purposes of Article 1 of Protocol No. 1. The limitation of that right through the 1996 and 1998 Decrees amounted to a control of the use of those possessions, within the meaning of the second paragraph of Article 1 of Protocol No. 1.358

___________ 352

EGMR, Fredin gg Schweden (Nr. 1), Urteil vom 18. Februar 1991, Serie A, Nr.

192. 353

Ibid., § 40. Ibid., §§ 46, 47. 355 Ibid., § 54. 356 EKMR, Jostein StǛrksen gg Norwegen, Nr. 19819/92, 5. Juli 1994, DR 78-A. 357 EGMR, Posti und Rahko gg Finnland, Nr. 27824/85, 24. September 2002, RJD 2002-VII. 358 Ibid., § 76. 354

144

1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

Im Fall Rosenzweig and Bonded Warehouses Ltd. gg Polen359, ging der Gerichtshof ohne nähere Erörterung davon aus, dass eine Genehmigung, ein Zollverschlusslager zu betreiben, eine von Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK geschützte Rechtsposition ist.360 Im Urteil Bimer S.A. gg Moldova361 betonte der EGMR lediglich, dass es unbestritten war, dass eine Lizenz, einen Duty Free Shop und eine Bar zu betreiben, eine „possession“ im Sinne von Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK ist.362 Somit wurden Berechtigungen und Lizenzen unabhängig davon, ob sie privat- oder öffentlich rechtlich begründet waren, als vom Eigentumsschutz umfasst angesehen. Die Judikatur des Gerichtshofs ist aber insofern uneinheitlich, als nur in manchen der oben erwähnten Fälle,363 in denen Konzessionen aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen entzogen wurden, bereits das Vorliegen des geschützten Gutes verneint wurde. Im Hinblick auf Konzessionen würde es im Rahmen der EMRK zu befriedigenderen Ergebnissen führen, wenn bei Entzug einer Konzession zunächst das Eigentumsrecht bejaht und so ein weites Eigentumskonzept zugrunde gelegt würde. „(Nicht) berechtigte Erwartungen“ sollten erst im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung364 berücksichtigt werden, wo auch eventuelle staatliche Entschädigungsmaßnahmen in die Evaluierung einfließen können, wie dies in den Fällen Tre Traktörer365 und Fredin366 geschehen ist. Somit wären die staatlichen Eingriffsmaßnahmen nicht jeglicher weiteren Kontrolle durch den EGMR entzogen.

___________ 359

EGMR, Rosenzweig and Bonded Warehouses Ltd. gg Polen, Nr. 51728/99, Urteil vom 28. Juli 2005. 360 Ibid., § 49. 361 EGMR, Bimer S. A. gg Moldova, Nr. 15084/03, Urteil vom 10. Juli 2007. 362 Ibid., § 49. 363 In diesem Sinne z.B.: EKMR, Pudas gg Schweden, Nr. 10426/83, 5. Dezember 1984, DR 40, (1985) 234; H.J. Batelaan & J. Huiges gg Niederlande, Nr. 10438/83, Entscheidung vom 3.10.84, DR 41, 170; M gg BRD, Nr. 10748/84, Entscheidung vom 7. Oktober 1985, DR 44, 206; Jostein StǛrksen gg Norwegen, Nr. 19819/92, 5. Juli 1994, DR 78-A. Anders z.B.: EGMR, Tre Traktörer Aktiebolag gg Schweden, Urteil vom 7. Juli 1989, Serie A, Nr. 159; Fredin gg Schweden (Nr. 1), Urteil vom 18. Februar 1991, Serie A, Nr. 192. 364 Siehe dazu unten, S. 446 ff. 365 EGMR, Tre Traktörer Aktiebolag gg Schweden, Urteil vom 7. Juli 1989, Serie A, Nr. 159, §§ 59 ff. 366 EGMR, Fredin gg Schweden (Nr. 1), Urteil vom 18. Februar 1991, Serie A, Nr. 192, §§ 52 ff.

E. Schuldrechtliche Ansprüche

145

2. Investitionsschutz Wie bereits erwähnt, werden im Investitionsschutz Konzessionen zumeist in Form eines Vertrages mit dem ausländischen Investor vereinbart. Ältere Schiedssprüche hatten häufig Konzessionsverträge über Erdölförderrechte zum Streitgegenstand. In LIAMCO v. Libya367 betrachtete der Einzelschiedsrichter Mahmassani Konzessionen als Teil der schuldrechtlichen Eigentumsrechte und damit als vom Eigentumsbegriff umfasst. Er stellte fest, dass nicht körperliches Eigentum alle jene Rechte umfasst, die finanziell und wirtschaftlich bewertet werden können. In diesem Sinn waren auch Konzessionen geschützt: … incorporeal property comprises all interests and rights which, though incapable of immediate material composition, may produce corporeal things or may be evaluated in financial and economic terms. In other words, incorporeal property includes those rights that have a pecuniary or monetary value. Concession rights, as those of the present dispute, may be included under the class of incorporeal property. This assertion is recognized by international precedents, as was held for instance by the Permanent Court of Arbitration in its Award delivered on 13 October 1922 in the dispute between the United States of America and the Kingdom of Norway.368

Als Kriterium für die Zurechnung eines Rechts zum Eigentum zog der Schiedsrichter somit den wirtschaftlichen Wert des Rechts heran. In anderen Fällen, in denen Konzessionen entzogen worden waren, wurde gar nicht diskutiert, ob eine Konzession als solche geschützt sei, sondern es wurde erst bei der Schadensberechnung festgestellt, dass für den Entzug der Konzession zu entschädigen sei. So beispielsweise in Kuweit gg Aminoil,369 wo es keine Diskussion darüber gab, ob eine Konzession prinzipiell Eigentums-

___________ 367 Libyan American Oil Company (LIAMCO) v. Government of the Libyan Arab Republic, (Investment Agreement), Award, 12 April 1977, 20 ILM 1981, 1. Siehe zu diesem Fall z.B.: O. Alt, Neue Schiedssprüche zum Recht der Verstaatlichung, 35 ÖZÖRV 1985, S. 265 ff. 368 Libyan American Oil Company (LIAMCO) v. Government of the Libyan Arab Republic, (Investment Agreement), Award, 12 April 1977, 20 ILM 1981, S. 53. 369 Kuwait v. American Independent Oil Companiy (Aminoil), (Ad-hoc Agreement), Award, 24 March 1982, 21 ILM 1982, 976. Siehe dazu auch, A. Redfern, The Arbitration between the Government of Kuwait and Aminoil, 55 BYIL 1985, S. 65 ff.; O. Alt, Neue Schiedssprüche zum Recht der Verstaatlichung, 35 ÖZöRV 1985, S. 265 ff.; M. Hunter/A. C. Sinclair, Aminoil Revisited: Reflection on a Story of Changing Circumstances, in: T. Weiler (Hrsg.), International Investment Law and Arbitration: Leading Cases form the ICSID, NAFTA, Bilateral Treaties and Customary International Law, 2005, S. 347 ff.

146

1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

schutz genießen könne oder nicht.370 Zugesprochen wurde folgende Entschädigung: … for the fixed assets, it is a depreciated replacement value that seems appropriate. In consequence, taking that basis for the fixed assets, taking the order of value indicated in the Joint Report for the non-fixed assets, and taking into account the legitimate expectations of the concessionaire, the Tribunal comes to the conclusion that, at the date of 19 September, 1977, a sum estimated at $206.041.000 represented the reasonably appraised value of what constituted the object of the take over.371

Daraus folgt, dass für die Konzession selbst auch entschädigt wurde. Die Investitionsschutzdefinitionen von jüngeren bilateralen Investitionsschutzverträgen umfassen üblicherweise Konzessionen und ähnliche Rechte.372 Zumeist werden sie in den exemplarisch angeführten Kategorien der vom Investitionsschutz umfassten Rechte ausdrücklich genannt; so zum Beispiel im BIT zwischen Österreich und den Vereinigten Arabischen Emiraten: 373 Article 1 Definitions (2) “investment by an investor of a Contracting Party” means every kind of asset in the territory of one Contracting Party, owned or controlled, directly or indirectly, by an investor of the other Contracting Party, including: … d) any right whether conferred by law or contract, including turnkey contracts, concessions, licences, authorisations or permits to undertake an economic activity;

Dieser Vertrag ist gleichzeitig ein gutes Beispiel für die modernere Terminologie, indem im BIT nicht mehr nur die Bezeichnung „Konzession“ Verwendung fand, sondern bereits etliche Vertragsformen mit wirtschaftlich ähnlicher Funktion in den Investitionsschutzvertrag aufgenommen wurden. Multilaterale Verträge enthalten ebenfalls Normen, die den Eigentumsschutz für Konzessionen und wirtschaftlich vergleichbare Verträge vorsehen. Die relevante Passage des Artikels 1139 NAFTA lautet: … investment means: … h. interests arising from the commitment of capital or other resources in the territory of a Party to economic activity in such territory, such as under

___________ 370

Ibid., S. 1017 ff. Kuwait v. American Independent Oil Companiy (Aminoil), (Ad-hoc Agreement), Award, 24 March 1982, 21 ILM 1982, 976, S. 1042, § 178(3). 372 R. Dolzer/M. Stevens, Bilateral Investment Treaties, 1995, S. 26. 373 Agreement between the Republic of Austria and the United Arab Emirates for the Promotion and Protection of Investments, http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/ bits/austria_uae.pdf. 371

E. Schuldrechtliche Ansprüche

147

i) contracts involving the presence of an investor’s property in the territory of the Party, including turnkey or construction contracts, or concessions, or …

Der Energy Charter Treaty sieht diesbezüglich Folgendes vor: Article 1 … (6) “Investment” means every kind of asset, owned or controlled directly or indirectly by an investor and includes: … (f) any right conferred by law or contract or by virtue of any licences and permits granted pursuant to law to undertake any Economic Activity in the Energy Sector.

Wie die folgenden Beispiele zeigen, haben Schiedsgerichte dementsprechend festgestellt, dass Konzessionen und Verträge mit wirtschaftlich vergleichbarem Inhalt unter den Eigentumsschutz des jeweiligen Investitionsschutzvertrages fallen. Der Fall Antoine Goetz and others v. Republic of Burundi374 betraf ein „free zone regime“ für den Abbau von Mineralien. Es wurde ohne Einwände des belangten Staates und ohne Diskussion durch das Schiedsgericht davon ausgegangen, dass die dadurch erlangte rechtliche Position vom investitionsrechtlichen Eigentumsschutz umfasst sei und daher Gegenstand einer Enteignung sein könne. 375 Das gleiche gilt für den Fall Azinian v. Mexico,376 der einen Abfallentsorgungskonzessionsvertrag betraf. Das Schiedsgericht ließ offen, ob die Kläger alle Investorenvoraussetzungen des Artikels 1139 NAFTA erfüllten.377 Der Umstand, dass ein Abfallbeseitigungskonzessionsvertrag eine Investition sein kann, wurde jedoch nicht in Frage gestellt. Geprüft wurde vielmehr, ob der Vertrag enteignet worden war: It is therefore necessary to examine whether the annulment of the Concession contract may be considered to be an act of expropriation violating NAFTA Article 1110.378

___________ 374 Antoine Goetz and Others v. Republic of Burundi, (Belgium-Luxembourg Economic Union/Burundi BIT), Award, 10 February 1999, 6 ICSID Reports 5. 375 Ibid., §§ 120–124. I.d.S. auch N. Rubins, The Notion of “Investment” in International Investment Arbitration, in: N. Horn (Hrsg.), Arbitrating Foreign Investment Disputes, 2004, S. 304; A. A. Escobar, Requirements Ratione Materiae, in: UNCTAD, Course on Dispute Settlement in International Trade, Investment and Intellectual Property 2003, S. 19. 376 Azinian, Davitian, & Baca v. Mexico, (NAFTA), Award, 1 November 1999, 5 ICSID Reports 272. 377 Ibid., § 77. 378 Ibid., §§ 91 ff.

148

1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

Der Fall Tecmed379 wurde durch die Verweigerung der Verlängerung einer Betriebsgenehmigung einer Mülldeponie ausgelöst. Das Schiedsgericht setzte sich in seiner Beweiswürdigung lange damit auseinander, ob die Lizenzen und Genehmigungen als Teil des erworbenen Unternehmens anzusehen waren.380 Das Schiedsgericht führte in diesem Zusammenhang unter anderem an, dass beide Vertragsparteien bei Vertragsabschluß davon ausgingen, dass vom Verkäufer zusätzlich zu einem Transfer von Mobilien und Immobilien an den Käufer auch rechtliche Voraussetzungen zu schaffen seien, die zum Betrieb der Mülldeponie erforderlich sind. Im Rahmen der für die Mülldeponie getätigten Globalzahlung sei vom Kläger auch für die Lizenz und die Bewilligungen bezahlt worden: A rational and logical interpretation of the documentation presented by the Parties shows that what Promotora, on the one hand, and Tecmed and Cytrar, on the other, had in mind when entering into the agreement (…), was not simply the transfer of certain personal and real property but also to create the means for Cytrar to be able to operate the Law Viboras site as a hazardous waste landfill…381 … It should therefore be concluded that the consideration in kind valued at $ 24,155,185.00 (Mexican Pesos) was paid as a lump sum in consideration of, on the one hand, Promotora’s undertakings relating to the maintenance of the licences, permits and authorizations and of their being made available to Cytrar for the operation, as a hazardous waste landfill, of the Las Viboras site and … on the other hand, in recognition of the higher value of the real property and tangible personal property acquired in anticipation of the expectation to use them under such authorizations, permits and licenses and, consequently, as part of the purchase price of such personal and real property, as such value was not just their inherent value but also the value resulting from the possibility of being functionally applied to the storage and management of hazardous waste within the Framework of a legally authorized landfill operation.382

Das Schiedsgericht stellte in der Folge eine Enteignung der Investition fest. Es betonte anlässlich der Feststellung des Wertes, der zu ersetzen war, neuerlich, dass die Investition aus materiellen und immateriellen Objekten sowie den Bewillligungen bestand und dieser Wert ersetzt werden müsse: It is also undisputed, at least after Cytrar obtained the permit from INE to operate the Las Viboras Landfill, that the related assets indirectly held by the Claimant constitute a hazardous waste landfill, i.e. an integrated unit comprising tangible and intangible

___________ 379 Técnicas Medioambientales Tecmed, S. A. v. United (Spain/Mexico BIT), Award, 29 May 2003, 10 ICSID Reports 134. 380 Ibid., §§ 75–92. 381 Ibid., § 88. 382 Ibid., § 91.

Mexican

States,

E. Schuldrechtliche Ansprüche

149

assets, including the Permit and other permits or licences to operate as a hazardous waste landfill.383

Somit ging das Schiedsgericht davon aus, dass auch die Lizenz vom Eigentumsschutz umfasst ist. In SGS v. Pakistan384 überprüfte das Schiedsgericht, ob ein Vertrag über Inspektionen vor der Verschiffung von Gütern („pre-shipment inspection“ – PSI) eine Investition im Sinne des BIT zwischen der Schweiz und Pakistan war. Es stellte fest, dass die Investitionsdefinition sowohl „claims to money“ und „any performance having economic value“ als auch „concessions under public law“ und „all other rights given by law, by contract …“ umfasste. Das Schiedsgericht erachtete die Definition als hinreichend breit, um den PSI-Vertrag zu erfassen. Dies unter anderem deshalb, weil Pakistan SGS eine öffentlich rechtliche Konzession eingeräumt hatte, mit der Kompetenzen übertragen wurden, die sonst vom pakistanischen Zoll ausgeübt worden wären: This non-exhaustive definition is, in our view, sufficiently broad to encompass the PSI Agreement because: firstly, the Agreement’s performance, by granting SGS the right to carry out pre-shipment inspection services, gave rise to “claims to money”; secondly, Pakistan effectively granted SGS a public law concession (“a concession under public law”), since SGS was conferred certain powers that ordinarily would have been exercised by the Pakistani Customs service (the identification and valuation of goods for duty purposes); 385 Accordingly, we hold that the expenditures made by SGS pursuant to the PSI agreement constituted an investment within the meaning of the BIT and that the PSI Agreement amounted to “a concession under public laws” falling well within the BIT’s definition of investment.386

Das Schiedsgericht in Generation Ukraine v. Ukraine387 qualifizierte in einem Fall, der ein Bauprojekt betraf, die Baugenehmigung als Teil der Investition: The Tribunal is prepared to accept these Construction Permits as part of the Claimant’s investment through Heneratsiya insofar as they evidence “licences and permits pursuant to law” for the purposes of Article I(1)(a)(v) of the BIT.388

Der Fall Telenor Mobile Communications A.S. v. Hungary389 betraf eine Mobilfunkkonzession,390 die der Kläger durch eine Reihe von staatlichen Hand___________ 383

Ibid., § 189. Fußnote ausgelassen. SGS Société Général de Surveillance S. A. v. Pakistan, Decision on Jurisdiction, 6 August 2003, 8 ICSID Reports 406. 385 Ibid., § 135; Hervorhebung im Original. 386 Ibid., § 140. 387 Generation Ukraine Inc. v. Ukraine, (United States/Ukraine BIT), Award, 16 September 2003, 10 ICSID Reports 240. 388 Ibid., 18.46. 384

150

1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

lungen als enteignet ansah. Das Schiedsgericht erkannte an, dass die Konzession Teil der Investition und somit ein vom Eigentumsschutz des BIT umfasstes Recht ist. … Telenor described Pannon as the vehicle for Telenor’s investment, which consisted of four elements: (1) The radiotelephone network (2) Pannon’s customers (3) The concession granted by the concession agreement … (4) Pannon’s income expectations. … … the tribunal accepts that these elements together constitute the investment made by Telenor through Pannon.391

Somit gibt es in der Judikatur von Investitionsschiedsgerichten eine Reihe von Beispielen für Fälle, in denen Investitionsschiedsgerichte Konzessionen und Bewilligungen und wirtschaftlich vergleichbare Verträge als vom Eigentumsschutz umfasst angesehen wurden. Auch das IUSCT sah in etlichen Fällen Konzessionen als vom Eigentumsschutz umfasst an. Der Fall Mobil Oil Inc., et al v. Iran392 ist einer jener Fälle, in denen ausländische Ölunternehmen nationalisiert wurden. Anlässlich der Erörterung über das anwendbare Recht führte der Gerichtshof aus, dass eine Konzession Gegenstand einer Nationalisierung sein kann: … the Tribunal concludes, and the Parties agree, that the lawfulness of an expropriation must be judged by reference to international law. This holds true even when the expropriation is of contractual rights. A concession, for instance, may be the object of a nationalization regardless of the law the parties chose as the law of the contract.393

Das IUSCT betrachtete daher die Konzessionen als geschütztes Eigentumsrecht.

___________ 389

Telenor Mobile Communications A.S. v. Hungary, (Norway/Hungary BIT), Decision on Jurisdiction, 13 September 2006, http://ita.law.uvic.ca/documents/Telenorv. HungaryAward_001.pdf. 390 Ibid., §§ 27–32. 391 Ibid., §§ 61, 62. 392 IUSCT, Mobil Oil Iran Inc., et al v. Islamic Republic of Iran, No. 31174/76/81/150-3, 14 July 1987, 16 IUSCTR, 3, S. 25. Siehe zum Fall auch: A. Mouri, The International Law of Expropriation as Reflected in the Work of the Iran-U.S. Claims Tribunal, 1994, S. 44 f. 393 Ibid., § 73.

E. Schuldrechtliche Ansprüche

151

Auch im Fall Phillips Petroleum394 war eine Ölkonzession der Streitgegenstand.395 Phillips brachte vor, dass der Iran ihn hinsichtlich seiner vertraglichen Rechte aus dem Konzessionsvertrag (Joint Structure Agreement) enteignet habe. Fraglich war, ob es sich beim staatlichen Eingriff um einen Vertragsbruch oder um eine Enteignung handelte. Der Schiedsspruch hielt fest, dass die Fakten mehr für eine Enteignung als für einen Vertragsbruch sprachen und dass auch vertragliche Rechte enteignet werden können: The Tribunal considers that the acts complained of appear more closely suited to assessment of liability for the taking of foreign-owned property under international law than to assessment of contractual aspects of the relationship, and so decides to consider the claim in this light.396 As the Tribunal has held in a number of cases, expropriation by or attributable to a State of the property of an alien gives rise under international law to liability for compensation, and this is so whether the expropriation is formal or de fact and whether the property is tangible, such as real estate or a factory, or intangible, such as the contract rights involved in the present Case.397

Somit ging das IUSCT auch in diesem Fall davon aus, dass Konzessionen in den Schutzbereich des Eigentumsschutzes fallen. In Too v. Greater Modesto Insurance Associates398 wurde der Entzug einer Alkoholausschanklizenz geltend gemacht. Das Tribunal hielt es für unproblematisch, dass eine derartige Lizenz in den Schutzbereich fällt, und hielt lediglich fest, dass der Entzug auch vom belangten Staat nicht bestritten worden sei.399 Festzuhalten ist somit, dass auch in der Judikatur des IUSCT Konzessionen wiederholt als Eigentumsrechte betrachtet wurden. Konzessionen und wirtschaftlich vergleichbare Verträge wurden daher von Investitionsschiedsgerichten durchwegs als vom Eigentumsschutz umfasste Rechte angesehen.

___________ 394 IUSCT, Phillips Petroleum Company Iran v. Islamic Republic or Iran, The National Iranian Oil Company, Award Nr. 425-39-2, 29 June 1989, 21 IUSCTR 79. 395 Ibid., S. 82 ff. 396 Ibid., § 75. 397 Ibid., § 76. 398 IUSCT, Emanuel Too v. Greater Modesto Insurance Associates, Award No. 460880-2, 29 December 1989, 23 IUSCTR 378. 399 Ibid., S. 387.

152

1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

IV. Goodwill Goodwill ist ein Begriff aus der Unternehmensbewertung. Unter dem Goodwill eines Unternehmens versteht man den Betrag, den ein Käufer bei Übernahme einer Unternehmung als Ganzes unter Berücksichtigung künftiger Ertragserwartungen über den Wert der einzelnen Vermögensgegenstände nach Abzug der Schulden hinaus zu zahlen bereit ist. Goodwill bildende Faktoren sind z.B.: gutes Management, effiziente Herstellungsverfahren bzw. Betriebsorganisation, Facharbeiterstamm, verkehrsgünstige Lage, Stammkundschaft.400

Sowohl im Menschenrechtsschutz als auch im Investitionsschutz stellte sich die Frage, ob Goodwill vom Eigentumsschutz umfasst ist.

1. Menschenrechtsschutz Der EGMR hat in einer Reihe von Urteilen erkannt, dass Goodwill als Vermögenswert anzusehen und daher Art. 1 des 1. ZP anwendbar sei.401 In van Marle ua gg Niederlande402 wurde den Beschwerdeführern das Recht entzogen, die Bezeichnung Wirtschaftsprüfer zu führen, nachdem sie eine nachträglich eingeführte Prüfung nicht bestanden hatten. Die Klientel des Wirtschaftsprüfers qualifizierte der Gerichtshof als ein von der Konvention geschütztes Eigentumsrecht: The Court agrees with the Commission that the right relied upon by the applicants may be likened to the right of property embodied in Article 1 (P1-1): by dint of their own work, the applicants had built up a clientèle; this had in many respects the nature of a private right and constituted an asset and, hence, a possession within the meaning of the first sentence of Article 1 (P1-1). This provision was accordingly applicable in the present case.403

Ebenfalls als vom Schutzbereich umfasst angesehen wurden: 1. Der Kundenstamm eines Freiluftkinos:404 … before the applicant was evicted, he had operated the cinema for eleven years under a formally valid lease without any interference by the authorities, as a result of which he had built up a clientele that constituted an asset (…).405

___________ 400

Gablers Wirtschaftslexikon8, 2000, S. 1109. Kritisch dazu, M. Hartwig, Der Eigentumsschutz nach Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK, 63 RabelsZ (1999), S. 565 f. 402 EGMR, van Marle u.a. gg Niederlande, Urteil vom 26. Juni 1986, Serie A, Nr. 101. 403 Ibid., § 41. 404 EGMR, Iatridis gg Griechenland, Nr. 31107/96, Urteil vom 25. März 1999, ECHR 1999-II. 401

E. Schuldrechtliche Ansprüche

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2. Die Klientel eines Betriebes der Erbensuche und Nachlassabwicklung als Dienstleistungen anbot:406 The Court considers that the right relied upon by the applicant company may be likened to the right of property embodied in Article 1 of Protocol No. 1: through its activity carried on for almost 150 years in the spheres of tracing heirs and winding up estates, the applicant company had built up a client base; this had in many respects the nature of a private right and constituted an asset and, hence, a possession within the meaning of the first sentence of Article 1 (…).407

3. Die Klientel eines Steuerberaters:408 The Court considers that the right relied on by the applicant can be likened to the right to property in Article 1 of Protocol No. 1: by setting up his firm of tax consultants and running it successfully, the applicant had built up a clientele; this had in many respects the nature of a private right and constituted an asset and, hence, a possession within the meaning of the first sentence of Article 1 (…).

4. Der Mandantenstamm eines Rechtsanwalts: In the second place, the chambers and clientèle of an avocat constitute property interests and as such come within the ambit of the right of property, which is a civil right within the meaning of Article 6 § 1 (art. 6-1) (…).409 The applicability of Article 1 of Protocol No. 1 however extends to law practices and their goodwill, as these are entities of a certain worth that have in many respects the nature of private rights, and thus constitute assets, being possessions within the meaning of the first sentence of this provision … .410

Dass Goodwill nicht unter allen Umständen in den Schutzbereich der Konvention fällt, zeigt der Fall H.J. Batelaan & J. Huiges gg Niederlande.411 Er betraf den Entzug einer Lizenz eines praktischen Arztes, Medikamente zu vertreiben. Die Kommission verneinte, dass der Goodwill, der aus der Möglichkeit stammt, diese Dienstleistung aufgrund einer Lizenz zu erbringen, in den Schutzbereich von Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK fällt: ___________ 405

Ibid., § 54. EGMR, Hoerner Bank GmbH gg Deutschland, Entscheidung vom 25. März 1999, ECHR 1999-V. 407 Ibid. 408 EGMR, Olbertz gg Deutschland, Nr. 37592/97, Entscheidung vom 25. Mai 1999, ECHR 1999-V. 409 EGMR, H gg Belgien, 28. Oktober 1987, Urteil vom 30. November 1987, Serie A, Nr. 127-B, § 47 (b); Döring gg Deutschland, (dec.), Nr. 37595/97, Entscheidung vom 9. November 1999, ECHR 1999-VIII. 410 EGMR, Buzescu gg Rumänien, Nr. 61302/00, Urteil vom 24. Mai 2005, § 81. Ebenso: Wendenburg u.a. gg Deutschland, Nr. 71630/01, Entscheidung vom 6. Februar 2003, ECHR 2003-II. 411 EKMR, H.J. Batelaan & J. Huiges gg Niederlande, Nr. 10438/83, Entscheidung vom 3. Oktober 1984, DR 41, 170, 173. 406

154

1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

… although the goodwill attached to a professional practice may, in certain circumstances, constitute an element of the valuation of that practice as a possession, the Commission considers that any goodwill derived from the possibility to perform services on the basis of a licence which is not automatically connected with the operation of the medical practice, and is subject to revocation on grounds outside the applicants’ exercise of their medical profession, cannot be regarded as goodwill attached to a professional practice and, …, does not constitute a possession within the meaning of Article 1 of Protocol No. 1.

Überdies nehmen der Gerichtshof und die Kommission eine strenge Unterscheidung zwischen Goodwill und zukünftigem Einkommen (future income) vor. Während Goodwill grundsätzlich geschützt ist, ist zukünftiges Einkommen nur dann geschützt, wenn es bereits verdient wurde oder ein diesbezüglicher durchsetzbarer Anspruch besteht.412 Dies ist im Einklang mit der Judikatur, wonach kein Anspruch auf Eigentumserwerb als solcher bestehe.413 So lehnte der Gerichtshof das Vorliegen eines Eigentumsrechts im Falle eines Konzipienten ab, der pro bono vertreten musste, weil nie ein Anspruch auf ein Honorar entstanden war: His arguments do not bear examination in so far as they relate to the absence of remuneration. The text set out above is limited to enshrining the right of everyone to the peaceful enjoyment of “his” possessions; it thus applies only to existing possessions (see, mutatis mutandis, the above-mentioned Marckx judgment, Series A no. 31, p. 23, § 50). In the instant case, however, the Legal Advice and Defence Office of the Antwerp Bar decided on 18 December 1979 that no assessment of fees could be made, because of Mr. Ebrima’s lack of means (see paragraph 12 above). It follows, as the Commission unanimously inferred, that no debt in favour of the applicant ever arose in this respect. Consequently, under this head, there is no scope for the application of Article 1 of Protocol No. 1 (P1-1), ... 414

___________ 412 Siehe z.B.: EKMR, X gg BRD, Nr. 8410/78, Entscheidung vom 13. Dezember 1979, DR 18, 216; Pudas gg Schweden, Nr. 10426/83, Entscheidung vom 5. Dezember 1984, DR 40, 234; Batelaan and Huiges gg die Niederlande, Nr. 10438/83, Entscheidung vom 3. Oktober 1984, DR 41, 170; Greek Federation of Customs Officers, Nicolaos GIALOURIS, Georgios CHRISTOPOULOS and 3333 other Customs Officers gg Griechenland, Nr. 24581/94, Entscheidung vom 6. April 1995, DR 81-B, 123; Pinnacle Meat Processors Company and 8 others gg UK, Nr. 33298/96, Entscheidung vom 21. Oktober 1998; Ian Edgar gg UK, Nr. 37683/97, Entscheidung vom 25. Jänner 2000; EGMR, Ambruosi gg Italien, Nr. 31227/96, Urteil vom 19. Oktober 2000, § 20; Wendenburg u.a. gg Deutschland, Nr. 71630/01, Entscheidung vom 6. Februar 2003, ECHR 2003-II; Buzescu gg Rumänien, Nr. 61302/00, Urteil vom 24. Mai 2005, § 81. 413 Siehe z.B.: EGMR, Marckx gg Belgien, Urteil vom 13. Juni 1979, Serie A, Nr. 31, § 50; ZwierzyĔski gg Polen, Nr. 34049/96, Urteil vom 19. Juni 2001 ECHR 2001-VI, § 61; Slivenko and Others gg Lettland [GC], Nr. 48321/99, Entscheidung vom 23. Jänner 2002, ECHR 2002-II, § 121: „The Court recalls that the Convention does not guarantee, as such, a right to acquire property.“; Öneryildiz gg Türkei, Nr. 48939/99, Urteil vom 18. Juni 2002, §§ 139, 140. 414 EGMR, Van der Mussele gg Belgien, Urteil vom 23. November 1983, Serie A, Nr. 70, § 48.

E. Schuldrechtliche Ansprüche

155

Dennoch ist die Unterscheidung zwischen Goodwill und future income, wie sie derzeit vorgenommen wird, nicht unproblematisch, wie beispielsweise am Fall Pinnacle Meat Processors Company and 8 others gg Vereinigtes Königreich415 deutlich wird. Die Beschwerdeführer hatten einen Rinderkopfverarbeitungsbetrieb. Im Zuge der BSE-Krise wurde unter anderem die Verwertung von Rinderköpfen verboten. Die Kommission stellte fest: The applicants’ businesses in March 1996 comprised their stock at that time, the assets of the businesses, and the goodwill, or the “present value of the future income stream which the company can be expected to derive”.

Damit setzt sie jedoch selbst „Goodwill“ mit „future income“ gleich. Dennoch kam sie in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung zum Ergebnis, dass zwar Goodwill, jedoch zukünftiges Einkommen nur unter sehr engen Voraussetzungen vom Schutzbereich umfasst sei. Zukünftiges Einkommen sei nur geschützt, wenn es bereits verdient worden sei oder ein durchsetzbarer Anspruch darauf bestehe: The Commission recalls that it has in the past held that goodwill may be an element in the valuation of a professional practice (No. 10438/83, Batelaan and Huiges v. the Netherlands, Dec. 3.10.84, D.R. 41, p. 170). On the other hand, future income itself is only a “possession” once it has been earned, or an enforceable claim to it exists (No. 10426/83, Pudas v. Sweden, Dec. 2.12.84, D.R. 40, p. 234). In the case of Pressos Compania Naviera S.A. and others v. Belgium, the European Court of Human Rights accepted that, in the circumstances of that case, a claim in tort was a possession within the meaning of Article 1 of Protocol No. 1, even before it had been determined by the courts (Pressos Compania Naviera S.A. and others v. Belgium judgment of 20 November 1995, Series A no. 332, p. 21, para. 31).416

Im Ergebnis nahm sie aber dann sehr wohl eine Bewertung zukünftiger Erlöschancen vor. The applicants’ valuations of their businesses include substantial elements represented by future income, on the basis inter alia that the applicants were to sell their businesses to a willing buyer and that the state of the market, level of values and other circumstances were the same as on the date of valuation. … The Commission thus considers that whilst the applicants’ businesses were affected by the 1996 Orders, it cannot accept the applicants’ contentions as to the extent of their losses as the market for those businesses must have been seriously depressed by the state of the beef market in general and the offal market in particular.

Eine abschließende Bewertung, was sie als Goodwill und was sie als „future income“ ansah, traf die Kommission nicht, sondern prüfte, ob der vorliegende ___________ 415 EKMR, Pinnacle Meat Processors Company and 8 others gg Vereinigtes Königreich, Nr. 33298/96, Entscheidung vom 21. Oktober 1998, nur im Internet veröffentlicht. 416 Hervorhebung durch die Autorin.

156

1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

Eingriff gerechtfertigt war. Im Zuge der Verhältnismäßigkeitsprüfung kam sie dann nochmals auf das Thema zurück und stellt fest: Further, the Commission notes that, although the goodwill elements of the applicants’ businesses were real in the sense that they could be valued and, if the applicants had attempted to sell their business in early March 1996 they may well have found a purchaser for them – … – they were nevertheless possessions whose value was likely to fluctuate with the state of the market. Any purchase of the goodwill of the business would depend on a number of factors – inter alia the relationship between the vendor and the purchaser, the valuation put on the other assets, the state of scientific knowledge about BSE and so on.

Im Ergebnis verneinte die Kommission zwar die Anwendbarkeit des Eigentumsschutzes auf „future income“, konnte selbst aber auch keine scharfe Trennung zwischen diesem und Goodwill vornehmen und bewertet schließlich im Rahmen der Verhältnismäßigkeit die zukünftigen Erlöschancen. Ähnlich ist die Vorgangsweise des Gerichtshofs im Fall Andrews gg Vereinigtes Königreich,417 in dem per Gesetz der Besitz und Verkauf bestimmter Feuerwaffen verboten wurde. Der Gerichtshof stellte fest, dass nur der Goodwill, nicht jedoch zukünftiges Einkommen vom Schutzbereich umfasst seien, und bemängelte, dass der Beschwerdeführer hinsichtlich der unterschiedlichen Verluste keine Aufspaltung in seinen Unterlagen vorgenommen habe. The Court considers that the applicant is complaining in substance of a loss of future income in addition to the loss of goodwill and a diminution in value of his business assets. It concludes that the element of the complaint based upon the diminution in value of the business assessed by reference to future income, and which amounts in effect to a claim for loss of future income, falls outside the scope of Article 1 of Protocol No. 1. … Moreover, the information which has been provided does not distinguish between goodwill, which could in principle fall within the scope of Article 1 of Protocol No. 1, and future income and profit, which could not.

Wie die angeführten Fälle zeigen, bejahten Gerichtshof und Kommission den Eigentumsschutz für Goodwill, lehnten ihn im Hinblick auf „future income“ jedoch ab, ohne selbst eine klare Abgrenzung zwischen den beiden Begriffen vornehmen zu können. Bei einer wirtschaftsorientierten Betrachtung erscheint dies wenig sinnvoll, denn bereits aus der oben angeführten Definition von Goodwill ergibt sich, dass darin zukünftige Ertragserwartungen berücksichtigt werden. Wie die Fälle gezeigt haben, lässt sich eine klare Unterscheidung zwischen den beiden Faktoren daher nicht zufrieden stellend bewerkstelligen. Zudem ist der Wert eines Unternehmens in der modernen Wirtschaft weniger durch sein Sachvermögen als durch die Einkommensströme, die es im Laufe seiner Existenz produzieren kann, bestimmt: ___________ 417

EGMR, Andrews gg Vereinigtes Königreich, Nr. 37657/97, Entscheidung vom 26. September 2000.

E. Schuldrechtliche Ansprüche

157

In modern economic terms, the value of an enterprise is not the enterprise itself; it is the stream of profits it can be expected to produce over its lifetime.418

Die vom Gerichtshof vorgenommene Unterscheidung erscheint daher nicht sinnvoll. Auch die Beweisproblematik, die gewiss besteht, ist im Hinblick auf Goodwill und „future income“ gleich gelagert und ist daher nicht geeignet, eine Unterscheidung zwischen den beiden Kategorien zu rechtfertigen.

2. Investitionsschutz Auch Schiedsgerichte hatten sich wiederholt damit auseinanderzusetzen, ob entzogener Goodwill zu ersetzen ist. Wie aus den Ausführungen des Ständigen Internationalen Gerichtshofs hinsichtlich eines Gutachtens zur Schadensberechnung im Fall Chorzów deutlich wird, sah er im Fall einer Enteignung auch den Goodwill als zu ersetzen an.419 Daraus ergibt sich die Frage, ob der Gerichtshof den Goodwill als eigenständiges Eigentumsrecht oder nur als Element der Schadensberechnung ansah. Da eine Entschädigungspflicht nur bei Eingriffen in eine Eigentumsposition entsteht, kann aus dem Urteil geschlossen werden, dass der Gerichtshof Goodwill als Eigentumsrecht qualifiziert, obwohl er eine solche Qualifikation nicht selbst vornimmt.420

___________ 418 W. M. Reisman/R. D. Sloane, Indirect Expropriation and its Valuation in the BIT Generation, 74, BYIL 2003, 115, S. 137. 419 PCIJ, Case Concerning the Factory at Chorzów (Indemnity), Order,13 September 1928, PCIJ, Serie A No. 17, S. 100: 1. That an expert inquiry shall be held with a view to enabling the Court to fix, …, in conformity with the principles laid down in Judgment No. 13, the amount of the indemnity to be paid by the Polish Government to the German Government under the terms of the aforesaid Judgment No. 13. 2. The expert inquiry shall relate to the following points: I. A. What was the value, on July 3rd, 1922, expressed in Reichmarks current at the present time, of the undertaking for the manufacture of nitrate products of which the factory was situated in Chorzów in Polish Upper Silesia, in the state in which that undertaking (including the lands, buildings, equipment, stocks and processes at its disposal, supply and delivery contracts, goodwill and future prospects) was, on the date indicated, in the hands of the Bayrische and Oberschlesische Stickstoffwerke? 420 I.d.S. auch R. Dolzer, Eigentum, Enteignung und Entschädigung im geltenden Völkerrecht 1985, S. 175.

158

1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

Im Fall Oscar Chinn421 kam es aufgrund belgischer Anordnung zu einer Tarifsenkung der Transportkosten bei Schiffstransporten auf dem Kongo bei einem unter staatlicher belgischer Kontrolle stehenden Konkurrenten von Chinn. Chinn transportierte nur fremde Güter. Bei Bekanntwerden der Tarifsenkung stellte er den Schiffsverkehr ein, weil er davon ausging, dass seine Kunden zum unter staatlicher belgischer Aufsicht stehenden Unternehmen Unatra wechseln würden. Der Gerichtshof ging davon aus, dass Chinn den Betrieb aufgrund der allgemein vorherrschenden schlechten Wirtschaftslage hatte einstellen müssen. The Court … is unable to see in his [Chinn’s] original position – which was characterized by the possession of customers and the possibility of making a profit – anything in the nature of a genuine vested right. Favourable business conditions and goodwill are transient circumstances, subject to inevitable changes; the interest of transport undertakings may well have suffered as a result of the general trade depression and the measures taken to combat it. No enterprise – … – can escape from the chances and hazards resulting from general economic conditions. … but they are also exposed to the danger of ruin or extinction if circumstances change. Where this is the case, no vested rights are violated by the State.422

Mit dieser Aussage lehnte der Gerichtshof das Vorliegen eines Belgien zurechenbaren verbotenen Eingriffs ab. Unklar bleibt, ob der Gerichtshof mit der Aussage, dass er kein wohlerworbenes Recht erkenne, davon ausging, dass Goodwill grundsätzlich kein geschütztes Recht sei oder nicht. Klarer ist die Lage bei bilateralen Investitionsschutzverträgen. In diesen ist Goodwill zumeist bereits in der Aufzählung der geschützten Rechte in der Investitionsdefinition ausdrücklich als geschütztes Recht genannt. So beispielsweise im BIT zwischen Österreich und Paraguay.423 Dessen Investitionsdefinition lautet unter anderem wie folgt: ___________ 421 PCIJ, The Oscar Chinn Case, Judgment of December 12th, 1934, Serie A/B No. 63. Siehe im Hinblick auf goodwill in diesem Urteil auch R. Dolzer, Eigentum, Enteignung und Entschädigung im geltenden Völkerrecht 1985, S. 175 ff. 422 PCIJ, The Oscar Chinn Case, Judgment of December 12th, 1934, Serie A/B No. 63, S. 88. 423 Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Paraguay über die Förderung und den Schutz von Investitionen, BGBl. III Nr. 226/1999. Siehe ferner z.B.: Agreement between the United Mexican Staten and the Republic of Austria on the Promotion and Protection of Investments, Article 1, (2) f., http://www.unctad.org/sec tions/dite/iia/docs/bits/austria_mexico.pdf; Agreement between the Government of the Kingdom of Sweden and the Government of the Republic of Albania on the Promotion and Reciprocal Protection of Investments, Article 1 (1) d, http://www.unctad.org/sec tions/dite/iia/docs/bits/sweden_albania.pdf; Agreement between the Government of the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland and the Government of the Arab Republic of Egypt, Article 1 (a) (iv), Treaty Series No. 97 (1976); Agreement on en-

E. Schuldrechtliche Ansprüche

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Artikel 1 Definitionen Für den Zweck dieses Abkommens (1) umfaßt der Begriff „Investitionen“ alle Vermögenswerte, und insbesondere, aber nicht ausschließlich: … d) Urheberrechte, gewerbliche Schutzrechte wie Erfinderpatente, Handelsmarken, gewerbliche Muster und Modelle sowie technische Verfahren, Know-how, Handelsnamen und Goodwill;

In der Judikatur der Investitionsschiedsgerichte war das Problem, ob Goodwill ein geschütztes Gut ist, weniger bei der Frage, ob eine Investition vorliegt, als bei der Entschädigungsberechnung von Bedeutung.424 Dies rührt unter anderem daher, dass das Schutzobjekt nicht Eigentumsrechte per se, sondern Investitionen sind, die sich aus einer Summe von Objekten, an denen jeweils Eigentumsrechte bestehen, zusammensetzen können. Zudem gab es bisher keinen Fall, in dem eine Enteignung von Goodwill isoliert vom Unternehmen geltend gemacht wurde. Wenn es sich bei einem Unternehmen um ein gewinnbringendes Unternehmen („going concern“) handelte, wurde der Goodwill von den Schiedsgerichten vielmehr bei der Entschädigung berücksichtigt. So führte etwa das Schiedsgericht in Tecmed425 aus, dass dem Unternehmen im Zuge der Enteignung die zukünftigen Gewinne, die Wertsteigerung und der Goodwill entzogen worden seien: It cannot be denied that the investment in the Landfill was productive and added value to the former landfill’s operation as well as goodwill, nor can it be denied that

___________ couragement and reciprocal protection of investments between the Kingdom of the Netherlands and the Czech and Slovak Federal Republic, Article 1 (a) iv, http://www.un ctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/czech_netherlands.pdf; Agreement between the Government of the People’s Republic of China and the Belgian-Luxembourg Economic Union on the Reciprocal Promotion and Protection of Investments, Article 1, 2. (4), http: //www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/china_belg_lux.pdf; Agreement between the Government of the People’s Republic of China and the Government of the Republic of Djibouti on the Promotion and Protection of Investments, Article 1, (1) d, http://www. unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/china_djibouti.pdf; Treaty between the Federal Republic of Germany and the Republic of Mali concerning the Promotion and Reciprocal Protection of Capital Investment, Article 1 (1) d, 1246 UNTS 1981, 188. 424 Siehe zu dieser wichtigen Frage z.B.: W. C. Lieblich, Determinations by International Tribunals of the Economic Value of Expropriated Enterprises, 7 Journal of International Arbitration 1990, 37–76; W. C. Lieblich, Determining the Economic Value of Expropriated Income-Producing Property in International Arbitration, 8 Journal of International Arbitration 1991, 59–80; W. R. Reisman/R. D. Sloane, Indirect Expropriation and its Valuation in the BIT Generation, 74 BYIL 2003, 115–150; I. Marboe, Compensation and Damages in International Law, The Limits of „Fair Market Value“, 7 The Journal of World Investment 2006, 725–759. 425 Técnicas Medioambientales Tecmed, S. A. v. United Mexican States, (Spain/Mexico BIT), Award, 29 May 2003, 10 ICSID Reports 134.

160

1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

the Claimant was deprived of its investment’s profit, and value added and goodwill, or that the Claimant’s losses also include lost profits.426

Auch das IUSCT berücksichtigte bei der Entschädigungsberechnung Elemente wie Goodwill und anzunehmenden zukünftigen Gewinn (likely future profitability), wenn Unternehmen als „going concern“ qualifiziert wurden.427 So führte es zum Beispiel in American International Group428 an, dass unter anderem Elemente wie Goodwill und anzunehmender zukünftiger Gewinn (likely future profitability) bei der Entschädigungsberechnung zu berücksichtigen seien: The Tribunal holds that the appropriate method is to value the company as a going concern, taking into account not only the net book value of its assets but also such elements as good will and likely profitability, had the company been allowed to continue its business under its former management.429

Auch in Sola Tiles v. Iran430 wird deutlich, dass das Tribunal prinzipiell davon ausging, dass auch Goodwill entzogen werden könne, berücksichtigte ihn jedoch in seiner Schadensberechnung im konkreten Fall aufgrund der für das Unternehmen tristen zukünftigen Marktlage nicht.431 Eine klare Aussage, ob es Goodwill und anzunehmenden zukünftigen Gewinn als eigenständige Eigentumswerte ansieht oder lediglich bei der Entschädigungsberechnung miteinbezieht, bleibt offen. Gründe der Logik sprechen meiner Meinung nach dafür, wie schon oben bei Factory of Chorzów, von der Entschädigung auf das Vorliegen eines Eigentumsrechts zu schließen, weil nur dessen Beeinträchtigung eine Entschädigungspflicht auslöst.432 Somit ist der Goodwill auf vertragsrechtlicher Ebene vom Eigentumsschutz der BITs/MITs umfasst. In der Praxis der Schiedsgerichte hat er bisher aber ausschließlich bei der Berechnung der Enteignungsentschädigung eine Rolle gespielt. Hierbei ist darauf zu achten, dass nicht Goodwill und künftiger Gewinn erstattet werden, weil im Goodwill bereits künftige Ertragserwartungen ___________ 426

Ibid., § 194. Zur going concern Bewertung durch das Tribunal siehe z.B.: M. Pellonpää/M. Fitzmaurice, Taking of Property in the Practice of the Iran-United States Claims Tribunal, 19 NYIL, 1988, S. 134 ff.; A. Mouri, The International Law of Expropriation as Reflected in the Work of the Iran-U.S. Claims Tribunal, 1994, S. 420 ff. 428 IUSCT, American International Group v. The Islamic Republic of Iran, Award Nr. 93-2-3, 19 December 1983, 4 IUSCTR 96. 429 IUSCT, American International Group v. The Islamic Republic of Iran, Award Nr. 93-2-3, 19 December 1983, 4 IUSCTR 96, S. 109. 430 IUSCT, Sola Tiles Inc. v. Islamic Republic of Iran, Nr. 298-317-1, 22 April 1987, 14 IUSCTR 223. 431 Ibid., S. 241 f. 432 A. A.: A. Mouri, The International Law of Expropriation as Reflected in the Work of the Iran-U.S. Claims Tribunal, 1994, S. 58 f. 427

E. Schuldrechtliche Ansprüche

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berücksichtigt werden. Aufgrund der vertragsrechtlichen Situation sind jedoch Fälle nicht ausgeschlossen, wo bereits auf Schutzbereichsebene der Goodwill zu berücksichtigen wäre. Dies wäre insbesondere bei Sachverhalten denkbar, in denen Goodwill nicht bloß in Form eines akzessorischen Rechts, sondern eigenständig vorhanden ist. Zum Beispiel, wenn einer Person ein akademischer Titel aberkannt wird, der für die Fortführung eines Unternehmens erforderlich ist, und ein Großteil des Unternehmenswertes der Goodwill ist.

3. Zwischenergebnis Es zeigt sich bei den eben untersuchten Fällen besonders gut, wie sich der Eigentumsbegriff von einem restriktiven auf materielles Eigentum beschränkten Konzept weiter in Richtung des Schutzes eines „Wirtschaftsguts“ entwickelt hat. Dies wird insbesondere bei der EMRK deutlich, bei der der Schutz wirtschaftlicher Interessen und Investitionen, anders als etwa bei der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit, nicht im Vordergrund steht. Anzumerken ist auch, dass der EGMR sich mit der Eigentumsgarantie in einem Spannungsfeld zwischen einem begrenzten Katalog von Grundrechten und einem Streben nach möglichst umfassendem Schutz von Rechtspositionen befindet.433 Im nationalen Verfassungsrecht wäre der Schutz der wirtschaftlichen Betätigungsmöglichkeit etwa unter dem Recht auf Berufsfreiheit zu prüfen.434 Gleiches gilt für das europäische Gemeinschaftsrecht, wo der EuGH sich ausdrücklich auf die Berufsfreiheit im Hinblick auf Individuen435 und auf die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit im Zusammenhang mit juristischen Personen436 bezieht.437 Auch die europäische Grundrechtecharta enthält in Artikel 16 eine Garantie der unternehmerischen Freiheit (freedom to conduct a business). Der EGMR reagierte auf dieses Spannungsverhältnis, indem er den Schutzbereich des Rechts auf friedlichen Genuss des Eigentums weit interpretierte. Unterschiede in der Vorgangsweise von EGMR und Schiedsgerichten lassen sich vor allem im Hinblick auf zwei Punkte feststellen: Beim EGMR, wo die Rechtsgrundlage keine Eigentumsdefinition enthält, wurde die Frage, ob Goodwill vom Eigentumsschutz umfasst ist, bereits auf der ___________ 433 I.d.S. auch M. Hartwig, Der Eigentumsschutz nach Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK, 63 RabelsZ (1999), S. 566. 434 Für Österreich wäre dies etwa die Art 6 StGG. 435 So schon im Urteil Nold, Rs. 4/73, Slg. 1974, S. 491, 507 f., Rz. 14. 436 Siehe z.B.: Urteil Atlanta AG, Rs. C-104/97 P, vom 14. Oktober 1999, Rz.12. 437 Siehe dazu z.B.: C. von Milczewski, Der Grundrechtliche Schutz des Eigentums im Europäischen Gemeinschaftsrecht, 1994, S. 102 ff.

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1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

Ebene des Schutzbereichs diskutiert. Im Investitionsschutz enthalten, im Gegensatz dazu, die BITs in ihrer Investitionsdefinition regelmäßig ausdrücklich Goodwill. Ob Goodwill vom Schutzbereich umfasst und daher zu entschädigen sei, wurde in der Praxis sowohl von Investitionsschiedsgerichten als auch vom IUSCT in der Regel nicht schon bei der Frage, wie weit der Schutzbereich reicht, diskutiert, sondern erst, wenn die zu leistende Entschädigung erörtert wurde. Zweitens traf der EGMR in seiner Rechtsprechung bisher eine strikte Unterscheidung zwischen Goodwill und „future income“ und lehnte es ab „future income“ als geschütztes Recht anzusehen. Er stellte jedoch selbst nicht klar, wie eine Abgrenzung zu Goodwill vorzunehmen sei. Wie zuvor erörtert, erscheint diese Unterscheidung, insbesondere, wenn man eine wirtschaftliche Perspektive zugrunde legt, nicht sinnvoll. Eine derartige unterschiedliche Behandlung von Goodwill und „future income“ gibt es in der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit nicht. Die Erörterung der Frage, unter welchen Voraussetzungen Schiedsgerichte bzw. das IUSCT Goodwill, future prospects oder lost profit bei der Berechnung von Schadenersatz oder Entschädigung berücksichtigt haben, erscheint in dieser Arbeit nicht sinnvoll, weil dies zum Teil von der (Un-)Rechtmäßigkeit der Enteignung abhängt und auch mit der herangezogenen Schadensberechnungsmethode zusammenhängt. Die Behandlung letzteren Punkts erfordert eine eigene Untersuchung; sie wird daher im Rahmen dieser Arbeit nicht vorgenommen.438

___________ 438 Siehe beispielsweise die Diskussion in IUSCT, Amoco International Finance Corporation v. The Government of the Islamic Republic of Iran, et al., Partial Award No. 310-56-3, 14 July 1987, 15 IUSCTR 189, S. 246, §§ 192 ff. und die Concurring Opinion von Richter Brower Amoco, Partial Award, 15 IUSCTR 189, S. 289 ff. Ausführlich zu dem Problem, I. Marboe, Compensation and Damages in International Law, The Limits of „Fair Market Value“, 7 The Journal of World Investment 2006, 725–759. Siehe auch z.B.: W. C. Lieblich, Determinations by International Tribunals of the Economic Value of Expropriated Enterprises, 7 Journal of International Arbitration 1990, 37–76; W. C. Lieblich, Determining the Economic Value of Expropriated IncomeProducing Property in International Arbitration, 8 Journal of International Arbitration 1991, 59–80.

E. Schuldrechtliche Ansprüche

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V. Finanzierungsinstrumente 1. Menschenrechtsschutz Der EGMR stellte in Bäck gg Finnland439 fest, dass die Forderung eines Bürgen gegen den Schuldner einer Bank eine „possession“ im Sinne von Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK sei. Der Beschwerdeführer bürgte für einen Bankkredit. Weil die Raten vom Schuldner nicht bezahlt worden waren, hielt sich die Bank an den Bürgen (den Beschwerdeführer). Der Staat griff in das Recht des Bürgen ein, seine Forderung gegen den Schuldner geltend zu machen. Der EGMR stellte im Hinblick auf das Forderungsrecht des Bürgen fest: It is common ground that the applicant’s claim constituted a “possession” within the meaning of Article 1 of Protocol No. 1. … The Court notes that under Finnish law the applicant’s claim against N. was based on the right of recourse he had against N. by virtue of having reimbursed part of his debts. The Court is satisfied that the applicant’s claim therefore constituted a “possession” within the meaning of Article 1 of Protocol No. 1 (…).440

Es ist somit davon auszugehen, dass auch Finanzierungsinstrumente vom Eigentumsschutz des Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK umfasst sind, sofern sie den Voraussetzungen genügen, die Forderungen im Allgemeinen erfüllen müssen, damit sie in den Schutzbereich fallen.

2. Investitionsschutz Bilaterale Investitionsschutzverträge enthalten häufig in ihrer Investitionsdefinition „title to money, to other assets or to any performance having an economic value“441 oder ähnliche Formulierungen.442/443 Diese Bestimmungen ___________ 439

EGMR, Bäck gg Finnland, Urteil vom 20. Juli 2004, ECHR 2004-VIII. Ibid., § 57. 441 Agreement on encouragement and reciprocal protection of investments between the Kingdom of the Netherlands and the Republic of Venezuela, Article 1 (a) iii, http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/netherlands_venezuela.pdf. 442 Agreement between the Government of the People’s Republic of China and the Belgian-Luxembourg Economic Union on the Reciprocal Promotion and Protection of Investments, Article 1, 2. (3), http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/china_ belg_lux.pdf; Agreement on encouragement and reciprocal protection of investments between the Kingdom of the Netherlands and the Czech and Slovak Federal Republic, Article 1 (a) iii, http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/czech_netherlands.pdf; Agreement between the Government of the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland and the Government of the Arab Republic of Egypt, Article 1 (a) (iii), Treaty Series No. 97 (1976); Agreement between the Government of the Kingdom of Sweden and the Government of the Republic of Albania on the Promotion and Reciprocal Protection of Investments, Article 1 (1) (c), http://www.unctad.org/sections/ 440

164

1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

schließen auch Finanzierungsinstrumente in den Schutzbereich von BITs ein. Allerdings enthalten einige Investitionsschutzverträge einschränkende Bestimmungen.444 ___________ dite/iia/docs/bits/sweden_albania.pdf; Agreement between the United Mexican Staten and the Republic of Austria on the Promotion and Protection of Investments, Article 1, (2) e, http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/ bits/austria_mexico.pdf; Agreement between the Government of the People’s Republic of China and the Government of the Republic of Djibouti on the Promotion and Protection of Investments, Article 1, (1) c, http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/china_djibouti.pdf; Treaty between the Federal Republic of Germany and the Republic of Mali concerning the Promotion and Reciprocal Protection of Capital Investment, Article 1 (1) c, 1246 UNTS 1981, 188. 443 Siehe allgemein zu dem Thema: T. Wälde, The Serbian Loans Case: A Precendent for Investment Treaty Protection of Foreign Debt?, in: T. Weiler (Hrsg.), International Investment Law and Arbitration – Leading Cases from the ICSID, NAFTA, Bilateral Treaties and Customary International Law, 2005, 383–423; N. Rubins, The Notion of „Investment“ in International Investment Arbitration, in: N. Horn (Hrsg.), Arbitrating Foreign Investment Disputes, 2004, S. 283–324; M. Kantor, Investor-State Arbitration Over Investments in Financial Services: Disputes Under New US Investment Treaties, 121 The Banking Journal 2004, 579–605; C. Chatterjee, Investment-Related Promissory Notes are Investment under the ICSID Convention: Fedax N.V. v. The Republic of Venezuela, 3 The Journal of World Investment & Trade 2002, 147–160. 444 T. Wälde, The Serbian Loans Case: A Precedent for Investment Treaty Protection of Foreign Debt?, in: T. Weiler (Hrsg.), International Investment Law and Arbitration – Leading Cases from the ICSID, NAFTA, Bilateral Treaties and Customary International Law, 2005, S. 403. Siehe z.B.: Article 1416 NAFTA 7. investment means “investment” as defined in Article 1139 (Investment – Definitions), except that, with respect to “loans” and “debt securities” referred to in that Article: (a) a loan or debt security issued by a financial institution is an investment only where it is treated as regulatory capital by the Party in whose territory the financial institution is located; Treaty between the United States of America and the Oriental Republic of Uruguay concerning the Encouragement and Reciprocal Protection of Investment Article 1 … “investment” means every asset that an investor owns or controls, directly or indirectly, that has the characteristics of an investment, including such characteristics as the commitment of capital or other resources, the expectation of gain or profit, or the assumption of risk. Forms that an investment may take include: (a) an enterprise; (b) shares, stock, and other forms of equity participation in an enterprise; (c) bonds, debentures, other debt instruments, and loans; (FN 1,2) (d) futures, options, and other derivatives; (e) turnkey, construction, management, production, concession, revenue-sharing, and other similar contracts;

E. Schuldrechtliche Ansprüche

165

___________ (f) intellectual property rights; (g) licenses, authorizations, permits, and similar rights conferred pursuant to domestic law; (FN 3, 4) and (h) other tangible or intangible, movable or immovable property, and related property rights, such as leases, mortgages, liens, and pledges. (FN 1) Some forms of debt, such as bonds, debentures, and long-term notes, are more likely to have the characteristics of an investment, while other forms of debt, such as a bank account that does not have a commercial purpose and is related neither to an investment in the territory in which the bank account is located nor to an attempt to make such an investment, are less likely to have such characteristics. (FN 2) For purposes of this Treaty, claims to payment that are immediately due and result from the sale of goods or services are not investments. (FN 3) Whether a particular type of license, authorization, permit, or similar instrument (including a concession, to the extent that it has the nature of such an instrument) has the characteristics of an investment depends on such factors as the nature and extent of the rights that the holder has under the law of the Party. Among the licenses, authorizations, permits, and similar instruments that do not have the characteristics of an investment are those that do not create any rights protected under domestic law. For greater certainty, the foregoing is without prejudice to whether any asset associated with the license, authorization, permit, or similar instrument has the characteristics of an investment. (FN 4) The term “investment” does not include an order or judgment entered in a judicial or administrative action. Annex G Sovereign Debt Restructuring 1. No claim that a restructuring of a debt instrument issued by Uruguay breaches an obligation under Articles 5 through 10 may be submitted to, or if already submitted continue in, arbitration under Section B, if the restructuring is a negotiated restructuring at the time of submission, or becomes a negotiated restructuring after such submission. 2. (a) For purposes of this Annex, “negotiated restructuring” means the restructuring or rescheduling of a debt instrument that has been effected through: (i) a modification of the key payment terms of such debt instrument, as provided for under the terms of such debt instrument; or (ii) a debt exchange or other process in which the holders of no less than the percentage of debt specified in subparagraph (b) have consented to such debt exchange or other process. (b) The percentage referred to in subparagraph (a)(ii) shall be the percentage required to modify the key payment terms of a single series of bonds in the most recent widely-distributed issue of external sovereign bonds that: (i) were issued by Uruguay prior to the alleged breach; (ii) are governed by New York law; and (iii) permit the modification of the key payment terms by holders of less than 100 percent of the aggregate principal amount of the debt outstanding. 3. Notwithstanding Article 24(3) and subject to paragraph 1 of this Annex, an investor of the United States may not submit a claim under Section B that a restructuring of debt issued by Uruguay breaches an obligation under Articles 5

166

1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

Die Praxis der Investitionsschiedsgerichte bestätigt, dass auch Finanzierungsinstrumente vom Eigentumsschutz umfasst sind. Im Fall Fedax v. Venezuela445 stellte das Schiedsgericht nach Überprüfung der einzelnen Investitionsvoraussetzungen fest, dass Schuldscheine (promissory notes) eine Investition sind: The claimant has rightly argued that promissory notes of this kind have a legal standing on their own, separate and independent from the underlying transaction. … … although the identity of the investor will change with every endorsement, the investment itself will remain constant, … … … it follows that, given the particular facts of the case, the transaction meets the basic features of an investment.446

Da Investitionen als solche dem Eigentumsschutz unterliegen, sind die Schuldscheine von diesem daher auch umfasst. Im Fall Ceskoslovenska Obchodni Banka, A.S. v. The Slovak Republic 447 kam ein Schiedsgericht zum Ergebnis, dass ein Darlehen als Investition zu betrachten sei:448 … As to the first point [the Slovac Republic submitted that loans as such do not qualify as investment], the Tribunal considers that the broad meaning which must be given to the notion of an investment under Article 25(1) of the Convention is opposed to the conclusion that a transaction is not an investment merely because, as a matter of law, it is a loan.449 … The Tribunal concludes, accordingly, that CSOB’s claim and the related loan facility made available to the Slovak Collection Company are closely connected to the development of CSOB’s banking activity in the Slovak Republic and that they qualify as investments within the meaning of the Convention and the BIT.

Daraus kann geschlossen werden, dass das Schiedsgericht davon ausging, dass Darlehen eine Investition sein können und daher Eigentumsschutz genießen. ___________ through 10 unless 270 days have elapsed from the date of the events giving rise to the claim. Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/US_Uruguay.pdf. 445 Fedax N.V. v. Republic of Venezuela, (The Netherlands/Venezuela BIT), Decision on Objections to Jurisdiction, 11 July 1997, 5 ICSID Reports 186, §§ 39–43. 446 Ibid., §§ 39–43. 447 Ceskoslovenska Obchodni Banka, A.S. v. The Slovak Republic, (Czech Republic/Slovak Republic BIT), Decision on Jurisdiction, 24 May 1999, 5 ICSID Reports 335. 448 Ibid., §§ 80–91. 449 Ibid., § 76.

E. Schuldrechtliche Ansprüche

167

Auch der Fall Fireman’s Fund v. Mexico,450 der Fünfjahresanleihen betraf, bestätigt dies. Der Kläger erwarb um US$ 50.000.- zwangsweise umwandelbare Anleihen, die von der Grupo Financiero BanCreer SA aufgelegt worden waren. Nach der Finanzkrise in Mexiko wurden die in Pesos aufgelegten Anleihen von der Nationalbank zurückgezahlt, jene, die in Dollar aufgelegt worden waren, jedoch nicht. Das Schiedsgericht stellte in der Folge fest, dass es Jurisdiktion habe, das Vorliegen einer Enteignung der Anleihen zu prüfen.451 Für die übrigen Ansprüche aufgrund von Kapitel 11 lehnte es seine Jurisdiktion ab, weil Artikel 1416(7)(a) NAFTA452 anwendbar sei, und die Maßnahmen daher unter NAFTA Kapitel 14 zu prüfen seien.453 Nicht als Investition anerkannt wurde eine Bankgarantie im Fall Joy Mining v. Egypt.454 Das BIT zwischen dem Vereinigten Königreich und Ägypten enthielt folgende Investitionsdefinition: Article 1 Definitions For the purposes of this Agreement (a) “investment” means every kind of asset and in particular, though not exclusively, includes: (i) movable and immovable property and any other property rights such as mortgages, liens or pledges; … (iii) claims to money or to any other performance under contract having a financial value;455

Das Schiedsgericht stellte nach einer kursorischen Erörterung fest, dass die Bankgarantie von keiner der Eigentumskategorien der Investitionsdefinition des BIT erfasst sei,456 sondern es sich dabei nur um eine Ausfallshaftung (contingent liability) handle. In der Literatur wurde zu Recht entgegen dieser Aussage des Schiedsgerichts davon ausgegangen, dass die Bankgarantie unter etliche

___________ 450 Fireman’s Fund Insurance Company v. United Mexican States, (NAFTA), Decision on Jurisdiction, 17 July 2003, 10 ICSID Reports 214. 451 Ibid., § 112. 452 Siehe oben FN 444. 453 Ibid., §§ 92–110. 454 Joy Mining Machinery Limited v. The Arab Republic of Egypt, (United Kingdom/Egypt BIT), Award on Jurisdiction, 6 August 2004, 19 ICSID Review-Foreign Investment Law Journal (2004) 486. 455 http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/egypt_uk.pdf. 456 Joy Mining Machinery Limited v. The Arab Republic of Egypt, (United Kingdom/Egypt BIT), Award on Jurisdiction, 6 August 2004, 19 ICSID Review-Foreign Investment Law Journal (2004) 486, §§ 43–47.

168

1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

Bestimmungen des BIT subsumierbar gewesen wäre.457 So ist nicht klar, warum es sich dabei nicht um eine Geldforderung oder einen sonstigen geldwerten vertraglichen Anspruch gehandelt haben sollte.458 Vor dem IUSCT waren Darlehen immer wieder Gegenstand von Klagen.459 In Starrett Housing Corporation v. Government of the Islamic Republic of Iran460 stellte das Tribunal dazu fest, dass das Recht auf Rückzahlung eines Darlehens unter den weiten Eigentumsbegriff des IUSCTs falle: In the present Case, the Tribunal broadly defined the Claimant’s property rights which were taken by the Government on 31 January 1980. … The Tribunal finds that these rights include the Claimant’s right to be repaid the loans made for the purposes of the Project.461

Auch in Sedco Inc v. Iran Marine Industrial Company462, Uiterwyk Corporation a.o. v. Iran463 und Eastman Kodak Company v. Iran464 wurden Darlehen oder Schuldscheine (promissory notes) als im Schutzbereich des Eigentumsrechts gelegen qualifiziert. Somit kann festgehalten werden, dass, außer in der in der Literatur zu Recht kritisierten Entscheidung Joy Mining, Schiedsgerichte stets davon ausgingen, dass auch Finanzierungsinstrumente vom Eigentumsschutz erfasst sind. Abweichendes würde dann gelten, wenn in einem Investitionsschutzvertrag abweichende oder einschränkende Bestimmungen enthalten sind. ___________ 457

N. Gallus, Joy Mining v. Egypt: no joy for British mining equipment company at the ICSID, 1 TDM 2004 (issue 4), S. 5. 458 In der Folge überprüfte das Schiedsgericht, ob eine Investition im Sinne des Artikels 25 der ICSID-Konvention vorgelegen sei. Im Hinblick auf die Kriterien, die in der Literatur und von den Schiedsgerichten zu Artikel 25 ICSID-Konvention entwickelt wurden (siehe dazu oben FN 20), stellte es fest, dass es die gesamte Investition daran zu messen habe. Im Unterschied zur Literatur und früheren Schiedssprüchen, die von typischen Eigenschaften einer Investition sprachen, betrachtete es die Kriterien als zwingende Voraussetzungen für das Vorliegen einer Investition. Es kam zum Ergebnis, dass keine Investition im Sinne des Artikels 25 der ICSID-Konvention vorlag und es daher keine Jurisdiktion habe. (§§ 55–63). 459 Siehe dazu z.B.: C. N. Brower/J. D. Brueschke, The Iran-United States Claims Tribunal, 1998, S. 375. 460 IUSCT, Starrett Housing Corporation v. Government of the Islamic Republic of Iran, Award, No. 314-24-1, 14 August 1987, 16 IUSCTR 112, 230f. 461 Ibid., S. 231, § 362. 462 IUSCT, Sedco Inc v. Iran Marine Industrial Company, Award No. 419-128/1292, 30 March 1989, 21 IUSCTR 31, S. 46. 463 IUSCT, Uiterwyk Corporation a.o. v. Iran, Partial Award, No. 375-381-1, 6 July 1988, 19 IUSCTR 107, S. 136 ff. 464 IUSCT, Eastman Kodak Company v. Iran, Final Award No. 514-227-3, 1 July 1991, 27 IUSCTR 3, S. 18 ff.

E. Schuldrechtliche Ansprüche

169

VI. Sozialleistungen und Pensionsleistungen Die Frage, ob Sozial- und Pensionsleistungen vom Eigentumsschutz umfasst sind, beschäftigte bisher ausschließlich Menschenrechtsgerichte. Sowohl Pensionsrechte als auch Sozialversicherungsansprüche waren wiederholt Gegenstand von Verfahren vor den Konventionsorganen der EMRK. Zunächst gingen Kommission und Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass sich ein Recht auf eine Pension als Sozialrecht nicht unmittelbar aus Artikel 1 ableiten lasse. Nur in Systemen, in denen die Höhe der Auszahlung von der Höhe der Einzahlung abhängig sei und die nicht auf dem Solidaritätsprinzip beruhten, entstehe ein vermögenswertes Recht, das im Schutzbereich von Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK liege.465 Die Kommission entschied bereits 1985 in Hendrika Sophia Vos466 hinsichtlich des Entzugs einer Arbeitsunfähigkeitsunterstützung, dass die entzogenen Leistungen aufgrund eines nach Solidaritätsprinzip errichteten Sozialversicherungssystems geleistet worden waren. Es bestehe daher kein Zusammenhang zwischen eingezahlten Beiträgen und gewährten Leistungen und daher kein geschütztes Eigentumsrecht: … the Commission notes that the social security benefits at issue were awarded under the General Labour Disability Act, which is set up as a general insurance system (…), based on the principle of social solidarity. Under this system, no direct link exists between the level of contribution and the benefits awarded. Consequently, a person does not have, at any given moment, an identifiable claimable share in the fund. Therefore … the right to benefits cannot be considered to constitute a property right which could be described as “possessions” within the meaning of Article 1 of Protocol No. 1 to the Convention.467

Dieses Prinzip lag auch noch dem Urteil Gaygusuz gg Österreich468 über Ansprüche auf Notstandshilfe aus der Arbeitslosenversicherung aus 1996 zu___________ 465

Siehe z.B.: EKMR, Müller gg Österreich, Nr. 5849/72, Bericht vom 1. Oktober 1975, DR 3, S. 25; X gg Österreich, Nr. 7624/76, Entscheidung vom 6. Juli 1977, DR 19, 100; Kleine Staarmann, DR 42, 162, S. 166; T gg Schweden, Nr. 10671/83, Entscheidung vom 4. März 1985, DR 42, 229, S. 232; Stigsong gg Schweden, Nr. 12264/86, Entscheidung vom 13. Juli 1988, DR 57, S. 131. EGMR, Skórkiewicz gg Polen, Nr. 39860/98, Entscheidung vom 1. Juni 1999; Bellet, Huertas and Vialatte gg Frankreich, Nr. 40832/98, 40833/98 und 40906/98, Entscheidung vom 27. April 1999; Domalewski gg Polen, Nr. 34610/97, Entscheidung vom 15. Juni 1999, ECHR 1999-V (Pensionsverlust bei Veteranenpension); WesselsBergervoet gg Niederlande, Nr. 34462/97, Entscheidung, 3. Oktober 2000; Jankoviü gg Kroatien, Nr. 43440/98, Entscheidung vom 12. Oktober 2000, ECHR 2000-X. 466 EKMR, Hendrika Sophia Vos, Nr. 10971/84, Entscheidung vom 10. Juli 1985, DR 43, 190. 467 Ibid., 191 f. 468 EGMR, Gaygusuz gg Österreich, Urteil vom 16. September 1996, ECHR 1996IV. Siehe dazu: G. Pech, Der Schutz öffentlich-rechtlicher Ansprüche durch die Eigentumsgarantie des Ersten Zusatzprotokolls, in: C. Grabenwarter/R. Thienel (Hrsg.), Kon-

170

1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

grunde. In diesem Fall stellte der Gerichtshof fest, dass die Höhe der Versicherungsleistung von der Höhe der Einzahlung in die Arbeitslosenversicherung abhängig sei und daher ein geschütztes Eigentumsrecht vorliege: … Entitlement to this social benefit is therefore linked to the payment of contributions to the unemployment insurance fund, which is a precondition for the payment of unemployment benefit (see paragraph 21 above). It follows that there is no entitlement to emergency assistance where such contributions have not been made. The Court considers that the right to emergency assistance – in so far as provided for in the applicable legislation – is a pecuniary right for the purposes of Article 1 of Protocol No. 1 (P1-1). That provision (P1-1) is therefore applicable without it being necessary to rely solely on the link between entitlement to emergency assistance and the obligation to pay “taxes or other contributions”.469

Von dem Erfordernis der Eigenleistung scheint der Gerichtshof im Fall Koua Poirrez gg Frankreich470 nunmehr abgehen zu wollen. Der Fall betraf einen von einem Franzosen adoptieren Staatsbürger der Elfenbeinküste, dem in Frankreich aufgrund der Staatsangehörigkeit eine Behindertenunterstützung verweigert worden war. Der EGMR erkennt daher zunächst, dass ein Anspruch auf Notstandshilfe ein vermögenswertes Recht im Sinne des Artikels 1 des 1. ZP zur EMRK sei. Ohne sich weiter mit dem Problem auseinander zu setzen, stellt er dann fest, dass aus dem Gaygasuz Urteil471 nicht per Umkehrschluss ableitbar sei, dass Transferleistungen nicht auch vom Schutzbereich von Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK erfasst seien: … the right to emergency assistance – in so far as provided for in the applicable legislation – is a pecuniary right for the purposes of Art 1 Prot 1. That provision is therefore applicable without it being necessary to rely solely on the link between entitlement to emergency assistance and the obligation to pay “taxes or other contributions” (see Gaygusuz, cited above, §41). In that connection the Court considers that the fact that, in that case, the applicant had paid contributions and was thus entitled to emergency assistance (ibid. §39) does not mean, by converse implication, that a non-contributory social benefit such as the AAH does not also give rise to a pecuniary right for the purposes of Article 1 of Protocol No. 1.472

Damit blieb der Gerichtshof aber eine inhaltliche Begründung für die Abkehr vom Erfordernis einer Leistung des Anspruchberechtigten schuldig.473 ___________ tinuität und Wandel der EMRK, Studien zur Europäischen Menschenrechtskonvention, 1998, S. 233–244. 469 EGMR, Gaygusuz gg Österreich, Urteil vom 16. September 1996, ECHR 1996IV, §§ 39, 41. 470 EGMR, Koua Poirrez gg Frankreich, Nr. 40892/98, Entscheidung vom 30. September 2003, ECHR 2003-X. 471 Siehe oben S. 169 f. 472 Ibid., § 37. 473 I.d.S. auch: C. Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention², 2005, S. 361.

E. Schuldrechtliche Ansprüche

171

In Bellet, Huertas and Vialatte gg Frankreich474 verwies der Gerichtshof unter Bezugnahme auf Vorjudikatur475 auf das Erfordernis, dass die innerstaatlichen rechtlichen Bedingungen erfüllt sein müssen, damit ein solches Recht entsteht.476 In der Zulässigkeitsentscheidung im Fall Stec477 stellte der Gerichtshof seine Rechtsposition klar und vollzog die Judikaturwende endgültig. Er begründete seine Position damit, dass die Konvention insgesamt koherent ausgelegt werden müsse und im Bereich des Artikel 6(1) EMRK schon längere Zeit davon ausgegangen werde, dass Ansprüche auf Sozialleistungen „civil rights“ seien, ohne dass die Leistung eigener Beiträge erforderlich sei. Ferner wies er darauf hin, dass in den Vertragsparteien eine Vielzahl von unterschiedlichen Finanzierungsmethoden der Sozialsysteme existiere. Zudem würden nicht beitragsbezogene und beitragsbezogene Systeme teils ineinander greifen und bei steuerfinanzierten Systemen die Steuerleistung zur Finanzierung beitragen. Die alte Unterscheidung erscheine im Licht dieser faktischen Situation daher als künstlich: Given the variety of funding methods, and the interlocking nature of benefits under most welfare systems, it appears increasingly artificial to hold that only benefits financed by contributions to a specific fund fall within the scope of Article 1 of Protocol No. 1.478

Somit ist ein Anspruch auf eine Sozialleistung vom Schutz der Eigentumsgarantie umfasst unabhängig davon, ob eigene Beiträge dafür geleistet worden sind: If … a Contracting State has in force legislation providing for the payment as of right of a welfare benefit – whether conditional or not on the prior payment of contributions – that legislation must be regarded as generating a proprietary interest falling within the ambit of Article 1 of Protocol No. 1 for persons satisfying its requirements … .479

___________ 474 EGMR, Bellet, Huertas and Vialatte gg Frankreich, Nr. 40832/98, 40833/98 & 40906/98, Entscheidung vom 27. April 1999. 475 EKMR, X. gg Italien, Nr. 7459/76, Entscheidung vom 5. Oktober 1977, DR 11, S. 114; C. gg Frankreich, Nr. 10443/83, Entscheidung vom 15. Juli 1988, DR 56, S. 20. 476 Siehe ebenso: EGMR, Wessels-Bergervoet gg Niederlande, Nr. 34462/97, Entscheidung vom 3. Oktober 2000; Koua Poirrez gg Frankreich, Nr. 40892/98, Entscheidung vom 30. September 2003, ECHR 2003-X, § 37. 477 EGMR, Stec u.a. gg Vereinigtes Königreich [GC], Nr. 65731/01 und 65900/01, Entscheidung vom 6. Juli 2006. 478 Ibid., § 50. 479 Ibid., § 54.

172

1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

Unabhängig von diesem Schwenk in der Judikatur bleibt der Grundsatz bestehen, dass in keinem Fall ein Anspruch auf eine Pension oder andere Sozialleistung in einer bestimmten Höhe besteht.480 Der Interamerikanische Gerichtshof hatte sich erst in einem Fall, Five Pensioners v. Peru,481 mit Pensionsrechten zu beschäftigen. Peru verringerte per Gesetz die Pensionen der Betroffenen, die sie seit ihrem Ausscheiden aus dem Aktivstand bezogen hatten, um ca. 80 Prozent. Der Gerichtshof stellte fest, dass es sich beim Pensionsrecht gemäß der Verfassung um ein wohlerworbenes (acquired) Recht handle und dieses daher dem Eigentumsschutz von Art. 21 AMRK unterliege.482

F. Schlussfolgerungen Für den Eigentumsschutz im Menschenrechtsbereich und im Investitionsrecht sind mehrere grundsätzliche Unterschiede feststellbar. Der terminologische Ausgangspunkt des Eigentumsschutzes in Menschenrechts- und Investitionsschutz ist ungleich. In jenem ist Eigentum das Schutzobjekt, in diesem eine Investition. Ein weiterer Unterschied liegt darin, dass im Menschenrechtsbereich die einschlägigen Verträge keine Eigentumsdefinition enthalten. Die Grenzen des Eigentumsschutzes wurden im Menschenrechtsbereich daher von der Judikatur der Gerichtshöfe abgesteckt. Der EGMR verzichtete im Unterschied zum Interamerikanischen Gerichtshof darauf, Eigentum abstrakt zu definieren. Im Gegensatz dazu enthalten Investitionsschutzverträge Definitionen des Begriffs der Investition.

___________ 480

EKMR, Müller gg Österreich, Nr. 5849/72, Bericht gem. Artikel 31 vom 1. Oktober 1975, DR 3, 25, S. 31; T gg Schweden, Nr. 10671/83, Entscheidung vom 4. März 1985, DR 42, 229, S. 232; EGMR, Skorkiewicz gg Polen, Entscheidung Nr. 39860/98, 1. Juni 1999, S. 7; Domalewski gg Polen, Nr. 34610/97, Entscheidung vom 15. Juni 1999, ECHR 1999-V; Aunola gg Finnland, Nr. 30517/96 15. März 2001 Entscheidung; Kjartan Ásmundsson gg Island, Nr. 60669/00, Urteil vom 12. Oktober 2004, § 39. I.d.S. auch z.B.: K. Gelinsky, Der Schutz des Eigentums gemäß Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention, 1996, S. 31; C. Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention3, 2007, Kapitel 25, Wirtschaftliche Grundrechte, Rz 5. 481 IAGMR, Five Pensioners v. Peru, Urteil vom 28. Februar 2003, Series C No. 98. 482 Ibid., §§ 102, 103.

F. Schlussfolgerungen

173

Die Definitionen des Begriffs der Investition in den verschiedenen Investitionsschutzverträgen sind nicht einheitlich. Somit stehen einem einheitlichen Schutzumfang im Menschenrechtsschutz (jeweils im Bereich der EMRK und der AMRK) die divergierenden Schutzumfänge der diversen völkerrechtlichen Investitionsschutzverträge gegenüber. Ferner wird über den Umfang des Schutzbereiches im Menschenrechtsschutz von einem permanenten Spruchkörper, dem EGMR oder dem Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshof, entschieden. Im Gegensatz dazu erfolgt dies im Investitionsschutz durch jeweils ad hoc eingesetzte Schiedsgerichte.

I. Gemeinsamkeiten zwischen Menschenrechtsund Investitionsschutz Trotz dieser unterschiedlichen Ausgangspunkte kann man eine wesentliche Gemeinsamkeit in der Rechtsprechung zu beiden Rechtsbereichen beobachten: Die Judikatur geht in beiden Bereichen von einem weiten Eigentumsbegriff aus. Im Investitionsrecht spiegelt sich dieser Umstand bereits in den Investitionsdefinitionen der Investitionsschutzverträge wider. Im Menschenrechtsschutz, in dem die Verträge keine Eigentumsdefinition enthalten, fand diese Entwicklung ausschließlich in der Judikatur der Gerichtshöfe statt. Der Interamerikanische Gerichtshof formulierte eine Eigentumsdefinition, der ein weiter Eigentumsbegriff zugrunde liegt. Beim EGMR wird aus seiner Judikatur deutlich, dass auch er von einem vom innerstaatlichen Recht autonomen und weiten Eigentumsbegriff ausgeht. Sämtliche der untersuchten Menschenrechtsgerichte und Investitionsschiedsgerichte legen ihrer Rechtsprechung einen Eigentumsbegriff zugrunde, der über dingliche Rechte hinausgeht. So wird eine Entwicklung vom Kernbereich der dinglichen Rechte zu Forderungsrechten zum Schutz von vermögenswerten Rechten in der Rechtsprechung sowohl der Menschenrechtsgerichte als auch bei Investitionsschiedsgerichten deutlich. Vertragliche Rechte werden in beiden Rechtsbereichen als geschützt angesehen. Die untersuchten Fälle in Menschenrechts- und Investitionsschutz zeigen, wie sich der Eigentumsbegriff von einem restriktiveren, auf physisches Eigentum beschränkten Konzept weiter in Richtung Schutz eines „Wirtschaftsguts“ entwickelt hat. Dies wird insbesondere bei der EMRK deutlich, bei welcher der Schutz wirtschaftlicher Interessen und Investitionen, anders als etwa bei der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit, nicht im Vordergrund steht. Ein Beispiel dafür ist die Frage, ob Goodwill vom Eigentumsschutz umfasst ist. Im Investitionsschutz ist meist schon in den Investitionsdefinitionen der Investitionsschutzverträge klargestellt, dass Goodwill geschützt ist. Im Men-

174

1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

schenrechtsschutz stellte der EGMR in seiner Judikatur fest, dass auch Goodwill vom Eigentumsschutz erfasst ist. Dass dieser Umstand erst durch die Judikatur klargestellt werden musste, könnte eine Ursache dafür sein, dass der EGMR die Frage, ob Goodwill geschützt ist, bereits auf der Ebene des Schutzbereichs diskutierte. Im Unterschied dazu wurde diese Frage sowohl in der Judikatur der Investitionsschiedsgerichte als auch in jener des IUSCT erst im Zusammenhang mit der Berechnung einer zu leistenden Entschädigung behandelt.

II. Unterschiede zwischen Menschenrechtsund Investitionsschutz Unterschiede zwischen Menschenrechtsschutz und Investitionsschutz ergeben sich aus: 1.

einer unterschiedlichen Schutzzielsetzung von Menschenrechtsschutz und Investitionsschutz und

2.

verschiedenen Jurisdiktionsvoraussetzungen, die in dieser Form nur im Investitionsschutz bestehen: a) consent, b) investment, c) nationality.

1. Schutzziele Im Menschenrechtsschutz steht der Schutz grundlegender Rechte eines Individuums im Vordergrund. Dies lässt sich schon aus der Originalbezeichnung der EMRK als „Convention for the Protection of Human Rights and Fundamental Freedoms“ ersehen. Diese Rechte werden, wie in der Präambel der EMRK ausgeführt wird, als Grundlage für Gerechtigkeit und Frieden in der Welt angesehen: Reaffirming their profound belief in those fundamental freedoms which are the foundation of justice and peace in the world and are best maintained … by a common understanding and observance of the human rights upon which they depend.483

Eines dieser Rechte, auf das sich die Europaratsmitgliedsstaaten jedoch erst im ersten Zusatzprotokoll verständigen konnten, ist der Schutz der friedlichen Nutzung von Eigentum. Dass kein absoluter Schutz des Eigentums angestrebt war, wird aus der Formulierung der einschlägigen Normen sowohl der EMRK als auch der Amerikanischen Menschenrechtskonvention deutlich. Beide einschlägigen Normen erlauben unter bestimmten Voraussetzungen den Entzug des Eigentums und Ein___________ 483

Auch in der Präambel der Amerikanischen Menschenrechtskonvention wird die Wichtigkeit der Sicherstellung der „essential rights of man“ betont.

F. Schlussfolgerungen

175

schränkungen der Eigentumsnutzung ausdrücklich. Ebenso deutlich geht dies aus den Diskussionen, die der Annahme von Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK vorausgingen, hervor. In der beratenden Versammlung des Europarates war eine Gruppe von Abgeordneten gänzlich gegen die Aufnahme einer Bestimmung, die den Schutz von Eigentumsrechten vorsieht. Eine andere Gruppe wollte Eigentumsschutz nur in beschränktem Umfang gewähren.484 Eine derartige Einschränkung wurde nicht in den Text aufgenommen, eine Definition des Schutzgutes aber ebenfalls nicht. Auch die Frage, inwieweit Inländer bei Enteignungen zu entschädigen seien, wurde bewusst offen gelassen. Demgegenüber dient der Investitionsschutz vor allem dem Schutz wirtschaftlicher Interessen. Wie in den Präambeln zahlreicher BITs betont wird, sollen durch die Verträge günstige Bedingungen für Investitionen von Staatsangehörigen und Unternehmen der Vertragsparteien von Investitionsschutzverträgen geschaffen werden. Dies soll den Wohlstand in den Vertragsparteien fördern. Auch aus der Präambel der ICSID-Konvention wird deutlich, dass Vertragsziel die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung der Vertragsparteien ist.485 Bei dieser Entwicklung kommt privaten Investoren eine wesentliche Rolle zu. Daher ist der Investitionsschutz und daher auch der Schutz vor entschädigungsloser Enteignung als ein Mittel zur Sicherstellung eines günstigen Investitionsklimas anzusehen. Somit soll der Menschenrechtsschutz der Sicherung grundlegender Rechte des Einzelmenschen dienen; der Investitionsschutz soll durch die Sicherstellung eines günstigen Investitionsklimas die wirtschaftliche Entwicklung der Vertragsstaaten fördern. Diese unterschiedliche Zielrichtung spiegelt sich auch bei den vom EGMR und den Investitionsschiedsgerichten zu beurteilenden Fällen wider. Die jeweils zu beurteilenden Sachverhalte divergieren erheblich: Beim EGMR handelte es sich bei den Beschwerden häufig um Eigentumseingriffe in Einzelobjekte, wie den Entzug eines Grundstücks, den Eingriff in ein bestimmtes Forderungsrecht durch den Staat oder den Entzug einer bestimmten Nutzungsmöglichkeit durch den Staat. Seltener waren Eingriffe in Unternehmen Beschwerdegegenstand. Demgegenüber handelt es sich bei den Fällen, die vor Investitionsschiedsge___________ 484 Siehe z.B.: Travaux préparatoire de l’article 1er du Protocole additionnel à la Convention, DH (57) 10, S. 3–17; K.-H. Böckstiegel, Die allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts über Eigentumsentziehungen. Eine Untersuchung zu Art. 1 des Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention, 1963, S. 11 ff. 485 In diesem Sinne verlangte ein Schiedsgericht jüngst, das die unternehmerische Tätigkeit des Investors der Entwicklung des Gastgeberstaates dienen müsse, damit eine vom BIT geschützte Investition vorliege: Patrick Mitchell v. Democratic Republic of the Congo, (US/Democratic Republic of Congo BIT), Decision on the Application for Annulment of the Award, 1 November 2006, http://ita.law.uvic.ca/documents/mitchell annulment.pdf, §§ 27–33, 44–48.

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1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

richte gebracht werden, fast durchwegs um Eingriffe in wirtschaftliche komplexe Unternehmensstrukturen. Die Investitionen, in die eingegriffen wird, setzen sich häufig aus einem ganzen Bündel unterschiedlicher Eigentumsrechte zusammen. Von Seiten des Staates wird je nach Fall in unterschiedlich viele dieser Rechtspositionen eingegriffen. Die unterschiedliche Zielsetzung der beiden Rechtsbereiche ist ferner eine der Ursachen dafür, dass sich bisher nur Menschenrechtsgerichte mit der Frage, ob Sozial- und Pensionsleistungen vom Eigentumsschutz umfasst sind, zu befassen hatten. Dieser unterschiedliche Zugang dürfte auch eine der Ursachen dafür sein, dass der EGMR Minderheitenaktionären und Unternehmensbeteiligten, die nur indirekte Schäden erlitten, nur in sehr beschränktem Ausmaß Eigentumsschutz gewährt. Auch für das Fehlen eines Eigentumsschutzes für juristische Personen im Interamerikanischen System könnte dieser unterschiedliche Grundansatz in der Schutzausrichtung mitursächlich sein. Der Interamerikanische Gerichtshof gewährt juristischen Personen überhaupt keinen Eigentumsschutz. Zudem verwehrt der Gerichtshof es Aktionären, Beschwerden einzubringen, wenn das Unternehmen, nicht aber das Individuum, direkt vom Eingriff betroffen war. Damit besteht im Interamerikanischen System für Unternehmensbeteiligte kein Eigentumsschutz bei indirekten Schäden. Aus einer wirtschaftlichen Perspektive ist das eine nicht zufrieden stellende Lösung, weil Individuen weder indirekt durch das Unternehmen noch direkt Abhilfe bei Eigentumseingriffen in das Unternehmen erlangen können. Auch die Judikatur des EGMR zu Goodwill zeigt, dass er bei seinen Entscheidungen keinen primär wirtschaftsorientierten Ansatz wählt.

2. Unterschiedliche Jurisdiktionsvoraussetzungen Auch die unterschiedlichen Bedingungen, unter denen Menschenrechtsgerichte und Investitionsgerichte Jurisdiktion ausüben können, haben Auswirkungen auf die Gewährung von Eigentumsschutz.

a) „Consent“ Im Menschenrechtsschutz wird im Rahmen der EMRK die Zustimmung zur Jurisdiktion für alle in der Konvention enthaltenen Garantien durch die Ratifikation der Konvention und des Ersten Zusatzprotokolls erteilt. Der EGMR ist also zuständig für die Auslegung der gesamten Konvention und aller Zusatz-

F. Schlussfolgerungen

177

protokolle, darunter auch jenes, das den Eigentumsschutz enthält. Abgesehen von etwaigen Vorbehalten ist damit von allen Vertragsparteien die Zustimmung zu einem einheitlichen Schutztatbestand für das Eigentumsrecht erteilt. Über etwaige Verletzungen entscheidet ein ständiger Gerichtshof.486 Der materielle Schutzbereich des Eigentumsrechts ist deckungsgleich mit dem Bereich, für den der EGMR Jurisdiktion hat. Im Gegensatz dazu kann die Zustimmung zur Jurisdiktion eines internationalen Schiedsgerichts im Investitionsrecht auf unterschiedliche Weise erfolgen. Sie kann entweder ad hoc, durch ein BIT, ein MIT oder ein nationales Investitionsschutzgesetz erteilt werden. Der Umfang der Jurisdiktion der jeweils zur Entscheidung ad hoc eingesetzten Schiedsgerichte kann dabei erheblich variieren. Zudem ist auch denkbar, dass der materielle Schutz in einem Investitionsschutzvertrag weiter ist, als der Bereich für den ein Schiedsgericht Jurisdiktion hat. In etlichen Investitionsschutzverträgen, die Schutzbestimmungen in den Bereichen „expropriation“, „fair and equitable treatment“ und „full protection and security“ enthalten, sind nur Fragen der Entschädigung bei Enteignungen der Jurisdiktion eines Schiedsgerichts unterworfen. Überdies ist es auch denkbar, dass ein ganz bestimmter Aspekt etwa des Eigentumsschutzes der Schiedsgerichtsbarkeit entzogen ist. Dieser Umstand hat bisher beispielsweise bei Streitigkeiten im Zusammenhang mit Steuerrückerstattungsansprüchen eine Rolle gespielt. Im Investitionsrecht können Streitigkeiten im Zusammenhang mit Steuern in einem BIT aus der Jurisdiktion der Schiedsgerichte ausgeschlossen sein. Im Investitionsschutz ist daher im Unterschied zum Menschenrechtsschutz der materielle Schutzbereich nicht notwendigerweise deckungsgleich mit dem Bereich, für den ein Schiedsgericht Jurisdiktion hat.

b) „Investment“ Ein wesentlicher Unterschied zwischen den beiden Rechtsbereichen besteht in der Doppelfunktion des Begriffes „Investition“ im Investitionsschutz. Der Begriff bezeichnet einerseits das Schutzobjekt des investitionsrechtlichen Eigentumsschutzes; andererseits ist das Vorliegen einer Investition Jurisdiktionsvoraussetzung für die Zuständigkeit von Schiedsgerichten. Ein derartiges Erfordernis ergibt sich einerseits aus den Jurisdiktionsklauseln der völkerrechtli___________ 486

Das Interamerikanische System ist ähnlich konstruiert. Auch hier entscheidet ein Gerichtshof über sämtliche in der Konvention garantierte Rechte. Im Unterschied zur EMRK reicht allerdings die Ratifikation der Amerikanischen Menschenrechtskonvention nicht aus, sondern ist eine gesonderte Unterwerfungserklärung notwendig, damit der Interamerikanische Gerichtshof Jurisdiktion hat.

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1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

chen Investitionsschutzverträge, wie etwa eines BIT, NAFTA und ECT, die auf die extrem breite Investitionsdefinitionen dieser Verträge verweisen. Andererseits sieht Artikel 25 der ICSID-Konvention vor, dass Jurisdiktion nur für Streitigkeiten „arising directly out of an investment“ gegeben ist. Die Praxis hat gezeigt, dass der Investitionsbegriff, welcher sich aus den Definitionen von BIT und anderen völkerrechtlichen Verträgen ergibt, bisweilen wesentlich weiter ist, als jener, welcher für Artikel 25 der ICSID-Konvention entwickelt wurde. Ein vergleichbares Erfordernis für die Jurisdiktion des EGMR besteht in der EMRK nicht. Diese Doppelfunktion des Begriffs der Investition im Investitionsschutz führt dazu, dass es denkbar ist, dass eine Rechtsposition vom materiellen Schutzbereich des investitionsrechtlichen Eigentumsschutzes umfasst ist, eine Durchsetzung im Wege eines Investitionsschiedsverfahrens aber unmöglich ist. Dieser Umstand führt nicht zu einer Einschränkung des materiellen Eigentumsschutzbereiches etwa eines BIT, sehr wohl jedoch zu einer Beschränkung der Rechtsdurchsetzungsmöglichkeiten. Solcherart kann etwa ein Opfer eines Eigentumseingriffs auf die Hilfe des Heimatstaates im Wege des diplomatischen Schutzes angewiesen sein, wenn zwar materiell Eigentumsschutz durch ein BIT besteht, aber die Jurisdiktionsvoraussetzung des Vorliegens einer „Investition“ gemäß der ICSID-Konvention nicht erfüllt ist. Dies hat zu Problemen geführt, wenn Schiedsgerichte nicht strikt zwischen den zwei Funktionen des Investitionsbegriffs unterschieden und nicht zunächst geprüft haben, ob die Gesamtinvestition den jurisdiktionellen Investitionserfordernissen der ICSID-Konvention entspricht. Erst im Anschluss daran ist zu überprüfen, ob das eingeklagte Recht von der Investitionsdefinition des BIT oder eines sonstigen Schutzinstruments umfasst ist. Die Problematik trat gehäuft im Zusammenhang mit Finanzierungsinstrumenten und Steuerrückerstattungsansprüchen auf. Manche Schiedsgerichte konzentrierten sich bei derartigen Ansprüchen darauf, zu überprüfen, ob Finanzierungsinstrumente eine Investition im jurisdiktionellen Sinn sind, anstatt zunächst zu überprüfen, ob die gesamte unternehmerische Tätigkeit die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Investition erfüllt. Erst in einem zweiten Schritt wäre danach zu überprüfen gewesen, ob das Finanzierungsinstrument von der Investitionsdefinition des Investitionsschutzvertrages umfasst ist. Derartige Probleme gibt es im Menschenrechtsschutz nicht.

F. Schlussfolgerungen

179

c) Nationalität Eine weitere Jurisdiktionsvoraussetzung, die zu unterschiedlichen Ergebnissen im Menschenrechts- und Investitionsschutz beigetragen hat, ist jene der „Nationalität“. Der Menschenrechtsschutz besteht unabhängig von der Nationalität eines Individuums oder einer juristischen Person. Anknüpfungspunkt für die Zuständigkeit des Gerichtshofs ist, dass die Verletzung innerhalb der Hoheitsgewalt („within their jurisdiction“ (EMRK); „subject to their jurisdiction“ (AMRK) ) der beschuldigten Vertragspartei erfolgte. Im Gegensatz dazu ist es im Investitionsschutz Jurisdiktionsvoraussetzung, dass die vom Eingriff betroffene natürliche oder juristische Person die Nationalität487 eines Vertragspartners des schädigenden Staates hat. Damit ein Schiedsverfahren aufgrund der ICSID-Konvention durchgeführt werden kann, müssen zudem die beiden Staaten auch noch Vertragsparteien der ICSID-Konvention sein.488 Die ICSID-Konvention sieht überdies ausdrücklich vor, dass der Kläger nicht die Staatsbürgerschaft des verletzenden Staates besitzen darf. Somit besteht der Investitionsschutz nur für bestimmte „begünstigte“ Staatsbürger der Vertragsstaaten eines Investitionsschutzvertrages und nicht für alle Personen oder Unternehmen, die auf dem Staatsgebiet eines bestimmten Staates Investitionen getätigt haben. Dieser Unterschied in den Jurisdiktionsvoraussetzungen könnte insbesondere für den unterschiedlichen Lösungsansatz im Bereich des Schutzes von Aktionären ursächlich sein. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass der investitionsrechtliche Eigentumsschutz von Unternehmensbeteiligungen wesentlich umfassender ist als der menschenrechtliche. Dies gilt insbesondere für Minderheitsbeteiligungen und in Fällen von indirekten Schäden. Der EGMR gewährt Aktionären unabhängig vom Unternehmen nur einen sehr eingeschränkten Eigentumsschutz. Die Lösung läuft im Wesentlichen bei Minderheitenbeteiligten und bei indirekten Schäden auf eine Möglichkeit der Rechtsverfolgung durch das Unternehmen selbst hinaus. Da im Unterschied zum Investitionsschutz die Nationalität eines Unternehmens für eine Beschwerdeberechtigung im Menschenrechtsschutz irrelevant ist, kann ___________ 487

Zu den Nationalitätserfordernissen bei Aktionären siehe z.B.: C. Schreuer, Shareholder Protection in International Investment Law, in: P.-M. Dupuy/B. Fassbender/ M. N. Shaw u.a. (Hrsg.), Völkerrecht als Wertordnung, Festschrift für Christian Tomuschat, 2006, S. 604 ff.; S. A. Alexandrov, The „Baby Boom“ of Treaty-Based Arbitrations and the Jurisdiction of ICSID Tribunals: Shareholders as „Investors“ and Jurisdiction Ratione Temporis, 4 The Law and Practice of International Courts and Tribunals, 2005, S. 34 ff.; R. Dolzer/M. Stevens, Bilateral Investment Treaties, 1995, S. 34 ff. 488 Für ein Verfahren aufgrund der Additional Facility muss zumindest eine Partei Vertragspartei sein oder die Nationalität einer Vertragspartei haben.

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1. Teil: Der völkerrechtliche Eigentumsbegriff

und muss in derartigen Fällen das Unternehmen, in dessen Eigentum eingegriffen wurde, selbst Beschwerde erheben. Andererseits wäre der Investitionsschutz erheblich reduziert, wenn Aktionäre für indirekte Schäden keine Klagemöglichkeit hätten, weil das direkt geschädigte Unternehmen oft selbst keinen Rechtsschutz durch einen Investitionsschutzvertrag hat. Dies ist dann der Fall, wenn die Gesellschaft die Nationalität des Gastgeberstaates oder eines Drittstaates ohne einschlägigen Investitionsschutzvertrag hat und somit selbst nicht klageberechtigt ist. Daher ist im Investitionsrecht ein umfassender Schutz für Aktionäre und sonstige Unternehmensbeteiligte erforderlich und wurde auch gewährt. Diese sind nicht nur bei einem Eingriff in ihre Eigentumsrechte an den Aktien selbst geschützt, sondern auch, wenn sie nur von den wirtschaftlichen Folgen eines Eingriffs in Eigentumsrechte des Unternehmens betroffen sind.

2. Teil

Eingriffe in das Eigentumsrecht

A. Allgemeines Unter einem Eingriff in ein Recht versteht man die Beeinträchtigung oder Beschränkung der Ausübungsmöglichkeiten dieses Rechtes. Im Englischen ist dafür der Ausdruck „interference“ gebräuchlich. Im Französischen wird üblicherweise der Begriff „ingérence“ verwendet. Es werden aber auch die Termini „immixtion“, „interférence“ oder „atteinte“ benutzt. Einerseits sind staatliche Eingriffe in Eigentumsrechte so alt, wie die Staaten selbst. Die Bedingungen, unter denen sie stattfinden dürfen, beschäftigten das Völkerrecht seit seinen Anfängen. So schreibt schon Grotius: Übrigens können den Untertanen auch erworbene Rechte durch den König entzogen werden; entweder zur Strafe oder vermöge des höchsten Obereigentums. Für letzteres bedarf es eines allgemeinen Nutzens. Auch muss in diesem Fall der, der ein Recht einbüßt, aus dem öffentlichen Vermögen entschädigt werden. Wie dies bei Sachen anderer Art stattfindet, so auch bei Rechten aus Versprechen und Verträgen.1

Andererseits ist festzuhalten, dass im Völkerrecht nicht jeder Eigentumseingriff rechtswidrig, nicht jeder Eigentumseingriff entschädigungspflichtig und nicht jede staatliche Maßnahme, die in Eigentumsrechte eingreift, eine Enteignung ist. So stellt etwa Brownlie fest: State measures, prima facie a lawful exercise of powers of government, may affect foreign interests considerably without amounting to expropriation. Thus foreign assets and their use may be subjected to taxation, trade restrictions involving licenses and quotas, or measures of devaluation. While special facts may alter cases, in principle such measures are not unlawful and do not constitute expropriation.2

___________ 1

H. Grotius, De Jure Belli Ac Pacis, 1965, II. Buch, 14. Kapitel, Ziff. VII, in der Übersetzung von W. Schätzel, 1950, S. 272. 2 I. Brownlie, Principles of Public International Law6, 2003, S. 509. Fußnote ausgelassen.

182

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

Daher ist es erforderlich, zusätzlich zur im ersten Teil erfolgten Analyse des Objekts des Eigentumsschutzes die möglichen Eingriffstatbestände und allfällige Entschädigungspflichten zu untersuchen, um eine sinnvolle Aussage über den Schutzumfang eines Eigentumsschutzsystems treffen zu können. Da nicht alle Eingriffe Ersatzleistungen des Staaten erfordern, ist es entscheidend festzustellen, welche Eigenschaften Eingriffe aufweisen müssen, damit eine Ersatzleistungspflicht besteht. Wie festgestellt wird, ob ein solcherart relevanter Eingriff vorliegt, soll in diesem Kapitel dargelegt werden. In ihrer Intensität und Ausprägungsform gibt es eine Reihe unterschiedlicher Eigentumseingriffe, die von einer Nationalisierung der gesamten Wirtschaft bis zu regulativen Eingriffen in ein einzelnes Unternehmen reichen. Einige Beispiele sollen vorab kurz erwähnt werden: –

Nationalisierungen der gesamten Wirtschaft, wie etwa nach der Russischen Revolution. Es kam zu einer Übernahme aller in privater Kontrolle befindlichen Produktionsmittel. Dies betraf sowohl nationale als auch ausländische Eigentümer.



Nationalisierung eines bestimmten Wirtschaftszweiges, wie etwa der Ölindustrie und des Bankensektors im Iran nach der Revolution.



Landreformprogramme, in denen es zu einer Umverteilung von Landflächen an Landlose kommen soll, wie etwa in Simbabwe.



Staudammbauprojekte, wie etwa in der Türkei oder China, wo alle in einem bestimmten Gebiet siedelnden Personen enteignet wurden.



Enteignungen von Einzelpersonen oder Unternehmen. Es handelt sich im Gegensatz zu Nationalisierungen um Einzeleingriffe. Dies kann etwa eine Enteignung eines Grundstückes für eine gemeinschaftliche Nutzung (Eisenbahn-, Straßenbau) sein.



Regulative Maßnahmen, die mit bestimmter Intensität oder Dauer in Eigentumsrechte eingreifen. Diese lassen den Titel zwar bestehen, haben jedoch einer Enteignung gleichkommende Auswirkungen. Etwa eine dauerhafte Zutrittsverweigerung zum eigenen Grundstück oder Unternehmen.



Regulative Maßnahmen, die nicht diesen Grad an Schwere erreichen; etwa ein kurzfristiges Importverbot, das aufgrund einer akuten Gesundheitsgefährdung der Bevölkerung verhängt wird.

Nachdem die Siebziger und Achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts von formellen Enteignungen gekennzeichnet waren, gewannen seither indirekte Eingriffsformen und regulative Maßnahmen in der Praxis immer mehr an Bedeutung. Indirekte Eingriffsformen machen heute den größten Teil der Eingriffe aus.

A. Allgemeines

183

Die ersten im Rahmen des NAFTA eingebrachten Fälle weckten Befürchtungen bei Staaten und NGOS, dass das Konzept der indirekten Enteignung auf sämtliche regulativen Maßnahmen im Bereich des Umweltschutzes, des Gesundheitsschutzes und des Schutzes von Menschenrechten, insbesondere im Bereich der sozialen Rechte, angewandt werden könnte. Dies hätte im Extremfall zur Konsequenz, dass Staaten – etwa im Bereich des Umweltschutzes – nicht mehr regulierend eingreifen könnten, ohne Entschädigungszahlungen leisten zu müssen. Demgegenüber erweckten jüngst entschiedene Fälle aufgrund gegenläufiger Tendenzen den Eindruck, dass der Tatbestand der Enteignung im Investitionsschutz seine Bedeutung weitgehend verloren habe. Die eben erwähnten Befürchtungen und die Judikaturschwankungen sind Ergebnis eines Dilemmas im Bereich der de facto Enteignungen durch regulative Maßnahmen.3 Staatliche Regelungsinteressen und -rechte treffen auf das Interesse der Investoren an einem effizienten investitionsrechtlichen Eigentumsschutz. Staaten berufen sich in diesem Zusammenhang auf ihre Souveränität, Investoren auf den völkerrechtlichen Grundsatz pacta sunt servanda4. What is the relationship between the principle of pacta sunt servanda and the exercise of governmental regulatory power?5

So hat Higgins eine der zurzeit umstrittensten Fragen des Investitionsschutzes bereits in den Achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts formuliert. Die Entscheidung, welche regulativen Eingriffe als Enteignung angesehen werden, ist im Investitionsschutz zurzeit eine der umstrittensten Fragestellungen und wirft schwerwiegende dogmatische Probleme im Bereich des völkerrechtlichen Eigentumsschutzes auf. Wälde und Kolo formulierten das Problem folgendermaßen: [T]he central question is: how to draw line between regulation that is normal, nondiscriminatory and which defines with legitimacy what economic operators can do on one hand, and, on the other, when does regulation become so exorbitant that it in ef-

___________ 3 Siehe zu dem Thema z.B.: L. Y. Fortier/S. L. Drymer, Indirect Expropriation in the Law of International Investment: I Know It When I See It, or Caveat Investor, 19 ICSID Review, Foreign Investment Law Journal 2004, S. 293 ff.; T. Waelde/A. Kolo, Environmental Regulation, Investment Protection and ‚Regulatory Taking’ in International Law, 50 ICLQ 2001, S. 811 ff. 4 Siehe dazu z.B.: M. Lachs, Pacta Sunt Servanda, in: R. Bernhardt (Hrsg.), Encyclopedia of Public International Law Volume III (1992), 847, m.w.N.; K.-H. Böckstiegel, Die allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts über Eigentumsentziehungen. Eine Untersuchung zu Art. 1 des Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention, 1963, S. 122 ff. 5 R. Higgins, The Taking of Property by the State: Recent Developments in International Law, 176 RdC (1982-III), 261, S. 337.

184

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

fect destroys the economic stability and functions of proprietary rights – and triggers the compensation obligation.6

Ziel dieses Kapitels ist es, die methodischen Ursachen für dieses derzeit im Investitionsschutz bestehende Problem zu identifizieren. Ein Vergleich mit der menschenrechtlichen Eigentumseingriffsprüfung soll es ermöglichen, in einem späteren Kapitel Lösungsmöglichkeiten für einen geeigneten methodischen Umgang mit dem Dilemma vorzuschlagen. Im ersten Teil wird die unterschiedliche Ausgangssituation der beiden Systeme dargelegt. Es wird allgemein erörtert, welche Eingriffsformen (Eingriffstatbestände) vom menschenrechtlichen und/oder investitionsrechtlichen Eigentumsschutz erfasst sind. Dabei werden die Tatbestände „Nutzungsregelung“ und „sonstigen Eingriffe“, die nur im Menschenrechtsschutz zur Verfügung stehen und kein Pendant im Investitionsschutz haben, bereits vorweggenommen. Das Schwergewicht bei ihrer Analyse liegt darauf, herauszuarbeiten, worin sie sich von Enteignungen unterscheiden. Weiters wird ein Überblick über die Art und Weise gegeben, mit der im Menschenrechtsschutz und im internationalen Investitionsschutz festgestellt wird, ob eine Verletzung des Eigentumsrechts (Menschenrechtsschutz) bzw. eine entschädigungspflichtige Enteignung (internationaler Investitionsschutz) vorliegt. In diesem Punkt besteht, wie gezeigt werden wird, ein entscheidender Unterschied zwischen den beiden Systemen. Im Anschluß wird der Frage nachgegangen, inwieweit für das Vorliegen einer Enteignung der Eingriff durch einen Hoheitsakt des Staates erfolgen muss. Im zweiten Teil wird der Eingriffstatbestand der Enteignung in beiden Systemen ausführlich analysiert. Dabei werden zuerst die Voraussetzungen für das Vorliegen einer formellen Enteignung im Menschenrechtsschutz und im Investitionsschutz erörtert. Im Anschluss daran werden die de facto Enteignungen behandelt. Der Tatbestand der de facto Enteignung bereitet, wie bereits erwähnt, derzeit im Investitionsschutz große Probleme. Insbesondere herrscht große Unsicherheit darüber, wann eine de facto Enteignung durch regulative Maßnahmen7 verwirklicht ist. Zwei zu diametral unterschiedlichen Ergebnissen gelangende Judikaturlinien der Investitionsschiedsgerichte bedingen eine erhebliche Rechtsunsicherheit. Dies verursacht sowohl den Staaten als auch den Investoren ___________ 6

T. Waelde/A. Kolo, Environmental Regulation, Investment Protection and ‚Regulatory Taking’ in International Law, 50 ICLQ 2001, 811, S. 825. 7 Bei regulativen Eingriffen werden durch eine staatliche Regelungstätigkeit, etwa im Umweltschutzbereich oder Gesundheitsbereich, Eigentumsrechte beeinträchtigt. Ein Beispiel für eine regulative Maßnahme ist eine Grundstücksumwidmung aus Umweltschutzgründen.

A. Allgemeines

185

Schwierigkeiten. Es ist derzeit nicht entschieden, welche Kriterien zur Abgrenzung zwischen entschädigungspflichtigen Enteignungen und nicht entschädigungspflichtigen sonstigen Eigentumseingriffen heranzuziehen sind. Zum Zeitpunkt einer Investition ist nicht klar, welche staatlichen Maßnahmen entschädigungslos erfolgen dürfen. Daher ist für Investoren das Eingriffsrisiko schlecht einschätzbar. Für Staaten ist unklar, ob mit bestimmten regulierenden Maßnahmen finanziell negative Folgen verbunden sein werden. Diese Unklarheit im Investitionsrecht macht es erforderlich, dass die Untersuchung zur de facto Enteignung im Investitionsschutz umfangreicher ausfällt, als jene im Bereich des Menschenrechtsschutzes. Es wird zunächst die Vorgangsweise der Menschenrechtsgerichte bei der Prüfung, ob eine de facto Enteignung vorliegt, und im Anschluss daran jene der Investitionsschiedsgerichte analysiert. Wo immer möglich, wird versucht, die Analyse in gleicher Abfolge durchzuführen, um eine gute Vergleichbarkeit der von Menschenrechtsgerichten und Investitionsschiedsgerichten zur Anwendung gebrachten Abgrenzungskriterien zu ermöglichen. Begonnen wird die Erörterung jeweils mit einer Analyse der völkervertragsrechtlichen Regelungen. Im Investitionsrecht wird im Anschluss gezeigt, in welchen speziellen Konstellationen der de facto Enteignung Probleme auftreten. Danach werden jeweils die Kriterien untersucht, die von Menschenrechtsund Investitionsschiedsgerichten zur Entscheidung, ob eine Enteignung vorliegt, herangezogen werden. Zunächst wird die Frage untersucht, wie schwer ein Eingriff sich auf die Rechtsposition des Eigentümers/Investors auswirken muss, damit eine Enteignung vorliegt. Im Anschluss daran wird die zeitliche Dimension der Eingriffe erörtert. In der Folge wird die Rolle des Eingriffszwecks innerhalb der Eingriffsprüfung für die Frage erörtert, ob ein Eingriff eine Enteignung ist. Abschließend wird untersucht, inwieweit Fragen des Vertrauensschutzes die Entscheidung, ob eine Enteignung vorliegt, beeinflussen. Ziel der Analyse ist es, erstens aufzuzeigen, wo die methodischen Ursachen für die derzeit im Investitionsschutz auftretenden Probleme sind. Zweitens wird versucht, jene Elemente der menschenrechtlichen Prüfungsmethodik zu identifizieren, die für eine Lösung des Dilemmas im Bereich der regulativen Eigentumseingriffe im Investitionsschutz Ansätze bieten können.

186

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

I. Eingriffsformen im Menschenrechtsschutz Artikel 21 der Amerikanischen Menschenrechtskonvention regelt unter welchen Voraussetzungen Eingriffe in das Recht auf Eigentum zulässig sind: Article 21. Right to Property 1. Everyone has the right to the use and enjoyment of his property. The law may subordinate such use and enjoyment to the interest of society. 2. No one shall be deprived of his property except upon payment of just compensation, for reasons of public utility or social interest, and in the cases and according to the forms established by law.

Der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte hat im Unterschied zum Europäischen Gerichtshof bisher keine detaillierten Ausführungen zu den verschiedenen Eingriffsformen in das Recht auf Eigentum gemacht. Er hat insbesondere noch keine Kriterien entwickelt, die beispielsweise die Voraussetzungen für das Vorliegen von de facto Enteignungen darlegen. Es wird daher in der Folge zur Analyse hauptsächlich die Judikatur des EGMR herangezogen. Artikel 1 des 1. Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention (Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK) regelt die verschiedenen Eingriffsformen in das Recht auf Eigentum: Every natural or legal person is entitled to the peaceful enjoyment of his possessions. No one shall be deprived of his possessions except in the public interest and subject to the conditions provided for by law and by the general principles of international law. The preceding provisions shall not, however, in any way impair the right of a State to enforce such laws as it deems necessary to control the use of property in accordance with the general interest or to secure the payment of taxes or other contributions or penalties. Toute personne physique ou morale a droit au respect de ses biens. Nul ne peut être privé de sa propriété que pour cause d’utilité publique et dans les conditions prévues par la loi et les principes généraux du droit international. Les dispositions précédentes ne portent pas atteinte au droit que possèdent les Etats de mettre en vigueur les lois qu’ils jugent nécessaires pour réglementer l’usage des biens conformément à l’intérêt général ou pour assurer le paiement des impôts ou d’autres contributions ou des amendes.

Die beiden Absätze enthalten drei verschiedene Aussagen: 1. Absatz 1 Satz 1 enthält als allgemeines Prinzip das Recht auf friedlichen Genuss von Eigentum. 2. Absatz 1 Satz 2 enthält eine Regelung, unter welchen Umständen ein Entzug zulässig ist.8 ___________ 8

„No one shall be deprived of his possession except in …“.

A. Allgemeines

187

3. Absatz 2 sieht vor, unter welchen Bedingungen eine Nutzungsregelung von Eigentum möglich ist.9 Bereits aus der Formulierung dieses Artikels ergibt sich, dass die EMRK mehrere Eingriffstatbestände in das Eigentumsrecht kennt. Die Konvention spricht erstens vom Entzug von Eigentum und zweitens von durch Nutzungsregelungen hervorgerufenen Eingriffen. Der Wortlaut des Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK kennt keine sonstigen Eingriffe in das Eigentumsrecht. Die Straßburger Organe haben jedoch durch Interpretation einen Auffangtatbestand „sonstige Eingriffe“ für all jene Fälle geschaffen, die weder den Tatbestand eines Eigentumsentzugs noch jenen einer Nutzungsregelung verwirklichen. Zu diesem Zweck zog der Gerichtshof Satz 1 des Abs 1 im Sinne einer dritten Eingriffs- und Rechtfertigungsnorm heran.10 Somit gibt es drei Eigentumseingriffe: Enteignungen (Absatz 1, Satz 2), Nutzungsregelungen (Absatz 2) und „sonstige Eingriffe“ (Absatz 1, Satz 1). Nutzungsregelungen und „sonstige Eingriffe“ haben keine Entsprechung im internationalen Investitionsschutz. Vor dem allgemeinen Hintergrund der Arbeit, einen Vergleich zwischen Menschenrechten und Investitionsschutz ziehen zu wollen, wird daher in der Folge dem Tatbestand der Enteignung das Hauptaugenmerk geschenkt. Bei den Tatbeständen „Nutzungsregelungen“ und „sonstige Eingriffe“ wird die Frage, wie sie von Enteignungen abzugrenzen sind, in den Vordergrund der Analyse gestellt. Aufgrund der bereits dargelegten Problemlage im Investitionsschutz, bei der Abgrenzung von regulativen Maßnahmen, die Enteignungen sind, und solchen, die es nicht sind, wird in der Folge das Schwergewicht auf die Abgrenzung der Nutzungsregelungen und „sonstigen Eingriffe“ von den de facto Enteignungen gelegt.

1. Ziel und Vorgangsweise der menschenrechtlichen Eingriffsprüfung Zunächst wird auf Ziel und Vorgangsweise der Eingriffsprüfung eingegangen, bevor die Eingriffstatbestände im Einzelnen analysiert werden. Im Menschenrechtsschutz ist das Eigentumsrecht als „relatives Recht“ konstruiert. Dies hat zur Folge, dass Eingriffe gerechtfertigt sein können. Im Unterschied dazu

___________ 9 „… enforce such laws as it deems necessary to control the use of property in accordance with …“. 10 Siehe dazu unten, S. 198 ff.

188

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

ist bei „absoluten Menschenrechten“ eine Rechtfertigung nicht möglich; jeder Eingriff in das Recht bewirkt automatisch seine Verletzung.11 In der Praxis des EGMR ist das Prüfungssystem zur Feststellung, ob eine Verletzung des Rechts auf Eigentum vorliegt, dreistufig. Auf der ersten Ebene der Prüfung wird festgestellt, ob das geltend gemachte Recht in den Anwendungsbereich ratione materiae des Rechts auf Eigentum fällt, dass heißt ob es Gegenstand des Eigentumsschutzes ist. Auf der zweiten Ebene wird geprüft, ob ein Eingriff in ein solches geschütztes Eigentumsrecht vorliegt. Das heißt, es wird festgestellt, ob durch eine staatliche Maßnahme das Schutzgut (Eigentum) beeinträchtigt ist. Wenn feststeht, dass eine Beeinträchtigung vorliegt, wird geprüft, welche der drei Eingriffsformen (Enteignung, Nutzungsregelung oder „sonstiger Eingriff“) verwirklicht ist. Methodisch ging der EGMR bei der Feststellung, ob ein Eingriff und welche Art von Eingriff vorliegt, nicht immer gleich vor. In etlichen Fällen stellte er zunächst das Vorliegen eines Eingriffs fest und prüfte in einem zweiten Schritt die Art des Eingriffs.12 In anderen Fällen unterblieb eine Aufspaltung in die zwei Schritte und der Gerichtshof prüfte gleich, welche Art von Eingriff vorlag.13 Auf einer dritten Ebene wird untersucht, ob der Eingriff gerechtfertigt war oder eine Verletzung von Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK vorliegt. Im Rahmen der Rechtfertigungsprüfung ist zu überprüfen:

___________ 11

Beim Folterverbot handelt es sich beispielsweise um ein solches absolutes Recht. Siehe z.B.: EGMR, Bäck gg Finnland, Urteil vom 20. Juli 2004, ECHR 2004-VIII, §§ 57, 58; Sporrong und Lönnroth gg Schweden, Urteil vom 23. September 1982, Serie A, Nr. 52, §§ 60 ff.; Poiss gg Österreich, Urteil vom 23. April 1987, Serie A, Nr. 117, §§ 62 ff.; Erkner und Hofauer gg Österreich, Urteil vom 23. April 1987, Serie A, Nr. 117, §§ 72 ff.; Wiesinger gg Österreich, Urteil vom 30. Oktober 1991, Serie A, Nr. 213, §§ 70 ff.; Tre Traktörer Aktiebolag gg Schweden, Urteil vom 7. Juli 1989, Serie A, Nr. 159, §§ 53 ff.; Fredin gg Schweden (Nr. 1), Urteil vom 18. Februar 1991, Serie A, Nr. 192, §§ 40 ff.; Pine Valley Developments Ltd. and Others gg Irland, Urteil vom 29. November 1991, Serie A, Nr. 222, §§ 54; Papamichalopoulos gg Griechenland, Urteil vom 23. Juni 1993, Serie A, Nr. 260-B, §§ 41 ff.; Brumarescu gg Rumänien [GC], Nr. 28342/95, Urteil vom 28. Oktober 1999, ECHR 1999-VII, §§ 74 ff.; Zwierzynski gg Polen, Urteil vom 19. Juni 2001, ECHR 2001-VI, §§ 67 ff.; Matos und Silva gg Portugal, Urteil vom 27. August 1996, ECHR 1996-IV, §§ 79 ff. 13 Siehe z.B.: EGMR, Lithgow gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 8. Juli 1986, Serie A, Nr. 102, § 107; Mellacher gg Österreich, Urteil vom 19. Dezember 1989, Serie A, Nr. 169, §§ 42 ff.; The Holy Monasteries gg Griechenland, Urteil vom 9. Dezember 1994, Serie A, Nr. 301-A, § 66; Vasilescu gg Rumänien, Urteil vom 22. Mai 1998, ECHR 1998-III, § 50; Allard gg Schweden, Urteil vom 24. Juni 2003, ECHR 2003-VII, § 50. 12

A. Allgemeines



ob der Eingriff rechtmäßig,14



ob er im öffentlichen Interesse erfolgt ist15 und



ob er verhältnismäßig war.16

189

Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung wird eine Abwägung zwischen dem staatlichen Interesse am Eingriff und dem Interesse des betroffenen Individuums am Schutz seines Eigentums vorgenommen. Die Höhe einer bereits geleisteten Entschädigung oder das Fehlen einer solchen ist dabei miteinzubeziehen. Ziel dieser Prüfung ist, festzustellen, ob eine Verletzung von Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK vorliegt.

Abbildung 1: Prüfungssystem zur Feststellung, ob eine Verletzung des Rechts auf Eigentum vorliegt

Erst in weiterer Folge kann der Gerichtshof, nachdem er festgestellt hat, dass eine Verletzung von Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK vorliegt, den Staat zur Zahlung von „just satisfaction“ und zum Ersatz der Verfahrenskosten verpflichten. Gemäß Artikel 41 der EMRK spricht der EGMR erfolgreichen Beschwerdefüh___________ 14

Die Rechtmäßigkeitsprüfung im System der EMRK hat andere Parameter und andere Konsequenzen als die im Bereich des Investitionsrechts vorgenommene Rechtmäßigkeitsprüfung. Siehe dazu näher unten, S. 437 ff., 546 ff. 15 Siehe unten, S. 431 ff. 16 Siehe dazu unten, S. 446 ff.

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2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

rern „just satisfaction“ zu, „wenn dies erforderlich ist“.17 In der Regel wird darüber gemeinsam mit dem Urteil in der Hauptsache, mit dem eine Verletzung festgestellt wird, entschieden. Es kann darüber aber auch getrennt abgesprochen werden. Der Gegenstand des Eigentumsschutzes (die erste Ebene) wurde bereits im ersten Teil dieser Arbeit behandelt. Die Frage, welche Eingriffstatbestände im Rahmen des Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK zur Verfügung stehen und unter welchen Voraussetzungen sie erfüllt sind, wird in diesem Teil erörtert. Die Rechtfertigungsprüfung, welche die dritte Prüfungsebene bildet, wird im darauf folgenden Teil untersucht werden.

2. Die Eingriffstatbestände a) Enteignung Da nur der Tatbestand der Enteignung ein Pendant im internationalen Investitionsschutz hat, wird er im nächsten Abschnitt18 ausführlich erörtert und der menschenrechtliche Zugang mit jenem des Investitionsrechts verglichen. Wie gezeigt werden wird, sind vom Tatbestand der Enteignung nicht nur formelle Enteignungen, sondern auch de facto Enteignungen umfasst.19 Für die Entscheidung, ob ein Eingriff eine Enteignung ist, sind zwei Kriterien maßgeblich, die später ausführlich analysiert und dargelegt werden: –

die Schwere des Eingriffs20 und



die zeitliche Dauer des Eingriffs (Irreversibilität).21

Nur wenn der wirtschaftliche Wert des Eigentums zur Gänze vernichtet, keine Restnutzung mehr möglich und der Eingriff irreversibel ist, liegt nach der Judikatur des EGMR eine Enteignung vor.22 Wenn dies nicht der Fall ist, han___________ 17 Siehe dazu näher: C. Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention3, 2008, Kapitel 15, Gerechte Entschädigung und Ersatz der Kosten; L. Wildhaber, Article 41 of the European Convention on Human Rights, 3 Baltic yearbook of international law 2003, 1 ff.; C. Tomuschat, Just satisfaction under Article 50 of the European Convention on Human Rights, in: P. Mahoney (Hrsg.), Protection des droits de l’homme la perspective européenne, mélanges à la mémoire de Rolv Ryssdal, 2000, 1409–1430; G. Dannemann, Schadenersatz bei Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention, 1994. 18 Siehe unten, S. 227 ff. 19 Siehe dazu unten S. 240 ff. 20 Siehe dazu unten, S. 241 ff. 21 Siehe dazu unten, S. 247 ff. 22 Siehe dazu unten, S. 252.

A. Allgemeines

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delt es sich bei dem Eigentumseingriff entweder um eine Nutzungsreglung oder einen „sonstigen Eingriff“. In der Folge soll zunächst kurz auf die Nutzungsregelungen und im Anschluss daran auf die „sonstigen Eingriffe“ eingegangen werden.

b) Nutzungsregelungen (Control of use) aa) Wann liegt eine Nutzungsregelung vor? Nutzungsregelungen im Sinne von Artikel 1(2) des 1. ZP zur EMRK sind staatliche Regelungen, die eine bestimmte Nutzung des Eigentums entweder ge- oder verbieten.23

(1) Eingriffsintensität Charakteristisch für Nutzungsregelungen ist, dass sie nicht zu einem Verlust des Titels führen. Bei einer formellen Titelübertragung liegt in der Regel eine formelle Enteignung vor. Von dieser Grundregel gibt es jedoch eine Ausnahme. Der EGMR wertete temporäre oder dauerhafte Eigentumsentzüge dann als Nutzungsregelung, wenn diese Sanktionen für einen rechtswidrigen Gebrauch von Sachen waren.24 Abgesehen von dieser Ausnahme ist die Eingriffsintensität25 ein entscheidendes Abgrenzungskriterium zwischen Nutzungsregelungen und de facto Enteignungen. Die Abgrenzung erfolgt durch negative Auslese. Das heißt, immer dann, wenn die für das Vorliegen einer de facto Enteignung notwendige Schwere nicht vorliegt und das Kriterium des Zwecks, auf das in der Folge eingegangen wird, erfüllt ist, liegt eine Nutzungsregelung im Sinne des Absatz 2 vor.26 ___________ 23 W. Peukert, Der Schutz des Eigentums nach Art. 1 des ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention, 8 EuGRZ 1981, 97, S. 106; W. Peukert, Artikel 1 des 1. ZP, in: J. A. Frowein/W. Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK Kommentar², 1996, S. 785; O. Müller-Michaels, Grundrechtlicher Eigentumsschutz in der Europäischen Union, 1997, S. 72; C. Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention3, 2008, Kapitel 25, Wirtschaftliche Grundrechte, Rz 12. 24 Siehe dazu näher unten S. 197. 25 Siehe dazu näher unten S. 241 f. 26 Siehe z.B. die folgenden Fälle: EKMR, Pinnacle Meat Processors Company and 8 others gg Vereinigtes Königreich, Nr. 33298/96, Entscheidung vom 21. Oktober 1998.

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2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

(2) Eingriffszweck Ein entscheidendes Merkmal für das Vorliegen einer Nutzungsregelung ist der Zweck der Maßnahme.27 Wie der EGMR mehrfach ausgeführt hat, muss der Eingriff dem Ziel dienen, den Gebrauch des Eigentums zu kontrollieren.28 Stellvertretend sei der Fall Sporrong und Lönnroth29 erwähnt. Die Eigentümer machten eine de facto Enteignung geltend. Deren Vorliegen wurde vom Gerichtshof verneint.30 Er prüfte in der Folge, ob es sich bei den Eingriffen um eine Nutzungsregelung gehandelt habe. Der Gerichtshof führte aus, dass der Eingriff keine Nutzungsregelung im Sinne des Absatzes 2 sei. Er begründete dies damit, dass die vorliegenden Enteignungsberechtigungen nicht der Beschränkung oder Kontrolle des Eigentums gedient haben. Sie seien vielmehr ein erster Schritt in einem Verfahren gewesen, das auf eine Enteignung abgezielt habe. Daher waren die Maßnahmen unter der allgemeinen Norm des Artikel 1, Absatz 1, Satz 1 („sonstige Eingriffe“) zu prüfen: ___________ EGMR, Tre Traktörer Aktiebolag gg Schweden, Urteil vom 7. Juli 1989, Serie A, Nr. 159; Mellacher gg Österreich, Urteil vom 19. Dezember 1989, Serie A, Nr. 169; Fredin gg Schweden (Nr. 1), Urteil vom 18. Februar 1991, Serie A, Nr. 192; Pine Valley Developments Ltd. and Others gg Irland, Urteil vom 29. November 1991, Serie A, Nr. 222; Spadea und Scalabrino gg Italien, Urteil vom 28. September 1995, Serie A, Nr. 315-B; Scollo gg Italien, Urteil vom 28. September 1995, Serie A, Nr. 315-C; Olbertz gg Deutschland, Nr. 37592/97, Entscheidung vom 25. Mai 1999, ECHR 1999-V; Chassagnou und andere gg Frankreich, Urteil vom 29. April 1999, ECHR 1999-III, § 74; Immobiliare Saffi gg Italien, Urteil vom 28. Juli 1999, ECHR 1999-V, § 46; Lena Aschan und andere gg Finnland, Nr. 37858/97, Entscheidung vom 15. Februar 2001; Hutten-Czapska gg Polen [GC], Nr. 35014/97, Urteil vom 19. Juni 2006. Gelinsky (K. Gelinsky, Der Schutz des Eigentums gemäß Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention, 1996, S. 50 f.) erwähnt noch, dass Eigentumsverschiebungen zwischen Privaten grundsätzlich als nutzungsregelnde Tätigkeit des privatrechtsgestaltenden Gesetzgebers gewertet würden. Dem ist, wie später ausgeführt wird (siehe unten S. 407 ff.), aufgrund der jüngeren Rechtsprechung in dieser Allgemeinheit nicht mehr zuzustimmen. 27 K. Gelinsky, Der Schutz des Eigentums gemäß Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention, 1996, S. 54; P. Mittelberger, Der Eigentumsschutz nach Art. 1 des ersten Zusatzprotokolls zur EMRK im Lichte der Rechtsprechung der Strassburger Organe, 2000, S. 70. 28 Siehe z.B.: EGMR, Sporrong und Lönnroth gg Schweden, Urteil vom 23. September 1982, Serie A, Nr. 52, § 65; Papamichalopoulos gg Griechenland, Urteil vom 23. Juni 1993, Serie A, Nr. 260-B, § 41; EKMR, Stiftelsen Akademiska gg Schweden, Nr. 11661/85, Entscheidung vom 6. Juli 1987, DR 53,163, S. 164. 29 EGMR, Sporrong und Lönnroth gg Schweden, Urteil vom 23. September 1982, Serie A, Nr. 52. Zum Sachverhalt siehe ausführlich, S. 199. 30 Siehe dazu auch S. 199, 241 ff.

A. Allgemeines

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On the other hand, the expropriation permits were not intended to limit or control such use. Since they were an initial step in a procedure leading to deprivation of possessions, they did not fall within the ambit of the second paragraph. They must be examined under the first sentence of the first paragraph.31

Das Bestehen der Absicht, die Nutzung des Eigentums zu regeln oder zu beschränken, ist somit zwingende Voraussetzung für das Vorliegen einer Nutzungsregelung. Fehlte dieses Element und lag auch keine Enteignung vor, prüfte der Gerichtshof, ob ein „sonstiger Eingriff“ (Absatz 1, Satz 1) vorlag. Der Eingriffszweck ist daher vor allem maßgeblich für die Differenzierung zwischen Nutzungsregelungen und „sonstigen Eigentumseingriffen“. Eine geringere Bedeutung kommt ihm bei der Abgrenzung von de facto Enteignungen und Nutzungsregelungen zu.32 Diese erfolgte, wie bei der Analyse der de facto Enteignungen ausführlich dargelegt wird, hauptsächlich über die Intensität des Eingriffs.33 bb) Charakteristische Fallgruppen in der Judikatur Der Staat kann aufgrund einer Vielzahl öffentlicher Interessen die Nutzung von Privateigentum regeln. Es gibt daher zahlreiche Fälle, in denen die Konventionsorgane sich mit derartigen Nutzungsregelungen zu beschäftigen hatten. Eine Erwähnung sämtlicher Fälle erscheint nicht zielführend. In der Folge werden daher einige charakteristische Fallgruppen herausgegriffen, wobei insbesondere jene Fälle behandelt werden, die vom Gerichtshof entschieden wurden. Bei einer unterschiedlichen Einordnung zwischen Gerichtshof und Kommission hinsichtlich der Eingriffsart (Enteignung oder Nutzungsregelung) wird jene Zuordnung gewählt, die der Gerichtshof getroffen hat: –

Bauverbote und sonstige Maßnahmen mit raum- oder städteplanerischem Hintergrund, die keiner Enteignung vorausgingen, sondern nur städte- oder raumplanerische Zwecke verfolgten, wurden wiederholt als Nutzungsregelungen angesehen.34

___________ 31

Ibid., § 65. Siehe jedoch EGMR, Venditelli gg Italien, Urteil vom 18. Juli 1994, Serie A, Nr. 293-A, § 38: Like the Commission, the Court finds that the impugned measure was provided for by law and was designed not to deprive the applicant of his property but only to prevent him from using it. Consequently, the second paragraph of Article 1 of Protocol No. 1 (P1-1) applies in this instance. 33 Siehe jedoch: EGMR, Capital Bank AD gg Bulgarien, Nr. 49429/99, Urteil vom 24. November 2005, § 131. 34 EKMR, Chater gg Vereinigtes Königreich, Nr. 11723/85, Entscheidung vom 7. Mai 1987, DR 52, 250, S. 256. Ein Verbot, in einer Wohngegend in einer Garage eine Fahrzeugreparaturwerkstatt zu betreiben, wurde von der Kommission als Nutzungsrege32

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2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

Genehmigungen, Eingriffe in Goodwill: In Fällen, in denen Beschwerde wegen des Entzugs von Genehmigungen erhoben worden war, machten die Beschwerdeführer regelmäßig eine de facto Enteignung geltend.35 Der Gerichtshof ging jedoch vom Vorliegen einer Nutzungsregelung aus.36

___________ lung angesehen. Der Betreiber hatte niemals eine Genehmigung gehabt, einer derartigen Tätigkeit auf dem Gelände nachzugehen. Der Tätigkeit stand die Widmung des Gebietes entgegen. Aufgrund von Anreinerbeschwerden wurde ihm die Tätigkeit untersagt. EGMR, Allan Jacobson gg Schweden, Urteil vom 25. September 1989, Serie A, Nr. 163. Gerichtshof und Kommission werteten im Fall Allan Jacobsson gg Schweden ein Verbot, ein zweites Haus auf einem Grundstück zu errichten, als eine nutzungsregelnde Maßnahme. Entscheidend dafür, die Maßnahme nicht unter der allgemeinen Eigentumsschutzbestimmung des Artikel 1 Absatz 1 Satz 1 zu prüfen, war, dass eine Enteignung niemals vorgesehen war und staatlicherseits keine darauf hindeutenden Maßnahmen unternommen worden waren. (§ 54) EGMR, Pine Valley Developments Ltd. and Others gg Irland, Urteil vom 29. November 1991, Serie A, Nr. 222, § 56. Zum genauen Sachverhalt siehe unten S. 243. Der Fall betraf ein rückwirkendes, bauliches Erschließungverbot eines Grundstückes. Der Oberste Gerichtshof Irlands hatte eine Erlaubnis zur Erschließung für nichtig erklärt. EGMR, Venditelli gg Italien, Urteil vom 18. Juli 1994, Serie A, Nr. 293-A. Dem Eigentümer war wegen der Verletzung der Städteplanungsbestimmungen die Wohnung versiegelt worden. Der Gerichtshof stellte fest, dass es sich bei der Maßnahme um eine Nutzungsregelung gehandelt habe. (§ 38). Dies deshalb, weil keine Entzugsabsicht der Behörden bestanden habe. EGMR, Chassagnou gg Frankreich, Urteil vom 29. April 1999, ECHR 1999-III. Grundstückseigentümer konnten verpflichtet werden, staatlich eingerichteten Jagdverbänden beizutreten und diesen das Jagdrecht auf ihren Grundstücken zu übertragen. Die Beschwerdeführer, Jagdgegner, wehrten sich gegen diese Übertragung. Der Gerichtshof wertete den Eingriff als Nutzungsregelung. (§ 74). 35 Für eine ausführliche Abhandlung, siehe unten zur Frage der de facto Enteignung, S. 240 ff. 36 EGMR van Marle u.a. gg Niederlande, Urteil vom 26. Juni 1986, Serie A, Nr. 101 (behördliches Verbot zur Weiterführung der Berufsbezeichnung Wirtschaftsprüfer). Siehe auch den ähnlich gelagerten Fall Olbertz gg Deutschland, Nr. 37592/97, Entscheidung vom 25. Mai 1999, ECHR 1999-V. Dieser betraf einen Steuerprüfer, der in der DDR zugelassen war, jedoch nicht über die nötige Prüfung verfügte. Da er seine Kanzlei noch verkaufen konnte, handelte es sich nach Auffassung des Gerichtshofs lediglich um eine Nutzungsregelung im Hinblick auf den Goodwill des Unternehmens. EGMR, Tre Traktörer Aktiebolag gg Schweden, Urteil vom 7. Juli 1989, Serie A, Nr. 159 (Entzug einer Alkoholausschankgenehmigung für sein Lokal). EGMR, Fredin gg Schweden (Nr. 1), Urteil vom 18. Februar 1991, Serie A, Nr. 192 (Entzug einer Kiesgrubengenehmigung). EKMR, Pinnacle Meat Processors Company and 8 others gg Vereinigtes Königreich, Nr. 33298/96, Entscheidung vom 21. Oktober 1998 (Im Zuge der BSE-Krise verhängtes Verbot, Rinderknochen zu verarbeiten und zu verkaufen).

A. Allgemeines

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Wohn- und Mietpreisbeschränkungen: Sowohl wohn- als auch mietrechtliche Beschränkungen wurden von den Konventionsorganen nur als Nutzungsregelungen angesehen, auch wenn die Einbußen für die Eigentümer beträchtlich waren.37 Dies deshalb, weil das Eigentumsrecht nicht als gänzlich vernichtet angesehen wurde. Typische Fallkonstellationen waren entweder Mietpreisobergrenzen38 oder Weigerungen, Mieter, deren Mietverträge abgelaufen oder sonst aufgelöst worden waren, aus Wohnungen zu entfernen.39 Wobei teils, wie etwa im Fall Hutten___________ EKMR, Ian Edgar gg Vereinigtes Königreich, Nr. 37683/97, Entscheidung vom 25. Jänner 2000 (Feuerwaffenverkäufer, der aufgrund geänderter gesetzlicher Regelungen einen Teil der Produktpalette nicht mehr verkaufen durfte.). EGMR, Aschan u.a. gg Finnland, Nr. 37858/97, Entscheidung vom 15. Februar 2001; Posti und Rahko gg Finnland, Urteil vom 24. September 2002, ECHR 2002-VII; Alatulkkila u.a. gg Finnland, Nr. 33538/96, Urteil vom 28. Juli 2005. Die Fälle betrafen jeweils Eingriffe in Fischereirechte der Beschwerdeführer. Im Fall Aschan wurde den Eigentümern von Fischgewässern das exklusive Fangrecht und damit die Möglichkeit zum Verkauf von Fanglizenzen entzogen. Die Maßnahme wurde mit der Wichtigkeit des Angelsports als Freizeitbeschäftigung begründet. Der Staat zahlte eine bestimmte Entschädigung für diesen Verdienstentgang. Diese wurde von den Eigentümern jedoch als zu gering angesehen. In den Fällen Posti und Rahko gg Finnland und Alatulkkila u.a. gg Finnland betraf die Fangbeschränkung bestimmte Fischarten und diente dem Schutz von Fischbeständen. Die Maßnahmen wurden jeweils als Nutzungsregelungen angesehen. EGMR, Rosenzweig and Bonded Warehouses Ltd. gg Polen, Nr. 51728/99, Urteil vom 28. Juli 2005, § 49. Der Fall betraf einen Entzug einer Genehmigung, ein Zollverschlusslager zu betreiben durch die Zollbehörden. 37 Siehe z.B.: EKMR X, Y gg Niederlande, Nr. 6202/73, Entscheidung vom 16. März 1975, DR 1, 66, S. 68; Wiggins gg Vereinigtes Königreich, Nr. 7456/76, Entscheidung vom 8. Februar 1978, DR 13, 40, S. 47: Genehmigungspflicht für zugezogene und auswärts arbeitende Personen ist eine nutzungsregelnde Maßnahme; ebenso Gillow gg Vereinigtes Königreich, Kommissionsbericht gemäß Artikel 31 vom 3. Oktober 1984, in EGMR, Serie A, Nr. 109, §§ 149–151: Genehmigungspflicht für das Wohnen im eigenen Haus auf einer Insel für zugezogene und auswärts arbeitende Personen ist eine nutzungsregelnde Maßnahme. EGMR, Spadea und Scalabrino gg Italien, Urteil vom 28. September 1995, Serie A, Nr. 315-B, § 28; Scollo gg Italien, Urteil vom 28. September 1995, Serie A, Nr. 315-C, § 27; Velosa Barreto gg Portugal, Urteil vom 21. November 1995, Serie A, Nr. 334, § 35; Immobiliare Saffi gg Italien, Urteil vom 28. Juli 1999, ECHR 1999-V, § 46; A.O. gg Italien, Nr. 22534/93, Urteil vom 30. Mai 2000, § 20; Schirmer gg Polen, Nr. 68880/01, Urteil vom 21. September 2004 (Mietpreisobergrenze; Kündigungsschutz); EGMR, Hutten-Czapska gg Polen [GC], Nr. 35014/97, Urteil vom 19. Juni 2006 (Mietpreisobergrenze; Kündigungsschutz). 38 Siehe z.B.: EKMR, Z. und E. gg Österreich, Nr. 10153/82, Entscheidung vom 13. Oktober 1986, DR 49, 67, S. 74 f.; EGMR, Mellacher gg Österreich, Urteil vom 19. Dezember 1989, Serie A, Nr. 169, §§ 27, 44, 55; zum Sachverhalt siehe ausführlicher S. 386; EGMR, Hutten-Czapska gg Polen [GC], Nr. 35014/97, Urteil vom 19. Juni 2006. 39 Siehe z.B.: EGMR, Spadea und Scalabrino gg Italien, Urteil vom 28. September 1995, Serie A, Nr. 315-B, § 28; Scollo gg Italien, Urteil vom 28. September 1995, Serie A, Nr. 315-C, § 27; Velosa Barreto gg Portugal, Urteil vom 21. November 1995, Serie

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2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

Czapska, in dem die innerstaatlich zulässigen Mieten nicht einmal die Erhaltungskosten abdeckten, vom Gerichtshof Verletzungen des Rechts auf Eigentum festgestellt wurden.40 –

Abgaben: Absatz 2 des Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK sieht ausdrücklich das Recht der Staaten vor, Gesetze zu erlassen, die für die Sicherung der Zahlung der Steuern oder sonstiger Abgaben notwendig sind.41 Davon umfasst sind sowohl materielle als auch verfahrensrechtliche Regelungen.42 Der Abgabenbegriff ist ein weiter, es wurden beispielsweise auch Zwangsbeiträge zur Sozialversicherung, Gerichtskosten und Anliegerbeiträge für den Straßenbau darunter subsumiert.43 Die Regelung bedeutet aber nicht, dass die oben erwähnte Abgrenzung aufgrund der Eingriffsintensität im Bereich der Abgabenleistungen nicht zur Anwendung käme. Denn sonst stünde es den Staaten frei, unter dem Titel der Steuereinhebung einen Eigentumsentzug zu verschleiern.44 Die Kommission bestätigte diese Ansicht, wenn sie im Fall Wasa Liv Ömsesidigt, Försäkringsbolaget Valands Pensionsstiftelse ua gg Schweden45 ausführte, dass die Einhebung von Steuern auch Entzugscharakter haben kann. Die Kommission wies aber auf den weiten Anwendungsspielraum der Staaten in diesem Bereich hin. Bisher wurde weder das Vorliegen einer Enteignung in Folge einer Besteuerung noch eine Verletzung von Artikel 1(2) (Nutzungsregelung) durch Steuereinhebungen festgestellt.46/47

___________ A, Nr. 334, § 35; Immobiliare Saffi gg Italien, Urteil vom 28. Juli 1999, ECHR 1999-V, § 46; A.O. gg Italien, Nr. 22534/93, Urteil vom 30. Mai 2000, § 20. 40 EGMR, Hutten-Czapska gg Polen [GC], Nr. 35014/97, Urteil vom 19. Juni 2006, §§ 224, 225. 41 EGMR, Koop-Automaten Goldene 7 GmbH & Co. KG gg Deutschland, Nr. 38070/97, Entscheidung vom 30. März 1999. 42 C. Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention3, 2008, Kapitel 25, Wirtschaftliche Grundrechte, Rz 13. 43 Vgl. W. Peukert, Der Schutz des Eigentums nach Art. 1 des ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention, 8 EuGRZ 1981, 97, S. 113 m.w.N. 44 Dolzer erwähnt als krasses Beispiel einer Steuer, die wohl als Enteignung zu werten wäre, eine burmesische Regelung des Steuerrechts aus 1963, wonach ab einem Gewinn über einer bestimmten Summe dieser mit einer Steuer von bis zu 99% belegt wurde. Die britische Regierung, deren Staatsangehörige von der Regelung betroffen waren, habe diese als de facto Enteignung angesehen. (R. Dolzer, Eigentum, Enteignung und Entschädigung im geltenden Völkerrecht, 1985, S. 252 f.). 45 EKMR, Wasa Liv Ömsesidigt, Försäkringsbolaget Valands Pensionsstiftelse u.a. gg Schweden, Beschwerde Nr. 13013/87, Entscheidung vom 14. Dezember 1988, DR 58, S. 163, 186. 46 Siehe z.B.: EKMR, Svenska Managementgruppe gg Schweden, Entscheidung vom 2. Dezember 1985, DR 45, 211, S. 223; Wasa Liv Ömsesidigt, Försäkringsbolaget Valands Pensionsstiftelse u.a. gg Schweden, Beschwerde Nr. 13013/87, Entscheidung

A. Allgemeines

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Konfiskationen: Einen Sonderfall bilden Einziehungen, Konfiskationen und Zerstörungen von Gegenständen, deren Benutzung verboten ist oder von denen eine Gefahr für die Allgemeinheit ausgeht. Derartige Maßnahmen wurden vom Gerichtshof unabhängig von ihrer Intensität, die zweifelsohne jene einer Enteignung erreicht, als bloße Nutzungsregelungen angesehen. Dies deshalb, weil sie der Durchsetzung nutzungsrechtlicher Vorschriften dienen.48 Die Norm ist ein Sonderfall der Nutzungsregelungen, weil trotz eines Totalentzugs aufgrund des Zwecks der Maßnahmen keine Enteignung vorliegt.



Zwangsverwaltung bei Konkurs: Ebenfalls nicht als de facto Enteignungen sondern als Nutzungsregelungen wurden staatlich angeordnete

___________ vom 14. Dezember 1988, DR 58, 163, S. 187; Koop-Automaten Goldene 7 GmbH & Co. KG gg Deutschland, Nr. 38070/97, Entscheidung vom 30. März 1999; National and Provincial Building Societies u.a. gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 23. Oktober 1997, ECHR 1997-VII, § 83; Spacek gg Tschechische Republik, Nr. 26449/95, Urteil vom 9. November 1999, §§ 60, 61. Uneinigkeit, ob ein Entzug oder eine Nutzungsregelung vorliegt, herrschte zwischen Kommission und Gerichtshof im Fall Gasus Dossier und Fördertechnik gg Niederlande (Urteil vom 23. Februar 1995, Serie A, Nr. 306-B). Die Steuerbehörden beschlagnahmten eine unter Eigentumsvorbehalt von Gasus verkaufte Betonmischmaschine zur Tilgung von Steuerschulden des Käufers. Die Kommission sah darin einen Eigentumsentzug und hielt daher Artikel 1, Absatz 1, Satz 2 für anwendbar. (EKMR, Bericht gemäß Artikel 31 vom 21. Oktober 1993, Serie A, Nr. 306-B, § 57). Der Gerichtshof war der Auffassung, dass in der Beschlagnahme nur eine Maßnahme zur Sicherung der Steuerzahlung zu sehen sei und daher eine Nutzungsregelung vorliege. Dass davon Eigentum einer dritten Person betroffen sei, ändere nichts an der Bewertung des Eingriffs als Maßnahme zur Sicherung der Steuerleistung. (Urteil, § 59). Der Fall ist jedoch aufgrund des Vorliegens eines Verkaufs unter Eigentumsvorbehalt untypisch, weil nur dadurch ein Eigentumsobjekt zur Gänze entzogen wird. 47 Weitere Fälle, in denen der Gerichtshof die Abgabennorm für anwendbar hielt sind z.B.: National and Provincial Building Societies u.a. gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 23. Oktober 1997, ECHR 1997-VII, § 79; Spacek gg Tschechische Republik, Nr. 26449/95, Urteil vom 9. November 1999, §§ 60, 61. Zur Abgrenzung von Enteignungen und der Abgabennorm siehe: P. Mittelberger, Der Eigentumsschutz nach Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur EMRK im Lichte der Rechtsprechung der Strassburger Organe, 2000, S. 92 ff. 48 Siehe z.B. die Fälle: EKMR, G.,S. und M. gg Österreich, Nr. 9614/81, Entscheidung vom 12. Oktober 1983, DR 34, 119, S. 124 (Entzug von Dokumenten zu Beweiszwecken in einem Strafverfahren); EGMR, Handyside gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 7. Dezember 1976, Serie A, Nr. 24; Agosi gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 22. September 1986, Serie A, Nr. 108; Raimondo gg Italien, Urteil vom 22. Februar 1994, Serie A, Nr. 281-A (Verhinderung der Nutzungsmöglichkeit der Fahrzeuge durch den Eigentümer; die Fahrzeuge standen im Zusammenhang mit Tätigkeiten der Mafia); Air Canada gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 5. Mai 1995, Serie A, Nr. 316-A; Phillips gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 5. Juli 2001, ECHR 2001-VII.

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2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

Zwangsverwaltungen in Insolvenzverfahren angesehen.49 Der Gerichtshof führte im „leading case“ Luordo50 als Begründung an, dass dem Beschwerdeführer nicht sein Eigentum, sondern nur die Verwaltung und die Verfügungsgewalt darüber entzogen worden sei, weshalb eine Nutzungsregelung vorliege und keine Enteignung.51 Der Gerichtshof stellte in der Folge eine Verletzung des Rechts auf Eigentum fest.

cc) Zwischenergebnis – Nutzungsregelung Damit der EGMR einen staatlichen Eingriff als Nutzungsregelung ansieht, muss zunächst eine Nutzungsregelungsabsicht des Staates gegeben sein. In dieser Weise werden Nutzungsregelungen von „sonstigen Eingriffen“ abgegrenzt. Zweitens darf der Eingriff nicht so schwer wiegen, dass er die Schwelle zur de facto Enteignung überschreitet, womit in der Intensität des Eingriffs das entscheidende Abgrenzungskriterium zwischen Nutzungsregelungen und de facto Enteignungen zu sehen ist.52 Die Abgrenzung zur formellen Enteignung erfolgt in der Regel durch die Voraussetzung eines formellen Titeltransfers bei formellen Enteignungen. Eine Ausnahme davon besteht nur hinsichtlich von Eigentumsentzügen infolge rechtswidrigen Gebrauchs der Sache. Hier wird trotz des Vorliegens eines Titeltransfers vom Vorliegen einer Nutzungsregelung ausgegangen.

c) Sonstige Eingriffe Der Wortlaut des Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK kennt keine „sonstigen Eingriffe“ in das Eigentumsrecht. Die Straßburger Organe haben vielmehr durch Interpretation einen Auffangtatbestand für all jene Fälle geschaffen, die weder den Tatbestand eines Eigentumsentzugs noch jenen einer Nutzungsregelung ___________ 49

EGMR, Saggio gg Italien, Nr. 41879/98, Urteil vom 25. Oktober 2001, § 28; Luordo gg Italien, Nr. 32190/96, Urteil vom 17. Oktober 2003, ECHR 2003-IX, § 67; Bottaro gg Italien, Nr. 56289/00, Urteil vom 17. Juli 2003, § 28; Peroni gg Italien, Nr. 44521/98, Urteil vom 6. November 2003; S.C., F.C., M.C., und E.C. gg Italien, Nr. 52985/99, Urteil vom 6. November 2003; Parisi u.a. gg Italien, Nr. 39884/98, Urteil vom 5. Februar 2004; Neroni gg Italien, Nr. 7503/02, Urteil vom 22. April 2004; Capital Bank AD gg Bulgarien, Nr. 49429/99, Urteil vom 24. November 2005, § 131. 50 EGMR, Luordo gg Italien, Nr. 32190/96, Urteil vom 17. Oktober 2003, ECHR 2003-IX. 51 Ibid., § 67. 52 Siehe jedoch: EGMR, Capital Bank AD gg Bulgarien, Nr. 49429/99, Urteil vom 24. November 2005, § 131.

A. Allgemeines

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verwirklichen. Zu diesem Zweck zog der Gerichtshof Satz 1 des Abs 1 des 1. ZP zur EMRK im Sinne einer dritten Eingriffs- und Rechtfertigungsnorm („sonstige Eingriffe“) heran. Diese Interpretation wurde erstmals in der Entscheidung im Fall Sporrong und Lönnroth53 gewählt. In der deutschsprachigen Literatur werden unter anderem die Ausdrücke „Weder-noch“-Eingriffe, „Eingriffe der dritten Art“54 und „sonstige Eingriffe“55 verwendet. Die Konventionsorgane verwenden den Begriff „erste Norm“. Es soll zunächst der Anlassfall und „leading case“ für diesen Eingriffstyp erläutert und anschließend die Kriterien für die Anwendbarkeit von Satz 1 („sonstige Eingriffe“) dargelegt werden. Im Fall Sporrong und Lönnroth56 lagen Enteignungsbewilligungen für Grundstücke mit Häusern in Stockholm während acht bzw. dreiundzwanzig Jahren vor, ohne dass es zu einer formellen Enteignung gekommen wäre. Zudem waren die Grundstücke mit einem Bauverbot belegt worden, das zwölf bzw. fünfundzwanzig Jahre lang in Kraft gewesen war. Die von der Stadt ergriffenen Maßnahmen hatten beträchtliche Auswirkungen auf den Wert und die Verkaufsfähigkeit der Grundstücke. Die Eigentümer machten eine de facto Enteignung geltend. Die Kommission stellte auf die kumulativen Auswirkungen der Maßnahmen ab. Sie kam ohne besondere Begründung zum Ergebnis, dass es sich um Nutzungsregelungen im Sinne des Absatzes 2 gehandelt habe, und sah die Norm nicht als verletzt an. Der Gerichtshof verneinte die Anwendbarkeit der Enteignungsnorm (Absatz 1 Satz 1) ebenso wie das Vorliegen einer Nutzungsregelung (Absatz 2). Das Vorliegen einer de facto Enteignung lehnte der Gerichtshof wegen mangelnder Schwere des Eingriffs ab.57 Er war der Ansicht, dass es sich zwar beim Bauverbot, nicht jedoch bei den Enteignungsbewilligungen um Nutzungsregelungen im Sinne des Absatzes 2 handelte. Dies deshalb, weil die Regelung keine Regelung der Nutzung bezwecke, sondern vielmehr den ersten Schritt zu einer Enteignung darstelle.58 ___________ 53

EGMR, Sporrong und Lönnroth, Urteil vom 23. September 1982, Serie A, Nr. 52. O. Müller-Michaels, Grundrechtlicher Eigentumsschutz in der Europäischen Union, 1997, S. 72, 77. 55 K. Gelinsky, Der Schutz des Eigentums gemäß Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention, 1996, S. 73 ff.; Peukert verwendet den Ausdruck „sonstige das Gebot der Achtung des Eigntums verletzende Beeinträchtigungen“. (W. Peukert, Artikel 1 des 1. ZP, in: J. A. Frowein/W. Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK Kommentar², 1996, S. 786. 56 EGMR, Sporrong und Lönnroth, Urteil vom 23. September 1982, Serie A, Nr. 52. 57 Siehe dazu unten S. 241 ff. 58 Ibid., §§ 64 ff. 54

200

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

Eine mögliche Schlussfolgerung aus der Ablehnung der einzigen zwei textlich vorgesehenen Ausnahmen vom Prinzip des Eigentumsschutzes seitens des Gerichtshofs wäre gewesen, den Eingriff daher als konventionswidrig zu werten. Denn, wie der Gerichtshof selbst in ständiger Rechtsprechung ausführt, postuliert der erste Satz des Absatzes 1 das Prinzip der friedlichen Eigentumsnutzung: … the first rule, set out in the first sentence of the first paragraph, is of a general nature and enunciates the principle of the peaceful enjoyment of property. 59

Von diesem Prinzip sind textlich in Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK nur zwei Ausnahmen vorgesehen: Enteignungen und Nutzungsregelungen. Nach Auffassung des Gerichtshofs lag weder eine Enteignung noch eine Nutzungsregelung vor. Daher hätte er konsequenter Weise – wegen eines nicht vorgesehenen Eingriffs in eine Garantienorm – eine Verletzung dieser Norm, des Rechts auf Eigentumsschutz, feststellen können. Diesen Weg ging der Gerichtshof jedoch nicht. Er führte zunächst aus, dass der Umstand, dass weder eine Enteignung noch eine Nutzungsregelung vorlag, nicht zwingend zu einer Verletzung des Rechts auf Eigentumsschutz führe: The fact that the permits fell within the ambit neither of the second sentence of the first paragraph nor of the second paragraph does not mean that the interference with the said right violated the rules contained in the first sentence of the first paragraph.60

Anschließend interpretierte der Gerichtshof Satz 1 nicht nur als allgemeinen Grundsatz, sondern wandelte diesen in einen Auffangtatbestand („sonstige Eingriffe“) um. Dies obwohl der Gerichtshof in Sporrong und Lönnroth noch von drei unterschiedlichen, getrennt anzuwendenden Normen ausging: That Article (P1-1) comprises three distinct rules. The first rule, which is of a general nature, enounces the principle of peaceful enjoyment of property; it is set out in the first sentence of the first paragraph. The second rule covers deprivation of possessions and subjects it to certain conditions; it appears in the second sentence of the same paragraph. The third rule recognises that the States are entitled, amongst other things, to control the use of property in accordance with the general interest, by enforcing such laws as they deem necessary for the purpose; it is contained in the second paragraph. The Court must determine, before considering whether the first rule was complied with, whether the last two are applicable. 61

In seinem Urteil im Fall James gg Vereinigtes Königreich62 betonte der Gerichtshof bereits, dass die drei Regeln (Allgemeine Garantie, Enteignungsrege___________ 59

EGMR, Sporrong und Lönnroth, Urteil vom 23. September 1982, Serie A, Nr. 52,

§ 61. 60 61

Ibid., § 69. Ibid., § 61.

A. Allgemeines

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lung und Nutzungsregelung) keineswegs unzusammenhängend seien; vielmehr beträfen die zweite (Enteignung) und die dritte (Nutzungsregelung) besondere Fälle des Eingriffs in das Recht auf Eigentum und sollten deshalb im Lichte des in der ersten Regel formulierten allgemeinen Grundsatzes ausgelegt werden: The three rules are not, however, “distinct” in the sense of being unconnected. The second and third rules are concerned with particular instances of interference with the right to peaceful enjoyment of property and should therefore be construed in the light of the general principle enunciated in the first rule.

Die Mehrheit der Richter schuf somit in Sporrong und Lönnroth den Tatbestand der sogenannten „sonstigen Eingriffe“. Diesen leiteten sie aus der Struktur des Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK und dessen Absatz 1 Satz 163 ab.64 Das Gericht musste, weil dazu nichts normiert war, auch einen eigenständigen Prüfungsmaßstab entwickeln, auf den später eingegangen werden wird. Die Entscheidung fiel mit zehn zu neun Stimmen denkbar knapp aus und wurde in der Literatur zu Recht kritisch rezipiert. Der Umstand, dass erstens die vom Gerichtshof vorgenommene Interpretation im Wortlaut keine Deckung findet, dass zweitens von der Konstruktion her der erste Satz keine Eingriffsnorm, sondern eine Garantienorm ist und dass drittens das Gericht die Prüfungsmaßstäbe daher erst selbst schaffen musste, führte zu erheblicher Kritik. Der dritte Eingriffstatbestand wurde zudem von vielen für überflüssig gehalten.65 Positiv hervorgehoben wurde lediglich der Auffangcharakter der Norm, ohne dass deshalb ihre Schaffung befürwortet wurde.66 ___________ 62 EGMR, James and Others gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 21. Februar 1986, Serie A, Nr. 98. Zum Urteil siehe u.a.: I. Seidl-Hohenveldern, Eigentumsschutz nach der EMRK und nach allgemeinem Völkerrecht im Lichte der EGMR-Entscheidungen in den Fällen James und Lithgow, Festschrift für Felix Ermacora (1988), in: M. Nowak/D. Steurer/H. Tretter (Hrsg.), Fortschritt im Bewusstsein der Grund- und Menschenrechte: Festschrift für Felix Ermacora, 1988, S. 181–193. 63 „Every natural or legal person is entitled to the peaceful enjoyment of his possession …“. 64 Zu den dogmatischen Grundlagen von Artikel 1 des 1. Zusatzprotokolls siehe: R. Dolzer, Eigentumsschutz als Abwägungsgebot, in: W. Fürst/R. Herzog/D. C. Umbach (Hrsg.), Festschrift für Wolfgang Zeidler, 1987, S. 1680 ff. 65 Zu Recht kritisch dazu: R. Higgins, The Taking of Property by the State: Recent Developments in International Law, 176 RdC (1982-III), 261, 367 f.; R. Dolzer, Enteignung und Entschädigung im geltenden Völkerrecht, 1985, S. 207 f.; ders., Eigentumsschutz als Abwägungsgebot, in: W. Fürst/R. Herzog/D. C. Umbach (Hrsg.), Festschrift für Wolfgang Zeidler, 1987, S. 1684; M. Fromont, La garantie Du Droit de propriété selon la Cour Européenne des droits de l’homme, in: W. Fiedler/G. Ress, Verfassungsrecht und Völkerrecht, Gedächtnisschrift für Wilhelm Karl Geck, 1989, 213, S. 227; J. A. Frowein, The Protection of Property, in: R. St. J. Macdonald et al. (Hrsg.), The European System for the Protection of Human Rights, 1993, 515–530, S. 529 f.; C. v. Milczewski, Der grundrechtliche Schutz des Eigentums im Europäischen Gemeinschaftsrecht, 1994, S. 140; K. Gelinsky, Der Schutz des Eigentums gemäß Art. 1 des Ersten Zu-

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2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

Festzuhalten ist, dass Absatz 1 Satz 1 („sonstige Eingriffe“) seither gemäß der ständigen Rechtsprechung als Auffangklausel verwendet wird und die beiden ausdrücklich normierten Eingriffstatbestände ergänzt. Es gibt somit drei unterschiedliche Eingriffsarten. Da es sich bei den „sonstigen Eingriffen“ um einen Auffangtatbestand handelt, sind sämtliche denkbare Eigentumseingriffe am Maßstab des Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK zu messen. Es gibt daher keinen Eigentumseingriff, der bereits ratione materiae aus dem Schutzbereich der Norm fiele.

aa) Wann liegt ein „sonstiger Eingriff“ vor? Wie sich schon aus dem Umstand ergibt, dass es sich um einen Auffangtatbestand handelt, ist die Norm dann anwendbar, wenn keine der beiden anderen (Enteignung, Nutzungsregelung) zur Anwendung kommt. Bei der Abgrenzung handelt es sich daher um eine Negativauslese. Diese orientiert sich, ebenso wie die Nutzungsregelungen, an den Parametern „Intensität“ und „Zweck“ der Maßnahme.67 Die Bedeutung der Norm als subsidiärer Tatbestand wird auch dadurch unterstrichen, dass der Gerichtshof sich in manchen Urteilen – teils wegen einer ___________ satzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention, 1996, S. 90 f.; W. Peukert, Artikel 1 des 1. ZP, in: J. A. Frowein/W. Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK Kommentar², 1996, S. 787; P. Mittelberger, Der Eigentumsschutz nach Art. 1 des ersten Zusatzprotokolls zur EMRK im Lichte der Rechtsprechung der Strassburger Organe, 2000, S. 82 ff. 66 L. Condorelli, Premier Protocol additionnel Article 1, in: L-E. Pettiti/E. Decaux/P.H. Imbert (Hrsg.), La Convention européenne des Droits de l’homme, Commentaire article par article, 1995, S. 980 f.; R. Dolzer, Eigentum, Enteignung und Entschädigung im geltenden Völkerrecht, 1985, S. 207. 67 Gelinsky (K. Gelinsky, Der Schutz des Eigentums gemäß Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention, 1996, S. 76 ff.) formulierte hierzu die Kriterien 1–3, 5, 6. 1. Vorbereitung eines Eigentumsentzugs/2. mehrere Jahre lange Verfahrensdauer/ 3. jahrelange Ungewissheit über das endgültige Schicksal der Grundstücke/4. eingeschränkte Nutzungsmöglichkeit/5. fehlende rechtliche Überprüfbarkeit der Maßnahme/ 6. fehlende Schadenersatzmöglichkeit. Mittelberger weist zu Recht darauf hin, dass die Kriterien „fehlende rechtliche Überprüfbarkeit der Maßnahme“ und „fehlende Schadenersatzmöglichkeit“ nicht zur Überprüfung der Eingriffsart geeignet sind, sondern zur Rechtfertigungsprüfung gehören. Ein wesentliches Kriterium, das von Mittelberger hinzugefügt wurde, ist jenes der eingeschränkten Nutzungsmöglichkeit. Wie er selbst in einer Tabelle nachweist, sind diese von ihm abgeänderten Kriterien jedoch auch nicht in allen Fällen anwendbar. Auch er ist der Ansicht, dass der Tatbestand der „sonstigen Eingriffe“ nur subsidiär anwendbar sei. (P. Mittelberger, Der Eigentumsschutz nach Art. 1 des ersten Zusatzprotokolls zur EMRK im Lichte der Rechtsprechung der Strassburger Organe, 2000, S. 80.).

A. Allgemeines

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komplexen Sach- und Rechtslage – nicht mehr festlegte, um welche Eingriffsart es sich genau handelte, sondern unter „sonstige Eingriffe“ prüfte.68 Der Gerichtshof führte diesen Umstand auch explizit an: In the light of the circumstances of the case and having regard to the special nature of the applicant company’s possessions, the Court considers that owing to the factual and legal complexity of the present case it cannot be classified in any specific category within Article 1 of Protocol No. 1. Accordingly, it considers it necessary to examine the case in the light of the general rule set out in that Article.69

Besonders häufig unterließ der Gerichtshof eine Festlegung, um welche Art von Eingriff es sich handelt, wenn Teilaspekte des Sachverhalts Eigenschaften von Enteignungen andere jene von Nutzungsregelung aufwiesen.70 Im Folgenden soll kurz auf jene Kriterien Bezug genommen werden, die der Gerichtshof bei seiner Abgrenzung zu den anderen Eingriffsnormen verwendet hat.

(1) Eingriffsintensität Ein wesentlicher Aspekt für die Abgrenzung zu de facto Enteignungen ist der Zeitfaktor. Immer wenn der Eingriff bzw. seine Auswirkungen nicht irreversibel waren, ging der Gerichtshof von einem „sonstigen Eingriff“ aus. Dies wird besonders deutlich am Beispiel der Flurbereinigungsverfahren. In den österreichischen Fällen, wo es sich um provisorische Umverteilungen handelte, die jedoch von geraumer Dauer waren, ging der Gerichtshof stets vom Vorliegen „sonstiger Eingriffe“ aus.71 In einem französischen Fall, wo es gleich zu ei-

___________ 68 EGMR, Beyeler gg Italien, Urteil vom 5. Jänner 2000, ECHR 2000-I, § 106 (siehe dazu: B. Rudolf, Beyerler v. Italy, European Court of Human Rights decision on retroactive exercise of a state’s right to preemt a sale of a work of art, 94 AJIL 2000, S. 736 ff.); Sovtransavto Holding gg Ukraine, Nr. 48553/99, Urteil vom 25. Juli 2002, ECHR 2002-VII, § 93; S. A. Dangeville gg Frankreich, Urteil vom 16. April 2002, ECHR 2002-III, § 51; Broniowski gg Polen [GC], Nr. 31443/96, Urteil vom 22. Juni 2004, ECHR 2004-V, § 136; Piven gg Ukraine, Nr. 56849/00, Urteil vom 29. Juni 2004, § 49. 69 EGMR, Sovtransavto Holding gg Ukraine, Urteil vom 25. Juli 2002, ECHR 2002VII, § 93. 70 Siehe z.B.: EGMR, S. A. Dangeville gg Frankreich, Urteil vom 16. April 2002, ECHR 2002-III, § 51. 71 EGMR, Poiss gg Österreich, Urteil vom 23. April 1987, Serie A, Nr. 117, § 64; Erkner und Hofauer gg Österreich , Urteil vom 23. April 1987, Serie A, Nr. 117, § 74; Wiesinger gg Österreich, Urteil vom 30. Oktober 1991, Serie A, Nr. 213, § 72. Siehe dazu auch: S. 247 ff.

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2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

ner definitiven Übertragung der Grundstücke mit Eigentümerwechsel kam, stellte der Gerichtshof hingegen eine Enteignung fest.72 Die mangelnde Irreversibilität war auch in Tsirikakis gg Griechenland73 ausschlaggebend dafür, dass der Gerichtshof den Fall unter dem Tatbestand der „sonstigen Eingriffe“ prüfte. Er betraf eine Abfallverwertungsanlage auf einer griechischen Insel. Ein Sechstel der Insel wurde enteignet, die Entschädigung über 15 Jahre bei Gericht hinterlegt. Zudem bestand während der gesamten Zeit Unsicherheit über die eigentumsrechtliche Situation infolge einer Entscheidung des Wirtschaftsministers, die ganze Insel zum öffentlichen Eigentum zu erklären. Die Beschwerdeführer führten weiters aus, dass die gesamte Insel entzogen worden sei, weil Schlamm und Schmutz aus der Anlage auch auf dem Rest der Insel abgelagert worden seien. Problematisch war nicht der ursprüngliche Entzug, sondern der mangelnde Zugriff auf die Entschädigung und die Unsicherheit über den Status der restlichen Fläche. Der Gerichtshof stellte fest, dass die mangelnde Benützungsmöglichkeit der restlichen Insel und die gerichtlich hinterlegte Entschädigungssumme keine irreversiblen Umstände seien, und er daher den Fall unter dem ersten Satz des Absatz 1 („sonstige Eingriffe“) prüfe: Les effets de ces mesures ne sont pas tels qu’on puisse les assimiler à une privation de propriété : le gel de l’indemnité accordée et l’impossibilité dans laquelle se sont trouvés les requérants d’exploiter la partie non expropriée de l’îlot, suite à la décision du ministre et du déversement allégué de boue, ne créèrent pas une situation irréversible pour les requérants. Toutefois, en raison de leur durée, elles ont apporté une limitation à la disponibilité des biens qui devrait être examinée au regard de la première phrase du premier alinéa de l’article 1.74

Der zweite entscheidende Faktor ist, ob noch eine, wenn auch eingeschränkte, Nutzungsmöglichkeit besteht, und ob noch ein Restwert des Objekts vorhanden ist. Dieser Umstand war etwa im leading case Sporrong und Lönnroth75 dafür maßgeblich, dass der Gerichtshof das Vorliegen einer de facto Enteignung verneinte.76 Bestätigt wird diese Analyse von jenen Fällen, in denen der Gerichtshof vom Vorliegen einer de facto Enteignung ausging. Dort lag einerseits die Irreversibilität vor, andererseits war auch keinerlei Nutzung durch die formellen Eigentümer möglich.77

___________ 72

EGMR, Piron gg Frankreich, Nr. 36436/97, Urteil vom 14. November 2000, § 39. EGMR, Tsirikakis gg Griechenland, Nr. 46355/99, Urteil vom 17. Jänner 2002. 74 Ibid., § 55. 75 EGMR, Sporrong und Lönnroth gg Schweden, Urteil vom 23. September 1982, Serie A, Nr. 52. 76 Ibid., § 65. 77 Siehe dazu ausführlich unten S. 244 ff. 73

A. Allgemeines

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(2) Eingriffszweck Wie bereits erwähnt, ist das entscheidende Kriterium in der Unterscheidung zwischen Nutzungsregelungen und „sonstigen Eingriffen“ der Eingriffszweck. Bereits im Urteil Sporrong und Lönnroth führte der Gerichtshof aus, dass die Enteignungsgenehmigungen nicht beabsichtigen, die Nutzung des Objekts zu beschränken oder zu kontrollieren, und daher Absatz 2 nicht anwendbar sei.78 Bei diesem Ansatz blieb der Gerichtshof in der Folge.79 Damit ein „sonstiger Eingriff“ vorliegt, darf somit mit dem Eingriff keine Nutzungsregelung bezweckt sein.

bb) Charakteristische Fallgruppen in der Judikatur 80 (1) Provisorische Landumverteilung Immer wieder waren Ameliorationsverfahren Gegenstand von Beschwerden. Ziel der Maßnahmen war es, eine ertragreichere und rationellere Bewirtschaftungsmöglichkeit landwirtschaftlicher Flächen sicherzustellen.81 Die Eingriffe bezweckten keine Nutzungsregelung der Flächen, daher war Absatz 2 nicht anwendbar. Wie bereits ausgeführt, waren die Eingriffe nur temporär; daher lag nach Ansicht der Konventionsorgane keine Enteignung vor,82 sondern ein „sonstiger Eingriff“.

___________ 78

Ibid., § 65. Siehe z.B.: EGMR, Poiss gg Österreich, Urteil vom 23. April 1987, Serie A, Nr. 117, § 64; Erkner und Hofauer gg Österreich, Urteil vom 23. April 1987, Serie A, Nr. 117, § 74; Wiesinger gg Österreich, Urteil vom 30. Oktober 1991, Serie A, Nr. 213, § 72. 80 Da viele der Urteile im Zuge der Erörterung der Kriterien für das Vorliegen von de facto Enteignungen ausführlich behandelt werden werden, finden sie hier nur kurz Erwähnung und wird insbesondere für die Sachverhalte auf das Kapitel über de facto Enteignungen verwiesen. 81 EGMR, Poiss gg Österreich, Urteil vom 23. April 1987, Serie A, Nr. 117, § 64; Erkner und Hofauer gg Österreich, Urteil vom 23. April 1987, Serie A, Nr. 117, § 74; Wiesinger gg Österreich, Urteil vom 30. Oktober 1991, Serie A, Nr. 213, § 72. Siehe zu den genauen Sachverhalten und zur Abgrenzung von de facto Enteignungen, unten, S. 247 f. 82 EGMR, Poiss gg Österreich, Urteil vom 23. April 1987, Serie A, Nr. 117, § 64; Erkner und Hofauer gg Österreich, Urteil vom 23. April 1987, Serie A, Nr. 117, § 74; Wiesinger gg Österreich, Urteil vom 30. Oktober 1991, Serie A, Nr. 213, § 72. 79

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2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

(2) Raumplanerische und ökologische Maßnahmen Weiters entschied der Gerichtshof beim Vorliegen von Bauverboten oder Kombinationen von Bauverboten und Enteignungsermächtigungen, die entweder aus städte- oder raumplanerischen oder naturschutzrechtlichen Gründen erlassen worden waren, dass die erste Norm („sonstige Eingriffe“) anzuwenden sei.83 Die Kommission ordnete bei Eingriffen mit kombiniertem Charakter (Enteignung, Nutzungsregelung, „sonstiger Eingriff“) diese getrennt zu und prüfte den Sachverhalt unter zwei verschiedenen Normen (Enteignung, Nutzungsregelung). Im Gegensatz dazu subsumierte der Gerichtshof – ohne Angabe von Gründen, warum er diese getrennte Vorgangsweise nicht für geeignet hält – sämtliche Eingriffe unter die erste Norm („sonstige Eingriffe“) und prüfte, ob diese verletzt worden sei.84

(3) Rückwirkende gesetzliche Maßnahmen zur Beseitigung von Forderungen gegen den Staat Immer wieder griffen Staaten durch Gesetze in bestehende Forderungsrechte gegen sie ein. Teils wurde in derartigen Fällen vom Gerichtshof eine de facto Enteignung festgestellt,85 teils wurden sie als „sonstiger Eingriff“ gewertet. Im „leading case“ Stran Greek Refineries und Stratis Andreadis gg Griechenland86 wurde ein zu Gunsten des Beschwerdeführers bestehender Schiedsspruch nachträglich durch ein Gesetz aufgehoben. Die Kommission äußerte sich überhaupt nicht, unter welcher der drei Eingriffsnormen sie den Fall prüfte, und stellte lediglich eine Verletzung von Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK fest. Der Gerichtshof führte ohne nähere Begründung aus, dass es sich weder um eine Enteignung noch um eine Nutzungsregelung handle, und er den Fall daher unter der ersten Norm („sonstige Eingriffe“) prüfe. ___________ 83

EGMR, Sporrong und Lönnroth, Urteil vom 23. September 1982, Serie A, Nr. 52, § 63 (siehe auch unten S. 241 f.); Katte Klitsche de la Grange, Urteil vom 27. Oktober 1994, Serie A, Nr. 293-B; Matos und Silva gg Portugal, Urteil vom 27. August 1996, ECHR 1996-IV, § 85 (siehe auch unten S. 248 ff); Phocas gg Frankreich, Urteil vom 23. April 1996, ECHR 1996-II, § 52; Pialopoulos u.a. gg Griechenland, Nr. 37095/97, Urteil vom 15. Februar 2001, § 56; Elia S.r.l. gg Italien, Urteil vom 2. August 2001, ECHR 2001-IX, § 57; Terazzi gg Italien, Nr. 27265/95, Urteil vom 17. Oktober 2002, § 63; Scordino gg Italien (Nr. 2), Nr. 36815/97, Urteil vom 15. Juli 2004, § 72. 84 Siehe z.B.: Matos und Silva gg Portugal, Urteil vom 27. August 1996, ECHR 1996-IV, § 85, Bericht der Kommission gem. Art 31, § 105. 85 Siehe z.B.: EGMR, Pressos Compania Naviera S. A. and Others gg Belgien, Urteil vom 20. November 1995, Serie A, Nr. 332. 86 EGMR, Stran Greek Refineries und Stratis Andreadis gg Griechenland, Urteil vom 9. Dezember 1994, Serie A, Nr. 301-B.

A. Allgemeines

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The interference in question was neither an expropriation nor a measure to control the use of property; it falls to be dealt with under the first sentence of the first paragraph of Article 1 (P1-1).87

Der Gerichtshof stellte im vorliegenden Fall ebenso wie die Kommission eine Verletzung von Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK fest. Es gibt jedoch eine Reihe weiterer Fälle, in denen der Gerichtshof auf nachträglich durch Gesetz aberkannte Ansprüche Satz 1 („sonstige Eingriffe“) zur Anwendung brachte.88 Jene Fälle, in denen eine de facto Enteignung festgestellt wurde, werden im Rahmen der Erörterung der de facto Enteignungen behandelt.89 Die Judikatur ist in diesem Punkt daher uneinheitlich. Es wäre meiner Ansicht nach näher liegend, derartige Fälle als de facto Enteignungen zu werten, denn die Eingriffe sind irreversibel und bedeuten einen Totalentzug des Eigentumsrechts.

(4) Unmöglichkeit, rechtskräftige Urteile zu vollstrecken; Nichtzahlung von Entschädigung Sowohl die faktische Unmöglichkeit, Urteile, gegen die keine Berufung mit aufschiebender Wirkung mehr möglich ist, zu vollstrecken90 als auch die Nicht___________ 87

Ibid., § 68. Siehe z.B.: EGMR, Smokovitis gg Griechenland, Nr. 46356/99, Urteil vom 11. April 2002: § 33. Eine zunächst per Ministeriumsdekret zuerkannte Forschungszulage, die aufgrund erstinstanzlicher jedoch nicht rechtskräftiger Gerichtsentscheidung zustand, wurde durch ein rückwirkendes Gesetz aberkannt. Der Gerichtshof stellte fest, dass weder eine Enteignung noch eine Nutzungsregelung vorlag und daher der 1. Satz des Art. 1 1. ZP („sonstige Eingriffe“) anwendbar sei. EGMR, Antonakopoulos, Vortsela und Antonakopolou gg Griechenland, Nr. 37098/97, Urteil vom 14. Dezember 1999, gerichtlich anerkannte Pensionsanpassung wurde durch ein rückwirkendes Urteil rückgängig gemacht und die bereits ausgezahlten Summen zurückgefordert. Ebenso: Dimitrios Georgiadis gg Griechenland, Nr. 41209/98, Urteil vom 28. März 2000, § 32; Vasilopoulou gg Griechenland, Nr. 47541/99, Urteil vom 21. März 2002, § 22. 89 Siehe dazu unten S. 208 ff. 90 Siehe z.B.: EGMR, Sciortino gg Italien, Nr. 30127/96, Urteil vom 18. Oktober 2001, § 36 – nicht umgesetzes innerstaatliches Urteil, das dem Beschwerdeführer eine Pensionserhöhung zusprach; Burdov gg Russland, Urteil vom 7. Mai 2002, ECHR 2002III, § 40 – Nichtbezahlung eines Schadenersatzanspruchs gegen den Staat, der in einem in Rechtskraft erwachsenen Urteil zugesprochen wurde; Jasiuniene gg Litauen, Nr. 41510/98, Urteil vom 6. März 2003, § 45 – nicht umgesetztes innerstaatliches Urteil, das Restitutionsanspruch zusprach; Ryabykh gg Russland, Urteil vom 24. Juli 2003, ECHR 2003-IX, § 61; Timofeyev gg Russland, Nr. 58263/00, Urteil vom 23. Oktober 2003, §§ 45, 46 – Nichtbezahlung eines Schadenersatzanspruchs gegen den Staat, der in einem in Rechtskraft erwachsenen Urteil zugesprochen wurde; Sabin Popescu gg Rumänien, Nr. 48102/992, Urteil vom 2. März 2004, § 80 – nicht umgesetztes innerstaatliches Res88

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2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

bezahlung von Entschädigungen91 wertete der Gerichtshof, im Unterschied zu jenen Fällen, wo höchstgerichtliche Urteile annulliert wurden,92 nicht als Enteignungen, sondern als „sonstige Eingriffe“. Er begründete nicht, warum er diese Subsumption vornahm und nicht von einer de facto Enteignung ausging. Ausschlaggebend könnte der Umstand gewesen sein, dass aufgrund der theoretischen Möglichkeit, dass der Staat seine Politik ändern und seiner Zahlungsverpflichtung nachkommen könnte, keine irreversible Maßnahme vorlag. Für diese Annahme spricht das Urteil im Fall Paduraru gg Rumänien.93 Der Gerichtshof stellte fest, dass er in ständiger Judikatur die Nichtumsetzung von Urteilen unter „sonstige Eingriffe“ prüfe. In diesem Fall handle es sich aber nicht um eine gewöhnliche Nichtumsetzung, sondern um einen Verkauf der Sache durch den Staat an Dritte obwohl ein entgegenstehendes Urteil vorlag. Diese hatte zur Folge, dass der Beschwerdeführer nie wieder in Besitzt der Sache gelangen und auch nicht über sie disponieren konnte. Unter diesen Umständen liege nach Ansicht des EGMR eine Enteignung vor.94 Die Irreversibilität der Maßnahme hat in dieser speziellen Konstellationen der Nichtumsetzung eines Urteils dafür den Ausschlag gegeben, dass kein „sonstiger Eingriff“ sondern eine Enteignung vorlag.95

___________ titutionsurteil; Prodan gg Moldau, Urteil vom 18. Mai 2004, ECHR 2004-III, § 60 – nicht umgesetztes innerstaatliches Restitutionsurteil; Piven gg Ukraine, Nr. 56849/00, Urteil vom 29. Juni 2004, § 49 – nicht umgesetztes innerstaatliches Gerichtsurteil; Voytenko gg Ukraine, Nr. 18966/02, Urteil vom 29. Juni 2004, § 53; Bocancea u.a. gg Moldavien, Nr. 1887/02, Urteil vom 6. Juli 2004, § 37 – Nichtbezahlung eines Schadenersatzanspruchs gegen den Staat, der in einem in Rechtskraft erwachsenen Urteil zugesprochen wurde; Croitoriu gg Rumänien, Nr. 54400/00, Urteil vom 9. November 2004, §§ 36–38; Derkach und Palek gg Ukraine, Nr. 34297/02, 39574/02, Urteil vom 21. Dezember 2004, § 48 – Nichtumsetzung eines rechtskräftigen Urteils; „IZA“ Ltd und Makrakhidze gg Georgien, Nr. 28537/02, Urteil vom 27. September 2005, § 52 – Nichtumsetzung eines rechtskräftigen Urteils; „AMAT-G“ Ltd und Mebaghishvili gg Georgien, Nr. 2507/03, Urteil vom 27. September 2005, § 58 – Nichtumsetzung eines rechtskräftigen Urteils. 91 Siehe z.B.: EGMR, Almeida Garett, Mascarenhas Falcão u.a. gg Portugal, Nr. 29813/96, 30229/96, Urteil vom 11. Jänner 2000, ECHR 2000-I, § 48; Yagtzilar u.a. gg Griechenland, Nr. 41727/98, Urteil vom 6. Dezember 2001, § 37; Jorge Nina Jorge u.a. gg Portugal, Nr. 52662/99, Urteil vom 19. Februar 2004, § 52; Kirilova u.a. gg Bulgarien, Nr. 42980/98, 44038/98 und 7319/02, Urteil vom 9. Juni 2005, § 105. 92 Siehe dazu unten S. 245f. 93 EGMR, Paduraru gg Rumänien, Nr. 63252/00, Urteil vom 1. Dezember 2005. 94 Ibid., § 75. 95 Siehe dazu auch S. 247 ff.

A. Allgemeines

209

(5) Räumung von Mietobjekten Der Fall C.A.R. SRL gg Italien96 ist insofern interessant, als er die gleiche Situation betraf, wie die bereits behandelten Fälle Spadea und Scalabrino gg Italien97 und Scollo gg Italien.98 Trotz Nichtbezahlung der Miete und richterlicher Anordnung, die Wohnung mit Polizeiunterstützung zu räumen, verweigerte die Polizei dem Eigentümer die Unterstützung bei der Räumung der Wohnung. Im Gegensatz zu den eben erwähnten Entscheidungen Spadea und Scollo ging die Kommission nicht von einer Nutzungsregelung, sondern von einem „sonstigen Eingriff“ aus. Sie begründete dies damit, dass in den Fällen Spadea und Scollo das Nichttätigwerden der Behörden aufgrund einer gesetzlichen Regelung erfolgte, die eine Beschränkung der Nutzung in Kauf nahm. Im vorliegenden Fall gab es im Gegensatz dazu keine gesetzliche Regelung, die ein Einschreiten der Behörden verwehrt hätte, somit handelte es sich um eine Rechtsschutzverweigerung. Aufgrund der mangelnden Nutzungsregelungsabsicht ging die Kommission – in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung – davon aus, dass keine Nutzungsregelung vorliege sondern ein „sonstiger Eingriff“. Die Kommission führte dazu aus: Neither did it amount to control of the use of property, as, unlike other cases involving the eviction of tenants (cf. Eur. Court HR, Spadea and Scalabrino v. Italy and Scollo v. Italy judgments of 28 September 1995, Series A nos. 315-B and C), the non-eviction of the refugees in the present case was not the result of any legislative measure within the meaning of the second paragraph of Article 1 (Art. 1-2). The situation complained of concerned the factual refusal by the competent administrative authorities to lend their support to the enforcement of the eviction of a number of persons occupying the applicant company’s property without any title: it therefore falls to be examined under the first sentence of the first paragraph of Article 1 (Art. 1-1).99

Der Fall zeigt deutlich, wie – bei sonst identischer Faktenlage – die Nutzungsregelungsabsicht eines Staates dafür entscheidend ist, ob ein Eingriff als Nutzungsregelung oder als „sonstiger Eingriff“ angesehen wird, und unter___________ 96

EKMR, C.A.R. SRL gg Italien, Bericht gemäß Art. 31 vom 10. November 1997. Es erging in diesem Fall kein Urteil, weil er nicht innerhalb der Dreimonatsfrist beim Gerichtshof anhängig gemacht worden war. Das Ministerkomitee stellte eine Verletzung von Art 1. des 1. ZP zur EMRK fest (DH (98) 154). 97 EGMR, Spadea und Scalabrino gg Italien, Urteil vom 28. September 1995, Serie A, Nr. 315-B. Siehe oben S. 195. 98 EGMR, Scollo gg Italien, Urteil vom 28. September 1995, Serie A, Nr. 315-C. Siehe oben S. 195. 99 EKMR, C.A.R. SRL gg Italien, Bericht gemäß Art. 31 vom 10 November 1997, § 45. Es erging in dem Fall kein Urteil, weil den Fall nicht innerhalb der Dreimonatsfrist beim Gerichtshof anhängig gemacht wurde. Das Ministerkomitee stellte eine Verletzung von Art 1. des 1. ZPEMRK fest (DH (98) 154).

210

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

streicht den subsidiären Charakter der „sonstigen Eingriffe“, welche die Aufgabe einer „catch all“ Klausel erfüllen.

(6) Eingriffe in Goodwill Das Urteil Iatridis100 ist deshalb bemerkenswert, weil in diesem Fall, im Unterschied zu den übrigen Fällen von Eingriffen in Goodwill, der Eingriff nicht als Nutzungsregelung angesehen wurde. Der Fall betraf einen Kinobetreiber, der Örtlichkeiten für ein Freiluftkino gemietet hatte. Er betrieb das Kino elf Jahre lang ohne Probleme. In Folge eines Rechtsstreits zwischen dem Vermieter und dem Staat über die Eigentumsrechte am Grundstück wurde eine Zwangsräumung zunächst angedroht. Drei Jahre später wurde sie in Abwesenheit des Beschwerdeführers auch tatsächlich durchgeführt. Danach betrieb die Gemeinde das Kino selbst. Die Zwangsräumung wurde gerichtlich annulliert. Trotz diverser Rechtsgutachten von Behörden, die eine Rückgabe empfahlen, verweigerte der Finanzminister diese. Die Kommission und der Gerichtshof gingen beide vom Vorliegen eines „sonstigen Eingriffs“ aus. Die Kommission führte an, dass der Beschwerdeführer seine Kinolizenz nicht verloren hatte, aber in der Folge auch nicht an einem anderen Ort ein Freiluftkino betrieb: Le Commission rappelle que le requérant a été expulsé par la municipalité d’Ilioupoli des locaux où il exploitait son cinéma de plein air. Cette mesure était d’une nature différente de l’expulsion d’un locataire en fin de bail, puisqu’elle visait la protection d’une partie de la propriété publique qui prétendument était retenue abusivement par un tiers. La Commission note que le requérant n’a pas été privé de son permis d’exploiter une salle de cinéma. Cependant, la Commission considère que le déplacement du cinéma de plein air aurait eu sans doute des effets préjudiciables sur la valeur patrimoniale de l’entreprise du requérant, d’autant que l’activité en question est, selon les parties, en déclin. La Commission note à cet égard que le cinéma du requérant n’a pas rouvert ailleurs. Dans ces circonstances, la Commission estime que l’expulsion du requérant constitue une ingérence dans son droit au respect de ses biens qui, n’étant ni une expropriation de jure ou de facto, ni une réglementation de l’usage, relève de la première phrase du premier alinéa de l’article 1 du Protocole n° 1.101

Der Gerichtshof begründete das Vorliegen eines „sonstigen Eingriffs“ mit der Tatsache, dass der Beschwerdeführer nicht Eigentümer, sondern nur Mieter der Örtlichkeiten war:

___________ 100

EGMR, Iatridis gg Griechenland [GC], Urteil vom 25. März 1999, ECHR 1999-

II. 101

EKMR, Iatridis gg Griechenland, Bericht gemäß Art. 31 abgedruckt im Urteil vom 25. März 1999, ECHR 1999-II, § 56.

A. Allgemeines

211

The Court notes that the applicant, who had a specific licence to operate the cinema he had rented, was evicted from it by Ilioupolis Town Council and has not set up his business elsewhere. It also notes that, despite a judicial decision quashing the eviction order, Mr Iatridis cannot regain possession of the cinema because the Minister of Finance refuses to revoke the assignment of it to the Council (see paragraph 26 above). In those circumstances, there has been interference with the applicant’s property rights. Since he holds only a lease of his business premises, this interference neither amounts to an expropriation nor is an instance of controlling the use of property but comes under the first sentence of the first paragraph of Article 1.102

Da nicht die Räumlichkeiten, sondern der erworbene Goodwill das geschützte Eigentum darstellten, ist unklar, warum der Gerichtshof zwischen einem Mietrecht und einem Eigentumsrecht an den Räumlichkeiten unterschied. Dass keine Benutzungsregelung vorlag, steht in Übereinstimmung mit der sonstigen Judikatur. Die Zwangsräumung zielte auf Durchsetzung der vermeintlichen Eigentumsrechte ab und sollte nicht die Nutzung der Fläche als Kino verhindern. Warum der Gerichtshof und die Kommission den Goodwill nicht als de facto enteignet ansahen, bleibt unklar. Eine Erklärung für die Einordnung wäre, dass der Beschwerdeführer den Goodwill nicht zur Gänze eingebüßt hatte und daher Satz 1 („sonstige Eingriffe“) anzuwenden war. Im Unterschied zu den anderen Fällen, in denen Eingriffe in Goodwill geltend gemacht worden waren,103 war die Lizenz nicht entzogen worden. Die Konventionsorgane äußerten sich dazu jedoch nicht.

(7) Verlust von Managementrechten Der Fall Sovtransavto Holding gg Ukraine104 ist ein typisches Beispiel für den Auffangnormcharakter des Satz 1 Absatz 1 („sonstige Eingriffe“). Die Unternehmensanteile der beschwerdeführenden Gesellschaft verringerten sich durch mehrere angeblich illegale Kapitalerhöhungen von 49% auf 20,7%. Damit einher ging ein Mitbestimmungsverlust im Unternehmen. Aufgrund der komplizierten Fakten und Rechtslage sah es der Gerichtshof als unmöglich an, eine Einordnung in eine der Eingriffskategorien vorzunehmen, und prüfte daher unter der allgemeinen Norm des Artikels 1 des 1. ZP zur EMRK („sonstige Eingriffe“).105 Diese sah er schließlich als verletzt an. ___________ 102 EGMR, Iatridis gg Griechenland [GC], Urteil vom 25. März 1999, ECHR 1999II, § 55. 103 Siehe z.B.: EGMR, van Marle u.a. gg Niederlande, Urteil vom 26. Juni 1986, Serie A, Nr. 101; Tre Traktörer Aktiebolag gg Schweden, Urteil vom 7. Juli 1989, Serie A, Nr. 159. 104 EGMR, Sovtransavto Holding gg Ukraine, Nr. 48553/99, Urteil vom 25. Juli 2002, ECHR 2002-VII. 105 Ibid., § 93.

212

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

(8) Sonstige Fälle Der Fall Loizidou106 ist, wie der Gerichtshof selbst betont, ein Sonderfall. Frau Loizidou war seit der Besetzung Nord-Zyperns 1974 der Zugang zu ihrem Grundstück verwehrt. Sie hatte keinerlei Kontrolle über das Objekt. Der Gerichtshof wertete den Eingriff dennoch nicht als de facto Enteignung, sondern prüfte unter der ersten Norm. Er begründete dies mit den außergewöhnlichen Umständen des Falles: However, as a consequence of the fact that the applicant has been refused access to the land since 1974, she has effectively lost all control over, as well as all possibilities to use and enjoy, her property. The continuous denial of access must therefore be regarded as an interference with her rights under Article 1 of Protocol No. 1 (P1-1). Such an interference cannot, in the exceptional circumstances of the present case to which the applicant and the Cypriot Government have referred (see paragraphs 49-50 above), be regarded as either a deprivation of property or a control of use within the meaning of the first and second paragraphs of Article 1 of Protocol No. 1 (P1-1-1, P1-1-2). However, it clearly falls within the meaning of the first sentence of that provision (P1-1) as an interference with the peaceful enjoyment of possessions.107

Wenn man die üblichen Maßstäbe des Gerichtshofs zur Abgrenzung zwischen de facto Enteignungen und sonstigen Eingriffen (erste Norm) heranzieht, ist es wohl am ehesten das Element der Irreversibilität, das für das Vorliegen einer de facto Enteignung fehlt.108

cc) Zwischenergebnis – „sonstige Eingriffe“ Wie anhand etlicher Beispiele gezeigt wurde, handelt es sich bei den „sonstigen Eingriffen“ um einen Auffangtatbestand. Dieser wird immer dann herangezogen, wenn der Gerichtshof der Auffassung ist, dass eine Subsumption unter die beiden anderen Tatbestände – Enteignung und Nutzungsregelungen – nicht vorgenommen werden kann. Dies kann darin begründet sein, dass noch Restnutzungspotential vorhanden oder die Maßnahme nicht irreversibel ist, und somit keine de facto Enteignung vorliegt. Wenn zudem keine Nutzungsregelung mit der Maßnahme bewirkt werden soll, ist auch Absatz 2 (Nutzungsregelung) nicht anwendbar. Die Konventionsorgane ziehen in derartigen Fällen dann den Tatbestand der „sonstige Eingriffe“ heran.

___________ 106

EGMR, Loizidou gg Türkei, Urteil vom 18. Dezember 1996, ECHR 1996-VI. Ibid., § 63. 108 I.d.S. auch P. Mittelberger, Der Eigentumsschutz nach Art. 1 des ersten Zusatzprotokolls zur EMRK im Lichte der Rechtsprechung der Strassburger Organe, 2000, S. 76. 107

A. Allgemeines

213

Überdies wird diese Norm verwendet, wenn aufgrund einer schwierigen Fakten- oder Rechtslage eine Einordnung in die anderen Eingriffskategorien nicht möglich erscheint. Insbesondere der letzte Punkt macht deutlich, dass der Einordnung in eine bestimmte Eingriffskategorie insgesamt keine entscheidende Bedeutung hinsichtlich der rechtlichen Position des Beschwerdeführers zukommen kann.

II. Eingriffsformen im Investitionsschutz BITS, multilaterale Investitionsschutzverträge oder nationale Investitionsschutzgesetze regeln den Schutzumfang ausländischer Investitionen nicht nur hinsichtlich des Schutzguts (Investition), sondern auch hinsichtlich des Schutzumfangs im Hinblick auf potentielle Eingriffe. Daher sind sie zur Beantwortung der Frage heranzuziehen, welche Eigentumseingriffe nur gegen Entschädigung zulässig sind. Die ICSID-Konvention selbst enthält keine Aussagen über die Zulässigkeit von Eingriffen. Damit besteht im investitionsrechtlichen Eigentumsschutz – im Unterschied zum menschenrechtlichen – hinsichtlich der Eingriffe, die zu staatlichen Ersatzleistungspflichten führen, kein einheitlicher Schutzumfang. Der konkrete Schutzumfang hängt immer von dem die Jurisdiktion begründenden Instrument ab. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sich in der Praxis der Schutzumfang, den die einzelnen Schutzinstrumente gewährleisten, massiv unterscheidet. Im Gegenteil, bi- und multilaterale Verträge zum Schutz von Investitionen sehen typischerweise vor, dass formelle sowie indirekte Enteignungen und Nationalisierungen oder Maßnahmen, welche die gleichen Auswirkungen haben, nur gegen Entschädigung erfolgen dürfen.109 Eine Ausnahme stellt beispielsweise der ___________ 109

Siehe z.B.: ARTICLE 13 Energy Charter Treaty EXPROPRIATION (1) Investments of Investors of a Contracting Party in the Area of any other Contracting Party shall not be nationalized, expropriated or subjected to a measure or measures having effect equivalent to nationalization or expropriation (hereinafter referred to as “Expropriation”) except where such Expropriation is: (a) for a purpose which is in the public interest; (b) not discriminatory; (c) carried out under due process of law; and (d) accompanied by the payment of prompt, adequate and effective compensation. Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem Staat Kuwait über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen BGBl. III Nr. 154/1998 Artikel 6 Enteignung 1. (a) Investitionen, die von Investoren eines Vertragsstaates auf dem Gebiet des anderen Vertragsstaates getätigt werden, werden von diesem nicht verstaatlicht,

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2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

Vertrag zwischen der Belgisch-Luxemburgischen Union und der Republik Burundi über den gegenseitigen Schutz von Investitionen dar. Dieser sieht nicht nur den „Entzug“, sondern auch die „Einschränkung von Eigentumsrechten“ und „Maßnahmen gleicher Wirkung“ als Eingriffstatbestände vor.110 Im Investitionsschutz ist es daher, im Unterschied zum Menschenrechtsschutz, in der Regel erforderlich, dass eine Maßnahme als Enteignung gewertet wird, damit eine Entschädigungspflicht entsteht. Wenn keine Enteignung vorliegt, sind Kläger auf die sonstigen Schutzbestimmungen von Investitionsschutzverträgen, wie etwa „fair and equitable treatment“ oder „full protection and security“ angewiesen, um eine staatliche Ersatzleistungspflicht zu erwirken. Diese Standards sind aber nicht als Auffangtatbestände im Sinne der „sonstigen Eingriffe“ zu verstehen, sondern vielmehr als selbständige Schutzstandards mit eigenen Anwendungsvoraussetzungen.111 Es ist durchaus denkbar, dass ein Eigentumseingriff weder in den Anwendungsbereich des Enteignungstatbestandes eines BITs noch in den Anwendungsbereich der anderen Schutzstandards fällt. Zudem ist es denkbar, dass ein BIT nur den Schutzstandard der Enteignung enthält, die anderen Schutzstandards aber nicht. Überdies sehen ___________ enteignet, entzogen und auch nicht direkten oder indirekten Maßnahmen unterworfen, die die gleiche Wirkung wie eine Verstaatlichung, Enteignung oder Besitzentziehung (im folgenden allgemein „Enteignung“ genannt) haben, es sei denn, dies geschieht im öffentlichen Interesse auf Grund von internen Notwendigkeiten dieses Vertragsstaates sowie gegen eine prompte, angemessene und wirksame Entschädigung und unter der Bedingung, dass derartige Maßnahmen in nicht diskriminierender Art und Weise und gemäß den allgemein anwendbaren Rechtsvorschriften umgesetzt werden. 110 Artikel 4 des Investitionsschutzvertrages ist wiedergegeben in: § 124 des Schiedsspruches im Fall Antoine Goetz and Others v. Republic of Burundi, (BelgiumLuxembourg Economic Union/Burundi BIT), Award, 10 February 1999, 6 ICSID Reports 5, S. 42. Die Republik Burundi verpflichtet sich “… not [to] take any measure depriving or restricting property, or any measure having a similar effect as regards investments situated on its territory, … .” (Artikel 4 Treaty between the Belgium-Luxembourg Union and the Republic of Burundi concerning the reciprocal protection and encouragement of investments. Signed 13 April 1989.). 111 Zu „fair and equitable treatment“ siehe z.B.: C. Schreuer, Fair and Equitable Treatment in Arbitral Practice, 6 Journal of World Investment & Trade, 2005, S. 357 ff; C. Yannaca-Small, Fair and Equitable Treatment Standard in International Investment Law, in: OECD (Hrsg.), International Investment Law: A Changing Landscape, A Companion Volume to International Investment Perspectives, 2005, S. 73 ff; S. Vasciannie, The Fair and Equitable Treatment Standard in International Investment Law and Practice, 70 The British Year Book of International Law 1999, 99–164. Zu „full protection and security“ siehe z.B.: H.E. Zeitler, The Guarantee of „Full Protection and Security“ in Investment Treaties Regarding Harm Caused by Private Actors, Stockholm International Arbitration Review, 2005:3, 1–35.

A. Allgemeines

215

manche BITs nur für Enteignungen, nicht aber für die anderen Schutzstandards die Jurisdiktion eines Investor-Staat-Schiedsgerichts vor.112 Ein genereller Auffangtatbestand wie in der EMRK steht im Investitionsschutz daher nicht zur Verfügung. Eine Ausnahme besteht nur hinsichtlich des IUSCT. Dort sieht Artikel II, §1 der Deklaration von Algier113 ausdrücklich einen Tatbestand „sonstige das Eigentumsrecht betreffende Maßnahmen“ (other measures affecting property rights) vor. Somit wird vom investitionsrechtlichen Eigentumsschutz mit Ausnahme des IUSCT nur ein einziger Eingriffstatbestand erfasst: jener der Enteignung.

1. Ziel und Vorgangsweise der investitionsrechtlichen Eingriffsprüfung Das Prüfungssystem des Investitionsschutzes zur Feststellung, ob eine Ersatzleistung (Entschädigung oder Schadenersatz) seitens des Staates zu erfolgen hat, unterscheidet sich ebenfalls erheblich vom menschenrechtlichen. ___________ 112

Siehe z.B.: Article XII 2 (b) Agreement between the Government of Australia and the Government of the People’s Republic of China on the Reciprocal Encouragement and Protection of Investments vom 11. Juli 1988, Australian Treaty Series 1988, No. 14. Der Fall Plama v. Bulgaria ist ein Beispiel für eine Entscheidung eines Schiedsgerichts über ein BIT (Bulgaria/Cyprus BIT), dessen Jurisdiktionsklausel nur für die Höhe der Enteignungsentschädigung die Jurisdiktion eines internationalen Schiedsgerichts vorsah. Das Schiedsgericht entschied, dass über eine „most favoured nation clause“ (MFN) keine Jurisidiktionsnormen anderer BITs importiert werden können. Daher gab es auch keine Möglichkeit, für andere Tatbestände Jurisdiktion über die MFN Klausel zu bekommen. Somit lag ein Fall vor, in dem nur bei Vorliegen einer Enteignung die Jurisdiktion eines internationalen Schiedsgerichts bestand. (Plama v. Bulgaria, (Energy Charter Treaty), Decision on Jurisdiction, 8 February 2005, http://ita.law.uvic.ca/docu ments/plamavbulgaria.pdf, §§ 186, 207, 223, 227). Im Fall EnCana v. Ecuador hatte das Schiedsgericht für Ansprüche im Zusammenhang mit steuerlichen Maßnahmen nur im Fall einer Enteignung nicht aber hinsichtlich anderer Tatbestände wie „fair and equitable treatment“ Jurisdiktion. (EnCana Corporation v. Republic of Ecuador, (Canada/Ecuador BIT), Award, 3 February 2006, 12 ICSID Reports 427, §§ 149, 166–168. Auch das BIT im Fall ADC v. Hungary enthielt eine enge Jurisdiktionsklausel; die Zuständigkeit des Schiedsgerichts war auf Enteignungen beschränkt. Für die im BIT ebenfalls enthaltenen Tatbestände „fair and equitable treatment“ und „full protection and security“ war keine Zuständigkeit eines Schiedsgerichts vorgesehen. (ADC Affiliate Limited and ADC & ADMC Management Limited v. Republic of Hungary, (Cyprus/Hungary BIT), Award of 2 October 2006, http://ita.law.uvic.ca/documents/ ADCvHungaryAward.pdf, § 295). 113 Declaration of the Government of the Democratic and Popular Republic of Algeria Concerning the Settlement of Claims by the Government of the United States of America and the Government of the Islamic Republic of Iran (Claims Settlement Declaration), 19. Jänner 1981, 1 Iran-United States Claims Tribunal Reports (IUSCTR), S. 3 f.

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2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

Ein wesentlicher Unterschied liegt im Ziel der Prüfung. Im Investitionsschutz steht nicht die Frage im Vordergrund, ob eine Verletzung des Eigentumsrechts erfolgt ist, sondern ob eine Ersatzleistung des Staates für den Eingriff erfolgen muss. Die Ersatzleistungspflicht hängt im Investitionsschutz nicht von einem rechtswidrigen Akt, sondern vom Vorliegen einer Enteignung ab. Auch für eine rechtmäßige Enteignung ist zu entschädigen. Die Leistung einer Entschädigung ist vielmehr Voraussetzung dafür, dass eine Enteignung rechtmäßig ist. Die Prüfung, ob eine Enteignung vorliegt und daher eine staatliche Ersatzleistung (Entschädigung oder Schadenersatz) erforderlich ist, erfolgt in mehreren Schritten: Die erste Ebene umfasst den bereits im vorigen Teil behandelten Gegenstand des Eigentumsschutzes. Es wird dabei festgestellt, ob das geltend gemachte Recht in den Anwendungsbereich ratione materiae fällt, dass heißt ob es Gegenstand des investitionsrechtlichen Eigentumsschutzes ist. Auf der zweiten Ebene wird geprüft, ob ein Eingriff, in der Regel eine Enteignung, in ein solches geschütztes Eigentumsrecht vorliegt. Das heißt, es wird festgestellt, ob durch eine staatliche Maßnahme das Schutzgut so beeinträchtigt wurde, dass eine Enteignung vorliegt. Wenn feststeht, dass eine Enteignung verwirklicht ist, gibt es im Unterschied zum Menschenrechtsschutz keine Rechtfertigungsprüfung. Es wird in der Folge lediglich die Legalität der Enteignung überprüft. Diese Prüfung dient jedoch nicht dazu, festzustellen, ob der Eingriff gerechtfertigt war und daher keine Ersatzleistung seitens des Staates erforderlich ist. Sie dient vielmehr lediglich dazu, festzustellen, welche Art von Ersatzleistung (Entschädigung oder Schadenersatz) der Staat zu erbringen hat. Die Kriterien, die herangezogen werden, um zu entscheiden, ob eine Enteignung rechtmäßig oder unrechtmäßig ist, sind folgende: –

Die Enteignung darf nicht diskriminierend sein,



sie muss im öffentlichen Interesse,



in einem rechtsstaatlichen Verfahren



und gegen Entschädigung erfolgt sein.

Wenn diese Kriterien vorliegen, ist eine Enteignung rechtmäßig. Wenn nicht, liegt eine rechtswidrige Enteignung vor. Die Zahlung einer Entschädigung ist die Vorraussetzung dafür, dass eine Enteignung rechtmäßig ist. Eine Schadenersatzverpflichtung hingegen ist die Konsequenz einer rechtswidrigen Enteignung. Aufgrund unterschiedlicher Berechnungsmethoden kann ein erheblicher quantitativer Unterschied zwischen einer zu leistenden Entschädigung und Schadenersatz sein. Zu beachten ist,

A. Allgemeines

217

dass, wenn eine Enteignung vorliegt, entweder volle Entschädigung oder voller Schadenersatz zu leisten ist. Die Ersatzleistung ist daher in jedem Fall voll. Die Höhe richtet sich bei der Entschädigung nach dem Marktwert, beim Schadenersatz nach dem sogenannten „Chorzów Prinzip“.114 Das heißt, der Eigentümer ist wirtschaftlich so zu stellen, als ob der Eingriff nie erfolgt wäre. Die Entscheidung, dass eine Ersatzleistung zu erfolgen hat, wird bereits mit der Entscheidung getroffen, dass eine Enteignung vorliegt. Im Zuge der Rechtmäßigkeitsprüfung wird daher nicht darüber entschieden, ob, sondern in welcher Form die Ersatzleistung zu erfolgen hat. Liegt eine Enteignung vor, besteht volle Ersatzleistungspflicht; ist dies nicht der Fall, besteht keinerlei Ersatzleistungspflicht.

Abbildung 2: Prüfungssystem zur Feststellung, ob eine Ersatzleistung seitens des Staates zu erfolgen hat

___________ 114

Der Ständige Internationale Gerichtshof führte in diesem Fall aus: The essential principle contained in the actual notion of an illegal act – a principle which seems to be established by international practice and in particular by decision of arbitral tribunals – is that reparation must, as far as possible, wipe out all the consequences of the illegal act and re-establish the situation which would, in all probability, have existed if that act had not been committed. (PCIJ, Case Concerning the Factory at Chorzów (Indemnity), Judgment No. 13, 1928 PCIJ, Serie A No. 17, Order, 13 September 1928, S. 47). Siehe dazu z.B. jüngst: I. Marboe, Compensation and Damages in International Law, The Limits of “Fair Market Value”, 7 The Journal of World Investment & Trade, 2006, S. 732 ff.

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2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

Man kann somit im Hinblick auf eine etwaig zu erbringende Ersatzleistung von einem „Alles-oder-Nichts“-System oder einem binären System sprechen. Dieses „Alles-oder-Nichts“-System im Investitionsschutz hat, wie in der Folge ausführlich gezeigt werden wird, besonders im Bereich der regulativen Eingriffe115 zu Problemen geführt. Bei formellen Enteignungen ist einfach zu ermitteln, ob eine Enteignung vorliegt. Bei indirekten Enteignungen und insbesondere bei solchen, die durch staatliche regulative Maßnahmen hervorgerufen werden, bereitet es hingegen große Schwierigkeiten, festzustellen, ob eine Enteignung vorliegt. Bei regulativen Eingriffen besteht ein grundsätzliches Dilemma: Es steht fest, dass diese Enteignungen sein können. Ebenso klar ist, dass nicht jeder regulative Eingriff, der negative wirtschaftliche Folgen für den Investor hat, eine Enteignung und somit entschädigungspflichtig ist. Das Hauptproblem besteht darin, geeignete Abgrenzungskriterien zu finden zwischen regulativen Maßnahmen, die keine Entschädigung erfordern, und solchen, die eine Enteignung sind.116 Wie gezeigt werden wird,117 bieten die Regelungen in völkerrechtlichen Verträgen nur unzureichende Anhaltspunkte zur Beantwortung dieser Frage. 118 Dass die Staaten einen Spielraum im Bereich der regulierenden staatlichen Eingriffe wünschen, innerhalb dessen sie keine Entschädigung leisten müssen, zeigen etwa die Formulierungen der jüngsten Modell-BITs der USA und Kanadas. Diese werden weiter unten noch ausführlich behandelt.119 Der Judikatur der Investitionsschiedsgerichte kommt aufgrund der fehlenden vertraglichen Abgrenzungskriterien eine besondere Bedeutung zu. Sie wird, wie ausführlich analysiert werden wird, von zwei Doktrinen beherrscht: Die eine („Sole-effects“-Doktrin)120 stellt nur auf die Auswirkungen für den Investor ab, um zu ermitteln, ob eine Enteignung vorliegt. Die andere („Police-powers“-Doktrin)121 berücksichtigt bei der Entscheidung, ob eine Enteignung vor___________ 115

Bei regulativen Eingriffen werden durch eine staatliche Regelungstätigkeit – etwa im Umweltschutzbereich oder Gesundheitsbereich – Eigentumsrechte beeinträchtigt. 116 Siehe dazu unten, S. 295 ff. 117 Siehe dazu unten, S. 258 ff. 118 Dolzer charakterisierte die vertragsrechtliche Situation treffend folgendermaßen: … one cannot but admit at this stage that the law of indirect expropriation can be established, at this moment, on the basis of primary sources of international law, only in a very sketchy and rough manner. Large lacunae remain. (R. Dolzer, Indirect Expropriation of Alien Property 1 ICSID Review, Foreign Investment Law Journal, 1986, 41–65, S. 59.) 119 Siehe dazu unten, S. 262 ff. 120 Siehe dazu unten, S. 334 ff. 121 Siehe dazu unten, S. 347 ff.

A. Allgemeines

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liegt, eine Reihe weiterer Faktoren, unter anderem den Eingriffszweck.122 In einer radikalen Variante, die jüngst in den Fällen Methanex123 und Saluka124 zur Anwendung gekommen ist, stellt die „Police-powers“-Doktrin nur auf den Zweck des Eingriffs ab, um festzustellen, ob eine Enteignung vorliegt. Bei vorhandenem öffentlichem Interesse liegt dann keine Enteignung vor, außer die regulative Maßnahme war diskriminierend, wurde nicht auf rechtsstaatlichem Weg ergriffen oder es lagen ausdrückliche entgegenstehende staatliche Zusagen vor. Bei der radikalen „Police-powers“-Doktrin wurden daher die Kriterien, die in der bisherigen Judikatur dafür verwendet wurden, um zu entscheiden, ob eine Enteignung rechtswidrig oder rechtmäßig ist, herangezogen, um festzustellen, ob überhaupt eine Enteignung vorliegt. Die dogmatische Problematik dieser Vorgangsweise wird noch ausführlich erörtert werden.125 Allen Methoden ist gemeinsam, dass aufgrund des „Alles-oder-Nichts“-Systems im Investitionsschutz nur entweder eine Enteignung oder keine Enteignung vorliegen kann und somit entweder der volle oder kein Ersatz geleistet werden muss.

2. Erfordert eine Enteignung einen Hoheitsakt? Investitionsschiedsgerichte hatten immer wieder die Frage zu beantworten, ob nur ein Hoheitsakt eine Enteignung bewirken kann, oder auch das privatwirtschaftliche Vorgehen eines Staates. Aufgetreten ist das Problem in Zusammenhang mit der Frage, inwieweit die Verletzung eines Vertrages zwischen einem Staat und einem Investor eine Enteignung sein kann. Dass auch vertragliche Rechte unter den Eigentumsbegriff fallen und daher enteignet werden können, wurde bereits im Teil über den Schutzbereich gezeigt.126 Eine Reihe von Schiedssprüchen belegt, dass der Entzug von vertraglichen Rechten durch Hoheitsakte eine Völkerrechtsverletzung ist.127 ___________ 122 Siehe z.B.: S.D. Myers, Inc. v. Government of Canada, (NAFTA), First Partial Award, 13 November 2000, 8 ICSID Reports 18; Técnicas Medioambientales Tecmed, S. A. v. United Mexican States, (Spain/Mexico BIT), Award, 29 May 2003, 10 ICSID Reports 134. 123 MethanexCorp. v. USA, (NAFTA), Final Award, 3 August 2005, http://ita.law. uvic.ca/documents/MethanexFinalAward.pdf. 124 Saluka Investments BV v. Czech Republic, (Dutch/Czech BIT), Partial Award, 17 March 2006, http://ita.law.uvic.ca/documents/Saluka-PartialawardFinal.pdf. 125 Siehe dazu unten S. 365 ff. 126 Siehe z.B.: Norwegian Shipowners’ Claims (Norway v. United States), Award, 13 October 1922, 1 RIAA 307, S. 318, 325; Germany v. Poland, Judgment, 15 May 1926,

220

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

Jedoch wird nicht jede Vertragsverletzung, die zu einem Entzug der Rechte aus dem Vertrag führt, als Enteignung angesehen. Schwebel128 führt dazu aus, dass ein einfacher Bruch eines Vertrages, der zwischen einem Staat und einem Individuum durch den Staat abgeschlossen wurde, keine Völkerrechtsverletzung sei. Falls der Eingriff jedoch durch einen nicht kommerziellen Akt hervorgerufen würde, liege eine Völkerrechtsverletzung vor: … there is more than doctrinal support of the conclusion that, while mere breach by a State of a contract with an alien (…) is not a violation of international law, a “noncommercial” act of a State contrary to such a contract may be. That is to say, the breach of such a contract by a State in ordinary commercial intercourse is not, in the

___________ PCIJ Ser. A, No. 7 (1927), S. 44; IUSCT, Starrett Housing Corp. v. Government of the Islamic Republic of Iran, Award No. ITL 32-24-1, 19 December 1983, 4 IUSCTR 122, S. 156; Amoco International Finance Corporation v. The Government of the Islamic Republic of Iran, et al., Partial Award No. 310-56-3, 14 July 1987, 15 IUSCTR 189, § 108; Phillips Petroleum Company Iran v. The Islamic Republic of Iran, et al., Award No. 425-39-2, 29 June 1989, 21 IUSCTR 79, § 76; Southern Pacific Properties (Middle East) Limited (SPP) v. Arab Republic of Egypt, (National Law), Award, 20 May 1992, 3 ICSID Reports 189, S. 228, 229; Wena Hotels Ltd. v. Arab Republic of Egypt, (United Kingdom/Egypt BIT), Award, 8 December 2000, 6 ICSID Reports 89, § 98; Tokios Tokelés v. Ukraine, (Lithuania/Ukraine BIT), Decision on Jurisdiction, 29 April 2004, § 90, Quelle: http://ita.law.uvic.ca/documents/Tokios-Jurisdiction_000.pdf; Impregilo S. p. A. v. Pakistan, (Italy/Pakistan BIT), Decision on Jurisdiction, 22 April 2005, 12 ICSID Reports 245, § 274; Bayindir Insaat Turizm Ticaret Ve Sanayi A. S. v. Pakistan, (Turkey/Pakistan BIT), Decision on Jurisdiction, 14 November 2005, § 255, Quelle: http://ita.law.uvic.ca/documents/Bayindr-jurisdiction.pdf; Eureko B. V. v. Poland, (Netherlands/Poland BIT), Partial Award, 19 August 2005, 12 ICSID Reports 335, § 241; Siemens AG v. Argentine Republic, (Argentina/Germany BIT), Award, 6 February 2007, http://ita.law.uvic.ca/documents/Siemens-Argentina-Award.pdf, § 267; Compañía de Aguas del Aconquija S. A. and Vivendi Universal v. Argentine Republic (Vivendi II), (France/Argentina BIT), Award, 20 August 2007, http://ita.law.uvic.ca/do cuments/VivendiAwardEnglish.pdf, § 7.5.4. Siehe dazu Teil I, S. 125 ff. 127 Siehe z.B.: Saudi Arabia v. Arabian American Oil Company, (Concession Agreement), Award, 23 August 1958, 27 ILR 117, S. 168; BP Exploration Company (Libya) Limited v. Government of the Libyan Arab Republic, (Investment Agreement), Award, 10 October 1973 and 1 August 1974, 53 ILR 297, S. 329; Texaco Overseas Petrolium Company and California Asiatic Oil Company v. Government of the Libyan Arab Republic, (Concession Agreement), Award, 19 January 1977, 53 ILR 389, §§ 35, 36, 70, 72; In the Matter of Revere Copper and Brass Inc. v. Overseas Private Investment Corporation, Award, 24 August 1978, 56 ILR 258, S. 271–275, 283, 290–291; ADC Affiliate Limited and ADC & ADMC Management Limited v. Republic of Hungary, (Cyprus/Hungary BIT), Award of 2 October 2006, http://ita.law.uvic.ca/documents/ ADCvHungaryAward.pdf, §§ 301–304; Compañía de Aguas del Aconquija S. A. and Vivendi Universal v. Argentine Republic (Vivendi II), (France/Argentina BIT), Award, 20 August 2007, http://ita.law.uvic.ca/documents/VivendiAwardEnglish.pdf, §§ 7.5.8, 7.5.22, 7.5.34. 128 S. Schwebel, On whether the breach by a State of contract with an alien is a breach of international law, in: International Law at the Time of its Codification, Essays in Honour of Roberto Ago, Vol III, 1987, 401.

A. Allgemeines

221

predominant view, a violation of international law, but the use of the sovereign authority of a State, contrary to the expectations of the parties, to abrogate or violate a contract with an alien, is a violation of international law.129

Auch Kommentar h zu §712 US Third Restatement of the Law of Foreign Relations aus 1987130 lässt einen bloßen Vertragsbruch nicht für das Vorliegen einer Enteignung genügen, sondern verlangt, dass ein Eingriff in vertragliche Rechte durch einen Hoheitsakt erfolgt, damit eine Enteignung vorliegt. … a state is responsible for such a repudiation or breach only … if it is akin to an expropriation in that the contract is repudiated or breached for governmental rather than commercial reasons … .131

Diese Ansicht, wonach für eine Enteignung von vertraglichen Ansprüchen ein Hoheitsakt Voraussetzung ist, wird durch eine Reihe von Schiedssprüchen bestätigt, die in der Folge erläutert werden. Zusätzlich zum Erfordernis des Hoheitsaktes muss die Voraussetzung einer substantiellen Beeinträchtigung der Rechte aus dem Vertrag vorliegen.132 Der Fall RFCC133 betraf einen Vertrag über die Errichtung einer Straße. Es wurde eine im Vertrag vorgesehene Strafe für verspätete Fertigstellung verhängt und eine Bankgarantie einbehalten. Der Kläger machte eine Enteignung der Investition geltend. Das Schiedsgericht führte aus, dass es sich bei der staatlichen Maßnahme um eine solche in Ausübung von Hoheitsgewalt handeln müsse und nicht um eine Maßnahme als Vertragspartner, damit eine Enteignung vorliegen könne. Es wies in diesem Zusammenhang auch auf den sprachlichen Unterschied zwischen Eingriff und Nichterfüllung hin. Für eine Enteignung sei ein Eingriff in die Eigentumsrechte und nicht bloß eine Nichterfüllung eines Vertrages erforderlich. Das Schiedsgericht sagte: Pour qu’il y ait droit à compensation il faut que la personne de l’exproprié prouve qu’il a été l’objet de mesures prises par l’Etat agissant non comme cocontractant mais comme autorité publique. Les décisions relatives aux cas d’expropriation indirecte mentionnent toutes l’« interférence » de l’Etat d’accueil dans l’exercice normal, par l’investisseur, de ses droits économiques. Or un Etat cocontractant n’ ‘interfère’ pas, mais ‘exécute’ un contrat. …134 …

___________ 129

Ibid., S. 408 f. Restatement (Third) of the Foreign Relations Law of the United States, American Law Institute, Vol. 2, 1986, S. 196 ff. 131 Ibid., S. 201. 132 Dazu siehe unten S. 307 ff. 133 Consortium R.F.C.C. v. Kingdom of Morocco, (Italy/Morocco BIT), Award, 22 December 2003, http://ita.law.uvic.ca/documents/ConsortiumRFCC-Award_000.pdf. 134 Ibid., § 65. Hervorhebung durch die Autorin. 130

222

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

Un manquement à l’exécution d’un contrat, de nature à léser les intérêts du cocontractant, ne peut s’analyser en une mesure d’expropriation. Une chose est de priver un investisseur de ses droits contractuels reconnus par la seule force de l’autorité étatique, autre chose est de contester la réalité ou l’étendue de ces droits par application du contrat.135

Das Schiedsgericht befand, dass Streitigkeiten bezüglich der Auslegung des Vertrages vorlagen, die nicht über die üblichen Differenzen zwischen Vertragspartnern hinausgingen. Daher handelte es sich um keine Enteignung sondern um einen Vertragsstreit. Dem Fall SGS v. Philipines136 lag ebenfalls kein Hoheitsakt zugrunde. Die Klage betraf die Nichtbezahlung von ausstehenden Forderungen für vom Kläger erbrachte Leistungen. Auch hier stellte das Schiedsgericht fest, dass kein Hoheitsakt vorliege und daher keine Enteignung gegeben sei. Eine bloße Nichtbezahlung einer Schuld sei keine Enteignung, zumindest dann nicht, wenn noch Rechtsmittel zur Verfügung stünden und es sich daher um eine offene Vertragsstreitigkeit handle. Es führte aus: In the Tribunal’s view, on the material presented by the Claimant no case of expropriation has been raised. Whatever debt the Philippines may owe to SGS still exists; whatever right to interest for late payment SGS had it still has. There has been no law or decree enacted by the Philippines attempting to expropriate or annul the debt, nor any action tantamount to an expropriation. … A mere refusal to pay a debt is not an expropriation of property, at least where remedies exist in respect of such a refusal. A fortiori a refusal to pay is not an expropriation where there is an unresolved dispute as to the amount payable.137

Auch im Fall Waste Management138 verlangte das Schiedsgericht für das Vorliegen einer Enteignung einen staatlichen Eingriff mittels Hoheitsakt. Gegenstand des Rechtsstreits war eine Konzession zur Abfallentsorgung der Stadt Acapulco. Letztere zahlte Beträge nicht, welche sie aufgrund eines Vertrages zu zahlen verpflichtet gewesen wäre. Der Kläger machte darauf eine Enteignung seines Rechts aus der Konzession geltend. Das Schiedsgericht führt aus, dass es für das Vorliegen einer Enteignung nicht ausreiche, wenn eine bloße Nichterfüllung eines Vertrages gegeben sei. Jeder Private sei in der Lage, einen Vertrag nicht zu erfüllen. Eine Nationalisierung oder eine Enteignung könnten im Gegensatz dazu nur Staaten vornehmen.

___________ 135 136

Ibid., § 87. Hervorhebung durch die Autorin. SGS v. Philippines, Decision on Jurisdiction, 29 January 2004, 8 ICSID Reports

568. 137

Ibid., § 161. Waste Management, Inc. v. United Mexican States, (NAFTA), Award, 30 April 2004, 43 ILM (2004) 967. 138

A. Allgemeines

223

The mere non-performance of a contractual obligation is not to be equated with a taking of property, nor (unless accompanied by other elements) is it tantamount to expropriation. Any private party can fail to perform its contracts, whereas nationalization and expropriation are inherently governmental acts, as is envisaged by the use of the term “measure” in Article 1110(1).139 … The Tribunal concludes that it is one thing to expropriate a right under a contract and another to fail to comply with the contract. Non-compliance by a government with contractual obligations is not the same thing as, or equivalent or tantamount to, an expropriation.140

Da im vorliegenden Fall keine endgültige Zahlungsverweigerung, die mit einem denial of justice verbunden war, vorgelegen habe, handle es sich um eine Nachlässigkeit oder Nichterfüllung auf vertraglicher Ebene. Dies erfülle den zuvor dargelegten Test für eine Enteignung von Vertragsrechten nicht.141 Somit bewertete auch dieses Schiedsgericht die bloße Nichterfüllung eines Vertrages nicht als Enteignung, sondern stellte ebenfalls auf das Vorliegen eines Hoheitsaktes ab. Auch das Schiedsgericht in Impregilo v. Pakistan,142 auf dessen Entscheidung sich das Schiedsgericht in Bayindir143 zustimmend bezog, wies darauf hin, dass für das Vorliegen einer Enteignung ein Hoheitsakt erforderlich sei. Es unterschied zwischen der Nichterfüllung eines Vertrages („performance“) und einem Eingriff („interference“) in Vertragsrechte und führte aus, dass nur wenn ein Staat die Rolle eines Vertragspartners verlasse und in staatlicher Eigenschaft handle, eine Enteignung vorliege. Es sagte: …that only measures taken by Pakistan in the exercise of its sovereign power (“puissance publique”), and not decisions taken in the implementation or performance of the Contracts, may be considered as measures having an effect equivalent to expropriation.144

___________ 139

Ibid., § 174. Ibid., § 175. 141 Ibid., § 176. 142 Impregilo S.p. A. v. Pakistan, (Italy/Pakistan BIT), Decision on Jurisdiction, 22 April 2005, 12 ICSID Reports 245. 143 Bayindir Insaat Turizm Ticaret ve Sanayi A.ù. v. Islamic Republic of Pakistan, (Turkey/Pakistan BIT), Decision on Jurisdiction, 14 November 2005, http://ita.law.uvic. ca/documents/Bayindr-jurisdiction.pdf. 144 Impregilo S.p. A. v. Pakistan, (Italy/Pakistan BIT), Decision on Jurisdiction, 22 April 2005, 12 ICSID Reports 245, § 281. Dieser Absatz wird vom Schiedsgericht in Bayindir (§ 257) zitiert. 140

224

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

Diese Rechtsansicht wurde neuerlich bestätigt, wenn das Schiedsgericht im Fall Azurix145 ausführte, dass das Vorliegen einer Enteignung davon abhänge, ob der Staat einen Vertrag in Ausübung seiner Hoheitsgewalt oder als Vertragspartei gebrochen habe. Nur wenn der Vertrag durch eine hoheitliche Maßnahme wirtschaftlich vernichtet werde, liege eine Enteignung vor. Sonst handle es sich um eine bloße Vertragsverletzung, auch wenn der Vertrag dadurch wirtschaftlich vernichtet sei. Das Schiedsgericht führte aus: The Tribunal agrees that contractual breaches by a State party or one of its instrumentalities would not normally constitute expropriation. Whether one or [a] series of such breaches can be considered to be measures tantamount to expropriation will depend on whether the State or its instrumentality has breached the contract in the exercise of its sovereign authority, or as a party to a contract. As already noted, a State or its instrumentalities may perform a contract badly, but this will not result in a breach of treaty provisions, “unless it be proved that the state or its emanation has gone beyond its role as a mere party to the contract, and has exercised the specific functions of a sovereign.”146

Das Schiedsgericht im Fall Siemens147 kam zum gleichen Ergebnis, wie die zuvor angeführten. Es fasste nach einer Analyse der Vorjudikatur die Position diverser Schiedsgerichte zusammen und führte aus, dass ein Staat für das Vorliegen einer Enteignung hoheitlich gehandelt haben muss: 253. What all these decisions have in common is that for the State to incur international responsibility it must act as such, it must use its public authority. The actions of the State have to be based on its “superior governmental power”. It is not a matter of being disappointed in the performance of the State in the execution of a contract but rather of interference in the contract execution through governmental action.148

Das Schiedsgericht listete in der Folge eine Reihe von staatlichen Handlungen auf, bei denen Argentinien jeweils in hoheitlicher Eigenschaft gehandelt hatte.149 Schließlich stellte es das Vorliegen einer rechtswidrigen Enteignung fest.150 Somit ist im Investitionsschutz für das Vorliegen einer Enteignung von vertragsrechtlichen Ansprüchen immer ein Hoheitsakt erforderlich, wie die zahlreichen erörterten Schiedssprüche belegen.

___________ 145 Azurix v. Argentine Republic, (United States/Argentina BIT), Award, 14 July 2006, http://ita.law.uvic.ca/documents/AzurixAwardJuly2006.pdf. 146 Ibid., § 315. Fußnote wurde ausgelassen. 147 Siemens AG v. Argentine Republic, (Argentina/Germany BIT), Award, 6 February 2007, http://ita.law.uvic.ca/documents/Siemens-Argentina-Award.pdf. 148 Ibid., § 253. 149 Ibid., §§ 254–260. 150 Ibid., § 273.

A. Allgemeines

225

III. Zwischenergebnis Es gibt einen wesentlichen strukturellen Unterschied zwischen Investitionsschutz und Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK. Für den menschenrechtlichen Eigentumsschutz sind drei nach Intensität und Eingriffsziel abgestufte Eingriffstatbestände charakteristisch, wovon einer eine Auffangklausel ist. Der Investitionsschutz kennt in der Regel nur einen Eingriffstatbestand: jenen der Enteignung. Diese Konstruktion wirkt wie ein materiellrechtlicher Jurisdiktionsfilter im Bereich des investitionsrechtlichen Eigentumsschutzes. Einen prozessualen Filter ähnlich der Pflicht im Menschenrechtsschutz, den innerstaatlichen Rechtsweg zu erschöpfen, gibt es im Allgemeinen im Investitionsrecht nicht. Daher würde die Einführung einer Auffangklausel für Beeinträchtigungen des Eigentums das Risiko eines massiven Anstiegs der vor Investitionsschiedsgerichten zulässigen Fälle mit sich bringen. Ferner würde der investitionsrechtliche Eigentumsschutz dadurch in die Nähe einer Versicherungspolizze gegen Investitionsrisiken rücken, was er aber nicht sein soll.151 Vielmehr sollen grundlegende Rechte der Investoren auf effiziente Weise sichergestellt werden. Zudem könnte eine Änderung nur durch eine Modifikation der Verträge erreicht werden. Dazu besteht sicherlich keine Bereitschaft seitens der Staaten. Es erscheint daher nicht sinnvoll, zu versuchen, den investitionsrechtlichen Eigentumsschutz durch neue Tatbestände zu erweitern. Ein weiterer wesentlicher Unterschied zwischen den beiden Eigentumsschutzsystemen besteht in den Folgen der Feststellung des Vorliegens einer Enteignung. Im Investitionsrecht wird mit der Feststellung, dass eine Enteignung erfolgte, zugleich eine Entscheidung darüber getroffen, dass volle Entschädigung zu leisten ist. Es wird somit bereits bei der Festlegung, welche Eingriffsform vorliegt, eine Entscheidung hinsichtlich der wirtschaftlichen Folgen vorgenommen. Wird im Investitionsrecht ein Eingriff als Enteignung angesehen, hat der Staat und im weiteren Sinne dessen Steuerzahler die wirtschaftliche Last dafür zu tragen. Wird der Eingriff nicht als Enteignung angesehen, trifft die wirtschaftliche Last den Investor. Daher kommt im Investitionsrecht der Beurteilung der Frage, ob eine Enteignung vorliegt, entscheidende Bedeutung zu: Es ___________ 151

I.d.S. auch T. Waelde/A. Kolo, Environmental Regulation, Investment Protection and „Regulatory taking“ in International Law, 50 ICLQ 2001, 811, S. 839; siehe auch z.B.: Maffezini v. Spain, (Argentina/Spain BIT), Award, 13 November 2000, 5 ICSID Reports 419, § 64: “Bilateral Investment Treaties are not insurance policies against bad business judgments.”

226

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

wird hinsichtlich der Entschädigung eine „Alles-oder-Nichts“-Entscheidung getroffen. Im Menschenrechtsschutz gibt es diesen Automatismus, wonach jeder im System relevante Eingriff zu einer Ersatzleistungspflicht des Staates führt, nicht. Es kommt der Entscheidung, ob eine Enteignung vorliegt, weniger Bedeutung zu: Einerseits führt das Vorliegen egal welchen Eingriffs in Eigentumsrechte noch nicht notwendigerweise zu einer Ersatzpflicht des Staates, weil der Eingriff unter bestimmten Umständen gerechtfertigt sein kann. Andererseits können im Menschenrechtsschutz auch Eigentumseingriffe Entschädigungspflichten auslösen, die keine Enteignungen sind. Unter welchen Umständen ein gerechtfertigter Eingriff vorliegt, der nicht zu einer Konventionsverletzung führt, wird in späteren Kapiteln dargelegt. Teil der Rechtfertigungsüberprüfung ist unter anderem eine Verhältnismäßigkeitsprüfung. Das System ist daher kein binäres, sondern ein flexibles. Ein weiterer Unterschied zwischen Menschenrechtsschutz und Investitionsschutz besteht darin, dass im Investitionsschutz für das Vorliegen einer Enteignung von vertragsrechtlichen Ansprüchen immer ein Hoheitsakt erforderlich ist, wie die erörterten Schiedssprüche belegen. Für die EMRK halten sowohl Peukert152 als auch Grabenwarter153 fest, dass es für das Vorliegen einer Verletzung der Konvention unerheblich sei, ob der Staat in öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Form handle. Dies wird auch von der Judikatur bestätigt, die sich mit dieser Frage allerdings nicht im Zusammenhang mit dem Recht auf Schutz des Eigentums beschäftigt hat.154

___________ 152 W. Peukert, Art 25 (Individualbeschwerde), in: J. A. Frowein/W. Peukert (Hrsg.), Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK Kommentar², 1996, S. 548. 153 C. Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention3, 2008, Kapitel 17, Der Geltungsbereich der EMRK, Rz 7. 154 Siehe z.B.: EGMR, Swedish Engine Drivers’ Union gg Schweden, Urteil vom 6. Februar 1976, Serie A, Nr. 20, § 37: The Convention nowhere makes an express distinction between the functions of a Contracting State as holder of public power and its responsibilities as employer. Ebenso in EGMR, Schmidt and Dahlström gg Schweden, Urteil vom 6. Februar 1976, Serie A, Nr. 21, § 33; Tüm Haber Sen and Çinar gg Türkei, Nr. 28602/95, Urteil vom 21. Februar 2006, § 29.

B. Die Enteignung

227

B. Die Enteignung Die Enteignung ist die einzige Eingriffsform, die den beiden behandelten Eigentumsschutzsystemen gemeinsam ist. Die verwendete Terminologie ist insgesamt sehr uneinheitlich.155 Sowohl bei formellen als auch bei nicht formellen Eingriffen werden unterschiedliche Bezeichnungen für ähnliche faktische Ereignisse verwendet. Für den Eigentumsentzug im Deutschen gebräuchlich sind unter anderem die Ausdrücke: Enteignung,156 Nationalisierung,157 Verstaatlichung,158 Konfiskation,159 Entzug.160 Im Englischen finden in der Literatur und in völkerrechtlichen Investitionsschutzverträgen neben „expropriation“ und „nationalization“ beispielsweise die Begriffe „dispossession“, „taking“, „deprivation“, „privation“, „confiscation“, „requisition“ oder „sequestration“ Verwendung.161 Der Begriff „taking“ (Entzug) wird häufig verwendet, um beispielsweise der Schwierigkeit zu entgehen, eine genaue Einordnung treffen zu müssen, ob eine Handlung als Konfiskation oder Enteignung zu werten sei.

___________ 155 Zur uneinheitlichen Terminologie siehe z.B.: I. Brownlie, Principles of Public International Law6, 2003, S. 508; Y. Dinstein, Deprivation of Property of Foreigners under International Law, in: N. Ando et al. (Hrsg.), Liber Amicorum Judige Shigeru Oda, 2002, 849–869, S. 853 f.; R. Dolzer/M. Stevens, Bilateral Investment Treaties, 1995, S. 98; R. Higgins, The Taking of Property by the State: Recent Developments in International Law, 176 RdC (1982-III), 261; B. H. Weston, “Constructive Takings” under International Law: A Modest Foray into the Problem of “Creeping Expropriation”, 16 Virginia Journal of International Law 1975, 103, S. 111 ff.; F. V. Garcia-Amador, ILC Fourth Report on State Responsibility, Yearbook of the ILC 1959, vol. II, 10 ff. 156 Dieser Ausdruck wird im Gegensatz zur Nationalisierung für den Entzug einzelner Eigentumsobjekte verwendet. Siehe z.B.: R. Dolzer/M. Stevens, Bilateral Investment Treaties, 1995, S. 98. 157 Siehe z.B.: M. Domke, Foreign Nationalizations, 55 AJIL 1961, 585–616. 158 Siehe dazu z.B.: O. Alt, Neue Schiedssprüche zum Recht der Verstaatlichung, 35 ÖZöRV 1985, 265–304 m.w.N. 159 Siehe z.B.: M. Herdeggen, Internationales Wirtschaftsrecht³, 2002, 219; W. Peukert, Der Schutz des Eigentums nach Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention, 8 EuGRZ 1981, S. 104; G. Dahm, Völkerrecht, Bd. I, 1958, S. 514; I. Seidl-Hohenveldern, Internationales Konfiskations- und Enteignungsrecht, 1952, S. 5. 160 Dieser Ausdruck stellt nur auf den faktischen Vorgang, nicht aber auf dessen rechtliche Einordnung (etwa als Enteignung oder Konfiskation) ab. Zusätzlich kommt es bei diesem Terminus nicht darauf an, dass der Staat etwas erworben hat, sondern nur, dass dem Eigentümer etwas genommen wurde. 161 Für eine quantitative Analyse der Verwendung dieser Ausdrücke in Investitionsschutzverträgen siehe: W. D. Verwey/N. J. Schrijver, The Taking of Foreign Property under International Law: A New Legal Perspective?, XV NYIL 1984, 3, S. 4.

228

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

Einige Autoren verstehen unter „confiscation“ (Konfiskation) einen rechtswidrigen Eigentumsentzug;162 andere sehen in „confiscation“ einen Eigentumsentzug ohne entsprechende Entschädigung.163 Weiters wird „confiscation“ auch für die Einziehung von Vermögen eines verurteilten Verbrechers oder für den Einzug von geschmuggelter Ware benützt.164 Die bei de facto Enteignungen verwendete Terminologie ist ebenfalls uneinheitlich. Allgemein gültige Definitionen, die festlegen, was genau unter den einzelnen Eingriffskategorien zu verstehen sei, gibt es nicht. Am geläufigsten sind die Begriffe „indirekte Enteignung“,165 „de facto Enteignung“ und als Sonderformen derselben „schleichende Enteignung“ (creeping expropriation)166 und „regulatory taking“. Aber es werden auch Ausdrücke wie „constructive expropriation“167 und „wealth deprivation“168 verwendet. ___________ 162

I. Brownlie, Principles of Public International Law6, 2003, S. 509. So z.B.: G. White, Nationalisation of Foreign Property, 1961, S. 41; M. Herdeggen, Internationales Wirtschaftsrecht³, 2002, 219; I. Brownlie, Principles of Public International Law6, 2003, S. 509; W. Peukert, Der Schutz des Eigentums nach Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention, 8 EuGRZ 1981, S. 104; G. Dahm, Völkerrecht, Bd. I, 1958, S. 514. 164 S. Friedman, Expropriation in International Law, 1953, S. 29 ff.; G. White, Nationalisation of Foreign Property, 1961, S. 41; G. Fouilloux, La Nationalisation et le Droit International Public, 1962, S. 163 ff.; K. Byrne, Regulatory Expropriation and State Intent, 38 Canadian Yearbook of International Law 2000, S. 110. 165 Siehe z.B.: R. Dolzer, Indirect Expropriation of Alien Property, 1 ICSID Review, Foreign Investment Law Journal, 1986, 41–65. 166 „Creeping expropriation“ ist eine Unterform der indirekten Enteignung, bei der der Entzug der Eigentumsnutzungsmöglichkeiten schrittweise über einen längeren Zeitraum vor sich geht. Dolzer weist darauf hin, dass „creeping expropriation“ verwendet wird, wenn der Staat die Absicht hat, zu enteignen, dies aber verschleiern will. (R. Dolzer, Indirect Expropriation of Alien Property, 1 ICSID Review, Foreign Investment Law Journal, 1986, 41–65, S. 44). 167 „Constructive taking“ bezieht sich auf einen faktischen Entzug des Eigentumsrechts ohne physischen Eingriff oder Titeltransfer. (Z. A. AlQurashi, Indirect Expropriation in the Field of Petroleum, 5 The Journal of World Investment and Trade 2004, 897, S. 900.) I.d.S. auch J. C. Beauvais, Regulatory Expropriations under NAFTA: Emerging Principles & Lingering Doubts, 10 N.Y.U. Environmental Law Journal, 2002, 245, S. 259. Zur terminologischen Verwirrung siehe auch: B. H. Weston, „Constructive Takings“ under International Law: A Modest Foray into the Problem of „Creeping Expropriation“, 16 Virginia Journal of International Law 1975, 103, S. 111 ff. Weston verwendet die Begriffe „indirect“, „de facto“, „disguised“, „constructive“ und „creeping“ synonym. (Ibid., S. 105–106). Biloune and Marine Drive Complex Ltd. v. Ghana Investments Centre and the Government of Ghana ((Investment Agreement), Award, 27 October 1989, 95 ILR 183, S. 209 f.) ist ein Fall, in dem ein Schiedsgericht, dass den Ausdruck „constructive expropriation“ für eine de facto Enteignung verwendet. 163

B. Die Enteignung

229

Sowohl im Menschenrechtsschutz als auch im Investitionsschutz wird von den Gerichten und Schiedsgerichten bei Enteignungen jeweils zwischen zwei Ausprägungsformen von Enteignungen unterschieden. Dabei sind zwei Unterscheidungsmuster vorherrschend, die jedoch nicht strikt durchgehalten werden: Im Menschenrechtsbereich wird vom EGMR zwischen formellen und de facto Enteignungen unterschieden. Der Gerichtshof verwendet für Enteignungen sowohl den Ausdruck „Enteignung“ (expropriation) als auch den Begriff „Eigentumsentzug“ (deprivation of property). Der Gebrauch des Ausdrucks „Eigentumsentzug“ lässt sich darauf zurückführen, dass der Konventionstext vom Entzug von Eigentum („No one shall be deprived of his possessions…“) spricht. „Enteignung“ (expropriation) verwendet der Gerichtshof meist im Zusammenhang mit de facto Enteignungen.169 Bei formellen Enteignungen spricht er von einem „Eigentumsentzug“.170

___________ 168

Dieser Begriff wurde von Weston (B. H. Weston, „Constructive Takings“ under International Law: A Modest Foray into the Problem of „Creeping Expropriation“, 16 Virginia Journal of International Law 1975, 103-175, S. 112 f.) als normativ neutraler Begriff vorgeschlagen: ..., the expression “wealth deprivation”, a term this writer has found very useful in the past because it avoids the simultaneous and therefore ambiguous reference to both fact and legal consequences which as noted, so often characterizes the more popular “taking”, “regulation”, and the like. Conceived as a normatively neutral statement, it is meant to describe the public or publicly authorized imposition of a wealth loss (or blocking of a wealth gain) – at whatever time, by whatever means, with whatever intensity, and for whatever purpose – which, in the absence of some further act on the part of the depriving party, involves the denial of a quid pro quo to the party who sustains the deprivation (the component “wealth” usually being preferred to the more popular “property” because it refers to all the relevant values of goods, services, and income without sharing the latter’s frequent emphasis upon permanence and physicality, or the civil law’s stress on “ownership”). … S. 112 f. Er wird von Dolzer jedoch aufgrund seines sehr weiten Anwendungsbereichs abgelehnt (R. Dolzer, Indirect Expropriation of Alien Property, 1 ICSID Review, Foreign Investment Law Journal, 1986, S. 44). 169 Siehe z.B.: EGMR, Sporrong und Lönnroth gg Schweden, Urteil vom 23. September 1982, Serie A, Nr. 52, § 63; Papamichalopoulos gg Griechenland, Urteil vom 24. Juni 1993, Serie A, Nr. 260-B, § 42; Brumarescu gg Rumänien [GC], Nr. 28342/95, Urteil vom 28. Oktober 1999, ECHR 1999-VII, § 76. 170 Siehe z.B.: EGMR, Håkansson and Sturesson gg Schweden, Urteil vom 21. Februar 1990, Serie A, Nr. 171-A, § 43; Hentrich gg Frankreich, Urteil vom 22. September 1994, Serie A, Nr. 296-A, § 35; The Holy Monasteries gg Griechenland, Urteil vom 9. Dezember 1994, Serie A, Nr. 301-A, § 66; Piron gg Frankreich, Nr. 36436/97, Urteil vom 14. November 2001, § 39.

230

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

Bei den de facto Enteignungen müsste eine Unterscheidung zwischen direkten und indirekten de facto Enteignungen erfolgen (siehe nachfolgende Skizze).171 Eine derartige Unterscheidung unterbleibt jedoch in der Praxis.

Abbildung 3: Ausprägungsformen von Enteignungen im Menschenrechtsschutz

In Investitionsschutzverträgen wird im Unterschied dazu vielfach zwischen direkten Enteignungen und indirekten Enteignungen unterschieden, wobei unter direkten Enteignungen zum Teil sowohl formelle als auch direkte de facto Enteignungen subsumiert werden. Teils werden direkte de facto Enteignungen aber auch als indirekte Enteignungen bezeichnet. Der Umstand, dass kein Titeltransfer vorliegt, ist dann ein entscheidendes Kriterium für die Zuordnung zu den indirekten Enteignungen.172 Anders ist es nicht erklärbar, dass beispielsweise das US Modell-BIT 2004 als eines der Entscheidungskriterien für das Vorliegen einer indirekten Enteignung die Art der Maßnahme (physischer oder regulatorischer Eingriff) anführt.173 Dieses Kriterium dürfte aus einem US Supreme ___________ 171

In der Lehre wird schon bisher vereinzelt auch diese Unterscheidung zwischen den Begriffen vorgenommen: Siehe z.B.: V. Heiskanen, The Contribution of the IranUnited States Claims Tribunal to the Development of the Doctrine of Indirect Expropriation, 5 International Law FORUM du droit international, S. 178. 172 Zu diesen Fragen siehe ausführlich unten: S. 288 ff. und S. 295 ff. 173 US Modell BIT 2004 Annex B Expropriation 4. The second situation addressed by Article 6 [Expropriation and Compensation] (1) is indirect expropriation, where an action or series of actions by a Party has an

B. Die Enteignung

231

Court Urteil entnommen worden sein.174 Auch der US Supreme Court prüfte in diesem Fall unter anderem, ob ein physischer oder bloß ein regulatorischer Eingriff vorliegt, um festzustellen, ob eine indirekte Enteignung stattgefunden hat.

Abbildung 4: Ausprägungsformen von Enteignungen im Investitionsschutz

Aufgrund der unscharfen Verwendung in der Praxis werden im Folgenden die Begriffe „formelle Enteignung“ und „formeller Entzug“ sowie die Begriffe „de facto Enteignung“ und „indirekte Enteignung“ jeweils synonym verwendet. Das heißt, nur formelle Enteignungen werden als direkte, ein faktischer, physischer Entzug im Investitionsrecht aber als indirekte Enteignung bezeichnet. Im Hinblick auf den strukturellen Unterschied im Bereich der Eingriffstatbestände ist es bei einer vergleichenden Analyse von Menschenrechts- und Investitionsschutz wichtig, besonderes Augenmerk darauf zu legen, wie Enteignungen und insbesondere de facto Enteignungen von den übrigen menschenrechtlichen Eingriffstatbeständen abgegrenzt wurden. ___________ effect equivalent to direct expropriation without formal transfer of title or outright seizure. (a) the determination of whether an action or series of actions by a Party, in a specific fact situation, constitutes an indirect expropriation, requires a case-bycase, fact based inquiry that considers, among other factors: … (iii) the character of the government action. Quelle: http://www.state.gov/documents/organization/38710.pdf. 174 US Supreme Court, Urteil vom 26. Juni 1978, Penn Central Transportation Co. v. New York City, 438 U.S. 104 (1978). Siehe dazu auch unten S. 265 f.

232

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

I. Die formelle Enteignung Voraussetzung für eine formelle Enteignung ist sowohl im Menschenrechtsals auch im Investitionsschutz ein Transfer des Titels des Eigentumsobjekts. In der Regel geht das Eigentum auf den Staat über. Dennoch gibt es Fälle, in denen die unmittelbar Begünstigten Private sind. Dieses Sonderproblem wird gesondert erörtert.175 In der Folge wird zunächst auf formelle Enteignungen im Bereich der Menschenrechte und danach auf solche im Bereich des Investitionsrechts eingegangen.

1. Menschenrechtsschutz Die Grundaussage von Satz 2 des Absatz 1 von Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK: „niemand darf sein Eigentum entzogen werden, es sei denn ….“ gibt einerseits keinen genauen Aufschluss darüber, was die Konvention unter Entzug versteht. Andererseits bleibt das Verhältnis zwischen Entzug und Enteignung in dieser Formulierung offen. Laut der Rechtsprechung des Gerichtshofs liegt eine Enteignung jedenfalls vor, wenn formell Eigentum übertragen wird.176 Fälle formellen Eigentumsentzugs warfen in der Rechtsprechung des Straßburger Gerichtshofs bisher die wenigsten dogmatischen Probleme auf. Sowohl die Enteignung einzelner Objekte als auch generelle Verstaatlichungen wurden als von Absatz 1 Satz 2 (Enteignung) umfasst angesehen.177 So wurde die Verstaatlichung der Luftfahrt- und Schiffsbauindustrie im Vereinigten Königreich im Fall Lithgow178 als Enteignung angesehen:

___________ 175

Siehe unten, S. 406 ff. So der Gerichtshof bereits in EGMR, Sporrong und Lönnroth gg Schweden, Urteil vom 23. September 1982, Serie A, Nr. 52, § 63: „In the absence of a formal expropriation, that is to say a transfer of ownership, …“ 177 Zu den diesbezüglich kontroversiellen Diskussionen in den travaux préparatoire siehe K. Gelinsky, Der Schutz des Eigentums gemäß Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention, 1996, S. 43 m.w.N. 178 EGMR, Lithgow gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 8. Juli 1986, Serie A, Nr. 102. Siehe zum Fall auch: R. Bernhard, Vorbemerkung zum Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Fall Lithgow vom 8. Juli 1986, 46 ZaöRV 1986, S. 539–542; I. Seidl-Hohenveldern, Eigentumsschutz nach der EMRK und nach allgemeinem Völkerrecht im Lichte der EGMR-Entscheidungen in den Fällen James und Lithgow, Festschrift für Felix Ermacora (1988), in: M. Nowak/D. Steurer/H. Tretter (Hrsg.), Fortschritt im Bewusstsein der Grund- und Menschenrechte: Festschrift für Felix Ermacora, 1988, S. 181–193. 176

B. Die Enteignung

233

The applicants were clearly “deprived of (their) possession”, within the meaning of the second sentence of Article 1; indeed, this point was not disputed before the Court.179

Auswirkungen zeigt die Unterscheidung zwischen Verstaatlichungen und Einzelenteignungen erst auf der Ebene des Entschädigungsstandards.180 Unerheblich für die Entscheidung, ob eine Enteignung vorliegt, ist auch, ob ein Entzug durch Gesetz181 oder Verwaltungsakt182 erfolgt. Ferner ist es für das Vorliegen einer Enteignung nicht erforderlich, dass der Staat bereits vollständig Besitz an den entsprechenden Vermögenswerten erlangt hat, wie der Gerichtshof in Heilige Klöster gg Griechenland erkannt hat.183 In dem Fall war ein Gesetz erlassen worden, aufgrund dessen der Staat innerhalb von sechs Monaten Eigentümer des gesamten ersessenen Klöstervermögens werden sollte. Das Gesetz räumte den Klöstern eine zweimonatige Frist ein, innerhalb derer das Land der zuständigen Behörde zu übergeben war. Bis zur Fällung des Urteils durch den EGMR war keine administrative Räumungsverfügung getroffen worden. Die Liegenschaften waren daher faktisch noch im Besitz der Klöster. Dieser Umstand garantierte laut Gerichtshof jedoch nicht, dass eine solche auch in Zukunft nicht erlassen würde. Dass noch keine individuellen Enteignungsmaßnahmen gesetzt worden waren, änderte nach Auffassung des EGMR nichts am Vorliegen einer Enteignung, solange die gesetzliche Bestimmung in Kraft war, die den Eigentumstransfer vorsah.184 ___________ 179

Ibid., § 107. Dazu siehe unten, S. 464. 181 Siehe z.B.: So erfolgte die Verstaatlichung in Lithgow durch den Aircraft and Shipbuilding Industries Act 1977 („the 1977 Act“) Lithgow gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 8. Juli 1986, Serie A, Nr. 102, § 9; siehe auch EGMR, Hentrich gg Frankreich, Urteil vom 22. September 1994, Serie A, Nr. 296-A, § 42; Pressos Compania Naviera S. A. u.a. gg Belgien, Urteil vom 20. November 1995, Serie A, Nr. 332, § 34. 182 Im Fall Håkansson and Sturesson gg Schweden, (Urteil vom 21. Februar 1990, Serie A, Nr. 171-A, § 43) wurde ein von einer Agrarbehörde angeordneter Zwangswiederverkauf als Enteignung angesehen. Siehe auch EGMR, Piron gg Frankreich, Nr. 36436/97, Urteil vom 14. November 2001, § 39. 183 EGMR, The Holy Monasteries gg Griechenland, Urteil vom 9. Dezember 1994, Serie A, Nr. 301-A; in diesem Sinne auch C. Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention3, 2008, Kapitel 25, Wirtschaftliche Grundrechte, Rz 9; K. Gelinsky, Der Schutz des Eigentums gemäß Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention, 1996, S. 43. 184 EGMR, The Holy Monasteries gg Griechenland, Urteil vom 9. Dezember 1994, Serie A, Nr. 301-A, §§ 65, 66. 65. …, the provisions of Law no. 1700/1987 remained applicable to them. The fact that no administrative eviction order has yet been issued is no guarantee that none will be issued in the future, particularly in view of the circulars of 5 January and 20 February 1989 (see paragraph 39 above), which are still in force, and of 180

234

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

Vom EGMR nicht als Enteignungen betrachtet werden entschädigungslose Konfiskationen, die wegen des rechtswidrigen Gebrauchs der Gegenstände oder wegen der von ihnen ausgehenden Gefahr erfolgen; diese werden trotz eines Entzugs des Gegenstandes als Nutzungsregelung angesehen.185 Beispiele für formelle Enteignungen finden sich neben der schon erwähnten Verstaatlichung der britischen Schiffsbau- und Luftfahrtindustrie unter anderem im Zusammenhang mit Straßenbauvorhaben,186 landwirtschaftlichen Umstrukturierungen,187 Wohnraumbeschaffung,188 Verhinderung der Steuerumgehung,189 Restitution an ehemalige Eigentümer,190 einem Staudammprojekt191 sowie einer Reihe von wiedereröffneten, bereits rechtskräftig abgeschlossenen Gerichtsverfahren.192 ___________ the administrative authorities’ attitude (see paragraph 43 above) after the agreement was concluded. 66. That being so, there has been an interference with the applicant monasteries’ right to the peaceful enjoyment of their possessions which amounts to a “deprivation” of possessions within the meaning of the second sentence of the first paragraph of Article 1 (P1-1). 185 Siehe dazu oben, S. 197. 186 Siehe z.B.: EGMR, Tsomtsos u.a. gg Griechenland, Urteil vom 15. November 1996, ECHR 1996-V; Katikaridis u.a. gg Griechenland, Urteil vom 15. November, ECHR 1996-V; Lallement gg Frankreich, Nr. 46044/99, Urteil vom 11. April 2002; Azas gg Griechenland, Nr. 50824/99, Urteil vom 19. September 2002; Efstathiou u.a. gg Griechenland, Nr. 55794/00, Urteil vom 10. Juli 2003; Interoliva Abee gg Griechenland, Nr. 58642/00, Urteil vom 10. Juli 2003; Konstantinopoulos AE u.a. gg Griechenland, Nr. 58634/00, Urteil vom 10. Juli 2003; Biozokat u.a. gg Griechenland, Nr. 61582/00, Urteil vom 9. Oktober 2003. 187 Siehe z.B.: EGMR, Håkansson und Sturesson gg Schweden, Urteil vom 21. Februar 1990, Serie A, Nr. 171-A, Piron gg Frankreich, Nr. 36436/97, Urteil vom 14. November 2000. 188 Siehe z.B.: EGMR, Zubani gg Italien, Urteil vom 7. August 1996, ECHR 1996IV; Motais de Narbonne gg Frankreich, Nr. 48161/99, Urteil vom 2. Juli 2002. 189 EGMR, Hentrich gg Frankreich, Urteil vom 22. September 1994, Serie A, Nr. 296-A. 190 Siehe z.B.: EGMR, Pincová und Pinc gg Tschechische Republik, Urteil vom 5. November 2002, ECHR 2002-VIII; Zvolský und Zvolska gg Tschechische Republik, Urteil vom 12. November 2002, ECHR 2002-IX. 191 Es gibt eine große Anzahl an Fällen, die alle unzulängliche Verzugszinsen im Zusammenhang mit verspäteten Entschädigungszahlungen nach Enteignungen im Zusammenhang mit einem Staudammprojekt zum Gegenstand haben. Es seien nur die Leitentscheidungen erwähnt: EGMR, Akkus gg Türkei, Urteil vom 9. Juli 1997, ECHR 1997IV; Aka gg Türkei, Urteil vom 23. September 1998, ECHR 1998-VI. 192 Siehe z.B.: EGMR, Valová, Slezák und Slezák gg Slowakei, Nr. 44925/98, Urteil vom 1. Juni 2004; Ionesu gg Rumänien, Nr. 38608/97, Urteil vom 2. November 2004; Tregubenko gg Ukraine, Nr. 61333/00, Urteil vom 2. November 2004; Androne gg Rumänien, Nr. 54062/00, Urteil vom 22. Dezember 2004.

B. Die Enteignung

235

2. Investitionsschutz Unter formellen oder direkten Enteignungen wird im Investitionsschutz ein zwangsweiser Eigentumsentzug durch Gesetz oder Verwaltungsakt verstanden: … the direct one [expropriation], understood as the forcible appropriation by the State of the tangible or intangible property of individuals by means of administrative or legislative action.193

Es ist im Völkerrecht allgemein anerkannt, dass formelle Enteignungen und Nationalisierungen nur gegen Entschädigung erfolgen dürfen. Völkerrechtliche Investitionsschutzverträge enthalten daher durchwegs eine diesbezügliche Regelung.194 ___________ 193

LG&E Energy Corp. v. Argentine Republic, (United States/Argentina BIT), Award, 3 October 2006, § 187, http://ita.law.uvic.ca/documents/LGEArgentinaLiabi lity.pdf. 194 Siehe: R. Dolzer/M. Stevens, Bilateral Investment Treaties, 1995, S. 99. Siehe z.B.: Agreement on encouragement and reciprocal protection of investments between the Kingdom of the Netherlands and the Argentine Republic, Article 6: Neither of the Contracting Parties shall take any direct or indirect measure of nationalization or expropriation or any other measure having a similar nature or similar effect against investments made in its territory by investors of the other Contracting Party, unless … Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/netherlands_argentina.pdf. Agreement between the Government of the Kingdom of Thailand and the Government of the Democratic Socialist Republic of Sri Lanka for the Promotion and Protection of Investments (3 January 1996), Article VI Expropriation (1) Investments of nationals or companies of either Contracting Party shall not be subjected, directly or indirectly, to any measure of nationalization of expropriation in the territory of the other Contracting Party except … Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/srilanka_thailand.pdf. Treaty between the Federal Republic of Germany and the Federal Republic of Nigeria concerning the Encouragement and Reciprocal Protection of Investments (28 March 2000): Article 5 Protection of Investments … (2) Investments by investors of either Contracting Party shall not directly or indirectly be expropriated, nationalized or subjected to any other measure … Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/germany_nigeria.pdf. Accord entre la Confédération Suisse et la République d’El Salvador concernant la promotion et la protection réciproque des investissements (8 décembre 1994): Art. 5 Expropriation, compensation (1) Aucune des Parties Contractantes ne prendra, directement ou indirectement, des mesures d’expropriation, de nationalisation ou toute autre mesure ayant le même caractère ou le même effet, … Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/switzerland_elsalvador_fr. pdf.

236

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

Bei formellen Enteignungen war daher zumeist nicht umstritten, ob eine Enteignung stattgefunden hat, sondern, ob und in welcher Höhe eine Entschädigung zu erfolgen hat. Immer wieder hatten sich Schiedsgerichte mit Nationalisierungen vor allem im Bereich der Erdölindustrie zu beschäftigen, wobei zumeist die Frage der Entschädigung im Vordergrund stand.195 Sie war auch ___________ Mongolei: Modell BIT Article 6 Dispossession, Compensation 1. Neither of the Contracting Party shall take, either directly or indirectly, measures of expropriation, nationalization or any other measures having the same nature or the same effect against investments of investors of the other Contracting Party, unless … Quelle: UNCTAD, Volume IX, Part Three, Prototype Instruments. Belgisch – Luxenburgisches Modell BIT: Article 5 Deprivation and Limitation of Ownership 1. Each Contracting Party undertakes not to adopt any measure of expropriation or nationalisation or any other measure having the effect of directly or indirectly dispossessing the investor of the other Contracting Party of their investments in its territory. Quelle: UNCTAD, Volume IX, Part Three, Prototype Instruments. Jamaika Modell BIT: Article 4 Expropriation and Compensation 1. Neither of the Contracting Parties shall take any measure of nationalisation or expropriation or any other measure having the same effect against investment … Quelle: UNCTAD, Volume IX, Part Three, Prototype Instruments. Sri Lanka Modell BIT: Article 6 Expropriation 2. Investments by nationals or companies of either Contracting Party shall not be expropriated, nationalized or directly or indirectly subjected to any other measure the effects of which would be tantamount to expropriation or nationalization … Quelle: UNCTAD, Volume IX, Part Three, Prototype Instruments. Kambodia Modell BIT (1998): Article IV Expropriation Each Contracting Party shall not take any measures of expropriation, nationalization, or other wise subjected to any other measures having effect equivalent to nationalization or expropriation …. Quelle: UNCTAD, Volume IX, Part Three, Prototype Instruments. China Modell BIT: Article 4 1. Neither Contracting Party shall expropriate, nationalize or take similar measures … against investments … Quelle: UNCTAD, Volume IX, Part Three, Prototype Instruments. US Modell BIT 2004 Article 6: Expropriation and Compensation 1. Neither Party may expropriate or nationalize a covered investment either directly or indirectly through measures equivalent to expropriation or nationalization (“expropriation”), except: … Quelle: http://www.state.gov/documents/organization/38710.pdf. 195 Siehe z.B.: BP v. Libyan Arab Republic, (Investment Agreement), Award, 10 October 1973, 53 ILR 300; Texaco Overseas Petroleum Company v. Government of the Libyan Arab Republic, (Concession Agreement), Award, 19 January 1977, 17 ILM 1978, S. 1 ff.; Libyan American Oil Company (LIAMCO) v. Government of the Libyan

B. Die Enteignung

237

Streitgegenstand im Fall Compañía del Desarrollo de Santa Elena S.A. v. Republic of Costa Rica.196 Der Kläger kaufte das Terrain, um darauf ein Tourismusressort zu errichten. Costa Rica enteignete es mit Bescheid. Zweck der Enteignung war laut Enteignungsdekret die Eingliederung in den Santa Rosa Nationalpark. Nur durch die Erweiterung des Nationalparks könne der konservatorische Zweck des Parks (Erhaltung seltener Tierarten) erreicht werden.197 Umstritten war das Datum der Enteignung, das für die Entschädigungsberechnung von Bedeutung war. Der Fall ist deshalb von besonderem Interesse, weil Costa Rica das gewünschte Ergebnis unter Umständen auch durch regulative Eingriffe wie Nutzungsregelungen und eine Erklärung zum Nationalpark ohne formellen Entzug des Eigentums hätte erreichen können.198 Das Schiedsgericht, und dies ist für die nachfolgende Analyse der indirekten Enteignungen von Bedeutung, führte in diesem Fall besonders deutlich aus, dass schützenswerte staatliche Gründe für das Ergreifen einer Maßnahme nicht von der Entschädigungspflicht im Falle einer Enteignung befreien. Es führte aus, dass der Zweck der Enteignung irrelevant für die Frage des Bestehens einer Entschädigungspflicht sei. While an expropriation or taking for environmental reasons may be classified as a taking for a public purpose, and thus be legitimate, the fact that the property was taken for this reason does not affect either the nature or the measure of the compensation to be paid for the taking. That is, the purpose of protecting the environment for which the Property was taken does not alter the legal character of the taking for which adequate compensation must be paid. The international source of the obligation to protect the environment makes no difference.199 Expropriatory environmental measures – no matter how laudable and beneficial to society as a whole – are, in this respect, similar to any other expropriatory measures

___________ Arab Republic, (Concession Agreement), Award, 12 April 1977, 20 ILM 1981, S. 1 ff.; Kuwait v. American Independent Oil Company, (Ad-hoc Agreement), Award, 24 March 1982, 21 ILM 1982, S. 976. Siehe zu den Fällen z.B.: J. Verhoeven, Droits international des contrats et droit des gens: (a propos de la sentence rendue le 19 janvier 1977 en l’affair California Asiatic Oil Company et Texaco Overseas Oil Companie c. État libyen), 14 Revue belge de droit international, 1978–1979, S. 209 ff.; F. A. Mann, The Aminoil arbitration, 54 BYIL 1983, S. 213 ff. 196 Compañía del Desarrollo de Santa Elena S.A. v. Republic of Costa Rica, (Ad-hoc Agreement), Award, 17 February 2000, 5 ICSID Reports 153. 197 Ibid., § 18. 198 Im später noch ausführlich behandelten Fall Metalclad (Metalclad Corp. v. United Mexican States, (NAFTA), Award, 30 August 2000, 5 ICSID Reports 212) wurde das Gebiet, auf dem der Investor seine Müllverwertungsanlage hatte, in ein Kaktusschutzgebiet umgewandelt, ohne dass der Investor formell enteignet worden wäre. 199 Ibid., § 71. Fußnote wurde ausgelassen.

238

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

that a state may take in order to implement its policies: where property is expropriated, even for environmental purposes, whether domestic or international, the state’s obligation to pay compensation remains.200

Aus dem Fall wird deutlich, dass im Fall einer formellen Enteignung auch bei Vorliegen eines berechtigten öffentlichen Interesses eine Entschädigung zu zahlen ist. Das öffentliche Interesse spielte daher keine Rolle bei der Entscheidung, ob eine Enteignung vorlag. Für diese Entscheidung wurde ausschließlich auf die Übertragung des Eigentums abgestellt.

3. Zwischenergebnis Zur Entscheidung, wann ein formeller Entzug vorliegt, wird sowohl von Menschenrechtsgerichten als auch von Investitionsschiedsgerichten auf einen Titeltransfer abgestellt. Die Frage, für welchen Zweck ein Entzug vorgenommen wurde, ist unerheblich für die Entscheidung, ob eine Enteignung vorliegt. Strittig war bei Sachverhalten mit formellem Eigentumsentzug in der Praxis weniger, ob ein Eingriff vorliegt, als die Frage, was die Konsequenzen eines solchen, insbesondere im Hinblick auf die Höhe der zu leistenden Entschädigung, sind.201

II. Der de facto Entzug Dogmatisch interessanter als die Frage, wann ein formeller Entzug vorliegt, ist jene, unter welchen Voraussetzungen Menschenrechtsgerichte und Investitionsschiedsgerichte das Vorliegen eines de facto Entzugs annahmen. Das Phänomen des indirekten Eigentumsentzugs ist zweifelsohne älter als die meisten BITs und internationalen Konventionen zum Schutz der Menschenrechte. Bereits der Ständige Internationale Gerichtshof hatte sich mit diesem Problem zu beschäftigen. Im Fall German Interests in Polish Upper Silesia202 stellte er fest, dass die Enteignung der Chorzów Fabrik zugleich auch eine indirekte Enteignung der Patente und Verträge (Managementrechte) sei, die die „Bayrische“, ein davon getrenntes Unternehmen, innehatte. Charakteristisch für diese Eingriffsform ist, dass kein Titeltransfer erfolgt. Das heißt, formell bleibt der Betroffene Eigentümer, das verbleibende Recht ist aber seiner Substanz beraubt. ___________ 200

Ibid., § 72. Dazu siehe S. 456 ff. 202 PCIJ, Certain German Interests in Polish Upper Silesia (Germany v. Poland) (The Merits), Urteil vom 25. Mai 1926, PCIJ 1926, Serie A Nr. 7, S. 44. 201

B. Die Enteignung

239

Indirekte Enteignungen treten in zwei zeitlichen Ausprägungsformen auf. Entweder es handelt sich, wie im gerade erwähnten Fall German Interests in Polish Upper Silesia, um einen einmaligen Akt, der zum de facto Entzug von Eigentum führt. Oder eine Vielzahl von Einzelakten oder Unterlassungen erzielt, in ihrer Gesamtheit betrachtet, die gleiche Wirkung wie eine formelle Enteignung. Das formelle Eigentumsrecht bleibt die gesamte Zeitdauer über aufrecht. Diese Form der Enteignung ist daher schwieriger zu fassen. Man spricht von einer schleichenden Enteignung (creeping expropriation).203 Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal ist die Art, in der der Eingriff erfolgt. Dies kann einerseits durch einen physischen Entzug des Eigentumsobjekts ohne Titelübertragung erfolgen. Andererseits kann der Eingriff durch eine regulierende Tätigkeit der Staaten erfolgen („regulatory taking“). Als Beispiel sei etwa die Umwidmung eines Geländes von Bau- zu Grünland aus Umweltschutzgründen genannt. Hierbei liegt die besondere Herausforderung in der Abgrenzung zwischen staatlichem Handeln, das keine Entschädigungspflicht auslöst, von einem eine Entschädigung erfordernden staatlichen Eingriff. FORMEN INDIREKTER ENTEIGNUNG

Zeitfaktor einmaliger Akt schleichende Enteignung

Art/Charakter des Eingriffs physischer Eingriff

regulativer Eingriff

Abbildung 5: Ausprägungsformen indirekter Enteignungen

Diese Eingriffsformen haben nicht nur in der Literatur erhöhte Aufmerksamkeit erregt, sondern fanden auch in der Judikatur ihren Niederschlag. In der Folge soll auf diese unterschiedlichen Ausprägungsformen an Hand von Judikaten eingegangen werden. Die rechtlichen Probleme, die sich im Zusammenhang mit schleichenden Enteignungen gestellt haben, werden insbesondere bei der Analyse des investitionsrechtlichen Eigentumsschutzes erörtert. Das Konzept der schleichenden Enteignung wurde im Zusammenhang mit dem Investitionsrecht entwickelt und hat im Menschenrechtsschutz keine besondere Bedeutung erlangt. ___________ 203

Siehe insbesondere: B. Weston, “Constructive Takings” under International Law: A Modest Foray into the Problem of “Creeping Expropriation”, 16 Virginia Journal of International Law 1975, S. 103-175; R. Higgins, The Taking of Property by the State: Recent Developments in International Law, 176 RdC (1982-III), 261, S. 353; N. Rubins/N. S. Kinsella, International Investment, Political Risk and Dispute Resolution, 2005, S. 11 f.; C. Schreuer, The Concept of Expropriation under the ETC and other Investment Protection Treaties, in: C. Ribeiro (Hrsg.), Investment Arbitration and the Energy Charter Treaty, 2006, S. 126 ff.

240

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

Ziel der nun folgenden Analyse ist es, festzustellen, welche Umstände vorliegen müssen, damit die Menschenrechts- und Investitionsschiedsgerichte vom Vorliegen einer Enteignung ausgehen, obwohl es zu keinem formellen Entzug von Eigentum kam.

1. Menschenrechtsschutz Die Entzugsregel in Artikel 1 Absatz 1 Satz 2 des 1. ZP zur EMRK spricht nicht von Enteignung (expropriation). Vielmehr werden die Ausdrücke „no one shall be deprived of his possession …/nul ne peut être privé de ses biens …“ verwendet.204 Damit ist aufgrund des Wortlautes kein formeller Entzug erforderlich. Dass heißt, dass auch de facto Eingriffe, die den Eigentumstitel unberührt lassen, unter die Norm subsumiert werden können.205 Die Konvention selbst enthält keine ausformulierten Abgrenzungskriterien zwischen de facto Enteignungen, Nutzungsregelungen und „sonstigen Eingriffen“. Diese wurden von den Konventionsorganen in ihrer Rechtsprechung entwickelt. Eine Durchsicht der Judikatur des EGMR ergibt, dass er relativ häufig mit der Frage, ob eine de facto Enteignung vorliege, konfrontiert war. Es ist ständige Rechtsprechung des EGMR, dass nicht nur formelle Enteignungen, sondern auch Eingriffe, die faktisch die gleichen Auswirkungen wie eine formelle Enteignung haben, am Maßstab des Absatz 1 Satz 2 von Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK („Enteignung“) zu prüfen seien. Der EGMR führte bereits im Fall Sporrong und Lönnroth206 aus, dass er in Fällen, in denen es an einer Eigentumsübertragung fehle, hinter den äußeren Anschein sehen und die tatsächliche Wirklichkeit analysieren müsse. Da die Konvention darauf abziele, „konkrete und effektive“ Rechte zu schützen, sei es von Bedeutung, zu untersuchen, ob die genannte Lage nicht einer tatsächlichen Enteignung gleichkomme. Der Gerichtshof führte aus: In the absence of a formal expropriation, that is to say a transfer of ownership, the Court considers that it must look behind the appearances and investigate the realities of the situation complained of. Since the Convention is intended to guarantee rights that are “practical and effective”, it has to be ascertained whether that situation amounted to a de facto expropriation, as was argued by the applicants.207

___________ 204

Hervorhebung durch die Autorin. I.d.S. auch R. Dolzer, Eigentum, Enteignung und Entschädigung im geltenden Völkerrecht, 1985, S. 104. 206 EGMR, Sporrong und Lönnroth gg Schweden, Urteil vom 23. September 1982, Serie A, Nr. 52, S. 24, § 63. 207 EGMR, Sporrong und Lönnroth gg Schweden, Urteil vom 23. September 1982, Serie A, Nr. 52, S. 24, § 63. Referenz ausgelassen. 205

B. Die Enteignung

241

Diesen Ansatz, nicht nur auf die formellen Rahmenbedingungen eines Eingriffs, sondern auf die tatsächlichen Auswirkungen der ergriffenen Maßnahmen abzustellen, behielt der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung bei.208 Zur Abgrenzung indirekter Enteignungen von bloßen Nutzungsregelungen sowie vom im ersten Satz des ersten Absatzes enthaltenen Auffangtatbestand der „sonstigen Eingriffe“ stellte der Gerichthof auf die Auswirkungen des Eingriffs auf den Beschwerdeführer ab. Dazu kamen vor allem zwei Kriterien zur Anwendung: 1) die Schwere des Eingriffs in das Eigentumsrecht und 2) die Dauer eines Eingriffs. In der Folge sollen erstens die genauen Anforderungen erörtert werden, die aufgrund dieser Kriterien an einen Eingriff gestellt werden, damit eine Enteignung vorliegt. Zweitens wird auf den nur vereinzelt in der Judikatur Erwähnung findenden Vertrauensschutzgrundsatz als Abgrenzungskriterium eingegangen.

a) Schwere des Eingriffs Der Gerichtshof hatte zwei Arten von Fällen zu entscheiden, in denen in Eigentumsrechte ohne Titelentzug eingegriffen worden war. Dies waren zum einen Sachverhalte, in denen es zu einem physischen Entzug des Nutzungsrechts kam, ohne dass dem Eigentümer der Titel entzogen worden wäre. Andererseits hatte der EGMR Fälle zu beurteilen, in denen der Eigentumseingriff durch staatliche, regulative Tätigkeit erfolgte. Seine Abgrenzungskriterien entwickelte er bereits an den bei ihm zeitlich früher anhängig gewordenen Fällen, die regulative Eingriffe betrafen. Der erste Fall, in dem der Gerichtshof mit einer möglichen de facto Enteignung konfrontiert war, war Sporrong und Lönnroth gg Schweden.209 In diesem Fall lagen aus stadtplanerischen Gründen Enteignungsbewilligungen und Bauverbote für Grundstücke mit Häusern in Stockholm vor. Erstere waren während acht bzw. dreiundzwanzig Jahren aufrecht. Eine formelle Enteignung fand jedoch nicht statt. Es stellte sich die Frage, ob die Beschränkungen, die sich für das Eigentumsrecht aus den in Kraft befindlichen Enteignungsbewilligungen ___________ 208 Siehe z.B.: EGMR, Fredin gg Schweden (Nr. 1), Urteil vom 18. Februar 1991, Serie A, Nr. 192, § 42; Papamichalopoulos gg Griechenland, Urteil vom 24. Juni 1993, Serie A, Nr. 260-B, § 42; Brumarescu gg Rumänien [GC], Nr. 28342/95, Urteil vom 28. Oktober 1999, ECHR 1999-VII, § 76; Carbonara und Ventura gg Italien, Urteil vom 30. Mai 2000, ECHR 2000-VI, § 60; Belvedere Alberghiera SRL gg Italien, Urteil vom 30. Mai 2000, ECHR 2000-VI, § 53; Zwierzynski gg Polen, Urteil vom 19. Juni 2001, ECHR 2001-VI, § 69; Elia S.R.L. gg Italien, Urteil vom 2. August 2001, ECHR 2001IX, § 55. 209 EGMR, Sporrong und Lönnroth gg Schweden, Urteil vom 23. September 1982, Serie A, Nr. 52, S. 24, § 63. Zum Sachverhalt siehe auch oben, S. 199.

242

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

ergaben, de facto den Betroffenen das Eigentum entzogen hatten. Unter Berufung darauf, dass die Konvention darauf abziele, „konkrete und effektive“ Rechte zu schützen,210 prüfte der Gerichtshof, ob diese Situation nicht einer tatsächlichen Enteignung gleichkam. In the absence of a formal expropriation, that is to say a transfer of ownership, the Court considers that it must look behind the appearances and investigate the realities of the situation complained of (…). Since the Convention is intended to guarantee rights that are “practical and effective” (…), it has to be ascertained whether that situation amounted to a de facto expropriation, as was argued by the applicants.211

Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass trotz der Beschränkungen und der Widerruflichkeit des Eigentums, die Beschwerdeführer ihr Eigentum verwenden konnten und daher keine de facto Enteignung vorlag: In the Court’s opinion, all the effects complained of (…) stemmed from the reduction of the possibility of disposing of the properties concerned. Those effects were occasioned by limitations imposed on the right of property, which right had become precarious, and from the consequences of those limitations on the value of the premises. However, although the right in question lost some of its substance, it did not disappear. The effects of the measures involved are not such that they can be assimilated to a deprivation of possessions. The Court observes in this connection that the applicants could continue to utilise their possessions and that, although it became more difficult to sell properties in Stockholm affected by expropriation permits and prohibitions on construction, the possibility of selling subsisted; according to information supplied by the Government, several dozen sales were effected (…). There was therefore no room for the application of the second sentence of the first paragraph in the present case.212

Damit stellte der Gerichtshof materiell sehr hohe Anforderungen für das Vorliegen einer de facto Enteignung. Es reichen weder die Widerruflichkeit des Eigentumsrechts noch der gesunkene wirtschaftliche Nutzen für das Vorliegen einer de facto Enteignung aus. Damit eine Enteignung vorliegt, darf keine sinnvolle Restnutzung des Eigentumsobjekts möglich sein. Der Gerichtshof blieb in der Folge bei dieser strengen Linie.213 Den konkreten Fall prüfte er, nachdem er ___________ 210

EGMR, Airey gg Irland, Urteil vom 9. Oktober 1979, Serie A, Nr. 32, S. 12, § 24. Ibid., § 63. 212 Ibid., § 63. 213 Siehe z.B. für die Kommission: EKMR, Pinnacle Meat Processors Company and 8 others gg Vereinigtes Königreich, Nr. 33298/96, Entscheidung vom 21. Oktober 1998. Für den Gerichtshof: EGMR, Tre Traktörer Aktiebolag gg Schweden, Urteil vom 7. Juli 1989, Serie A, Nr. 159, § 55; Mellacher gg Österreich, Urteil vom 19. Dezember 1989, Serie A, Nr. 169, § 44; Fredin gg Schweden (Nr. 1), Urteil vom 18. Februar 1991, Serie A, Nr. 192, § 45; Spadea und Scalabrino gg Italien, Urteil vom 28. September 1995, Serie A, Nr. 315-B, § 28; Scollo gg Italien, Urteil vom 28. September 1995, Serie A, Nr. 315-C, § 27; Olbertz gg Deutschland, Nr. 37592/97, Entscheidung vom 25. Mai 1999, ECHR 1999-V; Chassagnou und andere gg Frankreich, Urteil vom 29. April 1999, ECHR 1999-III, § 74; Immobiliare Saffi gg Italien, Urteil vom 28. Juli 1999, 211

B. Die Enteignung

243

auch das Vorliegen einer Nutzungsregelung (Absatz 2) verneint hatte,214 unter der allgemeinen Regel des Absatzes 1 Satz 1 („sonstige Eingriffe“).215 Der Gerichtshof stellte eine Verletzung der Norm fest. Im Fall Pine Valley216 hat der Gerichtshof auch ausdrücklich festgestellt, dass keine Nutzungsalternative vorhanden sein dürfe und das Eigentumsobjekt seinen gesamten Wert verloren haben müsse, damit eine de facto Enteignung vorliege. Der Fall betraf eine Gesellschaft, die ein Gelände erworben hatte, für das nach irischem Recht eine Rahmenplanungsgenehmigung (outline planning permission) existierte.217 Im Vertrauen auf die Rahmenbewilligung beantragte Pine Valley eine detaillierte Planungsgenehmigung. Diese wurde vom Dublin County Council verweigert. Der von diesem angerufene Oberste Gerichtshof stellte fest, dass die Gewährung der Rahmenplanungsbewilligung rechtswidrig und nichtig gewesen war. Durch die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs wurde die Rahmenplanungsbewilligung annulliert. Die Beschwerdeführer behaupteten, dass die Annullierung der Rahmenplanungsgenehmigung eine Enteignung gewesen sei. Die Europäische Menschenrechtskommission betrachtete die Annullierung als Nutzungsregelung des Eigentums (control of the use of property). Der Gerichtshof stellte fest, dass die Maßnahme auf eine Grundstücksnutzung in Übereinstimmung mit den maßgeblichen Planungsgesetzen abgezielt hatte. Der Eigentumstitel sei nicht entzogen worden. Für das Grundstück bestünden weiterhin vernünftige alternative Nutzungsmöglichkeiten, denn eine landwirtschaftliche Nutzung oder eine Verpachtung sei möglich geblieben. Wenn auch der Wert des Grundstücks wesentlich vermindert worden sei, so sei es doch nicht völlig wertlos geworden, da es später auf dem offenen Markt verkauft wurde. Nach Ansicht des EGMR lag daher keine de facto Enteignung, sondern eine Nutzungsregelung vor: …, the land was not left without any meaningful alternative use, for it could have been farmed or leased. Finally, although the value of the site was substantially reduced, it was not rendered worthless, as is evidenced by the fact that it was subsequently sold in the open market.

___________ ECHR 1999-V, § 46; Lena Aschan und andere gg Finnland, Nr. 37858/97, Entscheidung vom 15. Februar 2001; Hutten-Czapska gg Polen [GC], Nr. 35014/97, Urteil vom 19. Juni 2006, § 160. 214 Siehe zur Nutzungsregelung oben, S. 191 ff. 215 Dazu siehe näher oben, S. 198 ff. 216 EGMR, Pine Valley Developments Ltd. and Others gg Irland, Urteil vom 29. November 1991, Serie A, Nr. 222. 217 Die Bewilligung berechtigte zur Errichtung von Industriekaufhäusern und Bürogebäuden. Der Ankauf war im Vertrauen auf die Genehmigung getätigt worden. Die Genehmigung war im amtlichen Planungsregister eingetragen worden. Sie war dem Rechtsvorgänger der Gesellschaft von einem Minister erteilt worden.

244

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

Accordingly, as for example in the Fredin case, the interference must be considered as a control of the use of property falling within the scope of the second paragraph or Article 1 (P1-1).218

Sämtliche der bisher erwähnten Fälle,219 in denen der Gerichtshof das Vorliegen einer de facto Enteignung ablehnte, betrafen Eingriffe durch regulative Akte oder in Vollziehung regulativer Akte. Das Vorliegen einer de facto Enteignung wurde abgelehnt, weil kein völliger Wertverlust des Eigentumsobjekts eingetreten war bzw. noch Nutzungsalternativen vorhanden waren. Demgegenüber erfolgte in dem Fall, in dem zum ersten Mal das Vorliegen einer de facto Enteignung bejaht wurde, Papamichalopoulos gg Griechenland,220 der Eingriff in Form eines physischen Entzugs des Eigentumsobjekts. Wenige Monate nach der Errichtung der Militärdiktatur (1967) stellte der griechische Staat ein größeres Landgebiet in einer Bucht per Gesetz der Marine zur Verfügung, ohne ihr jedoch den Eigentumstitel zu übertragen. Drei der Beschwerdeführer erwirkten 1968 behördliche Rückgabeverfügungen. Der Erstbeschwerdeführer erwirkte sogar ein zivilgerichtliches Urteil, das seinen Rechtstitel bestätigte und die Rückgabe anordnete. Die Marine behielt jedoch das gesamte Terrain für sich und errichtete darauf eine Marinebasis sowie ein Spielkasino. Versuche, den Beschwerdeführern geeignete Ersatzgrundstücke anzubieten, scheiterten. Der Gerichtshof stellte fest, dass die Beschwerdeführer in der Praxis von ihrem Eigentum keinen Gebrauch mehr machen, dieses weder verkaufen noch vererben, belasten oder verschenken konnten. Herrn Petros Papamichalopoulos, der eine rechtskräftige Entscheidung auf Rückgabe erlangt hatte, wurde sogar der Zugang zu seinem Grundstück verweigert. ___________ 218

Ibid., § 56. EKMR, Pinnacle Meat Processors Company and 8 others gg Vereinigtes Königreich, Nr. 33298/96, Entscheidung vom 21. Oktober 1998. EGMR, Tre Traktörer Aktiebolag gg Schweden, Urteil vom 7. Juli 1989, Serie A, Nr. 159; Mellacher gg Österreich, Urteil vom 19. Dezember 1989, Serie A, Nr. 169; Fredin gg Schweden (Nr. 1), Urteil vom 18. Februar 1991, Serie A, Nr. 192; Pine Valley Developments Ltd. und andere gg Irland, Urteil vom 29. November 1991, Serie A, Nr. 222; Spadea und Scalabrino gg Italien, Urteil vom 28. September 1995, Serie A, Nr. 315-B; Scollo gg Italien, Urteil vom 28. September 1995, Serie A, Nr. 315-C; Olbertz gg Deutschland, Nr. 37592/97, Entscheidung vom 25. Mai 1999, ECHR 1999-V; Chassagnou und andere gg Frankreich, Urteil vom 29. April 1999, ECHR 1999-III, § 74; Immobiliare Saffi gg Italien, Urteil vom 28. Juli 1999, ECHR 1999-V, § 46; Lena Aschan und andere gg Finnland, Nr. 37858/97, Entscheidung vom 15. Februar 2001; Hutten-Czapska gg Polen [GC], Nr. 35014/97, Urteil vom 19. Juni 2006. 220 EGMR, Papamichalopoulos gg Griechenland, Urteil vom 23. Juni 1993, Serie A, Nr. 260-B; ein analoger Sachverhalt führte im Fall Karagiannis u.a. gg Griechenland, Nr. 51354/99, Urteil vom 16. Jänner 2003, § 41 ebenfalls zur Feststellung einer de facto Enteignung. 219

B. Die Enteignung

245

Nach Ansicht des EGMR hatte der Verlust jeder Nutzungsmöglichkeit in Verbindung mit dem bisherigen Scheitern der Versuche, den – auch gerichtlich festgestellten – rechtmäßigen Zustand wieder herzustellen, so gravierende Folgen für die Beschwerdeführer, dass diese de facto in einer mit Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK nicht zu vereinbarenden Weise enteignet worden seien. In diesem Sinne führte der Gerichtshof aus: The Court considers that the loss of all ability to dispose of the land in issue, taken together with the failure of the attempts made so far to remedy the situation complained of, entailed sufficiently serious consequences for the applicants de facto to have been expropriated in a manner incompatible with their right to the peaceful enjoyment of their possession.221

Die entscheidenden Kriterien für das Vorliegen einer de facto Enteignung waren das völlige Fehlen einer sinnvollen Nutzungsmöglichkeit und die fehlgeschlagenen Versuche, von nationalen Behörden Abhilfe zu erlangen. Damit zog der Gerichtshof die anhand der Fälle regulativer Eingriffe entwickelten Kriterien auch im Fall eines physischen Entzugs des Eigentumsobjekts heran. Die vergeblichen, nationalen Abhilfeversuche könnte der Gerichtshof erwähnt haben, um auf die Irreversibilität der Maßnahme zu verweisen. Die zeitliche Dimension, die ein Eingriff aufweisen muss, damit eine Enteignung vorliegt, wird im Anschluss gesondert erörtert. Zudem ist anzumerken, dass der Gerichtshof sofort vom Vorliegen der de facto Enteignung auf eine Verletzung des Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK schließt, ohne eine mögliche Rechtfertigung des Eingriffs zu prüfen.222 Eine ganze Reihe von Fällen, in denen der Gerichtshof in der Folge das Vorliegen einer de facto Enteignung bejahte, betraf rechtskräftige Urteile, die danach von Obersten Gerichtshöfen wieder aufgehoben worden waren.223 Im Fall Brumarescu gg Rumänien224 war das Haus der Eltern des Beschwerdeführers in Bukarest 1950 gemäß dem Verstaatlichungsgesetz 92/1950 konfisziert worden. 1993 wurde über Klage des Beschwerdeführers rechtskräftig mit Urteil ___________ 221

Ibid., § 45. Ibid., § 46. 223 Siehe z.B.: EGMR, Vasilescu gg Rumänien, Urteil vom 22. Mai 1998, ECHR 1998-III; Brumarescu gg Rumänien [GC], Nr. 28342/95, Urteil vom 28. Oktober 1999, ECHR 1999-VII; Popescu Nasta gg Rumänien, Nr. 33355/96, Urteil vom 7. Jänner 2003; Grigore gg Rumänien, Nr. 31736/96, Urteil vom 11. Februar 2003; Buzat gg Rumänien, Nr. 34642/97, Urteil vom 1. Juni 2001; Tregubenko gg Ukraine, Nr. 61333/00, Urteil vom 2. November 2004; Pravednaya gg Russland, Nr. 69529/01, Urteil vom 18. November 2004; Androne gg Rumänien, Nr. 54062/00, Urteil vom 22 Dezember 2004, § 59; Ivanova gg Ukraine, Nr. 74104/01, Urteil vom 13. September 2005, § 32; Popov gg Moldavien (Nr. 2), Nr. 19960/04, Urteil vom 6. Dezember 2005. 224 EGMR, Brumarescu gg Rumänien [GC], Nr. 28342/95, Urteil vom 28. Oktober 1999, ECHR 1999-VII. 222

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2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

festgestellt, dass die seinerzeitige Verstaatlichung des Hauses unrechtmäßig gewesen war. Das Haus wurde an den Beschwerdeführer rückübereignet. Dieser stellte die Zahlung der Miete für die Wohnung, die er im Haus bewohnte, ein. Er leistete ab diesem Zeitpunkt Grundsteuer für das Haus. Einem Antrag des rumänischen Generalprokurators auf Aufhebung des Urteils wurde vom rumänischen Höchstgericht stattgegeben. In der Folge wurde der Beschwerdeführer von den Steuerbehörden in Kenntnis gesetzt, dass das Haus wieder als staatliches Eigentum gelte. Das rumänische Höchstgericht traf in seiner Urteilsannullierung keine Entscheidung über den Eigentumstitel des Beschwerdeführers.225 Weil die Urteilsannullierung jedoch den Effekt hatte, dass der Beschwerdeführer aller Nutzungs- und Verfügungsmöglichkeiten beraubt worden war, sah der Gerichtshof darin eine de facto Enteignung.226 […] Since the Convention was intended to guarantee rights that are “practical and effective”, it has to be ascertained whether the situation amounted to a de facto expropriation… .227 […] In consequence of the judgment of the Supreme Court of Justice, the applicant was accordingly deprived of the rights of ownership of the house which had been vested in him by virtue of the final judgment in his favour. In particular, he was no longer able to sell, devise, donate or otherwise dispose of the property. In these circumstances, the Court finds that the effect of the judgment of the Supreme Court of Justice was to deprive the applicant of his possessions within the meaning of the second sentence of the first paragraph of Article 1 of Protocol No. 1.228

Auch hier stellte der Gerichtshof alleine darauf ab, dass ein Entzug jeglicher Nutzungs- und Verfügungsmöglichkeit vorlag. Eine de facto Enteignung lag nach Ansicht des Gerichtshofs auch dann vor, wenn der Staat, im konkreten Fall die Polizei, den Besitz an einem Grundstück nicht aufgab, nachdem die ursprüngliche Enteignungsentscheidung durch ein Gericht rückgängig gemacht worden war.229 Auch hier ergab sich aus dem Sachverhalt klar, dass keinerlei Nutzungsmöglichkeit für den Beschwerdeführer verblieb. Damit sah es der Gerichtshof im Hinblick auf die erforderliche Schwere des Eingriffs sowohl bei Eingriffen durch regulative Maßnahmen als auch bei physischem Entzug des Eigentumsobjekts ohne Titeltransfer als entscheidend an, dass weder ein Restwert noch irgendeine Nutzungsmöglichkeit vorhanden waren. Nur wenn diese beiden Kriterien erfüllt waren, ging der Gerichtshof von ___________ 225

Ibid., §§ 72, 74. Interessanter Weise prüfte er nicht unter dem Punkt, ob ein Eingriff vorliegt sondern jenem, ob dieser gerechtfertigt ist, ob eine de facto Enteignung vorliegt. 227 Ibid., § 76. 228 Ibid., § 77. 229 EGMR, Zwierzynski gg Polen, Urteil vom 19. Juni 2001, ECHR 2001-VI, § 70. 226

B. Die Enteignung

247

einer de facto Enteignung aus. Die notwendige Eingriffsschwelle ist daher sehr hoch. Eine bloße Vernichtung der bisherigen wirtschaftlichen Nutzung reicht nicht aus.

b) Zeitliche Dimension des Eingriffs Dass die Irreversibilität einer Maßnahme ein entscheidendes Kriterium für das Vorliegen einer de facto Enteignung ist, wird unter anderem anhand der Fälle klar, die der Gerichtshof im Zusammenhang mit landwirtschaftlichen Bodenreformmaßnahmen zu entscheiden hatte. In Poiss,230 Erkner und Hofauer231 und Wiesinger232 sollten durch Flächenzusammenlegungen Verbesserungen bei der Bodennutzung und der Infrastruktur ermöglicht werden. Im Zuge der Durchführung der Programme kam es zu provisorischen Eigentumstransfers. Jene Eigentümer, denen Grundstücke zugeteilt wurden, erwarben unter der auflösenden Bedingung Eigentum, dass die Zuteilung durch den endgültigen Aufteilungsplan bestätigt werde. Die Beschwerdeführer machten geltend, dass das ihnen provisorisch zugeteilte Land von minderer Wertigkeit sei. Sie bekamen während der Dauer des Bodenreformprozesses, die beträchtlich war, keine Entschädigung. Im Fall Poiss waren etwa bereits 24 Jahre seit den provisorischen Transfers vergangen.233 Dennoch lehnte der Gerichtshof es ab, eine de facto Enteignung festzustellen, weil der Eigentumstransfer nur provisorisch war. The Court notes first of all that the Austrian authorities did not effect either a formal expropriation or a de facto expropriation. The transfer carried out in August 1970 was a provisional one; only the entry into force of a consolidation plan will make it irrevocable. The applicants may therefore recover their land if the final plan does not confirm the distribution made at the earlier stage of the proceedings. Accordingly, it cannot be said that the applicants have been definitively “deprived of their possessions” within the meaning of the second sentence of the first paragraph of Article 1 (P1-1).234

Damit war eindeutig der nur vorläufige Charakter des Eingriffs ausschlaggebend dafür, dass sowohl das Vorliegen einer formellen Enteignung als auch das ___________ 230

EGMR, Poiss gg Österreich, Urteil vom 23. April 1987, Serie A, Nr. 117. EGMR, Erkner und Hofauer gg Österreich, Urteil vom 23. April 1987, Serie A, Nr. 117. 232 EGMR, Wiesinger gg Österreich, Urteil vom 30. Oktober 1991, Serie A, Nr. 213. 233 EGMR, Poiss gg Österreich, Urteil vom 23. April 1987, Serie A, Nr. 117, § 66. 234 EGMR, Poiss gg Österreich, Urteil vom 23. April 1987, Serie A, Nr. 117, § 64; Erkner und Hofauer gg Österreich, Urteil vom 23. April 1987, Serie A, Nr. 117, § 74; mit gleicher Begründung, Wiesinger gg Österreich, Urteil vom 30. Oktober 1991, Serie A, Nr. 213, § 72. (Verweise des Gerichtshofs wurden im Zitat weggelassen.). 231

248

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

einer de facto Enteignung vom Gerichtshof abgelehnt wurde.235 Der Gerichtshof behandelte im Hinblick auf die zeitliche Dimension formelle und de facto Enteignungen gleich. Der Befund, dass für das Vorliegen von formellen oder de facto Enteignungen die Irreversibilität der Maßnahme entscheidend ist, wird durch das Urteil im Fall Piron gg Frankreich236 bestätigt. Auch hier war eine Bodenreform Ursache des Rechtsstreits. Jedoch war die Übertragung der Grundstücke von Anfang an definitiv. Dies veranlasste den Gerichtshof dazu, von einer Enteignung auszugehen: La Cour considère que la situation dans la présente affaire se distingue de celles envisagées dans les affaires Erkner et Hofauer, et Poiss c. Autriche (arrêts du 23 avril 1987, série A nos 117 B et C), dans la mesure où le remembrement a été opéré en 1965 et les transferts de propriété sont devenus effectifs dès ce moment. Dès lors, il s’agit d’une privation de propriété au sens de la deuxième phrase du premier paragraphe de l’article 1 du Protocole n° 1, qui doit répondre aux conditions posées par cette disposition.237

Auch im Fall Matos und Silva,238 der regulative Eingriffe im Zusammenhang mit der Errichtung eines Naturreservats betraf, spielte das Kriterium der Irreversibilität des Eingriffes eine entscheidende Rolle. Da es nicht erfüllt war und zudem noch eine Restnutzungsmöglichkeit bestand, lehnte der Gerichtshof das Vorliegen einer de facto Enteignung ab. Dass nicht alle vernünftigen Nutzungsmöglichkeiten erloschen waren, zeige sich daran, dass die Beschwerdeführer nach wie vor das Land bearbeitet hätten. Der Gerichtshof führte Folgendes aus: ___________ 235 Im Fall Prötsch gg Österreich (EGMR Urteil vom 15. November 1996, ECHR 1996-V, § 42) kam der Gerichtshof aus den gleichen Gründen zum Ergebnis, dass keine Enteignung vorliege und er den Fall unter dem Auffangtatbestand des Absatzes 1 Satz 1 („sonstige Eingriffe“) zu prüfen habe. 236 EGMR, Piron gg Frankreich, Nr. 36436/97, Urteil vom 14. November 2000. 237 Ibid., § 39. 238 EGMR, Matos und Silva gg Portugal, Urteil vom 27. August 1996, ECHR 1996IV. Es erging zunächst eine Erklärung, wonach ein öffentliches Interesse an der Einbeziehung der Hälfte der Grundstücke der Beschwerdeführer in ein Naturschutzreservat bestehe. Weiters wurde ausgeführt, dass diese Erklärung einer Enteignung vorangehe. Später wurde ein Naturreservat errichtet, jegliche Nutzungsänderung verboten und ein Bauverbot erlassen. Die Erklärung ließ das Recht der Beschwerdeführer, ihr Land zu bearbeiten und zu nutzen intakt. Die Nutzungsmöglichkeiten waren in der Praxis jedoch erheblich eingeschränkt. Auch die Substanz des Eigentumsrechts war betroffen, weil eine Enteignung ins Auge gefasst wurde. Die Schaffung des Naturreservates und die damit verbundenen Nutzungsbestimmungen schränkten unbestrittenermaßen das Eigentumsrecht ein. Die Beschwerdeführer waren 13 Jahre lang im Ungewissen, was mit ihrem Eigentum geschehen würde. (§ 79).

B. Die Enteignung

249

In the Court’s opinion, there was no formal or de facto expropriation in the present case. The effects of the measures are not such that they can be equated with deprivation of possession. As the Delegate of the commission stated, the position was not irreversible as it had been in the case of Papamichalopoulos and others v. Greece. The restrictions on the right to property stemmed from the reduced ability to dispose of the property and from the damage sustained by reason of the fact that expropriation was contemplated. Although the right in question had lost some of its substance, it had not disappeared. The Court notes, for example, that all reasonable manner of exploiting the property had not disappeared seeing that the applicants continued to work the land. The second sentence of the first paragraph is therefore not applicable in the instant case.239

Der Gerichtshof prüfte den Fall unter Absatz 1 Satz 1 („sonstige Eingriffe“) und stellte in der Folge auch eine Verletzung dieser Bestimmung fest.240 Wie bereits erwähnt, wies der Gerichtshof in einigen Fällen,241 in denen er vom Vorliegen einer de facto Enteignung ausging, auf gescheiterte nationale Abhilfeversuche hin. Der Gerichtshof legte seine Motivation für diese Feststellung nicht offen. Sie könnte dazu gedient haben, zu unterstreichen, dass es sich um einen permanenten Eingriff handelt. Damit wäre neuerlich die Notwendigkeit der Irreversibilität der Eingriffskonsequenzen allerdings nur implizit unterstrichen. Ebenfalls ausschlaggebend war die Frage der Irreversibilität eines Eingriffs im Fall Paduraru gg Rumänien.242 Der Vater des Beschwerdeführers besaß ein Haus mit zwei Wohnblöcken. Dieses wurde 1950 nationalisiert. Trotz eines bestehenden Gerichtsurteils, wonach die Häuser an den Sohn zu restituieren seien, verkaufte der Staat Wohnungen in einem dieser Häuser an die Mieter der Wohnungen. Der EGMR stellte fest, dass er in ständiger Judikatur die Nichtumsetzung von Urteilen unter „sonstige Eingriffe“ prüft. In diesem Fall handle es sich aber nicht um eine gewöhnliche Nichtumsetzung, sondern um einen Verkauf der Sache an Dritte. Diese hatte zur Folge, dass der Beschwerdeführer nie wieder in Besitz der Sache gelangen und auch nicht über sie disponieren konnte. Unter diesen Umständen liege eine Enteignung vor: Il est vrai que, dans sa jurisprudence constante, la Cour examine l’inexécution d’une décision de justice sous l’angle de la première phrase du premier alinéat de l’article

___________ 239

Ibid., § 85. Die Kommission verneinte zwar ebenfalls das Vorliegen einer de facto Enteignung (§ 103 des Berichts) prüfte aber nach Eingriffen getrennt. Die Enteignungsermächtigung wurde von ihr unter Satz 1 geprüft, während die Einschränkungen und Bauverbote aufgrund des Naturschutzreservats unter Absatz 2 (Nutzungsregelung) geprüft wurden (§ 104). Der Gerichtshof prüfte sämtliche Eingriffe unter Satz 1. 241 EGMR, Papamichalopoulos gg Griechenland, Urteil vom 23. Juni 1993, Serie A, Nr. 260-B, § 45; Vasilescu gg Rumänien, Urteil vom 22. Mai 1998, ECHR 1998-III, § 53. 242 EGMR, Paduraru gg Rumänien, Nr. 63252/00, Urteil vom 1. Dezember 2005. 240

250

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

no 1 (…). Toutefois, en l’espèce, d’une part, au moment de la vente, l’arrêt n’avait pas un caractère exécutoire, et, d’autre part, il ne s’agit pas d’une simple inexécution, mais de la vente de la chose à un tiers. A la suite de cette vente, l’intéressé n’avait plus la faculté d’entrer en possession du bien, de le vendre et de le léguer, d’en consentir la donation, ou d’en disposer d’une autre manière. Dans ces conditions, la Cour constate que cette situation a eu pour effet de priver le requérant de sa propriété au sens de la seconde phrase du premier alinéa de l’article 1 du Protocole no 1.243

Die Irreversibilität der Maßnahme hat dafür den Ausschlag gegeben, dass kein „sonstiger Eingriff“ sondern eine Enteignung vorlag. Explizit verwiesen wurde auf das Kriterium der Endgültigkeit in einem der wenigen EGMR-Fälle, in denen nicht In-, sondern Ausländer von Eigentumseingriffen betroffen waren. Der Fall Zlínsat, Spol. S.R.O. gg Bulgarien244 aus Juni 2006 betraf einen ausländischen Investor, der ein Hotel im Zuge einer Privatisierung gekauft hatte. Das Personal des Investors wurde aufgrund einer Entscheidung der Staatsanwaltschaft von der Polizei aus dem Hotel am 7. Oktober 1997 verwiesen. Der Investor konnte das Hotel bis 5. Oktober 1999 nicht nutzen. An diesem Tag teilte die Staatsanwaltschaft der Polizei mit, dass die Entscheidung, aufgrund derer die Belegschaft des Investors aus dem Hotel verwiesen worden war, nicht länger umzusetzen sei. Damit war die Nutzungsmöglichkeit des Hotels wiederhergestellt, nachdem sie zwei Jahre lang vereitelt worden war. Der Gerichtshof stellte fest, dass es sich um eine vorübergehende Eviktion gehandelt habe und es zu keiner Übertragung von Eigentum gekommen sei. Daher handle es sich nicht um eine Enteignung, sondern um eine Nutzungsregelung im Sinne des Artikels 1 Absatz 2 des 1. ZP zur EMRK. Diesen sah er in der Folge als verletzt an. Der Gerichtshof führte aus: The Court notes that the company’s eviction from the hotel amounted to a temporary restriction on its use and did not entail a transfer of ownership. It does not therefore consider that the case involves a deprivation of property.245

Fest steht somit, dass ein irreversibler Eingriff vorliegen muss, damit der Gerichtshof von einer de facto Enteignungen ausgeht. Die Eingriffsdauer wurde vom Gerichtshof sowohl zur Abgrenzung zwischen de facto Enteignungen und „sonstigen Eingriffen“ als auch zur Abgrenzung zwischen de facto Enteignungen und Nutzungsregelungen herangezogen.

___________ 243 244

Ibid., § 75. EGMR, Zlínsat, Spol. S.R.O. gg Bulgarien, Nr. 57785/00, Urteil vom 15. Juni

2006. 245

Ibid., § 95.

B. Die Enteignung

251

c) Vertrauensschutz „Investment-backed expectations“ sind im Investitionsrecht bei der Entscheidung, ob eine indirekte Enteignung vorliegt, von Bedeutung. Daher ist es angebracht, jene Fälle, in denen der EGMR dieses Kriterium bei der Überprüfung, ob eine Enteignung vorliegt, mitberücksichtigt hat, zu erläutern. Im Fall Fredin gg Schweden246 stellte sich die Frage, ob der Widerruf einer Kiesabbaugenehmigung einer Enteignung gleich kam. Der Gerichtshof brachte zunächst das schon in den vorigen Urteilen erwähnte Kriterium des Verlusts einer sinnvollen Nutzungsmöglichkeit zur Anwendung und verneinte das Vorliegen einer Enteignung, weil nicht jegliche sinnvolle Nutzung ausgeschlossen war.247 Nachdem der Gerichtshof aufgrund mangelnder Schwere das Vorliegen einer de facto Enteignung abgelehnt hatte, setzte er sich noch mit einem zweiten Argument auseinander: Jenem, ob aus Vertrauensschutzgründen von einer Enteignung auszugehen sei. Hierbei spielten zwei Faktoren eine Rolle. Der Gerichtshof berücksichtigte, dass der Kiesabbau schon vor dem Genehmigungsentzug immer strenger geregelt wurde.248 Zweitens mussten die Beschwerdeführer seit einer Novelle des Jahres 1973249 damit rechnen, dass der Abbau irgendwann gänzlich unzulässig werden würde. Nach dieser Novelle war die Geschäftstätigkeit mit großen Unsicherheiten behaftet.250 Daher war der Gerichtshof der Ansicht, dass kein schützenswertes Vertrauen vorgelegen sei, und lehnte auch aus diesem Grund das Vorhandensein einer de facto Enteignung ab. Unklar ist, wieviel Gewicht er dieser Frage beimaß. Es ist dies auch der einzige Fall, in dem der Gerichtshof dieses Kriterium heranzog um festzustellen, welche Art von Eingriff vorlag. Das Vertrauensschutzkriterium wurde im noch im selben Jahr entschiedenen Fall Pine Valley251 nur herangezogen, um festzustellen, ob überhaupt ein Eigentumseingriff vorliegt.252 Bei der Feststellung, welcher Eingriff vorliegt – eine Enteignung, eine Nutzungsregelung oder ein „sonstiger Eingriff“ –, fand es ___________ 246 EGMR, Fredin gg Schweden (Nr. 1), Urteil vom 18. Februar 1991, Serie A, Nr. 192. Zum Sachverhalt siehe auch unten: S. 387, FN 752. 247 Ibid., § 45. 248 Ibid., § 46. 249 Betriebsgenehmigungen, die älter als 10 Jahre waren, durften entschädigungslos entzogen werden. 250 Ibid., § 46. 251 EGMR, Pine Valley Developments Ltd. and Others gg Irland, Urteil vom 29. November 1991, Serie A, Nr. 222. Zum Sachverhalt siehe oben S. 243. 252 Ibid., § 51.

252

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

keine Verwendung. Zur Abgrenzung einer de facto Enteignung von einer Nutzungsregelung stellte der Gerichtshof in diesem Fall ausschließlich auf das Kriterium des Ausschlusses jeglicher sinnvoller Nutzungsalternative ab.253

d) Zwischenergebnis – Menschenrechtsschutz Nach der Rechtsprechung des EGMR müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein, damit eine de facto Enteignung vorliegt. Erstens: Es darf keine Restnutzungsmöglichkeit gegeben sein und es muss der wirtschaftliche Wert des Eigentums zur Gänze vernichtet sein. Zweitens muss der Eingriff irreversibel sein. Nur wenn beide Kriterien erfüllt sind, liegt eine de facto Enteignung vor. Das Referenzobjekt hinsichtlich der Bewertung der Schwere des Eingriffs ist das gesamte Eigentumsobjekt und nicht nur ein speziell betroffener Teil desselben. So muss etwa bei Grundstücken das gesamte Objekt berücksichtigt werden und nicht nur jene Teile, die in einer bestimmten Weise genutzt wurden und bei denen diese Nutzung durch den Eingriff unmöglich wurde. Die beiden Kriterien Schwere und zeitliche Dauer wurden vom Gerichtshof sowohl bei Sachverhalten mit physischem Entzug des Eigentumsobjekts als auch bei regulativen Eingriffen zur Anwendung gebracht. Wenn man die entschiedenen Fälle von der Art der Maßnahmen (physischer Eingriff oder regulativer Eingriff) her betrachtet, fällt auf, dass in sämtlichen Fällen, in denen das Vorliegen einer de facto Enteignung festgestellt wurde, ein physischer Entzug des Eigentumsobjekts vorlag. Die Ursache für diesen Umstand dürfte darin liegen, dass bei regulativen Eingriffen immer noch ein Restnutzungswert des Eigentumsobjekts vorlag. Der Gerichtshof verlangt aber, dass nicht nur die ursprüngliche Nutzung nicht mehr möglich, sondern etwa auch der Verkauf der Anlagen unmöglich ist. Ein solcher Totalentzug ist bei regulativen Eingriffen in der Praxis aber kaum denkbar. Implizit abgelehnt wurde vom Gerichtshof die Möglichkeit einer Teilenteignung.254 Er ließ keine Aufspaltung des Bündels an Rechten an einem Objekt und die Enteignung einzelner solcher Rechte zu. Ein weiteres Kriterium, das vom Gerichtshof an unterschiedlichsten Stellen im Rahmen der Prüfung, ob eine Verletzung von Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK vorliegt, verwendet wurde, ist das Vertrauensschutzkriterium. Es erlangte bereits bei der schon erörterten Frage nach dem Schutzumfang des Eigentumsrechts Bedeutung. Dabei war zu prüfen, ob auf die Nutzungsbefugnis vertraut ___________ 253 254

Ibid., § 56. Dazu siehe näher unten, S. 385 ff.

B. Die Enteignung

253

werden durfte und diese vom Eigentumsschutz umfasst war.255 Auf der Eingriffsebene verwendete der Gerichtshof das Kriterium im Fall Pine Valley,256 um festzustellen, ob ein Eingriff vorliegt, im Fall Fredin,257 um abzugrenzen, um welche Art von Eingriff es sich handelte. Weiters ist dieses Prüfungselement auf der Rechtfertigungsebene eine wichtige Teilkomponente der Verhältnismäßigkeitsprüfung, wie später ausführlicher erörtert werden wird.258 Aus dem gerade Gesagten ergibt sich, dass die Straßburger Rechtsprechung bei der Entscheidung, ob eine Maßnahme eine de facto Enteignung ist, sehr restriktiv ist. Dies ist im Unterschied zum Investitionsschutz jedoch weniger schwerwiegend, weil der Gerichtshof auch bei „bloßen“ Nutzungsregelungen oder „sonstigen Eingriffen“ Verletzungen des Eigentumsrechts feststellen kann und in der Vergangenheit auch festgestellt hat. Positiv zu bewerten ist, dass die Rechtsprechung relativ einheitlich ist und sich ganz bestimmte Kriterien zur Abgrenzung der Enteignung von Nutzungsregelungen und vom Auffangtatbestand der „sonstigen Eingriffe“ ableiten lassen. Danach liegt eine Enteignung unter folgenden Voraussetzungen vor: –

totaler Wertverlust des Rechts,



keine alternative Nutzungsmöglichkeit,



Irreversibilität der Maßnahme.

2. Investitionsschutz a) Einleitung Wie Dolzer in einem Aufsatz aus dem Jahr 2002 ausführte, hat die Frage, wann eine indirekte Enteignung vorliegt, jene nach der Höhe der Entschädigung als wichtigste Problemstellung der letzten Jahre abgelöst: … the single most important development in state practice has become the issue of indirect expropriation.259

___________ 255

Dazu siehe oben, S. 114 ff. EGMR, Pine Valley Developments Ltd. and Others gg Irland, Urteil vom 29. November 1991, Serie A, Nr. 222, § 51. 257 EGMR, Fredin gg Schweden (Nr. 1), Urteil vom 18. Februar 1991, Serie A, Nr. 192, §§ 46, 47. 258 Siehe z.B.: EGMR, Fredin gg Schweden (Nr. 1), Urteil vom 18. Februar 1991, Serie A, Nr. 192, §§ 54, 55. 259 R. Dolzer, Indirect Expropriations: New Developments?, 11 NYU Environmental Law Journal 2003, S. 65. 256

254

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

Wieso hat diese Frage eine derartige Bedeutung erlangt? In einem Zeitalter, das von Globalisierung, Diskussionen um Marktöffnungen und von geringerer Bereitschaft zu direkter staatlicher Entwicklungshilfe geprägt ist, sind ausländische Investitionen ein wichtiger Faktor nicht nur für Entwicklungsländer. Obwohl sie gelegentlich noch vorkommen, sind formelle Enteignungen aufgrund ihrer Investoren abschreckenden Wirkung in der Regel keine Option zur Verwirklichung wirtschafts-, sozial- oder umweltpolitischer Ziele. Die Staaten versuchen daher, derartige Ziele durch regulative Maßnahmen zu erreichen. Auch Industriestaaten ergreifen teils aus Umweltschutz- oder ähnlich gelagerten Erwägungen, aber auch aus Gründen des Protektionismus regulative Maßnahmen.260 Zudem ist die ursprüngliche Interessenaufteilung zwischen entwickelten Staaten, die traditionell auf Investorenseite standen und daher einen starken Investitionsschutz befürworteten, und Entwicklungsländern, die in der Regel die beklagte Partei waren, heute nicht mehr gültig. Dadurch kam es zu einer Verschiebung der Interessen der Staaten insgesamt. So sind beispielsweise die USA heute auch Beklagte und vertreten daher nicht mehr nur Klägerinteressen. Das jüngste US Modell-BIT spiegelt typische Beklagteninteressen wieder. Die Vertreter der Investoren in den internen Gremien der USA waren dementsprechend gegen die Änderungen, die das Modell-BIT 2004 gegenüber jenem aus 1994 aufweist.261 Viele der „entwickelten“ Länder haben wesentlich mehr regulative Gesetzgebung in Materien wie Umweltschutz, Raumplanung, Kartellrecht und Ar___________ 260 Der Fall S.D. Myers (S.D. Myers, Inc. v. Government of Canada, (NAFTA), First Partial Award, 13 November 2000, 8 ICSID Reports 18) ist ein gutes Beispiel für eine protektionistische Handelsmaßnahme, bei der versucht wurde, sie unter dem Deckmantel einer regulierenden Tätigkeit im Bereich des Umweltschutzes zu tarnen. Vom Schiedsgericht zu beurteilen war ein 18 monatiges Exportverbot für gefährliche Abfallstoffe. Das Schiedsgericht verneinte aufgrund der zu kurzen Dauer der Maßnahme eine Enteignung. Es wies aber in seinen allgemeinen Ausführungen zum Exportverbot ausdrücklich darauf hin, dass die kanadische Maßnahme hauptsächlich darauf abzielte, die kanadische Industrie vor der US Konkurrenz zu schützen. Es gab daher keinen legitimen umweltbezogenen Grund für das Verbot: 194. Insofar as intent is concerned, the documentary record as a whole clearly indicates that the Interim Order and the Final Order were intended primarily to protect the Canadian PCB disposal industry from U.S. competition. CANADA produced no convincing witness testimony to rebut the thrust of the documentary evidence. 195. The Tribunal finds that there was no legitimate environmental reason for introducing the ban. 261 Siehe z.B.: Report of the Subcommittee on Investment Regarding the Draft Model Bilateral Investment Treaty, Presented To: The Advisory Committee on International Economic Policy, 30 January 2004, S. 2, Quelle: http://www.ciel.org/Publications/ BIT_Subcmte_Jan3004.pdf.

B. Die Enteignung

255

beitsrecht als „Entwicklungsländer“. In Demokratien muss zudem mit Anpassungs- und eventuell Verschärfungsbedarf derartiger Regelungen aufgrund des Wählerwillens gerechnet werden. Daher trachten diese Staaten danach, regulative Spielräume ohne Entschädigungspflichten in diesen Bereichen zu bewahren oder zu erlangen. Dies könnte langfristig zu einschränkenderen Enteignungsdefinitionen in BITs und MITs führen, als sie derzeit vorherrschend sind. Staaten wie China haben heute selbst viele Investoren zu vertreten, wodurch sich auch ihre Interessen geändert haben.262 Damit ist aber das gesamte System in eine labile Lage geraten. Zusätzlich zur veränderten Interessenlage der Staaten ist ein weiteres Phänomen zu beobachten: eine rasante Erhöhung der Anzahl der BITs seit den 1980er Jahren. Daher fanden Investoren, die von staatlichen Eigentumseingriffen betroffen waren, eine immer steigende Anzahl bilateraler Investitionsschutzverträge vor, die ihnen den Zugang zu internationalen Investitionsschiedsgerichten öffneten. Sie nutzen diese Rechtsschutzmöglichkeit. Die Judikatur dieser Schiedsgerichte hätte zu einer Herausbildung einer den Ansprüchen der Praxis gerecht werdenden Abgrenzung zwischen Eigentumseingriffen, die keine Entschädigung erfordern, und indirekten Enteignungen führen können. In diesem Sinne schlug Christie263 als Methode zur Lösung des bereits in den 60er Jahren bestehenden Problems vor: It is evident that the question of what kind of interference short of outright expropriation constitutes a “taking” under international law presents a situation where the common law method of case by case development is pre-eminently the best method, in fact probably the only method, of legal development.264

Durch die immer umfangreichere Judikatur der Investitionsschiedsgerichte hätte es zu einer asymptotischen Annäherung an die Grenzlinie zwischen zulässigen Eigentumseingriffen und de facto Enteignungen durch Einzelfallentscheidungen kommen können. Jedoch operieren die Schiedsgerichte aufgrund vieler verschiedener bi- oder multilateraler Verträge. Sie werden ad hoc errichtet und werden in unterschiedlichen personellen Zusammensetzungen tätig. Noch wichtiger ist, dass es keine Instanz gibt, die für eine einheitliche Normauslegung Sorge tragen könnten. Im ___________ 262 Siehe dazu z.B.: H. Christiansen/A. Bertrand, Trends and Recent Developments in Foreign Direct Investment, in: OECD (Hrsg.), International Investment Perspectives, 2005, 30 ff. 263 G. C. Christie, What Constitutes a Taking of Property under International Law?, 38 BYIL 1962, S. 307 ff. 264 G. C. Christie, What Constitutes a Taking of Property under International Law?, 38 BYIL 1962, S. 338. In diesem Sinne auch: A. Elinger, Expropriation and Compensation: Claims to Property in East Germany in Light of German Unification, 6 Emory International Law Review 1992, 215, S. 220.

256

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

Bereich der EMRK kommt der Großen Kammer beim EGMR eine derartige Funktion zu, im EU-Recht übernimmt der EuGH diese Rolle. Die Einführung einer derartigen Instanz in der internationalen Investitionsschiedsgerichtsbarkeit wird auch durch die Vielzahl unterschiedlicher Schiedsregeln erheblich erschwert, aufgrund derer die Schiedsgerichte tätig werden. Aufgrund dieser Umstände bildeten sich im Hinblick auf die indirekte Enteignung zwei diametral entgegengesetzte Judikaturlinien heraus.265 Daher gibt es zurzeit große Rechtsunsicherheit im Hinblick auf den Tatbestand der indirekten Enteignung im Investitionsrecht. Es stehen einander zwei Interessen gegenüber: jenes der Staaten, regulative Eingriffe ohne Zahlung von Entschädigungsleistungen vornehmen zu können, und jenes der Investoren, bei materiellem Entzug ihrer Investition dafür entschädigt zu werden. Das gemeinsame Anliegen beider Seiten müsste sein, ein System zur Verfügung zu haben, das vorhersehbare Ergebnisse hervorbringt und somit ein hohes Maß an Rechtssicherheit bietet. Dies ist in Anbetracht der Risken anzustreben, die für beide Seiten auf dem Spiel stehen. Welche Arten von regulativen Eingriffen entschädigungslos erfolgen dürfen, kann für potentielle Investoren investitionsentscheidend sein. Eine Investition könnte unterbleiben, wenn der Investor weiß, dass für bestimmte Eingriffe weder vom Staat noch von einer Versicherung Entschädigung geleistet wird. Die Staaten sind in ihrer regulativen Tätigkeit beeinträchtigt, wenn nicht abschätzbar ist, ob bestimmte Maßnahmen, etwa im Bereich des Schutzes der Gesundheit, zu Entschädigungsverpflichtungen führen. Letztere können erheblich sein und in den öffentlichen Ressourcen eventuell keine Deckung finden. Am besten könnte ein derartiges Bedürfnis nach Rechtssicherheit durch eine universell gültige Formel erfüllt werden. Ein derartiges Unterfangen ist aber wenig aussichtsreich.266 In diesem Sinne stellte das Schiedsgericht in Generation Ukraine v. Ukraine267 fest: ___________ 265 Die Existenz von zwei entgegengesetzen Judikaturlinien wird von zahlreichen Autoren bestätigt. Siehe z.B.: R. Dolzer, Indirect Expropriations: New Developments? 11 NYU Environmental Law Journal, 2003, 64, S. 79 ff.; V. Heiskanen, The Contribution of the Iran-United States Claims Tribunal to the Development of the Doctrine of Indirect Expropriation, 5 International Law FORUM du droit international 2003, 176 f.; Z. A. AlQurashi, Indirect Expropriation in the Field of Petroleum, 5 The Journal of World Investment and Trade 2004, 897, S. 907. 266 In der Lehre wurde mehrfach betont, dass es keine Checkliste gibt, aufgrund derer man feststellen kann, ob staatliche Maßnahmen eine Enteignung sind oder nicht. Siehe z.B.: F. Orrego Vicuña, Carlos Calvo, Honorary NAFTA Citizen, 11 N.Y.U. Environmental Law Journal, 2003, 19, S. 28; Z. A. AlQurashi, Indirect Expropriation in the Field of Petroleum, 5 The Journal of World Investment and Trade 2004, 897, S. 911; J. Paulsson/Z. Douglas, Indirect Expropriation in Investment Treaty Arbitration in: N. Horn/S. Kröll, Arbitrating Foreign Investment Disputes: Procedural and Substantive Le-

B. Die Enteignung

257

Predictability is one of the most important objectives of any legal system. It would be useful if it were absolutely clear in advance whether particular events fall within the definition of an “indirect” expropriation. It would enhance the sentiment of respect for legitimate expectations if it were perfectly obvious why, in the context of a particular decision, an arbitral tribunal found that a governmental action or inaction crossed the line that defines acts amounting to an indirect expropriation. But there is no checklist, no mechanical test to achieve that purpose. The decisive considerations vary from case to case, depending not only on the specific facts of a grievance but also on the way the evidence is presented, and the legal bases pleaded. The outcome is a judgment, i.e. the product of discernment, and not the printout of a computer programme.268

Um eine Verbesserung des derzeitigen Systems erreichen zu können, ist es zunächst erforderlich, den status quo in der Entwicklung der Judikatur zu analysieren und die strukturellen Ursachen für die derzeit vorherrschenden Probleme zu ermitteln. Daher soll zunächst dargelegt werden, in welcher Form die einschlägigen völkerrechtlichen Regelungen das Konzept der indirekten Enteignung vorsehen. Des Weiteren wird darauf eingegangen, ob die vertraglichen Regelungen hinreichende Kriterien vorsehen, um eine Abgrenzung der indirekten Enteignung von anderen, insbesondere regulativen Eigentumseingriffen vorzunehmen, welche die Schwelle der indirekten Enteignung nicht erreichen. Im Anschluss daran wird ausgeführt, wie das Konzept der indirekten Enteignung in die Judikatur der Investitionsschiedsgerichte Eingang gefunden hat. Dabei wird vorerst gezeigt, dass das Konzept der indirekten Enteignung durch die in verschiedenen Verträgen verwendete Formel der „measures tantamount to an expropriation“ keine Erweiterung erfahren hat. Danach werden die spezifischen Problemlagen in den vier Unterformen der indirekten Enteignung (Enteignung durch einmaligen Akt/schleichende Enteignung/physischer Entzug/regulativer Eingriff) analysiert. In der Folge werden die in der Judikatur verwendeten Abgrenzungskriterien beispielhaft dargelegt und die beiden Judikaturlinien „Sole-effects“-Doktrin und „Police-powers“-Doktrin auf die von ihnen jeweils verwendeten Abgrenzungskriterien hin untersucht. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die Rolle gelegt werden, welche der „Schwere des Eingriffs“ und dem hinter dem Eingriff stehenden „öffentlichen Interesse“ bei der Entscheidung der Schiedsgerichte zukommt. ___________ gal Aspects, 2004, S. 146; A. Newcombe, The Boundaries of Regulatory Expropriation in International Law, 20 ICSID Review, Foreign Investment Law Journal, 2005, S. 6. 267 Generation Ukraine Inc. v. Ukraine, (United States/Ukraine BIT), Award, 16 September 2003, 10 ICSID Reports 240. 268 Ibid., 20.29.

258

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

Schließlich wird ein kurzer Überblick über die Arten der Eingriffe geboten, die bisher als indirekte Enteignung angesehen wurden.

b) Einschlägige völkerrechtliche Regelungen Die meisten BITs und Modell-BITs enthalten Regelungen, von denen sowohl formelle Enteignungen als auch indirekte Enteignungen oder Maßnahmen mit enteignungsgleicher Wirkung erfasst sind.269 Dies ist unabhängig vom Um___________ 269

Siehe: R. Dolzer/M. Stevens, Bilateral Investment Treaties, 1995, S. 99. Siehe z.B.: Agreement between the Government of the Kingdom of Thailand and the Government of the Democratic Socialist Republic of Sri Lanka for the Promotion and Protection of Investments (3 January 1996), Article VI Expropriation (1) Investments of nationals or companies of either Contracting Party shall not be subjected, directly or indirectly, to any measure of nationalization of expropriation in the territory of the other Contracting Party except … Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/srilanka_thailand.pdf. Accord entre la Confédération Suisse et la République d’El Salvador concernant la promotion et la protection réciproque des investissements (8 décembre 1994): Art. 5 Expropriation, compensation (1) Aucune des Parties Contractantes ne prendra, directement ou indirectement, des mesures d’expropriation, de nationalisation ou toute autre mesure ayant le meme caractère ou le même effet, … Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/switzerland_elsalvador_fr. pdf. Agreement between die Government of the Kingdom of Sweden and the Government of the Republic of Albania on the Promotion and Reciprocal Protection of Investments (31 March 1995): Article 4 Expropriation and Compensation (1) Neither Contracting Party shall take any measures depriving, directly or indirectly, an investor … Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/sweden_albania.pdf. Mongolei: Modell BIT Article 6 Dispossession, Compensation 1. Neither of the Contracting Party shall take, either directly or indirectly, measures of expropriation, nationalization or any other measures having the same nature or the same effect against investments of investors of the other Contracting Party, unless … Quelle: UNCTAD, Volume IX, Part Three, Prototype Instruments. Belgisch – Luxenburgisches Modell BIT: Article 5 Deprivation and Limitation of Ownership 1. Each Contracting Party undertakes not to adopt any measure of expropriation or nationalisation or any other measure having the effect of directly or indirectly dispossessing the investor of the other Contracting Party of their investments in its territory. Quelle: UNCTAD, Volume IX, Part Three, Prototype Instruments. Jamaika Modell BIT: Article 4 Expropriation and Compensation

B. Die Enteignung

259

stand, ob sie von Industriestaaten oder Entwicklungsländern abgeschlossen bzw. verfasst wurden. Auch multilaterale Verträge bzw. Entwürfe für solche enthalten Regelungen, von denen sowohl direkte als auch indirekte Eingriffsformen erfasst sind. So sieht Artikel 3 der OECD Draft Convention on the Protection of Foreign Property aus 1967270 vor, dass keine Partei Maßnahmen ergreifen darf, die direkt oder indirekt das Eigentum eines Staatsangehörigen einer anderen Vertragspartei entziehen, außer unter festgelegten Bedingungen: “No Party shall take any measures depriving, directly or indirectly, of his property a national of another Party unless the following conditions are complied with [...]”271

___________ 1. Neither of the Contracting Parties shall take any measure of nationalisation or expropriation or any other measure having the same effect against investment … Quelle: UNCTAD, Volume IX, Part Three, Prototype Instruments. Sri Lanka Modell BIT: Article 6 Expropriation 2. Investments by nationals or companies of either Contracting Party shall not be expropriated, nationalized or directly or indirectly subjected to any other measure the effects of which would be tantamount to expropriation or nationalization … Quelle: UNCTAD, Volume IX, Part Three, Prototype Instruments. Kambodia Modell BIT (1998): Article IV Expropriation Each Contracting Party shall not take any measures of expropriation, nationalization, or other wise subjected to any other measures having effect equivalent to nationalization or expropriation … Quelle: UNCTAD, Volume IX, Part Three, Prototype Instruments. China Modell BIT: Article 4 1. Neither Contracting Party shall expropriate, nationalize or take similar measures … against investments … Quelle: UNCTAD, Volume IX, Part Three, Prototype Instruments. Chile Modell BIT: Article 6 Expropriation and Compensation (1) Neither Contracting party shall take any measures depriving, directly or indirectly, an investor of the other Contracting Party of an investment … Quelle: UNCTAD, Volume IX, Part Three, Prototype Instruments. US Modell BIT 2004 Article 6: Expropriation and Compensation 1. Neither Party may expropriate or nationalize a covered investment either directly or indirectly through measures equivalent to expropriation or nationalization (“expropriation”), except: … Quelle: http://www.state.gov/documents/organization/38710.pdf. 270 OECD Draft Convention on the Protection of Foreign Property, 12 October 1967, 7 ILM 117 (1968). Zur Geschichte des OEDC Entwurfs siehe G. Schwarzenberger, Foreign Investments and International Law, 1969, 153–169. 271 Artikel 3.

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2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

Der Entwurf für ein MAI272 enthält einen Regelungsvorschlag für direkte und indirekte Enteignungen sowie für Maßnahmen gleicher Wirkung: A Contracting Party shall not expropriate or nationalise directly or indirectly an investment in its territory of an investor of another Contracting Party or take any measure or measures having equivalent effect (hereinafter referred to as “expropriation”).273

Eine sehr ähnliche Formulierung verwendet der Energy Charter Treaty: (1) Investments of Investors of a Contracting Party in the Area of any other Contracting Party shall not be nationalized, expropriated or subjected to a measure or measures having effect equivalent to nationalization or expropriation (hereinafter referred to as “Expropriation”) except where such Expropriation is: [...]274

Artikel 1110 des NAFTA-Vertrags erfasst ebenfalls direkte und indirekte Enteignungen. Statt von „measures having effect equivalent to“ spricht er aber von „measure[s] tantamount to nationalization or expropriation“ und bezieht sich nicht ausdrücklich auf die Wirkung („effect“) der Maßnahme: No Party may directly or indirectly nationalize or expropriate an investment of an investor of another Party in its territory or take a measure tantamount to nationalization or expropriation of such an investment (“expropriation”), except […]275

Wie sich aus den angeführten Verträgen ergibt, ist die Terminologie nicht einheitlich. Es finden unter anderem die Bezeichnungen „nationalization“276, „expropriation“ und „deprivation“ Verwendung. Diese Eingriffsformen können entweder formell oder indirekt erfolgen. Ferner enthalten viele Verträge den Tatbestand der Maßnahmen gleicher Wirkung, wobei zumeist ausdrücklich die Formulierung „measures having effect equivalent to“ verwendet wird.277 Eine Ausnahme stellen in dieser Richtung bereits die nach dem Modell-BIT 1992 ___________ 272 OECD Negotiating Group On The Multilateral Agreement On Investment (MAI), The Multilateral Agreement On Investment Draft Consolidated Text 6, OECD Doc. DAFFE/MAI (98)7/REV1, 22 April 1998. Quelle: http://www1.oecd.org/daf/mai/pdf /ng/ng987r1e.pdf. Zum MAI Entwurf und der Frage von Enteignungen siehe z.B.: R. Stumberg, Sovereignty by Subtraction: The Multilateral Agreement on Investment, 31 Cornell Int’l L.J. 1998, 491–598, insbes. 556–62; E. M. Graham, Regulatory Takings, Supernational Treatment, and the Multilateral Agreement on Investment: Issues Raised by Nongovernmental organizations, 31 Cornell Int’l L.J. 1998, 599–614. 273 IV Investment Protection, 2.1. 274 Art 13 Energy Charter Treaty, Annex 1 to the Final Act of the European Energy Charter Treaty Conference, 17 December 1994, 34 ILM 381 (1995). 275 Article 1110 (1) NAFTA. 276 Siehe zur Abgrenzung zwischen Nationalisierung und Enteignung z.B.: P.E. Comeaux/N. S. Kinsella, Protecting Foreign Investment Under International Law, Legal Aspects of Political Risk, 1997, S. 8 ff. 277 Siehe z.B. die Beispiele in FN 269 und 279.

B. Die Enteignung

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abgeschlossenen BITs der USA dar, wo von „measures tantamount to“ gesprochen und nicht ausdrücklich auf die Auswirkungen abgestellt wird.278 Auffällig ist zudem, dass in den Verträgen die Termini weder näher definiert noch Unterscheidungen zwischen den einzelnen Tatbeständen vorgenommen werden. In etlichen Verträgen wird nach der Aufzählung der einzelnen Tatbestände vielmehr sogar ausgeführt, dass für sämtliche der angeführten Begriffe in der Folge der Ausdruck „expropriation“ gebraucht werden wird.279 Sowohl BITs als auch die erwähnten multilateralen Verträge enthalten keine Definitionen, was unter den einzelnen normierten Eingriffen zu verstehen sei. Darüber hinaus enthalten sie mit wenigen Ausnahmen keine Anhaltspunkte dafür, wie indirekte Enteignungen von zulässigen regulativen Eingriffen abzugrenzen seien. Gleiches gilt für die Frage, welche regulativen Tätigkeiten jedenfalls nicht als indirekte Enteignungen zu bewerten seien. Einen Auslegungshinweis bietet jedoch die in bi- und multilateralen Verträgen häufig verwendete Formulierung „measures having effect equivalent to“.280 ___________ 278 Siehe z.B.: The Treaty between the United States of America and Mongolia concerning the Encouragement and Reciprocal Protection of Investment (6 October 1994): Article III 1. Investments shall not be expropriated or nationalized either directly or indirectly through measures tantamount to expropriation or nationalisation (“expropriation”) except: Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/us_mongolia.pdf. 279 I.d.S. auch R. Dolzer/M. Stevens, Bilateral Investment Treaties, 1995, S. 98 f. Siehe z.B.: The Treaty between the United States of America and the Kingdom of Morocco concerning the Encouragement and Reciprocal Protection of Investments (22 July 1985): Article III 1. Investments shall not be expropriated or nationalized either directly or indirectly through measures tantamount to expropriation or nationalization (expropriation) except: Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/us_marocco.pdf. Agreement between the Government of the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland and the Government of the Arab Republic of Egypt (11 June 1975): Article 5 (1) Investments of nationals or companies of either Contracting Party shall not be nationalized, expropriated or subjected to measures having effect equivalent to nationalisation or expropriation (hereinafter referred to as “expropriation”) … Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/egypt_uk.pdf. 280 Siehe z.B. Art 6(1) Agreement between the Government of the United Kingdom and Northern Ireland and the Government of Ukraine for the Promotion and Reciprocal Protection of Investments (1993): … shall not be … subjected to measures having effect equivalent to nationalisation or expropriation … Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/uk_ukraine.pdf.

262

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

Damit wird ausdrücklich auf die Auswirkungen der Maßnahme abgestellt, was nahe legt, diesen Umstand auch als Abgrenzungskriterium heranzuziehen. Inwieweit dieses Kriterium in die Judikatur Eingang gefunden hat, wird in weiterer Folge noch ausführlich behandelt.281 Eine neue Entwicklung hinsichtlich der Formulierung der Eingriffstatbestände bilden die diesbezüglichen Normen in den rezenten Modell-BITs der USA und Kanadas282 und in von diesen Staaten vor kurzem abgeschlossenen BITs ___________ Agreement between the Republic of Turkey and the Republic of the Sudan concerning the Reciprocal Promotion and Protection of Investments (19 December 1999): Article III 1. Investments shall not be expropriated, nationalized or subject, directly or indirectly, to measures of similar effects … Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/turkey_soudan.pdf. Accord entre la Confédération Suisse et la République d’El Salvador concernant la promotion et la protection réciproque des investissements (8 décembre 1994): Art. 5 Expropriation, compensation (1) Aucune des Parties Contractantes ne prendra, directement ou indirectement, des mesures d’expropriation, de nationalisation ou toute autre mesure ayant le meme caractère ou le même effet, … Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/switzerland_elsalvador_fr. pdf. Jamaika Modell BIT: Article 4 Expropriation and Compensation 1. Neither of the Contracting Parties shall take any measure of nationalisation or expropriation or any other measure having the same effect against investment … Quelle: UNCTAD, Volume IX, Part Three, Prototype Instruments. Kambodia Modell BIT (1998): Article IV Expropriation Each Contracting Party shall not take any measures of expropriation, nationalization, or other wise subjected to any other measures having effect equivalent to nationalization or expropriation … Quelle: UNCTAD, Volume IX, Part Three, Prototype Instruments. Agreement on encouragement and reciprocal protection of investments between the Kingdom of the Netherlands and the Argentine Republic, Article 6: Neither of the Contracting Parties shall take any direct or indirect measure of nationalization or expropriation or any other measure having a similar nature or similar effect against investments made in its territory by investors of the other Contracting Party, unless … Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/netherlands_argentina.pdf. 281 Siehe dazu näher unter S. 297 ff. 282 US Modell BIT 2004 Article 6: Expropriation and Compensation 1. Neither Party may expropriate or nationalize a covered investment either directly or indirectly through measures equivalent to expropriation or nationalization (“expropriation”), except: …

B. Die Enteignung

263

___________ Annex B Expropriation 1. Article 6 [Expropriation and Compensation] (1) is intended to reflect customary international law concerning the obligation of States with respect to expropriation. … 4. The second situation addressed by Article 6 [Expropriation and Compensation] (1) is indirect expropriation, where an action or series of actions by a Party has an effect equivalent to direct expropriation without formal transfer of title or outright seizure. (a) the determination of whether an action or series of actions by a Party, in a specific fact situation, constitutes an indirect expropriation, requires a case-by-case, fact based inquiry that considers, among other factors: (i) the economic impact of the government action, although the fact that an action or series of actions by a Party has an adverse effect on the economic value of an investment, standing alone, does not establish that an indirect expropriation has occurred; (ii) the extent to which the government action interferes with distinct, reasonable investment-backed expectations; and (iii) the character of the government action. (b) Except in rare circumstances, non-discriminatory regulatory actions by a Party that are designed and applied to protect legitimate public welfare objectives, such as public health, safety, and the environment, do not constitute indirect expropriations. Quelle: http://www.state.gov/documents/organization/38710.pdf. Canada Modell BIT (FIPA) Article 13 Expropriation 1. Neither Party shall nationalize or expropriate a covered investment either directly, or indirectly through measures having an effect equivalent to nationalization or expropriation (hereinafter referred to as “expropriation”), except for …. Annex B.13(1) Expropriation The Parties confirm their shared understanding that a) Indirect expropriation results from a measure or series of measures of a Party that have an effect equivalent to direct expropriation without formal transfer of title or outright seizure; b) The determination of whether a measure or series of measures of a Party constitute an indirect expropriation requires a case-by-case, fact-based inquiry that considers, among other factors: i) the economic impact of the measure or series of measures, although the sole fact that a measure or series of measures of a Party has an adverse effect on the economic value of an investment does not establish that an indirect expropriation has occurred; ii) the extent to which the measure or series of measures interfere with distinct, reasonable investment-backed expectations; and iii) the character of the measure or series of measures; c) Except in rare circumstances, such as when a measure or series of measures are so severe in the light of their purpose that they cannot be reasonably viewed as having been adopted and applied in good faith, non-discriminatory measures of a Party that are designed and applied to protect legitimate public welfare objectives,

264

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

und FTAs.283 In deren Annexen sind erstens Aussagen dazu enthalten, nach welchen Kriterien entschieden werden soll, wann eine indirekte Enteignung vorliegt; zweitens sehen die entsprechenden Normen in den Annexen vor, dass regulative Tätigkeiten im Allgemeinen nicht als indirekte Enteignung anzusehen sind.284 Gemäß der Regelung in diesen Modell-BITs ist in einer Einzellfallprüfung zu ermitteln, ob eine indirekte Enteignung vorliegt. Die ökonomischen Auswirkungen auf den wirtschaftlichen Wert der Investition sind zu berücksichtigen. Ein Wertverlust allein kann aber noch nicht zur Annahme einer Enteignung führen. Daneben ist noch zu berücksichtigen, inwieweit in berechtigte Erwartungen eingegriffen wurde, und ob ein regulativer oder ein physischer Eingriff vorliegt. Weiters ist vorgesehen, dass regulative, nicht diskriminierende Maßnahmen, wenn sie bestimmte Kriterien erfüllen, nur unter außergewöhnlichen Umständen als indirekte Enteignung anzusehen sind. Diese Kriterien erfordern, dass die Maßnahmen eingeführt worden sind, um legitime öffentliche Interessen, wie Gesundheit, Sicherheit oder die Umwelt zu schützen, und bona fide angewandt worden sind.

___________ such as health, safety and the environment, do not constitute indirect expropriation. Quelle: http://www.dfait-maeci.gc.ca/tna-nac/documents/2004-FIPA-model-en.pdf. 283 US – Chile Free Trade Agreement, Annex 10-D zu Article 10.9(1), Quelle: http://www.ustr.gov/Trade_Agreements/Bilateral/Chile_FTA/Section_Index. html. US – Singapur Exchange of Letters, Quelle: http://www.ustr.gov/assets/Trade_Agree ments/Bilateral/Singapore_FTA/Final_Texts/asset_upload_file58_4058.pdf. US – Marokko Free Trade Agreement Annex 10B, Quelle: http://www.ustr.gov/ assets/Trade_Agreements/Bilateral/Morocco_FTA/FInal_Text/asset_upload_file651_38 38.pdf. US – Australia Free Trade Agreement, Quelle: http://www.ustr.gov/assets/Trade_Agr eements/Bilateral/Australia_FTA/Final_Text/asset_upload_file248_5155.pdf. Central America – Dominican Republic – United States Free Trade Agreement, (signiert am 5. August 2004), http://www.ustr.gov/assets/Trade_Agreements/ Bilateral/CAFTA/CAFTA-DRFinal_ Texts/asset_upload_file328_4718.pdf. US – Uruguay BIT (signiert im November 2005), Quelle: http://www.unctad.org/ sections/dite/iia/docs/bits/US_Uruguay.pdf. 284 Siehe dazu zu Recht kritisch: S. M. Schwebel, The United States 2004 Model Bilateral Investment Treaty: An Exercise in the Regressive Development of International Law, in: G. Asken/K-H. Böckstiegel/M. J. Mustill/P. M. Patocchi/A. M. Whitesell (Hrsg.) Global Reflections on International Law, Commerce and Dispute Resolution, Liber Amicorum in honour of Robert Briner, 2005, S. 815 ff.

B. Die Enteignung

265

Im Annex zum kanadischen Modell-BIT werden dazu noch nähere Ausführungen gemacht. Derartige außergewöhnliche Umstände lägen dann vor, wenn eine Maßnahme im Hinblick auf ihren Zweck so schwerwiegend sei, dass sie vernünftigerweise nicht als bona fide eingeführt oder angewandt angesehen werden können. Die Abgrenzungskriterien der Modell-BITs285 spiegeln im Wesentlichen die drei Faktoren wider, die der US Supreme Court in seiner „regulatory taking Judikatur“ insbesondere in Penn Central Transportation Co. v. New York City286 entwickelt hat. Die Kriterien dienen zur Abgrenzung zulässiger Eingriffe von indirekten Enteignungen.287 Justice Brennan, der das Urteil verfasste, führte dort aus: In engaging in these essentially ad hoc, factual inquiries, the Court’s decisions have identified several factors that have particular significance. The economic impact of the regulation on the claimant and, particularly, the extent to which the regulation has interfered with distinct investment-backed expectations are, of course, relevant considerations. See Goldblatt v. Hempstead, supra, at 549. So, too, is the character of the governmental action. A „taking“ may more readily be found when the interference with property can be characterized as a physical invasion by government, see, e.g., United States v. Causby, 328 US 256 (1946), than when interference arises from some public program adjusting the benefits and burdens of economic life to promote the common good.

Die folgende Skizze soll die Übernahme der Kriterien aus dem Urteil im Fall Penn Central Transportation Co. v. New York City in die Modell-BITs illustrieren:

___________ 285

Absatz 4(a) des Annex B des US Modell BITs und Annex B.13(1) des kanadischen Modell BIT. 286 US Supreme Court, Urteil vom 26. Juni 1978, Penn Central Transportation Co. v. New York City, 438 U.S. 104 (1978). 287 Zur US Supreme Court Judikatur zu regulatory takings siehe z.B.: J. L. Sax, Takings and the Police Power, 74 Yale L.J. 1964, 36–76; S. Rose-Ackerman/J. Rossi, Disentangling Deregulatory Takings, 86 Virginia Law Review 2000, 1435–1495; J. A. Stanley, Keeping Big Brother out of our Backyard: Regulatory Takings as Defined in International Law and Compared to American Fifth Amendment Jurisprudence, 15 Emory International Law Review 2001, 349–389.

266

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

Abbildung 6: Übernahme der Kriterien aus dem Urteil im Fall Penn Central Transportation Co. v. New York City in die Modell-BITs der USA und Kanadas

Nicht explizit im Urteil findet sich die Regelung, wonach nicht diskriminierende regulative Eingriffe, welche im öffentlichen Interesse erfolgen, gewöhnlich keine indirekte Enteignung darstellen. Sie ist jedoch in Absatz 4(c) des Annex B des US Modell-BITs und in Annex B.13(1)c des kanadischen ModellBITs enthalten. Die Bestimmungen in den beiden Modell-BITs stellen im Vergleich zu den sonst in bi- und multilateralen Investitionsschutzverträgen vorkommenden Normen eine erhebliche Einschränkung des Anwendungsbereichs des Enteignungstatbestandes dar. Das US Modell-BIT enthält keinerlei Hinweise darauf, was die außergewöhnlichen Umstände sein können. Die Bestimmungen in beiden Modell-BITs Normen laufen in irgendeiner Form auf eine Verhältnismäßigkeitsprüfung hinaus, jedoch fehlen genaue Parameter. Das kanadische Modell-BIT indiziert aufgrund seiner Formulierung eine Verhältnismäßigkeitsprüfung noch deutlicher als das US Modell-BIT. … when a measure or series of measures are so severe in the light of their purpose that they cannot be reasonably viewed as having been adopted and applied in good faith …288

___________ 288

Annex B.13(1)c des kanadischen Modell BIT, Quelle: http://www.dfait-maeci. gc.ca/tna-nac/documents/2004-FIPA-model-en.pdf.

B. Die Enteignung

267

Dies deutet an, dass im Fall eines unverhältnismäßigen Eingriffs die Maßnahme als nicht bona fide angewandt zu werten ist. Jedoch wird bei dieser Lösung die Verhältnismäßigkeitsprüfung bereits auf der Eingriffsebene vorgenommen. Sie ändert daher nichts an der „Alles-oderNichts“-Lösung für den Staat oder den Investor. Das heißt, es gibt nur zwei mögliche Antworten: entweder es liegt eine Enteignung mit voller Entschädigungspflicht vor oder es existiert keine Enteignung und somit auch keinerlei Entschädigungspflicht. Eine Verhältnismäßigkeitsprüfung, welche die Höhe der Entschädigung mit einbezieht, wird nicht vorgenommen. Eine solche Vorgangsweise führt aber zu einer massiven Einschränkung des Schutzes vor indirekten Enteignungen. Dies deshalb, weil regulative Eingriffe im öffentlichen Interesse, selbst wenn sie so schwerwiegend sind, dass sie die wirtschaftliche Nutzungsmöglichkeit der Investition vernichten, in der Regel nicht als Enteignung zu werten sind. Das neue Modell zieht die Kriterien, die bisher verwendet wurden, um die Legalität einer Enteignung zu überprüfen, heran, um festzustellen, ob überhaupt eine Enteignung vorliegt. Bisher dienten diese Kriterien lediglich dazu, festzustellen, welche Art von Ersatz (Entschädigung oder Schadenersatz) der Staat zu leisten hat. Nunmehr werden sie verwendet, um zu entscheiden, ob überhaupt ein Ersatz für den Eigentumseingriff zu leisten ist. (Siehe Abbildung 7). Das neue Modell schränkt den Tatbestand der indirekten Enteignung im Vergleich zum bisherigen somit erheblich ein. Jede regulative, nicht diskriminierende, im öffentlichen Interesse ergriffene Maßnahme, die unter Einhaltung eines rechtsstaatlichen Verfahrens ergriffen wird, ist außer unter außergewöhnlichen Umständen keine Enteignung. Wie weitgehend die Einschränkung in der Praxis sein wird, hängt von der Interpretation des Begriffes „außergewöhnliche Umstände“ ab. Die Einschränkung wird desto schwerwiegender, je restriktiver der Tatbestand „außergewöhnliche Umstände“ von den Schiedsgerichten ausgelegt werden wird. Bisher wurde noch kein Fall aufgrund derartiger BITs anhängig gemacht. Inwieweit diese neuen vertraglichen Entwicklungen dennoch bereits ihren Niederschlag in der Judikatur von Schiedsgerichten gefunden haben, wird in der Folge analysiert.

268

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

BISHERIGE „Alles-oder-Nichts“Lösung

US/Kanada Modell-BIT „Allesoder-Nichts“- Lösung

Die Kriterien für die Legalität (öffentliches Interesse, Nichtdiskriminierung, rechtsstaatliches Verfahren, Entschädigung) sind für das Vorliegen einer Enteignung unerheblich. Sie entscheiden nur darüber, welche Form der Ersatzleistung (Schadenersatz oder Entschädigung) der Investor bekommt.

Die Kriterien, ob ein regulativer Eingriff im öffentlichen Interesse, nicht diskriminierend und in einem rechtsstaatlichen Verfahren erfolgt ist, entscheiden bereits darüber, ob eine Enteignung vorliegt. Das heißt sie sind entscheidend dafür, ob der Investor überhaupt eine Ersatzleistung bekommt.

Eigentumseingriff

Eigentumseingriff

Auswirkung: „substantial deprivation“

Auswirkung: „substantial deprivation“ Ja

Zusatzkriterien Ja

Nein

Nein Enteignung

keine Enteignung

Legalität

rechtswidrige Enteignung

Entschädigung

Schadenersatz

Alles

Enteignung

keine Enteignung

- im öffentl. Interesse - nicht diskriminierend - rechtstaatl. Verfahren - Entschädigung

Nein

rechtmäßige Enteignung

Ja

Legalität

- im öffentl. Interesse - nicht diskriminierend - rechtstaatl. Verfahren - Entschädigung Ja

Nein

- im öffentlichen Interesse - nicht diskriminierend - rechtsstaatliches Verfahren - keine außergewöhnlichen Umstände

Ja

keinerlei Entschädigungsleistung

Nichts

Nein

rechtmäßige Enteignung

rechtswidrige Enteignung

Entschädigung

Schadenersatz

Alles

keinerlei Entschädigungsleistung

Nichts

Abbildung 7: Gegenüberstellung der bisherigen Vorgangsweise zur Feststellung, ob für einen Eigentumseingriff zu entschädigen ist mit jener nach dem US und Kanada Modell-BITs

B. Die Enteignung

269

In jedem Fall ist offenkundig, dass ein Interesse der USA und Kanadas besteht, mehr regulativen Spielraum zu haben, ohne entschädigungspflichtig zu werden. Wichtig erscheint noch, dass in Absatz 1 des Annex B des US Modell-BIT darauf hingewiesen wird, dass die Parteien davon ausgehen, dass es sich bei dieser Regelung um Völkergewohnheitsrecht handelt. Das kanadische ModellBIT enthält einen derartigen Verweis auf Völkergewohnheitsrecht nicht. Woraus die Autoren des US Modell-BIT schließen, dass es sich bei der Regelung der indirekten Enteignung und vor allem der „regulatory takings“289, die sich von allen bisherigen BITs deutlich unterscheidet, um Völkergewohnheitsrecht handelt, ist unklar. Es ist äußerst fraglich, ob es überhaupt Übereinstimmung unter den Staaten über den aktuellen Stand des Gewohnheitsrechts zu diesem Punkt gibt.290 Wenn, dann könnte man diese am ehesten in den übereinstimmenden Formulierungen der Investitionsschutzverträge erkennen, die weltweit sowohl zwischen Kapitalgeber- und Kapitalempfängerstaaten als auch innerhalb der Gruppe der Kapitalempfängerstaaten abgeschlossen wurden. In diesem Sinne hat Schwebel darauf hingewiesen, dass die übereinstimmenden Formulierungen in etwa 2200 Investitionsschutzverträgen das Völkergewohnheitsrecht hinsichtlich der Schutzstandards und der Regelungen bei Entzug von Eigentum geformt hätten.291 Demzufolge erscheint es schwierig, die in den Annexen der neuen Modell-BITs enthaltenen Klauseln, die sowohl von jenen des alten US Modell-BITs aus 1994 als auch von den BITs anderer Staaten erheblich abweichen, als Ausdruck des Völkergewohnheitsrechts zu bezeichnen.292 Vielmehr dürfte es sich um einen Versuch handeln, vom Gewohnheitsrecht abzuweichen.

___________ 289

Siehe dazu näher, S. 288 ff. So führt unter anderem Schwebel an, dass der Inhalt des gewohnheitsrechtlichen Eigentumsschutzes umstritten sei. S. M. Schwebel, The United States 2004 Model Bilateral Investment Treaty: An Exercise in the Regressive Development of International Law, in: G. Asken/K-H. Böckstiegel/M. J. Mustill/P. M. Patocchi/A. M. Whitesell (Hrsg.) Global Reflections on International Law, Commerce and Dispute Resolution, Liber Amicorum in honour of Robert Briner, 2005, S. 821. 291 Siehe z.B.: S. M. Schwebel, loc.cit., S. 817. 292 Auch innerhalb des US Subcommittee on Investment wurde von den Vertretern der Investoren die Meinung vertreten, dass das neue Modell BIT hinter dem Völkergewohnheitsrecht zurückbleibt. Siehe dazu: Report of the Subcommittee on Investment Regarding the Draft Model Bilateral Investment Treaty, Presented To: The Advisory Committee on International Economic Policy, 30 January 2004, Quelle: http://www. ciel.org/Publications/BIT_Subcmte_Jan3004.pdf. 290

270

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

Ebenfalls eine restriktive Klausel im Hinblick auf regulative Enteignungen enthält die MIGA-Konvention aus 1985 (Multilateral Investment Guarantee Agency – MIGA).293 Die MIGA gehört zur Weltbankgruppe. Ihre Aufgabe ist es, ausländische Direktinvestitionen in Entwicklungsländern zu fördern, indem sie Garantien in der Form von Versicherungsverträgen gegen nicht kommerzielle Risiken, wie beispielsweise Enteignungen, anbietet. Die MIGA ist als Ergänzung zu Investitionsschutzabkommen gedacht. Im Bezug auf Enteignungen sieht Art. 11(a)(ii) der MIGA-Konvention keine Deckung für Verluste vor, die durch nicht diskriminierende Maßnahmen, die im Rahmen einer üblichen, wirtschaftsregulierenden Tätigkeit der Staaten ergriffen werden, hervorgerufen sind. Art. 11(a)(ii) sieht Versicherungsschutz vor für u.a.: (ii) Expropriation and Similar Measures any legislative action or administrative action or omission attributable to the host government which has the effect of depriving the holder of a guarantee of his ownership or control of, or a substantial benefit from, his investment, with the exception of non-discriminatory measures of general application which the governments normally take for the purpose of regulating economic activity in their territories;

Der Online-Kommentar294 auf der Weltbankseite spezifiziert näher, dass unter den regulierenden Maßnahmen solche im Bereich Steuern, Umweltschutz, Arbeitsrecht sowie Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung zu verstehen seien. Der Kommentar schränkt aber ausdrücklich ein, dass durch die Konvention und die Auslegungspraxis keine Einschränkung der ___________ 293

Siehe dazu z.B.: H. Rindler, The Multilateral Investment Guarantee Agency (MIGA): Should Austria Accede?, 2 ARIEL 1997, 69–105; C. T. Ebenroth/J. Karl, Die Multilaterale Investitions-Garantie-Agentur: Kommentar zum MIGA-Übereinkommen, 1989; I.F. I. Shihata, Miga and Foreign Investment: Origins, Operations, Policies and Basic Documents of the Multilateral Investment Guarantee Agency, 1988. 294 Weltbank Online Kommentar zur MIGA Konvention, Commentary on the Convention Establishing the Multilateral Investment Guarantee Agency 14. Article11 (a)(ii) defines the expropriation risk. It would encompass measures attributable to the host government such as nationalization, confiscation, sequestration, seizure, attachment and freezing of assets. The phrase “any legislative or administration action” in the provision includes measures by the executive, but not measures taken by judicial bodies in the exercise of their functions. Measures normally taken by governments to regulate their economic activities such as taxation, environmental and labor legislation as well as normal measures for the maintenance of public safety, are not intended to be covered by this provision unless they discriminate against the holder of the guarantee. In defining these measures, the Agency’s practice would not be meant to prejudice the rights of a member country or of investors under bilateral investment treaties, other treaties and international law. Quelle: http://www.miga.org/sitelevel2/level2.cfm?id=1139#3.

B. Die Enteignung

271

Rechte der Staaten oder der Investoren im Hinblick auf BITs sonstige Verträge und das Völkerrecht bewirkt werden solle. Auch diese Versicherungsklausel zu Enteignungen in der MIGA-Konvention ist ein Beispiel dafür, dass die Staaten eine gewisse Tendenz haben, für regulative Eingriffe nur in beschränktem Umfang Entschädigungsleistungen vorzusehen. Die Konvention stellt zwar grundsätzlich auf die Auswirkungen der Eingriffe ab, sieht aber bei bestimmten regulativen Eingriffen trotz Totalentzug der Investition keine Versicherungsdeckung vor. Im Kommentar wird ausdrücklich erwähnt, dass die Konvention zu keiner Rechtsabänderung von BITs oder von Völkergewohnheitsrecht führen soll. Damit ist unbestritten, dass das Verbot der entschädigungslosen Enteignung nicht nur formelle, sondern auch indirekte Enteignungen umfasst. Dies gilt sowohl für das Völkergewohnheitsrecht295 als auch für die einschlägigen völkerrechtlichen Verträge. Der Umfang, in dem indirekte Eingriffe von den Investitionsschutzverträgen erfasst sind, ist jedoch aufgrund der jüngsten Entwicklungen nicht mehr homogen. Aus den jüngsten Modell-BITs der USA und Kanadas sowie der MIGA-Regelung wird deutlich, dass ein Bedarf nach mehr staatlichem Spielraum im Bereich der regulierenden, staatlichen Eingriffe besteht. Dies zeigt sich in einem restriktiveren Schutz für indirekte Enteignungen in den jüngsten Modell-BITs der USA und Kanadas. Der Niederschlag, den diese Entwicklung in der Judikatur der Schiedsgerichte gefunden hat, wenngleich noch nicht aufgrund der neuen BITs, wird in der Folge erörtert.296 Die in den Annexen zu den Modell-BITs enthaltenen Klauseln beinhalten etliche auslegungsbedürftige Parameter und legen die Durchführung einer Verhältnismäßigkeitsprüfung bei der Eingriffsüberprüfung nahe. Damit schränken sie den bisherigen Schutzbereich ein, ändern aber nichts am „Alles-oderNichts“-System des Eigentumsschutzes im Investitionsrecht.

___________ 295 Restatement (Third) of the Foreign Relations Law of the United States, § 712 (1) (1986) A State is responsible under international law for injury resulting from: (1) a taking by the state of the property of a national of another state [...]” According to Comment g on this § “Subsection (1) applies not only to avowed expropriations in which the government formally takes title to property, but also to other actions of the government that have the effect of “taking” the property, in whole or in large part, outright or in stages (“creeping expropriation”). 296 Siehe dazu: MethanexCorp. v. USA, (NAFTA), Final Award, 3 August 2005, http://ita.law.uvic.ca/documents/MethanexFinalAward.pdf; Saluka Investments BV v. Czech Republic, (Dutch/Czech BIT), Partial Award, 17 March 2006, http://ita.law.uvic. ca/documents/Saluka-PartialawardFinal.pdf.

272

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

Vor diesem normativen Hintergrund bleibt es bei den allermeisten BITs und multilateralen Verträgen den einzelnen Schiedsgerichten überlassen, festzulegen, wann eine Enteignung vorliegt.297 Aber auch in jenen BITs, welche die oben genannten Einschränkungen hinsichtlich des Vorliegens einer indirekten Enteignung enthalten, besteht noch erheblicher Auslegungsbedarf, ehe eine gewisse Vorhersehbarkeit dessen, was unter indirekter Enteignung zu subsumieren ist, gegeben ist.

c) Die indirekte Enteignung in der Judikatur Bereits bevor bi- oder multilaterale Verträge auf indirekte Enteignungen ausdrücklich Bezug nahmen, machte der Ständige Internationale Gerichtshof im Fall German Interests in Polish Upper Silesia298 hinsichtlich der Rechtsfolgen keinen Unterschied zwischen einer indirekten und einer formellen Enteignung. Er stellte fest, dass die Enteignung der Chorzów-Fabrik zugleich auch eine indirekte Enteignung der Patente und Verträge (Managementrechte) sei, welche die „Bayrische“, ein davon getrenntes Unternehmen, innehatte. Jüngere Schiedssprüche gehen alle davon aus, dass indirekte Enteignungen und Maßnahmen mit gleicher Wirkung vom Eigentumsschutz in bi- und multilateralen Investitionsschutzabkommen erfasst sind. Dies geschah – wie die im Folgenden angeführten Fälle zeigen – unabhängig davon, ob die Schiedsgerichte aufgrund von „investment agreements“, nationalen Investitionsschutzgesetzen, BITs oder regionaler Investitionsschutzabkommen tätig wurden. So sah in Biloune v. Ghana299 ein Schiedsgericht, das aufgrund der Schiedsklausel in einem „investment agreement“ angerufen wurde, eine Reihe staatlicher Maßnahmen als indirekte Enteignung der vertraglichen Rechte am Projekt an. Der Fall betraf ein Hotelprojekt in Ghana, das auf Basis eines Investitionsschutzvertrages durch das lokale Tochterunternehmen MDCL verwirklicht werden sollte. Das Projekt war bereits in einem fortgeschrittenen Stadium, als die Behörden die Einstellung des Projekts anordneten, einen Teil davon zerstörten und den Investor zunächst verhafteten und in der Folge auswiesen. Das Schiedsgericht sah diesen Eingriff aufgrund der faktischen Unmöglichkeit, das ___________ 297 Kritisch zu den in diesem Punkt zu wenig präzisen Vertragstexten auch R. Dolzer, Indirect Expropriation of Alien Property, 1 ICSID Review-Foreign Investment Law Journal (1986) 41, S. 55 f. 298 PCIJ, Germany v. Poland (Factory at Chorzów), Urteil vom 15. Mai 1926, PCIJ Ser. A, No. 7 (1926), S. 44. 299 Biloune and Marine Drive Complex Ltd. v. Ghana Investments Centre and the Government of Ghana, (Investment Agreement), Award, 27 October 1989, 95 ILR 183.

B. Die Enteignung

273

Projekt fortzusetzen, als indirekte Enteignung der vertraglichen Rechte am Projekt an. Es führte Folgendes aus: Given the central role of Mr Biloune in promoting, financing and managing MDCL, his expulsion from the country effectively prevented MDCL from further pursuing the project. In the view of the Tribunal, such prevention of MDCL from pursuing its approved project would constitute constructive expropriation of MDCL’s contractual rights in the project and, accordingly, the expropriation of the value of Mr Biloune’s interest in MDCL …300

Im Fall Southern Pacific Properties (SPP) v. Egypt301 war ein Schiedsgericht aufgrund des ägyptischen Investitionsschutzgesetzes zuständig, den Fall zu entscheiden. Die ägyptische Tourismus- und Hotelorganisation EGOTH hatte mit SPP ein Joint Venture (ETDC) zur Errichtung und zum Betrieb von Hotelbauten (unter anderem am Pyramidenplateau in Kairo) gegründet. EGOTH brachte sein Fruchtgenussrecht am Grundstück ein, SPP Kapital. Im Juli 1977 war Baubeginn, 1978 wurde aufgrund politischer Opposition das Projekt gestoppt. Das Land wurde mit Dekret zu öffentlichem Eigentum gemacht, begründet wurde dies mit der Gefahr für verborgene antike Bodenschätze. Die zuständige Behörde entzog dem Projekt die Genehmigung. Auf Antrag von EGOTH wurde ETDC unter juristische Treuhandschaft gestellt. SPP wurden durch diese Vorgangsweise die vertraglichen Rechte, die SPP als Anteilseigner an ETDC hatte, indirekt entzogen. Das Argument der Beklagten, wonach die Einstellung des Projekts keine Enteignung sei, wurde vom Schiedsgericht nicht akzeptiert. Dieses stellte unter Berufung auf den Fall Certain German Interests in Polish Upper Silesia fest, dass vertragliche Ansprüche auch indirekt enteignet werden können und in diesem Fall wurden: Moreover, it has long been recognized that contractual rights may be indirectly expropriated.302

In Tecmed v. Mexico303 wurde ein Schiedsgericht aufgrund des bilateralen Investitionsschutzabkommens zwischen Mexiko und Spanien tätig. Das Schiedsgericht stellte aufgrund der Verweigerung der Verlängerung einer Betriebsgenehmigung einer Mülldeponie eine Verletzung von Artikel 5 des Investitionsschutzabkommens zwischen Mexiko und Spanien fest, der Investoren vor entschädigungslosen Enteignungen und Maßnahmen gleicher Wirkung schützen sollte. Das Schiedsgericht führte dazu aus: ___________ 300

Ibid., S. 209. Southern Pacific Properties (Middle East) Limited (SPP) v. Arab Republic of Egypt, (National Law), Award, 20 May 1992, 3 ICSID Reports 189. 302 Ibid., § 165. 303 Técnicas Medioambientales Tecmed, S. A. v. United Mexican States, (Spain/Mexico BIT), Award, 29 May 2003, 10 ICSID Reports 134. 301

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2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

The Agreement does not define the term “expropriation”, nor does it establish the measures, actions or behaviours that would be equivalent to an expropriation or that would have similar characteristics. Although formally an expropriation means a forcible taking by the Government of tangible or intangible property owned by private persons by means of administrative or legislative action to that effect, the term also covers a number of situations defined as de facto expropriation, where such actions or laws transfer assets to third parties different from the expropriating State or where such laws or actions deprive persons of their ownership over such assets, without allocating such assets to third parties or to the Government.304 Generally, it is understood that the term “…equivalent to expropriation…” or “tantamount to expropriation” included in the Agreement and in other international treaties related to the protection of foreign investors refers to the so-called “indirect expropriation” or “creeping expropriation”, as well as to the above-mentioned de facto expropriation. Although these forms of expropriation do not have a clear or unequivocal definition, it is generally understood that they materialize through actions or conduct, which do not explicitly express the purpose of depriving one of rights or assets, but actually have that effect.305

Im Fall Metalclad v. Mexico306 wurde das Schiedsgericht aufgrund des NAFTA-Vertrages tätig. Der Kläger hatte von der mexikanischen Bundesregierung die Zusicherung erhalten, dass für das Projekt einer Müllbeseitigungsanlage alle erforderlichen Bewilligungen vorlägen. In der Folge verweigerten die lokalen Behörden die Erteilung einer Baugenehmigung. Zudem erklärte die Provinzregierung das betroffene Grundstück zum Teil eines nationalen Schutzgebiets zur Erhaltung einer seltenen Kakteenart. Das Schiedsgericht stellte fest, dass eine indirekte Enteignung vorliege: Thus, expropriation under NAFTA includes not only open, deliberate and acknowledged takings of property, such as outright seizure or formal or obligatory transfer of title in favor of the host State, but also covert or incidental interference with the use of property which has the effect of depriving the owner, in whole or in significant part, of the use or reasonably-to-be expected economic benefit of property even if not necessarily to the obvious benefit of the host State.307

Auch in der umfangreichen Judikatur des IUSCT finden sich zahlreiche Bestätigungen des Konzepts der indirekten Enteignung.308 Die Schiedsgerichte ___________ 304

Ibid., § 113. Ibid., § 114. 306 Metalclad Corp. v. United Mexican States, (NAFTA), Award, 30 August 2000, 5 ICSID Reports 212. 307 Ibid., § 103. 308 Siehe dazu z.B.: IUSCT, Tippetts, Abbett, McCarthy, Stratton v. TAMS-AFFA Consulting Engineers of Iran, Award No. 141-7-2, 29 June 1984, 6 IUSCTR 219. In Tippetts unterhielt die klagende Partei eine Partnerschaft mit einem iranischen Ingenieurbüro. Nach der Revolution setzte die Regierung einen neuen Manager für die Partnerschaft ein. Die Klägerin sah darin eine Maßnahme mit enteignungsgleicher Wirkung. Das IUSCT hielt im Hinblick auf indirekte Enteignungen fest: 305

B. Die Enteignung

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stellten, wie dies auch der EGMR konsequent macht, nicht auf den formellen Titeltransfer von Eigentum ab, sondern schauten hinter die Kulissen und analysierten die tatsächlich vorliegenden Eingriffssituationen. Diese Vorgangsweise der Schiedsgerichte wird von der Lehre geteilt.309 ___________ A deprivation or taking of property may occur under international law through interference by a state in the use of that property or with the enjoyment of its benefits, even where legal title to the property is not affected. (S. 225). In Starrett Housing Corp. v. Government of the Islamic Republic of Iran (IUSCT, Starrett Housing Corp. v. Government of the Islamic Republic of Iran, Award No. ITL 32-24-1, 19 December 1983, 4 IUSCTR 122) hatte das IUSCT ebenfalls darüber zu befinden, ob die Einsetzung eines temporären Managers eine indirekte Enteignung der Investition mit sich bringe, und stellte dazu fest: […] it is recognized in international law that measures taken by a State can interfere with property rights to such an extent that these rights are rendered so useless that they must be deemed to have been expropriated, even though the State does not purport to have expropriated them and the legal title to the property formally remains with the original owner. (S. 154). Siehe dazu auch: M. Pellonpää, Compensable Claims before the Tribunal: Expropriation Claims in: R. B. Lillich/D. B. Magraw (Hrsg.), The Iran-United States Claims Tribunal: Its Contribution to the Law of State Responsibility, 1998, S. 226 ff.; C. N. Brower/J. D. Brueschke, The Iran-United States Claims Tribunal, 1998, S. 377; H. Aldrich, What Constitutes a Compensable Taking of Property? The decisions of the Iran-United States Claims Tribunal, 88 AJIL 1994, 585, S. 588 ff.; M. Pellonpää/M. Fitzmaurice, Taking of Property in the Practice of the Iran-United States Claims Tribunal, 19 NYIL 1988, 53, S. 85 ff. 309 Siehe z.B.: Reisman und Sloane (W. M. Reisman/R. D. Sloane, Indirect Expropriation and its Valuation in the BIT Generation, 74 BYIL 2003, S. 115 ff.): In short, international tribunals, jurists, and scholars have consistently appreciated that states may accomplish expropriation in ways other than by formal decree; indeed, often in ways that may seek to cloak expropriatory conduct with a veneer of legitimacy. For this reason, tribunals have increasingly accepted that expropriation must be analyzed in consequential rather than formal terms. What matters is the effect of governmental conduct – whether malfeasance, misfeasance or nonfeasance, or some combination of the three – on foreign property rights or control over an investment, not whether the state promulgates a formal decree or otherwise expressly proclaims its intent to expropriate. For purposes of state responsibility and the obligation to make adequate reparation,international law does not distinguish indirect from direct expropriations. (S. 121). Zustimmend auch Schreuer (C. Schreuer, The Concept of Expropriation under the ETC and other Investment Protection Treaties, in: C. Ribeiro (Hrsg.), Investment Arbitration and the Energy Charter Treaty, 2006, 108, S. 125). Siehe ferner z.B.: R. Dolzer, Indirect Expropriations: New Developments?, 11 N.Y.U. Environmental Law Journal, 2003, 64–93; T. Waelde/A. Kolo, Environmental Regulation, Investment Protection and ‚Regulatory Taking’ in International Law, 50 ICLQ 2001, 811–848; R. Dolzer/F. Bloch, Indirect Expropriation: Conceptual Realignments ?, 5 International FORUM de droit international, 2003, 155–165; L. Y. Fortier/S. L. Drymer, Indirect Expropriation in the Law of International Investment: I Know It When I See It, or Caveat Investor, 19 ICSID Review, Foreign Investment Law Journal 2004, 293-327.

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2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

aa) „Measures having equivalent effect to expropriation“ und „measures tantamount to expropriation“ In den Verträgen werden, wie bereits angeführt, häufig zusätzlich zur direkten und indirekten Enteignung auch noch entweder „measures having equivalent effect to expropriation“310, „measures having similar effects“311, „any other measures the effects of which would be tantamount to expropriation“312, „measures tantamount to expropriation“313 oder ähnliche Formulierungen angefügt.314/315 In der Folge wird analysiert, ob der Tatbestand der indirekten Enteignung, wie verschiedentlich von Klägern behauptet, durch die Hinzufügung einer dieser Formulierungen in den Verträgen eine Erweiterung erfahren hat. In manchen Verträgen weist bereits der Text darauf hin, dass „measures tantamount to expropriation“ dem Tatbestand der indirekten Enteignungen zuzurechnen sind. So lautet etwa die Formulierung in Artikel III des BIT zwischen den USA und Azerbaijan:

___________ 310 Siehe z.B.: Art 7 BIT Jordanien – Singapur vom 16. Mai 2004, Quelle: http:// www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/Singapore_Jordan.pdf. 311 Siehe z.B.: Art VI BIT Norwegen – Ungarn, undatiert, Quelle: http://www. unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/hungary_norway.pdf. 312 Siehe z.B.: Art 4 BIT Deutschland – Thailand vom 24. Juni 2002, Quelle: http:// www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/germany_thailand.pdf. 313 Siehe z.B.: Art III BIT USA – Honduras vom 1. Juli 1995, Quelle: http://www. unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/us_honduras.pdf. 314 Siehe dazu auch G. Sacerdoti, Bilateral Treaties and Multilateral Instruments on Investment Protection, 269 RdC, 255, S. 385 f.; Y. Nouvel, Les mesures équivalent à une expropriation dans la pratique récente des tribunaux arbitraux, 106 RGDIP 2002, 79. 315 Artikel 1110 NAFTA erwähnt neben der indirekten Enteignung und Nationalisierung auch „Maßnahmen, die einer Enteignung oder Nationalisierung gleichkommen“: No Party may directly or indirectly nationalize or expropriate an investment of an investor of another Party in its territory or take a measure tantamount to nationalization or expropriation of such an investment (“expropriation”), except […] (Hervorhebung durch die Autorin). Art 13 Energy Charter Treaty (Annex 1 to the Final Act of the European Energy Charter Treaty Conference, 17 December 1994, 34 ILM 381 (1995)) enthält folgende Formulierung: (1) Investments of Investors of a Contracting Party in the Area of any other Contracting Party shall not be nationalized, expropriated or subjected to a measure or measures having effect equivalent to nationalization or expropriation (hereinafter referred to as “Expropriation”) except where such Expropriation is: [...] (Hervorhebung durch die Autorin). In BITs kommen beide Typen vor.

B. Die Enteignung

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1. Neither Party shall expropriate or nationalize a covered investment either directly or indirectly through measures tantamount to expropriation or nationalization („expropriation“) …316

Die Parteien vereinbarten daher eindeutig, dass durch Maßnahmen mit enteignungsgleicher Wirkung der Tatbestand der indirekten Enteignung verwirklicht werde. In diesem Sinne betonte eine überwiegende Mehrheit der Schiedsgerichte, die mit dem Problem befasst waren, dass dieser Ausdruck den Enteignungstatbestand nicht erweitert.317 Das Schiedsgericht in Tecmed318 ging von einer funktionalen Äquivalenz dieser Eingriffsformen sowie der indirekten Enteignung aus, bei denen zwar keine ausdrückliche Enteignungsabsicht vorliegt, die aber die gleichen Auswirkungen, wie ein Entzug haben. Generally, it is understood that the term “… equivalent to expropriation …” or “tantamount to expropriation” included in the Agreement and in other international treaties related to the protection of foreign investors refers to the so-called “indirect expropriation” or “creeping expropriation”, as well as to the above-mentioned de facto expropriation.319

Vielfach lehnten die Schiedsgerichte eine Ausdehnung des Enteignungsbegriffs durch die Ausdrücke „measures tantamount to expropriation“/„measures having equivalent effect“ unter Hinweis auf eine Wortinterpretation ab. In diesem Sinne stützte sich das Schiedsgericht in Pope & Talbot v. Canada320 ausdrücklich auf die französische und spanische Fassung des Texts.321 Das Schiedsgericht in S.D. Myers v. Canada322 bestätigte diese Vorgangsweise und war ebenfalls der Meinung, dass das völkerrechtliche Enteignungskonzept durch die Verwendung der Worte „tantamount to expropriation“ keine Erweite___________ 316 Treaty between the Government of the United States of America and the Government of the Republic of Azerbaijan Concerning the Encouragement and Reciprocal Protection of Investment, 1. August 1997. Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/ iia/docs/bits/us_azerbaijan.pdf. (Hervorhebung durch die Autorin). 317 Siehe z.B.: Pope & Talbot v. Canada, (NAFTA), Interim Award, 26 June 2000, 7 ICSID Reports 69, § 96; S.D. Myers, Inc. v. Government of Canada, (NAFTA), First Partial Award, 13 November 2000, 8 ICSID Reports 18, § 285; Feldman v. Mexico, (NAFTA), Award, 16 December 2002, 7 ICSID Reports 341, § 100; Técnicas Medioambientales Tecmed, S. A. v. United Mexican States, (Spain/Mexico BIT), Award, 29 May 2003, 10 ICSID Reports 134, § 114. 318 Técnicas Medioambientales Tecmed, S. A. v. United Mexican States, (Spain/ Mexico BIT), Award, 29 May 2003, 10 ICSID Reports 134. Zum Sachverhalt siehe auch, S. 273, 351. 319 Ibid., § 114. 320 Pope & Talbot v. Canada, (NAFTA), Interim Award, 26 June 2000, 7 ICSID Reports 69. 321 Ibid., § 104. 322 S.D. Myers, Inc. v. Government of Canada, (NAFTA), First Partial Award, 13 November 2000, 8 ICSID Reports 18. Zum Sachverhalt siehe unten, S. 348.

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2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

rung erfahren habe. Es stützte seine Interpretation zusätzlich zum Verweis auf Pope & Talbot auf das Oxford English Dictionary und führte aus: The primary meaning of the word “tantamount” given by the Oxford English Dictionary is “equivalent”. Both words require a tribunal to look at the substance of what has occurred and not only at form. A tribunal should not be deterred by technical or facial considerations from reaching a conclusion that an expropriation or conduct tantamount to an expropriation has occurred. It must look at the real interests involved and the purpose and effect of the government measure.323

Das Schiedsgericht in Feldman v. Mexico324 führte zum Verhältnis einer indirekten Enteignung zu einer Maßnahme gleicher Wirkung aus, dass diese funktional gleichbedeutend seien: The Tribunal deems the scope of both expressions to be functionally equivalent.325

Das Schiedsgericht in Telenor Mobile Communications A.S. v. Hungary326 berief sich auf eine Reihe der angeführten Schiedssprüche und betonte, dass Formulierungen wie „equivalent to expropriation“ oder „tantamount to expropriation“ nicht zu einer Erweiterung des Eingriffstatbestandes führten. Sie dienten vielmehr dazu, klarzustellen, dass sowohl direkte als auch indirekte Enteignungen vom Eingriffsbegriff umfasst seien: Phrases such as “equivalent to expropriation” and “tantamount to expropriation” do not expand the concept of expropriation and are usually taken to indicate that the BIT covers indirect as well as direct expropriation, thus looking at the substance of the measures in question rather than the label attached to them by government, and the same is true of “measures having a similar effect”, …327

Lediglich das Schiedsgericht im Fall Waste Management v. Mexico328 sah in der Formulierung sehr wohl eine Ausweitung des Konzepts der indirekten Enteignung. Es führte zunächst an, dass Artikel 1110 zwischen direkten und indirekten Enteignungen auf der einen Seite und Maßnahmen mit enteignungsgleicher Wirkung auf der anderen Seite unterscheide. Die Differenz bestehe darin, dass bei den ersten beiden Gruppen nach Auffassung des Schiedsgerichts eine Wegnahme (taking) erfolge, während bei der zweiten Gruppe nur Auswirkungen auf das Eigentum vorliegen würden:

___________ 323

Ibid., § 285. Feldman v. Mexico, (NAFTA), Award, 16 December 2002, 7 ICSID Reports 341. 325 Ibid., § 100. 326 Telenor Mobile Communications A.S. v. Hungary, (Norway/Hungary BIT), Decision on Jurisdiction, 13 September 2006, http://www.investmentclaims.com/decisi ons/Telenor_Mobile-Hungary-Award-13-09-06.pdf. 327 Ibid., § 63. Fußnote wurde ausgelassen. 328 Waste Management, Inc. v. United Mexican States, (NAFTA), Award, 30 April 2004, http://ita.law.uvic.ca/documents/laudo_ingles.pdf. 324

B. Die Enteignung

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It may be noted that Article 1110(1) distinguishes between direct or indirect expropriation on the one hand and measures tantamount to an expropriation on the other. An indirect expropriation is still a taking of property. By contrast where a measure tantamount to an expropriation is alleged, there may have been no actual transfer, taking or loss of property by any person or entity, but rather an effect on property which makes formal distinctions of ownership irrelevant.329

In der Folge führte es an, dass der Ausdruck „tantamount to expropriation“ angefügt worden war, um eine Ausweitung des Enteignungsverbots zu erzielen: Evidently the phrase “take a measure tantamount to nationalization or expropriation of such an investment” in Article 1110(1) was intended to add to the meaning of the prohibition, over and above the reference to indirect expropriation.330

Das Schiedsgericht analysierte die vom Kläger angeführten Präzedenzfälle. Einen Teil331 davon verwarf bereits das Schiedsgericht.332 In der Folge referierte es die bereits erwähnten NAFTA-Fälle Pope & Talbot, S.D. Myers sowie Metalclad. Es traf aber keine Aussage darüber, ob es der Meinung ist, dass diese Fälle geeignet sind zu belegen, dass der Ausdruck „tantamount to expropriation“ eine Ausweitung des Verbots der entschädigungslosen Enteignung bedeutet. Das Schiedsgericht begründete weiters nicht, warum es entgegen all diesen Schiedssprüchen davon ausging, dass durch den Ausdruck „tantamount to expropriation“ in Artikel 1110 NAFTA der Enteignungsbegriff eine Erweiterung erfahren habe. Es führte lediglich aus, dass es im konkreten Fall keine abschließende Meinung über die Bedeutung der Phrase „measures tantamount to … expropriation“ abgeben müsse.333 Nach meiner Ansicht sind die angeführten Fälle alle nicht geeignet, die vom Waste Management-Schiedsgericht zunächst mit Vehemenz334 vertretene Meinung zu stützen, dass durch den Ausdruck „tantamount to expropriation“ in Artikel 1110 NAFTA der Enteignungsbegriff eine Erweiterung erfahren habe. Es ist der überwiegenden Mehrheit der Schiedsgerichte zuzustimmen, die davon ausgehen, dass der Ausdruck „tantamount to expropriation“ den Enteig___________ 329

Ibid., § 143. Ibid., § 144. 331 Liberian Eastern Timber Corporation v. Republic of Liberia [LETCO], (Concession Agreement), Award, 31 March 1986, 2 ICSID Reports 346; Sapphire International Petroleums Ltd. v. National Iranian Oil Company, (Concession Agreement), Award, 15 March 1963, 35 ILR 1967, 136. 332 Waste Management, Inc. v. United Mexican States, (NAFTA), Award, 30 April 2004, http://ita.law.uvic.ca/documents/laudo_ingles.pdf, § 149. 333 Ibid., § 155. 334 Ibid., § 144: … evidently the phrase was intended … to add to the meaning of the prohibition, over and above the reference to indirect expropriation. 330

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2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

nungsbegriff nicht erweitert,335 sondern unterstreicht, dass es für die Zuordnung der staatlichen Eingriffsmaßnahmen zur Kategorie der Enteignung auf die Auswirkungen der Maßnahmen und nicht auf ihre Form ankomme. Dafür spricht eindeutig die bereits vom Tribunal in Pope & Talbot vorgenommene vergleichende Wortinterpretation.336 Dies gilt auch für die anderen in BITs häufig verwendeten Formulierungen. Daher wird in der Folge davon ausgegangen, dass der Tatbestand der indirekten Enteignung durch die Anführung von Ausdrücken wie „measures having equivalent effect to expropriation“, „measures having similar effects“, „any other measures the effects of which would be tantamount to expropriation“, „measures tantamount to expropriation“ keine Erweiterung erfahren hat, sondern darunter einer Enteignung gleichwertige Maßnahmen zu verstehen sind. Weiters ermöglicht die Verwendung dieser Ausdrücke aber auch einen wichtigen Rückschluss auf die Abgrenzung des Tatbestandes der indirekten Enteignung. Sie machen deutlich, dass es auf die Auswirkung der Maßnahmen ankommt, damit der Tatbestand der indirekten Enteignung verwirklicht ist. Dieser Schluss ist zulässig, weil das Wort „effects“ in vielen der Formulierungen verwendet wird und nicht davon auszugehen ist, dass zwischen den einzelnen dieser Ausdrücke hinsichtlich ihres Anwendungsbereiches zu unterscheiden ist. Dafür spricht auch, dass etwa das Schiedsgericht in Tecmed337 ausdrücklich die Termini „… equivalent to expropriation …“ und „tantamount to expropriation“ als Synonyme aufzählt.338

bb) Typen indirekter Enteignung Bei indirekten Enteignungen können aufgrund der Art der Eingriffe sowie hinsichtlich ihrer zeitlichen Ausprägungsform jeweils zwei Untergruppen unterschieden werden. Jeweils eine dieser Untergruppen bereitet Probleme bei der Festlegung, ob eine indirekte Enteignung vorliegt: bei der Unterscheidung aufgrund der zeitlichen Ausdehnung des Eingriffs sind dies die so genannten schleichenden Ent___________ 335

A. Newcombe, The Boundaries of Regulatory Expropriation in International Law, 20 ICSID Review, Foreign Investment Law Journal, 2005, S. 23 f.; a. A., jedoch ohne eingehende Analyse: W. M. Reisman/R. D. Sloane, Indirect Expropriation and its Valuation in the BIT Generation, 74 The British Year Book of International Law 2003, S. 119. 336 Pope & Talbot v. Canada, (NAFTA), Interim Award, 26 June 2000, 7 ICSID Reports 69, § 104. 337 Técnicas Medioambientales Tecmed, S. A. v. United Mexican States, (Spain/ Mexico BIT), Award, 29 May 2003, 10 ICSID Reports 134. 338 Ibid., § 114.

B. Die Enteignung

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eignungen, bei jener hinsichtlich der Art des Eingriffs die regulativen Enteignungen. Sowohl schleichende Enteignungen als auch Enteignungen durch regulative Eingriffe haben nicht nur in der Literatur erhöhte Aufmerksamkeit erregt, sondern fanden auch in der Judikatur ihren Niederschlag. In der Folge werden die mit diesen beiden Untergruppen jeweils spezifisch verbundenen Probleme an Hand von Judikaten aufgezeigt, ehe im Anschluss auf die Kriterien eingegangen wird, die von Schiedsgerichten zur Entscheidung herangezogen wurden, ob eine indirekte Enteignung vorliegt.

(1) Der Zeitfaktor des Eingriffs – einmaliger Akt oder schleichende Enteignung („creeping expropriation“) Gemessen am Faktor Zeit treten indirekte Enteignungen in zwei Ausprägungsformen auf. Sie können sich, ähnlich wie formelle Enteignungen, in Form eines Einzelaktes (instantaneous act) oder einer Unterlassung manifestieren. Dieser Einzelakt muss, um als indirekte Eignung angesehen zu werden, im Ergebnis denselben Effekt haben wie eine formelle Enteignung. Der Fall German Interests in Polish Upper Silesia339 ist eines von vielen Beispielen einer indirekten Enteignung, die nicht schleichend, sondern durch einen Akt erfolgte. Wie der Ständige Internationale Gerichtshof feststellte, kam es durch die Enteignung der Chorzów-Fabrik auch zu einer indirekten Enteignung der Patente und Verträge (Managementrechte) der „Bayrischen“.340 Diese war ein von der Chorzów-Fabrik verschiedenes Unternehmen. Im ebenfalls schon erwähnten Fall Goetz v. Burundi341 widerrief Burundi den Freihandelszonenstatus des Investors, der Edelmetalle abbaute, verarbeitete und verkaufte, ohne die Investition formal zu enteignen. Nach Ansicht des Schiedsgerichts handelte es sich bei dem Eingriff um eine Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie ein Eigentumsentzug oder eine Eigentumsbeschränkung im Sinne des Artikels 4 des Investitionsvertrages. Auch hier erfolgte der Eingriff durch einen Einzelakt: den Widerruf des Freihandelszonenstatus.342 ___________ 339

PCIJ, Germany v. Poland (Factory at Chorzów), Urteil vom 15. Mai 1926, PCIJ Ser. A, No. 7 (1926). 340 Ibid., S. 44. 341 Antoine Goetz and Others v. Republic of Burundi, (Belgium-Luxembourg Economic Union/Burundi BIT), Award, 10 February 1999, 6 ICSID Reports 5. 342 Ibid., § 124: Since ... the revocation of the Minister for Industry and Commerce of the free zone certificate forced them to halt all activities ..., which deprived their investments of all utility and deprived the claimant investors of the benefit which

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2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

Typisch für diese Untergruppe ist, dass die indirekte Enteignung häufig entweder durch die Nichterteilung einer erforderlichen Bewilligung, deren Rücknahme oder Nichtverlängerung erfolgte. Im Fall German Interests in Polish Upper Silesia343 war sie das Nebenprodukt einer formellen Enteignung. Denkbar wäre auch eine gewaltsame Besetzung eines Unternehmens oder Terrains durch staatliche Organe. Bei der zweiten zeitlichen Ausprägungsform indirekter Enteignungen, den so genannten schleichenden Enteignungen (creeping expropriation), führt eine Summe einzelner Akte im Ergebnis zu einer indirekten Enteignung, bei der das formelle Eigentumsrecht die gesamte Zeitdauer über aufrecht bleibt. Die Vielzahl an Einzeleingriffen erschwert die genaue Festlegung, wann eine derartige schrittweise Enteignung vollendet ist. Das Konzept ist nicht neu344 und findet sich in einer Reihe internationaler Dokumente, von denen einige in der Folge als Beispiele genannt werden. Bereits im Kommentar zu Artikel 3 des OECD-Entwurfs einer Konvention zum Schutz von ausländischem Eigentum aus dem Jahr 1967 (OECD Draft Convention on the Protection of Foreign Property)345 findet das Konzept der schleichenden Enteignung Erwähnung. Der Kommentar definierte schleichende Nationalisierungen als Maßnahmen, die jede für sich genommen legal wären. Diese werden jedoch in einer Art und Weise angewandt, dass sie Ausländer in letzter Konsequenz um den Wert ihres Eigentums bringen, ohne dass ein einzelner der zu dieser Situation führenden Akte als Enteignung angesehen werden könnte. Artikel 3, der den Entzug von Eigentum regelt und der zugehörige Kommentar lauten wie folgt: Article 3 Taking of Property: No Party shall take any measures depriving, directly or indirectly, of his property a national of another Party unless the following conditions are complied with ... .346

___________ they could have expected from their investments, the disputed decision can be regarded as a “measure having similar effect” to a measure depriving of or restricting property within the meaning of Article 4 of the Investment Treaty. 343 PCIJ, Germany v. Poland (Factory at Chorzów), Urteil vom 15. Mai 1926, PCIJ Ser. A, No. 7 (1926). 344 Siehe z.B.: B. H. Weston, „Constructive Takings“ under International Law: A Modest Foray into the Problem of „Creeping Expropriation“, 16 Virginia Journal of International Law 1975, 103–175; R. Higgins, The Taking of Property by the State: Recent Developments in International Law, 176 RdC (1982-III), 261, S. 353. 345 OECD Draft Convention on the Protection of Foreign Property, 12 October 1967, 7 ILM 117 (1968). 346 Ibid., S. 124.

B. Die Enteignung

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Kommentar: ... Article 3 is meant to cover “creeping nationalisation”, recently practised by certain States. Under it, measures otherwise lawful are applied in such a way as to deprive ultimately the alien of the enjoyment or value of his property, without any specific act being identifiable as outright deprivation.347

Auch die UNCTAD betont in ihrer Charakterisierung von schleichenden Enteignungen den kumulativen Effekt einer Reihe von Maßnahmen, die für sich alleine nicht als Enteignung angesehen würden. Dies wird sowohl im Welt-Investitionsbericht aus 2003 als auch in einer Studie der UNCTAD zum Eigentumsentzug deutlich. Der Weltinvestitionsbericht beschreibt schleichende Enteignungen folgendermaßen: Indirect takings include creeping expropriations, involving an incremental but cumulative encroachment on one or more of the range of recognized ownership rights until the measures involved lead to the effective negation of the owner’s interest in the property.348

Eine UNCTAD-Studie über Investitionsschutzabkommen umschreibt den Terminus wie folgt: This [creeping expropriation] may be defined as the slow and incremental encroachment on one or more of the ownership rights of a foreign investor that diminishes the value of its investment. The legal title to the property remains vested in the foreign investor but the investor’s rights of use of the property are diminished as a result of the interference by the State.349

Im allgemeinen Völkerrecht findet das Konzept der schleichenden Enteignung seinen Widerhall in den von der ILC 2001 angenommenen Articles on Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts. Artikel 15 enthält die Regelung zu zusammengesetzten Handlungen. Der Artikel geht im Hinblick auf zusammengesetze Akte davon aus, dass die Völkerrechtsverletzung durch eine Serie von Handlungen oder Unterlassungen erfolgt, die in ihrer Gesamtheit als Völkerrechtsverletzung angesehen werden: ARTICLE 15 – Breach consisting of a composite act (1) The breach of an international obligation by a State through a series of actions or omissions defined in aggregate as wrongful, occurs when the action or omission occurs which, taken with the other actions or omissions, is sufficient to constitute the wrongful act.350

___________ 347

Ibid., S. 125 f. World Investment Report, United Nations Conference on Trade and Development (2003), http://www.unctad.org/en/docs/wir2003_en.pdf, S. 210. 349 UNCTAD, International investment agreements: Key Issues, Volume, Chapter 8 Taking of Property (2004), S. 238. 350 J. Crawford, The International Law Commission’s Articles on State Responsibility, 2002, S. 141. Siehe auch den Kommentar zu Art. 25 der Draft articles provisionally 348

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2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

Der Kommentar der ILC zu diesem Artikel führt Folgendes aus: Paragraph 1 of article 15 defines the time at which a composite act ‘occurs’ as the time at which the last action or omission occurs which, taken with the other actions or omissions, is sufficient to constitute the wrongful act, without it necessarily having to be the last of the series.351

Auch im allgemeinen Völkerrecht kann sich daher eine Völkerrechtsverletzung aus Einzelakten zusammensetzen, wobei sich die Verletzung erst in der Zusammenschau manifestiert. Hinsichtlich des für die Verletzung maßgeblichen Zeitpunkts hält der Kommentar zu Artikel 15 fest, dass es sich um den Zeitpunkt jenes Aktes handelt, der gemeinsam mit den vorangegangenen Eingriffen für das Vorliegen einer Völkerrechtsverletzung ausreicht. Es muss sich dabei nicht um den letzten Eingriff einer Serie von Eingriffen handeln. Daher bleibt der Enteignungszeitpunkt auch unverändert, wenn weitere Eingriffe erfolgen. Damit ist in Art. 15 bereits eine der zentralen Problemstellungen bei schleichenden Enteignungen angesprochen, jene des genauen Zeitpunktes, ab dem eine Enteignung vorliegt. Auch in der Literatur wird auf das besondere Problem der Feststellung des Enteignungszeitpunkts hingewiesen.352 ___________ adopted by the Commission on first reading, S. 180 ff., Quelle: http://untreaty.un. org/ilc/texts/instruments/english/commentaries/9_6_1996.pdf. 351 Ibid., S. 143. 352 Siehe z.B.: R. Higgins, The Taking of Property by the State: Recent Developments in International Law, 176 RdC (1982-III), 261, S. 353; M. Reisman/R. D. Sloane, Indirect Expropriation and its Valuation in the BIT Generation, 74 BYIL 2003, 115– 150. Higgins weist in ihrer Charakterisierung schleichender Enteignungen insbesondere auf das Problem hin, den genauen Zeitpunkt festzustellen, ab dem gegen die staatliche Vorgangsweise Rechtsmittel zu ergreifen sind und ab dem letztlich dann eine Enteignung vorliegt: “Creeping” expropriation is short of “indirect” expropriation, for the control over property rights is not yet lost. But to some it has an even greater danger, because the indirect erosion of property rights is so gradual, indeed insidious, that the foreign holder of property rights may be unable to identify the precise moment at which his rights effectively passed from him, and will therefore be unable to tell when he should exercise his remedy. (S. 353). Reisman und Sloane betonen, dass bei schleichenden Enteignungen eigentlich erst aus einer ex post Perspektive klar wird, dass eine Summe einzeln unbedenklicher Akte oder Unterlassungen bei einer Gesamtbetrachtung sich als indirekte Enteignung erweisen. Sie führen dazu aus: Discrete acts, analyzed in isolation rather than in the context of the overall flow of events, may, whether legal or not in themselves, seem innocuous vis-à-vis a potential expropriation. Some may not be expropriatory in themselves. Only in retrospect will it become evident that those acts comprised part of an accretion of deleterious acts and omissions, which in the aggregate expropriated the foreign investor’s property rights.352 ... Because of their gradual and cumulative nature,

B. Die Enteignung

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Das Konzept der schleichenden Enteignung hat in die Judikatur von Investitionsschiedsgerichten Eingang gefunden und sich als unbestritten etabliert. Diverse Schiedsgerichte waren mit Fällen schleichender Enteignung befasst und haben bestätigt, dass das Gesamtbild im Falle einer solchen Enteignung mehr als die Summe seiner Einzelteile ist.353 ___________ creeping expropriations also render it problematic, perhaps even arbitrary, to identify a single interference (or failure to act where a duty requires it) as the ‘moment of expropriation’. (S. 125). 353 Siehe z.B.: Biloune v. Ghana (Biloune and Marine Drive Complex Ltd. v. Ghana Investments Centre and the Government of Ghana, (Investment Agreement), Award on Jurisdiction and Liability, 27 October 1989, 95 ILR 184): What is clear is that the conjunction of the stop work order, the demolition, the summons, the arrest, the detention, the requirement of filing assets declaration forms, and the deportation of Mr Biloune without possibility of re-entry had the effect of causing the irreparable cessation of work on the project. [S.209] … The Tribunal therefore holds that the Government of Ghana, by its acts and omissions culminating with Mr Biloune’s deportation, constructively expropriated MDCL’s assets, and Mr Biloune’s interest therein. (S. 210). Benvenuti & Bonfant v. Congo, (Investment Agreement), Award of 8 August 1980, 67 ILR 1984, 345, S. 372, 374. LETCO v. Liberia (Liberian Eastern Timber Corporation v. Republic of Liberia, (Concession Agreement), Award, 31 March 1986, 2 ICSID Reports 346). Tradex Hellas SA v. Republic of Albania, ((Foreign Investment Law), Award, 29 April 1999, 5 ICSID Reports 70): While the above examination ... has come to the conclusion that none of the single decisions and events alleged by Tradex to constitute an expropriation can indeed be qualified by the Tribunal as expropriation, it might still be possible that, and the Tribunal, therefore, has to examine and evaluate hereafter whether the combination of the decisions and events can be qualified as expropriation of Tradex’ foreign investment in a long, step-by-step process by Albania. (§ 191). Santa Elena v. Costa Rica (Compañía del Desarrollo de Santa Elena S.A. v. Republic of Costa Rica, (Ad-hoc Agreement), Award, 17 February 2000, 5 ICSID Reports 153): … the period of time involved in the process may vary – from an immediate and comprehensive taking to one that only gradually and by small steps reaches a condition in which it can be said that the owner has truly lost all the attributes of ownership. It is clear, however, that a measure or series of measures can still eventually amount to a taking, though the individual steps in the process do not formally purport to amount to a taking or to a transfer of title. (§ 76). Generation Ukraine Inc. v. Ukraine (Generation Ukraine Inc. v. Ukraine, (United States/Ukraine BIT), Award, 16 September 2003, http://ita.law.uvic.ca/documents/Gene rationUkraine_000.pdf): Creeping expropriation is a form of indirect expropriation with a distinctive temporal quality in the sense that it encapsulates the situation whereby a series of acts attributable to the State over a period of time culminate in the expropriatory taking of such property. (20.22). Feldman v. Mexico (Feldman v. Mexico, (NAFTA), Award, 16 December 2002, 7 ICSID Reports 341, § 101:

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2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

Zur Illustration sei der Fall Benvenuti und Bonfant v. Congo354 erwähnt. Er ist ein Beispiel für einen Fall, in dem eine Reihe von staatlichen Handlungen und Unterlassungen dazu führte, dass ein Schiedsgericht von einer Enteignung der Investition ausging, ohne dass es einen einzelnen Akt als Enteignung bezeichnete. Der italienische Investor und die kongolesische Regierung waren Eigentümer eines Joint Ventures, PLASCO. PLASCO war gegründet worden, um Plastikflaschen zu erzeugen und Mineralwasser abzufüllen. Entgegen den Vereinbarungen legte die Regierung Fixpreise für Mineralwasser fest355 und löste die kongolesische Firma EDICO auf, die das Marketing hätte machen sollen.356 Zudem erfüllte die Regierung ihre wirtschaftlichen Vertragspflichten nicht. Weder zahlte sie den gesamten registrierten Geldbetrag ein, noch räumte sie die zugesagte Steuerbegünstigung und den Wettbewerbsschutz ein. Sie strengte ohne Begründung eine Strafverfolgung gegen den Eigentümer an, der auf Anraten der italienischen Botschaft in der Folge das Land verließ. Schließlich besetzte die kongolesische Armee den Firmensitz.

___________ If the measures are implemented over a period of time, they could also be characterized as “creeping,” which the Tribunal also believes is not distinct in nature from, and is subsumed by, the terms “indirect” expropriation or “tantamount to expropriation” in Article 1110(1). … Azurix v. Argentine Republic, (United States/Argentina BIT), Award, 14 July 2006, http://ita.law.uvic.ca/documents/AzurixAwardJuly2006.pdf, § 308. Siemens AG v. Argentine Republic, (Argentina/Germany BIT), Award, 6 February 2007, http://ita.law.uvic.ca/documents/Siemens-Argentina-Award.pdf, § 263: By definition, creeping expropriation refers to a process, to steps that eventually have the effect of an expropriation. If the process stops before it reaches that point, then expropriation would not occur. This does not necessarily mean that no adverse effects would have occurred. Obviously, each step must have an adverse effect but by itself may not be significant or considered an illegal act. The last step in a creeping expropriation that tilts the balance is similar to the straw that breaks the camel’s back. The preceding straws may not have had a perceptible effect but are part of the process that led to the break. Compañía de Aguas del Aconquija S. A. and Vivendi Universal v. Argentine Republic (Vivendi II), (France/Argentina BIT), Award, 20 August 2007, http://ita.law.uvic.ca/ documents/VivendiAwardEnglish.pdf, § 7.5.31: It is well-established under international law that even if a single act or omission by a government may not constitute a violation of an international obligation, several acts taken together can warrant finding that such obligation has been breached. 354 Benvenuti & Bonfant v. Congo, (Investment Agreement), Award of 8 August 1980, 67 ILR 1984, 345. 355 Ibid., 4.46, S. 372. 356 Ibid., S. 373.

B. Die Enteignung

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Das Schiedsgericht wies die Behauptung der Regierung, wonach weder eine Konfiskation noch eine Nationalisierung der Investition erfolgt sei, und der Investor jederzeit zurückkehren könne, zurück und hielt fest, dass die Serie von Handlungen und Unterlassungen zu einer de facto Enteignung der Anteile an dem Joint Venture, PLASCO, geführt hätten und daher Schadenersatz zu leisten sei: The Government denies, for its part, in the Memorial in Defence, that it carried out any confiscation or nationalization and maintains that the Italian party is free at any time, to return and recover its share.357 The Tribunal considers that it is difficult to accept this line of reasoning. …, a whole series of facts are contrary to the Government’s case …358 The Tribunal therefore considers that the Government did, in fact, appropriate B&B’s share in PLASCO and owes it damages.359

Das Schiedsgericht verwendete zwar die Begriffe indirekte und schleichende Enteignung nicht. Es bezeichnete aber auch keine der Maßnahmen für sich als Enteignung, sondern wertete vielmehr die Summe der staatlichen Handlungen und Unterlassungen als de facto Enteignung der Anteile des Investors an PLASCO. Der Fall ist daher den schleichenden Enteignungen zuzurechnen. Schiedsrichter Highet charakterisierte in seiner abweichenden Stellungnahme im Fall Waste Management v. Mexico360 schleichende Enteignungen treffend folgendermaßen: … a ‘creeping’ expropriation is comprised of a number of elements, none of which can – separately – constitute the international wrong. These constituent elements include non-payment, non-reimbursement, cancellation, denial of judicial access, actual practice to exclude, non-conforming treatment, inconsistent legal blocks, and so forth. … .361 A nationalization or expropriation – in particular a “creeping expropriation” comprised of numerous components – must logically be more than the mere sum of its parts … .362

Die schleichende Enteignung besteht somit aus einer Serie von Maßnahmen und/oder Unterlassungen. Keine dieser Akte oder Unterlassungen muss für sich genommen eine Enteignung sein. Die Rechtsposition wird in vielen kleinen Schritten verschlechtert, die schließlich insgesamt im Effekt die gleiche Wirkung haben, wie ein offensichtlicher Eingriff. Zudem können sich die einzelnen Maßnahmen als Konsequenzen staatlicher regulativer Tätigkeit ergeben, die ___________ 357

Ibid., 4.57, S. 374. Ibid., 4.58, S. 374. 359 Ibid., 4.62, S. 374. 360 Waste Management, Inc. v. United Mexican States, (NAFTA), Decision on Jurisdiction, 2 June 2000, 5 ICSID Reports 443 (Keith Highet, abweichend, S. 462). 361 Ibid., § 17. 362 Ibid., § 18. 358

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2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

nicht auf Enteignungen abzielt, sondern diese nur als Nebeneffekt hat, was die Identifikation zusätzlich erschwert.363

(2) Die Art des Eingriffs – physischer Eingriff oder regulative Maßnahme („regulatory taking“) Das zweite Unterscheidungsmerkmal ist der Charakter oder die Art des Eingriffs. Letzterer kann entweder durch einen physischen Eigentumsentzug oder in Form eines “regulatory takings” erfolgen. Typische Fälle für einen physischen Eingriff in die Eingriffsrechte von Investoren, die zur Feststellung von Enteignungen durch die jeweiligen Schiedsgerichte führten, sind die Fälle Biloune364 und Wena365. Der Fall Biloune betraf ein Hotelrestaurantprojekt. Das Projekt war bereits in einem fortgeschrittenen Stadium, als die Behörden die Einstellung des Projekts anordneten, einen Teil desselben zerstörten und den Investor zunächst verhafteten und in der Folge auswiesen. Die Summe der Maßnahmen wurde als indirekte Enteignung der vertraglichen Rechte am Projekt qualifiziert. Das Schiedsgericht führte hierzu Folgendes aus: What is clear is that the conjunction of the stop work order, the demolition, the summons, the arrest, the detention, the requirement of filing assets declaration forms, and the deportation of Mr. Biloune without possibility of re-entry had the effect of causing the irreparable cessation of work on the project. … In the view of the Tribunal, such prevention of MDCL from pursuing its approved project would constitute constructive expropriation of MDCL’s contractual rights in the project and, accordingly, the expropriation of the value of Mr Biloune’s interest in MDCL ...366

Der Fall Wena367 betraf zwei Hotels in Ägypten, die der in Staatseigentum befindlichen Hotelkette EHC gehörten. Beide wurden an Wena, eine in Großbritannien registrierte Gesellschaft, für 25 Jahre verleast. Bereits in den ersten Jahren kam es zu Streitigkeiten über die jeweils geschuldeten Leistungen. ___________ 363 I.d.S. auch W. M. Reisman/R. D. Sloane, Indirect Expropriation and its Valuation in the BIT Generation, 74 BYIL 2003, S. 128. 364 Biloune and Marine Drive Complex Ltd. v. Ghana Investments Centre and the Government of Ghana, (Investment Agreement), Award, 27 October 1989, 95 ILR 183. Zum Sachverhalt siehe auch oben, S. 272. 365 Wena Hotels Ltd. v. Arab Republic of Egypt, (United Kingdom/Egypt BIT), Award, 8 December 2000, 6 ICSID Reports 89. 366 Biloune and Marine Drive Complex Ltd. v. Ghana Investments Centre and the Government of Ghana, (Investment Agreement), Award, 27 October 1989, 95 ILR 183, S. 209. Hervorhebung durch die Autorin. 367 Wena Hotels Ltd. v. Arab Republic of Egypt, (United Kingdom/Egypt BIT), Award, 8 December 2000, 6 ICSID Reports 89.

B. Die Enteignung

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Wenas Mitarbeiter wurden in der Folge von Angestellten des örtlichen Vertragspartners gewaltsam aus beiden Hotels entfernt. Die Polizei weigerte sich, Wena zu unterstützen.368 Here, the Tribunal has no difficulty finding that the actions previously described constitute such an expropriation. Whether or not it authorized or participated in the actual seizure of the hotels, Egypt deprived Wena of its “fundamental rights of ownership” by allowing EHC forcibly to seize the hotels, to possess them illegally for nearly a year, and to return the hotels stripped of much of their furniture and fixtures.369

Die zweite und derzeit weit häufigere Eingriffsform sind regulative Eingriffe, bei denen es schwierig ist, festzustellen, ob sie eine Enteignung sind. Wie die UNCTAD in ihrem Welt-Investitionsbericht aus 2003 festhält, handelt es sich bei „regulatory takings“ um Enteignungen, die durch die Ausübung regulativer Regierungstätigkeit verursacht werden. Als Beispiele werden steuerliche Maßnahmen oder Umweltschutzregelungen angeführt, die zu einem Wertverlust, nicht aber zu einer formellen Enteignung führen: They [indirect takings] also include regulatory takings, in which the exercise of governmental regulatory power – the power to tax or to control operations for environmental protection – diminishes the economic value of the owners’ property without depriving them of formal ownership.370

Die UNCTAD sieht in Eingriffen, die entweder aus „police powers“ oder von anderen regulativen staatlichen Maßnahmen herrühren, die Bereichen wie Umweltschutz, Gesundheit, Moral, Kultur oder Wirtschaft zuzurechnen sind, regulative Enteignungen: Regulatory takings are those takings of property that fall within the police powers of a State, or otherwise arise from State measures like those pertaining to the regulation of the environment, health, morals, culture or economy of a host country. 371

Enteignungen durch regulative Maßnahmen bilden heute eine große Herausforderung für Schiedsgerichte und wissenschaftliche Auseinandersetzung.372 ___________ 368

Ibid., § 44. Ibid., § 99. Hervorhebung durch die Autorin. 370 World Investment Report, United Nations Conference on Trade and Development (2003), http://www.unctad.org/en/docs/wir2003_en.pdf, S. 110 f. 371 UNCTAD, International investment agreements: Key Issues, Volume, Chapter 8 Taking of Property (2004), S. 238. 372 Siehe dazu z.B.: R. Dolzer, New Foundations of the Law of Expropriation of Alien Property, 75 AJIL 1981, 553–589; ders., Indirect Expropriation of Alien Property, 1 ICSID Review, Foreign Investment Law Journal, 1986, 41–65; E. M. Graham, Regulatory Takings, Supernational Treatment, and the Multilateral Agreement on Investment: Issues Raised by Nongovernmental Organizations, 31 Cornell International Law Journal 1998, 599–614; J. M. Wagner, International Investment, Expropriation and Environmental Protection, 29 Golden Gate University Law Review 1999, 465–538; M. Brunetti, The Iran-United States Claims Tribunal, NAFTA Chapter 11, and the Doctrine 369

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2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

Dies deshalb, weil bei derartigen Eingriffen ein unauflösliches Dilemma zwischen zwei Prinzipien auftritt: Einerseits wird in der Literatur und in der Judikatur vertreten, dass die Staaten das Recht haben, regulative Maßnahmen ___________ of Indirect Expropriation, 2 Chicago Journal of International Law 2001, 203-212; T. Waelde/A. Kolo, Environmental Regulation, Investment Protection and ‚Regulatory Taking’ in International Law, 50 ICLQ 2001, 811–848; Y. Nouvel, Les mesures équivalent à une expropriation dans la pratique récente des tribunaux arbitraux, 106 RGDIP 2002, 79–101; H. Sedigh, What Level of Host State Interference Amounts to a Taking under Contemporary International Law, 2 The Journal of World Investment & Trade 2002, 631–684; V. Lowe, Regulation or Expropriation?, 55 Current Legal Problems 2002, 447–466; V. Been, Does an International „Regulatory Takings“ Doctrine Make Sense?, 11 NYU Environmental Law Journal 2003, 49–63; V. Been/J. C. Beauvais, the Global Fifth Amendment: NAFTA’s Investment Protections and the Misguided Quest for an International „Regulatory Takings“ Doctrine, 78 NYU Law Review 2003, 30–143; R. Dolzer, Indirect Expropriations: New Developments? 11 NYU Environmental Law Journal, 2003, 64–93; R. Dolzer/F. Bloch, Indirect Expropriation: Conceptual Realignments?, 5 International FORUM de droit international, 2003, 155– 165; C. Lévesque, Les fondements de la distinction entre l’expropriation et la réglementation en droit international, 33 RGD 2003, 39–92; I. Madalena, Foreign Direct Investment and the Protection of the Environment: the Border between National Environmental Regulation and Expropriation, 12 European Environmental Law Review 2003, 70–82; H. Mountfield, H., Regulatory Expropriations in Europe: The Approach of the European Court of Human Rights, 11 NYU Environmental Law Journal 2003, 136– 147; W. M. Reisman/R. D. Sloane, Indirect Expropriation and its Valuation in the BIT Generation, 74 The British Year Book of International Law 2003, 115–150; H. Ruiz Fabri, The Approach Taken by the European Court of Human Rights to the Assessment of Compensation for „Regulatory Expropriations“ of the Property of Foreign Investors, 11 NYU Environmental Law Journal 2003, 148–173; G. H. Sampliner, Arbitration of Expropriation Cases Under U.S. Investment Treaties – A Threat to Democracy or the Dog That Didn’t Bark?, 18 ICSID Review-Foreign Investment Law Journal 2003, 1–43; E. Shenkman, Could Principles of Fifth Amendment Takings Jurisprudence be Helpful in Analyzing Regulatory Expropriation Claims Under International Law?, 11 NYU Environmental Law Journal 2003, 174–197; A. S. Weiner, Indirect Expropriations: The Need for a Taxonomy of „Legitimate“ Regulatory Purposes, 5 International FORUM de droit international 2003, 166–175; J. Paulsson/Z. Douglas, Indirect Expropriation in Investment Treaty Arbitration in: N. Horn/S. Kröll (Hrsg.), Arbitrating Foreign Investment Disputes: Procedural and Substantive Legal Aspects, 2004, 145–158; L. Y. Fortier/S. L. Drymer, Indirect Expropriation in the Law of International Investment: I Know It When I See It, or Caveat Investor, 19 ICSID Review, Foreign Investment Law Journal 2004, 293–327; D. Clough, Regulatory Expropriations and Compensation under NAFTA, 6 The Journal of World Investment & Trade 2005, 553–584; A. Newcombe, The Boundaries of Regulatory Expropriation in International Law, 20 ICSID Review, Foreign Investment Law Journal, 2005, 1–57; C. Yannacka-Small, „Indirect Expropriation“ and the „Right to Regulate“ in International Investment Law, in: OECD (Hrsg.), International Investment Law: A Changing Landscape. A Companion Volume to International Investment Perspectives, 2003, 43–72; C. Leben, La liberté normative de l’etat et la question de l’expropriation indirecte, in: C. Leben, Nouveaux Développements dans le Contentieux Arbitral Transnational relatif a l’Investissement International, 2006, 163-183; C. Schreuer, The Concept of Expropriation under the ETC and other Investment Protection Treaties, in: C. Ribeiro (Hrsg.), Investment Arbitration and the Energy Charter Treaty, 2006, 108–159.

B. Die Enteignung

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zu ergreifen, ohne entschädigungspflichtig zu werden.373 Dies kann sowohl in Form von Gesetzen als auch durch deren Implementierung erfolgen. Ein derartiges Recht generell in Frage zu stellen würde die Aufgabe vieler Staatsfunktionen mit sich bringen.374 Andererseits wird sowohl im Schrifttum als auch in der Judikatur vertreten, dass auch regulative Eingriffe indirekte Enteignungen sein können.375 ___________ 373

Siehe z.B.: F. Orrego Vicuña, Regulatory Authority and Legitimate Expectations: Balancing the Rights of the State and the Individual under International Law in a Global Society, 5 International Law Forum, 2003, 188–197, S. 190; I. Brownlie, Principles of Public International Law6, 2003, S. 209; A. Newcombe, The Boundaries of Regulatory Expropriation in International Law, 20 ICSID Review, Foreign Investment Law Journal, 2005, S. 3. Für Schiedsgerichte siehe z.B.: Técnicas Medioambientales Tecmed, S. A. v. United Mexican States, (Spain/Mexico BIT), Award, 29 May 2003, 10 ICSID Reports 134, § 119: The principle that the State’s exercise of its sovereign powers within the framework of its police power may cause economic damage to those subject to its powers as administrator without entitling them to any compensation whatsoever is undisputable. IUSCT, Sedco, Inc. v. National Iranian Oil Company, et al, Interlocutory Award No. ITL 55-129-3, 28 October 1985, 9 IUSCTR 248, S. 275: It is also an accepted principle of international law that a State is not liable for economic injury which is a consequence of bona fide ‘regulation’ within the accepted police power of states. 374 Siehe z.B.: T. Waelde/A. Kolo, Environmental Regulation, Investment Protection and ‚Regulatory Taking’ in International Law, 50 ICLQ 2001, 811, S. 839: To require compensation for every diminution in the value of property caused by regulation will render public governance almost impossible as governments by regulation will be economically crippled by claims for compensation. Z. A. AlQurashi, Indirect Expropriation in the Field of Petroleum, 5 The Journal of World Investment and Trade 2004, 897, S. 912. Geiger (R. Geiger, Regulatory Expropriation in International Law: Lessons from the Multilateral Agreement on Investment, 11 N.Y.U. Environmental Law Journal, 2003, 94) weist in diesem Zusammenhang auf den abschreckenden Effekt hin, den der erste Fall einer behaupteten Enteignung durch regulative Tätigkeit, Ethyl Corp. v. Canada (http://ita.law.uvic.ca/documents/ Ethyl-Award.pdf), für die Verhandlungen des MAI hatte. (Ibid., S. 97). 375 Siehe z.B.: T. Waelde/A. Kolo, Environmental Regulation, Investment Protection and ‚Regulatory Taking’ in International Law, 50 ICLQ 2001, S. 812; R. Dolzer, Indirect Expropriations: New Developments?, 11 N.Y.U. Environmental Law Journal, 2003, 64, S. 79. Für Schiedsgerichte siehe z.B.: Pope & Talbot v. Canada, (NAFTA), Interim Award, 26 June 2000, 7 ICSID Reports 69, […] the scope of article 1110 does cover nondiscriminatory regulation that might be said to fall within an exercise of a state’s so-called police powers. (§ 96). Indeed much creeping expropriation could be conducted by regulation, and a blanket exception for regulatory measures would create a gaping loophole in international protection against expropriation. (§ 99).

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2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

Der Umstand, dass es sich um Bereiche üblicher staatlicher Regelungstätigkeit handelt, in deren Rahmen die Eigentumseingriffe erfolgen, macht den Bereich der regulativen Eigentumseingriffe so umstritten. Diese treten nicht in Ausnahmesituationen auf, wie etwa Nationalisierungen im großen Stil, wie sie von Entwicklungsländern oder sozialistischen Staaten vorgenommen worden waren, um eine Neuorientierung der Wirtschaftspolitik vornehmen zu können. Auch handelt es sich typischerweise nicht um Maßnahmen in einer postrevolutionären Situation, wie sie vom IUSCT zu beurteilen waren. Zudem hat sich die Position verändert, in der sich die einzelnen Staaten befinden. Frühere typische Investitionsempfängerstaaten, wie etwa China, haben heute zum Teil eigene Investoren zu vertreten. Traditionell auf Seiten der Kläger stehende und daher einen starken Investitionsschutz befürwortende Staaten, wie etwa die USA finden sich zunehmend aufgrund regulativer Maßnahmen, die von Bundesstaaten ergriffen wurden, in der Rolle des Beklagten. Nur so kann auch die restriktive Ausgestaltung des Eigentumsschutz in den ModellBITs376 der USA und Kanadas sowie in jüngeren von diesen Staaten abgeschlossenen BITs und FTAs377 verstanden werden, auf die bereits bei der Erörterung der völkervertragsrechtlichen Regelungen eingegangen wurde.378 In einer Reihe von Schiedssprüchen wurde die Auffassung vertreten, dass auch nicht diskriminierende regulative Maßnahmen vom Enteignungsbegriff ___________ S.D. Myers, Inc. v. Government of Canada, (NAFTA), First Partial Award, 13 November 2000, 8 ICSID Reports 18: […] Regulatory conduct by public authorities is unlikely to be the subject of legitimate complaint under Article 1110 of the NAFTA, although the Tribunal does not rule out that possibility. (§ 281). Feldman v. Mexico, (NAFTA), Award, 16 December 2002, 7 ICSID Reports 341: No one can seriously question that in some circumstances government regulatory activity can be a violation of Article 1110. (§ 110). ADC Affiliate Limited and ADC & ADMC Management Limited v. Republic of Hungary, (Cyprus/Hungary BIT), Award of 2 October 2006, http://ita.law.uvic.ca/docu ments/ADCvHungaryAward.pdf: The Tribunal cannot accept the Respondent’s position that the actions taken by it against the Claimants were merely an exercise of its rights under international law to regulate its domestic economic and legal affairs. It is the Tribunal’s understanding of the basic international law principles that while a sovereign State possesses the inherent right to regulate its domestic affairs, the exercise of such right is not unlimited and must have its boundaries. … when a State enters into a bilateral investment treaty like the one in this case, it becomes bound by it and the investment-protection obligations it undertook therein must be honoured rather than be ignored by a later argument of the State’s right to regulate. (§ 423). Das Schiedsgericht stellte in der Folge das Vorliegen einer Enteignung fest. (§ 426). 376 Siehe oben S. 262, FN 282. 377 Siehe oben S. 264, FN 283. 378 Siehe dazu oben S. 262 ff.

B. Die Enteignung

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grundsätzlich umfasst und daher am Maßstab der entsprechenden Normen auf das Vorliegen einer Enteignung hin zu überprüfen sind.379 Besonders deutlich ___________ 379 Siehe z.B.: Pope & Talbot v. Canada, (NAFTA), Interim Award, 26 June 2000, 7 ICSID Reports 69. Der Fall betraf mit den USA vertraglich abgestimmte, kanadische Exportbeschränkungen für Weichholzprodukte. Das Schiedsgericht führte aus, dass zwar nicht jede regulative Maßnahme eine Enteignung sei, dass aber auch nicht diskriminierende regulative Tätigkeiten, die in die so genannten „police powers“ eines Staates fallen, am Maßstab des Artikels 1110 NAFTA zu prüfen seien. […] the scope of article 1110 does cover nondiscriminatory regulation that might be said to fall within an exercise of a state’s so-called police powers. (§ 96). Indeed much creeping expropriation could be conducted by regulation, and a blanket exception for regulatory measures would create a gaping loophole in international protection against expropriation. (§ 99). This is not to say that every regulatory restraint can be likened to expropriation. The Restatement recognizes that the distinction between taking and regulation is not always clear but may rest on the degree of interference with the property interest. (Fußnote 73). Im Fall S.D. Myers v. Canada (S.D. Myers, Inc. v. Government of Canada, (NAFTA), First Partial Award, 13 November 2000, 8 ICSID Reports 18) beanstandete der amerikanische Investor ein vorübergehendes kanadisches Ausfuhrverbot für gefährliche Abfallstoffe (PCB). Im Hinblick auf regulative Enteignungen führte das Schiedsgericht aus, dass es zwar unwahrscheinlich aber nicht ausgeschlossen sei, dass regulative Maßnahmen Gegenstand einer berechtigten Beschwerde aufgrund von Artikel 1110 NAFTA seien. […] The Interim Order and the Final Order were regulatory acts that imposed restrictions on SDMI. The general body of precedent usually does not treat regulatory action as amounting to expropriation. Regulatory conduct by public authorities is unlikely to be the subject of legitimate complaint under Article 1110 of the NAFTA, although the Tribunal does not rule out that possibility. (§ 281). In Metalclad gg Mexiko (Metalclad Corp. v. United Mexican States, (NAFTA), Award, 30 August 2000, 5 ICSID Reports 212) wurde vom Schiedsgericht eine schleichende Enteignung einer Mülldeponie festgestellt. Diese erfolgte durch eine Kette von Akten, deren letztes Glied die Verweigerung der Baugenehmigung durch die lokalen Behörden war. Unabhängig davon wertete das Schiedsgericht den Umstand, dass die Provinzregierung das betroffene Grundstück zum Teil eines nationalen Schutzgebiets zur Erhaltung einer seltenen Kakteenart erklärt hatte, als Maßnahme mit enteignungsgleicher Wirkung, weil es den Betrieb der Anlage für immer ausschloss. Although not strictly necessary for its conclusion, the Tribunal also identifies as a further ground for a finding of expropriation the Ecological Decree issued by the Governor of SLP on September 20, 1997. This Decree covers an area of 188,758 hectares within the “Real de Guadalcazar” that includes the landfill site, and created therein an ecological preserve. This Decree had the effect of barring forever the operation of the landfill. (§ 109). The Tribunal need not decide or consider the motivation or intent of the adoption of the Ecological Decree. Indeed, a finding of expropriation on the basis of the Ecological Decree is not essential to the Tribunal’s finding of a violation of NAFTA Article 1110. However, the Tribunal considers that the implementation of the Ecological Decree would, in and of itself, constitute an act tantamount to expropriation. (§ 111).

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2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

formulierten die Schiedsgerichte in Tecmed380 und Feldman381 das Dilemma zwischen den Interessen der Staaten, entschädigungslos regulierend einzugreifen, und den Interessen der Betroffenen, nicht entschädigungslos enteignet zu werden. Im Sinne der letzteren stellte das Tecmed Schiedsgericht fest, dass regulative Maßnahmen nicht von Anfang an von der Definition der Enteignung ausgeschlossen seien. The principle that the State’s exercise of its sovereign powers within the framework of its police power may cause economic damage to those subject to its powers as administrator without entitling them to any compensation whatsoever is undisputable.382 After establishing that regulatory actions and measures will not be initially excluded from the definition of expropriatory acts, …383

Auch das Feldman Schiedsgericht weist auf eine Reihe regulativer Maßnahmen hin, die in der Vergangenheit als Enteignungen gewertet wurden und betont zugleich, dass nicht jeder Eingriff in Investorenrechte entschädigungspflichtig sei. The Tribunal notes that the ways in which governmental authorities may force a company out of business, or significantly reduce the economic benefit of its business, are many. In the past, confiscatory taxation, denial of access to infrastructure or necessary raw materials, imposition of unreasonable regulatory regimes, among others, have been considered to be expropriatory actions. At the same time, governments must be free to act in the broader public interest through protection of the environment, new or modified tax regimes, the granting or withdrawal of government subsidies, reductions or increases in tariff levels, imposition of zoning restrictions and the like. Reasonable governmental regulation of this type cannot be achieved if any business that is adversely affected may seek compensation, and it is safe to say that customary international law recognizes this.384

Zwei rezente Schiedssprüche, Methanex385 und Saluka386, gehen jedoch in eine gänzlich andere Richtung: Sie behaupten, dass nach allgemeinem Völkerrecht eine nicht diskriminierende Maßnahme im öffentlichen Interesse, die un___________ 380

Técnicas Medioambientales Tecmed, S. A. v. United Mexican States, (Spain/ Mexico BIT), Award, 29 May 2003, 10 ICSID Reports 134. Zum Sachverhalt siehe, S. 273, 351. 381 Feldman v. Mexico, (NAFTA), Award, 16 December 2002, 7 ICSID Reports 341. 382 Técnicas Medioambientales Tecmed, S. A. v. United Mexican States, (Spain/ Mexico BIT), Award, 29 May 2003, 10 ICSID Reports 134, § 119. 383 Ibid., § 122. 384 Feldman v. Mexico, (NAFTA), Award, 16 December 2002, 7 ICSID Reports 341, § 103. 385 MethanexCorp. v. USA, (NAFTA), Final Award, 3 August 2005, http://ita.law. uvic.ca/documents/MethanexFinalAward.pdf. 386 Saluka Investments BV v. Czech Republic, (Dutch/Czech BIT), Partial Award, 17 March 2006, http://ita.law.uvic.ca/documents/Saluka-PartialawardFinal.pdf.

B. Die Enteignung

295

ter Einhaltung der Verfahrensgrundsätze eines ordentlichen Verfahrens zustande gekommen sei und unter anderem ausländische Investoren betreffe, nicht als Enteignung oder als entschädigungspflichtig anzusehen sei, wenn nicht seitens der Regierung besondere Zusicherungen gegeben worden seien: [A]s a matter of general international law, a non-discriminatory regulation for a public purpose, which is enacted in accordance with due process and, which affects, inter alios, a foreign investor or investment is not deemed expropriatory and compensable unless specific commitments had been given by the regulating government to the then putative foreign investor contemplating investment that the government would refrain from such regulation.387

Die Fälle sind gute Beispiele für das sehr komplexe Problem, eine geeignete Abgrenzung zwischen zulässigem und unter Umständen sogar gefordertem staatlichen Handeln und einem entschädigungspflichtigen Eingriff in Eigentumsrechte zu finden. Die von diesen beiden Schiedsgerichten eingeschlagene Judikaturlinie würde jedoch, falls sie beibehalten würde, zu einer beträchtlichen Schutzlücke im internationalen Investitionsschutz führen, weil jede nicht diskriminierende, im öffentlichen Interesse erlassene in Eigentumsrechte eingreifende Maßnahme automatisch und unabhängig von ihren Konsequenzen keine Enteignung wäre. Wesentlich erscheint daher, dass die zur Abgrenzung herangezogenen Kriterien eine ausgewogene und alle auf dem Spiel stehenden Interessen ausreichend berücksichtigende Entscheidung über das Vorliegen einer Enteignung ermöglichen. Denn die Frage nach dem Vorliegen einer regulativen Enteignung oder einer sonstigen regulativen Maßnahme spitzt sich letztlich darauf zu, wer für die Kosten des regulativen Eingriffs zur Erreichung des öffentlichen Interesses aufzukommen hat: die Öffentlichkeit oder der Investor.

cc) Indirekte Enteignung oder zulässige entschädigungslose Regulierung Die meisten BITs, FTAs und multilateralen Verträge überlassen es den Schiedsrichtern, festzulegen, wann eine Enteignung vorliegt.388 Daher kommt bei der Entwicklung praktikabler Abgrenzungskriterien zwischen indirekter Enteignung und keine Entschädigung erfordernden regulativen Maßnahmen der Rechtsprechung und der Literatur eine wichtige Rolle zu. ___________ 387

MethanexCorp. v. USA, (NAFTA), Final Award, 3 August 2005, Part IV – Chapter D, § 7, http://ita.law.uvic.ca/documents/MethanexFinalAward.pdf. 388 Siehe dazu oben, S. 258 ff. I.d.S. auch R. Dolzer, Indirect Expropriation of Alien Property, 1 ICSID ReviewForeign Investment Law Journal (1986) 41, S. 55.

296

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

In Anbetracht der Risken, die sowohl für Investoren wie für Staaten auf dem Spiel stehen, ist ein hohes Maß an Rechtssicherheit anzustreben. Für potentielle Investoren kann es für die Entscheidung, eine Investition zu tätigen oder zu unterlassen, erheblich sein, zu wissen, welche Arten von regulativen Eingriffen erfolgen können, ohne dass eine Entschädigung (sei es vom Staat oder einer Versicherung) geleistet wird. Die Staaten sind in ihrer regulativen Tätigkeit beeinträchtigt, wenn nicht abschätzbar ist, ob bestimmte Maßnahmen (etwa im Bereich des Schutzes der Gesundheit) zu eventuell erheblichen Entschädigungsverpflichtungen führen. Diese könnten unter Umständen in den öffentlichen Ressourcen keine Deckung finden. Daher ist die Existenz möglichst klarer, alle Interessen angemessen berücksichtigender Kriterien von besonderer Bedeutung. In der Folge soll nun, nachdem das Problem der indirekten Enteignungen grundsätzlich aufgezeigt wurde, auf die Kriterien eingegangen werden, die Schiedsgerichte ihren Entscheidungen, ob eine Enteignung vorliegt oder nicht, zugrunde gelegt haben. Ferner soll auf die zwei Doktrinen zur indirekten Enteignung eingegangen werden, welche die Judikatur der Investitionsschiedsgerichte in diesem Bereich dominieren. Die eine wurde in der Literatur als „Sole-effects“-Doktrin bezeichnet, die andere verschiedentlich als „Police-powers“-Doktrin.389 Sie bilden die beiden Extrempositionen und kommen in der Praxis in unterschiedlich radikaler Form zum Tragen. Der maßgebliche Unterschied zwischen den beiden Doktrinen besteht in den Kriterien, die sie zur Feststellung des Vorliegens einer indirekten Enteignung heranziehen.

___________ 389

R. Dolzer, Indirect Expropriations: New Developments?, 11 N.Y.U. Environmental Law Journal, 2003, 64–93, S. 79 ff.; siehe dazu z.B.: A. Siwy, Indirect Expropriation and the Legitimate Expectations of the Investor, in: C. Klausegger u.a. (Hrsg.), Austrian Arbitration Yearbook 2007, 355–377; L. Y. Fortier/S. L. Drymer, Indirect Expropriation in the Law of International Investment: I Know It When I See It, or Caveat Investor, 19 ICSID Review, Foreign Investment Law Journal 2004, S. 293 ff.; R. Dolzer/F. Bloch, Indirect Expropriation: Conceptual Realignments?, 5 International FORUM de droit international, 2003, 155–165; W. M. Reisman/R. D. Sloane, Indirect Expropriation and its Valuation in the BIT Generation, 74 The British Year Book of International Law 2003, S.130 ff.; T. Waelde/A. Kolo, Environmental Regulation, Investment Protection and ‚Regulatory Taking’ in International Law, 50 ICLQ 2001, S. 811 ff.; G. C. Christie, What Constitutes a Taking of Property under International Law?, 38 British Year Book of International Law 1962, 307, S. 310.

B. Die Enteignung

297

Abbildung 8: Kriterien, die jeweils zur Feststellung einer Enteignung herangezogen werden

(1) Die Auswirkungen des Eingriffs Zunächst wird erörtert, wie die Auswirkungen eines Eingriffs beschaffen sein müssen, damit die Schiedsgerichte eine Enteignung annehmen. Im Anschluss daran wird die „Sole-effects“-Doktrin analysiert, die nur die Auswirkungen des Eingriffs auf die Investition heranzieht, um festzustellen, ob eine Enteignung vorliegt. Viele Autoren sehen in der Schwere der wirtschaftlichen Auswirkungen den Schlüssel zur Entscheidung darüber, ob eine indirekte Enteignung oder eine Maßnahme mit enteignungsgleicher Wirkung vorliegt.390 So weist etwa Dolzer in einer Untersuchung zu indirekten Enteignungen darauf hin, dass die Schwere der Maßnahme und die Auswirkungen auf die Nutzungsmöglichkeiten für den ___________ 390 B. H. Weston, „Constructive Takings“ under International Law: A Modest Foray into the Problem of „Creeping Expropriation“, 16 Virginia Journal of International Law 1995, 103, S. 119 f.; R. Dolzer/M. Stevens, Bilateral Investment Treaties, 1995, S. 100; T. Waelde/A. Kolo, Environmental Regulation, Investment Protection and ‚Regulatory Taking’ in International Law, 50 ICLQ 2001, 811, S. 837 f.; R. Dolzer, Indirect Expropriations: New Developments?, 11 N.Y.U. Environmental Law Journal, 2003, 64, S. 79; G. H. Sampliner, Arbitration of Expropriation Cases Under U.S. Investment Treaties – A Threat to Democracy or the Dog That Didn’t Bark?, 18 ICSID Review-Foreign Investment Law Journal 2003, 1, S. 11–13; L. Y. Fortier/S. L. Drymer, Indirect Expropriation in the Law of International Investment: I Know It When I See It, or Caveat Investor, 19 ICSID Review, Foreign Investment Law Journal 2004, S. 293 ff.; N. Rubins/N. S. Kinsella, International Investment, Political Risk and Dispute Resolution, 2005, S. 206 f.; C. Schreuer, The Concept of Expropriation under the ETC and other Investment Protection Treaties, in: C. Ribeiro (Hrsg.), Investment Arbitration and the Energy Charter Treaty, 2006, 108, S. 115.

298

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

Eigentümer zentrale Faktoren bei der Entscheidung sind, ob es zu einer Enteignung gekommen ist: No one will seriously doubt that the severity of the impact upon the legal status, and the practical impact on the owner’s ability to use and enjoy his property, will be a central factor in determining whether a regulatory measure effects a taking.391

Auch Kommentar g zu §712 des Third Restatement des Foreign Relations Law der Vereinigten Staaten,392 der Ausführungen zu den Merkmalen von Enteignungen enthält, nimmt auf die Auswirkungen eines Eigentumseingriffs als relevantes Merkmal von indirekten Enteignungen Bezug, wenn er anführt: Subsection (1) applies not only to avowed expropriations in which the government formally takes title to property, but also to other actions of the government that have the effect of “taking” the property, in whole or in large part, outright or in stages (“creeping expropriation”).393

Ebenso wie für den EGMR waren für Investitionsschiedsgerichte die wirtschaftlichen Auswirkungen von Eigentumseingriffen ein wichtiges Kriterium, um festzustellen, ob ein Eingriff als Enteignung zu werten ist. Dies zeigen die in der nachfolgenden Tabelle angeführten Beispiele: Biloune and Marine Drive Complex Ltd. v. Ghana394 What is clear is that the conjunction of the stop work order, the demolition, the summons, the arrest, the detention, the requirement of filing assets declaration forms, and the deportation of Mr. Biloune without possibility of re-entry had the effect of causing the irreparable cessation of work on the project. Given the central role of Mr Biloune in promoting, financing and managing MDCL, his expulsion from the country effectively prevented MDCL from further pursuing the project. In the view of the Tribunal, such prevention of MDCL from pursuing its approved project would constitute constructive expropriation of MDCL’s contractual rights in the project and, accordingly, the expropriation of the value of Mr Biloune’s interest in MDCL ... (S. 209).

Compañía del Desarrollo de Santa Elena S.A. v. Republic of Costa Rica395 … a property has been expropriated where the effect of the measures taken by the states has been to deprive the owner of title possession or access to the benefit and economic use of his property. (§77).

___________ 391 R. Dolzer, Indirect Expropriations: New Developments? 11 N.Y.U. Environmental Law Journal, 2003, 64, S. 79. 392 Restatement (Third) of the Foreign Relations Law of the United States, American Law Institute, Vol. 2, 1986, S. 196 ff. 393 Vol. 2, S. 200. Hervorhebung durch die Autorin. 394 Biloune and Marine Drive Complex Ltd. v. Ghana Investments Centre and the Government of Ghana, (Investment Agreement), Award on Jurisdiction and Liability, 27 October 1989, 95 ILR 184, S. 209. Hervorhebung durch die Autorin. 395 Compañía del Desarrollo de Santa Elena S.A. v. Republic of Costa Rica, (Ad-hoc Agreement), Award, 17 February 2000, 5 ICSID Reports 153, §§ 77, 78. Hervorhebung durch die Autorin.

B. Die Enteignung

299

… The expropriated property is to be evaluated as of the date on which the governmental “interference” has deprived the owner of his rights or has made those rights practically useless. (§78). Pope & Talbot v. Canada396 Even accepting (for the purpose of this analysis) the allegations of the Investor concerning diminished profits, the Tribunal concludes that the degree of interference with the Investment’s operations due to the Export Control regime does not rise to an expropriation (creeping or otherwise) within the meaning of Article 1110. While it may sometimes be uncertain whether a particular interference with business activities amounts to an expropriation, the test is whether that interference is sufficiently restrictive to support a conclusion that the property has been “taken” from the owner. … at the hearing, the Investor’s Counsel conceded, correctly, that under international law, expropriation requires a “substantial deprivation”. (§102).

Metalclad Corp. v. Mexico397 … expropriation under NAFTA includes not only open, deliberate and acknowledged takings of property, such as outright seizure or formal or obligatory transfer of title in favor of the host State, but also covert or incidental interference with the use of property which has the effect of depriving the owner, in whole or in significant part, of the use or reasonably-to-be expected economic benefit of property …(§103).

S. D. Myers v. Canada398 An expropriation usually amounts to a lasting removal of the ability of an owner to make use of its economic rights although it may be that, in some contexts and circumstances, it would be appropriate to view a deprivation as amounting to an expropriation, even if it were partial or temporary. (§283).

Wena Hotels Ltd. v. Egypt399 Here, the Tribunal has no difficulty finding that the actions previously described constitute such an expropriation. Whether or not it authorized or participated in the actual seizure of the hotels, Egypt deprived Wena of its “fundamental rights of ownership” by allowing EHC forcibly to seize the hotels, to possess them illegally for nearly a year, and to return the hotels stripped of much of their furniture and fixtures. … Putting aside various other improper actions, allowing an entity (over which Egypt could exert effective control) to seize and illegally possess the hotels for nearly a year is more that an ephemeral interference “in the use of that property or with the enjoyment of its benefits”. (§99).

___________ 396 Pope & Talbot v. Canada, (NAFTA), Interim Award, 26 June 2000, 7 ICSID Reports 69, § 102. Hervorhebung durch die Autorin. 397 Metalclad Corp. v. United Mexican States, (NAFTA), Award, 30 August 2000, 5 ICSID Reports 212, § 103. Hervorhebung durch die Autorin. 398 S.D. Myers, Inc. v. Government of Canada, (NAFTA), First Partial Award, 13 November 2000, 8 ICSID Reports 18, § 283. Hervorhebung durch die Autorin. 399 Wena Hotels Ltd. v. Arab Republic of Egypt, (United Kingdom/Egypt BIT), Award, 8 December 2000, 6 ICSID Reports 89, § 99. Hervorhebung durch die Autorin.

300

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

CME v. The Czech Republic400 De facto expropriations or indirect expropriations, i.e. measures that do not involve an overt taking but that effectively neutralize the benefit of the property of the foreign owner, are subject to expropriation claims. This is undisputed under international law ... (§604).

Lauder v. The Czech Republic401 The concept of indirect (or “de facto”, or “creeping”) expropriation is not clearly defined. Indirect expropriation or nationalization is a measure that does not involve an overt taking, but that effectively neutralizes the enjoyment of the property. (§200).

Middle East Cement Shipping and Handling Co. S.A. v. Egypt402 When measures are taken by a State the effect of which is to deprive the investor of the use and benefit of his investment even though he may retain nominal ownership of the respective rights being the investment, the measures are often referred to as a “creeping” or “indirect” expropriation or, as in the BIT, as measures “the effect of which is tantamount to expropriation.” As a matter of fact, the investor is deprived by such measures of parts of the value of his investment. This is the case here, and, therefore, it is the Tribunal’s view that such a taking amounted to an expropriation within the meaning of Art. 4 of the BIT and that, accordingly, Respondent is liable to pay compensation therefor. (§107).

Tecnicas Medioambientales Tecmed S. A. v. Mexico403 To establish whether the Resolution is a measure equivalent to an expropriation under the terms of section 5(1) of the Agreement, it must be first determined if the Claimant, due to the Resolution, was radically deprived of the economical use and enjoyment of its investments, as if the rights related thereto – such as the income or benefits related to the Landfill or to its exploitation – had ceased to exist. In other words, if due to the actions of the Respondent, the assets involved have lost their value or economic use for their holder and the extent of the loss. This determination is important because it is one of the main elements to distinguish, from the point of view of an international tribunal, between a regulatory measure, which is an ordinary expression of the exercise of the state’s police power that entails a decrease in assets or rights, and a de facto expropriation that deprives those assets and rights of any real substance. (§115).

___________ 400 CME v. The Czech Republic, (The Netherlands/Czech Republic BIT), Partial Award, 13 September 2001, 9 ICSID Reports 121, § 604. Hervorhebung durch die Autorin. 401 Lauder v. The Czech Republic, (United States/Czech Republic BIT), Final Award, 3 September 2001, 9 ICSID Reports 66, § 200. Hervorhebung durch die Autorin. 402 Middle East Cement Shipping and Handling Co. S. A. v. Arab Republic of Egypt, (Greece/Egypt BIT), Award, 12 April 2002, 7 ICSID Reports 178, § 107. Hervorhebung durch die Autorin. 403 Técnicas Medioambientales Tecmed, S. A. v. United Mexican States, (Spain/Mexico BIT), Award, 29 May 2003, 10 ICSID Reports 134, § 115. Hervorhebung durch die Autorin.

B. Die Enteignung

301

Generation Ukraine Inc. v. Ukraine404 The Tribunal finds that the conduct of the Kyiv City State Administration ... does not come close to creating a persistent or irreparable obstacle to the Claimant’s use, enjoyment or disposal of its investment. (20.32).

Consortium RFCC c/Royaume du Maroc405 La sentence Metalclad confirme qu’une expropriation peut survenir alors que la mesure prise n’est pas à proprement parler un acte réglementaire mais une simple interférence de l’Etat d’accueil dans les droits de l’investisseur qui a pour effet de priver le propriétaire, totalement ou en grande partie, de son investissement. (§64). Les effets des mesures prises doivent avoir une certaine intensité pour que celles-ci puissent être qualifiées de mesures équivalentes à l’expropriation. (§67).

Waste Management, Inc. v. Mexico406 [R]ather the question is whether the combined conduct of Mexican public entities had an effect equivalent to the taking of the enterprise, in whole or substantial part. (§155).

Occidental Exploration and Production Co. v. Ecuador407 The Tribunal in Lauder rightly explained that: …In general, expropriation means the coercive appropriation by the State of private property, usually by means of individual administrative measures. Nationalization involves large-scale takings on the basis of an executive or legislative act for the purpose of transferring property or interests into the public domain. The concept of indirect (or “de facto”, or “creeping”) expropriation is not clearly defined. Indirect expropriation or nationalization is a measure that does not involve an overt taking, but that effectively neutralized the enjoyment of the property. (§84).

GAMI Investment Inc. v. Mexico408 The notion must be understood as this: the affected property must be impaired to such an extent that it must be seen as “taken”. (§126). With knowledge of the magnitude of diminution one might be in a position to consider whether a line is to be drawn beyond which the loss is so great as to constitute a taking. But GAMI has staked its case on the proposition that the wrong done to it did in fact destroy the whole value of its investment. ... This posture is untenable. The Tribunal

___________ 404

Generation Ukraine Inc. v. Ukraine, (United States/Ukraine BIT), Award, 16 September 2003, 10 ICSID Reports 240, § 20.32. Hervorhebung durch die Autorin. 405 Consortium RFCC c/Royaume du Maroc, Award, 22 December 2003, §§ 64, 67, http://ita.law.uvic.ca/documents/ConsortiumRFCC-Award_000.pdf. 406 Waste Management, Inc. v. United Mexican States, (NAFTA), Award, 30 April 2004, 43 ILM (2004) 967, § 155. Hervorhebung durch die Autorin. 407 Occidental Exploration and Production Co. v. Ecuador, (US/Ecuador BIT), Award, 1 July 2004, 12 ICSID Reports 59, § 84. Hervorhebung durch die Autorin. 408 GAMI Investment Inc. v. Mexico, (NAFTA), Award, 15 November 2004, http:// ita.law.uvic.ca/documents/Gami.pdf, §§ 126, 133. Hervorhebung durch die Autorin.

302

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

cannot be indifferent to the true effect on the value of the investment of the allegedly wrongful act. ... GAMI has not proved that its investment was expropriated for the purposes of Article 1110. (§133).

CMS Gas Transmission Company v. Argentina409 … the essential question is … to establish whether the enjoyment of the property has been effectively neutralised. The standard that a number of tribunals have applied in recent cases where indirect expropriation has been contested is that of substantial deprivation. (§262).

Bayindir Insaat Turizm Ticaret ve Sanayi A.Ş. v. Pakistan410 As it has been consistently held in investment cases, expropriation may arise out of a simple interference by the host State in the investor’s rights with the effect of depriving the investor – totally or to a significant extent – of its investment. (§255).

Telenor Mobile Communications A.S. v. Hungary411 … the mere exercise by government of regulatory powers that create impediments to business or entail the payment of taxes or other levies does not by itself constitute expropriation…. The conduct complained of must be such as to have a major adverse impact on the economic value of the investment. (§64). …the interference with the investor’s rights must be such as substantially to deprive the investor of the economic value, use or enjoyment of its investment. (§65).

LG&E v. Argentina412 … in evaluating the degree of the measure’s interference with the investor’s right to ownership, one must analyze the measure’s economic impact … In many arbitral decisions, the compensation has been denied when it has not affected all or almost all the investment’s economic value. Interfernce with the investment’s ability to carry on its business is not satisfied where the investment continues to operate, even if profits are diminished. The impact must be substantial in order that compensation may be claimed for the expropriation. (§192).

___________ 409 CMS Gas Transmission Company v. Argentine Republic, (US/Argentina BIT), Award, 12 May 2005, http://ita.law.uvic.ca/documents/CMS_FinalAward_000.pdf, § 262. Hervorhebung durch die Autorin. 410 Bayindir Insaat Turizm Ticaret ve Sanayi A.Ş. v. Islamic Republic of Pakistan, (Turkey/Pakistan BIT), Decision on Jurisdiction, 14 November 2005, http://ita.law. uvic.ca/documents/Bayindr-jurisdiction.pdf, § 255. Hervorhebung durch die Autorin. 411 Telenor Mobile Communications A.S. v. Hungary, (Norway/Hungary BIT), Decision on Jurisdiction, 13 September 2006, http://www.investmentclaims.com/decisions/ Telenor_Mobile-Hungary-Award-13-09-06.pdf. Hervorhebung durch die Autorin. 412 LG&E Energy Corp, LG&E Capital Corp., LG&E International Inc. v. Argentine Republic, (US/Argentina BIT), Award, 3 October 2006, http://ita.law.uvic.ca/docu ments/LGEArgentinaLiability.pdf. Hervorhebung durch die Autorin. Fußnote ausgelassen.

B. Die Enteignung

303

Vivendi II413 Where, as here, there has been no taking or dispossession, as such, and the question turns on whether there have been measures equivalent to expropriation which have had an effect similar to the dispossession of Claimants’ rights and expectations, it is necessary to consider whether the challenged measures have or will (i) radically deprive Claimants of the economic use and enjoyment of its investment – Tecmed, (ii) effectively neutralise the benefit of Claimants’ property – CME, (iii) deprive the owner of the benefit and economic use of its contractual rights – Santa Elena, (iv) render Claimants’ property rights useless – Starrett Housing, or have a similar dispossessory effect. (7.5.24)

Hinsichtlich der Art und Weise, wie sich das Kriterium der Auswirkungen zu manifestieren hat, unterscheiden sich auf den ersten Blick sowohl die gestellten Anforderungen als auch die Terminologie, wie die angeführten Beispiele verdeutlichen sollen: –

„taking of property may occur by virtue of unreasonable interference in the use of that property“;414



„the owner has been deprived of fundamental rights of ownership and it appears that this deprivation is not merely ephemeral“;415



„it is recognized under international law that measures taken by a State can interfere with property rights to such an extent that these rights are rendered so useless that they must be deemed to have been expropriated, …“;416



„deprived their investment of all utility and deprived the claimant investor of the benefit they could have expected from their investment“; 417

___________ 413 Compañía de Aguas del Aconquija S. A. and Vivendi Universal v. Argentine Republic (Vivendi II), (France/Argentina BIT), Award, 20 August 2007, http://ita.law. uvic.ca/documents/VivendiAwardEnglish.pdf. Hervorhebung durch die Autorin. Fußnoten im Zitat wurden ausgelassen. 414 Siehe z.B.: IUSCT, Harza Engineering Company v. The Islamic Republic of Iran, Award No. 19-98-2, 30 December 1982, 1 IUSCTR 499, S. 504; Ataollah Golpira v. The Government of the Islamic Republic of Iran, Award No. 32-211-2, 29 March 1983, 2 IUSCTR 171, S. 176 f. 415 IUSCT, Tippetts, Abbett, McCarthy, Stratton v. TAMS-AFFA Consulting Engineers of Iran, Award No. 141-7-2, 29 June 1984, 6 IUSCTR 219, S. 225; Wena Hotels Ltd. v. Arab Republic of Egypt, (United Kingdom/Egypt BIT), Award, 8 December 2000, 6 ICSID Reports 89, § 98. Hervorhebung durch die Autorin. 416 IUSCT, Starrett Housing Corp. v. Government of the Islamic Republic of Iran, Award No. ITL 32-24-1, 19 December 1983, 4 IUSCTR 122, S. 154. 417 Antoine Goetz and Others v. Republic of Burundi, Award, 10 February 1999, 6 ICSID Reports 5, § 124. Wobei in diesem Fall zu beachten ist, dass aufgrund des BITs

304

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht



„effect of the measures taken … has been to deprive the owner of title, possession or access to the benefit and economic use of his property … deprived the owner of his rights or has made those rights practically useless“;418



„the test is whether that interference has been sufficiently restrictive to support a conclusion that the property has been ‚taken’ from the owner. ... under international law, expropriation requires a ‚substantial deprivation’“;419



„has the effect of depriving the owner, in whole or in significant part, of the use or reasonably-to-be expected economic benefit of property“;420



„an expropriation ... amounts to a lasting removal of the ability of an owner to make use of its economic rights“;421



„measure ... that effectively neutralize the benefit of the property of the foreign owner“;422

___________ bereits eine Eigentumsbeschränkung zu einer Verletzung führt. Hervorhebung durch die Autorin. 418 Compañía del Desarrollo de Santa Elena S.A. v. Republic of Costa Rica, (Ad-hoc Agreement), Award, 17 February 2000, 5 ICSID Reports 153, §§ 77, 78. 419 Pope & Talbot v. Canada, (NAFTA), Interim Award, 26 June 2000, 7 ICSID Reports 69, § 102; ähnlich GAMI Investment Inc. v. Mexico, (NAFTA), Award, 15 November 2004, http://ita.law.uvic.ca/documents/Gami.pdf § 126; auch das CMS Schiedsgericht (ICSID (US/Argentina BIT), CMS Gas Transmission Company v. Argentine Republic, Award, 12 May 2005, http://ita.law.uvic.ca/documents/CMS_FinalAward _00 0.pdf) stellte auf eine „substantial deprivation“ ab (§ 262); das Occidental Schiedsgericht (Occidental Exploration and Production Co. v. Ecuador, (US/Ecuador BIT), Award, 1 July 2004, 12 ICSID Reports 59, § 89) führte aus, dass sogar diese weite Definition nicht erfüllt sei, engere um so weniger. Hervorhebung durch die Autorin. 420 Metalclad Corp. v. United Mexican States, Award, 30 August 2000, 5 ICSID Reports 212, § 103. Wird vom CME Schiedsgericht (CME v. The Czech Republic, (Netherlands/Czech Republic BIT), Partial Award, 13 September 2001, 9 ICSID Reports 121, § 606) auch angeführt, wobei unklar bleibt, in welchem Verhältnis im CME Fall die verwendeten Standards zueinander stehen. Auch das Occidental Schiedsgericht (Occidental Exploration and Production Co. v. Ecuador, (US/Ecuador BIT), Award, 1 July 2004, 12 ICSID Reports 59) nimmt unter anderem auf diesen Standard Bezug (§ 89); auch das Schiedsgericht in EnCana (EnCana Corporation v. Republic of Ecuador, (Canada/Ecuador BIT), Award, 3 February 2006, 12 ICSID Reports 427, § 177) greift auf diesen Standard zurück. Hervorhebung durch die Autorin. 421 S.D. Myers, Inc. v. Government of Canada, (NAFTA), First Partial Award, 13 November 2000, 8 ICSID Reports 18, § 283. Hervorhebung durch die Autorin. 422 CME v. The Czech Republic, (Netherlands/Czech Republic BIT), Partial Award, 13 September 2001, 9 ICSID Reports 121, § 604; Lauder v. The Czech Republic, (United States/Czech Republic BIT), Final Award, 3 September 2001, 9 ICSID Reports 66, § 200, die einzige Abweichung von der Formulierung in CME besteht darin, dass

B. Die Enteignung

305



„deprive the owner of the use and benefit of his investment“;423



„has not deprived the Claimant of control of the investment, ..., interfered directly in the internal operations ... or displaced the Claimant as the controlling shareholder“;424



„radically deprived of the economical use and enjoyment of its investment, as if the rights related thereto – such as benefits related to the Landfill or to its exploitation had ceased to exist. ... a de facto expropriation that deprives those assets and rights of any real substance“;425



„eroded investor’s rights to an extent that is violative of the relevant international standard of protection against expropriation“;426



„the Tribunal finds that the conduct of the …Administration does not come close to creating a persistent or irreparable obstacle to the Claimant’s use, enjoyment or disposal of its investment.“427



„qui a pour effet de priver le propriétaire, totalement ou en grande partie, de son investissement“;428 „avoir des effets substantiels d’une intensité certaine qui réduisent et/ou font disparaître les bénéfices légitimement attendus de l’exploitation des droits objets de ladite mesure à un point tel qu’ils rendent la détention des ces droits inutile“; 429

___________ „enjoyment“ statt „benefit“ verwendet wird; Occidental Exploration and Production Co. v. Ecuador, (US/Ecuador BIT), Award, 1 July 2004, 12 ICSID Reports 59, § 84 zitiert zustimmend die Passage aus Lauder; CMS Gas Transmission Company v. Argentine Republic, (US/Argentina BIT), Award, 12 May 2005, § 262, Quelle: http://ita.law.uvic. ca/documents/CMS_FinalAward_000.pdf. Hervorhebung durch die Autorin. 423 Middle East Cement Shipping and Handling Co. S. A. v. Arab Republic of Egypt, (Greece/Egypt BIT), Award, 12 April 2002, 7 ICSID Reports 178, § 107. Hervorhebung durch die Autorin. 424 Feldman v. Mexico, (NAFTA), Award, 16 December 2002, 7 ICSID Reports 341, § 152. Hervorhebung durch die Autorin. 425 Técnicas Medioambientales Tecmed, S. A. v. United Mexican States, (Spain/ Mexico BIT), Award, 29 May 2003, 10 ICSID Reports 134, § 102. Hervorhebung durch die Autorin. 426 Generation Ukraine Inc. v. Ukraine, (United States/Ukraine BIT), Award, 16 September 2003, 10 ICSID Reports 240, § 20.26. Hervorhebung durch die Autorin. 427 Ibid., § 20.32. Hervorhebung durch die Autorin. 428 Consortium R.F.C.C. v. Kingdom of Morocco, (Italy/Morocco BIT), Award, 22 December 2003, § 64, http://ita.law.uvic.ca/documents/ConsortiumRFCC-Award_000. pdf; Bayindir Insaat Turizm Ticaret ve Sanayi A.ù. v. Islamic Republic of Pakistan, (Turkey/Pakistan BIT), Decision on Jurisdiction, 14 November 2005, § 255, http://ita.law.uvic.ca/documents/Bayindr-jurisdiction.pdf, Hervorhebung durch die Autorin. 429 Consortium R.F.C.C. v. Kingdom of Morocco, (Italy/Morocco BIT), Award, 22 December 2003, § 69, http://ita.law.uvic.ca/documents/ConsortiumRFCC-Award_000. pdf. Hervorhebung durch die Autorin.

306

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht



„… at all times had the control and use of its property … The loss of benefits or expectations is not a sufficient criterion for an expropriation, even if it is a necessary one“;430



„there is an amplitude of authority for the proposition that when a State deprives an investor of the benefit of its contractual rights, directly or indirectly, it may be tantamount to a deprivation in violation of the type of provision contained in Article 5 of the treaty“;431



„… the interference with the investor’s rights must be such as substantially to deprive the investor of the economic value, use or enjoyment of its investment. “432



„… compensation has been denied when it has not affected all or almost all the investment’s economic value. … is not satisfied where the investment continues to operate, even if profits are diminished. The impact must be substantial in order that compensation may be claimed for the expropriation.“433



„… Claimants were radically deprived of the economic use and enjoyment of their investment, the benefits of which (…) had been effectively neutralised and rendered useless. … we conclude that the Province thus expropriated Claimants’ right of use and enjoyment of their investment under the Concession Agreement.“434

Inwieweit es sich hierbei lediglich um linguistische Unterschiede oder um inhaltliche Divergenzen handelt, soll anhand von zwei Komponenten für die Auswirkungen des Eingriffs überprüft werden: Die Schwere und die zeitliche Dimension des Eingriffs. ___________ 430 Waste Management, Inc. v. United Mexican States, (NAFTA), Award, 30 April 2004, 43 ILM (2004) 967, § 159. Hervorhebung durch die Autorin. 431 Eureko B.V. v. Republic of Poland, (Netherlands/Poland BIT), Partial Award, 19 August 2005, 12 ICSID Reports 335, § 241. Hervorhebung durch die Autorin. Fußnote ausgelassen. 432 Telenor Mobile Communications A.S. v. Hungary, (Norway/Hungary BIT), Decision on Jurisdiction, 13 September 2006, http://www.investmentclaims.com/ decisions/Telenor_Mobile-Hungary-Award-13-09-06.pdf, § 65. 433 LG&E Energy Corp, LG&E Capital Corp., LG&E International Inc. v. Argentine Republic, (US/Argentina BIT), Award, 3 October 2006, § 192, http://ita.law.uvic.ca/ documents/LGEArgentinaLiability.pdf. Hervorhebung durch die Autorin. Fußnote ausgelassen. 434 Compañía de Aguas del Aconquija S. A. and Vivendi Universal v. Argentine Republic (Vivendi II), (France/Argentina BIT), Award, 20 August 2007, http://ita.law. uvic.ca/documents/VivendiAwardEnglish.pdf, 7.5.34. Das Schiedsgericht greift dabei ausdrücklich auf die Standards in Tecmed, CME, Santa Elena und Starret Housing zurück.

B. Die Enteignung

307

(a) Die Schwere des Eingriffs Welche Schwere muss ein Eingriff erreichen, damit er als Enteignung zu werten ist? Muss ein Totalentzug vorliegen, oder reicht auch eine geringere Eingriffsintensität aus, um von einer Enteignung sprechen zu können? Um diese Fragen beantworten zu können, wurden die Begründungen analysiert, mit denen die einzelnen Schiedsgerichte das Vorliegen oder Nichtvorliegen von Enteignungen festgestellt haben. Methodisch ist vorweg anzumerken, dass oft selbst innerhalb eines Schiedsspruches unterschiedliche Standards erwähnt sind. Neben Zustimmung zu in anderen Schiedssprüchen verwendeten Standards werden teils auch eigene angeführt, und das Verhältnis der Standards zueinander bleibt oft unklar.435 Zum Teil wird nur aus dem Sachverhalt auf das Vorliegen einer Enteignung ohne ausdrückliche Nennung eines Standards geschlossen,436 bisweilen erfolgen explizite Ausführungen, ab wann von einer Enteignung auszugehen sei.437 ___________ 435

Siehe z.B.: CME v. The Czech Republic, (Netherlands/Czech Republic BIT), Partial Award, 13 September 2001, 9 ICSID Reports 121, §§ 604, 606. Das Occidental Schiedsgericht (Occidental Exploration and Production Co. v. Ecuador, (US/Ecuador BIT), Award, 1 July 2004, 12 ICSID Reports 59) führte unterschiedlichste Standards an (siehe z.B. die §§ 84, 87–89). Letztlich ist unklar, welchen es selbst als den relevanten ansah. Das GAMI Schiedsgericht (GAMI Investment Inc. v. Mexico, (NAFTA), Award, 15 November 2004, http://ita.law.uvic.ca/documents/Gami.pdf, …) schloss sich zunächst dem Pope & Talbot Schiedsgericht an (Pope & Talbot v. Canada, (NAFTA), Interim Award, 26 June 2000, 7 ICSID Reports 69, § 126), führte in der Folge eine Reihe von Schiedsgerichten an, die sich mit Teilentzügen zu beschäftigen hatten, um schließlich zum Ergebnis zu kommen, dass es selbst keine Entscheidung in der Frage, ob auch ein Teilentzug eine Enteignung sei, treffen müsse, weil ein Totalentzug geltend gemacht worden sei. Es lässt aber schließlich den Punkt offen und führt nur an, dass es bei Kenntnis des tatsächlichen Ausmaßes der Wertminderung in der Lage gewesen wäre, zu überlegen, wo die Grenze zur Enteignung hätte gezogen werden sollen. Auch das CMS Schiedsgericht (CMS Gas Transmission Company v. Argentine Republic, (US/Argentina BIT), Award, 12 May 2005, http://ita.law.uvic.ca/documents/ CMS_FinalAward_000.pdf) führte eine Reihe von Standards an, wobei unklar bleibt, wie es das Verhältnis dieser Standards zueinander bewertete. Schließlich scheint es auf den vom Pope & Talbot Schiedsgericht entwickelten Standard der „substantial deprivation“ zurückzugreifen und verneinte das Vorliegen einer Enteignung, weil der Investor die Kontrolle über die Investition noch innegehabt hätte. 436 Siehe z.B. Benvenuti & Bonfant v. Congo, Award, 8 August 1980, 67 ILR 1984, 345, 4.57, 4.58, 4.62, 4.73. Biloune and Marine Drive Complex Ltd. v. Ghana Investments Centre and the Government of Ghana, (Investment Agreement), Award on Jurisdiction and Liability, 27 October 1989, 95 ILR 184, S. 209: [The measures] had the effect of causing irreparable cessation of work on the project. ... such prevention of MDCL from pursuing its approved project would

308

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

Bevor die Frage beantwortet werden kann, wie schwerwiegend ein Eingriff sein muss, damit eine Enteignung vorliegt, müssen zwei Vorfragen beantwortet werden: zunächst jene, worin (in Eigentum oder eine Investition) eingegriffen werden muss, also nach dem Objekt des Eingriffs; und in der Folge jene, in welche Rechte des Bündels an Rechten,438 das an dem Objekt besteht, eingegriffen werden muss.

Abbildung 9: Abfolge der Prüfungsschritte zur Feststellung wie schwerwiegend ein Eingriff sein muss, damit eine Enteignung vorliegt

Ferner stellt sich das Problem, ob auch Teilenteignungen vom Schutzbereich umfasst sind. Der letzten Frage wird in einem eigenen Abschnitt nachgegangen.439 ___________ constitute constructive expropriation of MDCL’s contractual rights in the project and, accordingly, the expropriation of the value of Mr Biloune’s interest in MDCL. 437 Siehe z.B.: Antoine Goetz and Others v. Republic of Burundi, (Belgium-Luxembourg Economic Union/Burundi BIT), Award, 10 February 1999, 6 ICSID Reports 5, § 124; Compañía del Desarrollo de Santa Elena S.A. v. Republic of Costa Rica, (Ad-hoc Agreement), Award, 17 February 2000, 5 ICSID Reports 153, §§ 77,78; Pope & Talbot v. Canada, (NAFTA), Interim Award, 26 June 2000, 7 ICSID Reports 69, § 102; Metalclad Corp. v. United Mexican States, (NAFTA), Award, 30 August 2000, 5 ICSID Reports 212, § 103; CME v. The Czech Republic, (Netherlands/Czech Republic BIT), Partial Award, 13 September 2001, 9 ICSID Reports 121, §§ 591–609; Lauder v. Czech Republic, (United States/Czech Republic BIT), Final Award, 3 September 2001, 9 ICSID Reports 66, § 200; Middle East Cement Shipping and Handling Co. S. A. v. Arab Republic of Egypt, (Greece/Egypt BIT), Award, 12 April 2002, 7 ICSID Reports 178, § 107; Técnicas Medioambientales Tecmed, S. A. v. United Mexican States, (Spain/ Mexico BIT), Award, 29 May 2003, 10 ICSID Reports 134, §§ 115, 116, 122, 139, 149, 151; LG&E Energy Corp, LG&E Capital Corp., LG&E International Inc. v. Argentine Republic, (US/Argentina BIT), Award, 3 October 2006, http://ita.law.uvic.ca/ documents/LGEArgentinaLiability.pdf, §§ 188–192. 438 Siehe zu „bundle of rights“ z.B.: R. Higgins, The Taking of Property by the State: Recent Developments in International Law, 176 RdC (1982-III), 261, S. 270 ff. 439 Siehe unten, S. 385 ff.

B. Die Enteignung

309

Hinsichtlich des Objekts des Eingriffs lässt sich die Judikatur der Schiedsgerichte im Wesentlichen auf zwei Gruppen reduzieren. Die erste Gruppe von Schiedssprüchen verlangt einen Entzug der „Investition“440, die zweite einen Entzug von „Eigentum“.441 Dies obwohl sämtliche den untersuchten Schiedssprüchen zugrunde liegenden Schutznormen als geschütztes Objekt die Investition (Investment) und nicht das Eigentum per se anführen.442 Die Tatsache, ___________ 440 Siehe z.B.: Antoine Goetz and Others v. Republic of Burundi, (Belgium-Luxembourg Economic Union/Burundi BIT), Award, 10 February 1999, 6 ICSID Reports 5, § 124; Middle East Cement Shipping and Handling Co. S. A. v. Arab Republic of Egypt, (Greece/Egypt BIT), Award, 12 April 2002, 7 ICSID Reports 178, § 107; Feldman v. Mexico, (NAFTA), Award, 16 December 2002, 7 ICSID Reports 341, § 152; Técnicas Medioambientales Tecmed, S. A. v. United Mexican States, (Spain/Mexico BIT), Award, 29 May 2003, 10 ICSID Reports 134, § 102; Consortium R.F.C.C. v. Kingdom of Morocco, (Italy/Morocco BIT), Award, 22 December 2003, http://ita.law.uvic.ca /docu ments/ConsortiumRFCC-Award_000.pdf., § 64; Bayindir Insaat Turizm Ticaret ve Sanayi A.ù. v. Islamic Republic of Pakistan, (Turkey/Pakistan BIT), Decision on Jurisdiction, 14 November 2005, § 255, Quelle: http://ita.law.uvic.ca/documents/Bayindrjurisdiction.pdf. 441 Siehe z.B.: Compañía del Desarrollo de Santa Elena S.A. v. Republic of Costa Rica, (Ad-hoc Agreement), Award, 17 February 2000, 5 ICSID Reports 153, §§ 77, 78; Pope & Talbot v. Canada, (NAFTA), Interim Award, 26 June 2000, 7 ICSID Reports 69, § 102; Metalclad Corp. v. United Mexican States, (NAFTA), Award, 30 August 2000, 5 ICSID Reports 212, § 103; CME v. Czech Republic (Netherlands/Czech Republic BIT), Partial Award, 13 September 2001, 9 ICSID Reports 121, §§ 604, 606; Lauder v. Czech Republic, (United States/Czech Republic BIT), Final Award, 3 September 2001, 9 ICSID Reports 66, § 200; Waste Management, Inc. v. United Mexican States, Award, 30 April 2004, § 159; GAMI Investment Inc. v. Mexico, (NAFTA), Award, 15 November 2004, http://ita.law.uvic.ca/documents/Gami.pdf, § 126; CMS Gas Transmission Company v. Argentine Republic, (US/Argentina BIT), Award, 12 May 2005, http://ita.law.uvic.ca/documents/CMS_FinalAward_000.pdf., § 626. 442 Siehe z.B.: die Fälle Pope & Talbot v. Canada, (NAFTA), Interim Award, 26 June 2000, 7 ICSID Reports 69; Metalclad Corp. v. United Mexican States, (NAFTA) Award, 30 August 2000, 5 ICSID Reports 212; GAMI Investment Inc. v. Mexico, (NAFTA), Award, 15 November 2004, http://ita.law.uvic.ca/documents/Gami.pdf, und Waste Management, Inc. v. United Mexican States, (NAFTA), Award, 30 April 2004, die alle Art. 1110 NAFTA als Anspruchsgrundlage haben, der vom Entzug einer Investition spricht: Article 1110: No Party may directly or indirectly nationalize or expropriate an investment of an investor of another Party in its territory or take a measure tantamount to nationalization or expropriation of such an investment (‘expropriation’), except […]; CME v. The Czech Republic, (Netherlands/Czech Republic BIT), Partial Award, 13 September 2001, 9 ICSID Reports 121, basiert auf dem tschechisch – niederländischen BIT aus 1991 (siehe § 3 des partial awards), dessen Artikel 5 den Terminus „investment“ verwendet: Article 5: Neither Contracting Party shall take any measures depriving, directly or indirectly, investors of the other Contracting Party of their investment unless the following conditions are complied with: ... Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/czech_netherlands.pdf.

310

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

dass keines der Schiedsgerichte erklärte, warum es den Begriff „Eigentum“ statt „Investition“ verwendete, obwohl alle auf einer vertraglichen Basis operierten, die festlegte, dass die Investition das geschützte Rechtsgut sei, spricht dafür, dass sie dem Umstand keine Bedeutung beimaßen. Aus der häufigen Verwendung von Begriffen wie „benefit“ und „economic use“ in den Entzugsformeln443 kann geschlossen werden, dass die Schiedsge___________ Lauder v. The Czech Republic, (United States/Czech Republic BIT), Final Award, 3 September 2001, 9 ICSID Reports 66, basiert auf dem US – tschechischen BIT aus 1991 (siehe § 2 des final awards), dessen Artikel III (1) den Terminus „investment“ gebraucht: ARTICLE III 1. Investments shall not be expropriated or nationalized either directly or indirectly through measures tantamount to expropriation or nationalization (‘expropriation’) except: … Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/czech_us.pdf. CMS Gas Transmission Company v. Argentine Republic, (US/Argentina BIT), Award, 12 May 2005, basiert auf dem US amerikanisch – argentinischen BIT aus, dessen Artikel IV(1) sich ebenfalls auf Enteignungen von Investitionen bezieht: Article VI(1) Investments shall not be expropriated or nationalized either directly or indirectly through measures tantamount to expropriation or nationalization (‘expropriation’) except: … Quelle: § 253 des Awards. 443 Siehe z.B.: Antoine Goetz and Others v. Republic of Burundi, (Belgium-Luxembourg Economic Union/Burundi BIT), Award, 10 February 1999, 6 ICSID Reports 5, § 124 „deprived their investment of all utility and deprived the claimant investor of the benefit they could have expected from their investment“; Compañía del Desarrollo de Santa Elena S.A. v. Republic of Costa Rica, (Ad-hoc Agreement), Award, 17 February 2000, 5 ICSID Reports 153, §§ 77, 78 (effect of the measures taken … has been to deprive the owner of title, possession or access to the benefit and economic use of his property …); Metalclad Corp. v. United Mexican States, (NAFTA), Award, 30 August 2000, 5 ICSID Reports 212, § 103 (has the effect of depriving the owner, in whole or in significant part, of the use or reasonably-to-be expected economic benefit of property); S.D. Myers, Inc. v. Government of Canada, (NAFTA), First Partial Award, 13 November 2000, 8 ICSID Reports 18, § 283 (an expropriation ... amounts to a lasting removal of the ability of an owner to make use of its economic rights); CME v. The Czech Republic, (Netherlands/Czech Republic BIT), Partial Award, 13 September 2001, 9 ICSID Reports 121, § 604 (measure ... that effectively neutralize the benefit of the property of the foreign owner); Lauder v. The Czech Republic, (United States/Czech Republic BIT), Final Award 3 September 2001, 9 ICSID Reports 66, § 200; Occidental Exploration and Production Co. v. Ecuador, (US/Ecuador BIT), Award, 1 July 2004, 12 ICSID Reports 59, § 84; CMS Gas Transmission Company v. Argentine Republic, (US/Argentina BIT), Award, 12 May 2005, http://ita.law.uvic.ca/documents/CMS_Fi nalAward_000.pdf, 262; Middle East Cement Shipping and Handling Co. S. A. v. Arab Republic of Egypt, (Greece/Egypt BIT), Award, 12 April 2002, 7 ICSID Reports 178, § 107 (deprive the owner of the use and benefit of his investment); Técnicas Medioambientales Tecmed, S. A. v. United Mexican States, (Spain/Mexico BIT), Award, 29 May 2003, 10 ICSID Reports 134, § 102 (radically deprived of the economical use and enjoyment of its investment); Consortium R.F.C.C. v. Kingdom of Morocco, (Italy/Morocco BIT), Award, 22 December 2003, http://ita.law.uvic.ca/documents/ ConsortiumRFCC-Award_000.pdf., § 69 (avoir des effets substantiels d’une intensité

B. Die Enteignung

311

richte vorrangig darauf abstellten, ob die wirtschaftliche Komponente des Bündels an Rechten entzogen wurde. Die Schiedsgerichte verlangten also nicht, dass auch die bloße Innehabung vereitelt werde.444 In einigen Schiedssprüchen war – unabhängig von der wirtschaftlichen Beeinträchtigung – für die Ablehnung des Vorliegens einer Enteignung entscheidend, dass die Kontrollrechte und die täglichen Managementbefugnisse nicht beschnitten worden waren.445 ___________ certaine qui réduisent et/ou font disparaître les bénéfices légitimement attendus de l’exploitation des droits objets de ladite mesure à un point tel qu’ils rendent la détention des ces droits inutile); Telenor Mobile Communications A.S. v. Hungary, (Norway/ Hungary BIT), Decision on Jurisdiction, 13 September 2006, http://www.investment claims.com/decisions/Telenor_Mobile-Hungary-Award-13-09-06.pdf, §§ 64, 65 (The conduct complained of must be such as to have a major adverse impact on the economic value of the investment … must be such as substantially to deprive the investor of the economic value, use or enjoyment of its investment); LG&E Energy Corp, LG&E Capital Corp., LG&E International Inc. v. Argentine Republic, (US/Argentina BIT), Award, 3 October 2006, http://ita.law.uvic.ca/documents/LGEArgentinaLiability.pdf. Hervorhebung durch die Autorin, § 191 (compensation has been denied when it has not affected all or almost all the invesmtment’s economic value). 444 Siehe z.B.: Técnicas Medioambientales Tecmed, S. A. v. United Mexican States, (Spain/Mexico BIT), Award, 29 May 2003, 10 ICSID Reports 134, §§ 35, 95, 151; Metalclad Corp. v. United Mexican States, (NAFTA), Award, 30 August 2000, 5 ICSID Reports 212, §§ 30, 45, 107. 445 Siehe z.B.: Pope & Talbot v. Canada, Award, 26 June 2000, 7 ICSID Reports 69: Das Schiedsgericht führte an, dass dem Investor die Kontrolle über die Investition nicht entzogen worden sei. Das Tagesgeschäft liege in der Hand des Investors, es seien keine Verantwortlichen oder Mitarbeiter verhaftet worden. Es müssten, abgesehen von Steuern, keine Gewinne abgeführt werden, und auch sonst sei nicht ins Management eingegriffen worden.(§ 100) Der einzige Eingriff liege in der Exportbeschränkung. Das NAFTA-Schiedsgericht war diesbezüglich der Meinung, dass die Exportbeschränkungen in die Tätigkeit des amerikanischen Investors nicht so stark eingriffen, dass sie als Enteignung angesehen werden konnten.(§ 102) Diese Feststellungen dürften entscheidend dafür gewesen sein, dass das Schiedsgericht das Vorliegen einer Enteignung verneinte. Der Eingriff habe zwar zu einem Rückgang der Gewinne geführt, der Investor exportiere aber immer noch erhebliche Mengen von Weichholz und ziehe substantielle Gewinne aus dieser Tätigkeit.(§ 101) Feldman v. Mexico, (NAFTA), Award, 16 December 2002, 7 ICSID Reports 341, § 152: Das Gericht führt aber aus, dass wie in Pope & Talbot der regulative Eingriff dem Investor nicht die Kontrolle über die Investition entzog, in interne Operationen eingegriffen, oder den Investor als Aktionär entfernt habe. Der Kläger könne den übrigen Exportzweigen ungehindert nachgehen, daher liege unter Zugrundelegung des Pope & Talbot Standards keine Enteignung vor: Given that the Claimant here has lost the effective ability to export cigarettes, and any profits derived therefrom, application of the Pope & Talbot standard might suggest the possibility of an expropriation. However, as with S.D. Myers, it may be questioned as to whether the Claimant ever possessed a “right” to export that has been “taken” by the Mexican government. Also, here, as in Pope & Talbot, the regulatory action (enforcement of longstanding provisions of Mexican law) has not deprived the Claimant of control of the investment, CEMSA, interfered

312

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

Eines jener Schiedsgerichte, die das Vorliegen einer Enteignung aufgrund noch vorhandener Kontrolle über die Investition ablehnten, führte ins Treffen, dass der Verlust von erwarteten Gewinnen zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für das Vorliegen einer Enteignung sei.446 ___________ directly in the internal operations of CEMSA or displaced the Claimant as the controlling shareholder. The Claimant is free to pursue other continuing lines of export trading, such as exporting alcoholic beverages, photographic supplies, or other products for which he can obtain from Mexico the invoices required under Article 4, although he is effectively precluded from exporting cigarettes. Thus, this Tribunal believes there has been no “taking” under this standard articulated in Pope & Talbot, in the present case.(§ 152) Waste Management, Inc. v. United Mexican States, (NAFTA), Award, 30 April 2004, 43 ILM (2004) 967, § 159: Acaverde at all times had the control and use of its property. … The loss of benefits or expectations is not a sufficient criterion for an expropriation, even if it is a necessary one. CMS Gas Transmission Company v. Argentine Republic, (US/Argentina BIT), Award, 12 May 2005, §§ 263, 264, Quelle: http://ita.law.uvic.ca/documents/CMS_ FinalAward_000.pdf: Das Schiedsgericht führte an, dass dem Investor die Kontrolle über die Investition nicht entzogen worden sei und das Tagesgeschäft in der Hand des Investors liege. Der Investor habe das volle Eigentum an und die Kontrolle über die Investition, daher läge keine Enteignung vor. Azurix Corp. v. Argentine Republic, (US/Argentina BIT), Award, 14 July 2006, http://ita.law.uvic.ca/documents/AzurixAwardJuly2006.pdf: Das Schiedsgericht führte aus, dass die Auswirkungen der Eingriffe nicht ausreichten, um von einer Enteignung sprechen zu können. Als Beleg dafür führte es an, dass das Eigentum an den Aktien nicht berührt und das Management nicht hinreichend beeinträchtigt worden war, dass von einer Enteignung auszugehen gewesen sei: 322. Therefore, the Tribunal finds that the impact on the investment attributable to the Province’s actions was not to the extent required to find that, in the aggregate, these actions amounted to an expropriation; Azurix did not lose the attributes of ownership, at all times continued to control ABA and its ownership of 90% of the shares was unaffected. No doubt the management of ABA was affected by the Province’s actions, but not sufficiently for the Tribunal to find that Azurix’s investment was expropriated. LG&E Energy Corp, LG&E Capital Corp., LG&E International Inc. v. Argentine Republic, (US/Argentina BIT), Award, 3 October 2006, http://ita.law.uvic.ca/docu ments/LGEArgentinaLiability.pdf. Hervorhebung durch die Autorin. Das Schiedsgericht spezifizierte näher welche Bedingungen vorliegen müssen, damit eine für eine Enteignung hinreichende wirtschaftliche Beeinträchtigung der Investition vorliegt. Unter anderem führte es aus, dass von einer Vernichtung der Investition ausgegangen werden kann, wenn der Investor keine Kontrolle über die Investition oder die Leitung des Tagesgeschäft nicht mehr inne hat: 188. … Ownership or enjoyment can be said to be “neutralized” where a party no longer is in control of the investment, or where it cannot direct the day-today operations of the investment. (Fußnote ausgelassen). 446 Siehe z.B.: Waste Management, Inc. v. United Mexican States, (NAFTA), Award, 30 April 2004, 43 ILM (2004) 967, § 159.

B. Die Enteignung

313

Hinsichtlich des Ausmaßes, in dem in das Objekt eingegriffen werden muss, damit eine Enteignung vorliegt, findet sich manchmal nur die Aussage, dass dem Investor entweder seine Rechte oder die Kontrolle entzogen („deprived“) sein muss.447 Ein Entzug der Partizipationsmöglichkeit an Kontrolle und Management der Investition wiegt besonders schwer. In diesem Sinne wurden diese Rechte von Christie als fundamentalste Eigentümerrechte angesehen: … the most fundamental right that an owner of property has is the right to participate in its control and management.448

Vielfach finden sich in den Schiedssprüchen nähere Ausführungen, in welchem Umfang der Eingriff erfolgen muss, damit eine Enteignung vorliegt: –

„prevented RJA from exercising effective control over the use or disposition of a substantial portion of its property of from operating the property“;449



„can interfere to such an extent that these rights are rendered so useless“;450



„deprived of all utility“; 451



„to deprive … or has made those rights practically useless“;452



„sufficiently restrictive to support a conclusion that the property has been ‚taken’ … expropriation requires a ‚substantial deprivation’“;453

___________ 447

Siehe z.B.: IUSCT, Tippetts, Abbett, McCarthy, Stratton v. TAMS-AFFA Consulting Engineers of Iran, Award No. 141-7-2, 29 June 1984, 6 IUSCTR 219, S. 225; Wena Hotels Ltd. v. Arab Republic of Egypt, (United Kingdom/Egypt BIT), Award, 8 December 2000, 6 ICSID Reports 89, § 98; Middle East Cement Shipping and Handling Co. S. A. v. Arab Republic of Egypt, (Greece/Egypt BIT), Award, 12 April 2002, 7 ICSID Reports 178, § 107; Eureko B.V. v. Republic of Poland, (Netherlands/Poland BIT), Partial Award, 19 August 2005, 12 ICSID Reports 335, § 241. 448 G. C. Christie, What Constitutes a Taking of Property under International Law?, 38 British Year Book of International Law 1962, 307–338, S. 337; zustimmend zitiert in: IUSCT, Sedco, Inc. v. National Iranian Oil Company, et al, Interlocutory Award No. ITL 55-129-3, 28 October 1985, 9 IUSCTR 248, S. 278. 449 In the Matter of Revere Copper and Brass Inc. v. Overseas Private Investment Corporation, Award, 24 August 1978, 56 ILR 258, S. 290. Hervorhebung durch die Autorin. 450 IUSCT, Starrett Housing Corp. v. Government of the Islamic Republic of Iran, Award No. ITL 32-24-1, 19 December 1983, 4 IUSCTR 122, S. 154. 451 Antoine Goetz and Others v. Republic of Burundi, (Belgium-Luxembourg Economic Union/Burundi BIT), Award, 10 February 1999, 6 ICSID Reports 5, § 124. In diesem Fall ist zu beachten, dass aufgrund des BITs bereits eine Eigentumsbeschränkung zu einer Verletzung führt. Hervorhebung durch die Autorin. 452 Compañía del Desarrollo de Santa Elena S.A. v. Republic of Costa Rica, (Ad-hoc Agreement), Award, 17 February 2000, 5 ICSID Reports 153, §§ 77, 78.

314

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht



„has the effect of depriving in whole or in significant part“;454



„lasting removal of the ability to make use of its economic rights“;455



„effectively neutralize the benefit of the property of the foreign owner“;456



„radically deprived … deprives those assets and rights of any real substance“;457



„eroded investor’s rights to an extent that is violative“;458



„persistent or irreparable obstacle to use, enjoyment or disposal of its investment“459

___________ 453 Pope & Talbot v. Canada, (NAFTA), Interim Award, 26 June 2000, 7 ICSID Reports 69 § 102; ähnlich GAMI Investment Inc. v. Mexico, (NAFTA), Award, 15 November 2004, http://ita.law.uvic.ca/documents/Gami.pdf, § 126; auch CMS (ICSID (US/Argentina BIT), CMS Gas Transmission Company v. Argentine Republic, Award, 12 May 2005, http://ita.law.uvic.ca/documents/CMS_FinalAward_000.pdf) stellt auf eine “substantial deprivation” ab (§ 262); Occidental Exploration and Production Co. v. Ecuador, (US/Ecuador BIT), Award, 1 July 2004, 12 ICSID Reports 59, § 89 führt aus, dass sogar diese weite Definition nicht erfüllt sei, engere um so weniger. Hervorhebung durch die Autorin. 454 Metalclad Corp. v. United Mexican States, (NAFTA), Award, 30 August 2000, 5 ICSID Reports 212, § 103; wird vom CME Schiedsgericht (§ 606) auch angeführt, wobei unklar bleibt, in welchem Verhältnis im CME Fall die verwendeten Standards zueinander stehen. Auch das Occidental Schiedsgericht (Occidental Exploration and Production Co. v. Ecuador, (US/Ecuador BIT), Award, 1 July 2004, 12 ICSID Reports 59) nimmt unter anderem auf diesen Standard Bezug (§ 89). Auch das Schiedsgericht in EnCana (EnCana Corporation v. Republic of Ecuador, (Canada/Ecuador BIT), Award, 3 February 2006, 12 ICSID Reports 427, § 177) greift auf diesen Standard zurück. Hervorhebung durch die Autorin. 455 S.D. Myers, Inc. v. Government of Canada, (NAFTA), First Partial Award, 13 November 2000, 8 ICSID Reports 18, § 283. Hervorhebung durch die Autorin. 456 CME v. The Czech Republic, (Netherlands/Czech Republic BIT), Partial Award, 13 September 2001, 9 ICSID Reports 121, § 604; Lauder v. The Czech Republic, (United States/Czech Republic BIT), Final Award, 3 September 2001, 9 ICSID Reports 66, § 200, die einzige Abweichung von der Formulierung in CME besteht darin, dass „enjoyment“ statt „benefit“ verwendet wird; Occidental Exploration and Production Co. v. Ecuador, (US/Ecuador BIT), Award, 1 July 2004, 12 ICSID Reports 59, § 84; CMS Gas Transmission Company v. Argentine Republic, (US/Argentina BIT), Award, 12 May 2005, http://ita.law.uvic.ca/documents/CMS_FinalAward_000.pdf, § 262. LG&E Energy Corp, LG&E Capital Corp., LG&E International Inc. v. Argentine Republic, (US/Argentina BIT), Award, 3 October 2006, http://ita.law.uvic.ca/documents/LGE ArgentinaLiability.pdf, § 188. Hervorhebung durch die Autorin. 457 Técnicas Medioambientales Tecmed, S. A. v. United Mexican States, (Spain/Mexico BIT), Award, 29 May 2003, 10 ICSID Reports 134, § 102. Hervorhebung durch die Autorin. 458 Generation Ukraine Inc. v. Ukraine, (United States/Ukraine BIT), Award, 16 September 2003, 10 ICSID Reports 240, § 20.26. Hervorhebung durch die Autorin.

B. Die Enteignung

315



„priver totalement ou en grande partie“;460



„avoir des effets substantiels d’une intensité certaine qui réduisent et/ou font disparaître à un point tel qu’ils rendent la détention des ces droits inutile“; 461



„effect of depriving the investor – totally or to a significant extent“.462



„… at all times had the control and use of its property … The loss of benefits or expectations is not a sufficient criterion for an expropriation, even if it is a necessary one“;463



„without a permanent, severe deprivation of LG&E’s rights with regard to its investment, or almost complete deprivation of the value of LG&E’s investment, the Tribunal concludes that these circumstances do not constitute expropriation.“464



„… were radically deprived of the economic use and enjoyment of their investment, the benefits of which (…) had been effectively neutralised and rendered useless“.465

Etliche der Schiedssprüche weisen bereits in der Auswahl ihrer Terminologie „totally or to a significant extent“ darauf hin, dass kein Totalentzug erforderlich sei, damit eine Enteignung vorliege. Einen solchen verlangt im Unterschied dazu der EGMR. Bei diesen Schiedsgerichten ist hingegen bereits aufgrund der verwendeten Terminologie klar, dass ein substantieller Eingriff ausreicht. Der Umstand, dass von Investitionsschiedsgerichten im Unterschied ___________ 459

Ibid., § 20.32. Hervorhebung durch die Autorin. Consortium RFCC c/Royaume du Maroc, (Italy/Morocco BIT), Award, 22 December 2003, § 64, Quelle: http://ita.law.uvic.ca/documents/ConsortiumRFCCAward_000.pdf. Hervorhebung durch die Autorin. 461 Consortium RFCC c/Royaume du Maroc, Award, 22 December 2003, § 69, Quelle: http://ita.law.uvic.ca/documents/ConsortiumRFCC-Award_000.pdf. Hervorhebung durch die Autorin. 462 Bayindir Insaat Turizm Ticaret ve Sanayi A.ù. v. Islamic Republic of Pakistan, (Turkey/Pakistan BIT), Decision on Jurisdiction, 14 November 2005, § 255, Quelle: http://ita.law.uvic.ca/documents/Bayindr-jurisdiction.pdf. Hervorhebung durch die Autorin. 463 Waste Management, Inc. v. United Mexican States, (NAFTA), Award, 30 April 2004, § 159, http://ita.law.uvic.ca/documents/laudo_ingles.pdf. Hervorhebung durch die Autorin. 464 LG&E Energy Corp, LG&E Capital Corp., LG&E International Inc. v. Argentine Republic, (US/Argentina BIT), Award, 3 October 2006, § 200, http://ita.law.uvic.ca/ documents/LGEArgentinaLiability.pdf. 465 Compañía de Aguas del Aconquija S. A. and Vivendi Universal v. Argentine Republic (Vivendi II), (France/Argentina BIT), Award, 20 August 2007, http://ita. law.uvic.ca/documents/VivendiAwardEnglish.pdf, § 7.5.34. Hervorhebung durch die Autorin. 460

316

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

zum EGMR nicht generell ein Totalentzug verlangt wird, erschwert zusätzlich die Feststellung, wann das Kriterium für die Enteignung erfüllt ist. Aber selbst bei jenen Schiedsgerichten, bei denen die Terminologie darauf schließen ließe, dass sie einen völligen Entzug der Investition verlangen, ergibt eine Analyse der Sachverhalte vielfach, dass dies tatsächlich nicht der Fall war. So sprach das Schiedsgericht im Fall Tecmed466 von „radically deprived“ und davon, dass den Rechten an der Investition „any real substance” entzogen worden sein müsse.467 In diesem Fall wurde zwar die Betriebsgenehmigung nicht verlängert und die wirtschaftliche Nutzungsmöglichkeit der Investition daher vereitelt, die Installationen wurden aber dem Investor nicht entzogen.468 Dennoch ging das Schiedsgericht von einer Enteignung aus.469 Damit hat es für das Schiedsgericht – im Unterschied zu Entscheidungen im Bereich der Menschenrechte470 – für die Bewertung, ob eine Enteignung vorliegt, keine Rolle gespielt, dass die Betriebsanlagen selbst nicht entzogen worden waren. Dies legt nahe, dass die Investitionsschiedsgerichte generell eine Vernichtung der wirtschaftlichen Nutzungsmöglichkeit, nicht aber einen tatsächlichen Totalentzug der Investition inklusive aller Anlagen verlangen. Eine derartige Interpretation der Judikatur der Schiedsgerichte wird auch von den Aussagen des Schiedsgerichts in EnCana471 unterstützt. Es nahm ausdrücklich darauf Be___________ 466 Técnicas Medioambientales Tecmed, S. A. v. United Mexican States, (Spain/Mexico BIT), Award, 29 May 2003, 10 ICSID Reports 134. 467 Ibid., § 102. 468 Der Erwerb der Grundstücke bzw. die Errichtung der Anlagen ist im Sachverhalt ausdrücklich angeführt, woraus sich ergibt, dass diese im Eigentum des Investors standen und er vom Staat nicht nur vertragliche Nutzungsrechte eingeräumt bekommen hatte. (Ibid., § 35). 469 Ibid., § 151. 470 Siehe z.B.: EKMR, Pinnacle Meat Processors Company and 8 others gg Vereinigtes Königreich, Nr. 33298/96, Entscheidung vom 21. Oktober 1998 (nur im Internet veröffentlicht). Die Beschwerdeführer hatten einen Rinderkopfverarbeitungsbetrieb. Im Zuge der BSE-Krise wurde die Verwertung von Rinderköpfen verboten. Die Kommission verlangte für das Vorliegen einer de facto Enteignung, dass das Eigentum völlig unverwendbar (wholly unusuable) wird. Sie lehnte das Vorliegen einer solchen unter Berufung auf das Urteil des Gerichtshofs in Tre Traktörer AB gg Schweden (Urteil vom 7. Juli 1989, Serie A, Nr. 159) ab und wies im Zuge der Verhältnismäßigkeitsprüfung darauf hin, dass die Beschwerdeführer Eigentümer aller beweglichen Gegenstände geblieben waren und diese in einem neuen oder verwandten Betrieb Verwendung finden könnten. … the 1996 Orders were nevertheless directed at controlling the use of specified bovine material, and the loss of business suffered by the applicants must be seen as resulting from the restriction on the use of specified bovine material, rather than as any form of de facto expropriation. The interference with the applicants’ possessions was thus a “control of use” rather than a “deprivation of possession”. 471 EnCana Corporation v. Republic of Ecuador, (Canada/Ecuador BIT), Award, 3 February 2006, 12 ICSID Reports 427.

B. Die Enteignung

317

zug, dass durch die staatlichen Maßnahmen die Profitabilität der Unternehmen des Investors nicht gefährdet worden war und diese in der Lage waren, ihren normalen geschäftlichen Betätigungen nachzugehen. Es sei weder zu einem Stillstand in den Unternehmen des Investors gekommen, noch sei der Wert, den die Unternehmen des Investors aus ihren Aktivitäten ziehen konnten, so gering gewesen, dass ihnen der Charakter einer Investition entzogen worden sei. … although the EnCana subsidiaries suffered financially from the denial of VAT and the recovery of VAT refunds wrongly made, they were nonetheless able to continue to function profitably and to engage in the normal range of activities, … . There is nothing in the record which suggests that the change in VAT laws or their interpretation brought the companies to a standstill or rendered the value to be derived from their activities so marginal or unprofitable as effectively to deprive them of their character as investments.472

Das Schiedsgericht lehnte daher das Vorliegen einer indirekten Enteignung der Gesamtinvestition ab.473 Die Bedeutung der wirtschaftlichen Auswirkungen eines Eingriffs auf die Investition wurde auch in einer rezenten Jurisdiktionsentscheidung im Fall Telenor Mobile Communications A.S. v. Hungary474 bestätigt: … the mere exercise by government of regulatory powers that create impediments to business or entail the payment of taxes or other levies does not by itself constitute expropriation …. The conduct complained of must be such as to have a major adverse impact on the economic value of the investment.475 … the interference with the investor’s rights must be such as substantially to deprive the investor of the economic value, use or enjoyment of its investment.476 … the test the Tribunal has to apply is whether, viewed as a whole, the investment has suffered substantial erosion of value.477

Da der Investor keine Beweise vorlegte, wonach die Verluste, die aufgrund des Eingriffes entstanden waren, eine „substantial erosion of value“ der Gesamtinvestition zur Folge hatten, war das Schiedsgericht der Ansicht, dass kein prima facie Fall einer Enteignung der Investition vorgelegen habe.478

___________ 472

Ibid., § 174. Ibid., § 178. 474 Telenor Mobile Communications A.S. v. Hungary, (Norway/Hungary BIT), Decision on Jurisdiction, 13 September 2006, http://www.investmentclaims.com/de cisions/Telenor_Mobile-Hungary-Award-13-09-06.pdf. 475 Ibid., § 64. 476 Ibid., § 65. 477 Ibid., § 67. 478 Ibid., §§ 67–80. 473

318

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

Sehr ausführlich hat sich auch das Schiedsgericht in LG&E479 mit der Frage befasst, wie schwerwiegend der Eingriff sein muss, damit eine Enteignung vorliegt. Es hat wiederholt in seinen Ausführungen dargelegt, dass dafür der wirtschaftliche Nutzen der Investition entzogen sein muss. Eine bloße Beeinträchtigung des Gewinns, wenn das Unternehmen weiter arbeiten könne, reiche nicht aus: In considering the severity of the economic impact, the analysis focuses on whether the economic impact unleashed by the measure adopted by the host State was sufficiently severe as to generate the need for compensation due to expropriation. In many arbitral decisions, the compensation has been denied when it has not affected all or almost all the investment’s economic value. Interference with the investment’s ability to carry on its business is not satisfied where the investment continues to operate, even if profits are diminished. The impact must be substantial in order that compensation may be claimed for the expropriation.480

Das Schiedsgericht in Vivendi II481 setze sich ebenfalls eingehend mit den wirtschaftlichen Auswirkungen der staatlichen Eingriffshandlungen auseinander. Es überprüfte, ob diese enteignungsgleiche Auswirkungen hatten. Dabei stellte es fest, dass sie verheerende Konsequenzen für die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit der Konzession gehabt hatten, diese wertlos machten und den Investor zu untragbaren Verlusten zwangen. Daher lag nach Ansicht des Schiedsgerichts eine Enteignung vor.482 Dies spricht für eine Betrachtungsweise, die wirtschaftliche Aspekte bei der Feststellung, ob eine Enteignung vorliegt, stärker berücksichtigt, als dies der EGMR tut. Es ist hierbei jedoch festzuhalten, dass im Menschenrechtsschutz der Umstand, dass keine Enteignung, sondern nur eine Nutzungsregelung oder ein „sonstiger Eingriff“ vorliegt, völlig andere Konsequenzen nach sich zieht als im Investitionsrecht. Im Investitionsrecht führt das Ablehnen des Vorliegens einer Enteignung dazu, dass der Investor für den Eigentumseingriff keinerlei Ersatzleistung vom Staat erhält. Investoren stehen unter Umständen die sonstigen Schutzbestimmungen von Investitionsschutzverträgen, wie etwa „fair and equitable treatment“ oder „full protection and security“ zur Verfügung, um eine staatliche Ersatzleistungspflicht zu erwirken. Es handelt sich bei diesen Standards jedoch nicht um Auffangtatbestände, wie bei den „sonstigen Eingriffen“ (Satz 1 des Absatz 1, 1. ZP zur EMRK), sondern um eigene Schutzstandards ___________ 479 LG&E Energy Corp, LG&E Capital Corp., LG&E International Inc. v. Argentine Republic, (US/Argentina BIT), Award, 3 October 2006, http://ita.law.uvic.ca/docu ments/LGEArgentinaLiability.pdf, §§ 188–192. 480 Ibid., § 191. 481 Compañía de Aguas del Aconquija S. A. and Vivendi Universal v. Argentine Republic (Vivendi II), (France/Argentina BIT), Award, 20 August 2007, http://ita. law.uvic.ca/documents/VivendiAwardEnglish.pdf. Zum Sachverhalt siehe unten, S. 339. 482 Ibid., 7.5.24–7.5.34.

B. Die Enteignung

319

mit eigenen Anwendungsvoraussetzungen, die nicht in allen Investitionsschutzverträgen enthalten sind.483 Ein genereller Auffangtatbestand steht im Investitionsschutz daher nicht zur Verfügung. Im Geltungsbereich des 1. ZP zur EMRK kann selbst bei Nichtvorliegen einer Enteignung noch immer eine Nutzungsregelung oder ein „sonstiger Eingriff“ vorliegen. Überdies ist im Menschenrechtsschutz nach der Feststellung, welche Art von Eigentumseingriff vorliegt, noch zu prüfen, ob der Eingriff gerechtfertigt war. Wenn dem nicht so ist, kann der EGMR eine Entschädigung zusprechen. Ein Konzept, dass von Schiedsgerichten verschiedentlich herangezogen wurde, um das erforderliche Ausmaß des Eingriffs näher einzugrenzen, ist jenes der „berechtigen Erwartungen“ (legitimate expectations). Immer wieder integrierten Schiedsgerichte das Konzept der berechtigten Erwartungen in das Kriterium, das die erforderlichen Auswirkungen eines Eingriffs umschreibt, die für eine Enteignung vorliegen müssen. Eine Einbeziehung dieses Kriteriums in die Entscheidung, ob das für eine Enteignung erforderliche Eingriffsausmaß vorlag, erfolgte teils implizit, wie im Fall Antoine Goetz v. Burundi.484 Das Schiedsgericht führte bei der Feststellung, dass eine Maßnahme vorliegt, welche die gleiche Wirkung wie eine Enteignung oder eine Eigentumsbeschränkung hat, an, dass dem Investor die Nutzungsmöglichkeit und der zu erwartende Gewinn seiner Investition entzogen worden seien: Since ... the revocation of the Minister for Industry and Commerce of the free zone certificate forced them to halt all activities ..., which deprived their investments of all utility and deprived the claimant investors of the benefit which they could have expected from their investments, the disputed decision can be regarded as a “measure having similar effect” to a measure depriving of or restricting property within the meaning of Article 4 of the Investment Treaty.485

Andererseits nahmen Schiedsgerichte dieses Kriterium explizit in die Eingriffsdefinition auf, welche die für das Vorliegen einer indirekten Enteignung erforderlichen Ausmaße umschreibt. Ein Beispiel dafür ist der Schiedsspruch im Fall Metalclad v. Mexico.486 Das Schiedsgericht führte aus, dass eine indirekte Enteignung vorliege, wenn dem Eigentümer zur Gänze oder zu einem wesentlichen Teil die Nutzungsmöglichkeit oder der zu erwartende wirtschaftliche Nutzen des Eigentums entzogen worden sei: ___________ 483

Siehe dazu oben S. 214. Antoine Goetz and Others v. Republic of Burundi, (Belgium-Luxembourg Economic Union/Burundi BIT), Award, 10 February 1999, 6 ICSID Reports 5. Zum Sachverhalt siehe oben, S. 281. 485 Ibid., § 124. Kursivstellung durch die Autorin. 486 Metalclad Corp. v. United Mexican States, (NAFTA), Award, 30 August 2000, 5 ICSID Reports 212. Zum Sachverhalt siehe oben, S. 274. 484

320

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

… expropriation under NAFTA includes not only open, deliberate and acknowledged takings of property, such as outright seizure or formal or obligatory transfer of title in favor of the host State, but also covert or incidental interference with the use of property which has the effect of depriving the owner, in whole or in significant part, of the use or reasonably-to-be expected economic benefit of property …487

Die gleiche Rolle kam den berechtigten Erwartungen auch im Schiedsspruch im Fall Consortium RFCC v. Morocco488 zu. Das Schiedsgericht stellte fest, dass eine Maßnahme mit enteignungsgleicher Wirkung substantielle Auswirkungen einer bestimmten Intensität haben muss, die die legitim erwarteten Nutzungen des Investors entweder gänzlich zum Verschwinden bringen oder die Rechte an der Investition nutzlos machen: … une mesure équivalente à l’expropriation qui doit, pour être ainsi qualifiée, présenter les caractéristiques suivantes: … avoir des effets substantiels d’une intensité certaine qui réduisent et/ou font disparaître les bénéfices légitimement attendus de l’exploitation des droits objets de ladite mesure à un point tel qu’ils rendent la détention de ces droits inutile.489

Auch das Schiedsgericht in LG&E490 bezog den Umstand, ob ein Eingriff in die berechtigten Erwartungen des Investors erfolgte, in die Bewertung mit ein, ob ein für eine Enteignung hinreichend schwerer Eingriff vorliegt: In evaluating the degree of the measure’s interference with the investor’s right of ownership, one must analyze the measure’s economic impact – its interference with the investor’s reasonable expectations – and the measure’s duration.491

Unter diesem Aspekt wurde auch in die jüngsten Modell-BITs der USA und Kanadas eine dementsprechende Klausel aufgenommen. (a) The determination of whether an action or series of actions by a Party, in a specific fact situation, constitutes an indirect expropriation, requires a case by case, factbased inquiry that considers, among other factors: …

___________ 487

Ibid., § 103; Kursivstellung durch die Autorin. Das Schiedsgericht im Fall Occidental (Occidental Exploration and Production Co. v. Ecuador, (US/Ecuador BIT), Award, 1 July 2004, 12 ICSID Reports 59) übernahm diese Formulierung unter Berufung auf Metalclad (§§ 87–89). In CME (CME v. The Czech Republic, (Netherlands/Czech Republic BIT), Partial Award, 13 September 2001, 9 ICSID Reports 121) wird ebenfalls diese Passage aus dem Metalclad Schiedsspruch zitiert (§ 606). 488 Consortium R.F.C.C. v. Kingdom of Morocco, (Italy/Morocco BIT), Award, 22 December 2003, http://ita.law.uvic.ca/documents/ConsortiumRFCC-Award_000.pdf. 489 Ibid., § 69. 490 LG&E Energy Corp, LG&E Capital Corp., LG&E International Inc. v. Argentine Republic, (US/Argentina BIT), Award, 3 October 2006, http://ita.law.uvic.ca/docu ments/LGEArgentinaLiability.pdf. 491 Ibid., § 190.

B. Die Enteignung

321

(ii) the extent to which the government action interferes with distinct, reasonable investment-backed expectations;492 …

Der Einsatz dieses Kriteriums ist ein weiterer Beleg dafür, dass es auf die Vernichtung der wirtschaftlichen Nutzungsmöglichkeiten und nicht auf einen Totalentzug aller zur Investition gehörenden Eigentumsrechte ankommt. Die legitimen Erwartungen des Investors beziehen sich zweifellos auf die wirtschaftliche Nutzung. Ein nudum ius an den Installationen steht daher der Feststellung einer Enteignung nicht entgegen.

Abbildung 10: Prüfungsschritte zur Feststellung, ob ein für eine Enteignung hinreichend schwerer Eingriff vorliegt

___________ 492

US Modell BIT 2004 Annex B Expropriation 4. (a) (ii). Quelle: http://www.state.gov/documents/organization/38710.pdf. Canada Modell BIT (FIPA) Annex B.13(1) Expropriation The Parties confirm their shared understanding that b) The determination of whether a measure or series of measures of a Party constitute an indirect expropriation requires a case-by-case, fact-based inquiry that considers, among other factors: … ii) the extent to which the measure or series of measures interfere with distinct, reasonable investment-backed expectations; and … Quelle: http://www.dfait-maeci.gc.ca/tna-nac/documents/2004-FIPA-model-en.pdf.

322

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

Aus einer bestimmten Wertminderung lässt sich hingegen nicht ableiten, dass der Eingriff ein für das Vorliegen einer Enteignung hinreichendes Ausmaß erreicht: Wenn man die methodische Vorgangsweise der Schiedsgerichte zum Quantum der Wertminderung betrachtet, ergibt sich, dass diese in vielen Fällen keine Aussage darüber zu machen brauchten, um wie viel an Wert die Investition eingebüßt haben muss, damit eine Enteignung vorliegt. In diesen Fällen war bereits aufgrund des Sachverhaltes klar, dass es sich um einen Totalentzug handelte. Dies war etwa dann der Fall, wenn der Investor nicht mehr in das Land zurückkehren durfte493 oder wenn primär nur Entwicklungs- und Nutzungsrechte bestanden, bei deren Entzug die Gesamtinvestition als enteignet anzusehen war.494 In einer Reihe von Fällen, bei denen die Investoren auch Eigentümer des Grundstücks oder von Anlagen waren und die Nutzung durch Änderungen der Rechtslage unmöglich wurde, blieb in den Schiedssprüchen offen, ob das rechtliche Schicksal dieser Eigentumsobjekte eine Auswirkung auf die Entscheidung des Schiedsgerichts über das Vorliegens einer Enteignung hatte. In Middle East Cement495 wurde das rechtliche Schicksal der Hafenanlagen nicht diskutiert, jenes des Schiffes sehr wohl. In Goetz496 wurden die Anlagen nicht entzogen und trotzdem eine Enteignung festgestellt. Aus der Schadensberechnung ließen sich jedoch keine Rückschlüsse darauf ziehen, wie der Anteil der Anlagen an der Investition bewertet wurde. Denn die Entschädigung wurde mittels Vergleichs geregelt, und es wurde eine restitutio vereinbart. Zudem ist festzuhalten, dass aufgrund des BIT bereits eine Eigentumsbeschränkung für eine Verletzung ausreichte. In den Fällen Feldman497 und Waste Management498 stellten die Schiedsgerichte keine Verletzung des Enteignungsverbots (im Hinblick auf das Gesamt___________ 493 Siehe z.B.: Biloune and Marine Drive Complex Ltd. v. Ghana Investments Centre and the Government of Ghana, (Investment Agreement), Award on Jurisdiction and Liability, 27 October 1989, 95 ILR 184, S. 209. 494 Siehe z.B.: Southern Pacific Properties (Middle East) Limited (SPP) v. Arab Republic of Egypt, (National Law), Award, 20 May 1992, 3 ICSID Reports 189, § 172; Wena Hotels Ltd. v. Arab Republic of Egypt, (United Kingdom/Egypt BIT), Award, 8 December 2000, 6 ICSID Reports 89. 495 Middle East Cement Shipping and Handling Co. S. A. v. Arab Republic of Egypt, (Greece/Egypt BIT), Award, 12 April 2002, 7 ICSID Reports 178. Zum Sachverhalt siehe auch oben, S. 68. 496 Antoine Goetz and Others v. Republic of Burundi, (Belgium-Luxembourg Economic Union/Burundi BIT), Award, 10 February 1999, 6 ICSID Reports 5. Zum Sachverhalt siehe oben, S. 281. 497 Feldman v. Mexico, (NAFTA), Award, 16 December 2002, 7 ICSID Reports 341, § 152.

B. Die Enteignung

323

unternehmen) fest, weil der Investor die Kontrolle über die Investition weiterhin innehatte. Das Schiedsgericht in Generation Ukraine499 ging davon aus, dass aus einer Wertminderung alleine noch nicht auf das Vorliegen einer Enteignung geschlossen werden könne: The fact that an investment has become worthless obviously does not mean that there was an act of expropriation; investment always entails risk.500

Im Fall GAMI501 war ein Schiedsgericht zwar der Meinung, dass man in Kenntnis der Größenordnung der Wertverringerung einer Investition in der Lage sein könnte, zu überlegen, ob eine Grenze gezogen werden solle, jenseits der der Verlust so groß ist, dass er ein „taking“ darstelle. Aus der Judikatur lässt sich hingegen ein einheitliches Kriterium, wieviel Prozent des Wertes der Investition vernichtet sein müssen, damit eine Enteignung vorliegt, nicht ableiten: Dies zeigt die nachfolgende Analyse. Im Fall CME502 wirkte sich ein Restwert von 9,1% nicht negativ hinsichtlich der Entscheidung aus, dass eine Enteignung vorlag. Im Fall CMS503 wurde das Vorliegen einer Enteignung trotz einer vom Schiedsgericht angenommenen Wertminderung um 98,5%504 verneint, weil nicht in die Kontrollrechte des In___________ 498 Waste Management, Inc. v. United Mexican States, (NAFTA), Award, 30 April 2004, http://ita.law.uvic.ca/documents/laudo_ingles.pdf, § 159. 499 Generation Ukraine Inc. v. Ukraine, (United States/Ukraine BIT), Award, 16 September 2003, 10 ICSID Reports 240. 500 Ibid., § 20.30. 501 GAMI Investment Inc. v. Mexico, (NAFTA), Award, 15 November 2004, http://ita.law.uvic.ca/documents/Gami.pdf, § 133. GAMI hat seinen Fall jedoch auf der Behauptung aufgebaut, dass das Unrecht den gesamten Wert seiner Investition zerstört habe. Eine derartige Totalzerstörung konnte es aber nicht beweisen. Daher lehnte das Schiedsgericht das Vorliegen einer Enteignung ab. 502 CME v. The Czech Republic, (Netherlands/Czech Republic BIT), Final Award, 14 March 2003, 9 ICSID Reports 264, § 620. 503 CMS Gas Transmission Company v. Argentine Republic, (US/Argentina BIT), Award, 12 May 2005, http://ita.law.uvic.ca/documents/CMS_FinalAward_000.pdf. 504 Im Zuge der Feststellung, wieviel der Staat an den Investor zu zahlen habe, bezifferte das Schiedsgericht diese Summe mit US$133.2 million. Den Restwert der Investition nahm es mit US$ 2,148,100 million an. (§ 472). Daher ging es davon aus, dass 98,5% des Wertes der Investition durch die staatlichen Maßnahmen entzogen worden waren. US$ 2,148,100 million US$133,200,000 million – compensation 98,5% US$135,348,100 million § 472 …

324

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

vestors eingegriffen worden war. Somit ist klar, dass für das CMS Schiedsgericht die Wertminderung zwar ein wesentlicher, nicht jedoch der allein entscheidende Faktor war. Aus dem Umfang der Wertminderung alleine kann daher nicht auf das Vorliegen einer Enteignung geschlossen werden, selbst wenn die Wertminderung erheblich ist. Als Ergebnis ist festzuhalten, dass sich bisher keine einheitliche Terminologie für das geforderte Ausmaß des Eingriffs durchgesetzt hat. Dennoch ist ein Standard erkennbar: Die überwiegende Mehrheit der Schiedssprüche verlangt in der Praxis einen substantiellen Entzug der Rechte an der Investition.505 Insbesondere muss die wirtschaftliche Nutzungsmöglichkeit entzogen worden sein. Die Wertminderung der Gesamtinvestition ist sicherlich ein Indikator für das Vorliegen einer Enteignung, jedoch wurde die Wertminderung alleine nicht als taugliches Abgrenzungskriterium angesehen. Weiters ist festzuhalten, dass die Verwendung der Termini „investment“ oder „property“ in den Formeln, welche die jeweiligen Gerichte ihren Enteignungsdefinitionen zugrundelegten, keine unterschiedlichen Rechtsfolgen nach sich zog. Damit eine Enteignung vorliegt, müssen vornehmlich jene der Rechte aus dem Bündel an Rechten an einem Objekt entzogen sein, welche die wirtschaftliche Nutzungsmöglichkeit der Investition betreffen. In einigen Schiedssprüchen wurde zusätzlich auch ein Entzug der Kontrollrechte verlangt.506 Es ist eine Tendenz zu erkennen, dass die Schiedsgerichte, statt primär auf eine Wertminderung abzustellen, ihr Hauptaugenmerk darauf legen, ob die Kontrollrechte, Management-, Nutzungs- und Ausschließungsrechte des Investors noch

___________ 2. The Respondent shall pay the Claimant compensation in the amount of US$133.2 million. 3. Upon payment of the compensation decided in this Award, the Claimant shall transfer to the Respondent the ownership of its shares in TGN upon payment by the Respondent of the additional sum of US$2,148,100. 505 I.d.S. auch Y. Nouvel, Les mesures équivalent à une expropriation dans la pratique récente des tribunaux arbitraux, 106 RGDIP 2002, 79, S. 90. 506 Siehe z.B.: Pope & Talbot v. Canada, Award, 26 June 2000, 7 ICSID Reports 69, §§ 100–102; Feldman v. Mexico, (NAFTA), Award, 16 December 2002, 7 ICSID Reports 341, § 152; Waste Management, Inc. v. United Mexican States, Award, 30 April 2004, § 159; CMS Gas Transmission Company v. Argentine Republic, (US/Argentina BIT), Award, 12 May 2005, §§ 263, 264, Quelle: http://ita.law.uvic.ca/documents/ CMS_FinalAward_000.pdf; Azurix Corp. v. Argentine Republic, (US/Argentina BIT), Award, 14 July 2006, § 322, Quelle: http://ita.law.uvic.ca/documents/AzurixAward July2006.pdf; LG&E Energy Corp, LG&E Capital Corp., LG&E International Inc. v. Argentine Republic, (US/Argentina BIT), Award, 3 October 2006, §§ 188–199, http://ita.law.uvic.ca/documents/LGEArgentinaLiability.pdf.

B. Die Enteignung

325

aufrecht sind.507 Im Gegensatz zum EGMR ist kein Entzug, auch kein de facto Entzug, der Anlagen etwa im Sinne einer Zutrittsverweigerung erforderlich.

(b) Die zeitliche Dimension des Eingriffs Ein weiteres Element, das untrennbar mit der Schwere eines Eingriffes verbunden ist, ist dessen Dauer bzw. die Dauerhaftigkeit seiner Auswirkungen.508 Dieses Element dient dazu, vorübergehende Schwierigkeiten und Probleme, die in allen Staaten auftreten können, von dauerhaften und irreversiblen Eingriffen zu unterscheiden.509 Neben dieser Bedeutung des temporalen Aspekts für das „Ob“ einer Enteignung, ist auch die Frage, „ab wann“ von einer Enteignung auszugehen ist, wesentlich. In der Folge soll zunächst gezeigt werden, inwieweit das temporale Element in der Praxis der Schiedsgerichte Bedeutung erlangt hat. Dabei wird darauf Bedacht genommen, ob die Schiedsgerichte die Dauer des Eingriffs oder die Dauerhaftigkeit von dessen Auswirkungen als relevant angesehen haben. Danach wird untersucht, ab welcher zeitlichen Dauer Eingriffe als nicht bloß vorübergehend angesehen wurden. In einer Reihe von Fällen war aufgrund des Sachverhalts klar, dass ein dauerhafter Entzug vorlag. Die Schiedsgerichte setzten sich mit diesem Umstand daher nicht weiter auseinander.510 Dass die Frage von Relevanz für das Vorliegen einer Enteignung ist, zeigt sowohl die umfangreiche Judikatur des IUSCT zur Frage der Einsetzung „temporärer“ Manager durch den Staat511 als auch ___________ 507 I.d.S. bereits R. Higgins, The Taking of Property by the State: Recent Developments in International Law, 176 RdC (1982-III), S. 271. 508 Siehe dazu auch: J. M. Wagner, International Investment, Expropriation and Environmental Protection, 29 Golden Gate University Law Review 1999, 465–538, S. 515 ff. 509 I.d.S. siehe auch: International Bank of Washington v. OPIC, 11 ILM 1972, 1216, S. 1228. In dem Fall sieht bereits der Versicherungsvertrag eine Mindestfrist von einem Jahr für einen relevanten Eigentumseingriff vor. Die Begründung hat aber über den Einzelfall hinaus Relevanz. Zur frühen OPIC Judikatur siehe V. R. Koven, Expropriation and the „Jurisprudence“ of OPIC, 22 Harvard International Law Journal 1981, S. 269 ff. 510 Siehe z.B.: Biloune and Marine Drive Complex Ltd. v. Ghana Investments Centre and the Government of Ghana, (Investment Agreement), Award, 27 October 1989, 95 ILR 183; Antoine Goetz and Others v. Republic of Burundi, (Belgium-Luxembourg Economic Union/Burundi BIT), Award, 10 February 1999, 6 ICSID Reports 5; Metalclad Corp. v. United Mexican States, (NAFTA), Award, 30 August 2000, 5 ICSID Reports 212. 511 Siehe dazu z.B.: IUSCT, Tippetts, Abbett, McCarthy, Stratton v. TAMS-AFFA Consulting Engineers of Iran, et al., Award No. 141-7-2, 29 June 1984, 6 IUSCTR 219; Thomas Earl Payne v. The Government of the Islamic Republic of Iran, Award No. 245-

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2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

eine Reihe von Schiedssprüchen, in denen sich Schiedsgerichte ausdrücklich mit dem Problem auseinandersetzten.512 Diese Schiedsgerichte waren der ___________ 335-2, 8 August 1986, 12 IUSCTR 3; Harold Birnbaum v. The Islamic Republic of Iran, Award No. 549-967-2, 6 July 1993, 29 IUSCTR 260. G. H. Aldrich, What Constitutes a Compensable Taking of Property? The Decisions of the Iran-United States Claims Tribunal, 88 AJIL 1994, 585, S. 588 ff.; M. Pellonpää, Compensable Claims before the Tribunal: Expropriation Claims, in: R. B. Lillich/D. B. Magraw (Hrsg.), The Iran-United States Claims Tribunal: Its Contribution to the Law of State Responsibility, 1998, S. 226 ff.; M. Pellonpää/M. Fitzmaurice, Taking of Property in the Practice of the Iran-United States Claims Tribunal, 19 NYIL, 1988, S. 95 ff.; A. Mouri, The international law of expropriation as reflected in the work of the Iran-U.S. claims tribunal, 1994, S. 129 ff.; J. A. Westberg, International Transactions and Claims Involving Government Parties, Case Law of the Iran-United States Claims Tribunal, 1991, S. 123 ff.; C. N. Brower/J. D. Brueschke, The Iran-United States Claims Tribunal, 1998, S. 395 ff.; C. N. Brower, The Iran-United States Claims Tribunal, 224 RdC (1990V), 126, S. 294 ff. 512 Siehe z.B.: IUSCT, Oil Fields of Texas, Inc. v. The Government of the Islamic Republic of Iran, Award No. 258-43-1, 8 October 1986,12 IUSCTR 308: The Court order did not only have temporary effect, but, as evidenced by NIOC’s continued retention of the equipment, amounted to a permanent deprivation of its use. In these circumstances, and taking into account the Claimant’s impossibility to challenge the Court order in Iran, there was a taking of the three blowout preventers for which the Government is responsible. (§ 43) S.D. Myers, Inc. v. Government of Canada, (NAFTA), First Partial Award, 13 November 2000, 8 ICSID Reports 18, §§ 283, 284: An expropriation usually amounts to a lasting removal of the ability of an owner to make use of its economic rights although it may be that, in some contexts and circumstances, it would be appropriate to view a deprivation as amounting to an expropriation, even if it were partial or temporary. (§ 283) In this case the closure of the border was temporary. SDMI’s venture into the Canadian market was postponed for approximately eighteen months. Mr. Dana Myers testified that this delay had the effect of eliminating SDMI’s competitive advantage. This may have significance in assessing the compensation to be awarded in relation to CANADA’s violations of Articles 1102 and 1105, but it does not support the proposition on the facts of this case that the measure should be characterized as an expropriation within the terms of Article 1110. (§ 284) Generation Ukraine Inc. v. Ukraine, (United States/Ukraine BIT), Award, 16 September 2003, § 20.32, http://ita.law.uvic.ca/documents/GenerationUkraine_000.pdf: The Tribunal finds that the conduct of the Kyiv City State Administration ... does not come close to creating a persistent or irreparable obstacle to the Claimant’s use, enjoyment or disposal of its investment. (20.32) (Hervorhebung durch die Autorin). In der Lehre wurde dieses Kriterium eines Erfordernisses des Vorliegens eines „dauerhaften und unüberwindbaren Hindernisses für die Nutzungsmöglichkeit der Investition“ als Abgrenzungskriterium für das Vorliegen einer Enteignung positiv rezipiert. (Siehe z.B.: C. Schreuer, The Concept of Expropriation under the ETC and other Investment Protection Treaties, in: C. Ribeiro (Hrsg.), Investment Arbitration and the Energy Charter Treaty, 2006, 108, S. 151).

B. Die Enteignung

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___________ Técnicas Medioambientales Tecmed, S. A. v. United Mexican States, (Spain/Mexico BIT), Award, 29 May 2003, 10 ICSID Reports 134, § 116: Therefore, it is understood that the measures adopted by a State, whether regulatory or not, are an indirect de facto expropriation if they are irreversible and permanent … . Under international law, the owner is also deprived of property where the use or enjoyment of benefits related thereto is exacted or interfered with to a similar extent, even where legal ownership over the assets in question is not affected, and so long as the deprivation is not temporary. (§ 116) Waste Management, Inc. v. United Mexican States, Award, 30 April 2004, § 176; das Schiedsgericht lehnte das Vorliegen einer Enteignung ab und begründete dies damit, dass es sich nicht um eine endgültige Zahlungsverweigerung durch die Stadt handle: In the present case, in the Tribunal’s view, this has not been shown. The question here is not one of final refusal to pay (combined with effective obstruction and denial of legal remedies); it is one of neglect and failure at the contractual level in the context of a marginal enterprise. That does not pass the test for an expropriatory taking of contractual rights as it emerges from the decisions analysed above. (§ 176) Wena Hotels Ltd. v. Arab Republic of Egypt, (United Kingdom/Egypt BIT), Award, 8 December 2000, 6 ICSID Reports 89, § 99: Here, the Tribunal has no difficulty finding that the actions previously described constitute such an expropriation. Whether or not it authorized or participated in the actual seizure of the hotels, Egypt deprived Wena of its “fundamental rights of ownership” by allowing EHC forcibly to seize the hotels, to possess them illegally for nearly a year, and to return the hotels stripped of much of their furniture and fixtures. … Putting aside various other improper actions, allowing an entity (over which Egypt could exert effective control) to seize and illegally possess the hotels for nearly a year is more that an ephemeral interference “in the use of that property or with the enjoyment of its benefits”. (§ 99) (Hervorhebung durch die Autorin). LG&E Energy Corp, LG&E Capital Corp., LG&E International Inc. v. Argentine Republic, (US/Argentina BIT), Award, 3 October 2006, http://ita.law.uvic.ca/docu ments/LGEArgentinaLiability.pdf: In evaluating the degree of the measure’s interference with the investor’s right of ownership, one must analyze the measure’s economic impact – its interference with the investor’s reasonable expectations – and the measure’s duration. (§ 188) ... the expropriation must be permanent, …, it cannot have a temporary nature, unless the investment’s successful development depends on the realization of certain activities at specific moments that may not endure variations. (§ 193) (Hervorhebungen durch die Autorin). Siemens AG v. Argentine Republic, (Germany/Argentina BIT), Award, 6 February 2007, http://ita.law.uvic.ca/documents/Siemens-Argentina-Award.pdf, § 271: … Of all these measures, Decree 669/01 by itself and independently can be considered to be an expropriatory act. It was not based on the Contract but on the 2000 Emergency Law, it was a permanent measure and the effect was to terminate the Contract. (Hervorhebungen durch die Autorin).

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2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

Auffassung, dass entweder bereits der Eingriffsakt oder jedenfalls dessen Auswirkungen dauerhaft und irreversibel sein müssen.513 Das gleiche Erfordernis findet sich auch in der Judikatur des IUSCT zur Einsetzung temporärer Manager. Das IUSCT sah in deren Einsetzung selbst noch keine Enteignung. Diese sah es aber sehr wohl als gegeben an, wenn die ursprünglichen Direktoren oder Manager keinen Einfluss auf die Geschicke des Unternehmens mehr nehmen konnten und daher ein dauerhafter Entzug der Investition vorlag.514 Eine ausführliche Auseinandersetzung mit diesem Problem findet sich bereits in der zustimmenden Urteilsbegründung von Richter Aldrich im Fall ITT Industries.515 Aldrich führte unter Berufung auf zahlreiche Quellen aus, dass eine Übernahme der Kontrolle über Eigentum nicht automatisch den Schluss rechtfertige, das Eigentum sei von der Regierung entzogen und daher sei Entschädigung516 zu leisten. Ein derartiger Schluss sei aber berechtigt, wenn dem Eigentümer fundamentale Eigentümerrechte entzogen seien und es den Anschein habe, dass der Entzug nicht nur vorübergehend sei: … while assumption of control over property by a government does not automatically and immediately justify a conclusion that the property has been taken by the government, thus requiring compensation under international law, such a conclusion is warranted whenever events demonstrate that the owner was deprived of funda-

___________ 513 Siehe z.B.: IUSCT, Oil Fields of Texas, Inc. v. The Government of the Islamic Republic of Iran, Award No. 258-43-1, 8 October 1986, 12 IUSCTR 308, § 43 (amounted to a permanent deprivation); S.D. Myers, Inc. v. Government of Canada, (NAFTA), First Partial Award, 13 November 2000, 8 ICSID Reports 18, § 283 (lasting removal). Generation Ukraine Inc. v. Ukraine, (United States/Ukraine BIT), Award, 16 September 2003, 10 ICSID Reports 240, § 20.32 (persistent or irreparable obstacle); Técnicas Medioambientales Tecmed, S. A. v. United Mexican States, (Spain/Mexico BIT), Award, 29 May 2003, 10 ICSID Reports 134, § 116 (irreversible and permanent); Waste Management, Inc. v. United Mexican States, Award, 30 April 2004, § 176 (The question here is not one of final refusal to pay); Wena Hotels Ltd. v. Arab Republic of Egypt, (United Kingdom/Egypt BIT), Award, 8 December 2000, 6 ICSID Reports 89, § 99 (is more that an ephemeral interference „in the use of that property or with the enjoyment of its benefits“). 514 Siehe dazu z.B.: C. N. Brower/J. D. Brueschke, The Iran-United States Claims Tribunal, 1998, S. 395 ff. m.w.N. 515 IUSCT, ITT Industries, Inc. v. The Islamic Republic of Iran, the Organizations of Nationalized Industries of Iran, Award Nr. 47-156-2, 26 May 1983, 2 IUSCTR 248. Der Fall betraf ein amerikanisches Unternehmen, dass über schwedische Töchter 25% an einer Aktiengesellschaft hielt. Aufgrund des „Act for the Protection and Development of Iranian Industries“ wurden die von den Aktionären eingesetzten Direktoren abberufen. Darunter auch jener, der von der schwedischen Tochter nominiert worden war. Sie wurden durch von der iranischen Regierung ausgewählte ersetzt. Der Fall wurde schließlich verglichen. 516 Entschädigung ist in diesem Fall untechnisch verwendet und trifft keine Aussage darüber, ob im konkreten Fall Schadenersatz oder Entschädigung zu leisten ist.

B. Die Enteignung

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mental rights of ownership and it appears that this deprivation is not merely ephemeral.517

Das von Aldrich herangezogene Kriterium eines nicht nur vorübergehenden Entzuges fundamentaler Eigentümerrechte fand Eingang in die spätere Judikatur des IUSCT.518 Im Fall Tippetts519 war der Kläger zu 50% an einem Joint Venture beteiligt. Die iranische Regierung setzte einen vorübergehenden Manager ein, der in der Folge, ohne den Kläger zu konsultieren, unter anderem Schecks im Namen des Joint Ventures alleine zeichnete und Personalentscheidungen traf. Der Kläger hatte in der Folge erreicht, dass Schecks nur gemeinsam gezeichnet werden durften. Nach den Vorgängen im November 1979 wurde jedoch seitens des Joint Ventures jegliche Kommunikation zwischen dem Kläger und dem Joint Venture abgebrochen. Das Schiedsgericht führte zur Einsetzung temporärer Manager aus, dass die Übernahme der Kontrolle über ein Unternehmen durch eine Regierung noch nicht automatisch eine Enteignung bedeute. Eine derartige Schlussfolgerung, mit der Folge einer Entschädigungsverpflichtung, sei aber dann gerechtfertigt, wenn die Fakten zeigten, dass dem Eigentümer fundamentale Eigentümerrechte – wie in diesem Fall – nicht nur vorübergehend entzogen worden waren. While assumption of control over property by a government does not automatically and immediately justify a conclusion that the property has been taken by the government, thus requiring compensation under international law, such a conclusion is warranted whenever events demonstrate that the owner has been deprived of fundamental rights of ownership and it appears that this deprivation is not merely ephemeral. 520

Die Judikatur des IUSCT wurde wiederum von ICSID Schiedsgerichten zitiert.521 Deutlich wird das Erfordernis eines nicht nur vorübergehenden Eingriffs auch im Fall Motorola.522 Dort verneinte das IUSCT das Vorliegen einer Enteignung, weil es zur Ansicht gelangte, dass die Einsetzung des temporären Ma___________ 517

Ibid., S. 351 f. Siehe z.B.: IUSCT, Tippetts, Abbett, McCarthy, Stratton v. TAMS-AFFA Consulting Engineers of Iran, et al., Award No. 141-7-2, 29 June 1984, 6 IUSCTR 219. IUSCT, Phelps Dodge Corp., et al and The Islamic Republic of Iran, Award No. 21799-2, 19 March 1986, 10 IUSCTR 121, S. 130, § 22; Thomas Earl Payne and The Government of the Islamic Republic of Iran, Award No. 245-335-2, 8 August 1986, 12 IUSCTR 3, S. 9; Harold Birnbaum and The Islamic Republic of Iran, Award No. 549967-2, 6 July 1993, 29 IUSCTR 260, S. 268. 519 IUSCT, Tippetts, Abbett, McCarthy, Stratton v. TAMS-AFFA Consulting Engineers of Iran, et al., Award No. 141-7-2, 29 June 1984, 6 IUSCTR 219. 520 Ibid., S. 225. Hervorhebung durch die Autorin. 521 Siehe z.B.: Wena Hotels Ltd. v. Arab Republic of Egypt, (United Kingdom/Egypt BIT), Award, 8 December 2000, 6 ICSID Reports 89, § 99. 522 IUSCT, Motorola v. Iran National Airlines Corporation, The Government of the Islamic Republic of Iran, Award No. 373-481-3, 28 June 1988, 19 IUSCTR 73. 518

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2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

nagers aufgrund der nachfolgenden Vorgangsweise der Regierung tatsächlich nicht auf Dauer angelegt gewesen sei. Die Regierung selbst hatte Motorola in der Folge aufgefordert, selbst einen Manager zu ernennen. Although the Tribunal thus considers that the appointment of Mr. Tahanha [the temporary manager] is a significant event, the Tribunal finds that, in the circumstances of this Case, this appointment does not amount to an expropriation. In this Case, the Tribunal must take into consideration that the temporary nature of Mr. Tahanha’s appointment is supported by the subsequent events. Both Mr. Tahanha and the Ministry of Commerce urged Motorola to appoint a new external manager to replace Mr. Dowlatshahi [the former General Manager replaced by the temporary manager].523

Alle diese Fälle bestätigen, dass die Zeitkomponente ein wesentlicher Faktor bei der Beurteilung des Vorliegens einer Enteignung durch Schiedsgerichte ist. Lediglich der Fall S.D. Myers524 schließt nicht aus, dass unter besonderen Umständen, die allerdings nicht näher spezifiziert wurden, auch temporäre Eingriffe Enteignungen sein können. Alle übrigen Schiedsgerichte, die sich mit dem Problem befassten, verlangten für das Vorliegen einer Enteignung, dass die Auswirkungen des Eigentumseingriffs nicht bloß vorübergehend seien. Eine genaue zeitliche Grenze, ab wann eine zunächst temporär scheinende Maßnahme als dauerhaft anzusehen sei, lässt sich aus der Judikatur nicht entnehmen. In diesem Sinne stellte das Schiedsgericht im Fall Azurix525 fest, dass im Völkerrecht keine bestimmte Zeitspanne festgelegt sei, ab der im Falle einer schleichende Enteignung von einer solchen auszugehen sei. Es führte aus: There is no specific time set under international law for measures constituting creeping expropriation to produce that effect.526

Während ein Schiedsgericht im zuvor erwähnten Fall S.D. Myers527 18 Monate für das Vorliegen einer Enteignung als nicht ausreichend ansah, reichten im Fall Wena Hotels v. Egypt528 12 Monate sehr wohl aus. ___________ 523

IUSCT, Motorola v. Iran National Airlines Corporation, The Government of the Islamic Republic of Iran, Award No. 373-481-3, 28 June 1988, 19 IUSCTR 73, S. 85 f. Siehe dazu auch z.B.: C. N. Brower, The Iran-United States Claims Tribunal, 224 RdC (1990-V), 126, S. 299. 524 S.D. Myers, Inc. v. Government of Canada, (NAFTA), First Partial Award, 13 November 2000, 8 ICSID Reports 18, § 283. Zum Sachverhalt siehe unten, S. 348. 525 Azurix Corp. v. Argentine Republic, (US/Argentina BIT), Award, 14 July 2006, http://ita.law.uvic.ca/documents/AzurixAwardJuly2006.pdf. 526 Ibid., § 313. 527 S.D. Myers, Inc. v. Government of Canada, (NAFTA), First Partial Award, 13 November 2000, 8 ICSID Reports 18. 528 Wena Hotels Ltd. v. Arab Republic of Egypt, (United Kingdom/Egypt BIT), Award, 8 December 2000, 6 ICSID Reports 89. Zum Sachverhalt siehe auch oben, S. 288.

B. Die Enteignung

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In S.D. Myers war der Umstand, dass es sich nur um ein vorübergehendes (18 Monate dauerndes) Exportverbot für gefährliche Abfallstoffe handelte, entscheidend dafür, dass das Schiedsgericht das Vorliegen einer Enteignung ablehnte, obwohl es nicht kategorisch ausschloss, dass auch vorübergehende Entzüge eine Enteignung sein können. In this case the closure of the border was temporary. SDMI’s venture into the Canadian market was postponed for approximately eighteen months. Mr. Dana Myers testified that this delay had the effect of eliminating SDMI’s competitive advantage. This may have significance in assessing the compensation to be awarded in relation to CANADA’s violations of Articles 1102 and 1105, but it does not support the proposition on the facts of this case that the measure should be characterized as an expropriation within the terms of Article 1110.529

Das Schiedsgericht verlangte grundsätzlich eine dauerhafte Nutzungsunmöglichkeit der Investition. Abgestellt wurde nicht auf die Dauer des Eingriffs, sondern auf die Dauer der durch den Eingriff verursachten Konsequenzen (lasting removal of the ability of an owner to make use). Das temporäre Element war in diesem Fall das entscheidende Kriterium für die Ablehnung einer Enteignung. Im Fall Wena Hotels v. Egypt530 berief sich das ICSID Schiedsgericht bei seiner Entscheidung über das Vorliegen einer Enteignung auf das Urteil des IUSCT im Fall Tippetts, Abbett, McCarthy, Stratton v. TAMS-AFFA531 und das dort verwendete Kriterium eines nicht nur vorübergehenden Entzuges fundamentaler Eigentümerrechte.532 Der Fall betraf zwei Hotels (Nil und Luxor Hotel), die der in Staatseigentum befindlichen Hotelkette EHC gehörten. Beide wurden 1989 bzw. 1990 an Wena für 25 Jahre verleast. Es kam zu Streitigkeiten aus dem Vertrag. Im April 1991 wurde Wena gewaltsam aus beiden Hotels entfernt, wobei die Polizei sich weigerte, Wena zu unterstützen. Das ICSID Schiedsgericht führte aus, dass Ägypten durch das Zulassen des gewaltsamen Entzugs der Hotels durch EHC und die illegale Innehabung für mehr als ein Jahr, wobei bei der Rückgabe die Einrichtung und die Möbel fehlten, fundamentale Eigentümerrechte entzogen hatte. Der Entzug und die illegale Innehabung während fast eines Jahres (8 Monate – Nil Hotel, 12 Monate – Luxor Hotel) sei mehr als nur ein vorübergehender Eingriff in die Nutzungsmöglichkei___________ 529

S.D. Myers, Inc. v. Government of Canada, (NAFTA), First Partial Award, 13 November 2000, 8 ICSID Reports 18, § 284. Fußnoten wurden ausgelassen. 530 Wena Hotels Ltd. v. Arab Republic of Egypt, (United Kingdom/Egypt BIT), Award, 8 December 2000, 6 ICSID Reports 89. Zum Sachverhalt siehe auch oben, S. 288. 531 IUSCT, Tippetts, Abbett, McCarthy, Stratton v. TAMS-AFFA, Award No 141-7-2 (29 June 1984), 6 IUSCTR 219. 532 Wena Hotels Ltd. v. Arab Republic of Egypt, (United Kingdom/Egypt BIT), Award, 8 December 2000, 6 ICSID Reports 89.

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2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

ten des Eigentums oder in die Nutzung der Erträgnisse. Hier greift das Wena Schiedsgericht auf Tippets, zurück, wenn es ausführt: Here, the Tribunal has no difficulty finding that the actions previously described constitute such an expropriation. Whether or not it authorized or participated in the actual seizure of the hotels, Egypt deprived Wena of its “fundamental rights of ownership” by allowing EHC forcibly to seize the hotels, to possess them illegally for nearly a year, and to return the hotels stripped of much of their furniture and fixtures. … Putting aside various other improper actions, allowing an entity (over which Egypt could exert effective control) to seize and illegally possess the hotels for nearly a year is more that an ephemeral interference “in the use of that property or with the enjoyment of its benefits”.533

Das Schiedsgericht sah somit ein Jahr totalen Nutzungsentzug als ausreichend für das Vorliegen einer Enteignung an.534 Weitere Anhaltspunkte sind aus jenen Fällen des IUSCT zu gewinnen, die den Ersatz der von den Unternehmen eingesetzten Manager durch vom Staat ernannte „temporäre“ Manager zum Gegenstand hatten. Im bereits erwähnten Fall ITT Industries535 ging Richter Aldrich in seinem zustimmenden Votum davon aus, dass eine zweieinhalb Jahre andauernde Situation, bei der keine Aussicht auf Änderung bestand, nicht mehr vorübergehend sei.536 Im Fall Phelps Dodge Corp. v. Iran,537 bei dem das IUSCT zu entscheiden hatte, ob die Einsetzung eines temporären Managers zu einer Enteignung geführt hatte, dauerte der provisorische Zustand bereits fünf Jahre an, und es gab keine Anzeichen für eine Änderung der Situation. Das IUSCT stellte fest, dass durch die Übernahme der Kontrolle über die Fabrik, deren Betrieb zu Gunsten des Beklagten und die unbegrenzte Fortsetzung dieser Situation Phelps Dodge enteignet worden sei. Daher sei zu entschädigen:538 The conclusion is unavoidable that, as of 15 November 1980, control of the SICAB factory was taken by the Respondent, thereby depriving Phelps Dodge of virtually all of the value of its property rights in SICAB. That such deprivation has lasted for five

___________ 533 Ibid., § 99. Fußnoten wurden ausgelassen. Hervorhebung durch die Autorin. Das Tribunal zitiert Tippets (IUSCT, Tippetts, Abbett, McCarthy, Stratton v. TAMS-AFFA, Award No 141-7-2 (29 June 1984), 6 IUSCTR 219), S. 225. 534 I.d.S. auch Wena Hotels Ltd. v. Arab Republic of Egypt, (United Kingdom/Egypt BIT), Decision on the Application by Wena Hotels Ltd. for Interpretation of the Arbitral Award dated December 8, 2000, 31 October 2005, § 120, Quelle: http://ita.law.uvic. ca/documents/WenaInterpretationDecision.pdf. 535 IUSCT, ITT Industries, Inc. v. The Islamic Republic of Iran, the Organizations of Nationalized Industries of Iran, Award Nr. 47-156-2, 26 May 1983, 2 IUSCTR 248. 536 Ibid., 352. 537 IUSCT, Phelps Dodge Corp. v. The Islamic Republic of Iran, Award No. 217-992, 19 March 1986, 10 IUSCTR 121. 538 Ibid., §§ 22, 23.

B. Die Enteignung

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years is undisputed, and that it is likely to continue indefinitely seems clear to the Tribunal. …539 In the present case, the Respondent has taken control of the SICAB factory, is running it for its own benefit and seems likely to continue to do so indefinitely. Consequently, it has effectively taken Phelps Dodge’s property and is liable to the Claimants for the value of that property.540

Ein über fünf Jahre andauernder Entzug der Managementrechte, wobei keine Änderung in Sicht war, wurde daher als nicht mehr vorübergehend angesehen. In Birnbaum541 war der von der Regierung eingesetzte temporäre Manager mehr als zwei Jahre tätig, ehe das Unternehmen des Investors aufgrund einer Entscheidung der Regierung liquidiert wurde. Dies reichte dafür aus, dass das IUSCT davon ausging, dass es sich bei der Zwangsverwaltung und anschließenden Liquidation um keine temporäre Maßnahme gehandelt habe: It is difficult to assert that, after more than two years of government management and after the government’s decision in October 1981 to put AFFA into liquidation, the deprivation could not be considered to have been temporary.542

Als Ergebnis ist somit festzuhalten, dass die zeitliche Komponente eine wesentliche Rolle bei der Beurteilung durch die Schiedsgerichte gespielt hat. Sie verlangen für das Vorliegen einer Enteignung ebenso wie die Gerichte im Menschenrechtsbereich, dass ein dauerhafter Eingriff oder jedenfalls ein Eingriff mit dauerhaften Konsequenzen besteht. Von den Schiedsgerichten wurde zu recht nicht nur auf die konkrete Dauer der Maßnahme abgestellt, sondern auch eine Prognose hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit der Beendigung des Eingriffs gemacht. Maßnahmen, die zum Zeitpunkt ihres Ergreifens noch nicht zwingend als indirekte Enteignung zu werten sind, können mit Zeitablauf zu einer indirekten Enteignung werden. Dabei darf jedoch keine Aussicht auf Änderung der Situation bestehen. Die beiden Komponenten (Dauer und Wahrscheinlichkeit der Beendigung) gemeinsam werden dann als Entscheidungsgrundlage für die Erfüllung des Kriteriums des nicht nur vorübergehenden Entzugs herangezogen. Wie lange eine derartige Situation bereits andauern muss, damit die Schiedsgerichte sie als permanent ansehen, kann nicht mit letzter Sicherheit festgestellt werden. Wie ein Schiedsgericht im Fall Azurix543 festgestellt hat, gibt es keine mathematische Formel, die auf diese Frage ein mechanisches Ergebnis liefern ___________ 539

Ibid., § 22. Ibid., § 23. 541 IUSCT, Harold Birnbaum v. Iran, Award No. 549-967-2, 6 July 1993, 29 IUSCTR 260. 542 Ibid., § 31. 543 Azurix Corp. v. Argentine Republic, (US/Argentina BIT), Award, 14 July 2006, http://ita.law.uvic.ca/documents/AzurixAwardJuly2006.pdf. 540

334

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

könnte, vielmehr müssen die spezifischen Umstände jedes Falles berücksichtigt werden: Unfortunately, there is no mathematical formula to reach a mechanical result. How much time is needed must be judged by the specific circumstances of each case.544

Hinsichtlich eines Zeitraumes von 18 Monaten gibt es divergierende Judikatur. Bei mehrere Jahre dauernden Maßnahmen ohne Anhaltspunkte für eine Veränderung kann jedenfalls davon ausgegangen werden, dass das Kriterium erfüllt ist.

(c) Die „Sole-effects“-Doktrin Die „Sole-effects“-Doktrin zieht ausschließlich die Auswirkungen des Eingriffs auf die Investition heran, um festzustellen, ob eine Enteignung vorliegt. Wenn die Auswirkungen ein bestimmtes Maß überschritten haben, wird das Vorliegen einer Enteignung unabhängig von Zweck oder Charakter der Maßnahme bejaht. Teils wurde sogar explizit ein öffentliches Interesse am Eingriff als gegeben angesehen, aber festgestellt, dass dies unerheblich sei für die Beurteilung, ob eine Enteignung vorliege oder nicht. In der Folge sollen einige typische Beispiele für die „Sole-effects“-Doktrin erwähnt werden: Ein typisches Beispiel für eine Vorgangsweise nach der „Sole-effects“-Doktrin ist der Fall Southern Pacific Properties (SPP) v. Egypt.545 Gegenstand des Rechtsstreits war ein Hotelprojekt am Pyramidenplateau in Kairo, das von der Regierung gestoppt worden war, weil Gefahr für verborgene antike Bodenschätze bestand. SPP wurden durch diese Vorgangsweise die vertraglichen Rechte indirekt entzogen. Das Argument der Beklagten, wonach die Einstellung des Projekts keine Enteignung sei, wurde vom Schiedsgericht nicht akzeptiert. Das Schiedsgericht ging von einer indirekten Enteignung im öffentlichen Interesse aus.546 Das Vorliegen eines öffentlichen Interesses führte jedoch nicht dazu, dass nach Auffassung des Schiedsgerichts keine Enteignung vorgelegen wäre oder die Entschädigung hätte entfallen können.

___________ 544

Ibid., § 313. Southern Pacific Properties (Middle East) Limited (SPP) v. Arab Republic of Egypt, (National Law), Award, 20 May 1992, 3 ICSID Reports 189. Zum Sachverhalt siehe auch oben S. 273. 546 Ibid., §§ 158, 163-172. Das öffentliche Interesse manifestierte sich zusätzlich dadurch, dass ab 1979 eine weitere Erschließung im Widerspruch zur UNESCO Konvention über Weltkulturerbe gestanden wäre. 545

B. Die Enteignung

335

In etlichen Fällen wurde sogar ausdrücklich darauf Bezug genommen, dass der Zweck der Maßnahme für das Vorliegen einer Enteignung und die daran geknüpfte Entschädigungspflicht irrelevant sei. Im Fall Biloune547 wurde in Ghana ein Hotelprojekt gestoppt und teils zerstört, der Investor wurde verhaftet und später ausgewiesen. Die Auswirkungen der staatlichen Maßnahmen führten nach Auffassung des Schiedsgerichts zur faktischen Unmöglichkeit, das Projekt fortzusetzen. Das Schiedsgericht bewertete die diversen Handlungen und Unterlassungen als indirekte Enteignung der vertraglichen Rechte am Projekt548 und führte aus, dass die Motivation der Handlungen und Unterlassungen irrelevant dafür seien, ob eine Enteignung vorliege; es stellte nur auf die Auswirkung auf den Investor ab: The motivations for the actions and omissions of Ghanaian governmental authorities are not clear. But the Tribunal need not establish those motivations to come to a conclusion in this case.549 What is clear is that the conjunction of the stop work order, the demolition, the summons, the arrest, the detention, the requirement of filing assets declaration forms, and the deportation of Mr. Biloune without possibility of re-entry had the effect of causing the irreparable cessation of work on the project. Given the central role of Mr Biloune in promoting, financing and managing MDCL, his expulsion from the country effectively prevented MDCL from further pursuing the project. In the view of the Tribunal, such prevention of MDCL from pursuing its approved project would constitute constructive expropriation of MDCL’s contractual rights in the project and, accordingly, the expropriation of the value of Mr Biloune’s interest in MDCL ...550 The Tribunal therefore holds that the Government of Ghana, by its actions and omissions culminating with Mr Biloune’s deportation, constructively expropriated MDCL’s assets, and Mr Biloune’s interest therein, not later than December 24, 1987.551

Somit betrachtete das Schiedsgericht die Motivation der staatlichen Maßnahmen als irrelevant und stellte ausdrücklich nur auf deren Wirkung auf den Investor ab.

___________ 547 Biloune and Marine Drive Complex Ltd. v. Ghana Investments Centre and the Government of Ghana, (Investment Agreement), Award, 27 October 1989, 95 ILR 183. Zum Sachverhalt siehe auch oben, S. 272, 288. 548 Ibid., S. 209. 549 Ibid., S. 209. 550 Ibid., S. 209. Hervorhebung durch die Autorin. 551 Ibid., S. 210.

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2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

Auch das IUSCT stellte in einer Reihe von häufig zitierten Fällen552 fest, dass es für das Vorliegen einer Enteignung allein auf Auswirkungen der Maßnahme ankomme und nicht auf den dahinter stehenden Zweck, der mit dem Eingriff verfolgt werde. Stellvertretend sei auf die Fälle Tippetts553 sowie auf Phelps Dodge554 verwiesen. In Tippetts unterhielt die klagende Partei eine Partnerschaft mit einem iranischen Ingenieurbüro. Nach der Revolution setzte die Regierung einen neuen Manager für die Partnerschaft ein.555 Die Klägerin sah darin eine Maßnahme mit enteignungsgleicher Wirkung. Das IUSCT stellte allein auf die Auswirkungen der Maßnahme ab und nicht auf die dahinter stehenden Absichten. Überdies waren die Auswirkungen wichtiger als die Form der Maßnahmen: The intent of the government is less important than the effects of the measures on the owner, and the form of the measures of control or interference is less important than the reality of their impact.556

Phelps Dodge war Aktionär einer Kabelfabrik (SICAB) im Iran. Per Gesetz wurde das Management des Unternehmens an eine staatliche Stelle übertragen. Zweck der Übertragung war die Verhinderung der Schließung der Fabrik, die Sicherstellung der Zahlung der Löhne der Arbeiter und der Schutz von Regierungskrediten. Das IUSCT führt in seiner Begründung für das Vorliegen einer Enteignung an, dass es die Gründe für den Entzug des Eigentums sowie die wirtschaftlichen und sozialen Überlegungen verstehe, die zur Annahme des Gesetzes geführt hatten. Diese Gründe würden aber nichts an der Entschädigungsverpflichtung des Staates ändern: The conclusion is unavoidable that, as of 15 November 1980, control of the SICAB factory was taken by the Respondent, thereby depriving Phelps Dodge of virtually all of the value of its property rights in SICAB. … The Tribunal fully understands the reasons why the Respondent felt compelled to protect its interests through this transfer of management, and the Tribunal understands the financial, economic and social concerns that inspired the law pursuant to which it acted, but those reasons and con-

___________ 552

IUSCT, Tippetts, Abbett, McCarthy, Stratton v. TAMS-AFFA Consulting Engineers of Iran, Award No. 141-7-2, 29 June 1984, 6 IUSCTR 219; Phelps Dodge Corp., et al v. The Islamic Republic of Iran, Award No. 217-99-2, 19 March 1986, 10 IUSCTR 121, S. 130; Thomas Earl Payne v. The Government of the Islamic Republic of Iran, Award No. 245-335-2, 8 August 1986, 12 IUSCTR 3, S. 11; International Systems & Controls Corp. v. Iran, 26 September 1986, 12 IUSCTR 239, S. 263. 553 IUSCT, Tippetts, Abbett, McCarthy, Stratton v. TAMS-AFFA Consulting Engineers of Iran, Award No. 141-7-2, 29 June 1984, 6 IUSCTR 219. 554 IUSCT, Phelps Dodge Corp., et al v. The Islamic Republic of Iran, Award No. 217-99-2, 19 March 1986, 10 IUSCTR 121. 555 IUSCT, Tippetts, Abbett, McCarthy, Stratton v. TAMS-AFFA Consulting Engineers of Iran, Award No. 141-7-2, 29 June 1984, 6 IUSCTR 219, S. 224–225. 556 Ibid. S. 225–226.

B. Die Enteignung

337

cerns cannot relieve the Respondent of the obligation to compensate Phelps Dodge for its loss.557

Obwohl der Fall Compañía del Desarrollo de Santa Elena S.A. v. Republic of Costa Rica558 keine indirekte sondern eine direkte Enteignung betrifft, soll er dennoch erwähnt werden. Der Kläger kaufte das Grundstück, um darauf ein Tourismusressort und Wohnungen zu errichten. Costa Rica enteignete es mit Bescheid. Zweck der Enteignung war die Eingliederung in den Santa Rosa Nationalpark, weil nur unter dieser Voraussetzung der konservatorischen Zweck des Parks (Erhaltung seltener Tierarten) erreicht werden konnte. Umstritten war das Datum der Enteignung, das für die Entschädigungsberechnung von Bedeutung war. Das Schiedsgericht führte in diesem Fall besonders deutlich aus, dass legitime staatliche Gründe für das Ergreifen einer Maßnahme nicht von der Entschädigungspflicht im Falle einer Enteignung befreien: While an expropriation or taking for environmental reasons may be classified as a taking for a public purpose, and thus be legitimate, the fact that the property was taken for this reason does not affect either the nature or the measure of the compensation to be paid for the taking. That is, the purpose of protecting the environment for which the Property was taken does not alter the legal character of the taking for which adequate compensation must be paid. The international source of the obligation to protect the environment makes no difference.559 Expropriatory environmental measures – no matter how laudable and beneficial to society as a whole – are, in this respect, similar to any other expropriatory measures that a state may take in order to implement its policies: where property is expropriated, even for environmental purposes, whether domestic or international, the state’s obligation to pay compensation remains.560

Das Schiedsgericht vertrat die Auffassung, dass eine Enteignung durch Maßnahmen, die dem Eigentümer den Zugang zum Gewinn oder zur Nutzungsmöglichkeit seines Eigentums entziehen oder die Eigentumsrechte praktisch nutzlos machen, herbeigeführt werde: … a property has been expropriated where the effect of the measures taken by the states has been to deprive the owner of title possession or access to the benefit and economic use of his property.561 … The expropriated property is to be evaluated as of the date on which the governmental “interference” has deprived the owner of his rights or has made those rights practically useless.562

___________ 557 IUSCT, Phelps Dodge Corp., et al v. The Islamic Republic of Iran, Award No. 217-99-2, 19 March 1986, 10 IUSCTR 121, § 22. 558 Compañía del Desarrollo de Santa Elena S.A. v. Republic of Costa Rica, (Ad-hoc Agreement), Award, 17 February 2000, 5 ICSID Reports 153. 559 Ibid., § 71. Fußnote wurde ausgelassen. 560 Ibid., § 72. 561 Ibid., § 77.

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2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

Damit stellt das Schiedsgericht für das Vorliegen einer Enteignung ausschließlich auf die Schwere des Eingriffs ab und lehnt eine Berücksichtigung des Enteignungszwecks für die Frage, ob eine Enteignung vorliegt, ausdrücklich ab. Im Fall Metalclad563 hatte der Kläger eine Regierungs- und eine bundesstaatliche Genehmigung in Mexiko für die Errichtung und den Betrieb einer Müllverwertungsanlage erhalten. Überdies bekam er von der mexikanischen Bundesregierung die Zusicherung, dass für das Projekt alle erforderlichen Bewilligungen vorlägen. Die spätere Verweigerung einer Baugenehmigung durch die Gemeinde, in der das Projekt realisiert worden war, führte dazu, dass der Investor nach Fertigstellung einer Deponie für gefährliche Abfälle die Anlage nicht in Betrieb nehmen konnte. Das Schiedsgericht stellte für das Vorliegen einer indirekten Enteignung nur auf die Auswirkungen der Maßnahme ab. Es überprüfte, ob ein Eigentumseingriff erfolgte, der dem Eigentümer zur Gänze oder zu einem wesentlichen Teil die Nutzungsmöglichkeit oder den zu erwartenden wirtschaftlichen Gewinn des Eigentums entzogen hatte, und bejahte dies. … expropriation under NAFTA includes not only open, deliberate and acknowledged takings of property, such as outright seizure or formal or obligatory transfer of title in favor of the host State, but also covert or incidental interference with the use of property which has the effect of depriving the owner, in whole or in significant part, of the use or reasonably-to-be expected economic benefit of property …564 By permitting or tolerating the conduct of Guadalcazar in relation to Metalclad … Mexico must be held to have taken a measure tantamount to expropriation in violation of NAFTA Article 1110(1).565

Das Schiedsgericht sah in der Umwidmung des Grundstückes in einen Teil eines nationalen Schutzgebiets zur Erhaltung einer seltenen Kakteenart eine Maßnahme mit enteignungsgleicher Wirkung. Als Begründung führte das Schiedsgericht an, dass damit der Betrieb der Anlage für immer ausgeschlossen war. Weiters führte es aus, dass es die Motivation und die Absichten hinter der Maßnahme nicht zu prüfen brauche: Although not strictly necessary for its conclusion, the Tribunal also identifies as a further ground for a finding of expropriation the Ecological Decree issued by the Governor of SLP on September 20, 1997. This Decree covers an area of 188,758 hectares within the “Real de Guadalcazar” that includes the landfill site, and created

___________ 562

Ibid., § 78. Metalclad Corp. v. United Mexican States, (NAFTA), Award, 30 August 2000, 5 ICSID Reports 212. 564 Ibid., § 103; Hervorhebung durch die Autorin. 565 Ibid., § 104. 563

B. Die Enteignung

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therein an ecological preserve. This Decree had the effect of barring forever the operation of the landfill.566 The Tribunal need not decide or consider the motivation or intent of the adoption of the Ecological Decree. Indeed, a finding of expropriation on the basis of the Ecological Decree is not essential to the Tribunal’s finding of a violation of NAFTA Article 1110. However, the Tribunal considers that the implementation of the Ecological Decree would, in and of itself, constitute an act tantamount to expropriation.567

Damit zog das Schiedsgericht als Kriterien für die Feststellung des Vorliegens einer Enteignung ausschließlich die Auswirkungen des Eingriffs in Form von deren Schwere und Dauer heran und ließ den Zweck der Maßnahme außer Betracht. Gegenstand des Rechtsstreits im Fall Vivendi II568 war ein Wasserrechtskonzessionsvertrag zwischen einer Investorengruppe und der argentinischen Provinz Tucuman. Der neu gewählte Gouverneur von Tucuman lehnte die von der Vorgängerverwaltung vorgenommene Privatisierung der Wasserver- und -entsorgung ab. Durch eine Reihe von Maßnahmen wollte er den Investor zwingen, den Vertrag und insbesondere die Tarife neu zu verhandeln. Er drohte sonst die Privatisierung rückgängig zu machen. So wurde unter anderem der Konzessionsvertrag aus politischen Motiven an den Generalstaatsanwalt übermittelt.569 Ferner wurden die Wasserabnehmer dazu animiert, ihre Wasserrechnungen nicht zu bezahlen.570 Sowohl der Gesetzgeber als auch der Ombudsmann unterstützen die Kunden hinsichtlich der Nichtzahlung ihrer Wasserrechnungen.571 Gegen den Investor wurden, obwohl nie eine Gesundheitsgefährdung der Bevölkerung bestand, zahlreiche Strafverfahren eingeleitet und etliche Strafen verhängt, um ihn zu einer Änderung der Tarife zu bewegen.572 Eine Resolution der gesetzgebenden Körperschaft empfahl dem Gouverneur, einseitig neue, niedrigere Tarife festzulegen. Die Bevölkerung wurde durch Aussagen, wonach das vom Investor gelieferte Wasser gesundheitsgefährdend sei, gezielt verunsichert und gegen den Investor aufgebracht.573 Nach der einseitigen Beendigung des Konzessionsvertrags durch die Provinz zwang diese den Investor noch für 18 Monate seine Serviceleistungen zu erbringen. Während zehn Monaten geschah dies auch. ___________ 566

Ibid., § 109. Ibid., § 111. 568 Compañía de Aguas del Aconquija S. A. and Vivendi Universal v. Argentine Republic (Vivendi II), (France/Argentina BIT), Award, 20 August 2007, http://ita.law. uvic.ca/documents/VivendiAwardEnglish.pdf. 569 Ibid., § 7.4.22. 570 Ibid., §§ 7.4.23, 7.4.32. 571 Ibid., §§ 7.4.38, 7.4.42. 572 Ibid., § 7.4.24. 573 Ibid., § 7.4.28. 567

340

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

Das Schiedsgericht bewertete diese diversen Maßnahmen der Verwaltung insgesamt als indirekte Enteignung. Es stellte dafür ausschließlich auf deren Auswirkungen auf die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit der Investition ab. Weder der Absicht der Regierung noch dem Zweck der Maßnahmen maß es für die Entscheidung, ob eine Enteignung vorlag, Bedeutung bei: While intent will weigh in favour of showing a measure to be expropriatory, it is not a requirement, because the effect of the measure on the investor, not the state’s intent, is the critical factor.574 … … the structure of Article 5(2) of the Treaty directs the Tribunal first to consider whether the challenged measures are expropriatory, and only then to ask whether they can comply with certain conditions, ie public purpose, non-discriminatory, specific commitments, et cetera. If we conclude that the challenged measures are expropriatory, there will be violation of Article 5(2) of the Treaty, even if the measures might be for a public purpose and non-discriminatory, because no compensation has been paid. Respondent’s public purpose arguments suggest that state acts causing loss of property cannot be classified as expropriatory. If public purpose automatically immunises the measure from being found to be expropriatory, then there would never be a compensable taking for a public purpose. As the tribunal in Santa Elena correctly pointed out, the purpose for which the property was taken “does not alter the legal character of the taking for which adequate compensation must be paid.” The legal element in question is whether the act is expropriatory or not.575 … Where, as here, there has been no taking or dispossession, as such, and the question turns on whether there have been measures equivalent to expropriation which have had an effect similar to the dispossession of Claimants’ rights and expectations, …576

Somit stellte neuerlich ein Schiedsgericht ausschließlich auf die Auswirkungen der staatlichen Maßnahmen für das Vorliegen einer Enteignung ab. Dolzer sah die Schiedssprüche in Biloune, Tippets und Metalclad als charakteristisch für die „Sole-effects“-Doktrin an. Bei dieser sind die Auswirkungen (Schwere und Dauer) eines Eingriffs nicht nur ein wichtiges Kriterium, sondern das allein entscheidende für das Vorliegen einer Enteignung.577 Die Anwendung der „Sole-effects“-Doktrin als Abgrenzungsmethode führt in Kombination mit dem im Investitionsrecht geltenden, bereits erwähnten „Alles-oder-Nichts“-Modell zu folgender Konsequenz: Immer wenn die Auswirkungen eines Eingriffs auf die Investition eine bestimmte Schwelle überschreiten, erhält der Investor „Alles“. Je nachdem, ob die Kriterien „öffent___________ 574

Ibid., § 7.5.20. Kursivierung original. Ibid., § 7.5.21. Hervorhebung durch die Autorin. 576 Ibid., § 7.5.24. 577 R. Dolzer, Indirect Expropriations: New Developments?, 11 N.Y.U. Environmental Law Journal, 2003, S. 79 ff. 575

B. Die Enteignung

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liches Interesse“, „nicht diskriminierend“ und „rechtsstaatliches Verfahren“ kumulativ erfüllt sind oder nicht, manifestiert sich das „Alles“ in Form einer Entschädigung oder in der Form von Schadenersatz. Eine Berücksichtigung schützenswerter öffentlicher Interessen ist in diesem Modell bei gleichzeitiger Entschädigung des Investors für einen Eigentumseingriff nicht möglich.

(2) Eingriffszweck als Kriterium für das Vorliegen einer Enteignung Dem Zweck von Eigentumseingriffen wurde bei der Beurteilung, ob eine Enteignung vorliege, in jüngerer Zeit vermehrt Beachtung geschenkt. Dazu dürfte auch der Umstand beigetragen haben, dass sich Investoren in den letzten Jahren vermehrt auf Normen zum Schutz vor indirekten Enteignungen gestützt haben, um Maßnahmen zu bekämpfen, die von entwickelten Ländern in deren täglicher Regierungsarbeit zum Wohle der Allgemeinheit ergriffen wurden. Während die sonstigen Abgrenzungskriterien, wie Ausmaß oder Dauer des Eingriffs, die Verschlechterung der Position des Investors betrachten, zielt das Kriterium des Eingriffszwecks auf die Berücksichtigung der Interessen des Gastgeberstaates ab. Wie bereits ausführlich erörtert, gibt es derzeit bei indirekten Enteignungen zwei Judikaturlinien, die hinsichtlich der für das Vorliegen einer Enteignung relevanten Prüfungskriterien miteinander im Widerspruch stehen. Der wesentliche Unterschied liegt darin, inwiefern der Zweck des Eingriffs – oder anders formuliert das hinter dem Eingriff stehende öffentliche Interesse – als Entscheidungskriterium herangezogen wird. Der Begriff „Zweck“ des Eingriffs wird in der Folge deshalb synonym mit „öffentlichem Interesse am Eingriff“ verwendet. Die eine Linie lehnt die Berücksichtigung des Zwecks bei der Entscheidung, ob eine Enteignung vorliegt ab („Sole-effects“-Doktrin). Wenn die Auswirkungen des Eingriffs jenen bei einer formellen Enteignung vergleichbar sind, hat daher ein regulativer Eingriff auch die gleichen rechtlichen Konsequenzen, wie eine formelle Enteignung. Aufgrund des binären „Alles-oder-Nichts“-Systems ist voll zu entschädigen. Die andere Linie berücksichtigt den Zweck des Eingriffs zusätzlich zur Rechtmäßigkeitsprüfung bereits bei der Entscheidung, ob eine Enteignung vorliegt. Sie tritt in zwei Ausprägungsformen auf. Die gemäßigte „Police-powers“Doktrin zieht den Zweck als eines unter mehreren Kriterien zur Entscheidung, ob eine Enteignung vorliegt, heran. Die radikale „Police-powers“-Doktrin macht ihn zum allein maßgeblichen Entscheidungskriterium. Damit ist in den Fällen, bei denen der Eingriff einem legitimen Zweck dient, auch wenn die

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2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

Auswirkungen einer formellen Enteignung vergleichbar sind, keinerlei Entschädigungsleistung erforderlich. Von der Frage der Berücksichtigung des Zwecks bei der Überprüfung, ob eine Enteignung vorliegt, ist jene zu unterscheiden, ob eine Enteignungsabsicht bestanden haben muss, damit eine Enteignung vorliegt. Der Umstand, dass ein Staat keine Absicht hatte, durch eine bestimmte Maßnahme den Investor zu enteignen, ist, wie in der Folge gezeigt wird, nicht von Bedeutung für die Entscheidung, ob eine Enteignung vorliegt. Daher wird vorab dargelegt, dass derzeit eine staatliche Enteignungsabsicht keine Voraussetzung für das Vorliegen einer Enteignung ist.

(a) Absicht zu enteignen In der Praxis ist es heute unbestritten, dass keine staatliche Absicht zu enteignen erforderlich ist, damit eine Enteignung vorliegt. Bereits der Ständige Schiedshof 1922 hat in einem Fall betreffend Verträge zwischen norwegischen Privatpersonen und amerikanischen Werften (Norwegian Shipowners’ Claim)578 über den Bau von Schiffen entschieden, dass die Absicht des enteignenden Staates für die Frage, ob eine Enteignung vorliege, unerheblich sei. In diesem Fall waren Verträge über den Bau von Schiffen während des ersten Weltkriegs von der amerikanischen Regierung für Kriegszwecke enteignet worden. Der Schiedshof führte aus: …, whatever the intentions may have been, the United States took, both in fact and in law, the contracts under which the ships in question were being or were to be constructed. That in fact the claimants were fully and for ever deprived of their property and that this amounts to a requisitioning by the exercise of the power of eminent domain within the meaning of American municipal law.579

Spätere Schiedsgerichte folgten dieser Vorgangsweise, wie die folgenden Beispiele verdeutlichen sollen: Im Fall Biloune580 war ein Hotelprojekt durch staatliche Eingriffe gestoppt worden.581 Das Schiedsgericht führte in diesem Zusammenhang aus, dass die ___________ 578

Norwegian Shipowners’ Claims (Norway v. United States), Award, 13 October 1922, 1 RIAA 307 ff. 579 Ibid., S. 325. 580 Biloune and Marine Drive Complex Ltd. v. Ghana Investments Centre and the Government of Ghana, (Investment Agreement), Award, 27 October 1989, 95 ILR 183. 581 Zum Sachverhalt siehe auch oben, S. 272, 288, 335.

B. Die Enteignung

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Motivation für die staatlichen Handlungen und Unterlassungen unklar sei. Dies sei jedoch unerheblich für die Bewertung des Falles: The motivations for the actions and omissions of Ghanaian governmental authorities are not clear. But the Tribunal need not establish those motivations to come to a conclusion in this case.582

Das Schiedsgericht stellte das Vorliegen einer Enteignung fest. Der Fall Starret Housing583 betraf die Einsetzung eines staatlichen Managers durch die iranische Regierung. Auch das IUSCT betonte, dass es auf eine staatliche Enteignungsabsicht für das Vorliegen einer Enteignung nicht ankomme: … it is recognized in international law that measures taken by a State can interfere with property rights to such an extent that these rights are rendered so useless that they must be deemed to have been expropriated, even though the State does not purport to have expropriated them and the legal title to the property formally remains with the original owner.584

Das IUSCT stellte in der Folge eine Enteignung der Investition durch den Iran fest.585 Häufig in der Judikatur zitiert586 wurde eine Passage des IUSCT im Fall Tippetts.587 Dieser betraf ebenfalls die Einsetzung eines staatlichen Managers. Das IUSCT führte aus, dass es für das Vorliegen einer Enteignung weniger auf die Absicht hinter der Maßnahme als auf die Auswirkungen der Maßnahme auf den Investor ankomme: The intent of a government is less important than the effects of the measure on the owner, …588

Auch in diesem Fall wurde vom IUSCT eine Enteignung des Unternehmens festgestellt. ___________ 582 Biloune and Marine Drive Complex Ltd. v. Ghana Investments Centre and the Government of Ghana, (Investment Agreement), Award, 27 October 1989, 95 ILR 183, S. 209. 583 IUSCT, Starrett Housing Corp. v. Government of the Islamic Republic of Iran, Award No. ITL 32-24-1, 19 December 1983, 4 IUSCTR 122. 584 Ibid., S. 154. Hervorhebung durch die Autorin. 585 Ibid., S. 155. 586 Siehe z.B.: IUSCT, Phelps Dodge Corp., et al v. The Islamic Republic of Iran, Award No. 217-99-2, 19 March 1986, 10 IUSCTR 121, S. 130; Thomas Earl Payne v. The Government of the Islamic Republic of Iran, Award No. 245-335-2, 8 August 1986, 12 IUSCTR 3, S. 11; International Systems & Controls Corp. v. Iran, Award No. 256439-2, 26 September 1986, 12 IUSCTR 239, S. 263; Técnicas Medioambientales Tecmed, S. A. v. United Mexican States, (Spain/Mexico BIT), Award, 29 May 2003, 10 ICSID Reports 134, § 116. 587 IUSCT, Tippetts, Abbett, McCarthy, Stratton v. TAMS-AFFA Consulting Engineers of Iran, Award No. 141-7-2, 29 June 1984, 6 IUSCTR 219. 588 Ibid., S. 225, 226.

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2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

Im Fall Phillips Petroleum589 wies das IUSCT ebenfalls ausdrücklich darauf hin, dass das Vorliegen einer Enteignung nicht von einer Enteignungsabsicht der Regierung abhänge: Therefore, the Tribunal need not determine the intent of the Government of Iran;590 ... Although a government’s liability to compensate for expropriation of alien property does not depend on proof that the expropriation was intentional, there seems little doubt in this Case that the new Islamic Republic intended to … .591

Im Fall Siemens592 betonte das Schiedsgericht ebenfalls, dass für das Vorliegen einer Enteignung keine Enteignungsabsicht erforderlich sei: The Treaty refers to measures that have the effect of an expropriation; it does not refer to the intent of the State to expropriate. The quotation of the finding of the PCA in Norwegian Shipowners refers to “whatever the intentions” of the US were when the US took the contracts. A different matter is the purpose of the expropriation, but that is one of the requirements for determining whether the expropriation is in accordance with the terms of the Treaty and not for determining whether an expropriation has occurred.593

Das Schiedsgericht im Fall Vivendi II594 wies im Jahr 2007 neuerlich darauf hin, dass keine Enteignungsabsicht für das Vorliegen einer Enteignung erforderlich sei. Das Vorliegen einer solchen würde zwar dafür sprechen, dass eine Enteignung vorlag. Eine Enteignungsabsicht sei aber keine Enteignungsvoraussetzung, weil die Auswirkungen der staatlichen Maßnahmen der entscheidende Umstand seien und nicht eine staatliche Absicht: While intent will weigh in favour of showing a measure to be expropriatory, it is not a requirement, because the effect of the measure on the investor, not the state’s intent, is the critical factor.595

Zweifelhaft im Hinblick auf das Erfordernis einer staatlichen Enteignungsintention sind lediglich die Fälle Olguín596 und Sea Land.597 ___________ 589 IUSCT, Phillips Petroleum Company Iran v. The Islamic Republic of Iran, et al., Award No. 425-39-2, 29 June 1989, 21 IUSCTR 79. 590 Ibid., § 97. 591 Ibid., § 98. 592 Siemens AG v. Argentine Republic, (Germany/Argentina BIT), Award, 6 February 2007, http://ita.law.uvic.ca/documents/Siemens-Argentina-Award.pdf. 593 Ibid., § 270. 594 Compañía de Aguas del Aconquija S. A. and Vivendi Universal v. Argentine Republic (Vivendi II), (France/Argentina BIT), Award, 20 August 2007, http://ita.law.uvic.ca/documents/VivendiAwardEnglish.pdf. Zum Sachverhalt siehe oben, S. 339. 595 Ibid., § 7.5.20. Hervorhebung durch die Autorin. Kursivierung von „effect“ original. 596 Olguín v. Republic of Paraguay, (Peru/Paraguay BIT), Award, 26 July 2001, 6 ICSID Reports 164.

B. Die Enteignung

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In Olguín kaufte der Investor festverzinsliche Wertpapiere in Paraguay. In Folge der Wirtschaftskrise in Paraguay ging das Finanzunternehmen Bankrott, bei dem das Geld angelegt worden war. Der Kläger war der Auffassung, dass eine funktionierende staatliche Finanzaufsicht den Bankrott hätte verhindern müssen, und er durch die Unterlassungen enteignet worden sei. Die für den Fall relevante Fragestellung war, inwieweit der Staat durch Unterlassungen im Bereich seiner Kontrolltätigkeit den Investor enteignet habe. Das Schiedsgericht war der Auffassung, dass keine Enteignung vorliege, sondern sich ein wirtschaftliches Risiko im Rahmen einer Finanzkrise verwirklicht habe. Eine Enteignung hätte eine absichtliche Enteignungshandlung erfordert (que se actúe teleológicamente/teleological action). Unterlassungen, wie schlimm sie auch sein mögen, könnten nicht dazu führen. Para que se produzca una expropiación se requiere de actos que puedan considerarse razonablemente idóneos para producir el efecto de una privación del bien que pertenece al afectado, de modo tal que quien realiza tales actos adquiera, directa o indirectamente, el dominio o al menos los frutos de los bienes expropiados. La expropiación exige pues que se actúe teleológicamente en orden a su realización; para que se dé no es suficiente haber incurrido en omisiones, aunque estas fueren graves.598

Die Formulierung „actúe teleológicamente/teleological action“ lässt – im textlichen Zusammenhang gesehen – zwei Interpretationen zu. Sie kann einerseits so verstanden werden, dass für das Vorliegen einer Enteignung eine Absicht zu enteignen erforderlich sei. Wahrscheinlicher ist es aber, dass das Schiedsgericht mit der Formulierung zum Ausdruck bringen wollte, dass es die staatlichen Unterlassungen nicht als ausreichend für eine Enteignung ansah.599

___________ 597

IUSCT, Sea-Land Service, Inc. v. Iran, Award No. 135-55-1, 22 June 1984, 6 IUSCTR 149. 598 Olguín v. Republic of Paraguay, (Peru/Paraguay BIT), Award, 26 July 2001, 18 ICSID Review, Foreign Investment Law Journal, 2003, 143, § 84. For an expropriation, acts would be necessary which may be reasonably deemed to produce the effect of depriving the person affected of a benefit, in a manner in which whoever performs such acts would acquire, directly or indirectly, the ownership or at least the fruits of the benefits expropriated. Expropriation thus requires a teleological action to realize it. It does not suffice for it to have occurred by omission, however serious that may be. (unautorisierte englische Übersetzung in: 6 ICSID Reports 164, § 84). 599 I.d.S. auch C. Schreuer, The Concept of Expropriation under the ETC and other Investment Protection Treaties, in: C. Ribeiro (Hrsg.), Investment Arbitration and the Energy Charter Treaty, 2006, 108, S. 158.

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2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

Ähnlich gelagert ist der Fall Sea-Land600 des IUSCT. Dieser wurde mit dem Fall Tippetts,601 in dem die staatliche Absicht zu enteignen als nicht erforderlich angesehen worden war, fast zeitgleich entschieden. Auch im Fall Sea-Land spricht das IUSCT von einer bewussten Beeinträchtigung der Operationen von Sea-Land. Es verlangt ein gezieltes Vorgehen gegen Sea-Land und lehnte es ab, aus Unterlassungen und Untätigkeiten auf das Vorliegen einer Enteignung zu schließen. A finding of expropriation would require, at the very least, that the Tribunal be satisfied that there was deliberate government interference with the conduct of SeaLand’s operation, the effect of which was to deprive Sea-Land of the use and benefit of its investment. Nothing has been demonstrated here which might have amounted to an intentional course of conduct directed against Sea-Land. A claim founded substantially on omission and inaction in a situation where the evidence suggests a widespread and indiscriminate deterioration in management disrupting the functioning of the port of Bandar Abbas, can hardly justify a finding of expropriation.602

Auch hier sind zwei Interpretationen denkbar: Das IUSCT könnte tatsächlich eine Enteignungsabsicht verlangt haben. Aus dem Zusammenhang spricht aber mehr dafür, dass es auf das Erfordernis eines aktiven Handelns abstellte und bloße Unterlassungen für das Vorhandensein einer Enteignung nicht ausreichen ließ.603 Trotz dieser beiden in diesem Punkt etwas unklaren Schiedssprüche ist mit der ganz überwiegenden Mehrheit der Schiedsgerichte davon auszugehen, dass eine Enteignungsabsicht für das Vorliegen einer Enteignung nicht erforderlich ist. Auch in der Literatur herrscht Übereinstimmung darüber, dass die Absicht des Staates, durch eine Maßnahme eine Enteignung vorzunehmen, unerheblich sei für die Frage, ob eine Enteignung vorliege. Christie führte bereits 1962 aus, dass in etlichen wichtigen Fällen anerkannt worden sei, dass auch ohne eine diesbezügliche staatliche Absicht eine Enteignung vorliegen könne: ___________ 600

IUSCT, Sea-Land Service, Inc. v. Iran, Award No. 135-55-1, 22 June 1984, 6 IUSCTR 149. Siehe dazu auch G. H. Aldrich, What Constitutes a Compensable Taking of Property? The Decisions of the Iran-United States Claims Tribunal, 88 AJIL 1994, 585, S. 603. 601 IUSCT, Tippetts, Abbett, McCarthy, Stratton v. TAMS-AFFA Consulting Engineers of Iran, Award No. 141-7-2, 29 June 1984, 6 IUSCTR 219. The intent of a government is less important than the effects of the measure on the owner, … (S. 225, 226). 602 Ibid., S. 166. 603 I.d.S.: C. Schreuer, The Concept of Expropriation under the ETC and other Investment Protection Treaties, in: C. Ribeiro (Hrsg.), Investment Arbitration and the Energy Charter Treaty, 2006, S. 156, FN 193; C. N. Brower/J. D. Brueschke, The IranUnited States Claims Tribunal, 1998, S. 429.

B. Die Enteignung

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There are several well-known international cases in which it has been recognized that property rights may be so interfered with that it may be said that to all intents and purposes those property rights have been expropriated even though the State in question has not purported to expropriate.604

Dolzer betonte, dass nachträgliche Aussagen von Regierungen, dass keine Enteignung beabsichtigt gewesen sei, für die Bewertung, ob eine Enteignung vorliege nicht relevant sein können: ... the mere post-event statement of a government that a taking was not intended cannot, in itself, carry in the weight in the relevant analysis.605

Auch Reisman und Sloane verweisen darauf, dass die staatliche Entschädigungsverpflichtung unabhängig von der Absicht des Staates, zu enteignen, gegeben sei: In consequential expropriations, states do not form an express intent to expropriate; indeed, they may not have such an intent at all. Even though a state’s responsibility to pay compensation for expropriation does not, in any event, ‘depend on proof that the expropriation was intentional’, … .606

Somit kann festgehalten werden, dass eine fehlende staatliche Enteignungsabsicht keine Konsequenzen für die Beurteilung, ob eine Enteignung vorliegt, hat und haben sollte.

(b) Die gemäßigte „Police-powers“-Doktrin Black’s Law Dictionary definiert „police powers“ folgendermaßen: The inherent and plenary power of a sovereign to make all laws necessary and proper to preserve the public security, order, health, morality and jusitce.607

Während, wie schon erwähnt, in etlichen Schiedssprüchen der Eingriffszweck als völlig irrelevant für die Beurteilung, ob eine Enteignung vorliege, angesehen wurde608 und er in anderen Fällen nahezu allein ausschlaggebend dafür ___________ 604 G. C. Christie, What Constitutes a Taking of Property under International Law?, 38 British Year Book of International Law 1962, 307–338, S. 310. 605 R. Dolzer, Indirect Expropriations: New Developments? 11 N.Y.U. Environmental Law Journal, 2003, 64–93, S. 90. 606 W. M. Reisman/R. D. Sloane, Indirect Expropriation and its Valuation in the BIT Generation 74 BYIL 2003, S. 130 f. Referenz ausgelassen. 607 Black’s Law Dictionary8, 2004, S. 1196. 608 Siehe z.B.: Southern Pacific Properties (Middle East) Limited (SPP) v. Arab Republic of Egypt, (National Law), Award, 20 May 1992, 3 ICSID Reports 189; Biloune and Marine Drive Complex Ltd. v. Ghana Investments Centre and the Government of Ghana, (Investment Agreement), Award, 27 October 1989, 95 ILR 183, S. 209, 210; IUSCT, Tippetts, Abbett, McCarthy, Stratton v. TAMS-AFFA Consulting Engineers of Iran, Award No. 141-7-2, 29 June 1984, 6 IUSCTR 219; IUSCT, Phelps Dodge Corp.,

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2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

war,609 soll nun analysiert werden, wie Schiedsgerichte, die keiner der zwei Extrempositionen folgten, den Eingriffszweck in ihrer Überlegungen eingebunden haben. Ein Beispiel für einen Schiedsspruch, bei dem neben Schwere und Dauer noch andere Kriterien Erwähnung finden, ist jener im Fall S.D. Myers.610 Der Eingriff erfolgte durch ein vorübergehendes kanadisches Ausfuhrverbot für gefährliche Abfallstoffe (PCB)611. Das Verbot war während 18 Monaten gültig.612 Das Schiedsgericht nimmt eine Differenzierung zwischen regulativen Maßnahmen und Enteignungen vor. Dabei stellt es jedoch nicht auf den Zweck der Maßnahme, sondern auf die Schwere des Eingriffs ab, wenn es ausführt: Expropriations tend to involve the deprivation of ownership rights; regulations a lesser interference. 613

Lediglich bei seinen Ausführungen zum Begriff „tantamount to an expropriation“ betonte das Schiedsgericht, dass bei der Entscheidung, ob eine Enteignung vorliege, auf die tatsächlich involvierten Interessen sowie den Zweck und die Auswirkungen der von der Regierung getroffenen Maßnahmen abzustellen sei. A tribunal should not be deterred by technical or facial considerations from reaching a conclusion that an expropriation or conduct tantamount to an expropriation has occurred. It must look at the real interests involved and the purpose and effect of the government measure.614

Damit stellte es bereits auf der Eingriffsebene auf den Zweck der Maßnahme ab und überprüfte das Vorliegen eines öffentlichen Interesses nicht erst bei der Feststellung, ob ein rechtmäßiger oder ein rechtswidriger Eingriff vorliegt. Das Schiedsgericht berief sich dazu weder auf bestimmte Präzedenzfälle noch spezifizierte es die von ihm erwähnten zusätzlichen Erfordernisse. Es führte ___________ et al and The Islamic Republic of Iran, Award No. 217-99-2, 19 March 1986, 10 IUSCTR 121; Compañía del Desarrollo de Santa Elena S.A. v. Republic of Costa Rica, (Ad-hoc Agreement), Award, 17 February 2000, 5 ICSID Reports 153, §§ 71, 72; Metalclad Corp. v. United Mexican States, (NAFTA), Award, 30 August 2000, 5 ICSID Reports 212, §§ 103, 104. 609 Siehe z.B.: MethanexCorp. v. USA, (NAFTA), Final Award, 3 August 2005, Part IV – Chapter D, § 7, Quelle: http://ita.law.uvic.ca/documents/MethanexFinalAward.pdf; Saluka Investments BV v. Czech Republic, (Dutch/Czech BIT), Partial Award, 17 March 2006, §§ 255, 262, Quelle: http://ita.law.uvic.ca/documents/Saluka-PartialawardFinal. pdf. 610 S.D. Myers, Inc. v. Government of Canada, (NAFTA), First Partial Award, 13 November 2000, 8 ICSID Reports 18. 611 PCB … polychlorinated biphenyl. 612 Ibid., § 284. 613 Ibid., § 282. 614 Ibid., § 285.

B. Die Enteignung

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nicht aus, wie diese zu berücksichtigen seien, und wie sich diese Kriterien zu jenem von ihm als maßgeblich angesehenen Kriterium der Auswirkungen verhalten sollten. Im Ergebnis hielt es fest, dass eine vorübergehende diskriminierende Regelung, die den Wettbewerbsvorteil des Klägers in einem bestimmten Markt eliminierte, keine Enteignung war, sondern eine Verletzung des „fair and equitable“ Standards des Artikels 1105 NAFTA.615 Somit maß das S.D. MyersSchiedsgericht dem Umstand, dass die Regelung nur vorübergehend war, besondere Bedeutung bei. Damit stellte es auf die Auswirkungen des Eingriffs ab und erwähnte zwar die Kriterien „Zweck der Maßnahme“ und „involvierte Interessen“. Diese hatten aber keine faktischen Auswirkungen auf den Fall. Der Fall Feldman v. Mexico616 betraf eine Steuerrückerstattung für Zigarettenexporte, die nach einer gewissen Zeit nicht mehr gewährt worden war, weil der Kläger keine die Steuer ausweisenden Belege beibringen konnte. Auch für das Feldman-Schiedsgericht spielen die Auswirkungen des Eingriffs die zentrale Rolle. Das Schiedsgericht führte aus, dass das Zusammenwirken mehrerer Kriterien es zu seiner Entscheidung bewog, nicht von einer Enteignung auszugehen.617 Maßgeblich für die Entscheidung, dass keine Enteignung vorlag, war aber vor allem, dass die Kontrolle über das Unternehmen nicht entzogen worden war und alle Vertriebszweige bis auf einen unangetastet blieben.618 Das Kriterium des öffentlichen Interesses am Eingriff fand zwar an ___________ 615

Ibid., §§ 268, 287, 288. Feldman v. Mexico, (NAFTA), Award, 16 December 2002, 7 ICSID Reports 341. 617 Ibid., § 111. 618 Ibid., §§ 152, 153. 152. Given that the Claimant here has lost the effective ability to export cigarettes, and any profits derived therefrom, application of the Pope & Talbot standard might suggest the possibility of an expropriation. However, as with S.D. Myers, it may be questioned as to whether the Claimant ever possessed a “right” to export that has been “taken” by the Mexican government. Also, here, as in Pope & Talbot, the regulatory action (enforcement of longstanding provisions of Mexican law) has not deprived the Claimant of control of the investment, CEMSA, interfered directly in the internal operations of CEMSA or displaced the Claimant as the controlling shareholder. The Claimant is free to pursue other continuing lines of export trading, such as exporting alcoholic beverages, photographic supplies, or other products for which he can obtain from Mexico the invoices required under Article 4, although he is effectively precluded from exporting cigarettes. Thus, this Tribunal believes there has been no “taking” under this standard articulated in Pope & Talbot, in the present case. 153. On the factual basis set out in the record, and this analysis, the Tribunal holds that the actions of Mexico with regard to the Claimant’s investment do not constitute an expropriation under Article 1110 of NAFTA. (Hervorhebung durch die Autorin). 616

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2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

zwei Stellen im Schiedsspruch Erwähnung, der Punkt nimmt aber in der Entscheidungsbegründung keine zentrale Rolle ein. Zunächst erwähnte das Schiedsgericht bei den Ausführungen zur separaten Ausweispflicht der Steuern auf den den Behörden vorgelegten Rechnungen, dass diese dazu diene, den Steuerbehörden zu ermöglichen, die korrekte Höhe der geleisteten Steuer zu ermitteln. Dies sei eine vernünftige Steuerpolitik und ein sinnvolles gesetzliches Erfordernis.619 Ferner enthielt der Schiedsspruch einen eigenen Abschnitt über den öffentlichen Zweck. Das Schiedsgericht betonte gleich zu Beginn, dass es der Erörterung des öffentlichen Zwecks angesichts der Tatsache, dass keine Enteignung vorliege, keine besondere Bedeutung beimesse. Weiters führte es aus, dass es bereits festgestellt habe, dass diese Steuerpolitik sinnvolle öffentliche Interessen verfolge. Diese beinhalteten die Verhinderung eines Schwarzmarktes und den Versuch, den Reimport nach Mexiko zu unterbinden.620 Überdies führte das Schiedsgericht aus, dass die Parameter „für einen öffentlichen Zweck“, „nicht diskriminierend“, „in einem rechtsstaatlichen Verfahren“ und „gegen Entschädigung“ in Artikel 1110 NAFTA, sofern keine Enteignung vorliege, nur von untergeordneter Bedeutung seien. Sie würden dabei helfen, zwischen Maßnahmen, die eine Enteignung sind, und solchen, die dies nicht sind, zu unterscheiden. Wenn eine Enteignung vorliege, sei eine Entschädigung erforderlich, auch wenn der Entzug für einen öffentlichen Zweck, nicht diskriminierend und in einem rechtsstaatlichen Verfahren erfolgt sei. If there is no expropriatory action, factors a–d [for a public purpose; on a non-discriminatory basis; in accordance with due process of law; on payments of compensation] are of limited relevance, except to the extent that they have helped to differentiate between governmental acts that are expropriation and those that are not, or are parallel to violations of NAFTA Article 1102 and 1105. If there is a finding of expropriation, compensation is required, even if the taking is for a public purpose, nondiscriminatory and in accordance with due process of law and Article 1105(1).621

Damit weist das Schiedsgericht den Kriterien „für einen öffentlichen Zweck“, „nicht diskriminierend“ und „in einem rechtsstaatlichen Verfahren“ eine doppelte Rolle zu. Sie dienten in den Augen des Schiedsgerichts nicht nur – wie im klassischen Konzept – dazu rechtmäßige von rechtswidrigen Enteignungen abzugrenzen. Das Schiedsgericht benützt die Kriterien auch, um zu entscheiden, ob überhaupt eine Enteignung vorlag. Dass das Vorliegen der Kriterien jedoch das Vorhandensein einer Enteignung nicht per se ausschließt, ergibt sich zwingend aus dem zweiten Satz, in dem das Schiedsgericht anführte, dass eine Entschädigung auch bei Vorliegen dieser Parameter zu zahlen sei. ___________ 619

Ibid., § 129. Ibid., §§ 135, 136. 621 Ibid., § 98. 620

B. Die Enteignung

351

Somit wird zwar erwähnt, dass diese Kriterien – anders als im klassischen Prüfungsschema – zusätzlich zur Entscheidung über das Vorliegen einer Enteignung herangezogen werden. Die näheren Umstände, welchen Einfluss sie auf diese Entscheidung haben sollen und vor allem das Verhältnis zum Kriterium der Auswirkungen des Eingriffs, bleiben aber offen. Ein weiterer Fall, in dem der angestrebte öffentliche Zweck von einem Schiedsgericht bei der Entscheidung darüber herangezogen wurde, ob eine Enteignung vorliegt, ist Tecmed v. Mexico.622 Die mexikanische Regierung verweigerte die Verlängerung einer Betriebsgenehmigung für eine Mülldeponie. Sie stütze dies auf angebliche Verletzungen der Umweltschutzvorschriften durch den Anlagenbetreiber. Für diese Verletzungen waren Strafen verhängt und eingehoben worden. Das Schiedsgericht sah in der Verweigerung eine Verletzung von Artikel 5 des Investitionsschutzabkommens zwischen Mexiko und Spanien, der Investoren vor Enteignungen und Maßnahmen gleicher Wirkung schützt. Das Schiedsgericht prüfte zunächst im Hinblick auf die im Vertrag enthaltene Enteignungsbestimmung die Auswirkungen des staatlichen Eingriffs. Es sah als ein maßgebliches Kriterium für die Unterscheidung einer de facto Enteignung von einer gewöhnlichen staatlichen, regulativen Tätigkeit den Umstand an, dass letztere nur zu einem Wertverlust, erstere jedoch zu einem gänzlichen Wertentzug führe: To establish whether the Resolution is a measure equivalent to an expropriation under the terms of section 5(1) of the Agreement, it must be first determined if the Claimant, due to the Resolution, was radically deprived of the economical use and enjoyment of its investments, as if the rights related thereto – such as the income or benefits related to the Landfill or to its exploitation – had ceased to exist. In other words, if due to the actions of the Respondent, the assets involved have lost their value or economic use for their holder and the extent of the loss.623 This determination is important because it is one of the main elements to distinguish, from the point of view of an international tribunal, between a regulatory measure, which is an ordinary expression of the exercise of the state’s police power that entails a decrease

___________ 622 Técnicas Medioambientales Tecmed, S. A. v. United Mexican States, (Spain/ Mexico BIT), Award, 29 May 2003, 10 ICSID Reports 134. Für eine sehr aufschlussreiche Besprechung des Falles siehe: J. Coe, Jr./N. Rubins, Regulatory Expropriation and the Tecmed Case: Context and Contributions, in: T. Weiler (Hrsg.), International Investment Law and Arbitration – Leading Cases from the NAFTA, Bilateral Treaties and Customary International Law, 2005, S. 597 ff. 623 Partial award in the case Pope Talbot Inc v. Government of Canada, 102–104, pp. 36–38, www.naftalaw.org; and II Restatement of the Law (Third) Restatement of the Foreign Relations Law of the United States, § 712, pp. 200–201; notes 6–7, pp. 211–212 (1987).

352

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

in assets or rights, and a de facto expropriation that deprives those assets and rights of any real substance.624

Danach prüfte das Schiedsgericht den Sachverhalt zusätzlich vor dem Hintergrund der Enteignungsregelungen des allgemeinen Völkerrechts. Es stützte sich hierbei – unter Berufung auf Artikel 38 des IGH-Statuts – auf die Judikatur des EGMR625, des IAGMR626 und des IUSCT627 zu Enteignungen und folgte eindeutig jenen Entscheidungen, die ausschließlich auf die Auswirkungen einer Maßnahme abstellten. Es verlangte einen dauerhaften und gänzlichen Verlust des wirtschaftlichen Werts der Investition. Damit folgte das Schiedsgericht bis hierher eindeutig jenen Entscheidungen, die ausschließlich auf die Auswirkungen einer Maßnahme abstellen, um zu entscheiden, ob eine Enteignung vorliegt. In der Folge nahm das Schiedsgericht – in Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung der Investitionsschiedsgerichte – jedoch eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vor. Es überprüfte, um festzustellen, ob eine Enteignung vorlag, ob der Eingriff im Hinblick auf das angegebene öffentliche Interesse angesichts der Auswirkungen auf den Investor verhältnismäßig war: After establishing that regulatory actions and measures will not be initially excluded from the definition of expropriatory acts, in addition to the negative financial impact of such actions or measures, the Arbitral Tribunal will consider, in order to determine if they are to be characterized as expropriatory, whether such actions or measures are proportional to the public interest presumably protected thereby and to the protection legally granted to investments, taking into account that the significance of such impact has a key role upon deciding the proportionality.628

___________ 624 Técnicas Medioambientales Tecmed, S. A. v. United Mexican States, (Spain/Mexico BIT), Award, 29 May 2003, 10 ICSID Reports 134, § 115. Hervorhebung durch die Autorin. 625 Dementsprechend führte es zunächst das strenge Enteignungskriterium des EGMR an, der einen dauerhaften und gänzlichen Verlust des wirtschaftlichen Werts verlangt. Es berief sich hierbei auf das Urteil des EGMR in Matos und Silva gg Portugal, Urteil vom 27. August 1996, ECHR 1996-IV, § 85. 626 Es zitierte dessen Urteil im Ivcher Bronstein Fall und führte aus, dass es weniger auf den formellen Anschein als auf die tatsächliche Situation ankomme. IACHR, Ivcher Bronstein v. Peru, Judgment of 6 February 2001, Series C No. 74 (2001), § 116. 627 Es führte die bereits erwähnte „Sole-effects“-Doktrin Urteile des IUSCT an: IUSCT, Tippetts, Abbett, McCarthy, Stratton v. TAMS-AFFA Consulting Engineers of Iran, et al., Award No. 141-7-2 (29 June 1984), 6 IUSCTR 219, S. 225; Phelps Dodge Corp., et al v. The Islamic Republic of Iran, Award No. 217-99-2, 19 March 1986, 10 IUSCTR 121, S. 130. 628 Técnicas Medioambientales Tecmed, S. A. v. United Mexican States, (Spain/ Mexico BIT), Award, 29 May 2003, 10 ICSID Reports 134, § 122.

B. Die Enteignung

353

Das Schiedsgericht zitierte hierbei das Urteil des EGMR im Fall Matos e Silva gg Portugal.629 Es stützte sich jedoch nicht auf jene Teile, in denen der EGMR die Einordnung in die verschiedenen Eingriffskategorien vornahm.630 (Der EGMR wertete den Fall nicht als Enteignung, sondern subsumierte ihn unter den Auffangtatbestand der „sonstigen Eingriffe“.631) Vielmehr führte das Schiedsgericht jene Teile an, in denen der EGMR eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorgenommen hatte, um festzustellen, ob der Eingriff gerechtfertigt war oder zu einer Verletzung von Satz 1 des Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK („sonstige Eingriffe“) geführt hatte.632 In der Folge führte das Schiedsgericht an, dass es im Lichte des Artikel 5(1) des BITs feststellen müsse, ob ein vernünftiges Verhältnis vorliege zwischen der Last des ausländischen Investors und dem Zweck, der durch den Eingriff erzielt werden solle. Er stützt sich hierzu wiederholt auf Ausführungen aus EGMR-Urteilen, wobei diese wiederum nicht aus jenen Teilen stammen, in denen entschieden wurde, ob es sich um eine Enteignung oder einen anderen Eingriffstyp handelte,633 sondern aus jenen Passagen, in denen eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchgeführt worden war, um festzustellen, ob eine Verletzung von Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK vorgelegen hatte.634 So führt das Schiedsgericht in Tecmed aus: …, such situation does not prevent the Arbitral Tribunal, …, from examining the actions of the State in light of Article 5(1) of the Agreement to determine whether such measures are reasonable with respect to their goals, the deprivation of economic rights and the legitimate expectations of who suffered such deprivation. There must be a reasonable relationship of proportionality between the charge or weight imposed to the foreign investor and the aim sought to be realized by any expropriatory measure.635 To value such charge or weight, it is very important to measure the size of the

___________ 629 Das Schiedsgericht zitiert in FN 140 EGMR, Matos e Silva gg Portugal, Urteil vom 27. August 1996, ECHR 1996-IV, § 92. 630 Ibid., §§ 81–85. 631 Ibid., § 85. 632 Ibid., § 92. 633 EGMR, Mellacher gg Österreich, Urteil vom 19. Dezember 1989, Serie A, Nr. 169, §§ 43,44; Pressos Compañía Naviera u.a. gg Belgien, Urteil vom 20. November 1995, Serie A, Nr. 332, § 34. 634 EGMR, Mellacher gg Österreich, Urteil vom 19. Dezember 1989, Serie A, Nr. 169, § 48; Pressos Compañía Naviera u.a. gg Belgien, Urteil vom 20. November 1995, Serie A, Nr. 332, § 38. 635 EGMR, Mellacher gg Österreich, Urteil vom 19. Dezember 1989, Serie A, Nr. 169, § 48; Pressos Compañía Naviera u.a. gg Belgien, Urteil vom 20. November 1995, Serie A, Nr. 332, § 38.

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2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

ownership deprivation caused by the actions of the state and whether such deprivation was compensated or not.636

Danach zitierte das Schiedsgericht jene Passagen im Urteil James gg Vereinigtes Königreich,637 in welchen der EGMR einerseits die Verhältnismäßigkeitsprüfung durchführte und andererseits auf den Unterschied zwischen Ausländern und Staatsbürgern einging. Dass eine Enteignung vorlag, hatte der EGMR bereits zuvor festgestellt.638 Die Verhältnismäßigkeitsprüfung wurde vom EGMR hier daher wiederum nicht vorgenommen, um festzustellen, ob eine Enteignung vorliegt, sondern um anzuwägen, ob sie gerechtfertigt war, oder ob eine Verletzung des Rechts auf Eigentum vorlag. In diesem Zusammenhang hielt der EGMR fest, dass Staatsbürger im öffentlichen Interesse eine größere Last hinzunehmen hätten als Ausländer. Das Schiedsgericht hielt Folgendes fest: The European Court of Human Rights has defined such circumstances as follows: Not only must a measure depriving a person of his property pursue, on the facts as well as in principle, a legitimate aim “in the public interest”, but there must also be a reasonable relationship of proportionality between the means employed and the aim sought to be realised...[...]. The requisite balance will not be found if the person concerned has had to bear “an individual and excessive burden” [...] The Court considers that a measure must be both appropriate for achieving its aim and not disproportionate thereto. ... non-nationals are more vulnerable to domestic legislation: unlike nationals, they will generally have played no part in the election or designation of its authors nor have been consulted on its adoption. Secondly, although a taking of property must always be effected in the public interest, different considerations may apply to nationals and non-nationals and there may well be legitimate reason for requiring nationals to bear a greater burden in the public interest than non-nationals.639

Anschließend überprüfte das Schiedsgericht das Interesse des Staates am Eingriff. Es stellte fest, dass die innerstaatliche Situation keiner dringenden Krise oder einem sozialen Notstand gleichkam, die geeignet wären, angesichts ___________ 636

Técnicas Medioambientales Tecmed, S. A. v. United Mexican States, (Spain/ Mexico BIT), Award, 29 May 2003, 10 ICSID Reports 134, § 122; In der Fußnote beruft sich das Gericht auf Dinstein: FN 142 des Urteils: It has been stated that: “... on the whole [...] notwithstanding compliance with the public interest requirement, the failure to pay fair compensation would render the deprivation of property inconsistent with the condition of proportionality”, Y. Dinstein, Deprivation of Property of Foreigners under International Law, 2 Liber Amicorum Judge Shigeru Oda, 2002, S. 849 ff., S. 868. 637 EGMR, James u.a. gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 21. Februar 1986, Serie A, Nr. 98. 638 Ibid., § 38. 639 Técnicas Medioambientales Tecmed, S. A. v. United Mexican States, (Spain/Mexico BIT), Award, 29 May 2003, 10 ICSID Reports 134, § 122; in den ausgelassenen Fußnoten bezog sich der Gerichtshof auf §§ 50, 63 des Urteils James and Others gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 21. Februar 1986, Serie A, Nr. 98.

B. Die Enteignung

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des Entzugs oder der Vernichtung des wirtschaftlichen Werts der Investition zum Schluss zu führen, dass keine Enteignung vorliege. Those events … do not give rise, in the opinion of the Arbitral Tribunal, to a serious urgent situation, crisis, need or social emergency that, weighed against the deprivation or neutralization of the economic or commercial value of the Claimant’s investment, permits reaching the conclusion that the Resolution did not amount to an expropriation under the Agreement and international law.640

Seine Abwägung im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung begründete das Schiedsgericht folgendermaßen. Es wäre nach seiner Ansicht unzulässig formalistisch, die Resolution, welche die Verlängerung der Konzession ohne Entschädigung verweigerte und somit zu einer Vernichtung des wirtschaftlichen Wertes der Investition geführt hatte, als verhältnismäßig anzusehen. Mangels eines gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden ökologischen Risikos kam das Schiedsgericht in seiner Verhältnismäßigkeitsprüfung zum Ergebnis, dass die Resolution einer Enteignung gleichkam.641 … it would be excessively formalistic, in light of the above considerations, Agreement and international law, to understand that the Resolution is proportional to such violations when such infringements do not pose a present or imminent risk to the ecological balance or to people’s health, and the Resolution, without providing for the payment of compensation as required by Article 5 of the Agreement, leads to the neutralization of the investment’s economic and business value and the Claimant’s return on investment and profitability expectations upon making the investment. …642 … the Arbitral Tribunal finds and resolves that the Resolution and its effects amount to an expropriation in violation of Article 5 of the Agreement and international law.643

Die Vorgangsweise des Schiedsgerichts ist insofern bemerkenswert, als es in Absatz 117 im Hinblick auf die Auswirkungen der Resolution bereits festgestellt hatte, dass diese als Enteignung im Sinne des Artikels 5(1) des BIT angesehen werden könne,644 um danach eine umfangreiche Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen und zum Ergebnis zu kommen, dass eine Enteignung vorlag. Im vorliegenden Fall sah es die Auswirkungen für den Investor als unverhältnismäßig belastend an. Es betonte zudem explizit, dass Ausländer im Vergleich zu Inländern eine geringere Bürde im allgemeinen Interesse zugemutet werden könne. Eine dogmatische Begründung, warum das Schiedsgericht ___________ 640 Técnicas Medioambientales Tecmed, S. A. v. United Mexican States, (Spain/ Mexico BIT), Award, 29 May 2003, 10 ICSID Reports 134, § 139. 641 Ibid., §§ 149–151. 642 Ibid., § 149. 643 Ibid., § 151. 644 § 117: … As far as the effects of such Resolution are concerned, the decision can be treated as an expropriation under Article 5(1) of the Agreement.

356

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

eine Verhältnismäßigkeitsprüfung für erforderlich hielt, findet sich im Schiedsspruch nicht. Ferner enthält das dem Schiedsspruch zugrunde liegende BIT keine Ausnahmeklausel für Maßnahmen im Rahmen von „police powers“ oder ähnlichem. Daher ist fraglich, wie weit bei Schweigen des BITs im Sinne des Artikel 31(3)c der WVK aus dem allgemeinen Völkerrecht Aussagen übernommen werden dürfen und zu diesem Punkt gefunden werden können.645 Das Schiedsgericht führte aus, dass es zusätzlich zum BIT auf die in Artikel 38 des IGH-Statuts genannten Rechtsquellen zur Entscheidung des Falles zurückzugreifen habe. Es führte aber in diesem Zusammenhang ausschließlich IUSCT und EGMR Judikatur an, die belegt, dass für das Vorliegen eines Eingriffs ein völliger und irreversibler Entzug der Rechte vorliegen muss.646 Im Hinblick auf den „Import“ der Verhältnismäßigkeitsprüfung wies es zuvor implizit auf das Dilemma zwischen dem Recht der Staaten auf das Ergreifen von regulierenden Eingriffen und dem Schutz von Investorenrechten durch das Völkerrecht hin.647 Es gab aber keine dogmatische Begründung dafür, warum es bei Schweigen des BITs eine Abwägung zwischen diesen beiden antagonistischen rechtlichen Interessen vornehmen darf. Dem Schiedsspruch kommt deshalb besondere Bedeutung zu, weil er einen Bezug zwischen den beiden Kriterien „Auswirkungen“ und „Zweck“ des Eingriffs herstellt. Im Unterschied zu den bisher besprochenen Schiedssprüchen legte das Tecmed-Schiedsgericht die Methode offen, mit der es die unterschiedlichen Kriterien miteinander in Beziehung setzte. Es tat dies, indem es eine Anleihe beim EGMR nahm und die von diesem entwickelte Methode der Verhältnismäßigkeit verwendete, um – ebenso wie der EGMR – einen Bezug zwischen den widersprechenden Interessen des Staates (öffentliches Interesse/Zweck) und den Interessen des Investors (Auswirkungen des Eingriffs) herzustellen.648 Das Schiedsgericht in Azurix649 bejahte die methodische Vorgangsweise des Tecmed-Schiedsgerichts ausdrücklich. Es lehnte explizit das Abstellen auf den ___________ 645 Siehe dazu auch J. Coe, Jr./N. Rubins, Regulatory Expropriation and the Tecmed Case: Context and Contributions, in: T. Weiler (Hrsg.), International Investment Law and Arbitration – Leading Cases from the ICSID, NAFTA, Bilateral Treaties and Customary International Law, 2005, S. 654. 646 Técnicas Medioambientales Tecmed, S. A. v. United Mexican States, (Spain/Mexico BIT), Award, 29 May 2003, 10 ICSID Reports 134, § 116. 647 Ibid., §§ 118–120. 648 Zustimmend: L. Y. Fortier/S. L. Drymer, Indirect Expropriation in the Law of International Investment: I Know It When I See It, or Caveat Investor, 19 ICSID Review, Foreign Investment Law Journal 2004, S. 293 ff., 326. 649 Azurix Corp. v. Argentine Republic, (US/Argentina BIT), Award, 14 July 2006, http://ita.law.uvic.ca/documents/AzurixAwardJuly2006.pdf.

B. Die Enteignung

357

Zweck als allein maßgebliches Unterscheidungsmerkmal zwischen einer entschädigungspflichtigen Enteignung und einem bloßen regulatorischen nichtentschädigungspflichtigen Eingriff ab: For the Tribunal, the issue is not so much whether the measure concerned is legitimate and serves a public purpose, but whether it is a measure that, being legitimate and serving a public purpose, should give rise to a compensation claim. … The tribunal in S.D. Myers found the purpose of a regulatory measure a helpful criterion to distinguish measures for which a State would not be liable… This Tribunal finds the criterion insufficient …650

Das Schiedsgericht betonte, dass die Verhältnismäßigkeitsprüfung eine nützliche Hilfestellung bei der Entscheidung sei, ob ein entschädigungspflichtiger, regulativer Eingriff vorliegt: The Tribunal finds that these additional elements provide useful guidance for purposes of determining whether regulatory actions would be expropriatory and give rise to compensation.651

Das Schiedsgericht nahm die Verhältnismäßigkeitsprüfung jedoch weniger stringent vor, als dies das Schiedsgericht in Tecmed getan hatte. So führte es nicht aus, worin das besondere Interesse des Staates am entschädigungslosen Eingriff lag. Letztlich verneinte das Azurix Schiedsgericht das Vorliegen einer Enteignung aufgrund der mangelnden Schwere der Auswirkungen der diversen Eingriffe auf die Investition. Therefore, the Tribunal finds that the impact on the investment attributable to the Province’s actions was not to the extent required to find that, in the aggregate, these actions amounted to an expropriation;652

Das Schiedsgericht in LG&E653 führte ebenfalls an, dass eine Abwägung zwischen den Auswirkungen des Eingriffs und den staatlichen Eingriffszielen vorzunehmen sei, um festzustellen, ob eine Enteignung vorlag. LG&E hatte im Zuge der Privatisierung des argentinischen Gastransport- und Vertriebsnetzes Anteile an drei Unternehmen mit Gasvertriebslizenzen erworben. Argentinien hatte sich zu einer halbjährlichen Preisanpassung und zu einer Kalkulation der Tarife in US$ verpflichtet.654 Als Reaktion auf die argentinischen Finanzkrise wurden sowohl die Preisberechnung in US$ als auch die Preisanpassung, die an einen US Preisindex gekoppelt war, per Notstandsgesetz abgeschafft.655 ___________ 650

Ibid., § 310. Ibid., § 312. 652 Ibid., § 322. 653 LG&E Energy Corp, LG&E Capital Corp., LG&E International Inc. v. Argentine Republic, (US/Argentina BIT), Award, 3 October 2006, http://ita.law.uvic.ca/docu ments/LGEArgentinaLiability.pdf. 654 Ibid., §§ 52, 53. 655 Ibid., §§ 64–67. 651

358

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

Das Schiedsgericht hielt fest, dass es zwischen dem Ausmaß des staatlichen Eingriffs in Eigentümerrechte und der Möglichkeit des Staates, seine Politik geänderten Umständen anzupassen, abzuwägen habe: In order to establish whether State measures constitute expropriation under Article IV (1) of the Bilateral Treaty, the Tribunal must balance two competing interests: the degree of the measure’s interference with the right of ownership and the power of the State to adopt its policies.656

Im Anschluss daran überprüfte das Schiedsgericht eingehend die Schwere des Eingriffs. Danach stellte es fest, dass die Schwere der Auswirkungen entscheidend dafür sei, ob eine Enteignung vorliegt, dennoch sei eine Verhältnismäßigkeitsprüfung zwischen dem Ziel und den Auswirkungen eines Eingriffs vorzunehmen. Es bezog sich dabei wiederholt auf den Schiedsspruch im Fall Tecmed. Der Staat habe das Recht aus sozialen oder Erwägung des Allgemeinwohls Maßnahmen zu ergreifen. Derartige Maßnahmen müssten akzeptiert werden, wenn sie nicht in einem offensichtlichen Missverhältnis zum öffentlichen Interesse stünden: There is no doubt that the facts relating to the severity of the changes on the legal status and the practical impact endured by the investors in this case, as well as the possibility of enjoying the right of ownership and use of the investment are decisive in establishing whether an indirect expropriation is said to have occurred. The question remains as to whether one should only take into account the effects produced by the measure or if one should consider also the context within which a measure was adopted and the host State’s purpose. It is this Tribunal’s opinion that there must be a balance in the analysis both of the causes and the effects of a measure in order that one may qualify a measure as being of an expropriatory nature. It is important not to confound the State’s right to adopt policies with its power to take an expropriatory measure. … With respect to the power of the State to adopt its policies, it can generally be said that the State has the right to adopt measures having a social or general welfare purpose. In such a case, the measure must be accepted without any imposition of liability, except in cases where the State’s action is obviously disproportionate to the need being addressed.657

Somit legte das Schiedsgericht einen strengeren Standard an als das TecmedSchiedsgericht, auf das sich das LG&E-Schiedsgericht wiederholt berief. Im Unterschied zum Tecmed-Schiedsgericht658 und zum EGMR auf den sich das ___________ 656

Ibid., § 189. Ibid., §§ 194, 195. 658 Siehe dazu den vom LG&E-Schiedsgericht zitierten Absatz aus dem Tecmed Schiedsspruch: Técnicas Medioambientales Tecmed, S. A. v. United Mexican States, (Spain/Mexico BIT), Award, 29 May 2003, 10 ICSID Reports 134, § 122: … the Arbitral Tribunal will consider, in order to determine if they are to be characterized as expropriatory, whether such actions or measures are proportional to the public interest presumably protected thereby and the protection legally 657

B. Die Enteignung

359

Tecmed-Schiedsgericht berief, verlangt es nämlich eine offensichtliche Unverhältnismäßigkeit. Schließlich entschied das Schiedsgericht, dass die für eine Enteignung erforderliche Schwere nicht vorlag. Dem Investor war weder die Kontrolle über seine Anteile an den Unternehmen entzogen noch war in Managementrechte eingegriffen worden. Ferner lag kein dauerhafter einschneidenden Entzug der Rechte des Investors oder eine fast vollständige Vernichtung des Wert der Investition und somit keine Enteignung vor: Further, it cannot be said that Claimants lost control over their shares in the licensees, even though the value of the shares may have fluctuated during the economic crisis, or that they were unable to direct the day-to-day operations of the licensees in a manner different than before the measures were implemented. Thus, the effect of the Argentine State’s actions has not been permanent on the value of the Claimants’ shares’, and Claimants’ investment has not ceased to exist. Without a permanent, severe deprivation of LG&E’s rights with regard to its investment, or almost complete deprivation of the value of LG&E’s investment, the Tribunal concludes that these circumstances do not constitute expropriation.659

Somit hat das Schiedsgericht bereits aufgrund mangelnder Schwere das Vorliegen einer Enteignung verneint und trotz entgegenstehender Ankündigung und im Unterschied zum Tecmed-Schiedsgericht keine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchgeführt. Die Methode der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist zu einer Interessenabwägung zwischen staatlichen und Partikulärinteressen geeignet, wie die zahlreiche Judikatur des EGMR zeigt.660 Jedoch zog das Tecmed-Schiedsgericht, wie die Schiedsgerichte in S.D. Myers,661 Feldman,662 Azurix663 und LG&E,664 die beiden Modell-BITs665 und ___________ granted to investments, taking into account that the significance of such impact, has a key role upon deciding the proportionality. (Hervorhebung durch die Autorin). 659 LG&E Energy Corp, LG&E Capital Corp., LG&E International Inc. v. Argentine Republic, (US/Argentina BIT), Award, 3 October 2006, http://ita.law.uvic.ca/docu ments/LGEArgentinaLiability.pdf, §§ 199, 200. 660 Siehe dazu z.B.: J. J. Cremona, The proportionality principle in the jurisprudence of the European Court of Human Rights in: U. Beyerlin (Hrsg.), Recht zwischen Umbruch und Bewahrung, Festschrift für Rudolf Bernhard, 1995, S. 323-330; J. MacBride, Proportionality and the European Convention on Human Rights, in: E. Ellis (Hrsg.), The principle of proportionality in the laws of Europe, 1999, S. 23-35; U. Kriebaum, Etik ølkeleri ve Hukukun Temel Öncüleri Olarak ønsan Hakları/Ethische Prinzipien und Menschenrechte als Grundvoraussetzungen des Rechts, in: Hukuk Kurultayi 2000, 12–16 Ocak 2000, S. 14 f. 661 S.D. Myers, Inc. v. Government of Canada, (NAFTA), First Partial Award, 13 November 2000, 8 ICSID Reports 18, § 285. 662 Feldman v. Mexico, (NAFTA), Award, 16 December 2002, 7 ICSID Reports 341, § 98.

360

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

die Schiedsgerichte, die einer radikalen „Police-powers“-Doktrin folgten,666 das Kriterium des Zwecks (öffentliches Interesse) aus der klassischen Rechtmäßigkeitsprüfung heraus und brachte es bereits im Stadium der Entscheidung über das Vorliegen eines Eingriffs zur Anwendung. Dort nahm es eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vor zwischen der Schwere des Eingriffs im Hinblick auf die Auswirkungen auf den Investor und dem öffentlichen Interesse, das mit dem Eingriff verwirklicht werden soll. Damit ist eine erhebliche methodische Abweichung zur klassischen Prüfung feststellbar, bei der das öffentliche Interesse erst, nachdem festgestellt worden war, dass eine Enteignung vorliegt, zur Abgrenzung von rechtmäßigen und rechtswidrigen Enteignungen verwendet wurde. In der Verlagerung des Kriteriums „Zweck/öffentliches Interesse“ auf die Eingriffsebene liegt auch der methodische Unterschied zum EGMR, auf dessen Judikatur sich das Schiedsgericht wiederholt berief. Der EGMR führt die Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht durch, um festzustellen, ob eine Enteignung vorliegt, sondern nimmt sie vor, um festzustellen, ob der Eingriff gerechtfertigt ist oder gegen das von der Konvention geschützte Recht auf Achtung des Eigentums verstößt. Somit zeichnet sich mit dem Fall Tecmed bereits eine Überleitung von der älteren „Sole-effects“-Doktrin auf die neuere radikale „Police-powers“-Doktrin ab. Was sind nun die Auswirkungen der methodischen Vorgangsweise der Schiedsgerichte, die den Zweck in ihrer Beurteilung des Vorliegens einer Enteignung mitberücksichtigen? Dadurch, dass die Schiedsgerichte in S.D. Myers und Feldman keinen Bezug des Kriteriums „Zweck“ zum Kriterium „Auswirkungen“ herstellten, blieb die Erwähnung des Kriteriums „Zweck“ ohne sichtbare Auswirkungen. Ob er psychologisch bei der Entscheidung der Schiedsrichter nicht doch eine Rolle gespielt hat, kann hier nicht beurteilt werden. ___________ 663

Azurix Corp. v. Argentine Republic, (US/Argentina BIT), Award, 14 July 2006, http://ita.law.uvic.ca/documents/AzurixAwardJuly2006.pdf, §§ 311, 322. 664 LG&E Energy Corp, LG&E Capital Corp., LG&E International Inc. v. Argentine Republic, (US/Argentina BIT), Award, 3 October 2006, http://ita.law.uvic.ca/docu ments/LGEArgentinaLiability.pdf. 665 US Modell BIT 2004, Annex B Expropriation 4b. Quelle: http://www.state.gov/documents/organization/38710.pdf. Canada Modell BIT (FIPA), Annex B.13(1) Expropriation (c). Quelle: http://www.dfait-maeci.gc.ca/tna-nac/documents/2004-FIPA-model-en.pdf. 666 MethanexCorp. v. USA, (NAFTA), Final Award, 3 August 2005, Part IV – Chapter D, § 4, Quelle: http://ita.law.uvic.ca/documents/MethanexFinal Award.pdf; Saluka Investments BV v. Czech Republic, (Dutch/Czech BIT), Partial Award, 17 March 2006, § 262, Quelle: http://ita.law.uvic.ca/documents/Saluka-PartialawardFinal.pdf.

B. Die Enteignung

361

Das Schiedsgericht in Tecmed hat das Problem des Inbezugsetzens der beiden maßgeblichen Kriterien gelöst. Es hat daher bei der Entscheidung, ob eine Enteignung vorliegt, eine differenziertere Vorgangsweise erlaubt, als dies die „Sole-effects“- und radikale „Police-powers“-Doktrinen tun. Diese methodische Vorgangsweise wurde vom Azurix Schiedsgericht begrüßt. Dennoch kann die Methode im Ergebnis das Dilemma zwischen den regulativen Interessen der Staaten und den berechtigten Schutzinteressen der Investoren nicht lösen. Der Grund dafür liegt in der Berücksichtigung des Kriteriums „Zweck/öffentliches Interesse“ bereits auf der Eingriffsebene. Deshalb ermöglicht auch diese Methode kein Entkommen aus dem binären „Alles-oder-Nichts“-System. Im Ergebnis liegt entweder eine Enteignung vor mit der Folge, dass volle Entschädigung zu leisten ist, oder es liegt keine Enteignung vor mit der Folge, dass keine Entschädigung zu leisten ist. Daher kann das Schiedsgericht im Ergebnis nur den Interessen des Staates zu 100% oder jenen des Investors zu 100% Rechnung tragen. Eine echte Interessenabwägung, wie sie im Rahmen des 1. ZP zur EMRK stattfindet, kann somit auch dieser Ansatz nicht leisten.

(c) Die radikale „Police-powers“-Doktrin Wie soeben erörtert, bezieht die gemäßigte „Police-powers“-Doktrin auch eine Reihe anderer Faktoren, wie den Zweck des Eingriffs und den Eingriff in berechtigte Erwartungen des Investors, mit in die Bewertung ein, ob eine Enteignung vorliegt. In einer radikalen Form der „Police-powers“-Doktrin, die in zwei Fällen zum Tragen kam,667 steht der Zweck des Eingriffs ganz im Vordergrund und werden die Auswirkungen auf den Investor gänzlich ignoriert. Wenn der Eingriff einem öffentlichen Zweck dient, liegt unabhängig von seinen Auswirkungen auf die Investition keine Enteignung vor. Somit unterstreicht die radikale „Police-powers“-Doktrin die Souveränität der Staaten in ihrer Regelungskompetenz und bürdet dem ausländischen Investor die Kosten für Maßnahmen im öffentlichen Interesse auf. Nach ihrer Ansicht sind Maßnahmen, die dem Wohl der Allgemeinheit dienen und in Ausübung der „police powers“ erfolgen, nur in Ausnahmefällen, wenn überhaupt, indirekte Enteignungen. Ähnliches gilt für die Regelungen des Annex B Absatz 4(c) des US Modell-BITs aus 2004.

___________ 667 MethanexCorp. v. USA, (NAFTA), Final Award, 3 August 2005, http://ita.law. uvic.ca/documents/MethanexFinalAward.pdf; Saluka Investments BV v. Czech Republic, (Dutch/Czech BIT), Partial Award, 17 March 2006, http://ita.law.uvic.ca/documents/ Saluka-PartialawardFinal.pdf.

362

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

Diese Theorie wird oft auf eine Aussage in der Harvard Draft Convention on the International Responsibility of States for Injuries to Aliens aus 1961668 gestützt. Sie sieht Kategorien von Eigentumsentzügen vor, die keine Entschädigung erfordern. Davon sind auch Maßnahmen der zuständigen staatlichen Behörden umfasst, die zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, der Gesundheit oder der Moral ergriffen werden: An uncompensated taking of an alien property or a deprivation of the use or enjoyment of property of an alien which results … from the action of the compentent authorities of the State in the maintenance of public order, health or morality; … or otherwise incidental to the normal operation of the laws of the State shall not be considered wrongful.669

Ebenfalls als Beleg herangezogen wird das US Third Restatement of the Law of Foreign Relations aus 1987.670 Dieses sieht vor, dass keine Enteignung vorliegt und ein Staat daher nicht zur Entschädigung der Eigentümer verpflichtet ist, wenn der Eigentumsentzug durch eine allgemeine Normierung erfolgt, die generell als von den „police powers“ eines Staates erfasst akzeptiert ist: A state is not responsible for loss of property of for other economic disadvantage resulting from bona fide general taxation, regulation, forfeiture for crime, or other action of the kind that is commonly accepted as within the police power of states, if it is not discriminatory […], and is not designed to cause the alien to abandon the property to the state or sell it at a distress price.671

Bisher hat sich im Völkerrecht aber keine Regelung herausgebildet, die festlegt, was allgemein als von den „police powers“ eines Staates erfasst akzeptiert ist. Die folgenden zwei Fälle sind Beispiele für eine radikale Anwendung der „Police-powers“-Doktrin. Der Fall Methanex672 betraf ein kalifornisches Ge___________ 668 L. B. Sohn/R. Baxter, Draft Convention on the International Responsibility of States for Injuries to the Economic Interests of Aliens, 55 AJIL 1961, 545. 669 Ibid., S. 553. 670 Restatement (Third) of the Foreign Relations Law of the United States, American Law Institute, Vol. 2, 1986, S. 196 ff. Siehe z.B.: IUSCT, Too v. Greater Modesto Insurance Associates, Award No. 460880-2, 29 December 1989, 23 IUSCTR 378, S. 387. Der Fall betraf eine Klage eines iranischen Investors, dessen Alkoholkonzession vom US Internal Revenue Service beschlagnahmt und versteigert wurde, um ausständige Steuerbeträge damit zu begleichen. Das IUSCT stellte unter Berufung auf das Restatement fest, dass die Beschlagnahme vorgenommen wurde, um ausständige Steuerschulden zu begleichen und eine Ausübung der „police powers“ der Vereinigten Staaten war. Daher habe keine Entschädigungspflicht bestanden. 671 Ibid., § 712, Comment g, S. 201. 672 MethanexCorp. v. USA, (NAFTA), Final Award, 3 August 2005, http://ita.law. uvic.ca/documents/MethanexFinalAward.pdf.

B. Die Enteignung

363

setz, das die Verwendung und den Verkauf des Benzinzusatzes MTBE673 in Kalifornien verbot. Methanex stellt Methanol, eine der wesentlichen Komponenten von MTBE her. Kalifornien machte geltend, dass das Verbot erforderlich war, um eine Verseuchung des kalifornischen Trinkwassers zu verhindern, was andernfalls ein erhebliches Gesundheitsrisiko und eine Umweltgefährdung bedeutet hätte. Der Kläger sah in dem Verbot eine enteignungsgleiche Maßnahme. Das Schiedsgericht stellte fest, dass nach allgemeinem Völkerrecht eine Maßnahme, die unter anderem ausländische Investoren betreffe, nicht als Enteignung oder als entschädigungspflichtig anzusehen sei, wenn: –

sie erstens nicht diskriminierend sei;



sie zweitens im öffentlichen Interesse erfolgt sei;



sie drittens unter Einhaltung der Grundsätze eines ordentlichen Verfahrens zustande gekommen sei und



viertens nicht seitens der Regierung besondere Zusicherungen gegeben worden seien, dass derartige Maßnahmen nicht ergriffen würden.

Es führte aus: [A]s a matter of general international law, a non-discriminatory regulation for a public purpose, which is enacted in accordance with due process and, which affects, inter alios, a foreign investor or investment is not deemed expropriatory and compensable unless specific commitments had been given by the regulating government to the then putative foreign investor contemplating investment that the government would refrain from such regulation.674

Das heißt, dass rechtsstaatliche ergriffene, nicht diskriminierende, regulative Eingriffe im öffentlichen Interesse niemals Enteignungen sein können, wenn nicht eine besondere Zusicherung von der Regierung gegeben wurde. Als Beleg für seine Aussage zog das Schiedsgericht den Fall Revere Copper v. OPIC675 heran, in dem eine indirekte Enteignung festgestellt worden war. Der Vertrag zwischen Investor und jamaikanischer Regierung hatte eine Stabilisierungsklausel enthalten, die durch eine drastische Steuer- und Abgabenerhöhung verletzt worden war. Beklagt war in dem Fall der Versicherer, der die Leistung verweiger hatte, weil seiner Auffassung nach keine Enteignung vorlag. Es trifft zu, dass das Schiedsgericht in Revere Copper auf die besondere Zusicherung Bezug genommen hatte und in deren Verletzung letztlich eine de facto Enteignung erblickt hatte. In nicht vom Methanex-Schiedsgericht ange___________ 673

Methyl tertiary butyl ether. Ibid., Part IV – Chapter D, § 7. 675 In the Matter of Revere Copper and Brass Inc. v. Overseas Private Investment Corporation, Award, 24 August 1978, 56 ILR 258. 674

364

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

führten Absätzen des Revere-Schiedsspruches wird aber sehr deutlich, dass das Revere-Schiedsgericht für seine Entscheidung, dass eine Enteignung vorlag, vor allem auf die Auswirkungen der staatlichen Maßnahme abgestellt hatte. So führte es aus: In our view the effects of the Jamaican Government’s actions in repudiating its long term commitments to RJA have substantially the same impact on effective control over use and operation as if the properties were themselves conceded by a concession contract that was repudiated ... OPIC argues that RJA still has all the rights and property that it had before the events of 1974: it is in possession of the plant and other facilities; it has its Mining Lease; it can operate as it did before. This may be true in a formal sense but ... we do not regard RJA’s ‘control’ of the use and operation of its properties as any longer ‘effective’ in view of the destruction by Government actions of its contract rights.676

Überdies ist daraus, dass bei Verletzung von besonderen Zusicherungen eine Enteignung vorliegt, nicht der Umkehrschluss zulässig, dass bei Fehlen derartiger besonderer Zusicherungen keine Enteignung denkbar sei. Die Ausführungen im Fall Waste Management,677 der ebenfalls vom Schiedsgericht in Methanex herangezogen wurde, sind auch nicht geeignet, die Schlussfolgerungen, die das Gericht daraus ableitete, zu tragen. Das MethanexSchiedsgericht stützte sich auf eine Aussage des Waste Management-Schiedsgerichts zur Verletzung der Pflicht zur „gerechten und billigen Behandlung“. Einer der Gründe, warum eine Verletzung dieses Standards vorliegen kann, ist eine Verletzung des Vertrauensschutzes. Wenn besondere Zusicherungen gegeben worden sind, und diesen danach nicht entsprochen wurde, führt dies zu einer Verletzung der Pflicht zur „gerechten und billigen Behandlung“. 678 Das Methanex-Schiedsgericht führt dazu die folgende Passage aus dem Schiedsspruch im Fall Waste Management als Beleg für seine Aussage an: ... in applying this standard it is relevant that the treatment is in breach of representation made by the host State which were reasonably relied upon by the claimant.679

___________ 676

Ibid., S. 291 f. Waste Management, Inc. v. United Mexican States, (NAFTA), Award, 30 April 2004, http://ita.law.uvic.ca/documents/laudo_ingles.pdf. 678 Zu „fair and equitable treatment“ siehe z.B.: C. Schreuer, Fair and Equitable Treatment in Arbitral Practice, 6 Journal of World Investment & Trade, 2005, S. 357 ff.; C. Yannaca-Small, Fair and Equitable Treatment Standard in International Investment Law, in: OECD (Hrsg.), International Investment Law: A Changing Landscape, A Companion Volume to International Investment Perspectives, 2005, S. 73 ff.; S. Vasciannie, The Fair and Equitable Treatment Standard in International Investment Law and Practice, 70 The British Year Book of International Law 1999, S. 99 ff. 679 MethanexCorp. v. USA, (NAFTA), Final Award, 3 August 2005, Part IV – Chapter D, § 8, http://ita.law.uvic.ca/documents/MethanexFinalAward.pdf; Waste Management, Inc. v. United Mexican States, (NAFTA), Award, 30 April 2004, 43 ILM (2004) 967, § 98 zitierend. 677

B. Die Enteignung

365

Zunächst ist nicht ersichtlich, wieso eine von mehreren Voraussetzungen für die Verletzung des Standards von „gerechter und billiger Behandlung“, eines eigenen und unabhängigen Schutzstandards, nun zwingende Voraussetzung für das Vorliegen einer Enteignung sein soll. Zweitens ist die angeführte nur eine Möglichkeit, wie der Standard der „gerechten und billigen Behandlung“ verletzt werden kann. Drittens hat das Schiedsgericht in Waste Management den Umstand als relevant, aber nicht als unabdingbar erforderlich gewertet.680 Die als Präzedenzfälle angeführten Fälle sind daher nicht geeignet, die vom Methanex-Schiedsgericht gezogene Schlussfolgerung zu tragen. Aus methodischer Sicht ist zu der Vorgangsweise des Schiedsgericht in Methanex Folgendes zu bemerken: Die Kriterien, die laut NAFTA-Vertrag verwendet werden sollen, um eine rechtswidrige von einer rechtmäßigen Enteignung abzugrenzen, werden von ihm bereits herangezogen, um zu entscheiden, ob überhaupt eine Enteignung vorliegt. Das Schiedsgericht erklärt, dass bei ihrem Vorliegen keine Enteignung gegeben sein könne, außer wenn eine besondere Zusicherung von der Regierung gegeben worden sei. Aus rechtslogischer Sicht ist dieser Schluss nicht zulässig, denn dass eine Maßnahme nicht diskriminierend und im öffentlichen Interesse ist, sind beides Voraussetzungen dafür, dass eine legale Enteignung vorliegt. Die Erfüllung dieser beiden Bedingungen kann daher nicht zwingend dazu führen, dass keine Enteignung vorliegt. Es ist unlogisch zu erklären, dass die Erfüllung von zwei Bedingungen für die Rechtmäßigkeit einer Maßnahme dazu führt, dass die Maßnahme gar nicht existiert und daher eine dritte Bedingung für die Rechtmäßigkeit (die Entschädigung) nicht erfüllt werden muss. Higgins hat bereits Anfang der achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts unter Bezugnahme auf die Judikatur zum Fifth Amendment der US Verfassung darauf hingewiesen, dass es methodisch bedenklich sei, unter Zuhilfenahme des Eingriffszwecks zwischen Enteignungen und entschädigungslos zulässigen regulatorischen Eingriffen zu unterscheiden. Sie führte dazu aus: The position seems to be (and the present writer finds the underlying policy difference hard to appreciate) that a taking for public use requires just compensation to be paid; whereas an indirect taking for regulatory purposes does not. The distinction seems to lie not between formal and indirect taking, but rather in the purposes of the taking. … Is this distinction intellectually viable? Is not the State in both cases (that is, either by a taking for a public purpose, or by regulating) purporting to act in the common good? And in each case has the owner of the property not suffered loss? Under international law standards, a regulation that amounted (by virtue of its scope and effect) to a taking, would need to be “for a public purpose” (in the sense of

___________ 680

Waste Management, Inc. v. United Mexican States, (NAFTA), Award, 30 April 2004, 43 ILM (2004) 967 § 98.

366

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

in the general, rather than for a private, interest). And just compensation would be due.681

Im Fall Methanex werden sehr drastische Konsequenzen an das Vorliegen eines öffentlichen Interesses geknüpft. Die Entscheidung kommt zum Ergebnis, dass eine in Eigentumsrechte eingreifende Maßnahme unabhängig von ihren Konsequenzen keine Enteignung sein könne, sofern sie nur nicht diskriminierend, im öffentlichen Interesse und in einem rechtsstaatlichen Verfahren erlassen worden sei. Die Auswirkungen der Maßnahme, die bisher eine entscheidende Rolle bei der Abwägung gespielt haben, ob eine Enteignung vorliege, sind bei der vom Schiedsgericht gewählten Abgrenzungsmethode irrelevant. Stattdessen wird ausschließlich auf drei von vier Erfordernissen abgestellt, die vorliegen müssen, damit es sich um eine rechtmäßige und nicht um eine unrechtmäßige Enteignung handle, um über das Vorliegen der Tatsache der Enteignung zu entscheiden. Die wichtigste Voraussetzung, die Entschädigung, entfällt. Damit ist die Lösung dogmatisch fragwürdig. Den gleichen Ansatz wählte ein Schiedsgericht im Fall Saluka.682 Der Fall betraf eine tschechische Bank, deren kontrollierender Minderheitsaktionär der Investor war. Die Bank war in großen finanziellen Schwierigkeiten. Nach zweimaligen Massenabhebungen durch verängstigte Kunden wurde über die Bank die Zwangsverwaltung verhängt und sie schließlich zwangsweise an eine Konkurrenzbank verkauft. 683 Das Schiedsgericht erwähnte zunächst, dass in der BIT-Regelung zum Schutz von Eigentum keine Ausnahme für regulative Tätigkeiten der Staaten vorgesehen sei. Indem im BIT das Konzept des Entzugs (deprivation) gewählt worden war, sei in den Vertrag die entsprechende völkergewohnheitsrechtliche Norm übernommen worden. Demnach könne ein Entzug gerechtfertigt sein, wenn er von regulierender Tätigkeit herrühre, die auf die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung abziele. Das Schiedsgericht war der Auffassung, dass es Völkergewohnheitsrecht sei, dass Staaten keine Entschädigungspflicht hätten, wenn sie in normaler Ausübung regulierender Tätigkeit bona fide und in nicht diskriminierender Weise Regelungen im allgemeinen Interesse erließen: ___________ 681 R. Higgins, The Taking of Property by the State: Recent Developments in International Law, 176 RdC (1982-III), S. 330 f. 682 Saluka Investments BV v. Czech Republic, (Dutch/Czech BIT), Partial Award, 17 March 2006, http://ita.law.uvic.ca/documents/Saluka-PartialawardFinal.pdf. 683 Unter dem Titel der Enteignung überhaupt nicht erörtert wurde der Zwangsverkauf der Bank an CSOB. Zum Problem der Zwangsverkäufe siehe z.B.: G. C. Christie, What Constitutes a Taking of Property under International Law?, 38 BYIL 1962, 307–338, 324 ff.

B. Die Enteignung

367

It is now established in international law that States are not liable to pay compensation to a foreign investor when, in the normal exercise of their regulatory powers, they adopt in a non-discriminatory manner bona fide regulations that are aimed at the general welfare.684

Das Schiedsgericht stützt diese Feststellung auf die Harvard Draft Convention on the International Responsibility of States for Injuries to Aliens685 sowie auf die erläuternden Bemerkungen zur 1967 OECD Draft Convention on the Protection of Foreign Property686 und das US Third Restatement of the Law of Foreign Relations aus 1987687. Ferner führt das Schiedsgericht an, dass es viele Fälle gebe, die dies belegten. Demnach sei es Völkergewohnheitsrecht, dass keine Entschädigung für wirtschaftliche Schäden geboten sei, die aufgrund von bona fide Maßnahmen im Rahmen der „police powers“ der Staaten getroffen worden seien. In the opinion of the Tribunal, the principle that a State does not commit an expropriation and is thus not liable to pay compensation to a dispossessed alien investor when it adopts general regulations that are “commonly accepted as within the police power of States” forms part of customary international law today. There is ample case law in support of this proposition. As the tribunal in Methanex Corp. v. USA said recently in its final award, “[i]t is a principle of customary international law that, where economic injury results from a bona fide regulation within the police powers of a State, compensation is not required”.(FN12-Saluka) 688

Das laut Angaben des Schiedsgerichts aus dem Methanex-Schiedsspruch entnommene Zitat stammt jedoch nicht aus diesem, sondern aus dem „Amendment of Defense of Respondent United States of America“.689 Als Beleg für die Aussage kann es daher nicht angesehen werden. Jedoch unterscheidet sich das

___________ 684

Ibid., § 255. L. B. Sohn/R. Baxter, Draft Convention on the International Responsibility of States for Injuries to the Economic Interests of Aliens, 55 AJIL 1961, S. 548 ff. 686 OECD Draft Convention on the Protection of Foreign Property, 12 October 1967, 7 ILM 117 (1968). 687 Restatement (Third) of the Foreign Relations Law of the United States, American Law Institute, Vol. 2, 1986, S. 196 ff. 688 Ibid., § 262. FN 12 des Saluka Schiedsgerichts lautet wie folgt: MethanexCorp. v. USA, Final Award, 3 August 2005, 44 ILM 1343, para. 410 (2005). See also Too v. Greater Modesto Insurance Associates, 23 Iran U.S. Cl. Trib. Rep. 378, para. 26 (1989); S.D. Myers, Inc. v. Canada, 40 ILM 1408, para. 281 (2001); Lauder (USA) v. Czech Republic, Final Award, 3 September 2002, para. 198 (available at www.investmentclaims.com); Technicas Medioambienta les Tecmed S. A. v. United Mexican States, ICSID Case No. ARB(AF)/00/2, 29 May 2003, para. 119. 689 § 410 des Amendment of Defense of Respondent United States of America. Verfügbar unter: http://naftaclaims.com/Disputes/USA/Methanex/MethanexSuppState mentOfDefenseAmend.pdf. 685

368

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

Zitat aus dem Verteidigungsschriftsatz der USA nicht entscheidend von der oben kritisierten Aussage des Methanex-Schiedsgerichts. Die vom Saluka-Schiedsgericht ebenfalls in Fußnote 12 als Beleg angeführten Ausführungen des S.D. Myers-Schiedsgerichts690 sagen nichts darüber aus, wann eine regulative Maßnahme keine Enteignung ist.691 Die Passage führt lediglich aus, dass regulative Maßnahmen üblicherweise nicht als Enteignungen angesehen wurden und es daher unwahrscheinlich, wenn auch nicht unmöglich sei, dass eine derartige Maßnahme als Enteignung gewertet werden könnte. In den vom Schiedsgericht nicht angeführten nachfolgenden Absätzen geht das S.D. Myers-Schiedsgericht jedoch davon aus, dass die Unterscheidung zwischen einer Enteignung und einem sonstigen regulativen Eingriff aufgrund der Auswirkungen des Eingriffs (Intensität und Dauer) vorzunehmen sei.692 Daher kann man aus S.D. Myers nicht ableiten, dass es Völkergewohnheitsrecht sei, dass bei bona fide regulativen Eingriffen im Rahmen der „police powers“ niemals eine Entschädigungspflicht entstehe. Beim Verweis auf den Schiedsspruch Lauder,693 der ebenfalls in Fußnote 12 der Saluka Entscheidung als Judikaturbeleg erwähnt wird, handelt es sich beim zitierten Absatz nicht um eine Aussage des Schiedsgerichts, sondern um eine Behauptung der beklagten Partei. The Respondent argues that, although the Treaty includes both direct and indirect forms of expropriation, interference with property rights has to be so complete as to amount to a taking of those rights. Detrimental effect on the economic value of property is not sufficient. Parties to the Treaty are not liable for economic injury that is the consequence of bona fide regulation within the accepted police powers of the State.694

Das Lauder-Schiedsgericht begründete seine Ablehnung des Vorliegens einer Enteignung nicht damit, dass eine regulative Maßnahme vorgelegen sei, sondern verneinte die Zurechenbarkeit zum tschechischen Staat.695 ___________ 690 S.D. Myers, Inc. v. Government of Canada, (NAFTA), First Partial Award, 13 November 2000, 8 ICSID Reports 18, § 281: The general body of precedent usually does not treat regulatory action as amounting to expropriation. Regulatory conduct by public authorities is unlikely to be the subject of legitimate complaint under Article 1110 of the NAFTA, although the Tribunal does not rule out that possibility. 691 Zum Sachverhalt siehe oben, S. 348. 692 S.D. Myers, Inc. v. Government of Canada, (NAFTA), First Partial Award, 13 November 2000, 8 ICSID Reports 18, §§ 282, 283. Siehe zu S.D. Myers im Hinblick auf die Verwendung des „Zwecks“ als Abgrenzungskriterium auch oben: S. 347 f. 693 Lauder v. The Czech Republic, (United States/Czech Republic BIT), Final Award, 3 September 2001, 9 ICSID Reports 66. 694 Ibid., § 198. 695 Ibid., § 201.

B. Die Enteignung

369

Auch das Zitat aus dem Schiedsspruch im Fall Tecmed696 ist nicht geeignet, die Aussage des Saluka-Schiedsgerichts in seiner vollen Tragweite zu stützen. Denn zunächst führt das Tecmed-Schiedsgericht lediglich aus, dass regulative Eingriffe wirtschaftliche Schäden verursachen können, die nicht ersetzt werden müssen. The principle that the State’s exercise of its sovereign powers within the framework of its police power may cause economic damage to those subject to its powers as administrator without entitling them to any compensation whatsoever is undisputable.697

Dies bedeutet aber nicht, dass durch Bona-fide-Maßnahmen im Bereich der „police powers“ zugefügte Schäden niemals zu ersetzen sind. Schwerwiegender ist aber, dass das Saluka Schiedsgericht die wenige Absätze später folgende Aussage des Tecmed Schiedsgerichts außer Betracht lässt, wonach regulative Maßnahmen im öffentlichen Interesse nicht per se keine Enteignungen seien, sondern vielmehr auf die wirtschaftlichen Auswirkungen eines Eingriffs abzustellen sei. Das Tecmed Schiedsgericht sagte: After reading Article 5(1) of the Agreement and interpreting its terms according to the ordinary meaning to be given to them (Article 31(1) of the Vienna Convention), we find no principle stating that regulatory administrative actions are per se excluded from the scope of the Agreement, even if they are beneficial to society as a whole such as environmental protection-, particularly if the negative economic impact of such actions on the financial position of the investor is sufficient to neutralize in full the value, or economic or commercial use of its investment without receiving any compensation whatsoever.698

Damit sind die angegebenen Belege nicht ausreichend für den Beweis des Vorliegens einer völkergewohnheitsrechtlichen Norm, wonach keine Entschädigung für wirtschaftliche Schäden geboten ist, die aufgrund von bona fide Maßnahmen im Rahmen der „police powers“ der Staaten zugefügt worden sind. ___________ 201. The Arbitral Tribunal holds that the Respondent did not take any measure of, or tantamount to, expropriation of the Claimant’s property rights within any of the time periods, since there was no direct or indirect interference by the Czech Republic in the use of Mr. Lauder’s property or with the enjoyment of its benefits. 202. The Claimant has indeed not brought sufficient evidence that any measure or action taken by the Czech Republic would have had the effect of transferring his property or of depriving him of his rights to use his property or even of interfering with his property rights. 696 Técnicas Medioambientales Tecmed, S. A. v. United Mexican States, (Spain/Mexico BIT), Award, 29 May 2003, 10 ICSID Reports 134. Zum Sachverhalt siehe, S. 273, 351. 697 Ibid., § 119. 698 Ibid., § 121.

370

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

Als Abgrenzungskriterien zwischen regulativen Eingriffen, die zulässig sind, und indirekten Enteignungen führt das Saluka Schiedsgericht die Umstände, unter denen die Regelung ergriffen und angewandt wurde, als entscheidend an.699 Da die Zwangsverwaltung als zulässige regulative Handlung gerechtfertigt werden könne, liege kein Bruch des Artikels 5 (Enteignung) des BIT vor.700 In the present case, the Tribunal finds that the Czech Republic has not “crossed that line” and did not breach Article 5 of the Treaty, since the measures at issue can be justified as permissible regulatory actions.701

Das Schiedsgericht erwähnt an mehreren Stellen, dass dem Investor unzweifelhaft die Investition entzogen worden war.702 Dies habe jedoch keinen Einfluss darauf, dass es der Meinung sei, dass die Maßnahmen der tschechischen Regierung begründet und vernünftig gewesen seien. Die Vorgangsweise war in den Augen des Schiedsgerichts rechtmäßig, nämlich ein zulässiger regulativer Eingriff, der dem allgemeinen Wohl des Staates diene und nicht in die vom Völkergewohnheitsrecht anerkannten Ausnahmen von den zulässigen regulativen Eingriffen falle. Daher handle es sich, obwohl das Schiedsgericht an einer Stelle sogar ausdrücklich erwähnt, dass Saluka seine Investition entzogen „deprived“ wurde,703 nicht um eine „deprivation“ im Sinne von Art. 5 des BIT, also nicht um eine Enteignung. The CNB’s decision is, in the opinion of the Tribunal, a lawful and permissible regulatory action by the Czech Republic aimed at the general welfare of the State, and does not fall within the ambit of any of the exceptions to the permissibility of regulatory action which are recognised by customary international law. Accordingly, the CNB’s decision did not, fall within the notion of a “deprivation” referred to in Article 5 of the Treaty, and thus did not involve a breach of the Respondent’s obligations under that Article.704 In summary, the Tribunal finds, based on the totality of the evidence which has been presented to it, that in imposing the forced administration of IPB on 16 June 2000 the Czech Republic adopted a measure which was valid and permissible as within its regulatory powers, notwithstanding that the measure had the effect of eviscerating Saluka’s investment in IPB.705

___________ 699

Ibid., § 264. Ibid., § 265. 701 Ibid., § 265. Hervorhebung durch die Autorin. 702 Ibid., §§ 267, 276. 703 Ibid., § 267: There can be no doubt, and the Tribunal so finds, that Saluka has been deprived of its investment as a result of the imposition of the forced administration of the bank by the CNB on 16 June 2000. 704 Ibid., § 275. 705 Ibid., § 276. 700

B. Die Enteignung

371

Damit begnügt sich neuerlich ein Schiedsgericht damit, dass Maßnahmen im Rahmen der staatlichen „police powers“ ergriffen wurden und dem allgemeinen Wohl dienen, um das Vorliegen einer Enteignung auszuschließen. Das Schiedsgericht betont mehrmals,706 dass der Eingriff als zulässige regulative Maßnahme gerechtfertigt sei. Damit wird methodisch neuerlich zur Prüfung, ob eine Enteignung vorliegt, eine Rechtfertigungsprüfung durchgeführt. Die dazu herangezogenen Kriterien sind im Wesentlichen jene, die bei Enteignungen zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer Enteignung herangezogen werden. Aus den oben genannten Gründen ist dies methodisch problematisch.707 Das Schiedsgericht führt im vorliegenden Fall sogar ausdrücklich an, dass die Investition entzogen wurde. Dieser Umstand hat aber keinen Einfluss auf die Bewertung durch das Schiedsgericht. Somit ignoriert es die Auswirkungen auf den Investor und stellt nur auf den Zweck der Maßnahmen ab, um das Vorliegen einer Enteignung festzustellen. Wie schon Richter Anzilotti in seiner dissenting opinion im Fall Oscar Chinn festgestellt hat, ist es aber bedenklich, wenn es für einen Staat ausreicht, das öffentliche Interesse an einem Eingriff darzulegen, um seiner völkerrechtlichen Verpflichtung zu entgehen: International Law would be merely an empty phrase if it sufficed for a State to invoke the public interest in order to evade the fulfillment of its engagements.708

In eine ähnliche Richtung wie die eben erwähnten Schiedssprüche geht die neuere Vertragspraxis der NAFTA-Staaten USA und Kanada, die schon zuvor erörtert wurde.709 Die in den Modell-BITs verwendeten Kriterien stammen, wie bereits ausgeführt, aus der US Supreme-Court-Judikatur710 und finden sich in gewisser Weise in den Schiedssprüchen wieder, ohne dass sich die Schiedsgerichte darauf berufen, wie die folgende Skizze zeigen soll:

___________ 706

§§ 254, 265. Siehe dazu die Erörterungen zum Fall Methanex. 708 PCIJ, The Oscar Chinn Case, Judgment of December 12th, 1934, Serie A/B No. 63, M. Anzilotti, Dissenting Opinion, S. 112. 709 Siehe dazu oben, S. 262 ff. 710 Siehe z.B.: US Supreme Court, Urteil vom 26. Juni 1978, Penn Central Transportation Co. v. New York City, 438 U.S. 104 (1978). 707

372

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

Abbildung 11: Einfluss der US Supreme Court Judikatur und der Modell BITs auf die Schiedssprüche in Methanex und Saluka

Bisher gibt es noch keine Schiedssprüche, in denen derartige Vertragsklauseln in BITs von einem Schiedsgericht anzuwenden waren. Aber die Existenz der Klauseln per se ist Symptom für eine Tendenz eines restriktiveren Eigentumsschutzes im Bereich des Investitionsrechts. Zudem wird durch derartige Klauseln bei indirekten Enteignungen durch regulative Maßnahmen ein Rechtfertigungselement in die Prüfung eingeführt, ob eine Enteignung vorliegt. Sowohl die Schiedssprüche in Methanex und Saluka als auch die Klauseln in den Modell-BITs der USA und Kanadas führen zu einer Fragmentierung des Eigentumsschutzes im Investitionsrecht. Dies deshalb, weil ihnen zu Folge bei Vorliegen der gleichen öffentlichen Interessen im Fall einer formellen Enteignung eine Entschädigungspflicht besteht, bei einer indirekten Enteignung in Form regulativer Maßnahmen jedoch nicht. Dies soll die folgende Skizze veranschaulichen:

B. Die Enteignung

Regulativer Eingriff mit völligem Entzug der Nutzungsmöglichkeit

Formelle Enteignung

berechtigtes öffentliches Interesse nicht diskriminierend

373

berechtigtes öffentliches Interesse alle 3 Kriterien erfüllt

rechtsstaatliches Verfahren

nicht diskriminierend

alle 3 Kriterien erfüllt

rechtsstaatliches Verfahren

Ja

Ja

rechtmäßig

keine Enteignung

Entschädigung

keinerlei Ersatzleistung

Abbildung 12: Fragmentierung des investitionsrechtlichen Eigentumsschutzes bei Anwendung der radikalen Police-Powers-Theorie

Das im Investitionsrecht geltende, bereits erwähnte „Alles-oder-Nichts“-Modell führt in Kombination mit der in den beiden Fällen Methanex und Saluka angewandten radikalen „Police-powers“-Doktrin dazu, dass bei Vorliegen eines öffentlichen Interesses, wenn keine Diskriminierung besteht und ein rechtsstaatliches Verfahren Anwendung fand, keinerlei staatliche Ersatzleistung erforderlich ist, selbst wenn die Investition angesichts des Ausmaßes des Eingriffs als entzogen anzusehen ist. Das heißt, die wirtschaftlichen Folgen für den im öffentlichen Interesse vorgenommenen Entzug sind allein vom Investor zu tragen. Das Konzept der indirekten Enteignung ist auf diese Weise weitgehend inhaltsleer geworden.

(3) Vertrauensschutz Das Kriterium der berechtigten Erwartungen711 wird in jüngerer Zeit immer wieder von Schiedsgerichten in unterschiedlichsten Kontexten bei der Entschei___________ 711

Siehe dazu auch unten S. 559 ff. Siehe dazu im allgemeinen z.B.: R. Dolzer, Indirect Expropriation of Alien Property, 1 ICSID Review, Foreign Investment Law Journal, 1986, 41, S. 62; ders., Indirect

374

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

dung herangezogen, ob eine indirekte Enteignung vorliegt.712 Dies erfolgte einerseits, um bereits das Vorliegen des Schutzgutes zu verneinen.713 Andererseits wurde es im Rahmen der Überprüfung der für das Vorliegen einer Enteignung erforderlichen Auswirkungen herangezogen. Bereits erörtert wurden jene Fälle, in denen das Kriterium entweder implizit oder explizit beim erforderlichen Eingriffsausmaß Berücksichtigung fand.714 In anderen Fällen wurde bei ___________ Expropriations: New Developments? 11 N.Y.U. Environmental Law Journal, 2003, 64– 93, S. 78 f.; F. Orrego Vicuña, Regulatory Authority and Legitimate Expectations: Balancing the Rights of the State and the Individual under International Law in a Global Society, 5 International Law Forum, 2003, 188–197; L. Y. Fortier/S. L. Drymer, Indirect Expropriation in the Law of International Investment: I Know It When I See It, or Caveat Investor, 19 ICSID Review, Foreign Investment Law Journal 2004, 293, S. 306 ff.; A. Barbuk, The NAFTA Chapter 11 Arbitration and Protection of Legitimate Expectations, 1 TDM – Issue #03, Juli 2004; R. Dolzer, Grenzen nationaler Steuerhoheit im völkerrechtlichen Investitionsschutz, in: K. Grupp/U. Hufeld (Hrsg.), Recht – Kultur – Finanzen, Festschrift für Reinhard Mußgnug zum 70. Geburtstag am 26. Oktober 2005, 2005, 189–294; S. Fietta, International Thunderbird Gaming Corporation v. The United Mexican States: an indication of the limits of the „legitimate expectation“ basis of claim under Article 1105 of NAFTA?, 3 TDM – Issue #02, April 2006; F. Costamagna, Investor’ Rights and State Regulatory Autonomy: the Role of the Legitimate Expectation Principle in the CMS v. Argentina case, 3 TDM – Issue #02, April 2006; E. Snodgrass, Protecting Investor’s Legitimate Expectations: Recognizing and Delimiting a General Principle, 21 ICSID Review, Foreign Investment Law Journal 2006, 1–58; A. Siwy, Indirect Expropriation and the Legitimate Expectations of the Investor, in: C. Klausegger u.a. (Hrsg.), Austrian Arbitration Yearbook 2007, 355–377. 712 Siehe z.B.: In the Matter of Revere Copper and Brass Inc. v. Overseas Private Investment Corporation, Award, 24 August 1978, 56 ILR 258; Biloune and Marine Drive Complex Ltd. v. Ghana Investments Centre and the Government of Ghana, (Investment Agreement), Award, 27 October 1989, 95 ILR 183, S. 208; Antoine Goetz and Others v. Republic of Burundi, (Belgium-Luxembourg Economic Union/Burundi BIT), Award, 10 February 1999, 6 ICSID Reports 5, § 124; Metalclad Corp. v. United Mexican States, (NAFTA), Award, 30 August 2000, 5 ICSID Reports 212, § 107; Técnicas Medioambientales Tecmed, S. A. v. United Mexican States, (Spain/Mexico BIT), Award, 29 May 2003, 10 ICSID Reports 134, § 122; Consortium R.F.C.C. v. Kingdom of Morocco, (Italy/Morocco BIT), Award, 22 December 2003, § 69, http://ita.law.uvic.ca/documents/ConsortiumRFCC-Award_000.pdf; Methanex Corp. v. USA, (NAFTA), Final Award, 3 August 2005, Part IV – Chapter D, §§ 7, 9, 10, Quelle: http://ita.law.uvic.ca/documents/MethanexFinalAward.pdf; Eureko B.V. v. Republic of Poland, (Netherlands/Poland BIT), Partial Award, 19 August 2005, 12 ICSID Reports 335, §§ 242, 243; Azurix v. Argentine Republic, (United States/Argentina BIT), Award, 14 July 2006, http://ita.law.uvic.ca/documents/AzurixAwardJuly2006.pdf, §§ 316–322. 713 Dazu siehe oben, S. 134. 714 Siehe z.B.: Antoine Goetz and Others v. Republic of Burundi, (BelgiumLuxembourg Economic Union/Burundi BIT), Award, 10 February 1999, 6 ICSID Reports 5, § 124; Metalclad Corp. v. United Mexican States, (NAFTA), Award, 30 August 2000, 5 ICSID Reports 212, § 103; Occidental Exploration and Production Co. v. Ecuador, (US/Ecuador BIT), Award, 1 July 2004, 12 ICSID Reports 59, §§ 87–89; CME v. The Czech Republic, (Netherlands/Czech Republic BIT), Partial Award, 13 September 2001, 9 ICSID Reports 121, § 606; Consortium R.F.C.C. v. Kingdom of

B. Die Enteignung

375

der Prüfung, ob eine Enteignung vorlag, darauf Bezug genommen, ob Zusicherungen an den Investor eingehalten worden waren. In der Literatur wurde darauf hingewiesen, dass einseitige Akte von Regierungen auch im Verhältnis zwischen Staaten und Individuen verbindlich sein und berechtigte Erwartungen bei Investoren wecken können.715 Im Fall Revere Copper716 führte ein Schiedsgericht aus, dass das Prinzip der legitimen Erwartungen insbesondere dann relevant sein soll, wenn eine Regierung Handlungen vornimmt, die im Widerspruch mit staatlichen Zusicherungen an den Investor stehen: We regard these principles as particularly applicable where the question is, as here, whether actions taken by a government contrary to and damaging to the economic interests of aliens are in conflict with undertakings and assurances given in good faith to such aliens as an inducement to their making the investments affected by the action.717

Eine wichtige Rolle für das Vorliegen einer indirekten Enteignung spielten nicht eingehaltene Zusicherungen auch im Fall Metaclad.718 Der Investor hatte auf die Zusicherung, dass alle erforderlichen staatlichen Genehmigungen vorliegen, vertraut und seine Investition getätigt. Als die Müllverwertungsanlage fertig gestellt war, wurde ihm die Inbetriebnahme unter Berufung auf eine fehlende Baugenehmigung verweigert. Bei der Feststellung, dass eine Enteignung vorlag, verwies das Schiedsgericht unter anderem auf die nicht eingehaltenen staatlichen Zusicherungen an den Investor: These measures, taken together with the representations of the Mexican federal government, on which Metalclad relied, and the absence of a timely, orderly or substantive basis for the denial by the Municipality of the local construction permit, amount to an indirect expropriation.719

Eine Reihe weiterer Schiedsgerichte betonte im Fall des Vorliegens einer indirekten Enteignung, dass in berechtigte Erwartungen des Investors eingegriffen worden sei.720 Das Schiedsgericht in Tecmed griff auf das Konzept der le___________ Morocco, (Italy/Morocco BIT), Award, 22 December 2003, § 69, Quelle: http://ita. law.uvic.ca/documents/ConsortiumRFCC-Award_000.pdf. Siehe dazu auch oben, S. 319 ff. 715 W. M. Reisman/M. H. Arsanjani, The Question of Unilateral Governmental Statements as Applicable Law in Investment Disputes, 19 ICSID Review, Foreign Investment Law Journal 2004, S. 328–343. 716 In the Matter of Revere Copper and Brass Inc. v. Overseas Private Investment Corporation, Award, 24 August 1978, 56 ILR 258. 717 Ibid., S. 271. 718 Metalclad Corp. v. United Mexican States, (NAFTA), Award, 30 August 2000, 5 ICSID Reports 212. 719 Ibid., § 107. 720 Siehe z.B.: Biloune and Marine Drive Complex Ltd. v. Ghana Investments Centre and the Government of Ghana, (Investment Agreement), Award, 27 October 1989, 95

376

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

gitimen Erwartungen im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung zurück.721 Bei der Abwägung zwischen den Interessen des Investors am Schutz seines Eigentums und jenen des Staates an der Enteignung wies es wiederholt auf das Vorliegen legitimer Erwartungen des Investors hin, die Müllverwertungsanlage weiterhin betreiben zu können.722 Diese führte es durch um festzustellen, ob eine Enteignung vorlag. Selbst das für seine sehr restriktive Interpretation des Begriffs der indirekten Enteignung und für die Methode, wie es bei der Interpretation vorging, kritisierte Schiedsgericht im Fall Methanex723 führte an, dass eine indirekte Enteignung vorliegt, wenn bei einem Eigentumsentzug durch regulative, staatliche Maßnahmen berechtigte Erwartungen eines Investors verletzt wurden, die auf staatlichen Zusicherungen an den Investor beruht hatten. ... as a matter of general international law, a non-discriminatory regulation for a public purpose, which is enacted in accordance with due process and, which affects, inter alios, a foreign investor or investment is not deemed expropriatory and compensable unless specific commitments had been given by the regulating government to the then putative foreign investor contemplating investment that the government would refrain from such regulation.724

Somit kann davon ausgegangen werden, dass bei einem Eingriff, der von den Auswirkungen her das erforderliche Niveau erreicht, bei Nichteinhaltung einer dem Investor von der Regierung gegebenen ausdrücklichen Zusage eine indirekte Enteignung vorliegt. Der Umkehrschluss, wonach für das Vorliegen einer indirekten Enteignung notwendigerweise ausdrückliche, staatliche Zusagen verletzt worden sein müssen, ist aus der Judikatur der Schiedsgerichte jedoch nicht ableitbar. Eine Verletzung einer derartigen ausdrücklichen Zusage verlangte im Fall regulativer Eingriffe ausschließlich das Schiedsgericht im Fall Methanex.725 Einige Schiedsgerichte, die das Vorliegen einer Enteignung ab-

___________ ILR 183, S. 208, 209; Southern Pacific Properties (Middle East) Limited (SPP) v. Arab Republic of Egypt, (National Law), Award, 20 May 1992, 3 ICSID Reports 189, S.108; CME v. The Czech Republic, (Netherlands/Czech Republic BIT), Partial Award, 13 September 2001, 9 ICSID Reports 121, §§ 529, 530; Eureko B.V. v. Republic of Poland, (Netherlands/Poland BIT), Partial Award, 19 August 2005, 12 ICSID Reports 335, §§ 242, 243. 721 Siehe dazu ausführlich oben, S. 351 ff. 722 Técnicas Medioambientales Tecmed, S. A. v. United Mexican States, (Spain/ Mexico BIT), Award, 29 May 2003, 10 ICSID Reports 134, §§ 122, 149, 150. 723 MethanexCorp. v. USA, (NAFTA), Final Award, 3 August 2005, http://ita.law. uvic.ca/documents/MethanexFinalAward.pdf. 724 Ibid., Part IV – Chapter D, § 7. 725 Ibid., Part IV – Chapter D, § 7.

B. Die Enteignung

377

lehnten, wiesen unter anderem darauf hin, dass nicht in „legitimate expectations“ eingegriffen worden sei.726 Nicht klar wird aus den Schiedssprüchen, welcher Art die berechtigten Erwartungen sein müssen, damit sie zu berücksichtigen sind. Gleiches gilt für die in jenen Modell-BITs enthaltenen Klauseln,727 die die Berücksichtigung des Vorliegens berechtigter Erwartungen bei der Entscheidung vorsehen, ob eine indirekte Enteignung erfolgte. Ist für das Vorhandensein einer berechtigten Erwartung eine explizite Zusage an einen bestimmten Investor erforderlich, oder kann sich ein Investor auf Zusagen an alle Investoren in einem Staat berufen, oder sind ganz allgemein jene Erwartungen gemeint, die ein vernünftiger Investor auf Beibehaltung einer bestimmten rechtlichen Situation oder Praxis haben darf? Diese Frage wird erst durch zukünftige Schiedssprüche zu beantworten sein. Auch die Formerfordernisse, die Zusagen erfüllen müssen, um berechtigte Erwartungen zu begründen, sind aus der bisherigen Judikatur noch nicht eindeutig ableitbar. In Übereinstimmung mit den Äußerungen von Schiedsrichter Wälde in seiner separate opinion im Thunderbird-Fall728 darf jedoch davon ausgegangen werden, dass das berechtigte Vertrauen auf eine Zusage umso eher Berücksichtigung findet, je formeller sie verankert ist.729 Die berechtigten Erwartungen wurden von ihm im Fall Thunderbird nicht bei der Überprüfung des Vorliegens der Enteignung, sondern beim „fair and equitable treatment“ ausführlich geprüft. Dennoch wird diese Wertung auch auf „berechtigte Erwartungen“ im Zusammenhang mit Enteignungen anwendbar sein. Eine vom Thunderbird-Schiedsgericht730 formulierte allgemeine Definition „berechtigter ___________ 726 Siehe z.B.: Feldman v. Mexico, (NAFTA), Award, 16 December 2002, 7 ICSID Reports 341, §§ 146–149; Generation Ukraine Inc. v. Ukraine, (United States/Ukraine BIT), Award, 16 September 2003, 10 ICSID Reports 240, § 20.37; Occidental Exploration and Production Co. v. Ecuador, (US/Ecuador BIT), Award, 1 July 2004, 12 ICSID Reports 59, § 89. 727 US Modell BIT 2004, Annex B Expropriation, 4. (a) the determination of whether an action or series of actions by a Party, in a specific fact situation, constitutes an indirect expropriation, requires a case-bycase, fact based inquiry that considers, among other factors: (ii) the extent to which the government action interferes with distinct, reasonable investment-backed expectations. Quelle: http://www.state.gov/documents/organization/38710.pdf. 728 International Thunderbird Gaming Corporation v. Mexico, (NAFTA), Award, 26 January 2006, Separate Opinion, T. Wälde, http://ita.law.uvic.ca/documents/Thunder birdSeparateOpinion.pdf. 729 Ibid., § 89; siehe auch: T. Waelde/A. Kolo, Environmental Regulation, Investment Protection and “Regulatory taking” in International Law, 50 ICLQ 2001, 811, S. 844. 730 International Thunderbird Gaming Corporation v. Mexico, (NAFTA), Award, 26 January 2006, http://ita.law.uvic.ca/documents/ThunderbirdAward.pdf.

378

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

Erwartungen“ schließt aber auch nicht aus, dass ein Vertrauen auf eine langjährige Praxis ausreicht. Das Schiedsgericht in Thunderbird führte aus, dass im Rahmen des NAFTA Vertrags dieses Konzept in Situationen zum Tragen kommt, in denen eine Vertragspartei berechtigte und gerechtfertigte Erwartungen bei einem Investor auslöste, in einer bestimmten Art und Weise vorzugehen, dieser darauf vertraute und durch deren Nichteintreten geschädigt wurde: Having considered recent investment case law and the good faith principle of international customary law, the concept of “legitimate expectations” relates, within the context of the NAFTA framework, to a situation where a Contracting Party’s conduct creates reasonable and justifiable expectations on the part of an investor (or investment) to act in reliance on said conduct, such a failure by the NAFTA Party to honour those expectations could cause the investor (or investment) to suffer damages.731

Hierbei wird zu beweisen sein, dass der Investor zum Zeitpunkt der Investition Kenntnis von der Praxis hatte und auch auf deren Beibehaltung vertrauen durfte. Dasselbe gilt, wenn die Erwartungen nicht durch eine an einen bestimmten Investor gerichtete, sondern durch eine an einen größeren Investorenkreis adressierte Zusicherung entstehen. Wie weit derartige Erwartungen als ausreichend angesehen werden, ist – wie erwähnt – aber noch unklar. Im Ergebnis ist daher festzustellen, dass die bisherige Judikatur sowohl hinsichtlich der Erfordernisse für das Vorliegen von berechtigten Erwartungen als auch hinsichtlich der Konsequenzen, die an deren Vorliegen bzw. Fehlen geknüpft wurden, noch unscharf ist. Ebenfalls nicht klargestellt ist das Verhältnis dieses Parameters zu anderen Abgrenzungskriterien, wie etwa den erforderlichen Auswirkungen des Eingriffs. Müssen die beiden Erfordernisse immer kumulativ vorliegen, oder ist das Vorliegen der Verletzung berechtigter Erwartungen nur ein zusätzliches Indiz für das Vorliegen einer indirekten Enteignung? Außer im Schiedsspruch im Fall Methanex732 ist diese Frage in der Judikatur der Schiedsgerichte noch nicht abschließend beantwortet worden. In Methanex wurde – wie erwähnt – für das Vorliegen einer Enteignung durch regulative Eingriffe ein Abgehen von ausdrücklichen Zusagen verlangt.733 Auf die methodischen Schwächen der Entscheidung im Fall Methanex und die Konsequenzen der Beibehaltung einer derartigen Judikaturlinie wurde bereits ausführlich hingewiesen.734

___________ 731

Ibid., § 147. MethanexCorp. v. USA, (NAFTA), Final Award, 3 August 2005, http://ita.law. uvic.ca/documents/MethanexFinalAward.pdf. 733 Ibid., Part IV – Chapter D, § 7. 734 Siehe oben S. 365 ff. 732

B. Die Enteignung

379

d) Überblick, welche Arten von Eingriffen bisher als indirekte Enteignungen angesehen wurden Wie die oben erwähnten Schiedssprüche zeigen, wurde in einer Reihe von unterschiedlichen Konstellationen, in denen der wirtschaftliche Wert von Investitionen durch staatliche Eingriffe vernichtet wurde, eine indirekte Enteignung oder eine Maßnahme mit enteignungsgleicher Wirkung festgestellt. Die wichtigsten derartigen Eingriffsarten sollen in der Folge kurz angeführt werden: –

Der physische de facto Entzug von Eigentum wurde vom IUSCT wiederholt als Enteignung angesehen.735 (z.B.: Computer Science Corporation, Pereira, Dames & Moore).



Zwangstransaktionen wurden vom IUSCT als Enteignung gewertet: Der Eigentümer wurde unter Androhung persönlicher Folgen dazu gebracht, Beträge auf einem Konto freizugeben.736 (American Bell International)



Auch eine dauerhafte Verweigerung der Rückgabe von nur vorübergehend zur Verfügung gestellten, im Eigentum des Investors befindlichen Gegenständen wurde vom IUSCT als Enteignung angesehen.737 (z.B.: Oil Fields of Texas (blowout preventers)).



Die Enteignungen einer dritten Person führten zur mittelbaren Enteignung der Patente und Managementverträge eines davon unabhängigen Unternehmens. (Chorzów Factory).



Eine Steueranhebung entgegen einer Stabilisierungsklausel, die dazu führte, dass die Investition unwirtschaftlich wurde und der Investor de facto keine Kontrolle über die Investition mehr hatte. (Revere Copper).

___________ 735

Siehe dazu z.B.: M. Pellonpää/M. Fitzmaurice, Taking of Property in the Practice of the Iran-United States Claims Tribunal, 19 NYIL 1988, 53, S. 86 f.; J. A. Westberg, International Transactions and Claims Involving Government Parties, Case Law of the Iran-United States Claims Tribunal, 1991, S. 119 f.; G. H. Aldrich, What Constitutes a Compensable Taking of Property? The Decisions of the Iran-United States Claims Tribunal, 88 AJIL 1994, 585, S. 598. 736 Siehe dazu z.B.: M. Pellonpää/M. Fitzmaurice, Taking of Property in the Practice of the Iran-United States Claims Tribunal, 19 NYIL 1988, 53, S. 87 ff.; C. N. Brower, Current Developments in the Law of Expropriation and Compensation: A Preliminary Survey of Awards of the Iran-United States Claims Tribunal, 21 The International Lawyer, 1987, 639, S. 646. 737 Siehe dazu z.B.: M. Pellonpää/M. Fitzmaurice, Taking of Property in the Practice of the Iran-United States Claims Tribunal, 19 NYIL 1988, 53, S. 90; M. Pellonpää, Compensable Claims before the Tribunal: Expropriation Claims in: R. B. Lillich/D. B. Magraw (Hrsg.), The Iran-United States Claims Tribunal: Its Contribution to the Law of State Responsibility, 1998, S. 246 ff.

380

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht



Die Ausweisung des Investors, der innerhalb des Unternehmens eine entscheidende Management Position innehatte. (Biloune).



Zwangsverwaltung: Der Ersatz der von den Eigentümern eingesetzten Manager durch von der Regierung ernannte Manager war ein häufiger Fall in der Judikatur des IUSCT. Teils wurden bereits die Ernennung der Manager, in späterer Judikatur aber erst deren Handlungen entweder allein oder in Kombination mit anderen Eingriffen als indirekte Enteignung gewertet.738 (z.B.: Starrett,739 Tippetts,740 Phelps Dodge741).



Die Rücknahme einer Zollfreizone. (Goetz, Middle East Cement).



Die Verweigerung einer Baugenehmigung trotz Zusage der Regierung, dass alle für den Betrieb der Anlage erforderlichen Genehmigungen vorlägen. (Metalclad).



Eine durch die staatliche Medienbehörde dem Investor aufgezwungene Vertragsänderung, die einen Verlust der rechtlichen Absicherung des Investors bedingte und dazu führte, dass der lokale Vertragspartner, den für die Investition entscheidenden Vertrag beenden konnte. (CME).



Die Rücknahme bzw. Nichtverlängerung einer Betriebsgenehmigung einer Mülldeponie. (Tecmed).

e) Zwischenergebnis – Investitionsschutz Es ist unbestritten, dass sowohl direkte als auch indirekte Enteignungen vom Verbot der entschädigungslosen Enteignung in Investitionsschutzverträgen umfasst sind. Der Schutzumfang der Verträge im Hinblick auf indirekte Enteignungen ist aufgrund der jüngsten Entwicklungen (US Modell-BIT) nicht mehr ___________ 738 Siehe dazu z.B.: J. A. Westberg, International Transactions and Claims Involving Government Parties, Case Law of the Iran-United States Claims Tribunal, 1991, S.123 ff.; C. N. Brower, Current Developments in the Law of Expropriation and Compensation: A Preliminary Survey of Awards of the Iran-United States Claims Tribunal, 21 The International Lawyer, 1987, 639, S. 647 ff.; M. Pellonpää, Compensable Claims before the Tribunal: Expropriation Claims in: R. B. Lillich/D. B. Magraw (Hrsg.), The Iran-United States Claims Tribunal: Its Contribution to the Law of State Responsibility, 1998, S. 230 ff.; G. H. Aldrich, What Constitutes a Compensable Taking of Property? The Decisions of the Iran-United States Claims Tribunal, 88 AJIL 1994, 585, S. 588 ff. 739 IUSCT, Starrett Housing Corp. v. Government of the Islamic Republic of Iran, Award No. ITL 32-24-1, 19 December 1983, 4 IUSCTR 122, 154. 740 IUSCT, Tippetts, Abbett, McCarthy, Stratton v. TAMS-AFFA Consulting Engineers of Iran, et al., Award No. 141-7-2, 29 June 1984, 6 IUSCTR 219, 225. 741 IUSCT, Phelps Dodge Corp., et al v. The Islamic Republic of Iran, Award No. 217-99-2, 19 March 1986, 10 IUSCTR 121, § 22.

B. Die Enteignung

381

homogen. Die überwiegende Mehrzahl der Verträge enthält keine Definition dafür, wann ein Eingriff als Enteignung anzusehen ist. Da in bi- und multilateralen Verträgen die Formulierung „measures having an effect equivalent to expropriation“ häufig verwendet wird, sollte den Auswirkungen einer Maßnahme bei der Entscheidung, ob eine indirekte Enteignung vorliegt, entsprechendes Gewicht zukommen. Der restriktivere Zugang zur Schutzgewährung für indirekte Enteignungen in den jüngsten Modell-BITs der USA und Kanadas zeigt einen Bedarf der Staaten nach mehr staatlichem Spielraum im Bereich der regulierenden, staatlichen Eingriffe, für die keine Entschädigung geleistet werden soll. Vor diesem normativen Hintergrund bleibt es bei den allermeisten BITs und multilateralen Verträgen den einzelnen Schiedsgerichten überlassen, festzulegen, wann eine Enteignung vorliegt. Besondere Probleme treten in Zusammenhang mit indirekten Enteignungen bei schleichenden Enteignungen und Enteignungen durch regulative Maßnahmen auf. Die Fälle Methanex und Saluka sind die jüngsten Beispiele für das Problem, eine geeignete Abgrenzung zwischen zulässigem und unter Umständen sogar gefordertem staatlichen Handeln, das keine Entschädigung erfordert, und einem nur gegen Entschädigung zulässigen Eingriff in Eigentumsrechte zu finden. In der Judikatur ist unbestritten, dass eine staatliche Enteignungsabsicht nicht Voraussetzung für das Vorliegen einer Enteignung ist. Weiters müssen unabhängig davon, welcher Doktrin ein Schiedsgericht anhängt, die Auswirkungen eines Eingriffs ein bestimmtes Ausmaß erreichen, damit eine Enteignung festgestellt wird. Die überwiegende Mehrheit der Schiedsgerichte stellt hierfür auf das Vorliegen eines substantiellen Eingriffs ab. Damit ist gemeint, dass die wirtschaftliche Nutzungsmöglichkeit der Investition vernichtet sein muss. Im Investitionsschutz steht ein verbleibendes Inhabe- und Veräußerungsrecht an den Anlagen dem Vorliegen einer Enteignung – anders als im Menschenrechtsschutz – nicht entgegen. Ebenso verlangen die Schiedsgerichte – unabhängig davon, welcher Doktrin sie anhängen –, dass der Eingriff nicht nur von vorübergehender Dauer ist. Eine genaue zeitliche Grenze, ab der von einem Eingriff mit dauerhaften Konsequenzen ausgegangen werden kann, ist aus der Judikatur nicht ableitbar. Bei mehrere Jahre dauernden Beeinträchtigungen ohne Anhaltspunkte für eine Veränderung kann jedenfalls davon ausgegangen werden, dass das erforderliche zeitliche Ausmaß vorliegt. Ein weiteres Kriterium, auf das verschiedene Schiedsgerichte Bezug genommen haben, ist jenes der „legitimate expectation“ . In Fällen, in denen die eben erwähnten Voraussetzungen hinsichtlich der Auswirkungen eines Eingriffs vorliegen und zusätzlich die ergriffenen Maßnahmen entgegen ausdrücklicher,

382

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

staatlicher Zusicherung erfolgten, ist eindeutig – unabhängig von den sonst bestehenden Judikaturdifferenzen – von einer indirekten Enteignung auszugehen. Darüber hinaus ist unklar, in welcher Form Zusagen erfolgen und an welchen Personenkreis sie adressiert sein müssen, um berechtigte Erwartungen zu begründen. Je formeller die Zusage und je beschränkter der Adressatenkreis, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass berechtigte Erwartungen begründet worden sind. Ebenfalls unklar ist, inwiefern auf eine zum Zeitpunkt der Investition bestehende Rechtslage vertraut werden darf, wenn etwa auch eine einheitliche bestätigende Judikatur zu einer bestimmten Rechtsfrage besteht. Ferner ist nicht ausjudiziert, in welchem Verhältnis das Kriterium der „berechtigten Erwartungen“ zu den anderen erwähnten und von den Schiedsgerichten berücksichtigten Kriterien steht. Im Übrigen sind im Falle eines Eingriffs, welcher die oben hinsichtlich der Auswirkungen genannten Kriterien erfüllt, wie schon von Dolzer herausgearbeitet, weiterhin zwei Judikaturlinien feststellbar. Die erste ist jene, die für das Vorliegen einer Enteignung ausschließlich auf die Auswirkungen des Eingriffs auf den Investor abstellt („Sole-effects“-Doktrin). Schiedsgerichte, die dieser Linie zuzurechnen sind, ziehen, ebenso wie bei einer formellen Enteignung, auch bei indirekten Enteignungen die drei Erfordernisse „Vorliegen eines öffentliche Interesses“, „keine Diskriminierung“ und „Eingriff nur in einem rechtsstaatlichen Verfahren“ nicht für die Entscheidung, ob eine Enteignung vorliegt, heran, sondern nur zur Rechtmäßigkeitsprüfung. Diese Vorgangsweise entspricht jener bei formellen Enteignungen: Wenn ein Eingriff in seinen Auswirkungen einer formellen Enteignung gleichkommt, ist zu entschädigen. Die andere Judikaturlinie berücksichtigt auf unterschiedliche Art und Weise auch den Zweck der Maßnahmen und andere Faktoren, wie etwa die Art des Eingriffs oder das Vorliegen berechtigter Erwartungen, bei ihrer Entscheidung, ob eine Enteignung vorliegt („Police-powers“-Doktrin). Bei jenen Schiedsgerichten, welche die „Police-powers“-Doktrin in einer radikalen Form zur Anwendung bringen, führt das Vorliegen eines öffentlichen Interesses dazu, dass keine Enteignung vorliegen kann. Zusatzbedingung ist nur, dass der Eingriff nicht diskriminierend und gemäß rechtsstaatlichen Kriterien umgesetzt wird. Der Eingriff muss ferner durch regulative Maßnahmen erfolgt sein, und es dürfen keine besonderen Zusicherungen bestehen. Die Auswirkungen des Eingriffs auf den Investor spielen hierbei keine relevante Rolle. Methodisch heben diese Schiedsgerichte die Kriterien „im öffentlichen Interesse“, „nicht diskriminierend“ und „in rechtsstaatlicher Form“ von der Rechtmäßigkeitsebene auf die Eingriffsebene. Damit ist eine erhebliche methodische Abweichung zur klassischen Prüfung feststellbar, wo diese Kriterien aus-

B. Die Enteignung

383

schließlich zur Abgrenzung von rechtmäßigen und rechtswidrigen Enteignungen verwendet wurden. Diese Vorgangsweise bewirkt eine Fragmentierung innerhalb des Investitionsrechts zwischen formellen und indirekten Enteignungen, die durch regulative Maßnahmen erfolgen. Unter den gleichen Rahmenbedingungen ist im Fall einer formellen Enteignung Entschädigung zu leisten, im Fall eines regulativen Eingriffs jedoch nicht, auch wenn der damit verwirklichte Zweck identisch ist. Sollte dieser vom Methanex- und vom Saluka-Schiedsgericht eingeschlagene Weg beibehalten werden, würde dies zu einer beträchtlichen Schutzlücke im internationalen Investitionsschutz führen, weil jede nicht diskriminierende, im öffentlichen Interesse erlassene, in Eigentumsrechte eingreifende regulative Maßnahme automatisch und unabhängig von ihren Konsequenzen keine Enteignung wäre. Dies ist aus Sicht des Investitionsschutzes äußerst problematisch, denn wie später gezeigt werden wird, sind die Fälle, in denen das Fehlen eines öffentlichen Interesses festgestellt wurde, äußerst selten. Nach dieser Judikatur wären Enteignungen durch regulative Maßnahmen praktisch ausgeschlossen. Ausländische Investoren hätten die ökonomische Last der Verwirklichung des öffentlichen Interesses zu tragen. Sowohl auf die Auswirkungen als auch auf den Zweck des Eingriffs stellte das Schiedsgericht im Fall Tecmed ab. Es wandte das Kriterium „Zweck“ ebenfalls bereits auf der Ebene der Überprüfung des Vorliegens einer Enteignung an. Es stellte auf der Eingriffsebene im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung das öffentliche Interesse am Eingriff („Zweck“) den Auswirkungen des Eingriffs auf den Investor gegenüber.742 Damit schuf es durch die Verhältnismäßigkeitsprüfung einen Bezug zwischen den beiden Kriterien. Die anderen Schiedsgerichte, die den Zweck als relevant, aber nicht allein maßgeblich ansahen, legten im Unterschied dazu nicht dar, wie die einzelnen Kriterien mit einander in Bezug zu setzen sind. Auch im Menschenrechtsschutz wird eine Abwägung zwischen diesen beiden Interessen mittels einer Verhältnismäßigkeitsprüfung vorgenommen. Der Einsatz der Verhältnismäßigkeitsprüfung im Fall Tecmed unterscheidet sich von jener des EGMR in einem entscheidenden Punkt. Der EGMR nimmt sie vor, um zu überprüfen, ob ein im System relevanter Eingriff gerechtfertigt ist. Im Unterschied dazu verwendet sie das Tecmed-Schiedsgericht bereits auf der Ebene der Eingriffsprüfung, um festzustellen, ob überhaupt ein im System relevanter Eingriff, nämlich eine Enteignung, vorliegt. Die Verhältnismäßigkeitsprüfung auf Eingriffsebene bringt im Vergleich zu den zwei Extrempositionen zwar eine Verbesserung. Dies dadurch, dass anfänglich nicht entweder nur auf ___________ 742

Técnicas Medioambientales Tecmed, S. A. v. United Mexican States, (Spain/ Mexico BIT), Award, 29 May 2003, 10 ICSID Reports 134, § 122.

384

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

die Auswirkungen (sole effects) oder nur auf das öffentliche Interesse in Form des Eingriffszwecks (police powers) abgestellt, sondern zwischen den beiden Polen abgewogen wird. Mittels einer Verhältnismäßigkeitsprüfung auf Eingriffsebene gelingt es aber nicht, das Dilemma zwischen den regulativen Interessen der Staaten und den berechtigten Schutzinteressen der Investoren zu lösen. Dies deshalb, weil diese Methode aufgrund der Verlagerung des Kriteriums „Zweck/öffentliches Interesse“ von der Rechtmäßigkeitsebene auf die Eingriffsebene aus dem binären „Alles-oder-Nichts“-System nicht herauskommt. Das Ergebnis ist entweder, dass eine Enteignung vorliegt mit der Folge, dass volle Entschädigung zu leisten ist, oder dass keine Enteignung vorliegt mit der Folge, dass keine Entschädigung zu leisten ist. Daher kann ein Schiedsgericht bei Anwendung dieser Methode trotzdem im Ergebnis nur den Interessen des Staates zu 100% oder jenen des Investors zu 100% Rechnung tragen. Festzuhalten ist, dass keine der von den Schiedsgerichten bisher zur Entscheidung, ob eine indirekte Enteignung vorliegt, herangezogenen Methoden ein Entkommen aus dem „Alles-oder-Nichts“-System der investitionsrechtlichen Eingriffsprüfung erlaubt hat. Das verhindert aber, dass man den staatlichen Interessen an der Berücksichtigung des öffentlichen Interesses an einem Eingriff entgegen kommen kann, ohne zugleich dem Investor einen entschädigungslosen Eigentumseingriff aufzuzwingen. Dass ein Interesse der Staaten besteht, regulativ tätig zu sein, ohne sofort in vollem Umfang entschädigungspflichtig zu werden, ist aus der Entwicklung im Bereich der Modell-BITs und BITs zu erkennen. Nur so ist die Neuformulierung des US Modell-BITs 2004 im Vergleich zum Modell-BIT 1994 erklärbar. Dass auch die Investitionsschiedsgerichte geneigt sind, dieser Tendenz Folge zu leisten, zeigte eine Reihe von Schiedssprüchen, die auf unterschiedliche Weise versuchten, zusätzlich zu den Auswirkungen eines Eingriffs auch den Zweck des Eingriffs in ihre Überlegungen einzubeziehen, ob eine Enteignung vorliege. Bis jetzt kann keine der beiden Richtungen „Sole-effects“-Doktrin oder „Police-powers“-Doktrin als eindeutig dominierend bezeichnet werden. In den Jahren 2002 und 2003 konnte Dolzer in der Beurteilung der Schiedsgerichte, ob eine Enteignung vorliegt, noch einen Trend weg von Zweck und Kontext der Maßnahme und hin zu den Auswirkungen auf die Investition erkennen.743 Im Unterschied dazu scheint derzeit eine gegenläufige Strömung vorzuherrschen ___________ 743 R. Dolzer, Indirect Expropriations: New Developments? 11 N.Y.U. Environmental Law Journal, 2003, 64–93, S. 91 (… the more recent jurisprudence of arbitral tribunals reveals a remarkable tendency to shift the focus of the analysis away from the context and the purpose and focus more heavily on the effects on the owner.); R. Dolzer/F. Bloch, Indirect Expropriation: Conceptual Realignments?, 5 International FORUM de droit international, 2003, 155–165, S. 163.

B. Die Enteignung

385

und der Trend hin zur Berücksichtigung von Zweck und Kontext zu gehen, wobei die Auswirkungen auf die Investition zum Teil gänzlich ignoriert werden. Dieser Zustand der rechtlichen Ungewissheit über die Konsequenzen von regulativen Eingriffen hat negative Auswirkungen sowohl für den Investor als auch für die Staaten. Investoren wissen nicht, welche Eingriffe in die Investition sie entschädigungslos hinnehmen müssen, und können daher das Investitionsrisiko nicht richtig einschätzen. Die Staaten wiederum können das „Regulierungsrisiko“ nicht richtig einschätzen, weil nicht vorhersehbar ist, wie ein Schiedsgericht im Fall eines das Ausmaß einer Enteignung erreichenden Eingriffs, der aber erheblichen öffentlichen Interessen dient, nicht diskriminiert und aufgrund eines rechtsstaatlichen Verfahrens erfolgte, diesen Eingriff bewerten wird. Im Vierten Teil der Arbeit wird daher ein System vorgestellt, das versucht, durch eine Flexibilisierung zu ermöglichen, dass die staatlichen Eingriffsinteressen Berücksichtigung finden können, ohne den automatischen Nebeneffekt zu haben, dass der Investor keinerlei Entschädigung für einen Eingriff bekommt.

III. Ist eine Teilenteignung möglich? 1. Menschenrechtsschutz Eine weitere entscheidende Frage, insbesondere bei einer an wirtschaftlichen Gesichtspunkten orientierten Betrachtung des Problems der indirekten Enteignung ist jene, ob beim Entzug einzelner Rechte an einem Objekt eine Enteignung dieser einzelnen Rechte oder eine Nutzungsregelung des Gesamtobjekts vorliegt.744 Kann also ein Bündel an Rechten745 an einem Objekt aufgespaltet und jedes einzeln enteignet werden, oder ist eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen und liegt eine Enteignung nur vor, wenn alle Rechte entzogen werden? Mit dieser Frage hatte sich der Gerichtshof insbesondere im Hinblick auf wirtschaftliche Unternehmen immer wieder zu beschäftigen. Er lehnte, wie die folgenden Fälle belegen, eine Aufspaltung in einzelne Rechte ab und ging immer von einer Gesamtbetrachtung aller Rechte an einem Objekt aus.

___________ 744 Siehe dazu auch: U. Kriebaum, Partial Expropriation, 8 The Journal of World Investment and Trade 2007, 69–84. 745 Siehe zu Frage des „bundle of rights“ z.B.: R. Higgins, The Taking of Property by the State: Recent Developments in International Law, 176 RdC (1982-III), 261, S. 270 ff.

386

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

Im Fall Tre Traktörer Aktiebolag gg Schweden746 wurde, wie bereits erwähnt,747 dem Lokal die Alkoholausschankgenehmigung entzogen. Der Goodwill des Lokals war somit vernichtet, und es lag ein substantieller Wertverlust vor. Dies reichte jedoch nicht dafür aus, eine Enteignung anzunehmen. Der Gerichtshof entschied, dass die Nutzungsregelung des Absatzes 2 anwendbar sei: Severe though it may have been, the interference at issue did not fall within the ambit of the second sentence of the first paragraph. The applicant company, although it could no longer operate Le Cardinal as a restaurant business, kept some economic interests represented by the leasing of the premises and the property assets contained therein, which it finally sold in June 1984 (see paragraph 23 above). There was accordingly no deprivation of property in terms of Article 1 of the Protocol (P1-1).748

Somit verlangt der Gerichtshof, dass ein Eigentumsobjekt seinen gesamten wirtschaftlichen Wert einbüßen muss, damit eine de facto Enteignung vorliegt. Der Entzug eines einzelnen Rechts, selbst wenn dieses aus wirtschaftlicher Sicht das bedeutendste ist, reicht nicht, um entweder von einer Enteignung des Gesamtobjekts oder einer Enteignung des betroffenen Rechts sprechen zu können. Gleiches belegt auch der Fall Mellacher gg Österreich.749 In diesem konnten Wohnungsmieter durch einseitige Erklärung Mietverträge dahin ändern, dass der Mietpreis bis auf weniger als 20% der ursprünglich rechtmäßig vereinbarten Miete herabgesetzt wurde. Der Gerichtshof stellte fest, dass die Mietengesetzgebung im konkreten Fall nicht zu einer de facto Enteignung geführt habe. Den Hauseigentümern sei zwar ein Teil ihrer Einnahmen entzogen worden, mit der Möglichkeit der Nutzung, Vermietung und des Verkaufes sei jedoch noch eine ausreichende Verwertung des Gebäudes möglich. Daher komme die Nutzungsregelung des Absatzes 2 zur Anwendung: The Court finds that the measures taken did not amount either to a formal or to a de facto expropriation. There was no transfer of the applicants’ property nor were they deprived of their right to use, let or sell it. The contested measures which, admittedly, deprived them of part of their income from the property amounted in the circumstances merely to a control of the use of property. Accordingly, the second paragraph of Article 1 (P1-1) applies in this instance.750

Aus dem Urteil wird klar, dass der Gerichtshof bei seiner Analyse der Restnutzungsmöglichkeit die Auswirkung auf das Gesamtobjekt und dessen Nutzungs- und Verwertungsmöglichkeiten betrachtete und das vertragliche Recht ___________ 746 EGMR, Tre Traktörer Aktiebolag gg Schweden, Urteil vom 7. Juli 1989, Serie A, Nr. 159. 747 Siehe oben Teil 1, S. 142. 748 Ibid., § 55. 749 EGMR, Mellacher gg Österreich, Urteil vom 19. Dezember 1989, Serie A, Nr. 169. 750 Ibid., § 44.

B. Die Enteignung

387

auf Mieteinnahmen nicht gesondert berücksichtigte.751 Damit bestätigt dieses Urteil, dass für das Vorliegen einer de facto Enteignung der gesamte wirtschaftliche Wert des Gesamtobjekts eingebüßt werden muss. Das Abstellen auf das Gesamtobjekt wird noch deutlicher im bereits erwähnten Fall Fredin gg Schweden.752 In diesem stellte sich die Frage, ob der Widerruf einer Kiesabbaugenehmigung einer Enteignung gleich kam. Zunächst brachte der Gerichtshof das schon in den vorigen Urteilen erwähnte Kriterium des Verlusts einer sinnvollen Nutzungsmöglichkeit zur Anwendung. Er stellte fest, dass es sich beim Bewilligungswiderruf um eine Kontrolle der Nutzung im Sinne des Absatzes 2 handle. Es sei jedoch zu prüfen, ob die Folgen des Bewilligungswiderrufs so schwerwiegend seien, dass eine de facto Enteignung vorliege. Hierbei bezog er in seine Bewertung das gesamte, in mehrere Parzellen unterteilte Grundstück ein und nicht nur jenen Teil, auf dem sich die Kiesgrube befand. Der Gerichtshof verneinte auch hier das Vorliegen einer Enteignung, weil nicht jegliche sinnvolle Nutzung des gesamten Grundstücks ausgeschlossen sei. Er führte aus: ___________ 751

I.d.S. auch J. A. Frowein, Der Eigentumsschutz in der Europäischen Menschenrechtskonvention, in: G. Pfeiffer, G. Wiese, K. Zimmermann (Hrsg.), Festschrift für Heinz Rowedder zum 75. Geburtstag, 1994, S. 54; M. Pellonpää, The Commission’s Case-Law on Article 1 of Protocol No. 1, in: M. de Salvia/M. E. Villiger (Hrsg.), The Birth of European Human Rigths Law, Liber Amicorum, Studies in honor of Carl Aage Nørgaard, 1998, S. 171. 752 EGMR, Fredin gg Schweden (Nr. 1), Urteil vom 18. Februar 1991, Serie A, Nr. 192. Den Grundstückseigentümern, den Eltern des Beschwerdeführers, war 1963 eine Betriebsgenehmigung zum Kiesabbau für 30 Jahre erteilt worden. Eine solche Genehmigung war seit diesem Jahr aufgrund einer Novelle zum Umweltschutzgesetz erforderlich. 1969 erwarb der Beschwerdeführer ein Fünftel des Geländes. 1973 wurde ein wieteres Naturschutzgesetz novelliert und das County Administrative Board darin ermächtigt, mehr als zehn Jahre alte Kiesabbaugenehmigungen zu widerrufen. 1977 kaufte der Beschwerdeführer den Rest des Grundstücks und informierte das County Administrative Board davon. Die Kiesgrube war all die Jahre verpachtet gewesen. Die Pächter hatten sie jedoch nicht kommerziell genutzt. Nach Ende der Pacht beantragte der Beschwerdeführer 1979, dass ihm die Behörde die Betriebsgenehmigung übertrage. 1980 genehmigte das County Administrative Board den Antrag des Beschwerdeführers auf Errichtung einer Verladeanlage zur Kiesbeladung von Schiffen für die Dauer, in der die Abbaugenehmigung aufrecht war. Am 14. April 1983 wurde dem Beschwerdeführer die Genehmigung, im eigenen Namen Kies abzubauen, erteilt. Zugleich wurde ihm mitgeteilt, dass aufgrund des neuen Umweltschutzgesetzes die Bewilligung 1983 einer Neuüberprüfung unterzogen werde, die zu einer Beendigung des Kiesabbaus führen könne. Im August 1983 gab die Behörde dem Beschwerdeführer bekannt, dass sie im Interesse des Naturschutzes in Erwägung ziehe, die Bewilligung so abzuändern, dass sie am 1. Juni 1984 auslaufe. Im Dezember 1984 entschied die Behörde schließlich, dass die Anlage aus Umweltschutzgründen innerhalb von drei Jahren zu schließen sei. Die Übergangsfrist wurde vom zuständigen Ministerium bis zum 1. Juni 1988 ausgeweitet.

388

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

It remains however to be ascertained whether the consequences of the revocation of the permit were so serious as to amount to a de facto deprivation of property.753 The Court shared the opinion of the Delegate of the Commission that the applicants’ possibilities of using their possessions cannot be assessed by looking at Ström 1:3 in isolation. … in fact, its separation from the other parcels seems to have been simply a formality. In order to take into account the realities of the situation, the effects of the revocation thus have to be ascertained in the light also of the situation obtaining on the applicants’ surrounding properties. Nothing indicates, however, that the revocation directly affected these other properties. Viewing the question form this perspective, the Court does not find it established that the revocation took away all meaningful use of the properties in question.754

Der Fall ist ein Beispiel dafür, dass für die Bewertung ob eine de facto Enteignung vorliegt der Gerichthof – selbst bei innerstaatlicher formeller Aufteilung eines Gesamtobjekts in Einzelparzellen – nicht von einem Entzug von Einzelteilen, sondern vielmehr von einer Nutzungsregelung hinsichtlich des Gesamtobjekts ausgeht. Diese Einschätzung wird auch durch das Urteil im Fall Capital Bank AD gg Bulgarien755 bestätigt. Die Bank war in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Es wurde zunächst ein Zwangsverwalter eingesetzt. In der Folge wurde der Bank die Lizenz entzogen, die Bank liquidiert, aufgelöst und aus dem Register gestrichen.756 Der Gerichthof erwähnte sogar, dass im Hinblick auf die Lizenz ein Entzug von Eigentum vorliege. Da der Lizenzentzug jedoch nur ein konstitutives Element einer Reihe von Maßnahmen sei, die auf eine Kontrolle der Bank abzielten, lag keine Enteignung, sondern nur eine Nutzungsregelung vor. Er erachtete Artikel 1, Absatz 2 (Nutzungsregelung) in der Folge für verletzt. Der Gerichtshof führte dazu aus: … BNB’s decision to revoke the licence was clearly taken as a measure to control the banking sector in the country. It is true that it involved a deprivation of property, insofar as the licence itself could be considered as a possession, but in the circumstances the deprivation formed a constituent element of a scheme for controlling the banking industry. The Court therefore considers that it is the second paragraph of Article 1 of Protocol No. 1 which is applicable.757

In der Vorgangsweise des Gerichtshofs in diesem Fall kann eine Bestätigung der ablehnenden Haltung zu Teilenteignungen gesehen werden. ___________ 753

Ibid., § 43. Ibid., § 45. 755 EGMR, Capital Bank AD gg Bulgarien, Nr. 49429/99, Urteil vom 24. November 2005. 756 Ibid., § 10. 757 Ibid., § 131. Referenzen ausgelassen. 754

B. Die Enteignung

389

Damit ist aus der Judikatur eindeutig ableitbar, dass eine Aufspaltung des Bündels an Rechten an einem Gesamtobjekt nicht möglich ist. Das heißt, einzelne Rechte können nicht getrennt von einander enteignet werden. Der Gerichtshof nimmt immer eine Gesamtbetrachtung vor und verlangt, dass der wirtschaftliche Wert des Gesamtobjekts und die Nutzungsmöglichkeiten des Gesamtobjekts völlig vernichtet sein müssen, damit er von einer de facto Enteignung ausgeht. Dies gilt auch in jenen Fällen, in denen der eigentliche wirtschaftliche Zweck des Objekts nicht mehr weiter verfolgt werden kann.

2. Investitionsschutz Wie bereits ausgeführt,758 verlangt die überwiegende Mehrheit der Schiedsgerichte für das Vorliegen einer Enteignung einen Totalentzug oder einen substantiellen Entzug einer Investition. Dass insbesondere die wirtschaftliche Nutzungsmöglichkeit der Investition vernichtet worden sein muss und die Schiedsgerichte nicht den Entzug der bloßen Innehabung der Installationen verlangen, sollen die folgenden drei Beispiele aus der Judikatur veranschaulichen. In den Fälle Metalclad,759 Goetz760 und Tecmed761 wurde jeweils die wirtschaftliche Nutzung der Investition unmöglich gemacht. Die Anlagen verblieben jedoch im Eigentum des Investors. In keinem der Fälle wurde das Konzept der Teilenteignung erwähnt. Die Schiedsgerichte verlangten also nicht, dass auch die Innehabungs- oder Veräußerungsrechte an den Anlagen entzogen sein müssen, damit eine Enteignung vorliegt. In allen drei Fällen wurde jeweils durch eine regulative Tätigkeit bzw. deren Unterlassung ein Betrieb der Investition oder dessen Weiterführung unterbunden. In Metalclad konnte eine Müllverwertungsanlage überhaupt nicht in Betrieb gehen. In Tecmed wurde die Betriebsgenehmigung nicht verlängert. In Goetz wurde dem Investor, der Edelmetalle gewann, verarbeitete und verkaufte, der Freihandelszonenstatus entzogen.

___________ 758

Siehe dazu oben, S. 241 ff. Metalclad Corp. v. United Mexican States, (NAFTA), Award, 30 August 2000, 5 ICSID Reports 212. Zum Sachverhalt siehe oben, S. 274. 760 Antoine Goetz and Others v. Republic of Burundi, (Belgium-Luxembourg Economic Union/Burundi BIT), Award, 10 February 1999, 6 ICSID Reports 5. Zum Sachverhalt siehe oben, S. 281. 761 Técnicas Medioambientales Tecmed, S. A. v. United Mexican States, (Spain/ Mexico BIT), Award, 29 May 2003, 10 ICSID Reports 134. Zum Sachverhalt siehe oben, S. 273, 351. 759

390

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

In Tecmed762 und Metalclad763 waren die Kläger Eigentümer der Grundstücke. In Goetz kann aus dem Klagebegehren geschlossen werden, dass der Investor Anlagen errichten ließ.764 In allen drei Fällen wurde eine Verletzung des von einem BIT oder NAFTA geschützten Eigentumsrechts der Kläger vom jeweiligen Schiedsgericht festgestellt.765 Damit hat es für die Schiedsgerichte im Unterschied zu Entscheidungen im Bereich der Menschenrechte766 für die Bewertung, ob eine Enteignung der Gesamtinvestition vorliegt, keine Rolle gespielt, dass die Betriebsanlagen selbst nicht entzogen worden waren. Dies könnte, wie schon erwähnt, daran liegen, dass die Investitionsschiedsgerichte bei der Bewertung der Sachverhalte wirtschaftliche Kriterien stärker berücksichtigen, als dies Menschenrechtsgerichte tun. Der Fall SPP767 scheint zunächst ein klassischer Anwendungsfall für das Konzept einer Teilenteignung zu sein. Der Investor wollte zwei Hotelanlagen in Ägypten errichten. Die Investition in die zwei Hotelanlagen erfolgte über ein Joint Venture. Hinsichtlich eines Hotels, des Pyramidenhotels, wurde das Pro___________ 762 Siehe Técnicas Medioambientales Tecmed, S. A. v. United Mexican States, (Spain/Mexico BIT), Award, 29 May 2003, 10 ICSID Reports 134, §§ 35, 189. 763 Metalclad Corp. v. United Mexican States, (NAFTA), Award, 30 August 2000, 5 ICSID Reports 212, §§ 30, 45. 764 Antoine Goetz and Others v. Republic of Burundi, (Belgium-Luxembourg Economic Union/Burundi BIT), Award, 10 February 1999, 6 ICSID Reports 5, § 59. 765 Antoine Goetz and Others v. Republic of Burundi, Award, 10 February 1999, 6 ICSID Reports 5, § 124; Metalclad Corp. v. United Mexican States, (NAFTA), Award, 30 August 2000, 5 ICSID Reports 212, §§ 107, 111; Técnicas Medioambientales Tecmed, S. A. v. United Mexican States, (Spain/Mexico BIT), Award, 29 May 2003, 10 ICSID Reports 134, § 151. Wobei darauf hinzuweisen ist, dass hierfür aufgrund des BIT im Fall Goetz auch bereits eine Beschränkung von Eigentumsrechten ausreichte. 766 Siehe z.B.: EKMR, Pinnacle Meat Processors Company and 8 others gg Vereinigte Königreich, Nr. 33298/96, Entscheidung vom 21. Oktober 1998, nur im Internet veröffentlicht. Siehe dazu auch oben S. 316, FN 470. 767 Southern Pacific Properties (Middle East) Limited (SPP) v. Arab Republic of Egypt, (National Law), Award, 20 May 1992, 3 ICSID Reports 189. Zum Sachverhalt siehe auch oben, S. 273, 334. Die ägyptische Tourismus und Hotelorgansiation EGOTH hatte mit SPP ein Joint Venture (ETDC) zur Errichtung und zum Betrieb von Hotelbauten am Pyramidenplateau in Kairo und in Ras El Hekma an der Mittelmeerküste gegründet. Im Juli 1977 war Baubeginn am Pyramidenplateau. Ende 1977 wurde aufgrund politischer Opposition das Projekt gestoppt. Das Land wurde mit Dekret zu öffentlichem Eigentum gemacht. Auf Antrag von EGOTH wurde ETDC unter juristische Treuhandschaft gestellt. SPP wurden durch diese Vorgangsweise die vertraglichen Rechte, die SPP als Anteilseigner an ETDC hatte, indirekt entzogen.

B. Die Enteignung

391

jekt durch staatliche Eingriffe gestoppt. Später wurde auch das Joint Venture unter „judicial trusteeship“ gestellt. Die Frage nach einer eventuellen Teilenteignung hätte sich theoretisch stellen können, weil die Bewilligung zur Entwicklung und Nutzung des zweiten, des Ras El Hekma Projekts, nicht rückgängig gemacht wurde. Das Schiedsgericht äußerte sich jedoch nicht zur dogmatischen Frage der Teilenteignung. In seiner Begründung legte es Wert darauf, dass die Investition über ein Joint Venture lief. Es führte aus, dass die affectio societatis, die die entscheidende Basis eines Joint Ventures sei, aufgrund der Maßnahmen im Hinblick auf das Pyramiden Plateau Projekt nicht mehr bestehe. Die staatlichen Maßnahmen würden die Fortsetzung des Joint Ventures zwischen EGOTH und SPP im Hinblick auf das Ras El Hekma Projekt unmöglich machen.768 Das Joint Venture sei aufgrund der Handlungen Ägyptens daher im Ergebnis aufgelöst: That joint venture company – ETDC – was in effect dissolved as a result of the Respondent’s acts. It therefore could not have developed the Ras El Hekma site, even though the Ras El Hekma Project was never formally cancelled in the sense that the Pyramids Oasis Project was.769

Das Schiedsgericht ging offensichtlich davon aus, dass die Eingriffe hinsichtlich des einen Hotels und hinsichtlich des Joint Ventures selbst so substantiell gewesen waren, dass eine Enteignung der Gesamtinvestition vorlag. Es diskutierte daher die dogmatische Frage der Teilenteignung nicht. Es stellt sich die Frage, ob neben dem von der Mehrzahl der Schiedsgerichte für das Vorliegen einer Enteignung verlangten, totalen oder zumindest substantiellen Entzug einer Investition auch noch die Möglichkeit einer Teilenteignung besteht. Welche Szenarien können Anlass bieten, sich überhaupt mit dem Konzept einer Teilenteignung auseinanderzusetzen? Ein mögliches Szenario liegt vor, wenn ein Investor in mehrere Projekte innerhalb eines Staates investiert hat und nicht alle vom staatlichen Eingriff unmittelbar betroffen sind.770 Die Objekte können in der gleichen Branche sein, es ___________ 768

Ibid., § 169. Ibid., § 170. 770 Dass derartige Investitionen vorkommen zeigt beispielsweise der Fall Wena (Wena Hotels Ltd. v. Arab Republic of Egypt, (United Kingdom/Egypt BIT), Award, 8 December 2000, 6 ICSID Reports 89). Der Investor leaste und betrieb zwei Hotels. Eines davon lag in Luxor und das andere in Kairo. Die beiden Objekte, für die der Investor über je einen Leasingvertrag verfügte, wurden im innerstaatlichen Recht auch jeweils getrennt behandelt. Dies betrifft sowohl die Leasingverträge als auch die Anordnungen des Generalstaatsanwaltes im Hinblick auf die Hotels sowie die innerstaatlichen Schiedsverfahren. Das ICSID Schiedsgericht behandelte die Hotels bei der Prüfung, ob durch die nahezu identischen staatlichen Eingriffe im Hinblick auf die zwei Hotels eine Enteignung 769

392

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

wäre jedoch auch denkbar, dass die Projekte in unterschiedlichen Branchen angesiedelt sind. Ein anderes mögliches Szenario liegt vor, wenn einem Investor im Rahmen einer Gesamtinvestition unterschiedliche Rechte eingeräumt wurden und nur ein Teil davon entzogen wurde. Dies kann in zwei verschiedenen Konstellationen der Fall sein. Einerseits kann ein Unternehmen an einem Standort diverse Produkte vertreiben und nur im Hinblick auf eines von ihnen ein Eingriff in Rechte erfolgen. Andererseits können unterschiedliche Vergünstigungen eingeräumt worden sein, von denen manche entzogen werden, andere jedoch bestehen bleiben. Schiedssprüche, denen Sachverhalte zugrunde lagen, welche die Thematik der Teilenteignungen betreffen, lassen sich in drei Gruppen einteilen. Eine Gruppe lehnte die Möglichkeit einer Teilenteignung ab.771 Eine weitere Gruppe bejahte die Möglichkeit von Teilenteignungen explizit. Alle diese Schiedssprüche verneinten das Vorliegen einer Teilenteignung jedoch im besonderen Fall.772 Eine dritte Gruppe bejahte das Konzept der Teilenteignung zwar nicht ausdrücklich, wandte es aber in den jeweils zu entscheidenden Fällen an.773 Das heißt, die einzige Gruppe, die das Konzept ausdrücklich bejahte, sah es in concreto als nicht vorliegend an; die einzige Gruppe, die im Ergebnis Teil___________ vorliegt, stets gemeinsam. Es traf keine Aussagen dazu, ob auch der Entzug nur eines der Leasingverträge samt damit verbundenen Nutzungsmöglichkeiten zur Feststellung einer Enteignung geführt hätte. (§§ 96–101). 771 Siehe z.B.: Occidental Exploration and Production Co. v. Ecuador, (US/Ecuador BIT), Award, 1 July 2004, 12 ICSID Reports 59; CMS Gas Transmission Company v. Argentine Republic, (US/Argentina BIT), Award, 12 May 2005, http://ita.law.uvic.ca/ documents/CMS_FinalAward_000.pdf; Nykomb Synergetics Technology Holding AB, Sweden („Nycomb“) v. The Republic of Latvia, (ECT), Award, 16 December 2003, abgedruckt in: C. Ribeiro (Hrsg.), Investment Arbitration and the Energy Charter Treaty, AP1-3; Telenor Mobile Communications A.S. v. Hungary, (Norway/Hungary BIT), Decision on Jurisdiction, 13 September 2006, http://www.investmentclaims.com/ decisions/Telenor_Mobile-Hungary-Award-13-09-06.pdf. 772 Siehe z.B.: S.D. Myers, Inc. v. Government of Canada, (NAFTA), First Partial Award, 13 November 2000, 8 ICSID Reports 18; Waste Management, Inc. v. United Mexican States, (NAFTA), Award, 30 April 2004, http://ita.law.uvic.ca/docu ments/laudo_ingles.pdf; GAMI Investment Inc. v. Mexico, (NAFTA), Award, 15 November 2004, http://ita.law.uvic.ca/documents/Gami.pdf; EnCana Corporation v. Republic of Ecuador, (Canada/Ecuador BIT), Award, 3 February 2006, 12 ICSID Reports 427. 773 Middle East Cement Shipping and Handling Co. S. A. v. Arab Republic of Egypt, (Greece/Egypt BIT), Award, 12 April 2002, 7 ICSID Reports 178; Eureko B.V. v. Republic of Poland, (Netherlands/Poland BIT), Partial Award, 19 August 2005, 12 ICSID Reports 335.

B. Die Enteignung

393

enteignungen zuließ, behandelte die Fälle aber nicht unter dem Titel der Teilenteignung.

a) Ablehnung einer Teilenteignung Zunächst wird auf jene Schiedssprüche eingegangen, die das Konzept einer Teilenteignung verneinten. Einer ganzen Reihe dieser Fälle ist gemeinsam, dass bestimmte zugesagte Rechte entzogen wurden, während der Rest der Investition unangetastet blieb. Die Schiedsgerichte verneinten alle das Vorliegen einer Enteignung, ohne sich mit dem Konzept der Teilenteignung im Einzelnen auseinanderzusetzen. Stellvertretend sei zunächst der Fall CMS774 erwähnt. Der Fall betraf eine behauptete indirekte Enteignung einer Unternehmensbeteiligung durch die Suspendierung einer zugesagten Bindung der Tarife für Gastransporte an US-Preisindizes und die Umrechnung der Tarife zu einem Kurs ein Peso für einen Dollar. Das Schiedsgericht prüfte zunächst, ob dem Kläger diverse Rechtspositionen im Hinblick auf die Tarifberechnung zustünden. Es stellte in diesem Zug jeweils gesondert fest, dass der Kläger überzeugend dargetan habe, dass er ein Recht auf in Dollar kalkulierte Tarife hatte, die zum Zeitpunkt der Rechnungslegung in Pesos umzuwandeln seien.775 Ebenso konnte er dartun, dass ein Rechtsanspruch auf eine Tarifanpassung entsprechend einem US-Preisindex bestanden habe.776 Gleiches galt für den Stabilisierungsmechanismus.777 Damit ging das Schiedsgericht vom Vorliegen dieser einzelnen Rechtspositionen aus. Das Schiedsgericht führt in der Folge aus, dass durch die argentinischen Maßnahmen die – durch diese Rechtspositionen rechtlich zugesicherte – Stabilisierung in der Praxis eliminiert wurde.778 Dennoch war es der Auffassung, dass kein Entzug der Investition im Sinne des in Pope & Talbot etablierten Kriteriums vorliege. Dies deshalb, weil der Investor die volle Kontrolle über die Investition und das Eigentum an der Investition behalten habe. Daraus ergibt sich, dass das Schiedsgericht eine Aufspaltung der Investition in Einzelrechte, die unabhängig von der Gesamtinvestition enteignet werden können, ablehnte. Dies tat es trotz des Umstandes, dass im Artikel I (1) a (v) des BIT zwischen Argentinien und den USA eine Investition auch alle durch ___________ 774 CMS Gas Transmission Company v. Argentine Republic, (US/Argentina BIT), Award, 12 May 2005, http://ita.law.uvic.ca/documents/CMS_FinalAward_000.pdf. 775 Ibid., § 138. 776 Ibid., § 144. 777 Ibid., § 151. 778 Ibid., § 162.

394

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

Vertrag oder Gesetz zugesicherten Rechte und alle gesetzlichen Lizenzen und Berechtigungen umfasst: 1. For the purpose of this Treaty, a) “investment” means every kind of investment in the territory of the Party … and includes without limitation: … (v) any right conferred by law or contract, and any licenses and permits pursuant to law;779

Daher reicht es nach Ansicht des CMS-Schiedsgerichts für das Vorliegen einer Enteignung anscheinend nicht aus, wenn ein Recht, das von der Investitionsdefinition des BIT umfasst ist, entzogen wurde. Es muss vielmehr die Kontrolle über die Gesamtinvestition entzogen worden sein, damit eine Enteignung vorliegt. Das Konzept einer partiellen Enteignung lehnte das Schiedsgericht daher implizit ab. Der Fall Nykomb v. Latvia780 ist dem Fall CMS von den Fakten her ähnlich. Zwischen dem Investor und der staatlichen Energiegesellschaft bestand eine vertragliche Vereinbarung, dass die Gesellschaft zu einem über dem normalen Tarif liegenden Preis vom Investor Strom kaufen würde. Diese Garantie war die Grundlage für die Investition. Zu entscheiden war, ob der Umstand, dass von Lettland nur 37,5% des zugesagten Preises bezahlt wurden, eine enteignungsgleiche Maßnahme sei. Für das Schiedsgericht war das Ausmaß des Eingriffs der entscheidende Faktor. Es gab keinen formellen Entzug von Aktien, keinen Eingriff in die Einrichtungen des Unternehmens oder in Managementrechte. Daher lag keine Enteignung vor: The Tribunal finds that “regulatory takings” may under the circumstances amount to expropriation or the equivalent of an expropriation. The decisive factor for drawing the border line towards expropriation must primarily be the degree of possession taking or control over the enterprise the disputed measures entail. In the present case, there is no possession taking of Windau or its assets, no interference with the shareholder’s rights or with the management’s control over and running of the enterprise –

___________ 779 Treaty between United State of America and the Argentine Republic concerning the reciprocal Encouragement and Protection of Investment. Quelle: http://www.unc tad.org/sections/dite/iia/docs/bits/argentina_us.pdf; in Kraft getreten am 20. Oktober 1994. 780 Nykomb Synergetics Technology Holding AB, Sweden (“Nycomb”) v. The Republic of Latvia, (ECT), Award, 16 December 2003, abgedruckt in: C. Ribeiro (Hrsg.), Investment Arbitration and the Energy Charter Treaty, AP1-3; siehe zu dem Fall auch: J. Wetterfors, The First Investor-State Arbitration Award under the 1994 Energy Charter Treaty, Nykomb Synergetics Technology Holding AB, Sweden (“Nycomb”) vs. The Republic of Latvia, 2 TDM, issue #1, January 2005.

B. Die Enteignung

395

apart from ordinary regulatory provisions laid down in the production licence, the off-take agreement, etc.781

Zu dieser Schlussfolgerung kam es trotz des Umstandes, dass die Investitionsdefinition in Artikel 1 des ECT „claims to money and claims to performance pursuant to contract having an economic value and associated with an Investment“782 sowie „any right conferred by law or contract or by virtue of any licences and permits granted pursuant to law to undertake and Economic Activity in the Energy Sector“783 umfasst. Die Nichtbezahlung des vereinbarten Preises war nach Meinung des Schiedsgerichts weder eine Enteignung noch eine Maßnahme gleicher Wirkung. Die im Fall Waste Management784 diskutierte Möglichkeit einer Teilenteignung wurde vom Schiedsgericht nicht einmal in Erwägung gezogen. Ein weiteres Beispiel für einen Fall, in dem der Entzug einzelner Rechte für das Vorliegen einer Enteignung nicht ausreichte, ist der Fall Occidental v. Ecuador.785 Das Schiedsgericht betrachtete die Einstellung der Gewährung der Mehrwertsteuerrückerstattung für Anschaffungen, die im Zusammenhang mit der Investition des Klägers standen, nicht als Enteignung. Dies obwohl der dem Fall zugrunde liegende bilaterale Investitionsschutzvertrag auch Geldforderungen als eine Form der Investition anführte.786 Das Schiedsgericht bezweifelte zunächst, dass ein Steuerrückerstattungsanspruch eine Investition sei, sagte aber, dass selbst wenn dies der Fall wäre, keine Enteignung vorläge. In der Folge führte das Schiedsgericht eine Reihe von Standards für Enteignungen in Präzedenzfällen an und verneinte schließlich, ___________ 781

AP1-59. Article 1(6)c ECT. 783 Article 1(6)f ECT. 784 Waste Management, Inc. v. United Mexican States, (NAFTA), Award, 30 April 2004, § 141, Quelle: http://ita.law.uvic.ca/documents/laudo_ingles.pdf. 785 Occidental Exploration and Production Co. v. Ecuador, (US/Ecuador BIT), Award, 1 July 2004, 12 ICSID Reports 59. 786 Treaty between the United States of America and the Republic of Ecuador concerning the Encouragement and Reciprocal Protection of Investment, Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/us_ecuador.pdf. Article I 1. For the purposes of this Treaty, (a) “investment” means every kind of investment in the territory of one Party owned or controlled directly or indirectly by nationals or companies of the other Party, such as equity, debt, and service and investment contracts; and includes: … (iii) a claim to money or a claim to performance having economic value, and associated with an investment; … 782

396

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

dass ein substantieller Verlust vorliege, wie er etwa in Pope & Talbot787 gefordert worden war. Damit deutet die Entscheidung darauf hin, dass das Schiedsgericht vom Erfordernis des Entzugs der Gesamtinvestition ausging und Entzüge, die Teile der Investition betreffen, nicht als ausreichend für das Vorliegen einer Enteignung ansah. Dies selbst dann, wenn die betroffenen Rechte unter eine der Kategorien der geschützten Rechte in der Investitionsdefinition des BIT subsumierbar waren. Auch der Fall Feldman788 hätte Gelegenheit zur Diskussion des Konzepts der partiellen Enteignung geboten, diese erfolgte jedoch nicht. Er betraf ein Unternehmen mit mehreren Exportsparten, von denen eine, der Tabakexport, wirtschaftlich durch den staatlichen Eingriff (keine Steuerrückerstattung) gänzlich unmöglich gemacht wurde. Das Schiedsgericht erkannte dies an, verneinte jedoch das Vorliegen eines Eigentumsentzugs. Dies begründete es damit, dass der Investor weiterhin die Kontrolle über das Gesamtunternehmen hatte, in den anderen Unternehmenszweigen nicht am Export gehindert war und er keine legitimen Erwartungen hinsichtlich der fortgesetzten Exportmöglichkeit haben konnte. Das erste Argument (Kontrolle über das Gesamtunternehmen) läuft eindeutig auf das Erfordernis des Entzuges der Gesamtinvestition hinaus. Da auch das Fehlen einer berechtigten Erwartung im Hinblick auf die fortgesetzte Exportmöglichkeit als Grund für die Ablehnung einer Enteignung erwähnt wird, ist jedoch unklar, ob das Schiedsgericht das Konzept der Teilenteignung als solches ablehnt. Ausdrücklich abgelehnt wurde das Konzept der Teilenteignung im Fall Telenor.789 Der Fall betraf einen Mobilfunkbetreiber. Der Investor behauptete durch eine Reihe von regulativen Eingriffen enteignet worden zu sein. Ungarn argumentierte, dass es die Maßnahmen ergriffen habe, um sein Telekommunikationsrecht in Einklang mit EU Normen zu bringen. Die Eingriffe führten nicht zu einer wirtschaftlichen Vernichtung der Investition sondern allenfalls zu finanziellen Gewinneinbußen. Das Schiedsgericht führte aus, dass ein substantieller Entzug des wirtschaftlichen Werts oder der Gebrauchsmöglichkeit der Gesamtinvestition Voraussetzung für das Vorliegen einer Enteignung ist: The Tribunal considers that, in the present case at least, the investment must be viewed as a whole and that the test the Tribunal has to apply is whether, viewed as a whole, the investment has suffered substantial erosion of value.790

___________ 787 Pope & Talbot v. Canada, (NAFTA), Interim Award, 26 June 2000, 7 ICSID Reports 69, § 102. 788 Feldman v. Mexico, (NAFTA), Award, 16 December 2002, 7 ICSID Reports 341. 789 Telenor Mobile Communications A.S. v. Hungary, (Norway/Hungary BIT), Decision on Jurisdiction, 13 September 2006, http://www.investmentclaims.com/decisi ons/Telenor_Mobile-Hungary-Award-13-09-06.pdf. 790 Ibid., § 67.

B. Die Enteignung

397

Gemeinsam ist diesen Fällen, dass sie einen völligen oder substantiellen Entzug der Eigentumsrechte hinsichtlich der Gesamtinvestition verlangen. Wenn dies nicht vorliegt, gehen sie nicht subsidiär vom Vorliegen einer Enteignung einzelner Teile der Investition aus.

b) Ausdrückliche Anerkennung des Konzepts der Teilenteignung Nach der Erörterung der Fälle, die das Konzept einer Teilenteignung ablehnten, sollen nun jene analysiert werden, in denen nur das Konzept als solches bejaht wurde.791 Diese Schiedsgerichte verneinten jedoch aus anderen Gründen in den konkreten Fällen das Vorliegen einer Enteignung. Im Fall S.D. Myers792 stellte das Schiedsgericht fest, dass eine Enteignung grundsätzlich einen dauerhaften Entzug der Fähigkeit des Eigentümers, über seine wirtschaftlichen Rechte zu verfügen, erfordere. In einem obiter dictum führte es aus, dass unter bestimmten Umständen, die es jedoch nicht näher spezifizierte, auch ein vorübergehender oder teilweiser Entzug eine Enteignung sein könne. Es hielt fest: An expropriation usually amounts to a lasting removal of the ability of an owner to make use of its economic rights although it may be that, in some contexts and circumstances, it would be appropriate to view a deprivation as amounting to an expropriation, even if it were partial or temporary.793

Welcher Art die Umstände sein müssen, damit ein nur vorübergehender oder teilweiser Entzug als Enteignung zu werten ist, legte das Schiedsgericht nicht dar. Es erwähnte aber die Möglichkeit einer teilweisen ausdrücklich. Explizit mit dem Problem des Entzugs von Teilen einer Investition setzte sich auch das Schiedsgericht im Fall Waste Management794 auseinander. Der Fall betraf eine Konzession zur Abfallentsorgung der Stadt Acapulco. Letztere zahlte Beträge nicht, welche sie aufgrund eines Vertrages zu zahlen verpflichtet gewesen wäre. Bevor das Schiedsgericht mit der eigentlichen Prüfung, ob eine ___________ 791

Siehe z.B.: S.D. Myers, Inc. v. Government of Canada, (NAFTA), First Partial Award, 13 November 2000, 8 ICSID Reports 18; Waste Management, Inc. v. United Mexican States, (NAFTA), Award, 30 April 2004, http://ita.law.uvic.ca/documents/ laudo_ingles.pdf; GAMI Investment Inc. v. United Mexican States, (NAFTA), Award, 15 November 2004, http://ita.law.uvic.ca/documents/Gami.pdf. 792 S.D. Myers, Inc. v. Government of Canada, (NAFTA), First Partial Award, 13 November 2000, 8 ICSID Reports 18. Der Fall betraf ein während 18 Monaten gültiges und daher nur vorübergehendes kanadisches Ausfuhrverbot für gefährliche Abfallstoffe (PCB). 793 Ibid., § 283. 794 Waste Management, Inc. v. United Mexican States, (NAFTA), Award, 30 April 2004, http://ita.law.uvic.ca/documents/laudo_ingles.pdf.

398

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

Enteignung vorlag, begann, kündigte es zunächst an, festzustellen, ob ein Gesamtentzug oder ein Teilentzug vorliege. It is open to the Tribunal to find a breach of Article 1110 in a case where certain facts are relied on to show the wholesale expropriation of an enterprise but the facts establish the expropriation of certain assets only. Accordingly the Tribunal will consider first the standard set by Article 1110, in particular for the conduct tantamount to an expropriation, then whether the enterprise as a whole was subject to conduct in breach of Article 1110, and finally whether (even if there was no wholesale expropriation of the enterprise as such) the facts establish a partial expropriation.795

Das Schiedsgericht berief sich für die Feststellung, dass auch der Entzug der geschuldeten Beträge unabhängig von der Enteignung der Gesamtinvestition theoretisch ein Eingriff mit enteignungsgleicher Wirkung sein könne, nicht auf Vorjudikatur zu diesem Problem. Nachdem das Schiedsgericht in der Folge das Vorliegen einer Enteignung der Gesamtinvestition verneint hatte, prüfte es, ob das bloße Nichtbezahlen der vertraglich geschuldeten Beträge selbst die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Enteignung erfüllt habe. Dies lehnte es im Ergebnis ab, weil es die Nichtbezahlung von Schulden nicht als hoheitlichen Akt ansah.796 Die Entscheidung bedeutet aber, dass das Schiedsgericht grundsätzlich davon ausging, dass auch Teile einer Investition enteignet werden können. Ganz ähnlich ging das Schiedsgericht im Fall EnCana797 vor. Der Kläger behauptete, dass er gegen den Staat Ansprüche auf Umsatzsteuerrückzahlung im Zusammenhang mit Ölförderverträgen habe. Die Vorenthaltung der Steuerrückerstattung sei eine Enteignung der Investition. Das Schiedsgericht stellte zunächst fest, dass durch die verweigerte Steuerrückerstattung keine indirekte Enteignung der Gesamtinvestition vorliege.798 In einem weiteren Schritt prüfte es, ob das vom Kläger behauptete Recht auf Steuerrückzahlung enteignet worden sei. Es stellte fest, dass ein etwaiger Rückzahlungsanspruch in eine der Investitionskategorien des BIT falle. Der rückwirkende Entzug eines derartigen, nach innerstaatlichem Recht entstandenen Rechtsanspruchs könne eine Enteignung sein. … a law which cancels a liability the State already has to an investor, …, is capable of amounting to expropriation.799

___________ 795

Ibid., § 141. Ibid., § 175 ff.; siehe dazu oben, S. 219 ff. 797 EnCana Corporation v. Republic of Ecuador, (Canada/Ecuador BIT), Award, 3 February 2006, 12 ICSID Reports 427. 798 Ibid., § 178. 799 Ibid., § 183. 796

B. Die Enteignung

399

Ähnlich wie schon das Schiedsgericht in Waste Management800 verneinte es im Ergebnis das Vorliegen einer Enteignung mangels Vorliegens eines Hoheitsaktes, weil noch keine endgültige Weigerung der Rückzahlung vorgelegen sei.801 Die Entscheidung bedeutet aber, dass das Schiedsgericht grundsätzlich davon ausging, dass auch eine Teilenteignung einer Investition möglich sei. Ein weiterer Fall, in dem ein Schiedsgericht das Vorliegen einer partiellen Enteignung diskutierte, aber nicht abschließend beantworten musste, ist der Fall GAMI v. Mexiko.802 Weil der Kläger einen Totalentzug behauptet hatte, konnte sich das Schiedsgericht auf die Frage des Totalentzugs beschränken. Die abschließende Beantwortung der Frage, ob eine Teilenteignung vorgelegen sei, unterblieb daher. GAMI, ein US Unternehmen, war mit 14,18% an GAM, einer in Mexiko inkorporierten Gesellschaft, beteiligt. Mexiko enteignete eine Reihe von Zuckermühlen im Eigentum von GAM, nicht jedoch die Aktien an GAM. GAMI behauptete, dass Mexikos Vorgangsweise den Wert der Aktien in einer Weise beeinträchtigt habe, der einer Enteignung gleichkomme.803 Das Schiedsgericht gab zwei Beispiele für Fallkonstellationen, in denen es sehr wohl Teilenteignungen bejahen würde. Dies wäre erstens der Fall, wenn nur ein Teil von Farmland entzogen worden wäre.804 Zweitens läge eine Enteignung vor, sobald eine der Zuckermühlen entzogen worden wäre, sofern GAM der Kläger wäre.805 Das heißt, dass das Schiedsgericht das Konzept der teilweisen Enteignung als solches akzeptierte. Somit gibt es eine Reihe von Fällen, in denen Schiedsgerichte die Möglichkeit des Vorliegens einer partiellen Enteignung explizit bejahten. Sie verneinten nur das Vorliegen einer solchen Teilenteignung im jeweils konkreten Fall aus unterschiedlichen Gründen. Diese Schiedsgerichte ließen es für die Möglichkeit einer Teilenteignung jeweils ausreichen, dass das betroffene Recht unter eine der Investitionskategorien der Investitionsdefinition des jeweiligen Investitionsschutzvertrages subsumierbar war.

___________ 800

Waste Management, Inc. v. United Mexican States, (NAFTA), Award, 30 April 2004, http://ita.law.uvic.ca/documents/laudo_ingles.pdf. 801 EnCana Corporation v. Republic of Ecuador, (Canada/Ecuador BIT), Award, 3 February 2006, 12 ICSID Reports 427, §§ 192–199. 802 GAMI Investment Inc. v. United Mexican States, Award, 15 November 2004, http://ita.law.uvic.ca/documents/Gami.pdf. 803 Ibid., § 123. 804 Ibid., § 126. 805 Ibid., § 127.

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2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

c) Implizite Anerkennung des Konzepts der Teilenteignung Eine dritte Gruppe von Schiedsgerichten stellte implizit das Vorliegen von Enteignungen von Teilen einer Gesamtinvestition fest, ohne jedoch auf das Konzept einer Teilenteignung Bezug zu nehmen. Ein Beispiel für ein Schiedsgericht, dass offenbar von einer Teilenteignung ausging, ist der Fall Middle East Cement v. Egypt.806 Der Investor hatte das Recht, Zement nach Ägypten zu importieren und weiter zu verkaufen. Das Schiedsgericht hatte sich nach einem Entzug der Importgenehmigung mit unterschiedlichen Eigentumsobjekten zu beschäftigen, die von den staatlichen Eingriffen betroffen waren. Der Kläger machte die Enteignung von Rechten aus der Lizenz sowie die Enteignung eines Schiffes geltend. Weiters klagte er Schäden ein, die in Zusammenhang mit einem Bankkredit durch Entschädigungszahlungen an ausländische Dienstnehmer sowie durch eine angebliche Fehlinterpretation des Investitionsgesetzes entstanden waren. Zudem machte der Kläger eine illegale Konfiszierung einer Bankgarantie geltend. Das Schiedsgericht prüfte jeden der Ansprüche getrennt. Sowohl bei der Lizenz als auch beim Schiff hielt es ausdrücklich gesondert fest, dass es davon ausgehe, dass jede von beiden Investitionen im Sinne von Artikel 4 des BIT zwischen Griechenland und Ägypten seien. Es stellte fest, dass sowohl die Lizenz als auch das Schiff enteignet worden waren.807 Hinsichtlich der anderen geltend gemachten Ansprüche verneinte es das Vorliegen einer Enteignung.808 Daher kann der Schiedsspruch als Präzedenzfall dafür herangezogen werden, ___________ 806 Middle East Cement Shipping and Handling Co. S. A. v. Arab Republic of Egypt, (Greece/Egypt BIT), Award, 12 April 2002, 7 ICSID Reports 178. 807 Ibid., § 107. As a matter of fact, the investor is deprived by such measures of parts of the value of his investment. This is the case here, and, therefore, it is the Tribunal’s view that such a taking amounted to an expropriation within the meaning of Art. 4 of the BIT and that, accordingly, Respondent is liable to pay compensation therefor. Im Zuge der Schadensberechung nahm das Schiedsgericht ausdrücklich nochmals darauf Bezug, dass die Lizenz das enteignete Objekt sei: The License being the “expropriated” investment, … (§ 127). Das Schiedsgericht stellte in einer separaten Prüfung fest, dass das Schiff Poseidon eine Investition gemäß Art 4a des BIT sei. Es bejahte den Entzug der Poseidon, eines für die Investition geleasten Schiffes und wertete dies als Maßnahme mit enteignungsgleicher Wirkung. …, the Tribunal concludes that the Poseidon qualifies as an “investment” under the BIT and its protection. (§ 138) Thus, the tribunal concludes that the Poseidon was taken by a “measure the effects of which would be tantamount to expropriation” and that the Claimant is entitled to a compensation as provided for under Art. 4. c) of the BIT. (§ 144). 808 Ibid., §§ 152–156, 163–165.

B. Die Enteignung

401

dass nicht sämtliche mit einer Investition in Zusammenhang stehenden Eigentumsrechte vernichtet sein müssen, damit von einer Enteignung gesprochen werden kann. Vielmehr kann auch der Entzug von Teilen eines Gesamtprojekts, das sich aus Einzelinvestitionen zusammensetzt, eine Enteignung sein. In Eureko B.V. v. Poland809 hatte der Investor im Zuge der Privatisierung eines staatlichen Versicherungskonzerns (PZU) zunächst eine Minderheitenbeteiligung am Konzern erworben.810 In einem mit dem Kaufvertrag (Share Purchase Agreement) in Zusammenhang stehenden späteren Vertrag (1. Addendum) wurde dem Investor das Recht eingeräumt, weitere 21% der Aktien zu erwerben. Damit hätte der Investor 51% der Aktien und damit die Kontrolle über das Unternehmen erlangt. Im Zuge einer Änderung der Privatisierungspolitik entschied der polnische Staat, die Aktienmehrheit an PZU nicht in „ausländische Hände“ zu geben.811 Als Konsequenz davon ging Eureko des Rechts verlustig, die Kontrolle über das Unternehmen zu erlangen.812 Nicht betroffen vom Eingriff war die Basisinvestition. Sowohl die Rechte an den Aktien als auch die damit verbundenen Dividenden blieben aufrecht. Das Schiedsgericht sah in diesem Eingriff eine Verletzung des Artikels 5 des BIT, der eine Enteignung nur gegen Entschädigung zulässt.813 Als entzogen sah das Schiedsgericht das Recht auf Abhaltung einer „Initial Public Offering“ (IPO) an, wobei Eureko der Ankauf von 21% angeboten worden wäre, womit es eine kontrollierende Mehrheit erlangt hätte. Das Schiedsgericht führte aus: Eureko, under the terms of the First Addendum, acquired rights in respect of the holding of the IPO and that these rights are “assets”. Since the RoP deprived Claimant of those assets by conduct which the Tribunal has found to be inadmissible, it must follow that Eureko has a claim against the RoP under Article 5 of the Treaty.814 There is an amplitude of authority for the proposition that when a State deprives an investor of the benefit of its contractual rights, directly or indirectly, it may be tantamount to a deprivation in violation of the type of provision contained in Article 5 of the Treaty. The deprivation of contractual rights may be expropriatory in substance and in effect.815

Damit wandte das Schiedsgericht das Konzept einer Teilenteignung auf den Sachverhalt an, auch wenn es diese Frage dogmatisch nicht aufwarf. Der Fall ___________ 809 Eureko B.V. v. Republic of Poland, (Netherlands/Poland BIT), Partial Award, 19 August 2005, 12 ICSID Reports 335. 810 Ibid., § 41. 811 Ibid., § 208. 812 Ibid., § 219. 813 Ibid., §§ 226, 243. 814 Ibid., § 240. 815 Ibid., § 241. Die Fußnote wurde ausgelassen. Das Schiedsgericht berief sich darin auf die Fälle Tecmed, Metalclad und CME.

402

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

ist daher ein Beispiel dafür, dass auch in Fällen, in denen die Basisinvestition nicht entzogen wurde, eine Enteignung von Teilen einer Investition vorliegen kann, wenn mit der Basisinvestition verknüpfte vertragliche Rechte entzogen werden. Es wirkte sich nicht negativ auf die Entscheidung des Schiedsgerichts aus, dass nicht sämtliche der Rechte entzogen wurden. Sowohl die Rechte an den Aktien als auch die damit verbundene Dividendenauszahlung blieben ja bestehen. Somit wurde das Konzept der partiellen Enteignung von einigen Schiedsgerichten explizit bejaht und von anderen zwar nicht so bezeichnet, aber zur Anwendung gebracht. Dies geschah sowohl im Hinblick auf bewegliches und unbewegliches Eigentum als auch auf Forderungsrechte und Lizenzen. Schiedsgerichte, die im Ergebnis das Vorliegen einer Teilenteignung feststellten, sahen die einzelnen betroffenen Rechtspositionen jeweils als Investitionen an. Damit zerfällt ein Projekt in unterschiedlichste Teilinvestitionen, die dann jeweils unabhängig voneinander enteignet werden können. Eine derartige Lösung wurde jedoch von jenen Schiedsgerichten, die angesichts einer immer noch vorhandenen Kontrolle über das Unternehmen das Vorliegen einer Enteignung ablehnten, nicht vorgenommen. Dies auch dann nicht, wenn das entzogene Recht unter eine der Kategorien der Investitionsdefinition816 im Investitionsschutzvertrag subsumierbar war. Die Spruchpraxis ist demnach uneinheitlich. Der Umstand, dass ein Recht unter eine der in der Investitionsdefinition erwähnten Kategorien fällt, führt nicht automatisch dazu, dass es als eigene Investition betrachtet wird und damit enteignungsfähig ist. ___________ 816 Siehe z.B.: Agreement between the Government of the Kingdom of Sweden and the Government of the Republic of Argentina on the Promotion and Reciprocal Protection of Investments, 22. November 1991. Article 1 Definitions (1) The term “investment” shall comprise every kind of asset, invested by an investor of one Contracting Party in the territory of the other Contracting Party, provided that the investment has been made in accordance with the laws and regulations of the other Contracting Party, and shall include un particular, though not exclusively: (a) movable and immovable property as well as any other property rights, such as mortgage, lien, pledge, usufruct and similar rights; (b) shares and other kinds of interest in companies (c) title to money which is directly related to specific investment or to any performance under contract having an economic value; (d) patents, other industrial property rights, technical processes, trade names, know-how and other intellectual property rights as well as good-will; and (e) business concessions conferred by law, administrative decisions or contracts, including concessions to search for, cultivate, extract or exploit natural resources. Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/argentina_sweden.pdf.

B. Die Enteignung

403

Ein Maßstab im Bereich der Teilentzüge wäre aber sehr wünschenswert. Es muss sowohl für den Staat als auch für den Investor von erheblichem Interesse sein, zu wissen, ob auch Entzüge von Teilen eines Gesamtprojekts eine Enteignung sind. Für den Staat ist es eine erheblich weitere Einschränkung seines Handlungsspielraums, wenn bereits der Entzug eines Teiles eines Unternehmens zu einer Entschädigungspflicht führt, als wenn nur zu entschädigen ist, sofern eine Gesamtinvestition entzogen wird. Auch für die Investoren wäre eine höhere Rechtssicherheit in diesem Bereich von großer Relevanz, denn sonst kann ihre Position, solange sie nur insgesamt die Kontrolle über die Gesamtinvestition haben, langsam entschädigungslos ausgehöhlt werden. Eine mögliche Lösung für das Problem der Teilenteignungen könnte darin bestehen, eine Enteignung – in Übereinstimmung mit der bisherigen Judikatur – immer dann anzunehmen, wenn durch den Entzug eines einzelnen Rechts, das unter die Investitionskategorien des Investitionsschutzvertrages fällt, die wirtschaftliche Nutzungsmöglichkeit der Gesamtinvestition vereitelt wird. Zusätzlich könnte immer dann von einer Teilenteignung ausgegangen werden, wenn das entzogene Recht in eine der Kategorien der Investitionsdefinition des Investitionsschutzvertrages fällt817 und unabhängig von der restlichen Investition wirtschafltich genutzt werden kann. Wenn etwa ein Investor Genehmigung für den Export von Alkohol, Tiefkühlprodukten und Fotoartikeln hat, kann nach der vorgeschlagenen Lösung jede der Lizenzen unabhängig vom Rest der Investition in Form einer Teilenteignung enteignet werden. Sonst wäre der Investor benachteiligt gegenüber einem Investor, der nur eine der Genehmigungen innehat. Keine Teilenteignung würde hingegen im folgenden Fall vorliegen: Ein Investor erhält eine Konzession zur Errichtung eines 70-geschossigen Hotelkomplexes. Der Staat reduziert aufgrund innenpolitischen Drucks die Genehmigung auf 50 Geschosse. Das Recht auf 20 zusätzliche Geschosse ist für sich alleine nicht wirtschaftlich nutzbar. Es liegt daher keine Teilenteignung vor. Diese Lösung steht wertungsmäßig im Einklang mit der Judikatur zu dem für eine Enteignung erforderlichen Ausmaß des Eigentumseingriffs. Aus dieser Judikatur ergibt sich, dass der Investitionsschutz durch Investitionsschutzabkommen nicht gleich einer Versicherungspolice818 vor jedem Vermögensverminderungsrisiko schützen, sondern erst dann zum Tragen kommen soll, wenn ___________ 817

Siehe FN 816. I.d.S. auch T. Waelde/A. Kolo, Environmental Regulation, Investment Protection and „Regulatory taking“ in International Law, 50 ICLQ 2001, 811, S. 839; siehe auch z.B.: Maffezini v. Spain, (Argentina/Spain BIT), Award, 13 November 2000, 5 ICSID Reports 419, § 64: „Bilateral Investment Treaties are not insurance policies against bad business judgments. “ 818

404

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

die wirtschaftliche Nutzungsmöglichkeit einer Investition vernichtet worden ist. Dieser Wertung entspricht der Vorschlag, in dem ein Recht beeinträchtigt werden muss, das eigenständig wirtschaftlich genutzt werden kann. Diese Lösung würde ferner verhindern, dass die Erlangung eines weiteren grundsätzlich schutzfähigen Objekts dazu führt, dass das ursprüngliche Objekt nur in Kombination mit dem zusätzlichen Objekt enteignet werden kann und so seinen eigenständigen Enteignungsschutz einbüßt.

3. Zwischenergebnis Auch im Bereich der Teilenteignung gibt es Unterschiede zwischen Menschenrechts- und Investitionsschutz. Diese sind in der Konstruktion sowohl des Schutzbegriffs als auch der Eingriffstatbestände begründet. Der EGMR sieht zwar auch einzelne Rechte aus dem Bündel an Rechten an einem Eigentumsobjekt als vom Eigentumsschutz umfasst an. Wenn jedoch der Eigentümer sämtliche Rechte am Bündel innehat, und nur einzelne daraus entzogen werden, geht der Gerichtshof nicht von einer Enteignung aus. Es liegt dann eine Nutzungsregelung vor. Im Investitionsschutz ist, wie aufgezeigt, die Judikatur uneinheitlich. Zum Teil werden Teilenteignungen zugelassen, die überwiegende Mehrzahl der Schiedsgerichte verlangt für das Vorliegen einer Enteignung jedoch eine „total or substantial deprivation of the investment“ und meint damit die Gesamtinvestition. Die von der Autorin vorgeschlagene Lösung würde Teilenteignungen immer dann zulassen, wenn das betroffene Recht in eine der Investitionskategorien der Investitionsdefinition des BIT/MIT fiele und eine eigenständige wirtschafltiche Nutzung möglich wäre. Ein Investor wäre somit nicht dadurch benachteiligt, dass seine Gesamtinvestition aus mehreren Teilinvestitionen besteht, die unabhängig voneinander schutzfähig wären. Ist damit eine zum Menschenrechtsschutz parallele Lösung vorgeschlagen? Dies ist nicht so einfach zu beantworten, weil sich in diesem Punkt sowohl das unterschiedliche Schutzobjekt als auch die unterschiedliche Konstruktion hinsichtlich der Eingriffstatbestände auswirkt. Im Menschenrechtsschutz ist „Eigentum“ das Schutzobjekt, während im Investitionsschutz eine „Investition“ das geschützte Gut ist. Wie gezeigt, ist der EGMR auch bereit, einzelnen Rechten an einem Objekt Eigentumsschutz zu gewähren. Allerdings spricht er nur dann von einer Enteignung, wenn sämtliche innegehabten Rechte entzogen wurden. Ansonst liegt eine Nutzungsregelung vor, die jedoch ebenfalls an Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK zu messen ist.

B. Die Enteignung

405

In der im Investitionsrecht vorgeschlagenen Lösung könnte eine Situation auftreten, in der ein einzelnes der Rechte an einem Objekt auch sämtliche vorgeschlagenen Kriterien erfüllt. Daher könnte aus investitionsrechtlicher Sicht eine Teilenteignung vorliegen, obwohl der EGMR nur eine Nutzungsregelung hinsichtlich des Gesamtobjekts feststellen würde. Eine gleichlautende Lösung in dieser Frage erscheint angesichts der unterschiedlichen Situation sowohl im Hinblick auf die zur Verfügung stehenden Eingriffstatbestände als auch im Hinblick auf die unterschiedlichen Schutzobjekte in Investitionsschutz- und Menschenrechtsverträgen nicht sachgerecht. Mit der für das Investitionsrecht vorgeschlagenen Lösung kann gewährleistet werden, dass ein Recht, das für sich alleine als Investition angesehen werden kann und entzogen wird, auch vom Eigentumsschutz des Investitionsrechts erfasst werden kann. Es wäre nicht erklärbar, warum ein Investor, der mehrere, als eigenständige Investitionen qualifizierbare Rechte hatte, im Ergebnis schlechter gestellt sein sollte, als ein Investor, der nur ein einziges dieser Rechte innehatte. Aufgrund der Existenz einer Auffangklausel und der Tatsache, dass eine Bewertung eines Eingriffs durch den Gerichtshof als Nutzungsregelung oder „sonstigen Eingriff“ nicht per se eine Schlechterstellung des Beschwerdeführers bewirkt,819 ist es im Bereich des Menschenrechtsschutzes nicht unbedingt erforderlich, mit der Kategorie der Teilenteignungen zu arbeiten. Ob es faktisch durch die Bewertung eines Eingriffs als „Nutzungsregelung der Gesamtinvestition“ statt als „Teilenteignung“ zu einer Schlechterstellung der Beschwerdeführer kommen kann, kann im Rahmen dieser Arbeit nicht untersucht werden. Festzuhalten bleibt daher, dass das Konzept der Teilenteignung im Menschenrechtsschutz nicht zur Anwendung kommt. Im Investitionsschutz wurde es von einem Teil der Schiedsgerichte ausdrücklich abgelehnt, von einem anderen Teil theoretisch bejaht, aber praktisch nicht als gegeben angesehen und von einem dritten Teil nicht diskutiert, aber implizit angewandt. Die von der Autorin vorgeschlagene Lösung würde das Konzept zulassen, wenn das entzogene Recht von der Investitionsdefinition des maßgeblichen Investitionsschutzvertrages umfasst und für eine selbständige wirtschaftliche Nutzung geeignet ist. ___________ 819 Im Menschenrechtsschutz bewirkt der Umstand, dass ein Eingriff nicht als Enteignung sondern als „Nutzungsregelung“ und „sonstige Eingriffe“ bewertet wird per se noch keine Schlechterstellung des Beschwerdeführers, weil jeder Eingriff einer Rechtfertigungsprüfung zu unterziehen ist und entschädigungspflichtig sein kann. Wenn die Einordnung in die Kategorien „Nutzungsregelung“ und „sonstige Eingriffe“ schon für sich genommen eine Schlechterstellung bedeutete, dürfte die Subsumption nicht einordenbarer Eingriffe unter die Auffangklausel („sonstige Eingriffe“) nicht zulässig sein. Der Gerichtshof müsste vielmehr immer eine Einordnung vornehmen, was er aber nicht tut.

406

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

IV. Begünstigte der Enteignung Im Regelfall bewirken Enteignungen einen unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteil für den enteignenden Staat. Jedoch kann es sowohl bei formellen Enteignungen, aber noch viel mehr bei indirekten Enteignungen – und hier insbesondere bei Enteignungen durch regulative Maßnahmen – Konstellationen geben, wo nicht der Staat, sondern die Allgemeinheit oder bestimmte Personen die unmittelbar Begünstigten sind. So ist es möglich, dass eine regulative Enteignung nicht direkt zur Bereicherung des Staates führt, sondern etwa Teil eines wirtschaftlich oder sozial motivierten Umstrukturierungsprogramms ist. Das heißt, dass es eine Reihe von Situationen gibt, in denen Private direkt, der Staat aber nur indirekt Nutznießer der Enteignung sind. Die im allgemeinen Völkerrecht in der Literatur vorherrschende Meinung ist, dass bei einer Enteignung der Transfer des Eigentums entweder an den Staat oder an Dritte erfolgt und kein unmittelbarer wirtschaftlicher Gewinn des enteignenden Staates vorliegen muss. So führt etwa Brownlie820 aus, The deprivation may be followed by transfer to the territorial state or to third parties, as in systems of land distribution as a means of agrarian reform.821

Weston sieht „wealth deprivation“ bei schleichenden Enteignungen als geeignete terminologische Umschreibung an, weil dort dem Entzug auf der einen Seite nicht notwendigerweise ein Zugewinn auf der entziehenden Seite gegenübersteht: … in search of precision, it more readily admits that there can be a loss by one party without there being a one-for-one gain by another.822

Gloria823 stellt im Hinblick auf die Zulässigkeit von Enteignungen fest: Die Enteignungsmaßnahmen müssen darauf gerichtet sein, Eigentumsrechte in das Eigentum des enteignenden Staates oder in das Eigentum von Dritten zu überführen.824

Sowohl Menschenrechtsgerichtshöfe als auch Investitionsschiedsgerichte hatten immer wieder zu klären, ob der Eigentumsschutz in derartigen Konstellationen überhaupt zur Anwendung kommt. Überdies stellte sich die Frage, ob ___________ 820

I. Brownlie, Principles of Public International Law6, 2003. Ibid., S. 509. 822 B. H. Weston, „Constructive Takings“ under International Law: A Modest Foray into the Problem of „Creeping Expropriation“, 16 Virginia Journal of International Law 1975, 103, S. 113. 823 C. Gloria, Internationales Wirtschaftsrecht, in: K. Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht5, 2004, 674–770. 824 Ibid., S. 761. 821

B. Die Enteignung

407

eine Enteignung, die nicht unmittelbar dem Staat dient, im öffentlichen Interesse und daher rechtmäßig erfolgt ist. Mit der ersten dieser beiden Fragen beschäftigen sich die nun folgenden Ausführungen.

1. Menschenrechtsschutz Die Kommission und der Gerichtshof hatten in einer Reihe von Fällen825 darüber zu entscheiden, ob auch Eigentumsübertragungen an Private, die durch Gesetze entweder bedingt oder jedenfalls ermöglicht wurden, Enteignungen sind. Wie die folgende Übersicht illustrieren soll, ist die Rechtsprechung der Konventionsorgane in diesem Punkt uneinheitlich.

___________ 825 EKMR, Lars Bramelid und Anne-Marie Malström gg Schweden, Entscheidung vom 12. Oktober 1982, DR 29 (1982), S. 64 ff.; EKMR, D.P. gg Vereinigtes Königreich, Nr. 11949/86, Entscheidung vom 1. Dezember 1986, DR 51, S. 195 ff.; EKMR, James u.a. gg Vereinigtes Königreich, Bericht der Kommission gemäß Art. 31, § 101 abgedruckt in EGMR, James u.a. gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 21. Februar 1986, Serie A, Nr. 98, S. 57; EGMR, James u.a. gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 21. Februar 1986, Serie A, Nr. 98; EKMR, Marinucci gg Italien, Nr. 9625/81, Bericht der Kommission gemäß Art. 31, DR 60, § 57 ff.; EKMR, H gg Vereinigtes Königreich, Entscheidung vom 4. Juli 1983, DR 33, S. 247 ff.; EGMR, Allard gg Schweden, Urteil vom 24. Juni 2003, ECHR 2003-VII; EGMR, Bäck gg Finnland, Urteil vom 20. Juli 2004, ECHR 2004-VIII; Fuklev gg Ukraine, Nr. 71186/01, Urteil vom 7. Juni 2005; Ivanova gg Ukraine, Nr. 74104/01, Urteil vom 13. September 2005.

826

Bramelid Aktien

x

x

x

wirtschaftl. Reform

dann unter Abs. Satz 1 (sonstiger Eingriff) geprüft

Kommission: Privatrechtsgestaltung 827

H gg VK Gemeinschaftseigentum

x

x

828

James Pächter

James

x

x

829

830

x

831

x

DP gg VK Miete Marinucci Pächter

x

x

Kommission: sozial & wirtschaftl. Reform

x

x

GH: sozial & wirtschaftl. Reform

x

x x

Kommission: sozial & wirtschaftl. Reform

keine Enteignung

Enteignung

Urteil

Ziel der Reform

Gesetz

Gerichtshof

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

Kommission

408

x x

___________ 826 EKMR, Lars Bramelid und Anne-Marie Malström gg Schweden, Entscheidung vom 12. Oktober 1982, DR 29 (1982), S. 64 ff. 827 EKMR, H gg Vereinigtes Königreich, Entscheidung vom 4. Juli 1983, DR 33, S. 247 ff. 828 EKMR, James u.a. gg Vereinigtes Königreich, Bericht der Kommission gemäß Art. 31, § 101 abgedruckt in EGMR, James u.a. gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 21. Februar 1986, Serie A, Nr. 98, S. 57. 829 EGMR, James u.a. gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 21. Februar 1986, Serie A, Nr. 98. 830 EKMR, D.P gg Vereinigtes Königreich, Nr. 11949/86, Entscheidung vom 1. Dezember 1986, DR 51, S. 195 ff. 831 EKMR, Marinucci gg Italien, Nr. 9625/81, Bericht der Kommission gemäß Art. 31, DR 60, § 57 ff.

833

Fuklev Keine Exekution eines rechtskräftigen Urteils gegen einen Privaten 834

Ivanova Aufhebung eines rechtskräftigen Urteils

x

x

x

x

keine Enteignung

Ziel der Reform

Gesetz

Enteignung

x

409

Urteil

832

Allard Gemeinschaftseigentum

Gerichtshof

Kommission

B. Die Enteignung

Eingriff & Verletzung (aber keine Einordnung in eine der drei Eingriffskategorien) x

Abbildung 13: Rechtsprechungsübersicht – Eigentumsübertragung an Private

Die Kommission löste dieses Problem zunächst in drei Fällen835 auf dogmatisch unbefriedigende Weise und lehnte das Vorliegen einer Enteignung ab. In allen Fällen kam es aufgrund von zivil- und handelsrechtlichen Vorschriften zu Eigentumsverschiebungen. Der Fall Bramelid und Malström gg Schweden836 betraf Minderheitenaktionäre, die unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet waren, ihr Eigentum an den Aktien an den Mehrheitsaktionär zu übertragen. In D.P.837 verlor der Beschwerdeführer in einem Zivilverfahren gegen den Vermieter über die Wiederherstellung eines Mietrechts an einer Wohnung. In H. gg

___________ 832

EGMR, Allard gg Schweden, Urteil vom 24. Juni 2003, ECHR 2003-VII. EGMR, Fuklev gg Ukraine, Nr. 71186/01, Urteil vom 7. Juni 2005. 834 EGMR, Ivanova gg Ukraine, Nr. 74104/01, Urteil vom 13. September 2005. 835 EKMR, Lars Bramelid und Anne-Marie Malström gg Schweden, Entscheidung vom 12. Oktober 1982, DR 29, S. 64 ff.; H. gg Vereinigtes Königreich, Entscheidung vom 4. Juli 1983, DR 33, S. 247 ff.; EKMR, D.P. gg Vereinigtes Königreich, Nr. 11949/86, Entscheidung vom 1. Dezember 1986, DR 51, S. 195 ff. 836 EKMR, Lars Bramelid und Anne-Marie Malström gg Schweden, Entscheidung vom 12. Oktober 1982, DR 29, S. 64 ff. 837 EKMR, D.P. gg Vereinigtes Königreich, Nr. 11949/86, Entscheidung vom 1. Dezember 1986, DR 51, S. 195 ff. 833

410

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

Vereinigtes Königreich838 wurde dem Beschwerdeführer die Bezahlung einer Entschädigung durch ein Gerichtsurteil aufgetragen. In allen Fällen kam es zu einem formellen Titeltransfer. Im Fall Bramelid wurde der Eingriff durch ein Gesetz bewirkt, in D.P. und H. durch ein Gerichtsurteil endgültig bestätigt. Es lag jeweils ein Totalentzug des betroffenen Eigentums vor. Die Kommission stellte jedoch nicht auf die Auswirkungen der Maßnahme auf das jeweilige Eingriffsopfer ab. Vielmehr prüfte sie, ob zwischen Eingriffsopfer und Begünstigtem der Eingriffe ein rechtliches Gleichordnungsoder ein Unterordnungsverhältnis gegeben war.839 Da sie ersteres bejahte, ___________ 838 EKMR, H. gg Vereinigtes Königreich, Entscheidung vom 4. Juli 1983, DR 33, S. 247 ff. Der Fall ist das Nachspiel der libyschen Enteignungen von BP im Dezember 1971 und jener des Beschwerdeführers im Juni 1973 auf Ebene der EMRK. BP klagte H. 1975 in Großbritannien nach britischem Recht auf Ersatz von Teilen der von BP alleine getragenen Entwicklungs- und Erschließungskosten. Die Bekämpfung der Jurisdiktion britischer Gerichte scheiterte an der bereits abgelaufenen Sechsmonatsfrist für die Beschwerdeeinbringung. Der Beschwerdeführer sah in der ihm vom Gericht auferlegten Entschädigungssumme von US$ 40 Millionen (er hatte US$ 20 Millionen von Libyen als Entschädigung in einem Vergleich erhalten) eine Enteignung. 839 EKMR, Lars Bramelid und Anne-Marie Malström gg Schweden, Entscheidung vom 12. Oktober 1982, DR 29 (1982), S. 82: Although there is no reference to “expropriation” as such in the Article, its wording, …, shows clearly that it is intended to refer to formal (or even de facto) expropriations, that is to say the actions whereby the State lays hand – or authorises a third party to lay hands – on a particular piece of property for a purpose which is to serve the public interest. … The Swedish legislation about which the applicants complain is something completely different. It is the practical expression of a general legislative policy towards private companies and concerns principally relations between shareholders. The general intention of this type of legislation is naturally to favour whatever interest are considered most worthy of protection, which has nothing to do with the notion of “public interest” as its arises in the context of expropriation. EKMR, D.P. gg Vereinigtes Königreich, Nr. 11949/86, Entscheidung vom 1. Dezember 1986, DR 51, S. 211: The fact that judgment was given against the applicant and her lease was forfeited cannot be compared with such direct State action, since it is the function of the courts to determine disputes between parties, with the inevitable consequence that one party may ultimately be unsuccessful in the litigation in question. It would not appear that the mere fact that an individual was the unsuccessful party to private litigation concerning his tenancy arrangements with a private landlord could be sufficient to engage State responsibility for an alleged violation of Article 1 of Protocol No. 1. EKMR, H. gg Vereinigtes Königreich, Entscheidung vom 4. Juli 1983, DR 33, S. 257: … that the deprivation of property referred to in the second sentence of this provision is primarily concerned with the formal expropriation of assets for public

B. Die Enteignung

411

lehnte sie das Vorliegen eines für den menschenrechtlichen Eigentumsschutz relevanten Eingriffs ab. Sie übersah dabei aber, dass der Staat durch seine Rechtsordnung bzw. seine Organe (Gericht) einen Eingriff ermöglichte. Der Eingriff war daher dem Staat zurechenbar.840 Wenn die Kommission eine Enteignung angenommen hätte, wäre im Anschluss daran eine Abwägung zwischen den Interessen des Staates, eine derartige zivilrechtliche Regelung vorzunehmen, und jenen des Individuums vorzunehmen gewesen. Damit wäre nicht automatisch eine Verletzung des Eigentumsrechts vorgelegen, dies wäre vielmehr extrem unwahrscheinlich. Denn die Konventionsorgane hätten unschwer feststellen können, dass derartige Eingriffe in einer demokratischen Gesellschaft erstens üblich und zweitens notwendig und daher gerechtfertigt sind. Sehr wohl als Enteignung wurde vom Gerichtshof die Situation im Fall James841 angesehen. Dort erlaubte eine Gesetzesreform Langzeitpächtern unter bestimmten Voraussetzungen, Eigentum am Pachtobjekt ohne Zustimmung der bisherigen Eigentümer zu erwerben. Die Kommission war der Auffassung, dass ___________ purposes, and not with the regulation of the rights of joint owners between one another. … As the Commission recognised in Bramelid and Malstrom v. Sweden, in all the member States of the Council of Europe which are parties to the Convention, relations between individual joint owners are regulated in private law in such a way as sometimes to require one individual to give up possessions of which he was the owner, to the joint owner. Such regulations are in the exclusive province of private law and outside the scope of the Convention, unless state responsibility is in some way involved in affecting their exercise. 840 Siehe z.B.: Article 4(1) of the Draft Articles on Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts with commentaries, 2001, http://untreaty.un.org/ilc/texts/in struments/english/commentaries/9_6_2001.pdf Article 4(1): The conduct of any State organ shall be considered an act of that State under international law, whether the organ exercises legislative, executive, judicial or any other functions, whatever position it holds in the organization of the State, and whatever its character as an organ of the central government or of a territorial unit of the State. Siehe auch z.B.: Salvador Commercial Company Case, XV UNRIAA 1902, 455, S. 477; IGH, Difference Relating to Immunity from Legal Process of a Special Rapporteur of the Commission on Human Rights, Advisory Opinion of 29 April 1999, ICJ Reports 1999, 62, S. 87, para. 62, der sich auf den Entwurf zum damaligen Artikel 6 der Artikel zur Staateverantwortlichkeit bezog. Die Norm befindet sich heute in Artikel 4. Für einen Beleg, dass auch Akte des Gesetzgebers dem Staat zurechenbar sind, siehe z.B. StIGH in Certain German Interests in Polish Upper Silesia, Merits, 1926, PCIJ, Series A, No. 7, S. 19. From the standpoint of International Law and of the Court which is its organ, municipal laws ... express the will and constitute the activities of States, in the same manner as do legal decisions or administrative measures. 841 EGMR, James u.a. gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 21. Februar 1986, Serie A, Nr. 98.

412

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

sich dieser Fall vom oben erörterten Fall Bramelid signifikant unterscheide und daher eine Enteignung vorliege. Der Unterschied liege darin, dass die Pächter niemals eine berechtigte Erwartung auf eine derartige Erwerbsmöglichkeit hatten und es sich um eine soziale Reformmaßnahme und nicht eine lediglich die privatrechtlichen Beziehungen zwischen Mietern und Vermietern regelnde Maßnahme gehandelt habe: In so far as it affected preexisting leases, the leasehold reform legislation went beyond the regulation of the existing landlord/tenant relationship. It was designed to enable the ownership of property to be transferred from one person to another essentially as a measure of social reform. It authorised tenants to acquire compulsorily property rights to which they had never had any expectation of acquiring by virtue of their legal relationship with the landlord. …842 The Commission accordingly finds that the applicants in the present case were “deprived of … possessions” and that the second sentence of Article 1 was applicable.843

Damit könnte einerseits der Umstand, dass eine Gesetzesänderung den Eingriff ermöglich hat, ausschlaggebend für die Bewertung der Kommission gewesen sein. Dagegen spricht, dass in Bramelid auch eine Gesetzesänderung den Entzug ermöglicht hatte, dies die Kommission aber nicht dazu veranlasste, vom Vorliegen einer Enteignung auszugehen. Andererseits könnte die Art der Regelungsmaterie (Sozialgesetzgebung und nicht bloße Veränderung der Mietrechtsgesetzgebung) entscheidend dafür gewesen sein, dass die Kommission von einer Enteignung ausging. Der Gerichtshof diskutierte diesen Punkt in seinem Urteil James nicht und führte aus, dass eine Enteignung vorliege.844 Im Fall Marinucci gg Italien845 hatten Pächter nach einer Gesetzesänderung die Möglichkeit, das Land, das sie bewirtschafteten, gegen den Willen des Eigentümers zu einem sehr günstigen Preis zu erwerben. Die Kommission ging hier ebenso wie im Fall James von einer Enteignung aus.846 Der Gerichtshof bejahte in mehreren weiteren Fällen, in denen ebenfalls Eigentum zugunsten Privater entzogen wurde, die Anwendbarkeit von Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK. Der Fall Allard gg Schweden847 betraf die Beziehungen ___________ 842 EKMR, James u.a. gg Vereinigtes Königreich, Bericht der Kommission gemäß Art. 31, § 101 abgedruckt in EGMR, James u.a. gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 21. Februar 1986, Serie A, Nr. 98, S. 57. 843 Ibid., § 104, S. 58. 844 EGMR, James u.a. gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 21. Februar 1986, Serie A, Nr. 98, § 38. 845 EKMR, Marinucci gg Italien, Nr. 9625/81, Bericht der Kommission gemäß Art. 31, DR 60. 846 Ibid., § 57 ff. 847 EGMR, Allard gg Schweden, Urteil vom 24. Juni 2003, ECHR 2003-VII.

B. Die Enteignung

413

zwischen Gemeinschaftseigentümern. Gegenstand der Beschwerde war eine zwangsweise Abtragung eines Hauses durch Ersatzvornahme durch eine staatliche Behörde. Das Haus war ohne Zustimmung der Miteigentümer auf dem Grundstück errichtet worden.848 Der Gerichtshof ging bei der Überprüfung der Frage, ob eine Enteignung vorlag, nicht darauf ein, dass diese zugunsten Privater erfolgt sei. Er sah darin im Unterschied zur Kommission offensichtlich kein Hindernis für das Vorliegen einer Enteignung. Den Umstand, dass der Eingriff unmittelbar zugunsten Privater und erst mittelbar im öffentlichen Interesse erfolgt sei, relevierte er erst, als er das Vorliegen eines öffentlichen Interesses im Rahmen der Rechtfertigungsprüfung feststellte. Dieses lag seiner Meinung nach in der Aufrechterhaltung eines funktionierenden Systems von Gemeinschaftseigentum. The Court notes that it is common ground that there has been a deprivation of possession. It reiterates that the disputed house was demolished through the Enforcement Office in June 1996.849 … It finds that the District Court’s judgment of 10 May 1990, ordering the demolition of the applicant’s house, was taken in pursuance of the rules on joint ownership of property under the 1904 and 1989 Acts, …, that a disposal of the property required the consent of all other joint owners. Agreeing with the Government, the Court considers that such a requirement lies at the heart of the notion of joint ownership and that the ultimate consequence of the implementation of that principle – the demolition of a building erected without the necessary consent – can reasonably be said to further the legitimate “public interest” of maintaining a functioning system of joint ownership.

Damit unterscheidet sich die Bewertung des Gerichtshofs aber erheblich von jener der Kommission in H. gg Vereinigtes Königreich.850 Dort wurde bereits ein Eingriff verneint, weil die Regelung der rechtlichen Beziehungen von Gemeinschaftseigentümern in die Domäne des Privatrechts gehöre und keine Enteignung im Sinne der Konvention sei. Davon sei auch eine Verpflichtung zur Aufgabe von Eigentum zugunsten der Miteigentümer umfasst. Der Fall Fuklev851 betraf ein nicht vollstrecktes Urteil, das eine Privatperson gegen eine andere Privatperson erwirkt hatte. Der Beschwerdeführer war Arbeitnehmer von IBF. Noch bevor er das Unternehmen verließ, hatte ein Vertragspartner von IBF ein Konkursverfahren gegen IBF angestrengt. Der Be___________ 848 Das von den Miteigentümern angerufene innerstaatliche Gericht betrachtete die Beschwerdeführerin (und nicht den Nachlass ihrer Mutter) als Eigentümerin des Hauses und ordnete bei sonstiger Ersatzvornahme die Entfernung des Hauses an. Da die Beschwerdeführerin das Haus nicht entfernte, kam es zur Ersatzvornahme. 849 EGMR, Allard gg Schweden, Urteil vom 24. Juni 2003, ECHR 2003-VII, § 50. 850 EKMR, H. gg Vereinigtes Königreich, Entscheidung vom 4. Juli 1983, DR 33, S. 247 ff. 851 EGMR, Fuklev gg Ukraine, Nr. 71186/01, Urteil vom 7. Juni 2005.

414

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

schwerdeführer hatte in der Folge ein rechtskräftiges Urteil gegen seinen früheren Arbeitgeber (IBF) erwirkt. Danach einigte sich IBF im Konkursverfahren mit dem Gläubiger, der dieses angestrengt hatte und einer staatlichen Steuerbehörde. Der Beschwerdeführer war nicht in dieses Vergleichsverfahren eingebunden. Das vom Beschwerdeführer erwirkte rechtskräftige Urteil gegen IBF wurde nicht vollstreckt, weil der Exekutor seiner Pflicht nicht nachkam. Der Gerichtshof stellte fest, dass der Staat eine positive Pflicht zum Schutz des Eigentums habe, auch wenn es sich um ein Verfahren zwischen Privaten handle: As regards the right guaranteed by Article 1 of Protocol No. 1, those positive obligations may entail certain measures necessary to protect the right to property (…), even in cases involving litigation between private individuals or companies …852

Im Fall Ivanova853 wurde ein rechtskräftiges Urteil zwischen zwei Privaten aufgehoben und die eigentumsrechtliche Situation, die vor dem Urteil bestand, wieder hergestellt. Der Gerichtshof hielt unter Berufung auf sein Urteil im Fall James ausdrücklich fest, dass der zwangsweise Transfer von Eigentum zwischen Privaten eine Enteignung sein kann. Er stellte das Vorliegen einer solchen in der Folge fest: … the compulsory transfer of property from one individual to another may, depending upon the circumstances, constitute a deprivation of property (…).854

In der Literatur werden unterschiedliche Auffassungen über die genaue Position des Gerichtshofs seit James gg Vereinigtes Königreich zur Frage von Eigentumsübertragungen zugunsten Privater vertreten. Van den Broek geht davon aus, dass der Gerichtshof sich in seinem Urteil in James für eine generelle Anwendbarkeit des Enteignungstatbestandes bei Eigentumsübertragungen auf Private ausgesprochen habe.855 Gelinsky ist der Auffassung, dass dies aufgrund fehlender diesbezüglicher Ausführungen des Gerichtshofs in diesem Fall nicht so generell festgestellt werden könne. Eine genaue Positionierung müsse der zukünftigen Judikatur entnommen werden.856 Peukert führt aus, dass zwar ein hoheitlich angeordneter, von der Privatrechtsordnung nicht gedeckter Eigentumsentzug zugunsten Privater eine Enteignung sei. Keine Enteignungen seien hingegen gesetzliche Bestimmungen der Privatrechtsordnung, die lediglich die privatrechtlichen Beziehungen zwischen ___________ 852

Ibid., § 91. EGMR, Ivanova gg Ukraine, Nr. 74104/01, Urteil vom 13. September 2005. 854 Ibid., § 31. 855 P. van den Broek, The Protection of Property Rights under the European Convention on Human Rights, in: Legal Issues of European Integration 1986/1, S. 75 f. 856 K. Gelinsky, Der Schutz des Eigentums gemäß Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention, 1996, S. 46 f. 853

B. Die Enteignung

415

natürlichen oder juristischen Personen ohne besonderes öffentliches Interesse regeln und zu einem Entzug von Eigentumsrechten zu Gunsten privater Dritter führen.857 Raymond858 betont, dass die Kommission mit ihrer Argumentation in James, welcher der Gerichtshof gefolgt ist, den Ausführungen in Bramelid weitgehend die Autorität entzogen habe. Denn, ob es sich um wirtschaftliche oder soziale Reformen handle, könne keinen großen Unterschied hinsichtlich der Bewertung des Eingriffs machen. Die Position in der Literatur zu der Frage ist daher uneinheitlich. Auffallend ist, dass der Gerichtshof, anders als die Kommission (etwa im Fall James), die Frage, ob unterschiedliche Regelungsmaterien zu abweichenden Ergebnissen hinsichtlich der Einordnung des Eingriffes führen, nie diskutiert hat. Die Komission hatte es in diesem Fall als maßgeblich angesehen, dass es sich um Reformen im Sozialbereich und nicht um eine Änderung in den privatrechtlichen Beziehungen zwischen Mietern und Vermietern gehandelt hatte. Wenn man die Fälle Bramelid und James vergleicht, so ist jedoch der einzige signifikante Unterschied der Typus der Reform. Im einen Fall handelt es sich um eine Reform im Aktienrecht mit wirtschaftlichem Hintergrund, im anderen um eine Reform mit sozialpolitischem Hintergrund. Die Fälle Bramelid und Allard unterscheiden sich dadurch, dass im ersten eine Gesetzesänderung den Eingriff bewirkt hat und im zweiten die Durchsetzung eines Gesetzes. In beiden Fällen sind die beteiligten Parteien in einem gleichrangigen Verhältnis, der Eingriff war ein hoheitlicher und durch die Privatrechtsordnung gedeckt. Dennoch wurde er vom Gerichtshof in Allard als Enteignung gewertet und von der Kommission in Bramelid nicht. Es erscheint unwahrscheinlich, dass nur der Umstand, dass es in Allard um eine Gesetzesvollziehung ging, den Gerichtshof zu einer anderen Zuordnung des Eingriffs bewogen hat. Im Fall Bäck liegen keine Indizien dafür vor, dass eine Einordnung in eine der Eingriffskategorien deshalb unmöglich gewesen wäre, weil ein Privater Nutznießer der Regelung war. Im Gegenteil, bei der Erörterung des Vorliegens eines öffentlichen Interesses griff der Gerichtshof wieder auf die in James verwendete Argumentation zurück.859

___________ 857 W. Peukert, Artikel 1 des 1. ZP, in: J. A. Frowein/W. Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK Kommentar², 1996, S. 784 f. 858 J. Raymond, L’article 1 du Protocole additionnel et les rapports entre particuliers, in: F. Matscher/H. Petzold (Hrsg.), Protecting human rights: the European dimension, studies in honour of Gérard J. Wiarda, 1988, S. 531 ff. 859 EGMR, Bäck gg Finnland, Urteil vom 20. Juli 2004, ECHR 2004-VIII, § 60.

416

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

In den Urteilen Fuklev860 und Ivanova861 betonte der Gerichtshof ausdrücklich die Anwendbarkeit von Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK auf Eigentumstransfers zwischen Privaten. Er stellte im Fall Ivanova862 zudem das Vorliegen einer Enteignung aufgrund eines derartigen Eigentumstransfers fest. Es ist der Rechtsprechung daher eine klare Tendenz zu entnehmen, auch bei Eigentumsübertragungen an Private den Eingriff als Enteignung zu betrachten. Diese Lösung ist die dogmatisch befriedigendere. Von den Auswirkungen der Maßnahme her betrachtet, besteht nämlich kein Unterschied zwischen Fällen, in denen das Eigentum aufgrund einer gewöhnlichen Änderung des Privatrechts und solchen, wo es aufgrund einer Gesetzesänderung mit sozialpolitischem Hintergrund entzogen wurde. Auch bei einem Eigentumsentzug, der durch ein Gerichtsurteil bewirkt oder autorisiert wurde, sind die Auswirkungen gleich, egal ob der Transfer zugunsten des Staates oder einer Privatperson erfolgt. Es wird später gezeigt, dass aus dem Vorliegen einer Enteignung im Bereich des Menschenrechtsschutzes nicht zwingend folgt, dass Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK verletzt ist. Daher stellt die Bewertung einer Maßnahme als Enteignung im Hinblick auf die Möglichkeit der Staaten, legislativ tätig zu werden bzw. die Gesetze zu vollziehen, keine unzumutbare Einschränkung dar. Vielmehr sind die Änderung des Privatrechts ebenso einer Rechtfertigungsprüfung zu unterziehen, wie dies für eine Änderung von Gesetzen mit sozialpolitischem Hintergrund zutrifft. Es erscheint daher dogmatisch begrüßenswert, wenn der Gerichtshof die Vorgangsweise beibehält, auch Eigentumsentzüge, deren unmittelbar Begünstigte Private sind, wenn die sonstigen Voraussetzungen erfüllt sind,863 als Enteignungen zu werten.

2. Investitionsschutz Auch im internationalen Investitionsschutz ist, wie die nachfolgende Analyse zeigen wird, die vorherrschende Meinung der Schiedsgerichte, dass es für eine Enteignung nicht erforderlich ist, dass der Staat der unmittelbar Begünstigte des Eigentumseingriffs ist. Dennoch gibt es Einzelfälle,864 bei denen Schiedsgerichte in obiter dicta festgestellt haben, dass der Transfer des Eigentumsrechts oder des wirtschaftli___________ 860

EGMR, Fuklev gg Ukraine, Nr. 71186/01, Urteil vom 7. Juni 2005. EGMR, Ivanova gg Ukraine, Nr. 74104/01, Urteil vom 13. September 2005. 862 Ibid., §§ 31, 32. 863 Es muss ein dauerhafter Totalentzug jeglicher Nutzungsmöglichkeiten vorliegen. 864 Olguín v. Republic of Paraguay, (Peru/Paraguay BIT), Award, 26 July 2001, 6 ICSID Reports 164; Lauder v. The Czech Republic, (United States/Czech Republic BIT), Final Award, 3 September 2001, 9 ICSID Reports 66. 861

B. Die Enteignung

417

chen Vorteils an den Staat entweder ein notwendiges oder jedenfalls ein typisches Element einer Enteignung sei. Diese Fälle werden kurz erwähnt, ehe jene angeführt werden, die keine Eigentumsübertragung an den Staat als erforderlich ansehen. In Olguín v. Paraguay865 stellte ein ICSID Schiedsgericht fest, dass es für das Vorliegen einer Enteignung notwendig sei, dass die entziehende Partei direkt oder indirekt die Kontrolle über das Eigentum oder zumindest die Früchte am Eigentum erlangt: For an expropriation, acts would be necessary which may be reasonably deemed to produce the effect of depriving the person affected of a benefit, in a manner in which whoever performs such acts would acquire, directly or indirectly, the ownership or at least the fruits of the benefits expropriated.866

Die Aussage wurde allerdings im Zusammenhang mit einer vom Kläger behaupteten Enteignung durch Unterlassung getätigt. Daher ist Vorsicht dahingehend angebracht, ob das Schiedsgericht zum Ausdruck bringen wollte, dass auch im Falle eines aktiven Entzugs dieser nur dann eine Enteignung ist, wenn diese zu Gunsten des Staates erfolgte; oder ob im Vordergrund der Aussage eher stand, dass eine bloße Unterlassung seitens des Staates für das Vorliegen einer Enteignung nicht ausreicht. In Lauder v. Czech Republic867 erklärte das Schiedsgericht zunächst, dass mangels Zurechenbarkeit der relevanten Eigentumseingriffe zum Staat keine Enteignung vorliege. Die Eigentumseingriffe seien durch eine Privatperson erfolgt.868 Danach hielt es fest, dass selbst wenn die Handlungen der staatlichen Medienbehörde zurechenbar wären, keine Enteignung vorläge, weil es weder durch den tschechische Staat noch eine diesem zurechenbare Einrichtung zu einer Aneignung gekommen sei und zudem der Vorgang nicht im öffentlichen Interesse gelegen sei; der Nutznießer sei eine Privatperson gewesen: ___________ 865

Olguín v. Republic of Paraguay, Award, 26 July 2001, 6 ICSID Reports 192. Das Schiedsgericht hatte zunächst festgestellt, dass im Bezug auf die festverzinslichen Wertpapiere, die der Kläger gekauft hatte, und die nunmehr nicht bedient worden waren, keine Enteignung vorliege, sondern sich ein wirtschaftliches Risiko im Rahmen einer Finanzkrise verwirklicht hätte. 866 Olguín v. Republic of Paraguay, (Peru/Paraguay BIT), Award, 26 July 2001, 6 ICSID Reports 164, § 84. 867 Lauder v. The Czech Republic, Final Award, 3 September 2001, 9 ICSID Reports 66. Der Fall betraf eine behauptete Enteignung von vertraglichen Rechten des Investors durch die staatliche Medienbehörde. Infolge einer Vertragsänderung entstand eine rechtliche Situation, die es dem lokalen Partner des Investors erlaubte, einen Vertrag zu beenden, der dem Investor exklusive Senderechte zusicherte. 868 Ibid., §§ 201, 202.

418

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

In addition, even assuming that the actions taken by the Media Council in the period from 1996 through 1999 had the effect of depriving the Claimant of his property rights, such actions would not amount to an appropriation – or the equivalent – by the State, since it did not benefit the Czech Republic or any person or entity related thereto, and was not taken for any public purpose. It only benefited CET 21, a independent private entity owned by private individuals.869

Das Schiedsgericht scheint aus dem Umstand, dass nur Private vom Entzug profitiert hatten, zu schließen, dass dieser nicht im öffentlichen Interesse gewesen sei und dass deshalb keine Enteignung vorliegen könne. Die Aussage scheint so nicht zulässig. Denn das Vorliegen eines öffentlichen Interesses ist keine Voraussetzung für das Vorliegen einer Enteignung. Sein Fehlen führt vielmehr dazu, dass die Enteignung rechtswidrig ist. Zudem führt das Schiedsgericht keine Belege dafür an, dass nur im Falle eines Nutzens für die tschechische Republik oder mit diesen verbundenen Entitäten eine Enteignung vorliege. Bei den eben erwähnten Fällen handelt es sich aber um Einzelfälle. Die Mehrzahl von Schiedsgerichten870 verlangt keinen unmittelbaren staatlichen Nutzen aus einem Eigentumseingriff als Voraussetzung für eine Enteignung. Sie machten den Zugewinnaspekt des Staates oder Dritter nicht zur Voraussetzung für eine solche.871 Das IUSCT stellte bereits in einem frühen Urteil, Tippets,872 fest, dass es den Terminus „deprivation“ jenem des „takings“ vorziehe: zwar seien die beiden Ausdrücke weitgehend synonym, doch impliziere der letztere, dass die Regierung etwas erlangt habe, was jedoch nicht erforderlich sei. The Claimant is entitled under international law and general principles of law to compensation for the full value of the property of which it was deprived. The Tribunal prefers the term ‘deprivation’ to the term ‘taking’, although they are largely syn-

___________ 869

Ibid., § 203. IUSCT, Tippetts, Abbett, McCarthy, Stratton v. TAMS-AFFA Consulting Engineers of Iran, Award No. 141-7-2, 29 June 1984, 6 IUSCTR 219, S. 225, 226; Amco Asia Corporation and Others v. The Republic of Indonesia, (Ad-hoc Arbitration), Award, 20 November 1984, 1 ICSID Reports 413, § 158; Southern Pacific Properties (Middle East) Limited (SPP) v. Arab Republic of Egypt, (National Law), Award, 20 May 1992, 3 ICSID Reports 189, § 163; Wena Hotels Ltd. v. Arab Republic of Egypt, (United Kingdom/Egypt BIT), Award, 8 December 2000, 6 ICSID Reports 89, § 97; Metalclad Corp. v. United Mexican States, (NAFTA), Award, 30 August 2000, 5 ICSID Reports 212, § 103; CME v. The Czech Republic, Partial Award, 13 September 2001, 9 ICSID Reports 121, § 606; Técnicas Medioambientales Tecmed, S. A. v. United Mexican States, (Spain/Mexico BIT), Award, 29 May 2003, 10 ICSID Reports 134, § 113. 871 I.d.S. auch Y. Nouvel, Les mesures équivalent à une expropriation dans la pratique récente des tribunaux arbitraux, 106 RGDIP 2002, 79, S. 88 f. 872 IUSCT, Tippetts, Abbett, McCarthy, Stratton v. TAMS-AFFA Consulting Engineers of Iran, Award No. 141-7-2, 29 June 1984, 6 IUSCTR 219. 870

B. Die Enteignung

419

onymous, because the latter may be understood to imply that the Government has acquired something of value, which is not required.873

Damit anerkennt das IUSCT, dass das Vorliegen einer Enteignung nicht davon abhängt, ob der Staat Eigentum übertragen bekommen hat, sondern davon, ob dem Investor etwas entzogen worden ist. Das IUSCT blieb in der Folge bei dieser Rechtsprechung.874 Eine Aussage zum allgemeinen Völkerrecht in diesem Bereich machte ein Schiedsgericht im Fall AMCO.875 Es hielt fest, dass es im Völkerrecht generell akzeptiert sei, dass eine Enteignung nicht nur vorliegt, wenn der Staat privates Eigentum übernimmt, sondern auch dann, wenn er das Eigentum an eine andere natürliche oder juristische Person überträgt. Selbst die Duldung eines Entzugs durch Private, indem gerichtlicher Rechtschutz verweigert würde, reiche schon für eine Enteignung aus: … it is generally accepted in international law, that a case of expropriation exists not only when a state takes over private property but also when the expropriating state transfers ownership to another legal or natural person. Expropriation in international law also exists merely by the state withdrawing the protection of its courts from the owner expropriated, and tacitly allowing a de facto possessor to remain in possession of the thing seized, …876

Auf die Aussage dieses Schiedsgerichts berief sich in der Folge das Schiedsgericht im Fall Wena.877 Im Fall SPP878 wies ein Schiedsgericht die Behauptung der Regierung zurück, wonach keine Nationalisierung vorliege, weil es zu keiner Übertragung von Rechten des Klägers an den Staat gekommen sei: ___________ 873

Ibid., S. 225, 226. Siehe i.d.S. G. H. Aldrich, What Constitutes a Compensable Taking of Property? The Decisions of the Iran-United States Claims Tribunal, 88 AJIL (1994) 585, S. 593, 609. 875 Amco Asia Corporation and Others v. The Republic of Indonesia, Award, 20 November 1984, 1 ICSID Reports 413. PT Wisma, der indonesische Vertragspartner des Investors, hatte mit Gewalt und Unterstützung der indonesischen Armee die Kontrolle über die ausländische Investition, ein Hotel, übernommen. 876 Ibid., § 158. 877 Wena Hotels Ltd. v. Arab Republic of Egypt, (United Kingdom/Egypt BIT), Award, 8 December 2000, 6 ICSID Reports 89, § 97. Zum Sachverhalt siehe oben S. 288, 331. 878 Southern Pacific Properties (Middle East) Limited (SPP) v. Arab Republic of Egypt, (National Law), Award, 20 May 1992, 3 ICSID Reports 189. Zum Sachverhalt siehe auch oben S. 273, 334, 390. Der Fall betraf die Einstellung eines Hotelprojekts durch die ägyptischen Behörden, um antike Bodenschätze zu schützen. 874

420

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

As to the argument that the cancellation of the project did not involve a nationalization or confiscation, it is the Respondent’s contention that there was no nationalization because there was no transfer of the Claimant’s rights or of the project to the State, ... The Tribunal cannot accept this contention.879

Auch im Fall Metalclad880, auf den sich das Schiedsgericht in CME881 diesbezüglich stützte, führte das Schiedsgericht aus, dass der Entzug der Investition nicht notwendigerweise zum offensichtlichen Vorteil des enteignenden Staates erfolgen müsse: Thus, expropriation under NAFTA includes not only open, deliberate and acknowledged takings of property, such as outright seizure or formal or obligatory transfer of title in favour of the host State, but also covert or incidental interference with the use of property which has the effect of depriving the owner, in whole or in significant part, of the use or reasonably-to-be-expected economic benefit of property even if not necessarily to the obvious benefit of the host State.882

Im Fall Tecmed883 wies das Schiedsgericht ebenfalls darauf hin, dass de facto Enteignungen auch vorliegen können, wenn Eigentum an dritte Personen übertragen würde oder es nur zu einem Entzug von Eigentum komme, ohne dass entweder dem Staat oder dritten Personen Rechte übertragen würden: Although formally an expropriation means a forcible taking by the Government of tangible or intangible property owned by private persons by means of administrative or legislative action to that effect, the term also covers a number of situations defined as de facto expropriation, where such actions or laws transfer assets to third parties different from the expropriating State or where such laws or actions deprive persons of their ownership over such assets, without allocating such assets to third parties or to the Government.884

___________ 879

Ibid., § 163. Metalclad Corp. v. United Mexican States, (NAFTA), Award, 30 August 2000, 5 ICSID Reports 212. Dem Investor war von der Bundesregierung zugesagt worden, dass alle für den Betrieb einer Mülldeponie erforderlichen Genehmigungen vorlägen. In der Folge verwiegerten die lokalen Behörden die Erteilung einer Baugenehmigung. Zudem erklärte die Provinzregierung das betroffene Grundstück zum Teil eines nationalen Schutzgebiets zur Erhaltung einer seltenen Kakteenart. Das Schiedsgericht stellte eine Enteignung der Investition fest. 881 CME v. The Czech Republic, Partial Award, 13 September 2001, 9 ICSID Reports 121, § 606. 882 Ibid., § 103. 883 Técnicas Medioambientales Tecmed, S. A. v. United Mexican States, (Spain/Mexico BIT), Award, 29 May 2003, 10 ICSID Reports 134. Zunächst wurde eine Betriebsanlagengenehmigung für eine Mülldeponie von einer unbefristeten in eine immer wieder erneuerbare umgewandelt. Diese wurde schließlich nicht mehr verlängert. Das Schiedsgericht stellt eine Enteignung der Investition fest. 884 Ibid., § 113. Fußnote ausgelassen. 880

B. Die Enteignung

421

Damit überwiegen im internationalen Investitionsrecht eindeutig jene Fälle, die davon ausgehen, dass Enteignungen unabhängig von einem Eigentumsübergang auf den Staat oder eine ihm zurechenbare Einrichtung erfolgen können. Auch ein unmittelbarer wirtschaftlicher Nutzen auf Seiten des Staates ist nicht erforderlich. Die im Menschenrechtsbereich aufgetretene Frage, ob Eigentumstransfers aufgrund von Änderungen des Privatrechts oder aufgrund gerichtlicher Entscheidungen, die im Einklang mit der Privatrechtsordnung stehen, grundsätzlich den Tatbestand der Enteignung erfüllen können, wurde als solche im internationalen Investitionsrecht nicht diskutiert. Im Investitionsschutzbereich hätten derartige Konstellationen aber wesentlich schwerwiegendere Konsequenzen. Denn im Menschenrechtsbereich kann jeder Eingriff bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen gerechtfertigt werden, womit keine Verletzung der EMRK vorliegt. Eine zwingende Entschädigungspflicht besteht in solchen Situationen nicht. Im Investitionsschutz besteht sie aber, wenn ein ausländischer Investor von der Enteignung betroffen ist. Das hieße, jedes mit dem innerstaatlichen Recht in Einklang stehende Urteil, auch wenn es nicht diskriminierend und gemäß rechtsstaatlichen Grundsätzen ergangen ist, hätte eine Entschädigungspflicht des Staates zur Folge, wenn es zu einem Eigentumstransfer an den Staat oder Dritte führt, soferne ein Entzug einer Investition bewirkt wird. Dies ist eine unmittelbare Konsequenz des binären Systems des Investitionsschutzes, auf das bereits ausführlich eingegangen wurde.885 Somit bietet das derzeit vorherrschende System für dieses Problem keine geeignete Lösung. Festzuhalten ist, dass trotz nicht völlig einheitlicher Judikatur in beiden Systemen Eigentumsentzüge, in denen das entzogene Recht nicht unmittelbar auf den Staat übergeht, bzw. diesem unmittelbar zu Gute kommt, als Enteignungen zu werten sind. Im Menschenrechtsschutz weist die Judikatur des EGMR in diese Richtung. Im Investitionsschutz entspricht dieses Ergebnis der Linie der überwiegenden Mehrheit der Schiedsgerichte. Diesbezüglich besteht also eine Parallelität der beiden Systeme.

___________ 885

Siehe dazu auch S. 218, 341.

422

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

C. Schlussfolgerungen Vergleicht man zum Schluss des Kapitels die Eigentumseingriffstatbestände im Bereich des 1. ZP zur EMRK mit dem Enteignungstatbestand des internationalen Investitionsrechts, so lassen sich einige Übereinstimmungen, aber auch erhebliche Unterschiede feststellen. Der auffälligste Unterschied ist die unterschiedliche Konstruktion der Eingriffstatbestände. Der menschenrechtliche Eigentumsschutz ist gekennzeichnet durch drei unterschiedliche Eingriffstatbestände, die nach Intensität und Eingriffsziel abgestuft sind. Einer davon, die „sonstigen Eingriffe“, sind eine „Catch-all“-Klausel. Somit ist jeder faktische Eingriff in Eigentumsrechte auch ein im menschenrechtlichen Eigentumsschutzsystem relevanter Eingriff. Im Investitionsschutz ist – im Gegensatz dazu – nur eine Enteignung ein im System relevanter Eingriff. Ein weiterer wesentlicher Unterschied besteht in den Folgen, welche die Bewertung eines Eingriffs als Enteignung in den beiden Schutzsystemen nach sich zieht. Im Menschenrechtsschutz ist der Eigentumsschutz als „relatives“ Recht konstruiert. Daher ist nicht jeder Eingriff (also auch nicht jede Enteignung) automatisch eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Eigentums. Das heißt, Enteignungen sind rechtfertigbar. Im Investitionsschutz hingegen ist der Eigentumsschutz ähnlich einem „absoluten“ Menschenrecht konstruiert. Es ist zwar nicht jede Enteignung völkerrechtswidrig, aber doch jede Enteignung kompensationspflichtig. Das heißt, eine Rechtfertigung einer Enteignung, so dass die Kompensationspflicht entfiele, ist nicht möglich. Ein weiterer Unterschied zwischen den beiden Systemen ist das Ausmaß des Eingriffs, das für das Vorliegen einer de facto Enteignung erforderlich ist. Im Menschenrechtsschutz darf keinerlei Restwert und keine Nutzungsmöglichkeit an dem Eigentumsobjekt mehr bestehen. Im Gegensatz dazu reicht es im Investitionsschutz aus, wenn ein substantieller Entzug der Investition vorliegt. Darunter wird verstanden, dass die wirtschaftliche Nutzungsmöglichkeit der Investition vernichtet sein muss. Die menschenrechtliche Lösung hat den Vorzug der klareren Abgrenzung. Der EGMR konnte einen so strengen Maßstab aber auch deshalb leichter einführen, weil die übrigen beiden Eingriffstatbestände jene Sachverhalte auffangen können, die vom Ausmaß her diese sehr hohe Schwelle nicht überschreiten. Somit sind Sachverhalte, die die hohe Eingriffsschwelle der Enteignung nicht erreichen, seiner nachprüfenden Kontrolle unter dem Gesichtspunkt des Eigentumsschutzes nicht entzogen.

C. Schlussfolgerungen

423

Der andere Zugang im Investitionsschutz ist in diesem Bereich erstens erforderlich, weil es keine Auffangtatbestände gibt. Zweitens ist er sinnvoll, weil die Möglichkeit der wirtschaftlichen Betätigung in den Staaten, die einen Investitionsschutzvertrag abgeschlossen haben, gefördert und geschützt werden soll. Dieser Schutz- und Förderungszweck ergibt sich aus zahlreichen Präambularbestimmungen von bilateralen Investitionsschutzverträgen.886 Wenn die wirtschaftliche Betätigung geschützt werden soll, ist es erforderlich, dass der Eigentumsschutz greift, sobald die wirtschaftliche Nutzungsmöglichkeit einer Investition vernichtet ist. Ansonsten wären Fälle dem Eigentumsschutz entzogen, in denen das formelle Eigentumsrecht an einer Investition zwar bestehen bleibt, die wirtschaftlich relevanten Komponenten jedoch vernichtet sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn in das Eigentumsrecht nicht durch physische, sondern durch regulative Maßnahmen eingegriffen wird. Dies deshalb, weil im Bereich des investitionsrechtlichen Eigentumsschutzes keine Möglichkeit zur Kontrolle einer staatlichen Maßnahme unter dem Aspekt des Eigentumsschutzes besteht, wenn das Vorliegen einer Enteignung verneint wird. Es erscheint daher nicht sinnvoll, im Investitionsschutz ebenfalls zu verlangen, dass keinerlei Restwert und keine wie immer geartete Nutzungsmöglichkeit an dem Eigentumsobjekt mehr bestehen darf, damit eine Enteignung vorliegt. Eine Angleichung der Voraussetzungen für das Vorliegen einer Enteignung im Investitionsschutz an jene des Menschenrechtsschutzes ist daher nicht empfehlenswert. Umgekehrt scheint es auch nicht sinnvoll, den menschenrechtlichen Enteignungsbegriff auszudehnen und vom Erfordernis des Totalentzugs im Menschenrechtsschutz abzugehen. Denn aufgrund der drei Eingriffstatbestände ist es ohnedies in allen Fällen möglich, einen Eingriff am Schutzstandard des Eigentumsrechts zu messen. Zudem ist die Einordnung in eine der drei Eingriffskategorien im Menschenrechtsschutz auch deshalb nicht überzubewerten, weil der Gerichtshof sie in Fällen mit komplexen Rechts- und oder Sachverhaltsfragen teils überhaupt offen gelassen hat. In solchen Fällen prüfte er unter dem Auffangtatbestand des Artikels 1 Absatz 1 Satz 1 („sonstige Eingriffe“). Ein weiterer Unterschied zwischen Menschenrechtsschutz und Investitionsschutz besteht darin, dass im Investitionsschutz das Vorliegen eines Hoheitsakts Voraussetzung einer Enteignung von vertragsrechtlichen Ansprüchen ist, ___________ 886

Siehe z.B.: Mexiko – Österreich (BIT), signiert am 18. Februar 1998, Präambel: Desiring to create favourable conditions for greater economic co-operation between the Contracting Parties; Recognizing that the promotion and protection of investments may strengthen the readiness for such investments and hereby make an important contribution to the development of economic relations; Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/austria_mexico.pdf.

424

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

wie die erörterten Schiedssprüche belegen. Im Menschenrechtsschutz ist es hingegen für das Vorliegen einer Verletzung der Konvention unerheblich, ob der Staat in öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Form handelt. Dies wird für die EMRK sowohl in der Literatur887 als auch von der Judikatur bestätigt, die sich mit dieser Frage allerdings nicht im Zusammenhang mit dem Recht auf Schutz des Eigentums beschäftigt hat.888 Im Hinblick auf Teilenteignungen unterscheiden sich die Zugänge von Menschenrechts- und im Investitionsschutz ebenfalls. Im Menschenrechtsschutz sind zwar auch einzelne Rechte aus dem Bündel an Rechten an einem Eigentumsobjekt vom Eigentumsschutz umfasst. Wenn jedoch der Eigentümer sämtliche Rechte am Bündel innehat und nur einzelne daraus entzogen werden, geht der EGMR nicht von einer Enteignung, sondern vom Vorliegen einer Nutzungsregelung aus. Im Unterschied dazu ist die Judikatur im Investitionsschutz, wie aufgezeigt, uneinheitlich. Zum Teil wird das Konzept der Teilenteignungen explizit bejaht, zum Teil wurde implizit eine Teilenteignung von Schiedsgerichten zugelassen. Die Mehrzahl der Schiedsgerichte verlangt für das Vorliegen einer Enteignung jedoch eine „total or substantial deprivation of the investment“ und meint damit die Gesamtinvestition. Die von der Autorin vorgeschlagene Lösung würde Teilenteignungen immer dann zulassen, wenn das betroffene Recht in eine der Investitionskategorien der Investitionsdefinition des maßgeblichen Investitionsschutzvertrages fiele und eine eigenständige wirtschaftliche Nutzung möglich wäre. Ein Investor wäre somit nicht dadurch benachteiligt, dass seine Gesamtinvestition aus mehreren Teilinvestitionen besteht, die unabhängig voneinander schutzfähig wären. Eine übereinstimmende Lösung gibt es im Menschenrechts- und Investitionsschutz hinsichtlich der Frage, ob die entzogenen Rechte unmittelbar auf den Staat übergehen, bzw. diesem unmittelbar zu Gute kommen müssen, damit eine Enteignungen vorliegt. Trotz nicht völlig einheitlicher Judikatur weist die Judikatur des EGMR in die Richtung, dass es für eine Enteignung nicht erfor___________ 887 Siehe z.B.: W. Peukert, Art 25 (Individualbeschwerde), in: J. A. Frowein/W. Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK Kommentar², 1996, S. 548; C. Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention3, 2008, Kapitel 17, Der Geltungsbereich der EMRK, Rz 7. 888 Siehe z.B.: EGMR, Swedish Engine Drivers’ Union gg Schweden, Urteil vom 6. Februar 1976, Serie A, Nr. 20, § 37: The Convention nowhere makes an express distinction between the functions of a Contracting State as holder of public power and its responsibilities as employer. Ebenso in EGMR, Schmidt and Dahlström gg Schweden, Urteil vom 6. Februar 1976, Serie A, Nr. 21, § 33; Tüm Haber Sen and Çinar gg Türkei, Nr. 28602/95, Urteil vom 21. Februar 2006, § 29.

C. Schlussfolgerungen

425

derlich sei, dass das entzogene Recht unmittelbar auf den Staat übergeht oder diesen begünstigt. Im Investitionsschutz entspricht dieses Ergebnis der Linie der überwiegenden Mehrheit der Schiedsgerichte. Diesbezüglich besteht eine Parallelität der beiden Systeme. Der gravierendste Unterschied zwischen den beiden Systemen liegt zweifelsohne in den Folgen, die die Feststellung mit sich bringt, dass ein relevanter Eingriff vorliegt. Im Menschenrechtsschutz ist das Eigentumsrecht – wie erwähnt – als „relatives Recht“ konstruiert, was zur Folge hat, dass Eingriffe gerechtfertigt sein können. Man kann daher von einem dreistufigen Prüfungssystem sprechen. Die erste Ebene ist die Schutzbereichsprüfung. Auf einer zweiten Ebene ist zu prüfen, welche Art von Eingriff vorliegt. Die dritte Ebene ist eine Rechtfertigungsprüfung. Das Kernelement der dritten Prüfungsebene ist eine Verhältnismäßigkeitsprüfung, bei der die Interessen des Eigentümers mit jenen des Staates am Eingriff abzuwägen sind. Diese dritte Ebene ist letztlich die relevanteste für die Entscheidung, ob eine Entschädigung für den Eingriff zu erfolgen hat. Im Investitionsschutz ist der Eigentumsschutz ähnlich einem „absoluten Recht“ im Menschenrechtsschutz konstruiert. Jede Enteignung erfordert eine Entschädigung. Der einzige Unterschied zu einem absoluten Menschenrecht liegt darin, dass eine Enteignung nicht rechtwidrig sein muss. Im Falle einer rechtmäßigen Enteignung liegt somit keine Verletzung eines Rechts vor, dennoch besteht eine Entschädigungspflicht. Aufgrund des Automatismus hinsichtlich des Schlusses vom Vorliegen eines Eingriffs auf die Entschädigungspflicht kann man von dem bereits erwähnten „Alles-oder-Nichts“-System sprechen. Es gibt daher im Investitionsschutz nur zwei Prüfungsebenen. Ebene eins ist die Schutzbereichsebene. Ebene zwei ist die Eingriffsebene, auf der automatisch mitentschieden wird, ob volle oder überhaupt keine Entschädigung zu leisten ist. Eine Rechtfertigungsebene, wie im Menschenrechtsschutz, auf der eine Verhältnismäßigkeitsprüfung zwischen dem Recht auf Eigentumsschutz des Investors und dem staatlichen Interesse am Eigentumseingriff vorgenommen wird, ist nicht vorgesehen. Die Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer Enteignung dient nur dazu, um festzustellen, ob diese zugleich völkerrechtswidrig ist oder nicht. Dabei wird aber im Unterschied zu den Menschenrechten nicht entschieden, ob eine Entschädigung zu zahlen ist, sondern lediglich, welche Art von Ersatzleistung (Entschädigung oder Schadenersatz) zu leisten ist. Somit entscheidet sich die Frage, „OB“ etwas zu leisten ist, im Menschenrechtsschutz erst bei der Rechtfertigungsprüfung, im Investitionsschutz hingegen bereits auf Ebene der Eingriffsprüfung.

426

2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

Abbildung 14: Prüfungsabfolge im Menschenrechts- und Investitionsschutz zur Feststellung, ob eine Ersatzleistungspflicht besteht

Im Menschenrechtsschutz gibt es aufgrund der Verhältnismäßigkeitsprüfung ein flexibles Prüfungssystem, das eine Abwägung zwischen Eigentümerinteressen und staatlichen Interessen ermöglicht. Die Entschädigung wird als flexibles Korrektiv benutzt und in einem nicht ex ante feststehendem Ausmaß zuerkannt. Im Bereich des Investitionsschutzes ist – wie bereits ausgeführt – entweder voll oder nicht zu entschädigen. Die Entschädigung wird nicht in methodisch ausgewiesener Form als Korrektiv herangezogen. Zurzeit erfolgen die meisten Eingriffe in Investitionen in indirekter Form. Formelle Enteignungen, die früher die häufigere Form waren, sind heute eher selten geworden. Bei indirekten Enteignungen liegt in vielen Fällen zwar eine totale Vernichtung der Möglichkeit, aus der Investition Einkünfte zu erzielen vor, aber oft sind nicht sämtliche im Eigentum des Investors befindliche Eigentumsobjekte entzogen worden. So wurde in etlichen Fällen die Nutzung von Anlagen vereitelt, diese selbst jedoch dem Investor belassen. Die meisten Schiedsgerichte

C. Schlussfolgerungen

427

sind daher heute damit konfrontiert, eine taugliche Abgrenzung zwischen noch zulässigen regulativen Eingriffen und nicht mehr zulässigen indirekten Enteignungen finden zu müssen. Dies hat zur Herausbildung unterschiedlicher Judikaturlinien geführt. Die „Sole-effects“-Doktrin hat bei der Entscheidung, ob eine Enteignung vorliegt, nur die Auswirkungen auf den Investor als maßgebliches Entscheidungskriterium herangezogen. Andere Schiedsgerichte zogen in durchaus uneinheitlicher Weise noch zusätzliche Faktoren heran. Dies waren zum Beispiel: das öffentliche Interesse, die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs sowie das Bestehen gerechtfertigter Erwartungen der Investoren. Die radikale „Policepowers“-Doktrin hat im Gegensatz zur „Sole-effects“-Doktrin nur das öffentliche Interesse am Eingriff, also den „Eingriffszweck“, berücksichtigt. Das Schiedsgericht in Tecmed hat versucht, dem Problem durch eine Verhältnismäßigkeitsprüfung auf Eingriffsebene beizukommen. Es bezweckte damit, einen Ausgleich zwischen den Interessen der Investoren auf Schutz des Eigentums und jenen der Staaten an einem Eingriff zu finden. Wobei man blieb, ist das „Alles-oder-Nichts“-System. Das heißt, für die Frage der Erforderlichkeit einer Entschädigung ist allein entscheidend, ob eine Enteignung vorliegt oder nicht. Immer wenn eine direkte oder indirekte Enteignung oder eine Maßnahme gleicher Wirkung vorliegt, ist voll zu entschädigen. Ein weiterer Automatismus ist, dass die Entschädigung jeweils auch prompt und effektiv sein muss. Dadurch gelingt auch dem Schiedsgericht in Tecmed eine angemessene Berücksichtigung aller auf dem Spiel stehender Interessen nur zum Teil. Die zur Feststellung, ob eine Enteignung vorliegt, zusätzlich eingebrachten Faktoren haben aber mit der Art des Eingriffs meist wenig zu tun. So weist beispielsweise das in die Bewertung mit einbezogene „öffentliche Interesse“ eher den Charakter einer Rechtfertigung auf. Auch die etwa vom Tecmed Schiedsgericht durchgeführte Verhältnismäßigkeitsprüfung hat typische Eigenschaften einer Rechtfertigungsprüfung. Dass den Staaten die „Sole-effects“-Doktrin zu weit geht, kann man an den restriktiveren Formulierungen der Eigentumsschutzklausel des US und des kanadischen Modell-BITs erkennen. Der Enteignungsbegriff erfuhr in diesen zum einen Einschränkungen, indem bestimmte Kriterien postuliert wurden, auf die bei der Prüfung abzustellen ist, ob eine Enteignung vorliegt. Dies sind etwa die Auswirkungen auf den Investor, die berechtigten Erwartungen seitens des Investors und der Art der eingreifenden staatlichen Maßnahme. Zum anderen wurden Ausnahmetatbestände geschaffen, bei deren Vorliegen keine Qualifikation als indirekte Enteignung erfolgen kann. Diese stellen auf das Vorliegen einer nicht diskriminierenden, in einem rechtsstaatlichen Verfahren durchgeführ-

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2. Teil: Eingriffe in das Eigentumsrecht

ten Maßnahme ab, die aufgrund eines legitimen öffentlichen Interesses ergriffen wurde. Erfüllt eine staatliche Maßnahme diese Voraussetzungen, soll nur unter nicht näher ausgeführten, außergewöhnlichen Fällen eine indirekte Enteignung vorliegen. Alle drei Kriterien (nicht diskriminierend, im öffentlichen Interesse und in einem rechtsstaatlichen Verfahren) waren bisher Elemente der Rechtmäßigkeitsprüfung. Sie mussten vorliegen, damit eine Enteignung rechtmäßig war. Ihr Vorliegen hatte daher Auswirkungen darauf, welche Art von Ersatzleistung (Entschädigung oder Schadenersatz) zu erfolgen hatte, nicht jedoch darauf, ob überhaupt zu entschädigen war. In den neu formulierten Modell-BITs werden diese Elemente im Fall von indirekten, regulativen Eingriffen vorverlagert zur Überprüfung, ob überhaupt eine Enteignung vorliegt. Aufgrund der binären Prüfungsstruktur führt dies dazu, dass bei Vorliegen dieser Kriterien gar keine Enteignung vorliegt und somit überhaupt kein Ersatz zu leisten ist. Dies wäre ein erheblicher Bruch mit dem bisherigen System, weil ein öffentliches Interesse praktisch immer gegeben ist und daher der Tatbestand der indirekten Enteignung, der in der Praxis erhebliche Relevanz erlangt hat, ausgehöhlt wäre. Nur noch jene Fälle, wo eine Diskriminierung oder ein „denial of justice“ vorliegt, würden die Eingriffsvoraussetzungen erfüllen. Dies entspricht der radikalen „Police-powers“-Doktrin, die zu einer völligen Aushöhlung des Schutzes vor indirekten Enteignungen führt. Eine Folge dieser unterschiedlichen Judikaturlinien ist die derzeit vorherrschende Rechtsunsicherheit auf dem Gebiet der indirekten Enteignungen. Wenn die radikale „Police-powers“-Doktrin weiterverfolgt werden sollte, würde dies, wie bereits ausführlich dargelegt, zusätzlich zu einer Fragmentierung des investitionsrechtlichen Eigentumsschutzes führen. Alle drei Ansätze in der Judikatur können keinen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen der Beteiligten herbeiführen, weil sie alle bereits auf der Eingriffsebene entscheiden, ob voll oder gar nicht zu entschädigen ist. Dass ein Interessenausgleich notwendig ist, zeigt sich sowohl in der Reaktion der Staaten als auch der Schiedsgerichte auf das geschilderte Dilemma. Aufgabe des Völkerrechts – wie jeder anderen Rechtsordnung auch – ist es, für einen Ausgleich zwischen verschiedenen miteinander im Widerspruch stehenden Interessen zu sorgen. Sehr häufig steht im Völkerrecht der Ausgleich widerstreitender staatlicher Interessen im Vordergrund. Sowohl im internationalen Menschenrechtsschutz als auch im internationalen Investitionsschutz kommen jedoch die Interessen von Individuen und juristischen Personen hinzu. Mit dem menschenrechtlichen Prüfungssystem wurde ein System etabliert, in dessen Rahmen ein Ausgleich zwischen dem Interesse der Individuen auf

C. Schlussfolgerungen

429

Schutz ihres Eigentums und dem öffentlichen Interesse an einem Eingriff erzielt werden kann. Aus diesem Grund erscheint es sinnvoll, den Versuch zu unternehmen, sich bei regulativen Eingriffen am menschenrechtlichen Prüfungssystem zu orientieren. Dies soll im vierten Teil der Arbeit erfolgen.

3. Teil

Die Folgen des Eigentumseingriffs

A. Allgemeines I. Die unterschiedliche Ausgangssituation Ein Eigentumseingriff hat im Menschenrechtsschutz völlig andere Folgen als im Investitionsschutz. Im Menschenrechtsschutz können sowohl Enteignungen als auch Nutzungsregelungen und sonstige Eingriffe gerechtfertigt werden. Wenn dies der Fall ist, löst der Eingriff keinerlei Entschädigungspflichten des Staates aus.1 Damit entscheidet der Ausgang der Rechtfertigungsprüfung darüber, ob eine Verletzung von Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK vorliegt und daher eine Ersatzleistung des Staates zu erfolgen hat. Im Gegensatz dazu steht im internationalen Investitionsrecht bereits mit der Feststellung einer Enteignung fest, dass der Enteignerstaat einen finanziellen Ersatz zu leisten hat. War die Enteignung rechtmäßig, gebührt eine Entschädigung, war sie rechtswidrig, gebührt Schadenersatz. Die Bedeutung der Entscheidung, ob eine rechtmäßige oder eine rechtswidrige Enteignung vorliegt, unterscheidet sich folglich in den beiden Rechtsbereichen. Es wird daher im Menschenrechtsschutz eine Rechtfertigungsprüfung:, im Investitionsschutz im Unterschied dazu eine Rechtmäßigkeitsprüfung vorgenommen. Jene zielt darauf ab festzustellen, ob überhaupt eine Entschädigungsleistung durch den Staat zu erfolgen hat. Diese überprüft nur, welche Art von Ersatzleistung völkerrechtlich gefordert ist.

II. Gegenstand und Ziel der Untersuchung Im dritten Teil der Untersuchung soll einerseits analysiert werden, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit ein Eigentumseingriff im Sinne der ___________ 1

In der Regel wurde bereits innerstaatlich eine Entschädigung geleistet.

B. Die Rechtfertigung einer Enteignung (Menschenrechtsschutz)

431

EMRK gerechtfertigt ist. Andererseits wird erörtert, unter welchen Bedingungen im Investitionsrecht eine rechtmäßige Enteignung vorliegt. Wie bereits dargelegt, hat nur der menschenrechtliche Eingriffstatbestand der Enteignung ein Pendant im internationalen Investitionsrecht. Die Rechtfertigungserfordernisse der beiden anderen Eingriffsarten („Nutzungsregelungen“ und „sonstige Eingriffe“) sind aber jenen der Enteignung ähnlich. Daher werden in der vorliegenden Untersuchung nur die Rechtfertigungsvoraussetzungen für Enteignungen eingehend erörtert. Auf die der anderen beiden Eingriffstatbestände wird nur bei Bedarf verwiesen. Im Investitionsrecht wird untersucht, welche Voraussetzungen für eine rechtmäßige Enteignung vorliegen müssen. Ein Vergleich der beiden Rechtsbereiche zeigt, dass eine Reihe der Kriterien, die herangezogen werden, um zu entscheiden, ob ein gerechtfertigter Eingriff (Menschenrechte) oder eine rechtmäßige Enteignung (Investitionsrecht) vorliegt, ähnlich sind. Dies ist der Fall, obwohl mit ihnen unterschiedliche Zielsetzungen verfolgt werden. Jedoch besteht auch ein erheblicher Unterschied zwischen den beiden Rechtsbereichen. Der wesentliche Teil der menschenrechtlichen Rechtfertigungsprüfung ist eine Verhältnismäßigkeitsprüfung. In dieser wird zwischen den Interessen des Staates am Eigentumseingriff und den Eigentumsschutzinteressen des Beschwerdeführers abgewogen. Dagegen wird im Investitionsrecht zur Beantwortung der Frage, ob eine Enteignung rechtmäßig ist, keine derartige Verhältnismäßigkeitsprüfung durchgeführt. Wie diese Prüfung erfolgt, wird in diesem Teil erörtert. Dies soll die Grundlage dafür schaffen, im abschließenden Teil der Arbeit darlegen zu können, wie eine Verhältnismäßigkeitsprüfung im Investitionsrecht gewinnbringend dazu verwendet werden könnte, einen besseren Ausgleich zwischen den Interessen der Staaten und der Investoren zu erzielen, ohne auf das bestehende „Alles-oder-Nichts“-System des Investitionsrechts angewiesen zu sein.

B. Die Rechtfertigung einer Enteignung (Menschenrechtsschutz) I. Das öffentliche Interesse Zunächst fällt auf, dass Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK im Hinblick auf Enteignungen den Ausdruck „public interest“ (utilité publique) verwendet. Im Gegensatz dazu wird im Hinblick auf Nutzungsregelungen verlangt, dass diese im „general interest“ (intérêt général) seien. Sowohl vom Gerichtshof als auch von einem Teil der Literatur wird diesen unterschiedlichen Formulierungen aber

432

3. Teil: Die Folgen des Eigentumseingriffs

kein wesentlicher inhaltlicher Unterschied beigemessen.2 Der Gerichtshof hat im Fall James3 zwar nicht ausgeschlossen, dass geringfügige Unterschiede bestehen könnten. Er hat jedoch betont, dass die unterschiedlichen Formulierungen nicht zu grundlegenden Differenzen führen könnten: In the Court’s opinion, even if there could be differences between the concepts of “public interest” and “general interest” in Article 1 (P1-1), on the point under consideration no fundamental distinction of the kind contended for by the applicants can be drawn between them.4

Bisher ist in der Judikatur kein Fall aufgetreten, in dem der Gerichtshof von dieser Position abgewichen wäre. Für einen Vergleich zwischen den Rechtfertigungserfordernissen für Enteignungen im Menschenrechtsschutz mit den Rechtmäßigkeitserfordernissen bei Enteignungen im Investitionsschutz reicht es aus, dass feststeht, dass der EGMR keine gravierenden Unterschiede aus den verschiedenen Formulierungen abgeleitet hat. Insgesamt hat das Erfordernis eines öffentlichen Interesses an einer Enteignung in der Judikatur des EGMR bisher nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Im Unterschied zu den Bestimmungen über das Recht auf Privat- und Familienleben (Artikel 8 EMRK), über das Recht auf Religions- und Gewissensfreiheit (Artikel 9 EMRK), über das Recht auf Meinungsfreiheit (Artikel 10 EMRK) sowie über das Recht auf Versammlungsfreiheit (Artikel 11 EMRK) enthält Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK keine taxativen Listen von zulässigen öffentlichen Interessen, die durch einen Eigentumseingriff verfolgt werden dürfen.5 Die Staaten haben daher schon aufgrund des Textes bei Eigentumseingrif___________ 2 I.d.S. z.B.: C. Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention3, 2008, Kapitel 25, Wirtschaftliche Grundrechte, Rz 21; P. Mittelberger, Der Eigentumsschutz nach Art. 1 des ersten Zusatzprotokolls zur EMRK im Lichte der Rechtsprechung der Strassburger Organe, 2000, S. 116; I. Seidl-Hohenveldern, Eigentumsschutz nach der EMRK und nach allgemeinem Völkerrecht im Lichte der EGMR-Entscheidungen in den Fällen James und Lithgow, Festschrift für Felix Ermacora (1988), in: M. Nowak/D. Steurer/H. Tretter (Hrsg.), Fortschritt im Bewusstsein der Grund- und Menschenrechte: Festschrift für Felix Ermacora, 1988, S. 188. a. A. z.B.: W. Peukert, Der Schutz des Eigentums nach Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention, 8 EuGRZ 1981, S. 107; K. Gelinsky, Der Schutz des Eigentums gemäß Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention, 1996, S. 172 f. Ihr ist aber wie Mittelberger (P. Mittelberger, Der Eigentumsschutz nach Art. 1 des ersten Zusatzprotokolls zur EMRK im Lichte der Rechtsprechung der Strassburger Organe, 2000, S. 116) zutreffend gezeigt hat nicht zuzustimmen, weil die von ihr angeführten Zitate nicht einschlägig sind. 3 EGMR, James u.a. gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 21. Februar 1986, Serie A, Nr. 98. 4 Ibid., § 43. 5 Siehe zu den berechtigten öffentlichen Interessen in den Artikeln 8–11 EMRK z.B.: P. Kempees, „Legitimate aims“ in the case law of the European Court of Human Rights, The concept of „continuing“ violations of human rights, in: P. Mahoney/F. Matscher/H.

B. Die Rechtfertigung einer Enteignung (Menschenrechtsschutz)

433

fen einen weiteren hinsichtlich des mit dem Eingriff verfolgten öffentlichen Interesses als bei den soeben erwähnten Normen. Der EGMR stellte meist, aber nicht immer ausdrücklich fest, dass der Eingriff im öffentlichen Interesse erfolgte. Der Gerichtshof respektierte dabei grundsätzlich die innerstaatlichen Entscheidungen darüber, was im öffentlichen Interesse lag, es sei denn, sie entbehrten einer vernünftigen Grundlage.6 Er betonte wiederholt, dass den Staaten ein großer Beurteilungsspielraum bei der Verwirklichung sozial- und wirtschaftspolitischer Ziele zukomme. Der Gerichtshof wies darauf hin, dass es nicht seine Rolle sei, seine eigene Einschätzung an die Stelle jener der nationalen Instanzen zu setzen. Seine Aufgabe bestehe vielmehr in einer Kontrolle zum Schutz vor Willkür. Dabei prüft er unter anderem die Richtigkeit der Tatsachen, die von den nationalen Behörden ihrer Eingriffsentscheidung zugrunde gelegt wurden. So führte er bereits in seinem Urteil James Folgendes aus: ... the notion of “public interest” is necessarily extensive. In particular, as the Commission noted, the decision to enact laws expropriating property will commonly involve consideration of political, economic and social issues on which opinions within a democratic society may reasonably differ widely. The Court, finding it natural that the margin of appreciation available to the legislature in implementing social and economic policies should be a wide one, will respect the legislature’s judgment as to what is “in the public interest” unless that judgment be manifestly without reasonable foundation. In other words, although the Court cannot substitute its own assessment for that of the national authorities, it is bound to review the contested measures under Article 1 of Protocol No. 1 (P1-1) and, in so doing, to make an inquiry into the facts with reference to which the national authorities acted.7

Der Fall Heilige Klöster gg Griechenland8 zeigt, dass durch Umsetzungsvorschriften hervorgerufene Zweifel an den Motiven für einen Eigentumseingriff ___________ Petzold/L. Wildhaber (Hrsg.), Protection des droits de l’homme: la perspective européenne: the European perspective: Mélanges à la mémoire de/studies in memory of Rolv Ryssdal, 2000, 659–675. 6 Siehe z.B.: EGMR, James and Others gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 21. Februar 1986, Serie A, Nr. 98, § 46; Papamichalopoulos gg Griechenland, Urteil vom 23. Juni 1993, Serie A, Nr. 260-B, § 37; Ehemaliger König von Griechenland gg Griechenland, Urteil vom 23. November 2000, ECHR 2000-XII, § 87; Malama gg Griechenland, Urteil vom 1. März 2001, ECHR 2001-II, § 46; Pincová und Pinc gg Tschechische Republik, Urteil vom 5. November 2002, ECHR 2002-VIII, § 48; Zvolský und Zvolska gg Tschechische Republik, Urteil vom 12. November 2002, ECHR 2002IX, § 67; Olczak gg Polen, Nr. 30417/96, Entscheidung vom 7. November 2002, ECHR 2002-X, § 77; Jahn and Others gg Deutschland [GC], Nr. 46720/99, 72203/01, 72552/01, Urteil vom 30. Juni 2005, § 91. 7 EGMR, James and Others gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 21. Februar 1986, Serie A, Nr. 98, § 46. 8 EGMR, The Holy Monasteries gg Griechenland, Urteil vom 9. Dezember 1994, Serie A, Nr. 301-A.

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3. Teil: Die Folgen des Eigentumseingriffs

nicht dazu führten, dass der EGMR das Vorliegen eines öffentlichen Interesses an einer Maßnahme generell in Frage stellte: The Court notes that the explanatory memorandum to the bill, submitted to Parliament, sets out the reasons for the impugned measure: to end illegal sales of the relevant land, encroachments on it and the abandonment or uncontrolled development of it (…). The optional nature of the transfer of the use of the land to farmers or agricultural co-operatives (…) and the inclusion of public bodies among the beneficiaries of such transfers (…) might inspire some doubt as to the reasons for the measures, but they cannot suffice to deprive the overall objective of Law no. 1700/1987 of its legitimacy as being “in the public interest”.9

Ein besonders großer Ermessensspielraum wird den Staaten vom Gerichtshof bei Maßnahmen eingeräumt, die durch politische Systemwechsel (etwa Monarchie zu Republik oder Plan- zu Marktwirtschaft) bedingt sind.10 Auch Enteignungen zugunsten von Privaten, in denen ein Privater direkter, der Staat aber nur indirekter Nutznießer der Enteignung ist, können im öffentlichen Interesse sein. Bereits im Fall James11 setzte sich der Gerichtshof ausführlich mit dieser Frage auseinander. Eine Gesetzesreform erlaubte es Langzeitpächtern unter bestimmten Bedingungen Eigentum am Pachtobjekt zu erwerben, ohne dass dafür eine Zustimmung des bisherigen Eigentümers erforderlich war. Der Gerichtshof stellte fest, dass eine Enteignung, die ausschließlich im Interesse einer Privatperson erfolgt, nicht im öffentlichen Interesse sei.12 Jedoch könnten Enteignungen, die zwar unmittelbar zugunsten Privater erfolgen, mittelbar aber im Interesse der Gesellschaft insgesamt sind, sehr wohl die Bedingung des „öffentlichen Interesses“ erfüllen. Daher hielt der Gerichtshof fest, dass eine Enteignung, die der Verfolgung einer legitimen Sozial,- Wirtschaftsoder anderen Politik dient, im öffentlichen Interesse sein kann, auch wenn die Gemeinschaft insgesamt keinen unmittelbaren Nutzen aus dem entzogenen Eigentum zieht: … a taking of property effected in pursuance of legitimate social, economic or other policies may be “in the public interest”, even if the community at large has no direct use or enjoyment of the property taken.13

___________ 9

Ibid., § 69. Siehe z.B.: EGMR, Ehemaliger König von Griechenland gg Griechenland [GC], Urteil vom 23. November 2000, ECHR 2000-XII, § 87; Zvolský und Zvolska gg Tschechische Republik, Urteil vom 12. November 2002, ECHR 2002-IX, § 67; Jahn and Others gg Deutschland [GC], Nr. 46720/99, 72203/01, 72552/01, Urteil vom 30. Juni 2005, § 91. 11 EGMR, James and Others gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 21. Februar 1986, Serie A, Nr. 98. 12 Ibid., § 40. 13 Ibid., § 45. 10

B. Die Rechtfertigung einer Enteignung (Menschenrechtsschutz)

435

Diese Voraussetzung sah der Gerichtshof im Fall James für erfüllt an, weil die Übertragung des Eigentums an die Pächter für mehr soziale Gerechtigkeit sorgen sollte.14 Im Fall Håkansson and Sturesson gg Schweden15 sah der EGMR Enteignungen für eine Rationalisierung der Landwirtschaft durch die Zusammenlegung landwirtschaftlicher Flächen als legitimes öffentliches Interesse an.16 Dabei wurde Privaten das Eigentum entzogen und an Eigentümer von angrenzenden Grundstücken verkauft. Im Fall Allard gg Schweden17 bestand nach Ansicht des EGMR ein legitimes staatliches Interesse an der Aufrechterhaltung eines funktionierenden Systems von Gemeinschaftseigentum.18 Gegenstand der Beschwerde war eine zwangsweise Abtragung eines Hauses, das ohne Zustimmung der Miteigentümer auf einem Grundstück errichtet worden war.19 Im Fall Evaldsson ua gg Schweden20 mussten auch Nichtmitglieder der Bauarbeitergewerkschaft 1,5% des Lohnes als Gebühr für die Überwachung der Arbeitsbedingungen an die Bauarbeitergewerkschaft abführen. Der Gerichtshof entschied, dass ein öffentliches Interesse an der Einhebung der Gebühr bestand, weil die Überwachung den Interessen der Bauarbeiter insgesamt zugute kam.21 In Einzelfällen stellte der Gerichtshof fest, dass ein Staat kein öffentliches Interesse an der Enteignung geltend gemacht hatte.22 Dies führte aber nicht dazu, dass nur aufgrund dieses Umstandes vom EGMR bereits eine Verletzung von Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK festgestellt worden wäre. Ein Beispiel dafür ist der Fall Brumarescu gg Rumänien.23 Der Beschwerdeführer war durch ein Urteil des Obersten Gerichtshofs enteignet worden. Der EGMR stellte fest, dass weder der Oberste Gerichtshof noch die Regierung versucht hatten, den Eingriff durch ein öffentliches Interesse zu rechtfertigen: The Court, like the Commission, observes that no justification has been offered for the situation brought about by the judgment of the Supreme Court of Justice. In particular, neither the Supreme Court of Justice itself nor the Government have sought to

___________ 14

Ibid., §§ 47–49. EGMR, Håkansson and Sturesson gg Schweden, Urteil vom 21. Februar 1990, Serie A, Nr. 171-A. 16 Ibid., § 44. 17 EGMR, Allard gg Schweden, Urteil vom 24. Juni 2003, ECHR 2003-VII. 18 Ibid., § 52. 19 Zum Sachverhalt siehe auch oben, S. 412. 20 EGMR, Evaldsson u.a. gg Schweden, Nr. 75252/01, Urteil vom 13. Februar 2007. 21 Ibid., § 54. 22 Siehe z.B.: EGMR, Brumarescu gg Rumänien [GC], Nr. 28342/95, Urteil vom 28. Oktober 1999, ECHR 1999-VII, § 79; Croitoriu gg Rumänien, Nr. 54400/00, Urteil vom 9. November 2004, § 37. 23 EGMR, Brumarescu gg Rumänien [GC], Nr. 28342/95, Urteil vom 28. Oktober 1999, ECHR 1999-VII. Zum Sachverhalt siehe oben, S. 245 f. 15

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3. Teil: Die Folgen des Eigentumseingriffs

justify the deprivation of property on substantive grounds as being “in the public interest”.24

Der EGMR stellte dennoch nicht unmittelbar eine Verletzung von Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK fest, sondern prüfte zusätzlich die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs. Er führte aus, dass selbst unter der Annahme des Vorliegens eines öffentlichen Interesses der Eingriff nicht verhältnismäßig gewesen wäre. Daher sei das Recht auf Schutz des Eigentums verletzt worden.25 In einer Reihe weiterer Fälle berücksichtigte der EGMR ein mangelndes öffentliches Interesse ebenfalls bei der Bewertung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs.26 Bisher ist kein Urteil ergangen, in dem der Gerichtshof ohne eine Verhältnismäßigkeitsprüfung nur aufgrund mangelnden öffentlichen Interesses eine Verletzung von Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK feststellte. Jedoch berücksichtigte er das mangelnde öffentliche Interesse bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung.27 Auch der Interamerikanische Gerichtshof untersucht bei der Überprüfung, ob eine Verletzung von Artikel 21 AMRK (Recht auf Schutz des Eigentums) vorliegt, ob eine Enteignung im öffentlichen Interesse erfolgt ist. Ein Beispiel für einen Fall, in dem kein öffentliches Interesse an einer Enteignung vorlag, war Ivcher Bronstein gg Peru.28 Dem Beschwerdeführer war die peruanische Staatsbürgerschaft aberkannt worden. Als Konsequenz ordnete ein Richter an, dass Mr. Ivcher Bronstein die Leitung seines TV Senders nicht länger innehaben und die Rechte, die die Stellung eines Mehrheitsaktionärs mit sich bringt, nicht ausüben konnte. Zudem wurden vom einstweilig mit der Leitung beauftragten Minderheitsaktionär maßgebliche Veränderungen im Unternehmen vorgenommen (ua Kapitalaufstockung und Erlangung der Position des Mehrheitseigentümers). Der Interamerikanische Gerichtshof stellte fest, dass es keine Anzeichen dafür gab, dass die angeordneten Maßnahmen im öffentlichen Interesse waren. Im Gegenteil, die bewiesenen Fakten zeigten die Absicht des Staates, Mr. Ivcher Bronstein die Kontrolle des TV Senders 2 durch die Suspendierung seiner Rechte als Aktionär der Eigentümergesellschaft zu entziehen. ___________ 24

Ibid., § 79. Ibid., § 80. 26 Siehe z.B.: Tsomtsos u.a. gg Griechenland, Urteil vom 15. November 1996, ECHR 1996-V, § 40; Katikaridis u.a. gg Griechenland, Urteil vom 15. November, ECHR 1996-V, § 49. ZwierzyĔski gg Polen, Nr. 34049/96, Urteil vom 19. Juni 2001, ECHR 2001-VI, §§ 72–74. Ähnlich ist die Vorgangsweise in Tregubenko gg Ukraine (Nr. 61333/00, Urteil vom 2. November 2004), wo der EGMR darauf hinwies (§ 54), dass mangelnde finanzielle Ressourcen keine Rechtfertigung für die Aufhebung eines rechtskräftigen Urteils sein können. 27 Siehe dazu unten, S. 451 ff. 28 IAGMR, Ivcher Bronstein v. Peru , Urteil vom 6. Februar 2001, Series C No. 74. 25

B. Die Rechtfertigung einer Enteignung (Menschenrechtsschutz)

437

Das mangelnde öffentliche Interesse am Entzug der Staatsbürgerschaft war einer der Gründe für die Entscheidung des Interamerikanischen Gerichtshofs, eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Eigentums festzustellen: … In order for the deprivation of the property of a person to be compatible with the right to property embodied in the Convention, it should be based on reasons of public utility or social interest, subject to the payment of just compensation, and be restricted to the cases and according to the forms established by law. In the instant case, there is no evidence or argument to confirm that the precautionary measure ordered by Judge Percy Escobar was based on reasons of public utility or social interest; to the contrary, the proven facts in this case coincide to show the State’s determination to deprive Mr. Ivcher of the control of Channel 2, by suspending his rights as a shareholder of the Company that owned it. Moreover, there is no indication that Mr. Ivcher haas been compensated for the deprivation of the enjoyment and use of his property, or that the measure that affected him was adopted according to the law. … In view of the foregoing, the Court concludes that the State violated the right to private property established in Article 21(1) and 21(2) of the American Convention, with regard to Baruch Ivcher Bronstein.29

Somit wurde auch in diesem Fall nicht nur aufgrund mangelnden öffentlichen Interesses eine Verletzung des Eigentumsrechts festgestellt.

II. Die Gesetzmäßigkeit des Entzugs Damit eine Enteignung im Einklang mit Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK ist, muss sie den innerstaatlichen gesetzlichen Voraussetzungen entsprechen:30 No one shall be deprived of his possessions except in the public interest and subject to the conditions provided for by law and by the general principles of international law.31

Der Gerichtshof bringt dieses Prinzip auch auf die anderen Eingriffstatbestände (Nutzungsregelung und „sonstige Eingriffe“) zur Anwendung.32 Daher ___________ 29

Ibid., §§ 128–131. Hervorhebung durch die Autorin. Ein Beispiel für einen Fall, in dem jegliche gesetzliche Grundlage für eine de facto Enteignung fehlte war Vasilescu gg Rumänien (Urteil vom 22. Mai 1998, ECHR 1998III, § 50). Es wurde deshalb eine Verletzung von Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK festgestellt. 31 Artikel 1, Satz des 2 des 1. ZP zur EMRK. Hervorhebung durch die Autorin. 32 Siehe z.B.: EGMR, Iatridis gg Griechenland [GC], Urteil vom 25. März 1999, ECHR 1999-II, wo der EGMR auf das Gesetzmäßigkeitserfordernis in beiden Absätzen des Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK hinweist. § 58: … any interference by a public authority with the peaceful enjoyment of possessions should be lawful: the second sentence of the first paragraph authorises 30

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3. Teil: Die Folgen des Eigentumseingriffs

wird in der Folge zur Erläuterung der Anforderungen auch auf Urteile zu diesen Eingriffstatbeständen eingegangen. Unter Gesetz ist nicht nur ein formelles Gesetz zu verstehen. Der EGMR bezog zu dieser Frage zwar nicht direkt in einem Urteil, das zu Artikel 1 des 1. ZP ergangen ist, Stellung. Aber er verwies im Urteil Lithgow im Zusammenhang mit den Anforderungen, die an innerstaatliche Rechtsvorschriften zu stellen sind, auf das Urteil im Fall Malone gg Vereinigtes Königreich.33 Dieses ist zu Artikel 8 EMRK ergangen. Dieser Verweis macht deutlich, dass der Gerichtshof sinnvoller Weise von einem einheitlichen Gesetzesbegriff in der EMRK ausgeht und daher an die gesetzlichen Grundlagen für Eigentumseingriffe die gleichen Anforderungen stellt wie an die Gesetzesvorbehalte in den Artikeln 8 bis 11 EMRK.34 In diesem Sinne führte der EGMR bereits in seinem Urteil Sunday Times35 Folgendes aus: The expression “prescribed by law” appears in paragraph 2 of Articles 9, 10 and 11 (art. 9-2, art. 10-2, art. 11-2) of the Convention, the equivalent in the French text being in each case “prévues par la loi”. However, when the same French expression appears in Article 8 (2) (art. 8-2) of the Convention, in Article 1 of Protocol No. 1 (P1-1) and in Article 2 of Protocol No. 4 (P4-2), the English text as “in accordance with the law”, “provided for by law” and “in accordance with law”, respectively. Thus confronted with versions of a law-making treaty which are equally authentic but not exactly the same, the Court must interpret them in a way that reconciles them as far as possible and is most appropriate in order to realise the aim and achieve the object of the treaty ….36

Im Urteil Malone stellte der EGMR im Hinblick auf Common Law fest, dass unter dem Wort „law“ nicht nur geschriebenes, sondern auch ungeschriebenes Recht zu verstehen sei: ___________ a deprivation of possessions only “subject to the conditions provided for by law” and the second paragraph recognises that the States have the right to control the use of property by enforcing “laws”. … 33 EGMR, Malone gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 2. August 1984, Serie A, Nr. 82. 34 Zum Gesetzesbegriff in der EMRK siehe: R. Weiß, Das Gesetz im Sinne der Europäischen Menschenrechtskonvention, 1996, S. 57 ff.; F. Matscher, Der Gesetzesbegriff der EMRK, in: L. Adamovich/A. F. Kobzina (Hrsg.), Der Rechtsstaat in der Krise, Festschrift für Edwin Loebenstein zum 80. Geburtstag, 1991, 105–118; W. J. Ganshof van der Meersch, Réflexions sur les restrictions à l’exercice des droits de l’homme dans la jurisprudence de la Cour européenne de Strasbourg, in: R. Bernhardt/W. K. Geck/G. Jaenicke/H. Steinberger, Völkerrecht als Rechtsordnung – Internationale Gerichtsbarkeit – Menschenrechte, Festschrift für Hermann Mosler, 1983, 263–279; L. Wildhaber/S. Breitenmoser, Artikel 8 EMRK, in: W. Karl (Hrsg.), Internationaler Kommentar zur Europäischen Menschenrechtskonvention, 1992, S. 185 ff. 35 EGMR, Sunday Times gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 26. April 1979, Serie A, Nr. 30. 36 Ibid., § 48.

B. Die Rechtfertigung einer Enteignung (Menschenrechtsschutz)

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The first such principle was that the word “law/loi” is to be interpreted as covering not only written law but also unwritten law …37

Aus der Judikatur des EGMR ergibt sich, dass der Gerichtshof auch außerhalb des Common Law von einem weiten Gesetzesbegriff ausgeht und auf ein Gesetz im materiellen Sinn abstellt.38 Vom Gesetzesbegriff umfasst sind daher auch untergesetzliche Normen. Sie müssen jedoch eine gewisse Außenwirkung haben39 und auf ein vom Parlament verabschiedetes Gesetz rückführbar sein.40 Nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR kommt die Entscheidung, ob ein Eingriff im Einklang mit dem innerstaatlichen Recht erfolgt ist, zunächst den innerstaatlichen Organen und vor allem den Gerichten zu.41 Der Gerichts___________ 37 Ibid., § 66. Gleiches stellte der Gerichtshof auch im Urteil Sunday Times gg Vereinigtes Königreich (Urteil vom 26. April 1979, Serie A, Nr. 30, § 47) fest. 38 Siehe z.B.: EGMR, Kruslin gg Frankreich, Urteil vom 24. April 1990, Serie A, Nr. 176-A, § 29; Huvig gg Frankreich, Urteil vom 24. April 1990, Serie A, Nr. 176-B, § 28. Siehe in der Lehre dazu z.B.: C. Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention3, 2008, Kapitel 18, Struktur der Grundrechtsprüfung, Rz 7–11; L. Wildhaber/S. Breitenmoser, Artikel 8 EMRK, in: W. Karl (Hrsg.), Internationaler Kommentar zur Europäischen Menschenrechtskonvention, 1992, S. 189 ff.; F. Matscher, Der Gesetzesbegriff der EMRK, in: L. Adamovich/A. F. Kobzina (Hrsg.), Der Rechtsstaat in der Krise, Festschrift für Edwin Loebenstein zum 80. Geburtstag, 1991, S. 105, 111 ff. 39 EGMR, Silver and Others gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 25. März 1983, Serie A, Nr. 61, §§ 86, 87. 40 C. Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention3, 2008, Kapitel 18, Struktur der Grundrechtsprüfung, Rz 7; K. Gelinsky, Der Schutz des Eigentums gemäß Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention, 1996, S. 100; J. A. Frowein, Vorbemerkung zu Art 8–11, in: J. A. Frowein/W. Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK Kommentar², 1996, S. 329; L. Wildhaber/S. Breitenmoser, Artikel 8 EMRK, in: W. Karl (Hrsg.), Internationaler Kommentar zur Europäischen Menschenrechtskonvention, 1992, S. 189. 41 EGMR, Tre Traktörer Aktiebolag gg Schweden, Urteil vom 7. Juli 1989, Serie A, Nr. 159, § 58; Ehemaliger König von Griechenland gg Griechenland, Urteil vom 23. November 2000, ECHR 2000-XII, § 82; Zvolský und Zvolska gg Tschechische Republik, Urteil vom 12. November 2002, ECHR 2002-IX, § 65; Kliafas and Others gg Griechenland, Nr. 66810/01, Urteil vom 8. Juli 2004, § 22. Dass der EGMR den Entscheidungen der innerstaatlichen Gerichte eine besondere Bedeutung beimießt, wobei dies auch für aufgehobene Entscheidungen von Untergerichten gilt, wenn nur die höhere Instanz den relevanten Aspekt der Entscheidung nicht als unrichtig behoben hat, wird aus dem Fall Bimer S. A. gg Moldova, (Nr. 15084/03, Urteil vom 10. Juli 2007) deutlich: 58. … as noted above, the judgment [of the Court of Appeal] was set aside on the ground that there had been no relevant interference with the applicant’s activities or with its right to property in international law. The Supreme Court did not dispute the Court of Appeal’s interpretation of section 43 of the Law or its view that the second paragraph of that section would govern in the case of any interference with the right of a company with foreign capital to carry on a dutyfree business. The Court [ECHR] has found above that there was such interference in the present case.

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3. Teil: Die Folgen des Eigentumseingriffs

hof verwies in diesem Zusammenhang häufig auf seine beschränkte Kompetenz, die Übereinstimmung eines Eigentumseingriffes mit dem innerstaatlichen Recht zu überprüfen.42 Die Entscheidung der innerstaatlichen Organe und insbesondere der Gerichte wird vom Gerichtshof akzeptiert, wenn nicht ein offensichtlicher Rechtsfehler oder eine willkürlich falsche Rechtsanwendung vorliegt.43 Ein solcher lag nach Ansicht des EGMR beispielsweise im Fall Valová, Slezák und Slezák gg Slowakei44 vor. Der Fall betraf eine Wiedereröffnung eines rechtskräftig beendeten Restitutionsverfahrens. Dies führte zu einer Enteignung der Beschwerdeführer. Die über die Wiederaufnahme des Restitutionsverfahrens entscheidenden Behörden hatten nicht überprüft, ob eine der Voraussetzungen für die Wiederaufnahme des Verfahrens, Bösgläubigkeit des Beschwerdeführers, erfüllt war. Der EGMR kam zum Ergebnis, dass prima facie keine Bösgläubigkeit vorgelegen war. Daher kam er trotz seiner limitierten Überprüfungsbefugnis der Einhaltung innerstaatlicher Rechtsvorschriften zum Ergebnis, dass die Wiederaufnahme nicht rechtmäßig erfolgt war. Er stellte deshalb eine Verletzung von Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK fest: … notwithstanding the fact that it has only limited power in matters relating to supervision of interpretation and application of national law by authorities of the Contracting States (…), it comes to the conclusion that the decision to reopen the original restitution proceedings cannot be regarded as having been “subject to the conditions provided for by law”. Accordingly, there has been a violation of Article 1 of Protocol No. 1.45

Bis zum Urteil Iatridis46 im Jahr 1999 spielte diese Rechtfertigungsvoraussetzung eines Eigentumseingriffs in der Judikatur des Gerichtshofes eine eher ___________ The Court reiterates that it is in the first place for the domestic authorities, notably the courts, to interpret and apply domestic law (…). It finds no grounds in the present case to call into question the view of the Court of Appeal, expressed on two occasions, that section 43 was applicable to the case of the present applicant and that the Order which required the immediate closure of the applicant’s duty-free business at the Leuúeni Customs Office was not lawful under domestic law. 42 Siehe z.B.: EGMR, Tre Traktörer Aktiebolag gg Schweden, Urteil vom 7. Juli 1989, Serie A, Nr. 159, § 58; Allan Jacobsson gg Schweden, Urteil vom 25. Oktober 1989, Serie A, Nr. 163, § 57; Håkansson and Sturesson gg Schweden, Urteil vom 21. Februar 1990, Serie A, Nr. 171-A, § 47; Beyeler gg Italien, Urteil vom 5. Jänner 2000, ECHR 2000-I, § 108; Allard gg Schweden, Urteil vom 24. Juni 2003, ECHR 2003-VII, § 53. 43 EGMR, Beyeler gg Italien, Urteil vom 5. Jänner 2000, ECHR 2000-I, § 108. 44 EGMR, Valová, Slezák und Slezák gg Slowakei, Nr. 44925/98, Urteil vom 1. Juni 2004. 45 Ibid., § 54. 46 EGMR, Iatridis gg Griechenland [GC], Urteil vom 25. März 1999, ECHR 1999-II.

B. Die Rechtfertigung einer Enteignung (Menschenrechtsschutz)

441

untergeordnete Rolle. In diesem Urteil maß der Gerichtshof erstmals der Gesetzmäßigkeit eines Eigentumseingriffs besondere Bedeutung zu: The Court reiterates that the first and most important requirement of Article 1 of Protocol No. 1 is that any interference by a public authority with the peaceful enjoyment of possessions should be lawful …47

Der EGMR verwies dabei auf die Bedeutung der „rule of law“ in einer Demokratie und darauf, dass dieses Prinzip allen Artikeln der EMRK zugrunde liege: Moreover, the rule of law, one of the fundamental principles of a democratic society, is inherent in all the Articles of the Convention (…) and entails a duty on the part of the State or other public authority to comply with judicial orders or decisions against it (…).48

In der Folge führte der Gerichtshof aus, dass eine Verhältnismäßigkeitsprüfung überhaupt nur dann notwendig sei, wenn ein Eingriff rechtmäßig erfolgt und nicht willkürlich war: It follows that the issue of whether a fair balance has been struck between the demands of the general interest of the community and the requirements of the protection of the individual’s fundamental rights (…) becomes relevant only once it has been established that the interference in question satisfied the requirement of lawfulness and was not arbitrary.49

Diese Feststellungen, die der EGMR in einer Reihe weiterer Urteile wiederholte,50 führten zu einer Aufwertung des Gesetzmäßigkeitserfordernisses. Die innerstaatlichen Rechtsvorschriften müssen den Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit (rule of law) entsprechen. Somit müssen sie gewissen Qualitätsanforderungen standhalten, wie der EGMR bereits in seinem Urteil James51 betonte:

___________ 47

Ibid., § 58. Ibid., § 58. 49 Ibid., § 58. 50 Siehe z.B.: EGMR, Beyeler gg Italien, Urteil vom 5. Jänner 2000, ECHR 2000-I, §§ 107, 108; Carbonara und Ventura gg Italien, Urteil vom 30. Mai 2000, ECHR 2000VI, § 63; Belvedere Alberghiera SRL gg Italien, Urteil vom 30. Mai 2000, ECHR 2000VI, §§ 55, 56; Ehemaliger König von Griechenland gg Griechenland, Urteil vom 23. November 2000, ECHR 2000-XII, § 79; Malama gg Griechenland, Urteil vom 1. März 2001, ECHR 2001-II, § 43; Kliafas and Others gg Griechenland, Nr. 66810/01, Urteil vom 8. Juli 2004, § 21; I.R.S. gg Türkei, Nr. 26338/95, Urteil vom 20. Juli 2004, § 48; Bimer S. A. gg Moldova, Nr. 15084/03, Urteil vom 10. Juli 2007, § 59. 51 EGMR, James and Others gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 21. Februar 1986, Serie A, Nr. 98. 48

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3. Teil: Die Folgen des Eigentumseingriffs

The Court has consistently held that the terms “law” or “lawful” in the Convention “[do] not merely refer back to domestic law but also [relate] to the quality of the law, requiring it to be compatible with the rule of law” …52

Inhaltlich verlangt der Gerichtshof, dass die innerstaatliche Rechtsgrundlage des Eingriffes bestimmt, zugänglich53 und vorhersehbar54 ist. So stellte er diesbezüglich in Carbonara und Ventura gg Italien55 zusammenfassend fest: …, it reiterates, that the requirement of lawfulness means that rules of domestic law must be sufficiently accessible, precise and foreseeable …56

Zudem stellte der EGMR im Fall Hentrich57 klar, dass zum Rechtsstaatlichkeitsprinzip auch ein Mindestmaß an verfahrensrechtlichen Garantien gehört. Der Fall betraf ein staatliches Vorkaufsrecht an Grundstücken. Von diesem Recht konnten die französischen Finanzbehörden, wenn sie einen Grundstücksverkaufspreis für zu gering hielten, nach eigenem Ermessen Gebrauch machen. Die Grundstückskäufer hatten kein Recht, den Beweis anzutreten, dass keine Absicht einer Abgabenhinterziehung bestand. Der Gerichtshof führte hinsichtlich der direkt aus Artikel 1 des 1. ZP folgenden Erfordernisse eines fairen Verfahrens Folgendes aus: While the system of the right of pre-emption does not lend itself to criticism as an attribute of the State’s sovereignty, the same is not true where the exercise of it is discretionary and at the same time the procedure is not fair. … A pre-emption decision cannot be legitimate in the absence of adversarial proceedings that comply with the principle of equality of arms, enabling argument to be presented on the issue of the underestimation of the price and, consequently, on the Revenue’s position – all elements which were lacking in the present case. …58

___________ 52

Ibid., § 67. Der EGMR wies bereits in Lithgow gg Vereinigtes Königreich (Urteil vom 8. Juli 1986, Serie A, Nr. 102, § 110) darauf hin, dass: [a]s regards the phrase “subject to the conditions provided for by law”, it requires in the first place the existence of an compliance with adequately accessible and sufficiently precise domestic legal provisions … . 54 EGMR, Hentrich gg Frankreich, Urteil vom 22. September 1994, Serie A, Nr. 296-A, § 42. 55 EGMR, Carbonara und Ventura gg Italien, Urteil vom 30. Mai 2000, ECHR 2000VI. 56 Ibid., § 64. Ebenso in: EGMR, Beyeler gg Italien, Urteil vom 5. Jänner 2000, ECHR 2000-I, § 109; Belvedere Alberghiera SRL gg Italien, Urteil vom 30. Mai 2000, ECHR 2000-VI, § 57. 57 EGMR, Hentrich gg Frankreich, Urteil vom 22. September 1994, Serie A, Nr. 296-A. Siehe dazu: B. Rudolf, Die Eigentumsgarantie nach der Europäischen Menschenrechtskonvention und ihre verfahrensrechtliche Dimension, 23 EuGRZ 1996, 573–577. 58 EGMR, Hentrich gg Frankreich, Urteil vom 22. September 1994, Serie A, Nr. 296-A, § 42. 53

B. Die Rechtfertigung einer Enteignung (Menschenrechtsschutz)

443

Aus Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK ist daher bei Enteignungen aufgrund von Ermessensentscheidungen die Notwendigkeit eines Rechtsschutzes ableitbar. Es müssen entsprechende Verfahrensregeln vor Willkür schützen. Der Gerichtshof stellte in seinem Urteil fest, dass aufgrund des mangelnden Rechtsschutzes das Verfahren nicht rechtmäßig gewesen sei. Er zog daraus aber nicht den Schluss, dass Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK verletzt sei, sondern führte dazu noch eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durch, in der er den mangelnden Rechtsschutz berücksichtigte. In den Fällen Beyeler gg Italien59, Carbonara und Ventura gg Italien60 sowie Belvedere Alberghiera SRL gg Italien61 hatte sich der EGMR – wie bereits im Fall Hentrich62 – mit der Vorhersehbarkeit eines Eingriffs zu beschäftigen. Im Fall Beyeler stellte der Gerichtshof ebenso wie in Hentrich zwar fest, dass eine unklare Rechtslage vorlag. Er schloss daraus aber nicht unmittelbar auf eine Verletzung des Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK, sondern führte noch eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durch, ehe er zu diesem Ergebnis gelangte. Der Beschwerdeführer im Fall Beyeler 1977 hatte in Italien über einen Strohmann ein Van Gogh-Gemälde gekauft. Die italienischen Behörden erfuhren dies bereits 1983, übten aber ihr Vorkaufsrecht erst 1988 aus und erwarben das Gemälde zum Preis von 1977. Der EGMR stellte fest, dass die Frist, in der das Vorkaufsrecht ausgeübt werden konnte, bei unvollständigen Verkaufserklärungen an das Kulturministerium unklar sei. Eine solche unvollständige Verkaufserklärung sei vorgelegen. Dieser Umstand reichte für den Gerichtshof aber noch nicht aus, um die staatliche Maßnahme als unvorhersehbar oder willkürlich zu qualifizieren. Die gesetzlich unklare Lage sei aber bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen: The Court observes that in certain respects the statute lacks clarity, particularly in that it leaves open the time-limit for the exercise of a right of pre-emption in the event of an incomplete declaration without, however, indicating how such an omission can subsequently be rectified. … That factor alone cannot, however, lead to the conclusion that the interference in question was unforeseeable or arbitrary and therefore incompatible with the principle of lawfulness. The Court is, nonetheless, required to verify that the manner in which domestic law is interpreted and applied – even where the requirements have been complied with – does not entail consequences at variance with the Convention standards. From that stance, the element of uncertainty in the statute and the considerable latitude it af-

___________ 59 60

EGMR, Beyeler gg Italien, Urteil vom 5. Jänner 2000, ECHR 2000-I. EGMR, Carbonara und Ventura gg Italien, Urteil vom 30. Mai 2000, ECHR 2000-

VI. 61

EGMR, Belvedere Alberghiera SRL gg Italien, Urteil vom 30. Mai 2000, ECHR 2000-VI. 62 EGMR, Hentrich gg Frankreich, Urteil vom 22. September 1994, Serie A, Nr. 296-A, § 42.

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3. Teil: Die Folgen des Eigentumseingriffs

fords the authorities are material considerations to be taken into account in determining whether the measure complained of struck a fair balance.63

Der EGMR stellte im Anschluss fest, dass der Eingriff unverhältnismäßig und Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK daher verletzt worden war. Im Gegensatz dazu stellte der Gerichtshof in den Fällen Belvedere Alberghiera S.r.l. gg Italien64 und Carbonara und Ventura65 bereits wegen mangelnder rechtlicher Vorhersehbarkeit des Eingriffs und Willkür eine Verletzung des Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK fest, ohne zusätzlich eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchzuführen. In beiden Fällen wurde den Eigentümern unrechtmäßig wegen der Anwendung der sogenannten „constructive expropriation rule“ Eigentum entzogen. Diese Regelung, die von den italienischen Gerichten entwickelt wurde, schloss eine Restitution von Grundstücken an rechtmäßige Eigentümer aus, sobald auf den Grundstücken Bauten im öffentlichen Interesse fertig gestellt worden waren. In beiden Fällen verfügte der italienische Staat bei Ende der Baumaßnahmen über keinen gültigen Rechtstitel zur Innehabung der Grundstücke. In Belvedere Alberghiera SRL gg Italien hatte das erstinstanzliche Verwaltungsgericht festgestellt, dass die Vorgangsweise der Gemeinde, ein Grundstück für ein Straßenbauprojekt zu beschlagnahmen, illegal war. Der Antrag der Beschwerdeführer auf Rückgabe des Grundstücks wurde jedoch vom Verwaltungsgerichtshof mit der Begründung abgewiesen, dass die Bauarbeiten abgeschlossen seien und daher die „constructive expropriation rule“ anwendbar sei. In Carbonara und Ventura hatte die Präfektur dem Stadtrat mit Bescheid gestattet, für einen Schulbau ein Grundstück für maximal zwei Jahre in Besitz zu nehmen. Dies geschah im Hinblick auf eine Enteignung im öffentlichen Interesse. Der Schulbau wurde erst nach Ablauf dieser Zweijahresfrist fertig gestellt, ohne dass zwischenzeitlich das Grundstück formell enteignet oder die Eigentümer entschädigt worden waren. Ein Rückgabeantrag des Beschwerdeführers wurde mit Hinweis auf die „constructive expropriation rule“ abgelehnt, eine Schadenersatzklage mit der Begründung, dass die Ansprüche verjährt seien, abgewiesen. In beiden Fällen stellte der EGMR fest, dass die von den Gerichten uneinheitlich angewandte „constructive expropriation rule“ zu einer unvorhersehba___________ 63

Ibid., §§ 109, 110. EGMR, Belvedere Alberghiera SRL gg Italien, Urteil vom 30. Mai 2000, ECHR 2000-VI. 65 EGMR, Carbonara und Ventura gg Italien, Urteil vom 30. Mai 2000, ECHR 2000VI. 64

B. Die Rechtfertigung einer Enteignung (Menschenrechtsschutz)

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ren Rechtslage geführt habe. Die Regel könne zu willkürlichen Enteignungen führen. Daher seien die Erfordernisse der Rechtmäßigkeit nicht erfüllt: In that connection, the Court observes that the case-law on constructive expropriations has evolved in a way that has led to the rule being applied inconsistently (…), a factor which could result in unforeseeable or arbitrary outcomes and deprive litigants of effective protection of their rights and is, as a consequence, inconsistent with the requirement of lawfulness.66

Zudem äußerte der Gerichtshof erhebliche Bedenken wegen der Tatsache, dass der Staat durch die Anwendung dieser Regelung aus einer illegalen rechtlichen Situation einen Vorteil ziehe. Die innerstaatliche Ablehnung der Schadenersatzklage unter Hinweis auf Verjährung im Fall Carbonara habe zu einer willkürlichen Enteignung geführt. Der Gerichtshof erachtete es demnach in beiden Fällen nicht für erforderlich, eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchzuführen, sondern stellte bereits mangels Gesetzmäßigkeit der Enteignung eine Verletzung von Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK fest: The Court considers that the interference in question was not compatible with Article 1 of Protocol No. 1. That conclusion makes it unnecessary for it to examine whether a fair balance was struck between the requirements of the general interest of the community and the need to protect individual rights. Consequently, there has been a violation of Article 1 of Protocol No. 1.67

Bei der inhaltlichen Überprüfung der Gesetzmäßigkeit einer Enteignung stehen für den Gerichtshof somit die Prinzipien der Rechtssicherheit und des Schutzes vor Willkür im Vordergrund. Somit nimmt der Gerichtshof nicht nur eine Gesetzmäßigkeitsprüfung, sondern auch eine Rechtmäßigkeitsprüfung vor. In weniger gravierenden Fällen berücksichtigte der Gerichtshof die Mängel der innerstaatlichen Rechtsgrundlage für die Enteignung im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung; in gravierenden Fällen stellte er bereits aufgrund mangelnder Rechtmäßigkeit des Eigentumseingriffs eine Verletzung von Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK fest.

___________ 66 EGMR, Belvedere Alberghiera SRL gg Italien, Urteil vom 30. Mai 2000, ECHR 2000-VI, § 58; Carbonara und Ventura gg Italien, Urteil vom 30. Mai 2000, ECHR 2000-VI, § 65. 67 EGMR, Belvedere Alberghiera SRL gg Italien, Urteil vom 30. Mai 2000, ECHR 2000-VI, §§ 62, 63.

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3. Teil: Die Folgen des Eigentumseingriffs

III. Verhältnismäßigkeit Das Erfordernis eines gerechten Ausgleichs zwischen staatlichem Eingriffsinteresse und individuellem Rechtsschutzbedürfnis durchzieht die gesamte EMRK.68 Die Artikel 8–11 EMRK verlangen ausdrücklich für die Rechtfertigung eines Eingriffes, dass er in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist. Somit ergibt sich das Erfordernis einer Abwägung zwischen dem geltend gemachten öffentlichen Interesse am Eingriff und dem Interesse des Eingriffsopfers am Schutz seiner Menschenrechte bereits aus dem Text. Ein derartiges Erfordernis einer Verhältnismäßigkeitsprüfung ist in Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK nicht ausdrücklich vorgesehen. Der Gerichtshof stellte jedoch im Fall Sporrong und Lönnroth,69 der einen „sonstigen Eingriff“ betraf, fest, dass der gesamten Konvention das Bestreben nach einem gerechten Gleichgewicht zwischen den Erfordernissen des öffentlichen Interesses und den Anforderungen der Wahrung der Menschenrechte des Einzelnen inhärent sei. Dies spiegle sich auch in der Struktur des Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK wider: For the purposes of the latter provision, the Court must determine whether a fair balance was struck between the demands of the general interest of the community and the requirements of the protection of the individual’s fundamental rights (…). The search for this balance is inherent in the whole of the Convention and is also reflected in the structure of Article 1 (P1-1).

Diese Verhältnismäßigkeitsprüfung zog der Gerichtshof in der Folge auch im Fall von Enteignungen zur Feststellung, ob eine Konventionsverletzung vorlag, heran.70 So forderte er etwa im Fall James ein vernünftiges Verhältnis zwi___________ 68 Siehe dazu z.B.: J. J. Cremona, The proportionality principle in the jurisprudence of the European Court of Human Rights in: U. Beyerlin (Hrsg.), Recht zwischen Umbruch und Bewahrung, Festschrift für Rudolf Bernhard, 1995, S. 323-330; J. MacBride, Proportionality and the European Convention on Human Rights, in: E. Ellis (Hrsg.), The principle of proportionality in the laws of Europe, 1999, S. 23-35; zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im österreichischen verfassungsrechtlichen Grundrechtsschutz siehe z.B.: M. Stelzer, Das Wesensgehaltsargument und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, 1991. 69 EGMR, Sporrong und Lönnroth gg Schweden, Urteil vom 23. September 1982, Serie A, Nr. 52. Zum Sachverhalt siehe S. 199. 70 Siehe z.B.: EGMR, James and Others gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 21. Februar 1986, Serie A, Nr. 98, § 50; Lithgow gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 8. Juli 1986, Serie A, Nr. 102, § 120; Håkansson and Sturesson gg Schweden, Urteil vom 21. Februar 1990, Serie A, Nr. 171-A, § 51; The Holy Monasteries gg Griechenland, Urteil vom 9. Dezember 1994, Serie A, Nr. 301-A, § 70; Pressos Compania Naviera S. A. und andere gg Belgien, Urteil vom 20. November 1995, Serie A, Nr. 332, § 38; Brumarescu gg Rumänien [GC], Nr. 28342/95, Urteil vom 28. Oktober 1999, ECHR 1999-VII, § 78; Piron gg Frankreich, Nr. 36436/97, Urteil vom 14. November 2000, § 41; Ehemaliger König von Griechenland gg Griechenland [GC], Urteil vom 23. November 2000, ECHR 2000-XII, § 89; Malama gg Griechenland, Urteil vom 1. März 2001, ECHR 2001-II, § 48; Lallement gg Frankreich, Nr. 46044/99, Urteil vom 11.

B. Die Rechtfertigung einer Enteignung (Menschenrechtsschutz)

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schen den zur Erreichung des öffentlichen Interesses eingesetzten Mitteln und dem Erfordernis des Schutzes der Grundrechte des Einzelnen: … but there must also be a reasonable relationship of proportionality between the means employed and the aim sought to be realised (…). This latter requirement was expressed in other terms in the Sporrong and Lönnroth judgment by the notion of the “fair balance” that must be struck between the demands of the general interest of the community and the requirements of the protection of the individual’s fundamental rights … Although the Court was speaking in that judgment in the context of the general rule of peaceful enjoyment of property enunciated in the first sentence of the first paragraph, it pointed out that “the search for this balance is ... reflected in the structure of Article 1 (P1-1)” as a whole (ibid., p. 26, para. 69).71

Der Gerichtshof führte weiters aus, dass diese von der Konvention geforderte Balance nicht vorliege, wenn die von der Enteignung betroffene Person eine individuelle und exzessive Last zu tragen habe: The requisite balance will not be found if the person concerned has had to bear “an individual and excessive burden” (…).72

Auch dieses Kriterium hat der Gerichtshof zunächst im Hinblick auf „sonstige Eingriffe“ im Fall Sporrong und Lönnroth73 entwickelt. Seit dem Urteil im Fall James wird es auch bei Enteignungen vom Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung herangezogen, um festzustellen, ob eine ungerechtfertigte Enteignung und somit eine Verletzung von Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK vorliegt.74 ___________ April 2002, § 23; Azas gg Griechenland, Nr. 50824/99, Urteil vom 19. September 2002, § 45; Pincová und Pinc gg Tschechische Republik, Urteil vom 5. November 2002, ECHR 2002-VIII, § 52; Zvolský und Zvolska gg Tschechische Republik, Urteil vom 12. November 2002, ECHR 2002-IX, § 69; Allard gg Schweden, Urteil vom 24. Juni 2003, ECHR 2003-VII, § 54; Kliafas u.a. gg Griechenland, Nr. 66810/01, Urteil vom 8. Juli 2004, § 28; Scordino gg Italien (Nr. 2), Nr. 36815/97, Urteil vom 15. Juli 2004, § 97; Draon gg Frankreich [GC], Nr. 1513/03, Urteil vom 6. Oktober 2005, § 78; Jahn and Others gg Deutschland [GC], Nr. 46720/99, 72203/01, 72552/01, Urteil vom 30. Juni 2005, § 93; Evaldsson u.a. gg Schweden, Nr. 75252/01, Urteil vom 13. Februar 2007, § 55. 71 EGMR, James and Others gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 21. Februar 1986, Serie A, Nr. 98, § 50. 72 Ibid., § 50. 73 EGMR, Sporrong und Lönnroth gg Schweden, Urteil vom 23. September 1982, Serie A, Nr. 52, § 73. 74 Siehe z.B.: EGMR, James and Others gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 21. Februar 1986, Serie A, Nr. 98, § 50; Lithgow gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 8. Juli 1986, Serie A, Nr. 102, § 120; Håkansson and Sturesson gg Schweden, Urteil vom 21. Februar 1990, Serie A, Nr. 171-A, § 51; Hentrich gg Frankreich, Urteil vom 22. September 1994, Serie A, Nr. 296-A, § 49; Tsomtsos u.a. gg Griechenland, Urteil vom 15. November 1996, ECHR 1996-V, § 42; Brumarescu gg Rumänien [GC], Nr. 28342/95, Urteil vom 28. Oktober 1999, ECHR 1999-VII, § 78; Piron gg Frankreich, Nr. 36436/97, Urteil vom 14. November 2000, § 41; Zwierzynski gg Polen, Urteil vom 19. Juni 2001, ECHR 2001-VI, § 71; Lallement gg Frankreich, Nr. 46044/99, Urteil

448

3. Teil: Die Folgen des Eigentumseingriffs

In der Folge werden jene Parameter näher erörtert, die vom EGMR zur Entscheidung, ob eine Maßnahme verhältnismäßig war, herangezogen wurden.

1. Zur Erreichung des öffentlichen Zwecks geeignet Der EGMR überprüfte regelmäßig, ob die vom Staat ergriffene Maßnahme zur Erreichung des öffentlichen Zwecks geeignet war und ob es Alternativen gegeben hätte. Damit die geforderte Ausgewogenheit zwischen den staatlichen Eingriffsinteressen und dem Interesse am Eigentumsschutz des Individuums vorliegt, muss die staatliche Maßnahme geeignet sein, den angestrebten öffentlichen Zweck zu erreichen: The Court considers that a measure must be both appropriate for achieving its aim and not disproportionate thereto.75

Allerdings ist es nicht erforderlich, dass es sich bei der Maßnahme um die gelindeste Eingriffsmöglichkeit handelt. Die Kommission führte im Fall Gillow diesbezüglich aus, dass eine große Übereinstimmung bestehe zwischen der Verhältnismäßigkeitsprüfung bei Enteignungen (Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK) und der Überprüfung, ob eine Maßnahme notwendig in einer demokratischen Gesellschaft bei Eingriffen in das Recht auf Privatleben war (Artikel 8 EMRK).76 Trotz dieser Parallele verlangte der Gerichtshof im Hinblick auf Enteignungen ausdrücklich nicht, dass die ergriffene Maßnahme notwendig war, also kein gelinderes Mittel zur Zielerreichung verfügbar gewesen wäre77: This amounts to reading a test of strict necessity into the Article, an interpretation which the Court does not find warranted. The availability of alternative solutions does not in itself render the leasehold reform legislation unjustified; it constitutes one factor, along with others, relevant for determining whether the means chosen could

___________ vom 11. April 2002, § 18; Pincová und Pinc gg Tschechische Republik, Urteil vom 5. November 2002, ECHR 2002-VIII, § 64; Zvolský und Zvolska gg Tschechische Republik, Urteil vom 12. November 2002, ECHR 2002-IX, § 71; Allard gg Schweden, Urteil vom 24. Juni 2003, ECHR 2003-VII, § 61; Tregubenko gg Ukraine, Nr. 61333/00, Urteil vom 2. November 2004, § 55; Draon gg Frankreich [GC], Nr. 1513/03, Urteil vom 6. Oktober 2005, § 85; Jahn and Others gg Deutschland [GC], Nr. 46720/99, 72203/01, 72552/01, Urteil vom 30. Juni 2005, § 95; Evaldsson u.a. gg Schweden, Nr. 75252/01, Urteil vom 13. Februar 2007, § 55. 75 EGMR, James and Others gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 21. Februar 1986, Serie A, Nr. 98, § 50. 76 EKMR, Gillow gg Vereinigtes Königreich, Kommissionsbericht gemäß Artikel 31 vom 3. Oktober 1984, abgedruckt in EGMR, Serie A, Nr. 109, § 154. 77 I.d.S. auch P. Mittelberger, Der Eigentumsschutz nach Art. 1 des ersten Zusatzprotokolls zur EMRK im Lichte der Rechtsprechung der Strassburger Organe, S. 123 f.; C. Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention3, 2007, Kapitel 25, Wirtschaftliche Grundrechte, Rz 17; K. Gelinsky, Der Schutz des Eigentums gemäß Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention, 1996, S. 104 ff.

B. Die Rechtfertigung einer Enteignung (Menschenrechtsschutz)

449

be regarded as reasonable and suited to achieving the legitimate aim being pursued, having regard to the need to strike a “fair balance”. Provided the legislature remained within these bounds, it is not for the Court to say whether the legislation represented the best solution for dealing with the problem or whether the legislative discretion should have been exercised in another way (…).78

Somit ist das Bestehen von alternativen Möglichkeiten/gelinderen Mitteln, das angestrebte öffentliche Ziel zu erreichen, nur ein Parameter bei der Abwägung, ob ein fairer Ausgleich zwischen staatlichen und Individualinteressen von den Behörden getroffen wurde. Der Fall Hentrich79 ist ein Beispiel für ein Urteil, in dem der Gerichtshof das Vorliegen gelinderer Mittel zur Erreichung des angestrebten öffentlichen Interesses im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung berücksichtigte. Der Fall betraf ein staatliches Vorkaufsrecht im Ermessen der Behörde. Der EGMR wies darauf hin, dass der Staat das mit der Maßnahme verfolgte Ziel – Verhinderung von Steuerhinterziehung – auch mit anderen Maßnahmen hätte erreichen können: Furthermore, the State has other suitable methods at its disposal for discouraging tax evasion where it has serious grounds for suspecting that this is taking place; it can, for instance, take legal proceedings to recover unpaid tax and, if necessary, impose tax fines. Systematic use of these procedures, combined with the threat of criminal proceedings, should be an adequate weapon.80

Weiters berücksichtigte der EGMR, dass die Enteignung ohne vorwerfbares Handeln der Beschwerdeführerin erfolgte. Zudem war unvorhersehbar, in welchen Fällen der Staat sein Vorkaufsrecht ausüben würde, und es bestand keine Möglichkeit, diese Maßnahme zu bekämpfen. Diese drei Umstände zusammen bewirkten, dass der Gerichtshof der Meinung war, dass Frau Hentrich eine individuelle und exzessive Last zu tragen hatte. Daher war kein fairer Ausgleich geschaffen worden, und es lag eine Konventionsverletzung vor.81 Auch im Fall Rosenzweig82 berücksichtigte der EGMR im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung, dass von den Zollbehörden das härtest mögliche Mittel zur Erreichung der Einhaltung der Zollvorschriften angewandt worden war. Dem Beschwerdeführer war eine Genehmigung, ein Zollverschlusslager zu betreiben, durch die Zollbehörden entzogen worden. Dass es sich bei dem ___________ 78 EGMR, James and Others gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 21. Februar 1986, Serie A, Nr. 98, § 51. Ebenso im Hinblick auf Nutzungsregelungen: EGMR, Mellacher gg Österreich, Urteil vom 19. Dezember 1989, Serie A, Nr. 169, § 53. 79 EGMR, Hentrich gg Frankreich, Urteil vom 22. September 1994, Serie A, Nr. 296-A. Zum Sachverhalt siehe oben S. 442. 80 Ibid., § 47. 81 Ibid., §§ 47–49. 82 EGMR, Rosenzweig and Bonded Warehouses Ltd. gg Polen, Nr. 51728/99, Urteil vom 28. Juli 2005.

450

3. Teil: Die Folgen des Eigentumseingriffs

Eingriff nach Ansicht des EGMR nicht um eine Enteignung, sondern um eine Nutzungsregelung handelte, ist für die behandelte Frage unerheblich. Der Ermessensspielraum der Staaten ist bei Nutzungsregelungen größer als bei Enteignungen. Wenn eine staatliche Eingriffsmaßnahme daher bereits bei einer Nutzungsregelung zu einem unverhältnismäßigen Eingriff führt, tut sie das umso mehr bei einer Enteignung. Der EGMR betonte, dass nicht ersichtlich sei, warum der Staat die härteste aller möglichen Kontrollmaßnahmen, nämlich den Entzug der Genehmigung, angewandt hatte. Er hielt fest, dass von der Regierung keine Argumente vorgebracht worden waren, die darlegten, wieso diese Maßnahme zur Erreichung des angestrebten Ziels verhältnismäßig war: … the Court observes that no explanation has been provided as to why the form of control adopted in the case was the harshest one possible under domestic law, i.e. the withdrawal of the licence. … Importantly, the Court notes that in the present case no case-specific circumstances were adduced to justify the control measures adopted by the authorities in respect of the first applicant and his company. In particular, no argument has been presented to show the proportionality of these measures to the aim ostensibly sought by the authorities.83

Weiters berücksichtigte der EGMR, dass von Seiten des Beschwerdeführers kein vorwerfbares Verhalten, wie etwa der Versuch einer Steuerhinterziehung, feststellbar war, welches eine derartige Vorgangsweise zur Erreichung des öffentlichen Interesses hätte gerechtfertigt erscheinen lassen. Der EGMR stellte in der Folge eine Verletzung von Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK durch den Entzug der Genehmigung fest. Zusammenfassend sei wiederholt, dass die erörterten Fälle belegen, dass der EGMR das Bestehen von weniger eingriffsintensiven Möglichkeiten zur Erreichung des angestrebten öffentlichen Ziels bei der Abwägung, ob ein fairer Ausgleich zwischen staatlichen und Individualinteressen erfolgte, berücksichtigt. Allerdings ist dieser Umstand nur einer von mehreren Parametern, die der Gerichtshof bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung berücksichtigte. Er verlangte im Hinblick auf Enteignungen ausdrücklich nicht, dass die ergriffene Maßnahme notwendig war, also kein gelinderes Mittel zur Zielerreichung verfügbar gewesen wäre.

___________ 83

Ibid., §§ 56, 57.

B. Die Rechtfertigung einer Enteignung (Menschenrechtsschutz)

451

2. Dringlichkeit des öffentlichen Zwecks Ferner muss die Enteignung, um verhältnismäßig zu sein, einem dringenden öffentlichen Interesse dienen. Im Fall Motais de Narbonne gg Frankreich84 wurde 19 Jahre lang der Grund für die Enteignung (Wohnraumbeschaffung) nicht verwirklicht.85 Die ehemaligen Eigentümer erhielten eine zum Zeitpunkt der Enteignung dem Marktwert entsprechende Entschädigung. Die Grundstücke waren in der Zwischenzeit erheblich an Wert gestiegen. Es bestand kein öffentliches Interesse daran, die Grundstücke solange in Reserve zu halten. Der Gerichtshof stellte fest, dass die ehemaligen Eigentümer in unzulässiger Weise um den Mehrertrag der Grundstücke gebracht worden waren. Dies sei eine unzumutbare und unzulässige Belastung der ehemaligen Eigentümer gewesen: Selon la Cour, il peut également en aller de la sorte lorsqu’un laps de temps notable s’écoule entre la prise d’une décision portant expropriation d’un bien et la réalisation concrète du projet d’utilité publique fondant la privation de propriété. Dans un tel cas, l’expropriation peut avoir pour effet de priver l’individu concerné d’une plusvalue générée par le bien en cause; si cette privation spécifique ne repose pas ellemême sur une raison légitime tenant de l’utilité publique, l’individu concerné peut subir une charge additionnelle, incompatible avec les exigences de l’article 1 du Protocole n° 1 … .86 … La Cour n’y décèle aucun élément dont il pourrait être déduit que la non réalisation de l’opération d’urbanisation prévue et, conséquemment, le maintien du terrain en réserve foncière, reposent sur une quelconque raison tenant de l’utilité publique. Bref, dans les circonstances particulières de leur cause, les requérants sont fondés à soutenir qu’ils ont été indûment privés d’une plus value engendrée par le bien exproprié et ont, en conséquence, subi une charge excessive du fait de l’expropriation litigieuse. Partant, il y a violation de l’article 1 du Protocole n° 1.87

Somit ist eine Enteignung unverhältnismäßig, wenn kein dringender Bedarf bestand. Wie bereits erwähnt88 berücksichtigte der EGMR in einer Reihe von Fällen ein mangelndes öffentliches Interesse am Eingriff bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs.89 Ein typisches Beispiel dafür ist der Fall ___________ 84

EGMR, Motais de Narbonne gg Frankreich, Nr. 48161/99, Urteil vom 2. Juli 2002. 85 Ibid., § 20. 86 Ibid., § 19. 87 Ibid., §§ 22, 23. 88 Siehe oben, S. 436 f. 89 Siehe z.B.: EGMR, Tsomtsos u.a. gg Griechenland, Urteil vom 15. November 1996, ECHR 1996-V, § 40; Katikaridis u.a. gg Griechenland, Urteil vom 15. November, ECHR 1996-V, § 49; Brumarescu gg Rumänien [GC], Nr. 28342/95, Urteil vom 28. Oktober 1999, ECHR 1999-VI, § 80; ZwierzyĔski gg Polen, Nr. 34049/96, Urteil vom

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3. Teil: Die Folgen des Eigentumseingriffs

ZwierzyĔski gg Polen.90 Der Vater des Beschwerdeführers war enteignet worden. Der Titel wurde rückwirkend wiederhergestellt, jedoch wurde der Besitz nicht rückübertragen. Die Polizei räumte die Gebäude trotz eines Verwaltungsentscheides, wonach die Gebäude an den mittlerweile verstorbenen Vater zurückzustellen seien, nicht. Der Gerichtshof stellte fest, dass kein öffentliches Interesse vorliege, das eine derartige Vorgangsweise rechtfertigen könne: The Court can find no justification for the situation in which the public authorities have placed the applicant. It cannot discern in the present case any genuine “public interest” that would justify a deprivation of possessions. … In the instant case, the Court considers that the “fair balance” referred to above has been upset and that the applicant has borne and continues to bear an individual and excessive burden. It finds therefore that there has been a violation of Article 1 of Protocol No. 1.91

Der Gerichtshof berücksichtigte das mangelnde öffentliche Interesse bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung, statt bereits aufgrund des Fehlens eines öffentlichen Interesses eine Verletzung von Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK festzustellen.92 Somit führte ein mangelndes öffentliches Interesse an einer Enteignung wiederholt dazu, dass sie vom EGMR als unverhältnismäßig angesehen wurde.

3. Eingriff in „legitimate expectations“ Wie eine Reihe von Urteilen deutlich macht, berücksichtigte der Gerichtshof bei der Abwägung, ob eine Enteignung verhältnismäßig war, ob in berechtigte Erwartungen eingegriffen worden war. Er tat dies im Übrigen auch zur Entscheidung, ob bei Nutzungsregelungen93 oder sonstigen Eingriffen94 das Ver___________ 19. Juni 2001, ECHR 2001-VI, §§ 72–74; Tregubenko gg Ukraine, Nr. 61333/00, Urteil vom 2. November 2004, § 54. 90 EGMR, ZwierzyĔski gg Polen, Nr. 34049/96, Urteil vom 19. Juni 2001, ECHR 2001-VI. 91 Ibid., §§ 72–74. 92 Ähnlich ist die Vorgangsweise in Tregubenko gg Ukraine (Nr. 61333/00, Urteil vom 2. November 2004), wo der EGMR darauf hinwies (§ 54), dass mangelnde finanzielle Ressourcen keine Rechtfertigung für die Aufhebung eines rechtskräftigen Urteils sein können. 93 Siehe z.B.: EGMR, Allan Jacobson gg Schweden, Urteil vom 25. September 1989, Serie A, Nr. 163. Im Fall Allan Jacobson wollte der Beschwerdeführer sein Grundstück teilen und ein zweites Haus errichten. Der Gerichtshof betonte in der Verhältnismäßigkeitsprüfung, dass der Beschwerdeführer bereits zum Kaufzeitpunkt seines Grundstückes von möglichen Einschränkungen der Bebauungsmöglichkeit wusste:

B. Die Rechtfertigung einer Enteignung (Menschenrechtsschutz)

453

hältnismäßigkeitserfordernis gewahrt wurde oder eine Verletzung von Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK vorlag. Im Fall Håkansson and Sturesson gg Schweden95 kam es zu einem von einer Agrarbehörde angeordneten Zwangswiederverkauf eines Grundstücks, das im Zuge einer Zwangsversteigerung erworben worden war. Der Eigentümer hätte eine behördliche Bewilligung benötigt, um das Grundstück länger als zwei Jahre behalten zu dürfen. Diese wurde ihm unter Hinweis auf Rationalisierungserfordernisse in der Landwirtschaft verweigert. Die Eigentümer wussten um diese Bedingung und kauften dennoch zu einem Preis, der über dem Marktwert lag.96 Im Zuge des Zwangswiederverkaufs erhielten sie nur den Marktwert minus im Zuge des Zwangsverkaufs angefallener Kosten. Diese Summe lag erheblich un___________ 61. Like the Commission, the Court considers that the applicant cannot reasonably have been unaware of the state of the law when he bought the property. Dies war mit ausschlaggebend dafür, dass der Gerichtshof feststellte, dass keine unzulässige Einschränkung des Nutzungsrechts vorlag. Im Fall Fredin (EGMR, Fredin gg Schweden (Nr. 1), Urteil vom 18. Februar 1991, Serie A, Nr. 192) wies der Gerichtshof im Hinblick auf den Entzug einer Kieselabbauberechtigung darauf hin, dass keine berechtigten Erwartungen bestanden, dass die Eigentümer das Grundstück auf unbestimmte Zeit zum Kieselabbau nutzen dürften. Er verneinte daher das Vorliegen einer unverhältnismäßigen Nutzungsregelung: 54 … Accordingly, when embarking on their investments, the applicants could have relied only on the authorities’ obligation, when taking decisions relating to nature conservation, to take due account of their interests, as prescribed in section 3 of the 1964 Act (…). This obligation cannot, at the time the applicants made their investments, reasonably have founded any legitimate expectations on their part of being able to continue exploitation for a long period of time. … 55. … the Court finds that it cannot be said that the revocation decision complained of by the applicants was inappropriate or disproportionate. (Hervorhebung durch die Autorin). 94 Siehe z.B.: EGMR, Smokovitis gg Griechenland, Nr. 46356/99, Urteil vom 11. April 2002, §§ 32–34. Gegenstand des Verfahrens war eine Forschungszulage, die den Beschwerdeführern gemäß einem Urteil eines erstinstanzlichen Gerichts zustand. Noch während des Berufungsverfahrens durch die Schule wurde ein rückwirkendes Gesetz erlassen, wonach die Zulage nicht ständig beschäftigten Lehrern nicht zustand. Der Gerichtshof überprüfte innerstaatliche Urteile in ähnlich gelagerten Fällen, die noch vor Inkrafttreten des Gesetzes ergangen waren, und die vielfach feststellten, dass die Zulage sowohl ständig als auch nicht ständig beschäftigten Lehrern zustehe. Daher bestand eine „berechtigte Erwartung“, dass die Gerichte zugunsten der Beschwerdeführer entschieden hätten, wäre nicht inzwischen das rückwirkend geltende Gesetz erlassen worden. Der rückwirkende gesetzliche Eingriff in die Eigentumsrechte des Beschwerdeführers zu diesem Zeitpunkt des Verfahrens verletzte den erforderlichen gerechten Ausgleich zwischen staatlichen Interessen und dem Interesse des Individuums am Eigentumsschutz. 95 EGMR, Håkansson and Sturesson gg Schweden, Urteil vom 21. Februar 1990, Serie A, Nr. 171-A 96 Ibid., § 53.

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3. Teil: Die Folgen des Eigentumseingriffs

ter dem Kaufpreis.97 Für den Gerichtshof war es bei der Einschätzung, ob die Enteignung verhältnismäßig war, wesentlich, dass die Eigentümer das angeführte Risiko eingegangen waren: … Prospective buyers thus had to bear in mind the risk that they might have to resell the estate within two years on the conditions laid down in the 1979 Act. … … In sum, and particularly in view of the risks deliberately taken by them when they bought Risböke 1:3, the applicants have not been made to carry an individual and excessive burden in this case.98

Somit war es bei der Abwägung zwischen staatlichem Rationalisierungsinteresse und dem Schutz des Eigentums der Individuen für den Gerichtshof entscheidend, dass keine berechtigte Erwartung der Eigentümer bestanden hatte, das Grundstück behalten zu dürfen oder den Kaufpreis rückerstattet zu bekommen. Im Fall Pressos Compania Naviera S.A. and Others gg Belgien99 wurden durch ein Gesetz aus dem Jahr 1988 mit Rückwirkung von 30 Jahren Schadenersatzansprüche gegen den Staat und gegen den für einen Lotsendienst Verantwortlichen ausgeschlossen, die gemäß einem Urteil des Belgischen Kassationsgerichtshofs aus 1983 bestanden hatten. Der Gerichtshof stellte im Zusammenhang mit der Frage, ob ein geschütztes Eigentumsrecht vorlag, fest, dass die Beschwerdeführer eine berechtigte Erwartung hatten, dass ihre Schadenersatzansprüche gemäß allgemeinem Schadenersatzrecht behandelt würden. Es bestand eine berechtigte Erwartung darauf, dass eine bestehende Judikaturlinie der nationalen Gerichte bei unveränderter Gesetzeslage fortgesetzt würde. Der Gerichtshof entschied, dass ein rückwirkender Eingriff in derartige berechtigte Erwartungen unverhältnismäßig sei. Er wies darauf hin, dass ein Gesetz, das nur in Zukunft derartige Ansprüche beseitigt, gerechtfertigt sein könnte: The financial considerations cited by the Government and their concern to bring Belgian law into line with the law of neighbouring countries could warrant prospective legislation in this area to derogate from the general law of tort. Such considerations could not justify legislating with retrospective effect with the aim and consequence of depriving the applicants of their claims for compensation. Such a fundamental interference with the applicants’ rights is inconsistent with preserving a fair balance between the interests at stake.100

___________ 97

Ibid., § 54. Ibid., §§ 53, 55. 99 EGMR, Pressos Compania Naviera S. A. u.a. gg Belgien, Urteil vom 20. November 1995, Serie A, Nr. 332. Zum Sachverhalt siehe auch oben, S. 118. 100 Ibid., § 43. 98

B. Die Rechtfertigung einer Enteignung (Menschenrechtsschutz)

455

Ebenso verhielt es sich etwa in den Fällen Draon gg Frankreich101, Maurice gg Frankreich102 und Lecarpentier ua gg Frankreich.103 Auch hier bewirkte ein nachträglicher gesetzlicher Eingriff den Wegfall von Ansprüchen, die aufgrund der ständigen Judikatur zum Zeitpunkt, als sich der Sachverhalt ereignet hatte, bestanden hatten. Der EGMR betonte im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung mehrfach, dass es sich dabei um einen Eingriff in berechtigte Erwartungen handelte: The French legislature thereby deprived the applicants of an existing “asset” which they previously possessed, namely an established claim to recovery of damages which they could legitimately expect to be determined in accordance with the decided case-law of the highest courts of the land.104

Angesichts eines massiven Eingriffs in die Rechte der Beschwerdeführer sei der erforderliche gerechte Ausgleich zwischen dem öffentlichen Interesse am Eingriff und dem Schutz des Rechts auf Achtung des Eigentums nicht getroffen worden: … the Government could not, in the instant case, legitimise retrospective action whose result was to deprive the applicants, without sufficient compensation, of a substantial portion of the damages they had claimed, thus making them bear an individual and excessive burden. Such a radical interference with the applicants’ rights upset the fair balance to be maintained between the demands of the general interest on the one hand and protection of the right to peaceful enjoyment of possessions on the other.105

Auch im Fall Lecarpentier ua gg Frankreich106 nahm der Gerichtshof im Zuge der Verhältnismäßigkeitsprüfung ausdrücklich auf den rückwirkenden Eingriff in berechtigte Erwartungen Bezug. Dies führte zur Feststellung einer Verletzung von Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK: Or, …, l’article 87 de la loi du 12 avril 1996 a définitivement réglé le fond du litige en donnant raison à l’une des parties, privant les requérants d’une « valeur patrimoniale » préexistante et faisant partie de leurs « biens », dont ils pouvaient légitimement espérer obtenir le remboursement. De l’avis de la Cour, la mesure litigieuse a fait peser une « charge anormale et exorbitante » sur les requérants (…) et l’atteinte portée à leurs biens a revêtu un caractère disproportionné, rompant le juste équilibre entre les exigences de l’intérêt général de la communauté et les impératifs de la sauvegarde des droits fondamentaux des individus.

___________ 101

EGMR, Draon gg Frankreich [GC], Nr. 1513/03, Urteil vom 6. Oktober 2005. EGMR, Maurice gg Frankreich [GC], Nr. 11810/03, Urteil vom 6. Oktober 2005. 103 EGMR, Lecarpentier gg Frankreich, Nr. 67847/01, Urteil vom 14. Februar 2006. 104 EGMR, Draon gg Frankreich [GC], Nr. 1513/03, Urteil vom 6. Oktober 2005, § 82. 105 Ibid., § 85. 106 EGMR, Lecarpentier gg Frankreich, Nr. 67847/01, Urteil vom 14. Februar 2006. 102

456

3. Teil: Die Folgen des Eigentumseingriffs

Die Fälle zeigen, dass das Vorliegen bzw. Fehlen von berechtigten Erwartungen im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung direkten Einfluss auf die Entscheidung des Gerichtshofs, ob eine gerechtfertigte Enteignung vorlag, hatte. So führte ein Fehlen derartiger Erwartungen dazu, dass der EGMR davon ausging, dass der Eingriff verhältnismäßig war, obwohl die Entschädigung erheblich niedriger als der geleistete Kaufpreis war. In den anderen erwähnten Fällen, in denen in berechtigte Erwartungen eingegriffen und nicht oder nur in einem nicht dem Wert des entzogenen Vermögens entsprechendem Umfang entschädigt worden war, stellte er eine Verletzung des Rechts auf Achtung des Eigentums fest. Somit ist es im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung ein wichtiger Faktor, ob durch die Enteignung in berechtigte Erwartungen des Eigentümers eingegriffen worden war.

4. Entschädigungspflicht? Ein besonders wichtiges Element in der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist die Frage, ob und in welcher Höhe vom Staat für die Enteignung entschädigt wurde. Der Text von Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK selbst enthält keine expliziten Ausführungen zur Frage der Entschädigung für Eigentumseingriffe. Er enthält lediglich einen Verweis auf die allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts: No one shall be deprived of his possessions except in the public interest and subject to the conditions provided for by law and by the general principles of international law. … .107

Bereits aus den travaux préparatoires zur Konvention ergibt sich, dass die Staaten der Auffassung waren, dass der Verweis auf die allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts eine Verpflichtung zu Entschädigung von Ausländern im Fall ihrer Enteignung mit sich bringt.108 Der Gerichtshof betonte jedoch mehr___________ 107

Hervorhebung durch die Autorin. Travaux préparatoire de l’article 1er du Protocole additionnel à la Convention, DH (57) 10, S. 169: Tenth Session of the Committee of Ministers, Paris, 19th and 20th March 1952 Resolution (52) 1 was adopted at that meeting and is worded as follows: The Committee of Ministers, … Recognising that, as regards Article 1, the general principles of international law in their present connotation entail the obligation to pay compensation to nonnationals in cases of expropriation, … Approves the test of the Protocol to the Convention for the Protection of Human Rights and Fundamental Freedoms … (Hervorhebung durch die Autorin). 108

B. Die Rechtfertigung einer Enteignung (Menschenrechtsschutz)

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fach, dass sich Inländer nicht auf diesen Verweis berufen können.109 Er ging daher davon aus, dass es sich um einen Rechtsgrundverweis und nicht um einen Rechtsfolgenverweis handelt.110 In der Judikatur des Gerichtshofs spielte der Verweis auf die allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts bisher keine Rolle. Der EGMR leitete aus dem Verweis jedoch nicht ab, dass die Vertragsparteien gegenüber ihren Staatsangehörigen überhaupt keine Entschädigungspflicht treffe. Im Gegenteil, er hielt in ständiger Rechtsprechung fest, dass bei der Bewertung, ob dem Einzelnen nicht im öffentlichen Interesse eine unverhältnismäßige Belastung aufgebürdet worden sei, etwaige Entschädigungsregelungen eine wichtige Rolle spielen.111 Der Gerichtshof leitete eine grundsätzliche Entschädigungspflicht aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip unter Bezugnahme auf die nationalen Rechtsordnungen der Vertragsparteien ab: … the Court observes that under the legal systems of the Contracting States, the taking of property in the public interest without payment of compensation is treated as justifiable only in exceptional circumstances not relevant for present purposes. As far

___________ 109

EGMR, James and Others gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 21. Februar 1986, Serie A, Nr. 98, §§ 58–66; Lithgow gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 8. Juli 1986, Serie A, Nr. 102, §§ 111–119; EKMR, Gudmundsson gg Island, Nr. 511/59, Entscheidung vom 20. Dezember 1960, 3 YB 1960, 394, S. 423 f.; X gg BRD, Nr. 1870/63, Entscheidung vom 16. Dezember 1965, 8 YB 1965, 218, S. 226 f. 110 Siehe dazu: K. Gelinsky, Der Schutz des Eigentums gemäß Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention, 1996, S. 109; J. A. Frowein, Der Eigentumsschutz in der Europäischen Menschenrechtskonvention, in: G. Pfeiffer, G. Wiese, K. Zimmermann (Hrsg.), Festschrift für Heinz Rowedder zum 75. Geburtstag, 1994, 56 f.; I. Seidl-Hohenveldern, Eigentumsschutz nach der EMRK und nach allgemeinem Völkerrecht im Lichte der EGMR-Entscheidungen in den Fällen James und Lithgow, in: M. Nowak/D. Steurer/H. Tretter (Hrsg.), Fortschritt im Bewusstsein der Grund- und Menschenrechte: Festschrift für Felix Ermacora, 1988, S. 181 ff.; E. Riedel, Entschädigung für Eigentumsentzug nach Artikel 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention, 15 EuGRZ 1988, S. 336 ff.; R. Dolzer, Eigentumsschutz als Abwägungsgebot, in: W. Fürst/R. Herzog/D. C. Umbach (Hrsg.), Festschrift für Wolfgang Zeidler, 1987, S. 1685 ff.; W. Peukert, Der Schutz des Eigentums nach Art. 1 des ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention, 8 EuGRZ 1981, S. 107 f. 111 Siehe z.B.: EGMR, James and Others gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 21. Februar 1986, Serie A, Nr. 98, § 54; Lithgow gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 8. Juli 1986, Serie A, Nr. 102, § 120. Siehe ferner z.B.: EGMR, The Holy Monasteries gg Griechenland, Urteil vom 9. Dezember 1994, Serie A, Nr. 301-A, § 71; Pressos Compania Naviera S. A. und andere gg Belgien, Urteil vom 20. November 1995, Serie A, Nr. 332, § 38; Ehemaliger König von Griechenland gg Griechenland [GC], Urteil vom 23. November 2000, ECHR 2000-XII, § 89; Platakou gg Griechenland, Urteil vom 11. Jänner 2001, ECHR 2001-I, § 55; Malama gg Griechenland, Urteil vom 1. März 2001, ECHR 2001-II, § 48; Zvolský und Zvolska gg Tschechische Republik, Urteil vom 12. November 2002, ECHR 2002-IX, § 70; Jahn and Others gg Deutschland [GC], Nr. 46720/99, 72203/01, 72552/01, Urteil vom 30. Juni 2005, § 94; StraƱn u.a. gg Rumänien, Nr. 57001/00, Urteil vom 21. Juli 2005, § 52; Draon gg Frankreich [GC], Nr. 1513/03, Urteil vom 6. Oktober 2005, § 79.

458

3. Teil: Die Folgen des Eigentumseingriffs

as Article 1 (P1-1) is concerned, the protection of the right of property it affords would be largely illusory and ineffective in the absence of any equivalent principle. Clearly, compensation terms are material to the assessment whether the contested legislation respects a fair balance between the various interests at stake and, notably, whether it does not impose a disproportionate burden on the applicants (…).112

In der Folge betonte der EGMR in ständiger Rechtsprechung, dass eine entschädigungslose Enteignung nur in Ausnahmefällen gerechtfertigt sei: … a total lack of compensation can be considered justifiable under Article 1 (P1-1) only in exceptional circumstances.113

Somit ist eine entschädigungslose Enteignung zwar nicht per se rechtswidrig. Sie darf aber zu keiner unverhältnismäßigen Belastung für den Enteigneten führen.114 Bei der Feststellung, ob eine unverhältnismäßige Belastung vorliegt, finden eine Reihe von Faktoren Beachtung. Diese werden im folgenden Kapitel näher analysiert.

5. Umfang der Entschädigung Hinsichtlich der Höhe der Entschädigung stellte der Gerichtshof bei Enteignungen fest, dass diese grundsätzlich in einem „vernünftigen Verhältnis“ zum Wert des enteigneten Objekts stehen müsse: … the taking of property without payment of an amount reasonably related to its value would normally constitute a disproportionate interference which could not be considered justifiable under Article 1 (P1-1).115

___________ 112

EGMR, James and Others gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 21. Februar 1986, Serie A, Nr. 98, § 54. 113 EGMR, The Holy Monasteries gg Griechenland, Urteil vom 9. Dezember 1994, Serie A, Nr. 301-A, § 71. Siehe ferner z.B.: EGMR, Pressos Compania Naviera S. A. und andere gg Belgien, Urteil vom 20. November 1995, Serie A, Nr. 332, § 38; Ehemaliger König von Griechenland gg Griechenland, Urteil vom 23. November 2000, ECHR 2000-XII, § 89; Malama gg Griechenland, Urteil vom 1. März 2001, ECHR 2001-II, § 48; Zvolský und Zvolska gg Tschechische Republik, Urteil vom 12. November 2002, ECHR 2002-IX, § 70; Broniowski gg Polen [GC], Nr. 31443/96, Urteil vom 22. Juni 2004, ECHR 2004-V, § 176; I.R.S. gg Türkei, Nr. 26338/95, Urteil vom 20. Juli 2004, § 49; Jahn and Others gg Deutschland [GC], Nr. 46720/99, 72203/01, 72552/01, Urteil vom 30. Juni 2005, § 94; StraƱn u.a. gg Rumänien, Nr. 57001/00, Urteil vom 21. Juli 2005, § 52; Draon gg Frankreich [GC], Nr. 1513/03, Urteil vom 6. Oktober 2005, § 79. 114 EGMR, Ehemaliger König von Griechenland gg Griechenland, Urteil vom 23. November 2000, ECHR 2000-XII, § 90; Zvolský und Zvolska gg Tschechische Republik, Urteil vom 12. November 2002, ECHR 2002-IX, § 71. 115 EGMR, James and Others gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 21. Februar 1986, Serie A, Nr. 98, § 54. Siehe ferner z.B.: EGMR, Lithgow gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 8. Juli 1986, Serie A, Nr. 102, § 121; The Holy Monasteries gg Griechenland, Urteil vom 9. Dezember 1994, Serie A, Nr. 301-A, § 71; Pressos Compania

B. Die Rechtfertigung einer Enteignung (Menschenrechtsschutz)

459

Wie der Gerichtshof im Fall Pincová und Pinc gg Tschechische Republik116 ausführte, ist dieses Verhältnis nicht gewahrt, wenn den enteigneten Eigentümern nur der Kaufpreis, den diese 30 Jahre zuvor bezahlt hatten, rückerstattet wird.117 Als noch in einem vernünftigen Verhältnis zum Wert der entzogenen Grundstücksteile sah der EGMR die Entschädigung im Fall Papachelas gg Griechenland118 an. Der Fall betraf eine Enteignung von mehr als 150 Grundstücken für den Bau einer Hauptstraße. Darunter war auch ein Teil des Grundstücks des Beschwerdeführers. Die Regierung entschädigte mit 52.000 GDR pro Quadratmeter. Ein Bericht beeideter Grundstücksbewerter setzte den Grundstückswert mit 53.621 GDR pro Quadratmeter an. Trotz der Differenz von 1.621 GDR pro Quadratmeter war die Entschädigung nach Ansicht des Gerichtshofs in einem vernünftigen Verhältnis zum Wert des enteigneten Grundstücks.119 Nicht in einem vernünftigen Verhältnis zum Wert der entzogenen Sache war nach für den EGMR hingegen die Entschädigung im Fall Platakou gg Griechenland.120 Der griechische Staat hatte das Haus der Beschwerdeführerin in Sparta enteignet, um ein Museum unterzubringen. Sie erhielt dafür nur 30.000.000 GRD an Entschädigung, obwohl ein Schätzgutachten aus demselben Jahr den Wert mit 117.088.000 GRD und ein Sachverständigengutachten aus 1999 mit 147.522.400 GRD beziffert hatte. Der EGMR stellte fest, dass die Klägerin bewiesen hatte, dass die Entschädigung nicht in einem vernünftigen Verhältnis zum Wert des Eigentums stand.121 Er sprach ihr daher die Differenz zwischen der eingeklagten Summe von 120.000.000 GDR und der vom Staat gezahlten Entschädigung von 30.000.000 GRD zu.122 ___________ Naviera S. A. und andere gg Belgien, Urteil vom 20. November 1995, Serie A, Nr. 332, § 38; Ehemaliger König von Griechenland gg Griechenland, Urteil vom 23. November 2000, ECHR 2000-XII, § 89; Lallement gg Frankreich, Nr. 46044/99, Urteil vom 11. April 2002, § 18; Motais de Narbonne gg Frankreich, Nr. 48161/99, Urteil vom 2. Juli 2002, § 19; Pincová und Pinc gg Tschechische Republik, Urteil vom 5. November 2002, ECHR 2002-VIII, § 53; Broniowski gg Polen [GC], Nr. 31443/96, Urteil vom 22. Juni 2004, ECHR 2004-V, § 176; Jahn and Others gg Deutschland [GC], Nr. 46720/99, 72203/01, 72552/01, Urteil vom 30. Juni 2005, § 94; StraƱn u.a. gg Rumänien, Nr. 57001/00, Urteil vom 21. Juli 2005, § 52; Draon gg Frankreich [GC], Nr. 1513/03, Urteil vom 6. Oktober 2005, § 79. 116 EGMR, Pincová und Pinc gg Tschechische Republik, Urteil vom 5. November 2002, ECHR 2002-VIII. 117 Ibid., § 61. 118 EGMR, Papachelas gg Griechenland [GC], Urteil vom 25. März 1999, ECHR 1999-II. 119 Ibid., §§ 48–50. 120 EGMR, Platakou gg Griechenland, Urteil vom 11. Jänner 2001, ECHR 2001-I. 121 Ibid., §§ 56, 57. 122 Ibid., §§ 59–61.

460

3. Teil: Die Folgen des Eigentumseingriffs

Ebenfalls nicht in einem vernünftigen Verhältnis zum Wert der entzogenen Sache war nach Auffassung des EGMR die Entschädigung im Fall Scordino gg Italien.123 Das für ein Straßenbauvorhaben entzogene Grundstück wurde nur mit dem halben Verkehrswert entschädigt. Zudem mussten von der Entschädigung noch 20% Steuer gezahlt werden. Es lagen keine besonderen Umstände vor, die eine derartige Verminderung der Entschädigung gerechtfertigt hätten, und daher lag eine Verletzung von Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK vor: Having regard to all the foregoing considerations, the Court considers that the compensation awarded to the applicants was inadequate, given the low amount awarded and the lack of public-interest grounds capable of justifying less than compensation of the market value of the property. Accordingly, the applicants have had to bear a disproportionate and excessive burden which cannot be justified by a legitimate aim in the public interest pursued by the authorities. Consequently, there has been a violation of Article 1 of Protocol No. 1.124

Jedoch garantiere Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK nicht unter allen Umständen das Recht auf eine volle Entschädigung: Article 1 (P1-1) does not, however, guarantee a right to full compensation in all circumstances.125

Der EGMR berücksichtigte eine Reihe Faktoren bei der Entscheidung, ob eine bereits vom Staat geleistete Entschädigung ausreichte. Diese Kriterien legte er auch seiner eigenen Bemessung einer angemessenen Entschädigung im Rahmen von Artikel 41 EMRK zu Grunde. Die wichtigsten werden in der Folge erörtert.

a) War die Enteignung an sich rechtmäßig und im öffentlichen Interesse? Aus der Judikatur des EGMR wird deutlich, dass er im Hinblick auf die erforderliche Entschädigung zwischen per se rechtmäßigen und per se rechtswidrigen Enteignungen unterscheidet.126 Unter per se rechtmäßigen Enteignungen versteht der Gerichtshof solche, die sowohl gesetzmäßig als auch im öffentlichen Interesse erfolgten und nur wegen keiner oder zu geringer Entschädigung konventionswidrig waren. Wie die folgenden Beispiele zeigen, hat dieser Um___________ 123

EGMR, Scordino gg Italien (Nr. 1) [GC], Nr. 36813/97, Urteil vom 29. März

2006. 124

Ibid., §§ 103, 104. EGMR, James and Others gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 21. Februar 1986, Serie A, Nr. 98, § 54. 126 Siehe: M. Pellonpää, Does the European Convention on Human Rights Require “Prompt, Adequate and Effective” Compensation for Deprivation of Possessions?, in: M. Tupamäki (Hrsg.) Liber Amicorum Bengt Broms, 1999, S. 383 ff. 125

B. Die Rechtfertigung einer Enteignung (Menschenrechtsschutz)

461

stand Auswirkungen auf die Festlegung der vom Staat zu leistenden Entschädigung. Bei Enteignungen, die entweder nicht gesetzmäßig oder nicht im öffentlichen Interesse erfolgten und daher per se rechtswidrig sind, ist der Enteignete so zu stellen, als ob die Enteignung nicht erfolgt wäre. Dies stellte der Gerichtshof beispielsweise im Fall Papamichalopoulos127 fest. Der Fall betraf eine de facto Enteignung. Im Hinblick auf die Bemessung des vom Staat zu leistenden Ersatzes stellte der EGMR fest, dass die Rechtmäßigkeit einer Enteignung Auswirkungen auf die zu leistende Entschädigung habe. Er unterschied zwischen Enteignungen, die nur wegen mangelnder Entschädigung konventionswidrig waren, und per se konventionswidrigen Enteignungen: The unlawfulness of such a dispossession inevitably affects the criteria to be used for determining the reparation owed by the respondent State, since the pecuniary consequences of a lawful expropriation cannot be assimilated to those of an unlawful dispossession.128

Der Gerichtshof bezog sich in der Folge auf das Chorzów-Urteil129 des Ständigen Internationalen Gerichtshofs. Ebenso wie dieser kam er zum Ergebnis, dass bei einer rechtswidrigen Enteignung der Geschädigte so zu stellen sei, als ob die Enteignung nicht erfolgte wäre: … the Court considers that the return of the land in issue, … would put the applicants as far as possible in a situation equivalent to the one in which they would have been if there had not been a breach of Article 1 of Protocol No. 1 (P1-1); the award of the existing buildings would then fully compensate them for the consequences of the alleged loss of enjoyment.130

Für den Fall, dass keine Restitution erfolgen würde, setzte der EGMR als Entschädigung eine Summe fest, die dem Wert der Grundstücke zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung – erhöht um die Wertsteigerung durch die darauf errichteten Gebäude – entsprach: If the respondent State does not make such restitution within six months from the delivery of this judgment, the Court holds that it is to pay the applicants, for damage and loss of enjoyment since the authorities took possession of the land in 1967, the current value of the land, increased by the appreciation brought about by the existence of the buildings, and the construction costs of the latter.131

___________ 127

EGMR, Papamichalopoulos und andere gg Griechenland, Artikel 50 Urteil vom 31. Oktober 1995, Serie A, Nr. 330-B. 128 Ibid., § 36. 129 PCIJ, Case Concerning the Factory at Chorzów (Indemnity), Judgment No. 13, 1928 PCIJ, Serie A No. 17, Order, 13 September 1928, S. 47. 130 EGMR, Papamichalopoulos und andere gg Griechenland, Artikel 50 Urteil vom 31. Oktober 1995, Serie A, Nr. 330-B, § 38. 131 Ibid., § 39.

462

3. Teil: Die Folgen des Eigentumseingriffs

Somit berücksichtigte der Gerichtshof auch die Wertsteigerung zwischen Entzugsakt und dem Zeitpunkt des Urteils. Ebenso ging der Gerichtshof im Fall Hentrich132 vor. Er stellte zunächst fest, dass aufgrund des mangelnden Rechtsschutzes das Verfahren nicht rechtmäßig war. Er zog daraus aber nicht den Schluss, dass Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK verletzt sei, sondern führte dazu noch eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durch, in der er den mangelnden Rechtsschutz berücksichtigte. Er kam darin zum Ergebnis, dass die Enteignung unverhältnismäßig war. Im Hinblick auf die zu leistende Entschädigung stellte er fest, dass die beste Entschädigung eine Rückgabe des Grundstückes wäre. Wenn dies nicht möglich sein sollte, so sei Schadenersatz in der Höhe des Grundstückswertes zum Urteilszeitpunkt zu leisten: Given the violation found of Article 1 of Protocol No. 1 (P1-1), the best form of redress would in principle be for the State to return the land. Failing that, the calculation of pecuniary damage must be based on the current market value of the land.133

Dementsprechend ging er dann in seinem Urteil gemäß Artikel 50 EMRK vor.134 Wie in Fällen von per se rechtmäßigen Enteignungen vorzugehen ist, erläuterte der Gerichtshof im Urteil Ehemaliger König von Griechenland gg Griechenland.135 Er stellte zunächst fest, dass er die Enteignung nur aufgrund der mangelnden Entschädigung für konventionswidrig befunden hatte.136 Er wiederholte seine Aussage aus Papamichalopoulos,137 wonach die Rechtswidrigkeit einer Enteignung Auswirkungen auf die zu leistende Entschädigung habe.138 Dabei nahm er auf das Urteil des Ständigen Internationalen Gerichtshof im Fall Chorzów und auf den Spruch des IUSCT in Amoco139 Bezug. In der Folge betonte er, dass nach seiner ständigen Rechtsprechung auch in vielen Fällen von per se rechtmäßigen Enteignungen eine Entschädigung in einem „ver___________ 132 EGMR, Hentrich gg Frankreich, Urteil vom 22. September 1994, Serie A, Nr. 296-A. Zum Sachverhalt siehe oben, S. 442. 133 Ibid., § 71. 134 EGMR, Hentrich gg Frankreich, Artikel 50 Urteil vom 3. Juli 1995, Serie A, Nr. 320-A, § 11. 135 EGMR, Ehemaliger König von Griechenland gg Griechenland, [GC], Nr. 25701/94, Artikel 41 Urteil vom 28. November 2002. 136 Ibid., § 74. 137 EGMR, Papamichalopoulos u.a. gg Griechenland, Artikel 50 Urteil vom 31. Oktober 1995, Serie A, Nr. 330-B, § 36. 138 EGMR, Ehemaliger König von Griechenland gg Griechenland, [GC], Nr. 25701/94, Artikel 41 Urteil vom 28. November 2002, § 75. 139 IUSCT, Amoco International Finance Corporation v. The Government of the Islamic Republic of Iran, et al., Partial Award No. 310-56-3, 14 July 1987, 15 IUSCTR 189, § 192.

B. Die Rechtfertigung einer Enteignung (Menschenrechtsschutz)

463

nünftigen Verhältnis“ zum Wert des enteigneten Objekts stehen müsse, damit sie verhältnismäßig sei: … while it is true that even in many cases of lawful expropriation, such as a distinct taking of land for road construction or other public purposes, only full compensation may be regarded as reasonably related to the value of the property, this rule is not without exceptions.140

Von dieser Regel gibt es aber, wenn besondere öffentliche Interessen an der Enteignung vorliegen, Ausnahmen. Auf diese wird im nächsten Abschnitt gesondert eingegangen.141 Somit ist in per se rechtswidrigen Fällen vom Staat jedenfalls Schadenersatz nach dem Chorzów-Prinzip zu leisten. In jenen Fällen, wo nur das Fehlen einer Entschädigung zur Konventionswidrigkeit geführt hatte, gebührt grundsätzlich eine zum Wert des enteigneten Objekts in einem „vernünftigen Verhältnis“ stehende Entschädigung. Von dieser Regel gibt es aber Ausnahmen, wenn besondere öffentliche Interessen an der Enteignung vorliegen.

b) Besonderes öffentliches Interesse an der Enteignung Wie anhand seiner Judikatur deutlich wird, geht der Gerichtshof davon aus, dass eine Enteignung ohne eine am Wert des Gegenstandes orientierte Entschädigung regelmäßig einen unverhältnismäßigen Eingriff darstellt.142 Er macht von diesem Prinzip jedoch Ausnahmen. Dies betonte er erstmals im Urteil James,143 das Enteignungen zur Durchführung einer Gesetzesreform im Bereich von Langzeitpachten betraf. Das Gesetz erlaubte es, Langzeitpächtern unter sehr günstigen Bedingungen Eigentum am Pachtobjekt zu erwerben, ohne dass dafür eine Zustimmung des bisherigen Eigentümers erforderlich war. Die Entschädigung entsprach nicht dem Marktwert der Objekte. Der EGMR betonte, dass bei Enteignungen, die aus sozialen Gesichtspunkten oder im Zuge von Wirtschaftsreformen erfolgen, nicht unter allen Umständen volle Entschädigung geleistet werden müsse: Article 1 (P1-1) does not, however, guarantee a right to full compensation in all circumstances. Legitimate objectives of “public interest”, such as pursued in measures

___________ 140

EGMR, Ehemaliger König von Griechenland gg Griechenland, [GC], Nr. 25701/94, Artikel 41 Urteil vom 28. November 2002, § 78. 141 Siehe dazu, S. 463 ff. 142 Siehe dazu oben, S. 458 ff. 143 EGMR, James u.a. gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 21. Februar 1986, Serie A, Nr. 98.

464

3. Teil: Die Folgen des Eigentumseingriffs

of economic reform or measures designed to achieve greater social justice, may call for less than reimbursement of the full market value.144

Mit einer Nationalisierung eines Wirtschaftszweiges hatte sich der Gerichtshof im Urteil Lithgow145 zu beschäftigen. In diesem Fall wies der Gerichtshof erneut darauf hin, dass bei Enteignungen aus sozialen Gesichtspunkten oder im Zuge von Wirtschaftsreformen nicht unter allen Umständen volle Entschädigung zu leisten ist: … Article 1 (P1-1) does not, however, guarantee a right to full compensation in all circumstances, since legitimate objectives of “public interest”, such as pursued in measures of economic reform or measures designed to achieve greater social justice, may call for less than reimbursement of the full market value (…).146

Überdies teilte der Gerichtshof die Ansicht der Beschwerdeführer nicht, wonach keine Unterscheidung zwischen Individualenteignungen und Nationalisierungen zu treffen sei. Er meinte, dass bei Nationalisierungen andere Überlegungen eine Rolle spielten als bei einer einzelnen Enteignung. Der Entschädigungsstandard im Falle einer Verstaatlichung könne anders sein als bei einer einzelnen Enteignung, soweit die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibe: The Court is unable to agree. Both the nature of the property taken and the circumstances of the taking in these two categories of cases give rise to different considerations which may legitimately be taken into account in determining a fair balance between the public interest and the private interests concerned. … Accordingly, provided always that the aforesaid fair balance is preserved, the standard of compensation required in a nationalisation case may be different from that required in regard to other takings of property.147

Im Fall Ehemaliger König von Griechenland gg Griechenland148 folgte der EGMR dem Argument der Regierung nicht, dass so außergewöhnliche Umstände vorlägen, dass gar keine Entschädigung erforderlich wäre.149 Jedoch rechtfertigte der Zusammenhang zwischen den Enteignungen und dem Übergang Griechenlands von einer Monarchie zu einer Demokratie, dass nicht der volle Wert der enteigneten Objekte ersetzt worden war. Dies auch, obwohl zwischen dem Systemwechsel und den Enteignungen fast 20 Jahre vergangen waren. Der EGMR stellte fest, dass bei einer so fundamentalen Änderung einer Verfassungsordnung, wie dem Übergang von einer Monarchie zu einer Demokratie, ___________ 144 145

Ibid., § 54. EGMR, Lithgow gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 8. Juli 1986, Serie A, Nr.

102. 146

Ibid., § 121. Ibid., § 121. 148 EGMR, Ehemaliger König von Griechenland gg Griechenland, Urteil vom 23. November 2000, ECHR 2000-XII. 149 Ibid., §§ 98, 99. 147

B. Die Rechtfertigung einer Enteignung (Menschenrechtsschutz)

465

die Bezahlung einer geringeren Entschädigung mindestens so gerechtfertigt sei, wie bei Maßnahmen im Zuge von wirtschaftlichen oder sozialen Reformen: As stated …, legitimate objectives of “public interest”, such as pursued in measures of economic reform or measures designed to achieve greater social justice, may call for less than reimbursement of the full market value (…). The Court considers that less than full compensation may be equally, if not a fortiori, called for where the taking of property is resorted to with a view to completing “such fundamental changes of a country’s constitutional system as the transition from monarchy to republic” …150

Aufgrund der einmaligen Umstände hielt der EGMR es für geboten, Billigkeitserwägungen bei der Festsetzung der Entschädigung zu berücksichtigen: The Court considers that in the unique circumstances of the present case resort to equitable considerations is particularly called for.151

Aus der Judikatur des EGMR lässt sich daher erkennen, dass sowohl bei Reformen im Wirtschafts- und Sozialbereich als auch bei Nationalisierungen dem staatlichen Interesse an der politischen Gestaltungsmöglichkeit ein höherer Stellenwert beigemessen wird als dem Interesse des Individuums, den Marktwert der entzogenen Sache als Entschädigung zu erhalten. Gleiches gilt bei Maßnahmen im Zusammenhang mit einem Wechsel des Regierungssystems hin zu einer Demokratie. Von so außergewöhnlichen Umständen, dass sogar der vollkommene Entfall einer Entschädigung zu keiner unverhältnismäßigen Belastung der Enteigneten führte, ging die Kommission im Fall Heilige Klöster gg Griechenland aus.152 Griechenland hatte ein Gesetz erlassen, aufgrund dessen der Staat innerhalb von sechs Monaten Eigentümer des gesamten ersessenen Vermögens von Klöstern werden sollte. Das betroffene Eigentum war von den Klöstern im Mittelalter durch Ersitzung erworben worden. Zu dieser Zeit übten die Klöster eine wichtige Funktion im sozialen, kulturellen und schulischen Bereich aus. Diese Funktionen der Klöster waren im Laufe der Zeit weniger geworden, während das staatliche Engagement in diesem Bereich angestiegen war. In der Verschiebung dieser Aufgaben von den Klöstern zum Staat sah die Kommission die außergewöhnlichen Umstände, die der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung für eine entschädigungslose Enteignung verlangte: The Commission is therefore satisfied that the monastic estate which is the subjectmatter of the challenged legislation was acquired and used by the applicant monasteries when the latter exercised functions which, if seen in the contemporary context,

___________ 150

EGMR, Ehemaliger König von Griechenland gg Griechenland, [GC], Nr. 25701/94, Artikel 41 Urteil vom 28. November 2002, § 78. 151 Ibid., § 79. 152 EKMR, The Holy Monasteries gg Griechenland, Kommissionsbericht gemäß Artikel 31 vom 14. Jänner 1993, in EGMR, Serie A, Nr. 301-A.

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3. Teil: Die Folgen des Eigentumseingriffs

may be regarded as functions of State organs or institutions. It finds that this element constitutes an exceptional circumstance within the meaning of the Court’s above case-law.153

Der EGMR teilte diese Einschätzung nicht. Er führte aus, dass der griechische Staat bereits 1952 Klostervermögen enteignet hatte. Damals hatte der Staat aber ein Drittel des Wertes als Entschädigung gezahlt, obwohl die Klöster schon damals nicht mehr die gleichen sozialen Funktionen wie vor der Gründung des griechischen Staates erfüllt hatten.154 Dieser Wertungswiderspruch in der Vorgangsweise des griechischen Staates dürfte dafür ausschlaggebend gewesen sein, dass der Gerichtshof keine außergewöhnlichen Umstände, die eine entschädigungslose Enteignung rechtfertigen würden, als gegeben ansah. Er stellte daher eine unverhältnismäßige Enteignung und daher eine Verletzung von Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK fest.155 Welche Entschädigung der Gerichtshof als angemessen ansah, lässt sich nicht feststellen, weil sich die Klöster und der Staat in der Folge verglichen. Daher äußerte sich der Gerichtshof nicht über eine zu leistende Entschädigung. Im Fall Ehemaliger König von Griechenland gg Griechenland156 brachte Griechenland vor, dass so außergewöhnliche Umstände vorlagen, dass eine entschädigungslose Enteignung der ehemaligen Königsfamilie verhältnismäßig gewesen sei. Sowohl die Kommission als auch der Gerichtshof verneinten das Vorliegen von Umständen, die eine entschädigungslose Enteignung rechtfertigen würden. Der EGMR wies insbesondere darauf hin, dass bei einer früheren Enteignung dieser Objekte im Jahr 1973 – diese wurden später wieder rückgestellt und nun neuerlich enteignet – eine Entschädigung gezahlt worden war: The Court considers that the Government have failed to give a convincing explanation as to why the Greek authorities have not awarded any compensation to the applicants for the taking of their property. … compensation was provided for the last time the property was expropriated, in 1973. Therefore, the Court considers that the applicants had a legitimate expectation to be compensated by the Greek legislature for the taking of their estates.157

Allerdings akzeptierte der Gerichtshof, dass die Maßnahme im Zusammenhang mit dem Übergang von einer Monarchie zu einer Republik stand. Er

___________ 153

Ibid., § 80. EGMR, The Holy Monasteries gg Griechenland, Urteil vom 9. Dezember 1994, Serie A, Nr. 301-A, § 74. 155 Ibid., § 75. 156 EGMR, Ehemaliger König von Griechenland gg Griechenland, Urteil vom 23. November 2000, ECHR 2000-XII. 157 Ibid., § 98. 154

B. Die Rechtfertigung einer Enteignung (Menschenrechtsschutz)

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stellte daher in seinem Urteil gemäß Artikel 41 EMRK fest, dass nicht der volle Wert der enteigneten Objekte zu ersetzen sei.158 Ebenfalls nicht der volle Wert musste im Fall Senkpiel159 ersetzt werden. Der Fall betraf die Deutsche Wiedervereinigung. Das Parlament hatte versucht, einen Ausgleich zwischen Landeigentümern, die in der DDR enteignet worden waren, und Personen, die vor der Wiedervereinigung die Objekte genutzt und gekauft hatten, jedoch nicht im Grundbuch eingetragen worden waren, herzustellen. Derartige Objekte wurden an die ehemaligen Eigentümer zurückgestellt. Diese wurden im Grundbuch als Eigentümer eingetragen. Wenn jedoch vor 1989 ein Mietverhältnis bestand, die Personen 1994 noch immer im Objekt wohnten und dieses vor Juni 1990 gekauft hatten, musste ihnen das Objekt zum Kauf angeboten werden. Der so zum Verkauf Gezwungene erhielt die Hälfte des Marktwerts des Grundstücks. Der EGMR hielt fest, dass durch diese Lösung ein Ausgleich angestrebt worden war zwischen den Interessen der ehemaligen Eigentümer, die in der DDR unrechtmäßig enteignet worden waren, und den Nutzern des Landes, die dieses gekauft hatten, die aber nie im Grundbuch eingetragen worden waren. Der Gesetzgeber habe entscheiden müssen, welchen Interessen er den Vorrang einräume. Die Entscheidung zugunsten der Nutzer, die auch schon für lange Zeit für den Erhalt der Gebäude aufkamen, erscheine weder unfair noch unvernünftig: After reunification, the German legislator was forced to decide who of the two sides should be given priority as owner of the land, while the other would receive the agreed or legally prescribed and mandatory purchase price as compensation. Taking this element into account, it cannot be said that the German legislator struck an unfair and unreasonable balance by giving priority to those who had used the lands and in many cases maintained the buildings upon them for a considerable amount of time.160

Angesichts der Ausnahmesituation der Wiedervereinigung liege die getroffene Lösung innerhalb des staatlichen Ermessensspielraumes. Der EGMR stellte daher fest, dass dadurch, dass die Beschwerdeführer nur den halben Kaufpreis erhielten, keine Eigentumsverletzung erfolgte: Having regard to the above considerations and, in particular, to the unique context of German reunification, the Court considers that the respondent State has not overstepped its margin of appreciation and, in view of the legitimate aim pursued, has sought to strike a “fair balance” between the applicant’s interest and the general interest of German society in a way that cannot be characterised as manifestly unreasonable. Accordingly, the applicant cannot be regarded as having borne a “disproportionate burden”.161

___________ 158 159

Siehe dazu oben, S. 463 ff. EGMR, Senkspiel gg Deutschland, Nr. 77207/01, Entscheidung vom 12. Jänner

2006. 160 161

Ibid., S. 8 (HUDOC-version). Ibid., S. 9 (HUDOC-version).

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3. Teil: Die Folgen des Eigentumseingriffs

Auch in diesem Fall führte das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände (Änderung der Verfassungs- und Wirtschaftsordnung) dazu, dass nicht der fair market value als Entschädigung geleistet werden musste und dennoch Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK nicht verletzt war. Im Einklang mit dieser Judikatur hat der EGMR im bereits erwähnten Fall Scordino162 festgestellt, dass ohne Vorliegen derartiger außergewöhnlicher Umstände eine Entschädigung, die nur den halben Marktwert des entzogenen Grundstücks ersetzt, dem Einzelnen eine unverhältnismäßige Belastung aufbürdet und daher konventionswidrig ist.163 Erstmals bejaht wurde das Vorliegen so außergewöhnlicher Umstände, dass sogar eine entschädigungslose Enteignung gerechtfertigt war, von der Großen Kammer des EGMR im Fall Jahn gg Deutschland.164 Der Fall betraf Erben von sogenannten „Neubauern“ in der ehemaligen DDR. Diese hatten im Zuge einer Bodenreformverordnung enteignetes Land zugeteilt bekommen. Das Verfügungsrecht der Neubauern über die ihnen zugewiesenen Grundstücke war beschränkt. Sie durften die Grundstücke nicht verkaufen, verpachten, belasten oder teilen. Im März 1990 wurde in der DDR in Vorbereitung der Deutschen Wiedervereinigung ein Gesetz über die Rechte der Eigentümer von Grundstücken aus der Bodenreform (Modrow-Gesetz) beschlossen, das die Verfügungsbeschränkungen aufhob und die Besitzer dieser Grundstücke zu Eigentümern mit allen damit verbundenen Rechten machte. Im Oktober 1990 wurde dieses Gesetz Rechtsbestand des Wiedervereinigten Deutschland. 1992 wurde ein Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch beschlossen, das unter anderem regelte, wie Erben von Neubauern, die im Grundbuch eingetragen waren, zu behandeln waren. Es sah vor, dass Erben nur unter gewissen Bedingungen die Grundstücke behalten durften. Sie mussten zum Stichtag des Gesetzesbeschlusses im März 1990 in der Landwirtschaft tätig gewesen sein oder zuvor zumindest während zehn Jahren das Grundstück bewirtschaftet haben. Zudem mussten sie einer landwirtschaftlichen Produktionsgemeinschaft angehören. War dies nicht der Fall, wie bei den Beschwerdeführern, musste das Land entschädigungslos den Steuerbehörden des jeweiligen Bundeslandes übertragen werden. Beide Kammern des EGMR gingen ebenso wie das deutsche Bundesverfassungsgericht davon aus, dass die Beschwerdeführer ein Eigentumsrecht hat___________ 162

EGMR, Scordino gg Italien (Nr. 1) [GC], Nr. 36813/97, Urteil vom 29. März 2006. Siehe dazu oben, S. 460. 163 Ibid., §§ 103, 104. 164 EGMR, Jahn u.a. gg Deutschland [GC], Nr. 46720/99, 72203/01, 72552/01, Urteil vom 30. Juni 2005.

B. Die Rechtfertigung einer Enteignung (Menschenrechtsschutz)

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ten.165 Beide Kammern des Gerichtshofs waren im Unterschied zum Bundesverfassungsgericht166 der Auffassung, dass eine Enteignung vorlag.167 Beide Kammern beurteilten den Eingriff als gesetzmäßig und im öffentlichen Interesse liegend. Die Frage, ob die Umstände so außergewöhnlich waren, dass eine entschädigungslose Enteignung gerechtfertigt sei, beurteilten die beiden Kammern jedoch unterschiedlich. Hinsichtlich der allgemeinen Kriterien, die erfüllt sein müssen, damit eine Enteignung verhältnismäßig ist, unterscheiden sich die Urteile der beiden Kammern nicht. Beide betonten, dass ein fairer Ausgleich zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an der Enteignung und den Interessen der Beschwerdeführer am Eigentumsschutz zu gewährleisten sei. Beide hielten fest, dass Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK zwar nicht zwingend eine Entschädigung verlangt, jedoch dem Enteigneten keine unverhältnismäßige Belastung zugefügt werden darf. Daher sei eine Enteignung ohne Entschädigung nur unter außergewöhnlichen Umständen zulässig.168 In ihrer Anwendung der eben erwähnten Kriterien unterscheiden sich die beiden Urteile jedoch. Die Kleine Kammer stellte fest, dass die Wiedervereinigung aufgrund des Übergangs von einer sozialistischen Eigentumsordnung auf eine marktwirtschaftliche Eigentumsordnung eine außergewöhnliche Situation war. Sie war jedoch nicht der Auffassung, dass es sich um illegitimes Eigentum handelte: The Court cannot, however, agree with the Government’s reasoning in the instant case regarding the concept of “illegitimate” ownership, which is an eminently political concept. …, regardless of the applicants’ situation before the entry into force of the Modrow Law, there is no doubt that they legally acquired full ownership of their land when that Law came into force.169

Nach Meinung der Kleinen Kammer war eine Korrektur des Modrow-Gesetzes selbst noch keine Verletzung von Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK. Problematisch erschien ihr, dass die Enteignungen entschädigungslos erfolgten. Ferner ___________ 165 EGMR, Jahn u.a. gg Deutschland, Nr. 46720/99, 72203/01, 72552/01, Urteil vom 22. Jänner 2004, § 67; Jahn u.a. gg Deutschland [GC], Nr. 46720/99, 72203/01, 72552/01, Urteil vom 30. Juni 2005, § 79. 166 Dieses war der Auffassung, dass keine Enteignung im Sinne des Artikel 14(3) GG, sondern eine Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Artikel 14(1) GG vorlag und somit nicht automatisch eine Entschädigungspflicht bestand. Den Eingriff hielt es für verhältnismäßig. 167 EGMR, Jahn u.a. gg Deutschland, Nr. 46720/99, 72203/01, 72552/01, Urteil vom 22. Jänner 2004, § 70; Jahn u.a. gg Deutschland [GC], Nr. 46720/99, 72203/01, 72552/01, Urteil vom 30. Juni 2005, § 79. 168 EGMR, Jahn and Others gg Deutschland, Nr. 46720/99, 72203/01, 72552/01, Urteil vom 22. Jänner 2004, § 82; Jahn u.a. gg Deutschland [GC], Nr. 46720/99, 72203/01, 72552/01, Urteil vom 30. Juni 2005, §§ 93, 94. 169 EGMR, Jahn and Others gg Deutschland, Nr. 46720/99, 72203/01, 72552/01, Urteil vom 22. Jänner 2004, § 89.

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3. Teil: Die Folgen des Eigentumseingriffs

führte die Kleine Kammer auch an, dass das Gesetz nur in manchen Fällen zu einer Umverteilung der enteigneten Grundstücke an Bauern führte. In den zu prüfenden Fällen seien die Grundstücke an die Steuerbehörden zu übertragen gewesen. Trotz der außergewöhnlichen Umstände sah die Kleine Kammer in der entschädigungslosen Enteignung daher eine unverhältnismäßige Belastung der Enteigneten: In the instant case, if the German legislature’s intention was to correct ex post facto the – in its opinion unjust – effects of the Modrow Law by passing a new law two years later, this did not pose a problem in itself. … In the Court’s view, in order to comply with the principle of proportionality, the German legislature could not deprive the applicants of their property for the benefit of the State without making provision for them to be adequately compensated. … Having regard to all these factors, the Court concludes that even if the circumstances pertaining to German reunification have to be regarded as exceptional, the lack of any compensation for the State’s taking of the applicants’ property upsets, to the applicants’ detriment, the fair balance which has to be struck between the protection of property and the requirements of the general interest.170

Die Große Kammer, an die der Fall nach dem Urteil der Kleinen Kammer verwiesen worden war, betonte, dass drei Faktoren für ihre Entscheidung maßgeblich waren.171 Dies war erstens der Umstand, dass das Modrow-Gesetz nicht von einem demokratisch gewählten Parlament erlassen worden war. Zudem hatte das Modrow-Gesetz zwar alle auf den Grundstücken lastenden Beschränkungen aufgehoben, enthielt jedoch selbst keine Regelung über Erben.172 Nach Ansicht des EGMR bestand daher für die Erben nur eine unsichere Rechtsposition. Zweitens hob der Gerichtshof die enormen Aufgaben hervor, die der Gesetzgeber bei der Überleitung von einer kommunistischen Wirtschaftsordnung zu einer demokratischen, marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung zu bewältigen hatte. Er wies in diesem Zusammenhang auch auf den kurzen Zeitabstand von

___________ 170

Ibid., §§ 91–93. EGMR, Jahn u.a. gg Deutschland [GC], Nr. 46720/99, 72203/01, 72552/01, Urteil vom 30. Juni 2005, § 116. 172 Ibid., §§ 105, 106: That Law lifted all restrictions on the disposal of land that had been acquired under the land reform, thereby transforming the property titles acquired under the reform into “full ownership …”. … However, …, it does not contain any specific provision regarding the position of the heirs to the land concerned and … . …, the position of heirs who were not themselves farming the land and were not members of an agricultural cooperative, as was the applicants’ case, can accordingly be regarded as having been uncertain. 171

B. Die Rechtfertigung einer Enteignung (Menschenrechtsschutz)

471

zwei Jahren hin, der, bis zum Erlass des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch vergangen war.173 Drittens unterstrich er, dass die Maßnahme aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit ergriffen worden war. Es sollte eine ungerechtfertigte Bereicherung von Personen, bei denen die DDR-Gesetze nicht vollzogen worden waren, und eine Diskriminierung von Personen, bei denen die DDR-Gesetze angewandt worden waren, verhindert werden. Die Erlangung vollen Eigentums an den Grundstücken sollte nicht davon abhängen, ob die DDR-Behörden ihre eigenen Gesetz vollzogen hatten oder nicht. Zudem sei die Interessenabwägung, die das Bundesverfassungsgericht vorgenommen hatte, nicht willkürlich gewesen. Im Unterschied zur Kleinen Kammer, die betont hatte, dass im gegenständlichen Fall der Beschwerdeführer das Eigentum an den Staat übertragen musste, wies die Große Kammer darauf hin, dass das Gesetz nicht ausschließlich dem Staat zugute kam, sondern auch zu einer Verteilung von Land an Bauern führte. Angesichts der Unsicherheit der Rechtsposition, des öffentlichen Interesses an sozialer Gerechtigkeit und dem einmaligen Kontext der Deutschen Wiedervereinigung, hielt der Gerichtshof die entschädigungslose Enteignung für verhältnismäßig und daher gerechtfertigt: Having regard to all the foregoing considerations and taking account, in particular, of the uncertainty of the legal position of heirs and the grounds of social justice relied on by the German authorities, the Court concludes that in the unique context of German reunification, the lack of any compensation does not upset the “fair balance” which has to be struck between the protection of property and the requirements of the general interest. There has therefore been no violation of Article 1 of Protocol No. 1.174

Somit waren nach Auffassung des Gerichtshofs das Fehlen einer berechtigten Erwartung der Beschwerdeführer am Fortbestehen des Eigentums, das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände und das öffentliche Interesse an der Herstellung sozialer Gerechtigkeit ausreichend, um eine entschädigungslose Enteignung zu rechtfertigen. Während das Urteil der Kleinen Kammer einstimmig beschlossen worden war, gab es beim Urteil der Großen Kammer sechs Gegenstimmen. Hauptkritikpunkt der Richter, die abweichende Sondervoten verfasst hatten, war, dass die Wiedervereinigung Deutschlands und die damit verbundenen Probleme nicht außergewöhnlich genug waren, um eine entschädigungslose Enteignung zu rechtfertigen.175 Die Richter wiesen zu Recht darauf hin, dass die Wieder___________ 173

Ibid., § 116. Ibid., § 117. 175 Siehe z.B.: EGMR, Jahn u.a. gg Deutschland [GC], Nr. 46720/99, 72203/01, 72552/01, Urteil vom 30. Juni 2005, Dissenting Opinion of Judge Ress, §§ 3 ff. Zu 174

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3. Teil: Die Folgen des Eigentumseingriffs

vereinigung auch keine außergewöhnlicheren Umstände als etwa der Übergang anderer postkommunistischer Staaten zu Demokratie und Marktwirtschaft aufwies.176 Zudem waren die Richter, die eine abweichende Meinung vertraten, der Auffassung, dass sehr wohl eine berechtigte Erwartung der Beschwerdeführer bestand, die Grundstücke, die sie zwischen 18 und 20 Jahre lang innehatten, und für die sie im wiedervereinigten Deutschland zwischen zwei und vier Jahre lang im Grundbuch eingetragen waren, behalten zu dürfen. Überdies wurde betont, dass die eingezogenen Grundstücke vielfach zugunsten des Fiskus und nicht anderer Privater enteignet worden waren.177 Somit kamen diese Richter zum Ergebnis, dass bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung dem staatlichen Interesse zu sehr der Vorrang zu Lasten der Interessen der Beschwerdeführer am Eigentumsschutz eingeräumt worden war. Im Unterschied zum Fall von Maltzan178 hatte der Gerichtshof nicht bereits das Vorliegen von Eigentum verneint, sondern bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung untersucht, wie berechtigt die Erwartungen der Individuen waren. Festgehalten werden kann, dass im Fall einer Enteignung vom Staat in der Regel eine am Wert des Gegenstandes orientierte Entschädigung zu leisten ist. Ein Abgehen davon kann bei Vorliegen von besonderen Umständen verhältnismäßig und daher gerechtfertigt sein. Dabei gilt es zwischen einer Minderung und einem Totalentfall der Entschädigung zu unterscheiden. Aus der Judikatur des EGMR lässt sich erkennen, dass sowohl bei Reformen im Wirtschafts- und Sozialbereich als auch bei Nationalisierungen dem staatlichen Interesse an der politischen Gestaltungsmöglichkeit mehr Gewicht beigemessen wird als dem Interesse des Individuums am Marktwert der entzogenen Sache. Entschädigungen in geringerem Umfang wurden daher als verhältnismäßig angesehen. Gleiches gilt bei Maßnahmen im Zusammenhang mit einem Wechsel des Regierungssystems hin zu einer Demokratie.

___________ Recht kritisch auch: U. Deutsch, Expropriation without Compensation – the European Court of Human Rights sanctions German Legislation expropriating the Heirs of „New Farmers“, 6 German Law Journal 2005, 1367–1380. 176 Ibid., § 3. EGMR, Jahn u.a. gg Deutschland [GC], Nr. 46720/99, 72203/01, 72552/01, Urteil vom 30. Juni 2005, Joint Dissenting Opinion of Judges Costa and Borrego Borrego joined by Judge Ress and Judge Butoucharova, § 2. Es wurde auch darauf hingewiesen, dass der ehemalige griechische König, der nach einer Volksabstimmung nach Ende der Diktatur seinen Thron verlor, sehr wohl eine substantielle Entschädigung vom Gerichtshof zugesprochen erhielt. (Ibid., § 5). 177 Siehe z.B.: EGMR, Jahn u.a. gg Deutschland [GC], Nr. 46720/99, 72203/01, 72552/01, Urteil vom 30. Juni 2005, Dissenting Opinion of Judge Ress, § 4. 178 EGMR, von Maltzan u.a. gg Deutschland [GC], Nr. 71916/01, 71917/01, 10260/02, Zulässigkeitsentscheidung, 2. März 2005, §§ 110–114.

B. Die Rechtfertigung einer Enteignung (Menschenrechtsschutz)

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Damit der EGMR einen gänzlichen Wegfall der Entschädigung als gerechtfertigt ansah, mussten diese beiden Voraussetzungen gegeben sein. Es mussten sowohl außergewöhnliche Umstände, bedingt durch einen Wechsel des Regierungs- und Wirtschaftssystems, als auch Gesetzesreformen mit dem Ziel, größere soziale Gerechtigkeit herzustellen, vorliegen. Das Vorhandensein außergewöhnlicher Umstände allein führt somit per se noch nicht dazu, dass eine entschädigungslose Enteignung gerechtfertigt wäre. Zusätzlich muss ein besonderes öffentliches Interesse an der Enteignung hinzutreten. Ferner durften die Individuen keine berechtigten Erwartungen am Fortbestand ihres Eigentumsrechts haben. Sowohl im Fall griechische Klöster179 als auch im Fall Ehemaliger König von Griechenland180 hatte der EGMR betont, dass nach früheren Enteignungen Entschädigungen gezahlt worden waren und daher eine berechtigte Erwartung bestand, dass auch bei einer neuerlichen Enteignung entschädigt würde. Daher kann man unabhängig davon, ob man vom tatsächlichen Vorliegen dieser vom EGMR geforderten Umstände im Fall Jahn ausgeht, aus der Judikatur drei Voraussetzungen ableiten, die kumulativ vorliegen müssen, damit eine entschädigungslose Enteignung gerechtfertigt ist: –

außergewöhnliche Umstände, etwa bedingt durch einen fundamentalen Wechsel der Verfassungs- und/oder Wirtschaftsordnung;



die Verfolgung einer wichtigen sozial- und/oder wirtschaftspolitischen Zielsetzung;



das Fehlen berechtigter Erwartungen auf Seiten des von der Enteignung betroffenen Individuums.

Das Konzept der solcherart qualifizierten außergewöhnlichen Umstände sollte jedoch aufgrund der erheblichen Gefahr für einen effektiven Menschenrechtsschutz nur mit äußerster Vorsicht angewandt und keinesfalls erweitert werden.181

c) Besonders berücksichtigenswerte Interessen auf Seite des Enteigneten Ebenso wie der EGMR besondere staatliche Interessen an einer Enteignung in der Verhältnismäßigkeitsprüfung berücksichtigte, trifft dies auch für beson___________ 179 EGMR, The Holy Monasteries gg Griechenland, Urteil vom 9. Dezember 1994, Serie A, Nr. 301-A, §§ 74, 75. 180 EGMR, Ehemaliger König von Griechenland gg Griechenland, Urteil vom 23. November 2000, ECHR 2000-XII, §§ 98, 99. 181 Vor einer Generalisierung warnte etwa auch Richter Ress in seiner Dissenting Opinion (§ 4).

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3. Teil: Die Folgen des Eigentumseingriffs

dere Interessen der Enteigneten zu. Ein Beispiel dafür ist der Fall Lallement.182 Der Fall betraf einen Landwirt. Durch eine Enteignung zu Zwecken des Straßenbaues konnte er seine Landwirtschaft nicht mehr gewinnbringend betreiben und wurde ihm und seiner Familie die Erwerbsgrundlage entzogen. Dieser über den bloßen Wert der enteigneten Grundstücke hinausgehende Schaden war dem Landwirt nicht ersetzt worden. Der Gerichtshof stellte fest, dass wenn die Erwerbsgrundlage enteignet wird, die Entschädigung diesen besonderen Schaden auch umfassen muss. Ist dies nicht der Fall, besteht ein Missverhältnis zwischen dem staatlichen Eingriffsinteresse und dem Interesse des Enteigneten am Schutz seines Eigentums: … toute ingérence dans le droit au respect des biens doit ménager un « juste équilibre » entre les exigences de l’intérêt général de la communauté et les impératifs de la sauvegarde des droits fondamentaux de l’individu concerné. En matière d’expropriation, cet équilibre est en règle générale atteint lorsque l’exproprié perçoit une indemnité « raisonnablement en rapport » avec la valeur vénale du bien. … vu la spécificité de la situation du requérant …, l’indemnité versée n’est pas raisonnablement en rapport avec la valeur du bien exproprié puisqu’elle ne couvre pas spécifiquement la perte de l’« outil de travail » du requérant … . Bref, l’expropriation litigieuse ayant entraîné la perte de l’ « outil de travail » du requérant sans indemnisation appropriée, l’intéressé a subi une « charge spéciale et exorbitante ». Partant, il y a eu violation de l’article 1 du Protocole n° 1.183

Im Fall Pincová und Pinc gg Tschechische Republik184 hatten die Beschwerdeführer 1967 gutgläubig ein Haus gekauft, das 1948 dem Voreigentümer enteignet worden war. Aufgrund eines Gesetzes aus 1992 konnten die „Voreigentümer“ bzw. deren Erben die Restitution dieses Hauses erwirken. Als Entschädigung erhielten die Beschwerdeführer nur den ursprünglichen Kaufpreis. Es war gesetzlich vorgesehen, dass sie zusätzlich die Kosten, die vernünftigerweise für die Instandhaltung aufgewendet worden waren, ersetzt bekommen sollten. Der EGMR stellte fest, dass der Ersatz des ursprünglichen Kaufpreises 30 Jahre später in keinem vernünftigen Verhältnis zum Wert zum Zeitpunkt der Enteignung stand.185 Überdies sei in der Entschädigungssumme nicht auf die persönliche und soziale Situation der Enteigneten Rücksicht genommen worden. Mit der Entschädigungssumme konnte keine neue Wohnung erworben werden. Das Recht auf ein Angebot einer alternativen Wohnung durch den Voreigentümer sei gerichtlich nicht durchsetzbar. Es handelte sich um sehr alte Personen, denen ihr einziges Eigentum entzogen worden war. Zudem hatten sie nach siebeneinhalb Jahren noch immer keine Entschädigung für die Instandhal___________ 182

EGMR, Lallement gg Frankreich, Nr. 46044/99, Urteil vom 11. April 2002. Ibid., §§ 23, 24. 184 EGMR, Pincová und Pinc gg Tschechische Republik, Urteil vom 5. November 2002, ECHR 2002-VIII. 185 Ibid., § 61. 183

B. Die Rechtfertigung einer Enteignung (Menschenrechtsschutz)

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tungskosten bekommen. Daher war der EGMR der Auffassung, dass sie eine unverhältnismäßige Last zu tragen hatten und eine Verletzung von Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK vorlag: The Court accordingly notes that the “compensation” awarded to the applicants did not take account of their personal and social situation and that they were not awarded any sum for the non-pecuniary damage they sustained as a result of being deprived of their only property. In addition, they have still not obtained reimbursement of the costs reasonably incurred for the upkeep of the house, even though a period of seven and a half years has elapsed since 23 January 1995, the day when the judgment of the Prague Regional Court confirming the transfer of title to the son of the former owners became final. The applicants have thus had to bear an individual and excessive burden which has upset the fair balance that should be maintained between the demands of the general interest on the one hand and protection of the right to the peaceful enjoyment of possessions on the other. There has therefore been a violation of Article 1 of Protocol No. 1.186

Somit berücksichtigte der Gerichtshof bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit auch besondere Umstände auf Seiten des Beschwerdeführers, insbesondere, ob der zu geringe Umfang der Entschädigung eine unverhältnismäßige Belastung für den Beschwerdeführer mit sich bringt.

d) Zeitspanne zwischen Entzug und Entschädigung Auch die Dauer zwischen dem faktischen Entzug und dem Zeitpunkt der Entschädigung wird vom Gerichtshof bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung berücksichtigt. Wenn es sich um eine Zeitspanne von mehreren Jahren handelte und dies keine Berücksichtigung in der Höhe der Entschädigung fand, stellte der EGMR regelmäßig das Vorliegen einer unverhältnismäßigen Belastung des Enteigneten fest. So wies der Gerichtshof etwa im Urteil Piron187 ausdrücklich darauf hin, dass auch die Dauer eines Eigentumsentzugs bei der Festlegung der Entschädigung zu berücksichtigen sei: … « l’indemnisation du préjudice subi par l’intéressé ne peut constituer une réparation adéquate que lorsqu’elle prend aussi en considération le dommage tenant à la durée de la privation. »188

___________ 186

Ibid., §§ 63, 64. EGMR, Piron gg Frankreich, Nr. 36436/97, Urteil vom 14. November 2000. 188 Ibid., § 43. 187

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3. Teil: Die Folgen des Eigentumseingriffs

Weil dies unterblieben und überdies der Bemessung eine acht Jahre alte Bewertung zugrunde gelegt worden war, sah der Gerichthof die Enteignung als unverhältnismäßig an.189 Auch in den Fällen Zubani190 und Guillemin191 führte der EGMR aus, dass bei der Höhe der Entschädigung die Verfahrensdauer berücksichtigt werden müsse:192 The Court considers that the potentially large sum that may be awarded at the end of the pending proceedings does not offset the previously noted failure to pay compensation and cannot be decisive in view of the length of all the proceedings already instituted by the applicant … .193

Der Gerichtshof sprach in der Folge dem Beschwerdeführer auch immateriellen Schaden für die aufgrund der langen Verfahrensdauer lange Unsicherheit zu.194 Im Fall Malama195 stellte der Gerichtshof ebenfalls fest, dass die Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt worden war, weil die Entzugsdauer von mehr als 75 Jahren bei der Festsetzung der Entschädigung nicht berücksichtigt worden war: The Court, accordingly, considers that the fact that, in the assessment and payment of the compensation due to the applicant, the national authorities failed to take into account a period of more than seventy-five years following the expropriation of the land upset, to the applicant’s detriment, the fair balance between the protection of property and the requirements of the general interest. There has, therefore, been a violation of Article 1 of Protocol No. 1.196

Zusätzlich dazu ist bei Staaten mit hoher Inflation diese auszugleichen, damit nicht eine exzessive Belastung des Enteigneten vorliegt. Dies stellte der EGMR wiederholt in Fällen gegen die Türkei fest. Die Leitentscheidungen in diesem Bereich sind Akkus gg Türkei197 und Aka gg Türkei.198 Diese und viele ___________ 189

Ibid., §§ 44–47. EGMR, Zubani gg Italien, Urteil vom 7. August 1996, ECHR 1996-IV, § 49. 191 EGMR, Guillemin gg Frankreich, Urteil vom 21. Februar 1997, ECHR 1997-I. 192 Siehe zum Erfordernis einer prompten Entschädigung: M. Pellonpää, Does the European Convention on Human Rights Require „Prompt, Adequate and Effective“ Compensation for Deprivation of Possessions?, in: M. Tupamäki (Hrsg.) Liber Amicorum Bengt Broms, 1999, 374, S. 379 ff. 193 Ibid., § 56. 194 Ibid., § 63. Allerdings berücksichtigte der Gerichtshof beim Zuspruch des immateriellen Schadens auch eine Verletzung von Artikel 6 EMRK wegen überlanger Verfahrensdauer. 195 EGMR, Malama gg Griechenland, Urteil vom 1. März 2001, ECHR 2001-II. 196 Ibid., § 52. 197 EGMR, Akkus gg Türkei, Urteil vom 9. Juli 1997, ECHR 1997-IV. 198 EGMR, Aka gg Türkei, Urteil vom 23. September 1998, ECHR 1998-VI. 190

B. Die Rechtfertigung einer Enteignung (Menschenrechtsschutz)

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andere Fälle betrafen Entschädigungen für Enteignungen im Zuge eines Staudammprojekts.199 Die Entschädigungen erfolgten erst mit erheblicher Verzögerung und berücksichtigten die Inflation von 70% nicht ausreichend. Der geforderte Ausgleich zwischen staatlichen Interessen an der Enteignung und den Interessen der Individuen am Schutz ihres Eigentums lag daher nicht vor: In that respect, the Court has previously held that the adequacy of compensation would be diminished if it were to be paid without reference to various circumstances liable to reduce its value, such as unreasonable delay (…). Abnormally lengthy delays in the payment of compensation for expropriation lead to increased financial loss for the person whose land has been expropriated, putting him in a position of uncertainty especially when the monetary depreciation which occurs in certain States is taken into account. … In the instant case, the additional compensation together with interest at the rate of 30% per annum was paid to the applicant in February 1992, that is to say seventeen months after the Court of Cassation’s judgment, at a time when inflation rates in Turkey had reached 70% per annum. This difference – due solely to delay on the part of the authorities – between the value of the applicant’s compensation as finally determined by the Court of Cassation and its value when actually paid caused Mrs Akkus to sustain separate loss in addition to the loss deriving from the expropriation of her land. By deferring payment of the compensation for seventeen months, the national authorities rendered that compensation inadequate and, consequently, upset the balance between the protection of the right to property and the requirements of the general interest. There has therefore been a violation of Article 1 of Protocol No. 1 (P1-1).200

Somit berücksichtigt der EGMR in der Verhältnismäßigkeitsprüfung hinsichtlich des Umfangs der Entschädigung sowohl, ob die Dauer zwischen Enteignung und Entschädigungsleistung bei der Festsetzung der Entschädigungshöhe einbezogen, als auch, ob eine etwaige hohe Inflation abgegolten wurde.

e) Von der Enteignung/Nationalisierung sind Ausländer betroffen Wie erwähnt, hat der Verweis auf die allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts bis jetzt in der Judikatur des EGMR keine besondere Rolle gespielt. Dennoch hat der EGMR in zwei Fällen201 in obiter dicta ausgeführt, dass im Falle von Enteignungen aus sozialen Gesichtspunkten oder im Zuge von ___________ 199

In Summe waren von diesem Staudammprojekt 17000 Personen betroffen. EGMR, Akkus gg Türkei, Urteil vom 9. Juli 1997, ECHR 1997-IV, §§ 29–31. Es gibt eine Fülle weiterer Urteile mit gleichem Ergebnis, die in diesem Punkt auf die Urteile Akkus und Aka verweisen. 201 EGMR, James u.a. gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 21. Februar 1986, Serie A, Nr. 98; Lithgow gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 8. Juli 1986, Serie A, Nr. 102. 200

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3. Teil: Die Folgen des Eigentumseingriffs

Wirtschaftsreformen hinsichtlich der Entschädigung eine Unterscheidung zwischen Inländern und Ausländern geboten sein kann. Wie bereits erörtert, räumt der EGMR bei Enteignungen, die aufgrund eines besonderen nationalen Interesses erfolgen und zumeist nicht nur ein Einzelobjekt betreffen, den Staaten einen größeren Spielraum bei der Entschädigung ein.202 Die Urteile James203 und Lithgow204 betrafen beide derartige Enteignungen.205 Der EGMR hielt darin fest, dass es triftige Gründe für eine Unterscheidung zwischen In- und Ausländern hinsichtlich der gebotenen Entschädigung geben könne. So seien Ausländer schlechter gestellt als Inländer, weil sie weder an der Konstituierung des Gesetzgebers durch Wahlen teilhaben noch vor der Verabschiedung von Gesetzen angehört werden. Überdies gebe es durchaus legitime Gründe, den eigenen Staatsangehörigen im öffentlichen Interesse ein größeres Opfer aufzuerlegen als Ausländern: Especially as regards a taking of property effected in the context of a social reform [or an economic restructuring]206, there may well be good grounds for drawing a distinction between nationals and non-nationals as far as compensation is concerned. To begin with, non-nationals are more vulnerable to domestic legislation: unlike nationals, they will generally have played no part in the election or designation of its authors nor have been consulted on its adoption. Secondly, although a taking of property must always be effected in the public interest, different considerations may apply to nationals and non-nationals and there may well be legitimate reason for requiring nationals to bear a greater burden in the public interest than non-nationals.207

Diese vom Gerichtshof in Aussicht gestellte mögliche Unterscheidung zwischen In- und Ausländern hinsichtlich der Entschädigungshöhe könnte ein Hinweis des EGMR darauf sein, dass keine Diskriminierung vorliegt, wenn der Staat Ausländer in dieser Hinsicht besser stellt als Inländer. Andererseits dürfte dies bestätigen, dass Ausländer immer zumindest eine den allgemeinen

___________ 202

Siehe oben, S. 463 ff. EGMR, James u.a. gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 21. Februar 1986, Serie A, Nr. 98. 204 EGMR, Lithgow gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 8. Juli 1986, Serie A, Nr. 102. 205 Siehe zu diesen Urteilen: I. Seidl-Hohenveldern, Eigentumsschutz nach der EMRK und nach allgemeinem Völkerrecht im Lichte der EGMR-Entscheidungen in den Fällen James und Lithgow, Festschrift für Felix Ermacora (1988), in: M. Nowak/D. Steurer/H. Tretter (Hrsg.), Fortschritt im Bewusstsein der Grund- und Menschenrechte: Festschrift für Felix Ermacora, 1988, S. 181–193. 206 Der Ausdruck in der eckigen Klammer wird nur im Urteil Lithgow verwendet. 207 EGMR, James u.a. gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 21. Februar 1986, Serie A, Nr. 98, § 63; Lithgow gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 8. Juli 1986, Serie A, Nr. 102, § 116. 203

B. Die Rechtfertigung einer Enteignung (Menschenrechtsschutz)

479

Grundsätzen des Völkerrechts entsprechende Entschädigung bekommen müssen.208 Für die letztgenannte Interpretation spricht nicht nur der Text des Zusatzprotokolls, sondern auch die Reaktion Frankreichs, der Bundesrepublik Deutschland und des Vereinigten Königreichs auf einen portugiesischen Vorbehalt aus dem Jahr 1978. Portugal hatte sich unter bestimmten Umständen entschädigungslose Enteignungen vorbehalten.209 Frankreich, die Bundesrepublik Deutschland und das Vereinigte Königreich wiesen in der Folge in Stellungnahmen an den Generalsekretär des Europarates darauf hin, dass sie davon ausgingen, dass die allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts im Falle der Enteignung ausländischen Vermögens eine prompte, adäquate und effektive Entschädigung verlangen.210 In der Praxis hat der Gerichtshof diese Bestimmung bisher noch nicht zur Anwendung gebracht, obwohl er bereits über Fälle entschieden hat, in denen in das Eigentum von Ausländern eingegriffen worden war.

___________ 208

I.d.S. auch I. Seidl-Hohenveldern, Eigentumsschutz nach der EMRK und nach allgemeinem Völkerrecht im Lichte der EGMR-Entscheidungen in den Fällen James und Lithgow, Festschrift für Felix Ermacora (1988), in: M. Nowak/D. Steurer/H. Tretter (Hrsg.), Fortschritt im Bewusstsein der Grund- und Menschenrechte: Festschrift für Felix Ermacora, 1988, S. 191 f. 209 Vorbehalt Portugals anlässlich der Ratifikation des Zusatzprotokolls, abgedruckt in 21 YB 1978, S. 16 f.: … Article 1 of the Protocol will be applied subject to Article 82 of the constitution of the Portuguese Republic, which provides that expropriations of large landowners, big property owners and entrepreneurs of shareholders may be subject to no compensation under the conditions to be laid down by law. 210 Reaktion des Vereinigten Königreichs vom 7. Februar 1979, abgedruckt in 22 YB 1979, S. 16: … I have been instructed to re-affirm the view of the Government of the United Kingdom that the general principles of international law require the payment of prompt, adequate and effective compensation in respect of the expropriation of foreign property. Reaktion der Bundesrepublik Deutschland vom 17. Juli 1979, abgedruckt in 22 YB 1979, S. 18: … the reservation made by Portugal cannot affect the general principles of international law which require prompt, adequate and effective compensation in respect of the expropriation of foreign property. Reaktion Frankreichs vom 4. Dezember 1979, abgedruckt in 22 YB 1979, S. 20: … this reservation cannot affect the general principles of international law which require prompt, adequate and effective compensation in respect of the expropriation of foreign property.

480

3. Teil: Die Folgen des Eigentumseingriffs

Im Fall Beyeler gg Italien211 hatte der Beschwerdeführer, ein Schweizer, ein Van Gogh-Gemälde 1977 in Italien über einen Strohmann gekauft. Die italienischen Behörden erfuhren dies bereits 1983, übten aber erst 1988 ein Vorkaufsrecht aus und erwarben das Gemälde zum Preis von 1977. Der EGMR legte sich aufgrund der komplexen Sach- und Rechtslage nicht fest, um welche Eingriffsart es sich genau handelte, sondern prüfte unter „sonstige Eingriffe“.212 Dies wurde zu Recht kritisiert, insbesondere weil die italienischen Gerichte vom Vorliegen einer Enteignung ausgingen.213 Weil der EGMR den Eingriff nicht als Enteignung betrachtete, nahm er in diesem Zusammenhang auch keinerlei Bezug auf die besondere Rechtsstellung von Ausländern. Ebenso ging der EGMR im Fall Sovtransavto Holding gg Ukraine214 vor. Die Unternehmensanteile der beschwerdeführenden russischen Gesellschaft verringerten sich durch mehrere angeblich illegale Kapitalerhöhungen von 49% auf 20,7%. Damit einher ging ein Verlust an Mitbestimmung im Unternehmen. Aufgrund der komplizierten Fakten- und Rechtslage sah es der Gerichtshof als unmöglich an, eine Einordnung in eine der Eingriffskategorien vorzunehmen. Er ging daher nicht vom Vorliegen einer Enteignung aus und prüfte unter der allgemeinen Norm des Artikels 1 des 1. ZP zur EMRK („sonstige Eingriffe“).215 Diese Norm sah er schließlich als verletzt an. Auch hier wurde der beschwerdeführenden Gesellschaft vom EGMR, weil er keine Enteignung festgestellt hatte, kein besonderer Schutz für Ausländer eingeräumt. Auch im Urteil gemäß Artikel 41 EMRK, in dem er die Entschädigung festlegte, nahm der EGMR nicht Bezug darauf, dass es sich um eine ausländische Gesellschaft handelte. Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK war durch Nichtwahrnehmung einer positiven Schutzpflicht des Staates verletzt worden. Der Staat hatte der Gesellschaft keine geeigneten Verfahren zur Durchsetzung ihrer Rechte zur Verfügung gestellt. Aufgrund der Natur der Verletzung ging der EGMR davon aus, dass die Entschädigung nicht direkt auf den Wertverlust der Aktien zu stützen sei, sondern die entgangenen Gewinnchancen zu entschädigen seien. Dabei sei die Situation zu berücksichtigen, in der sich die Gesellschaft durch den verringerten Kapitalanteil befand: ___________ 211 EGMR, Beyeler gg Italien, Urteil vom 5. Jänner 2000, ECHR 2000-I. Zum Sachverhalt siehe auch S. 57, 443. 212 Ibid., § 106 (siehe dazu: B. Rudolf, Beyerler v. Italy, European Court of Human Rights decision on retroactive exercise of a state’s right to preemt a sale of a work of art, 94 AJIL 2000, S. 736 ff.). 213 B. Rudolf, Beyerler v. Italy, European Court of Human Rights decision on retroactive exercise of a state’s right to preemt a sale of a work of art, 94 AJIL 2000, S. 739.). 214 EGMR, Sovtransavto Holding gg Ukraine, Nr. 48553/99, Urteil vom 25. Juli 2002, ECHR 2002-VII. 215 Ibid., § 93.

B. Die Rechtfertigung einer Enteignung (Menschenrechtsschutz)

481

La nature de la violation constatée par la Cour du droit de la requérante au respect de ses biens se répercute par la force des choses sur les critères à employer pour déterminer la réparation due par l’Etat défendeur. D’un côté, la Cour ne saurait spéculer sur ce qu’eût été l’issue du procès si l’Etat avait respecté ses obligations positives sous l’angle de l’article 1 du Protocole no 1. Par conséquent, le montant de la réparation ne peut se fonder directement sur la valeur des actions que détenait la requérante. D’un autre côté, compte tenu de la gravité des violations intervenues dans la procédure litigieuse, la Cour n’estime pas déraisonnable de penser que la requérante a subi une perte de chances réelles (…). Dès lors, la Cour, constatant qu’une perte de chances réelles ne peut être évaluée, d’une façon directe, sur la base de la valeur des actions que détenait la requérante, prendra en compte cette valeur comme référence. La Cour prendra également en compte la situation dans laquelle s’est trouvée la requérante à la suite de la diminution de sa participation au capital de SovtransavtoLougansk.216

Im Ergebnis dürfte die Gesellschaft dadurch nicht schlechter gestellt worden sein, als wenn die in diesem Punkt sehr unklaren Regeln des allgemeinen Völkerrechts angewandt worden wären.217 Der EGMR setzte sich mit diesem Problem jedoch nicht auseinander.218 Ein weiterer Fall, in dem eine ausländische Gesellschaft von einem Eigentumseingriff betroffen war, ist Gasus Fördertechnik GmbH gg Niederlande.219

___________ 216

Ibid., §§ 55–57. Siehe dazu: S. 23 ff. sowie S. 524 ff. 218 Gleiches gilt für den Fall Rosenzweig (EGMR, Rosenzweig and Bonded Warehouses Ltd. gg Polen, Nr. 51728/99, Urteil vom 28. Juli 2005). Dem Beschwerdeführer war eine Genehmigung, ein Zollverschlusslager zu betreiben durch die polnischen Zollbehörden entzogen worden. Bei dem Eingriff handelte es sich nach Ansicht des EGMR nicht um eine Enteignung, sondern um eine Nutzungsregelung. Vermutlich ging der EGMR, weil er keine Enteignung festgestellt hatte, nicht darauf ein, dass der Beschwerdeführer ein Deutscher war, der in Polen investiert hatte. Das Urteil über die Höhe der Entschädigung für die vom Gerichtshof festgestellte Verletzung des Eigentumsrechts war im Juli 2007 noch nicht ergangen. Auch der Fall Bimer S. A. gg Moldova (EGMR, Bimer S. A. gg Moldova, Nr. 15084/03, Urteil vom 10. Juli 2007) betraf ausländische Investoren. Der EGMR sah den Entzug einer Lizenz zum Betrieb eines Duty Free Shops im Einklang mit seiner ständigen Rechtsprechung nicht als Enteignung sondern als Nutzungsregelung an (§ 51). Er behandelte daher die Frage, ob der Gesellschaft aufgrund der Beteiligung von Ausländern ein besonderer Eigentumsschutz zukam nicht. Im Ergebnis dürfte es auch hier zu keiner Schlechterstellung gekommen sein, weil der Gerichtshof die Nutzungsregelung als rechtswidrig ansah und der Gesellschaft Schadenersatz für die Immobilien, den entgangenen Gewinn, die Bankzinsen und die Inflationsverluste zusprach (§§ 70, 71). 219 EKMR, Gasus Fördertechnik GmbH gg Niederlande, Bericht gemäß Artikel 31 vom 21. Oktober 1993 abgedruckt in EGMR, Gasus Fördertechnik GmbH gg Niederlande, Urteil vom 23. Februar 1995, Serie A, Nr. 306-B. 217

482

3. Teil: Die Folgen des Eigentumseingriffs

Die deutsche Firma Gasus hatte einen Betonmischer unter Eigentumsvorbehalt an einen niederländischen Kunden verkauft. Im Konkurs des Kunden wurde der Betonmischer von den niederländischen Steuerbehörden zur Befriedigung von Steuerschulden herangezogen. Gasus wurde von der Beschlagnahme und dem anschließenden Verkauf nicht informiert. Alle ergriffenen Rechtsmittel blieben erfolglos. Die Kommission hatte das Vorliegen einer Enteignung eines Ausländers bejaht. Sie stellte danach fest, dass unter anderem zu prüfen sei, ob die Enteignung in Einklang mit den allgemeinen Prinzipien des Völkerrechts erfolgt sei: This measure falls under the second sentence of the first paragraph of Article 1 of Protocol No. 1 (P1-1), and the Commission must therefore determine whether the conditions laid down in that provision were satisfied or, in other words, whether the deprivation of property was effected in the public interest and subject to the conditions provided for by law and by the general principles of international law.220

Im Anschluss an diese Feststellung überprüfte die Kommission alle Voraussetzungen für die Rechtfertigung einer Enteignung und sah sie als erfüllt an. Insbesondere stellte sie fest, dass die Enteignung verhältnismäßig gewesen sei. Die Kommission nahm dann nochmals darauf Bezug, dass es sich um das Eigentum eines Ausländers handelte. Sie führte aber aus, dass die erfolgte Enteignung nicht vergleichbar sei mit jenen Maßnahmen von Konfiskationen, Nationalisationen oder Enteignungen, für die das Völkerrecht Ausländern einen besonderen Schutz gewähre: It is true that in the present case the property right at issue was that of a foreign company. Nevertheless, the deprivation of property which occurred cannot be compared to those measures of confiscation, nationalisation of expropriation in regard to which international law provides special protection to foreign citizens and companies.221

Warum eine Enteignung eines Betonmischers nicht vom völkerrechtlichen Eigentumsschutz umfasst sein sollte, bleibt unklar. Sowohl in ICSID Schiedssprüchen als auch in der Judikatur des IUSCT wurden immer wieder auch einzelne Objekte als enteignet und vom völkerrechtlichen Eigentumsschutz umfasst angesehen.222 Der Gerichtshof befasste sich mit dieser Frage nicht, weil er ___________ 220

Ibid., § 57. Ibid., § 63. 222 Siehe z.B.: Middle East Cement Shipping and Handling Co. S. A. v. Arab Republic of Egypt, (Greece/Egypt BIT), Award, 12 April 2002, 7 ICSID Reports 178, § 144; IUSCT, Dames and Moore v. Islamic Republic of Iran, Award No. 97-54-3, 20 December 1983, 4 IUSCTR 212, S. 221 (Autos, Büroeinrichtung, Messgeräte etc.); William L. Pereira Associates, Iran v. Islamic Republic of Iran, Award Nr. 116-1-3, 19 March 1984, 5 IUSCTR 198, S. 226 f. (Büroeinrichtung, Auto); Sedco, Inc. v. National Iranian Oil Company, Interlocutory Award Nr. ITL 55-129-3, 28 October 1985, 9 IUSCTR, 248, S. 266 (Ölfördereinrichtung); Oil Field of Texas, Inc. v. Islamic Republic of Iran, Nr. 258-43-1, 8 October 1986, 12 IUSCTR 308, S. 318 f. (Druckausgleichssys221

B. Die Rechtfertigung einer Enteignung (Menschenrechtsschutz)

483

feststellte, dass die Maßnahme keine Enteignung, sondern eine Maßnahme zur Sicherstellung der Zahlung von Steuern und daher eine Nutzungsregelung223 sei: … the most natural approach, in the Court’s opinion, is to examine Gasus’s complaints under the head of “securing the payment of taxes”, which comes under the rule in the second paragraph of Article 1 (P1-1). … The fact that current tax legislation makes it possible for the tax authorities, …, to recover tax debts against a third party’s assets does not warrant any different conclusion as to the applicable rule.224

Somit traf der EGMR bisher nur die allgemeine Feststellung, dass es triftige Gründe für eine Unterscheidung zwischen In- und Ausländern hinsichtlich der gebotenen Entschädigung geben könne. Genauere Parameter, insbesondere hinsichtlich des Umfangs, in dem Ausländer nach Ansicht des EGMR bei Enteignungen entschädigt werden müssen, lassen sich aus der Judikatur jedoch nicht ableiten.

IV. Zwischenergebnis Damit eine Enteignung im Bereich des Menschenrechtsschutzes gerechtfertigt ist, müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein. Die Enteignung muss im öffentlichen Interesse erfolgt sein. Weiters muss sie rechtmäßig225 sein und schließlich muss sie verhältnismäßig sein. Das heißt, es muss ein gerechter Ausgleich zwischen dem Interesse des Staates an der Enteignung und dem Interesse des Enteigneten am Schutz seines Eigentums erfolgt sein. Das Erfordernis des öffentlichen Interesses an einer Enteignung hat bisher in der Judikatur des EGMR nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Schon der Text des Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK räumt den Staaten bei Eigentumseingriffen hinsichtlich des mit dem Eingriff verfolgten öffentlichen Interesses ei___________ teme); Harold Birnbaum v. Islamic Republic of Iran, Award No. 549-967-2, 6 July 1993, 29 IUSCTR 260, S. 275 ff. (Bürogebäude). 223 Die Bestimmung über die Nutzungsregelungen in Artikel 1 Absatz 2 des 1. ZP zur EMRK lautet: The preceding provisions shall not, however, in any way impair the right of a State to enforce such laws as it deems necessary to control the use of property in accordance with the general interest or to secure the payment of taxes or other contributions or penalties. 224 EGMR, Gasus Fördertechnik GmbH gg Niederlande, Urteil vom 23. Februar 1995, Serie A, Nr. 306-B, § 59. 225 Rechtmäßig meint hier sowohl, dass die Enteignung im Einklang mit dem innerstaatlichen Recht erfolgt sein muss, als auch, dass die innerstaatlichen Normen allgemeinen Rechtsstaatlichkeitsgrundsätzen genügen.

484

3. Teil: Die Folgen des Eigentumseingriffs

nen weiteren Spielraum als bei anderen von der EMRK geschützten Rechten ein. Der EGMR respektierte grundsätzlich die innerstaatlichen Entscheidungen darüber, was im öffentlichen Interesse lag, es sei denn, sie entbehrten einer vernünftigen Grundlage. Er übte somit nur eine Kontrolle zum Schutz vor Willkür aus. In einigen Fällen stellte der Gerichtshof fest, dass kein öffentliches Interesse an einer Enteignung vorlag. Dies führte aber nicht dazu, dass nur aufgrund dieses Umstandes vom EGMR bereits eine Verletzung von Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK festgestellt worden wäre. Er prüfte vielmehr zusätzlich die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs. Das Fehlen des öffentlichen Interesses führte jedoch dazu, dass die Enteignungen vom EGMR als unverhältnismäßig angesehen wurden. Wie der Judikatur klar zu entnehmen ist, können auch Enteignungen zugunsten von Privaten, in denen ein Privater direkter, der Staat aber nur indirekter Nutznießer der Enteignung ist, im öffentlichen Interesse sein. Damit eine Enteignung rechtmäßig ist und somit gerechtfertigt sein kann, muss sie einerseits den innerstaatlichen gesetzlichen Voraussetzungen entsprechen, andererseits müssen diese den Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit (rule of law) entsprechen. Bis zum Urteil Iatridis226 im Jahr 1999 spielte diese Rechtfertigungsvoraussetzung in der Judikatur des Gerichtshofes eine eher untergeordnete Rolle. In diesem Urteil maß der Gerichtshof erstmals der Rechtmäßigkeit eines Eigentumseingriffs besondere Bedeutung zu. Der EGMR verwies dabei auf die Bedeutung der „rule of law“ in einer Demokratie und darauf, dass dieses Prinzip allen Artikeln der EMRK zugrunde liege. Der Gerichtshof führte aus, dass eine Verhältnismäßigkeitsprüfung überhaupt nur dann notwendig sei, wenn ein Eingriff rechtmäßig erfolgte und nicht willkürlich war. In der Folge gab es immer wieder Urteile, in denen der EGMR es als nicht erforderlich erachtete, eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchzuführen, sondern bereits mangels Rechtmäßigkeit der Enteignung eine Verletzung von Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK feststellte. Der EGMR geht von einem weiten Gesetzesbegriff aus und stellt auf ein Gesetz im materiellen Sinn ab. Die Entscheidung, ob ein Eingriff im Einklang mit dem innerstaatlichen Recht erfolgt ist, kommt zunächst den innerstaatlichen Organen zu. Nur bei offensichtlichen Rechtsfehlern oder einer willkürlich falschen Rechtsanwendung wirkt sich die nachprüfende Kontrolle des EGMR aus. Bei Enteignungen aufgrund von Ermessensentscheidungen müssen entsprechende Verfahrensregeln vor Willkür schützen. Es besteht daher die Notwendigkeit eines Mindestmaßes an verfahrensrechtlichen Garantien. ___________ 226

II.

EGMR, Iatridis gg Griechenland [GC], Urteil vom 25. März 1999, ECHR 1999-

B. Die Rechtfertigung einer Enteignung (Menschenrechtsschutz)

485

Zudem muss die innerstaatliche Rechtsgrundlage für eine Enteignung bestimmt, zugänglich und vorhersehbar sein. Somit stehen für den Gerichtshof bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer Enteignung die Prinzipien der Rechtssicherheit und der Schutz vor Willkür im Vordergrund. In weniger gravierenden Fällen berücksichtigte der Gerichtshof die Mängel der innerstaatlichen Rechtsgrundlage für die Enteignung im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung, in gravierenden Fällen stellte er bereits aufgrund mangelnder Rechtmäßigkeit des Eigentumseingriffs eine Verletzung von Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK fest. Die nach wie vor wichtigste Rolle bei der Entscheidung, ob eine Enteignung gerechtfertigt ist, kommt der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu. Dabei wägt der EGMR zwischen dem geltend gemachten öffentlichen Interesse an der Enteignung und dem Interesse des Eingriffsopfers am Schutz seines Eigentums ab. Er stellt fest, ob zwischen diesen beiden Interessen ein vernünftiger Ausgleich getroffen wurde, oder ob die von der Enteignung betroffene Person eine individuelle und exzessive Last zu tragen hatte. Dabei überprüft der EGMR, ob die vom Staat ergriffene Maßnahme zur Erreichung des öffentlichen Zwecks geeignet ist und ob es Alternativen gegeben hätte. Das Bestehen von weniger eingriffsintensiven Möglichkeiten zur Erreichung des angestrebten öffentlichen Ziels wird in die Abwägung einbezogen. Allerdings ist dieser Umstand nur einer von mehreren Parametern, die der Gerichtshof bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung berücksichtigt. Er verlangt im Hinblick auf Enteignungen ausdrücklich nicht, dass die ergriffene Maßnahme notwendig war, also kein gelinderes Mittel zur Erreichung des Ziels verfügbar gewesen wäre. Auch ein mangelndes öffentliches Interesse am Eingriff wirkt sich zu Lasten des Staates bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs aus. Ferner überprüft der Gerichtshof bei der Abwägung, ob eine Enteignung verhältnismäßig war, inwiefern in berechtigte Erwartungen eingegriffen wurde. Das Vorliegen bzw. Fehlen von berechtigten Erwartungen hat direkten Einfluss auf die Entscheidung des Gerichtshofs, ob eine gerechtfertigte Enteignung vorliegt. Somit ist es im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung ein wichtiger Faktor, ob durch die Enteignung in berechtigte Erwartungen des Eigentümers eingegriffen wurde. Ein besonders wichtiges Element in der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist die Frage, ob und in welcher Höhe vom Staat für die Enteignung entschädigt wurde. Der Text von Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK selbst enthält keine expliziten Ausführungen zur Frage der Entschädigung für Eigentumseingriffe. Er enthält lediglich einen Verweis auf die allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts. Der EGMR stellt in ständiger Rechtsprechung fest, dass Inländer sich nicht auf diese Bestimmung berufen können. Jedoch leitete er eine grundsätzliche Ent-

486

3. Teil: Die Folgen des Eigentumseingriffs

schädigungspflicht für alle, unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft, aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip ab. Entschädigungslose Enteignungen sind nach der Judikatur zwar nicht per se rechtswidrig. Sie dürfen aber zu keiner unverhältnismäßigen Belastung für den Enteigneten führen. Hinsichtlich der Höhe der Entschädigung stellte der Gerichtshof im Hinblick auf Enteignungen fest, dass die Entschädigungshöhe grundsätzlich in einem „vernünftigen Verhältnis“ zum Wert des enteigneten Objekts stehen muss. Es besteht nicht unter allen Umständen ein Recht auf eine volle Entschädigung. Der EGMR unterscheidet zunächst im Hinblick auf die erforderliche Entschädigung zwischen per se rechtmäßigen und per se rechtswidrigen Enteignungen. Unter per se rechtmäßigen Enteignungen versteht der Gerichtshof solche, die sowohl gesetzmäßig als auch im öffentlichen Interesse erfolgten und nur wegen keiner oder zu geringer Entschädigung konventionswidrig waren. Bei per se rechtswidrigen Enteignungen ist der Enteignete so zu stellen, als ob die Enteignung nicht erfolgt wäre. Der Gerichtshof berücksichtigte in diesen Fällen auch die Wertsteigerung zwischen Entzugsakt und dem Zeitpunkt des Urteils. Somit ist in per se rechtswidrigen Fällen vom Staat jedenfalls Schadenersatz nach dem Chorzów-Prinzip zu leisten. In jenen Fällen, wo nur das Fehlen einer Entschädigung zur Konventionswidrigkeit geführt hatte, ist grundsätzlich eine zum Wert des enteigneten Objekts in einem „vernünftigen Verhältnis“ stehende Entschädigung zu leisten. Ein Abgehen davon kann bei Vorliegen von besonderen Umständen gerechtfertigt sein. Dabei gilt es zwischen Rahmenbedingungen, die eine Minderung und solchen, die einen Totalentfall der Entschädigung rechtfertigen, zu unterscheiden. Sowohl bei Reformen im Wirtschafts- und Sozialbereich als auch bei Nationalisierungen wurde dem staatlichen Interesse an der politischen Gestaltungsmöglichkeit ein höherer Stellenwert beigemessen als dem Interesse des Individuums am Marktwert der entzogenen Sache. Gleiches gilt bei Maßnahmen im Zusammenhang mit einem Wechsel des Regierungssystems hin zu einer Demokratie. Entschädigungen unter dem vollen Wert wurden daher als verhältnismäßig angesehen. Damit der EGMR einen gänzlichen Wegfall der Entschädigung als gerechtfertigt angesehen hat, mussten diese beiden Situationen in Kombination vorliegen: Es mussten sowohl außergewöhnliche Umstände, bedingt durch einen Wechsel des Regierungs- und Wirtschaftssystems, als auch Gesetzesreformen mit dem Ziel, eine größere soziale Gerechtigkeit herzustellen, vorliegen. Zu den außergewöhnlichen Umständen musste daher ein besonderes öffentliches Interesse an der Enteignung hinzutreten. Ferner durften die Individuen keine berechtigten Erwartungen am Fortbestand ihres Eigentumsrechts haben.

B. Die Rechtfertigung einer Enteignung (Menschenrechtsschutz)

487

Somit müssen folgende drei Voraussetzungen kumulativ vorliegen, damit eine entschädigungslose Enteignung gerechtfertigt sein kann: –

außergewöhnliche Umstände etwa bedingt durch einen fundamentalen Wechsel der Verfassungs- und/oder Wirtschaftsordnung;



die Verfolgung einer wichtigen sozial- und/oder wirtschaftspolitischen Zielsetzung;



das Fehlen berechtigter Erwartungen auf Seiten des von der Enteignung betroffenen Individuums.

Es wurde bereits auf die Gefahr, die von einer zu breiten Anwendung des Konzepts solcherart qualifizierter außergewöhnlicher Umstände ausgeht, hingewiesen. Um einen effektiven Schutz des Eigentums nicht zu gefährden, sollte es daher nur mit äußerster Vorsicht zur Anwendung gebracht und keinesfalls generalisiert werden. Der EGMR berücksichtigt jedoch nicht nur besondere staatliche Interessen an einer Enteignung in der Verhältnismäßigkeitsprüfung, sondern auch besondere Interessen der Enteigneten. Bisher betraf dies etwa einen Entzug der Erwerbsgrundlage. In einem derartigen Fall reicht es zum Beispiel nicht aus, lediglich den Marktwert eines Grundstückes zu ersetzen. Ebenfalls bei der Wertbemessung zu berücksichtigen war die Situation sehr alter Menschen in einer schwierigen sozialen Situation, denen ihr einziges Eigentum entzogen worden war. Auch die Dauer zwischen dem faktischen Entzug und dem Zeitpunkt der Entschädigung sowie das Niveau der Inflation werden vom Gerichtshof bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung berücksichtigt. Wenn es sich um eine Zeitspanne von mehreren Jahren handelte und dies keine Berücksichtigung in der Höhe der Entschädigung gefunden hatte, stellte der EGMR regelmäßig das Vorliegen einer unverhältnismäßigen Belastung des Enteigneten fest. Im Hinblick auf Enteignungen von Ausländern traf der EGMR bisher nur die allgemeine Feststellung, dass es triftige Gründe für eine Unterscheidung zwischen In- und Ausländern hinsichtlich der gebotenen Entschädigungshöhe geben könne. Genauere Parameter insbesondere hinsichtlich des Umfangs, in dem Ausländer nach Ansicht des EGMR bei Enteignungen entschädigt werden müssen, lassen sich aus der Judikatur jedoch nicht ableiten. Der Judikatur des Gerichtshofs klar zu entnehmen ist, dass eine derartige unterschiedliche Behandlung nur bei Enteignungen vorgesehen ist. Dies dürfte sich daraus ergeben, dass sich der Standard im allgemeinen Völkerrecht auf Enteignungen bezieht. Bisher bewertete der Gerichtshof jedoch keinen der Fälle, in denen in Eigentumsrechte von Ausländern eingegriffen worden war, als Enteignung.

488

3. Teil: Die Folgen des Eigentumseingriffs

Somit kann festgehalten werden, dass bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung eine Reihe von Faktoren zusammenwirken. Dabei verhalten sich das öffentlichen Interesse am Eingriff und die Höhe der Entschädigung indirekt proportional, die berechtigte Erwartungen des Individuums und die Höhe der Entschädigung direkt proportional. Ist eine Enteignung im öffentlichen Interesse, rechtmäßig und verhältnismäßig, ist sie gerechtfertigt. Das vom EGMR herangezogene Prüfungssystem bietet eine methodisch gute Möglichkeit, einen Ausgleich zwischen staatlichem Eingriffsinteresse und dem Schutzinteresse des vom Eigentumseingriff Betroffenen zu bewirken. Dies erreicht der Gerichtshof insbesondere durch die Durchführung der Verhältnismäßigkeitsprüfung, in welche die Frage der Entschädigung einfließt. Die stärkere Betonung der Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit bei der Frage der Gesetzmäßigkeit der Enteignung in der jüngeren Judikatur ist zu begrüßen. Im Zuge der gebotenen innerstaatlichen Umsetzung der Urteile könnte dies eine generalpräventive Wirkung haben und auf diese Weise für mehr Rechtssicherheit sorgen.

C. Die Rechtmäßigkeit einer Enteignung (Investitionsschutz) Wie bereits erwähnt, dient die Rechtmäßigkeitsprüfung im internationalen Investitionsrecht nicht dazu, festzustellen, ob der Staat dem Enteigneten Ersatz zu leisten hat. Dies steht bereits durch die Entscheidung, dass eine Enteignung vorliegt, fest. Wenn eine Enteignung rechtswidrig ist, liegt im Unterschied zu einer rechtmäßigen Enteignung eine Völkerrechtsverletzung vor, und es tritt Staatenverantwortlichkeit ein. Statt einer Entschädigung ist in einem derartigen Fall Schadenersatz zu leisten. Im folgenden Abschnitt werden die Kriterien für die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit einer Enteignung erörtert.

I. Das öffentliche Interesse Im Fall LIAMCO227 stellte ein Schiedsgericht unter Berufung auf Meinungen in der Literatur fest, dass es für die Rechtmäßigkeit einer Nationalisierung nicht Voraussetzung sei, dass diese im öffentlichen Interesse erfolge: ___________ 227

Libyan American Oil Company (LIAMCO) v. Government of the Libyan Arab Republic, (Investment Agreement), Award, 12 April 1977, 20 ILM (1981), 1.

C. Die Rechtmäßigkeit einer Enteignung (Investitionsschutz)

489

… it is the general opinion in international theory that the public utility principle is not a necessary requisite for the legality of a nationalisation. This principle was mentioned by Grotius and other later publicists, but now there is no international authority, from a judicial or any other source, to support its application to nationalisation. Motives are indifferent to international law, each State being free “to judge for itself what it considers useful or necessary for the public good. … The object pursued by it is of no concern to third parties …”.228 (…). This assertion is easily comprehensible, because nationalization in itself usually presupposes a general policy or political plan in support of which it is executed.229

Im Gegensatz zu diesem Schiedsspruch sehen praktisch alle völkerrechtlichen Investitionsschutzverträge vor, dass Enteignungen und Nationalisierungen nur im öffentlichen Interesse vorgenommen werden dürfen.230 Die Terminolo___________ 228

Das Schiedsgericht führt V. S. Friedman [gemeint wohl S. Friedman], Expropriation in International Law, 1953, S. 140–142 und G. White, Nationalisation of Foreign Property, 1961, S. 145 als Belege an. 229 Libyan American Oil Company (LIAMCO) v. Government of the Libyan Arab Republic, (Investment Agreement), Award, 12 April 1977, 20 ILM (1981), 1, S. 58. 230 Siehe z.B.: Artikel 5 Niederlande/Tschechien BIT: Neither Contracting Party shall take any measures depriving … investors of the other Contracting Party of their investment unless the following conditions are complied with: the measure is taken in the public interest … (Hervorhebung durch die Autorin). Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/czech_netherlands.pdf. Artikel 4 Schweden/Albanien BIT: (1) Neither Contracting Party shall take any measures depriving … an investor of the other Contracting Party of an investment unless the following conditions are complied with: (a) the measures are taken in the public interest … (Hervorhebung durch die Autorin). Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/sweden_albania.pdf. Artikel 5 Mexiko/Österreich BIT: (1) A Contracting Party shall not expropriate … an investment of an investor of the other Contracting Party … except: (a) for a purpose which is in the public interest, … (Hervorhebung durch die Autorin). Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/austria_mexico.pdf. Artikel 5 Kroatien/Thailand BIT: 1. A Contracting Party shall not expropriate or nationalise directly or indirectly an investment in its territory of an investor of another Contracting Party or take any measure or measures having equivalent effect (hereinafter referred to as “expropriation”) except: a) for a purpose which is in the public interest, … (Hervorhebung durch die Autorin). Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/croatia_thailand.pdf.

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3. Teil: Die Folgen des Eigentumseingriffs

gie ist jedoch nicht ganz einheitlich. So werden auch „public purpose“231 oder „public benefit“232 sowie Abwandlungen233 davon verwendet. Keiner der Ver___________ Article 13 ECT: (1) Investments of Investors of a Contracting Party in the Area of any other Contracting Party shall not be nationalized, expropriated or subjected to a measure or measures having effect equivalent to nationalization or expropriation (hereinafter referred to as “Expropriation”) except where such Expropriation is: (a) for a purpose which is in the public interest; (Hervorhebung durch die Autorin). 231 Siehe z.B.: Artikel 5 Iran/Thailand BIT: 1. Investments of investors of either Contracting Party shall not be nationalized, confiscated, expropriated or … Except such measures are taken for public purposes, … Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/iran_thailand.pdf. Artikel 1110 NAFTA : 1. No Party may … nationalize or expropriate an investment of an investor … except: (a) for a public purpose; (Hervorhebung durch die Autorin). 232 Siehe z.B.: Artikel 5 Deutschland/Nigeria BIT: (2) Investments by investors of either Contracting Party shall not directly or indirectly be expropriated, nationalized or subjected to any other measure the effects of which would be tantamount to expropriation of nationalization in the territory of the other Contracting Party except for the public benefit and against compensation. (Hervorhebung durch die Autorin). Quelle: http://www.unctadxi.org/templates/DocSearch.aspx?id=779. Artikel 4 Deutschland/Singapur BIT: (1) Investments by nationals or companies of either Contracting Party shall not be expropriated in the territory of the other Contracting Party except for the public benefit and against just and equitable compensation which represents the fair market value of the investment expropriated. (Hervorhebung durch die Autorin). Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/germany_singapore.pdf. 233 Siehe z.B.: Artikel 5 Vereinigtes Königreich/Ägypten BIT: (1) Investment of nationals … Shall not be nationalised, expropriated or subjected to measures having effect equivalent … except for a public purpose related to the internal needs of that Party … . (Hervorhebung durch die Autorin). Quelle: UK Treaty Series No. 97 (1976). Artikel 5 Vereinigtes Königreich/China BIT: (1) Investments of national or companies of either Contracting Party shall not be expropriated, nationalised or subjected to measures having effect equivalent to expropriation or nationalisation (…) in the territory of the other contracting Party except for a public purpose related to the internal needs of that Contracting Party … (Hervorhebung durch die Autorin).

C. Die Rechtmäßigkeit einer Enteignung (Investitionsschutz)

491

träge enthält jedoch eine Definition dieses Begriffes. Im Allgemeinen finden sich in völkerrechtlichen Investitionsschutzverträgen auch keine deklarativen oder gar taxativen Listen, welche die öffentlichen Interessen aufzählen, die mittels Enteignungen verfolgt werden dürfen. Eine Ausnahme sind die ModellBITs der USA und Kanadas aus dem Jahr 2004. Das US Modell-BIT listet zwar nicht in Artikel 6, der den Eigentumsschutz regelt,234 aber in Annex B hinsichtlich indirekter Enteignungen deklarativ einige besonders schutzwürdige öffentliche Interessen auf.235 Das gleiche gilt für das kanadische Modell BIT.236 ___________ Quelle: UK Treaty Series No. 33 (1986). Artikel VI Thailand/Sri Lanka BIT: (1) Investment of national … of either Contracting Party shall not be subjected … to any measure of nationalization or expropriation in the territory of the other Contracting Party except for a public purpose related to the internal needs of that Contracting Party … . (Hervorhebung durch die Autorin). Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/srilanka_thailand.pdf. Artikel 4 Pakistan/Yemen BIT : … 2. Investments or investors of one of the Contracting Parties shall not be nationalized, expropriated, requisitioned or subjected to any measures having equivalent effect in the territory of the other Contracting Party, except for public purposes or national interest. (Hervorhebung durch die Autorin). Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/pakistan_yemen.pdf. 234 US Modell BIT 2004 Article 6: Expropriation and Compensation 1. Neither Party may expropriate or nationalize a covered investment either directly or indirectly through measures equivalent to expropriation or nationalization (“expropriation”), except: (a) for a public purpose; … Quelle: http://www.state.gov/documents/organization/38710.pdf. 235 Annex B Expropriation … 4. The second situation addressed by Article 6 [Expropriation and Compensation] (1) is indirect expropriation, where an action or series of actions by a Party has an effect equivalent to direct expropriation without formal transfer of title or outright seizure. … (b) Except in rare circumstances, non-discriminatory regulatory actions by a Party that are designed and applied to protect legitimate public welfare objectives, such as public health, safety, and the environment, do not constitute indirect expropriations. (Hervorhebung durch die Autorin). Quelle: http://www.state.gov/documents/organization/38710.pdf.

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3. Teil: Die Folgen des Eigentumseingriffs

In der Literatur besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass nur Enteignungen im öffentlichen Interesse rechtmäßig sind.237 Auch Schiedsgerichte haben das Erfordernis eines öffentlichen Interesses für die Rechtmäßigkeit einer Enteignung wiederholt betont. Bereits der Ständige Internationale Gerichtshof ging im Fall German Interests in Polish Upper Silesia238 vom Bestehen dieses Erfordernisses aus.239 Ebenso wies das Schiedsgericht in AMCO240 auf die Notwendigkeit hin, dass

___________ 236

Canada Modell BIT (FIPA) Article 13 Expropriation 1. Neither Party shall nationalize or expropriate a covered investment either directly, or indirectly through measures having an effect equivalent to nationalization or expropriation (hereinafter referred to as “expropriation”), except for a public purpose, … Annex B.13(1) Expropriation The Parties confirm their shared understanding that … c) Except in rare circumstances, such as when a measure or series of measures are so severe in the light of their purpose that they cannot be reasonably viewed as having been adopted and applied in good faith, non-discriminatory measures of a Party that are designed and applied to protect legitimate public welfare objectives, such as health, safety and the environment, do not constitute indirect expropriation. (Hervorhebung durch die Autorin). Quelle: http://www.dfait-maeci.gc.ca/tna-nac/documents/2004-FIPA-model-en.pdf. 237 G. Schwarzenberger, The ABS-Shawcross Draft Convention on Investments Abroad: A Critical Commentary, 9 Journal of Public Law, 1960, S. 156; R. Higgins, Conflict of interests; international law in a divided world, 1965, S. 56–57; R. Higgins, The Taking of Property by the State: Recent Developments in International Law, 176 RdC (1982-III), 261, S. 288–292; W. D. Verwey/N. J. Schrijver, The Taking of Foreign Property under International Law: A New Legal Perspective?, XV NYIL 1984, 3, S. 15– 16; M. Pellonpää/M. Fitzmaurice, Taking of Property in the Practice of the Iran-United States Claims Tribunal, 19 NYIL, 1988, S. 60 ff.; R. Dolzer/M. Stevens, Bilateral Investment Treaties, 1995, S. 104 f.; C. N. Brower/J. D. Brueschke, The Iran-United States Claims Tribunal, 1998, S. 492 ff.; M. Pellonpää, Compensable Claims before the Tribunal: Expropriation Claims in: R. B. Lillich/D. B. Magraw (Hrsg.), The Iran-United States Claims Tribunal: Its Contribution to the Law of State Responsibility, 1998, S. 200 ff. A. A.: z.B.: M. N. Shaw, International Law5, 2003, S 742 f. 238 PCIJ, Certain German Interests in Polish Upper Silesia (Germany v. Poland) (The Merits), Urteil vom 25. Mai 1926, PCIJ 1926, Serie A Nr. 7. 239 Ibid., S. 22. 240 Amco Asia Corporation and Others v. The Republic of Indonesia, Award, 20 November 1984, 1 ICSID Reports 413.

C. Die Rechtmäßigkeit einer Enteignung (Investitionsschutz)

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eine Nationalisierung, damit sie rechtmäßig sei, im öffentlichen Interesse erfolgen müsse: The Tribunal will not enter into a discussion of the licence’s revocation viewed as a nationalization. It should just be said here that should the revocation in the present case be thus characterized, it would at any event be totally irregular, since no Act of Parliament of Indonesia declared that this measure was required by the interests of the State.241

Auch aus einigen Schiedssprüchen des IUSCT geht eindeutig hervor, dass es seiner Ansicht nach für die Rechtmäßigkeit einer Enteignung erforderlich ist, dass sie im öffentlichen Interesse erfolgt. Ein Beispiel dafür ist der Fall American International Group.242 Er betraf die Nationalisierung einer Versicherung auf Basis eines Verstaatlichungsgesetzes. Das IUSCT stellte fest, dass diese per se nicht rechtswidrig gewesen sei, weil keine Beweise für ein fehlendes öffentliches Interesse oder Diskriminierung vorgelegen hätten: … it cannot be held that the nationalization of Iran America was by itself unlawful, either under customary law of under the Treaty of Amity (…), as there is not sufficient evidence before the Tribunal to show that the nationalization was not carried out for a public purpose … .243

Im Fall INA244 wurde ebenfalls eine Versicherung verstaatlicht. INA hielt 20% der Anteile. Das IUSCT erwähnte auch in diesem Fall das öffentliche Interesse als eine der Voraussetzungen für eine rechtmäßige Enteignung: It has long been acknowledged that expropriations for a public purpose and subject to conditions provided for by law … are not per se unlawful.245

Sowohl in American International Group als auch in INA setzte sich das IUSCT nicht im Detail damit auseinander, unter welchen Voraussetzungen ein öffentliches Interesse vorliegt. Die Grenzen dessen, was das IUSCT als im öffentlichen Interesse liegend ansieht, werden aus dem Fall Amoco246 deutlicher. Zunächst stellte das IUSCT fest, dass es keine allgemein akzeptierte Definition dessen, was einem öffentlichen Zweck dient, gibt. Ferner hielt es fest, dass die ___________ PT Wisma, der indonesische Vertragspartner des Investors, hatte mit Gewalt und Unterstützung der indonesischen Armee die Kontrolle über die ausländische Investition, ein Hotel, übernommen. 241 Ibid., § 190. 242 IUSCT, American International Group v. The Islamic Republic of Iran, Award Nr. 93-2-3, 19 December 1983, 4 IUSCTR 96. 243 Ibid., S. 105. 244 IUSCT, INA Corporation v. The Government of the Islamic Republic of Iran, Award No. 184-161-1, 13 August 1985, 8 IUSCTR 373. 245 Ibid., S. 378. 246 IUSCT, Amoco International Finance Corporation v. The Government of the Islamic Republic of Iran, et al., Partial Award No. 310-56-3, 14 July 1987, 15 IUSCTR 189.

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3. Teil: Die Folgen des Eigentumseingriffs

Formulierung „im öffentlichen Interesse“ im Allgemeinen weit ausgelegt und den Staaten ein großer Ermessensspielraum eingeräumt werde: It is clear that, as a result of the modern acceptance of the right to nationalize, this term is broadly interpreted, and that States, in practice are granted extensive discretion.247

Dennoch sei das Ermessen nicht unbegrenzt. Enteignungen, die nur vorgenommen werden, um einer vertraglichen Verpflichtung zu entgehen, seien nicht als im öffentlichen Interesse gelegen anzusehen: An expropriation, the only purpose of which would have been to avoid contractual obligations of the State or of an entity controlled by it, could not, nevertheless, be considered as lawful under international law.248

Es sei ebenfalls generell anerkannt, dass kein Recht bestehe, nur aus finanziellen Erwägungen zu enteignen. Das IUSCT akzeptierte aber Nationalisierungen, die hauptsächlich vorgenommen wurden, um einen größeren Anteil an den Einnahmen an der Förderung von Bodenschätzen zu erlangen, als im öffentlichen Interesse liegend.249 Das IUSCT hatte aber keine Zweifel daran, dass der Single Article Act im öffentlichen Interesse war. Dieses Gesetz wurde verabschiedet, um die Nationalisierung der Ölindustrie – eines der wirtschaftspolitischen Hauptziele der neuen Regierung – zu vervollständigen.250 Auch das Schiedsgericht in Compañía del Desarrollo de Santa Elena S.A. v. Republic of Costa Rica251 ging in seinen Ausführungen davon aus, dass die Verfolgung eines öffentlichen Interesses Voraussetzung für eine rechtmäßige Enteignung ist: International law permits the Government of Costa Rica to expropriate foreignowned property within its territory for a public purpose and against the prompt payment of adequate and effective compensation.252

Der Schiedsspruch im Fall Goetz v. Burundi253 enthält Hinweise auf die Grenzen des nationalen Ermessens bei der Festlegung des öffentlichen Interesses. Das Schiedsgericht hielt fest, dass es zunächst im Ermessen der Regierung steht, zu entscheiden, was im nationalen Interesse ist. Das Schiedsgericht selbst ___________ 247

Ibid., § 145. Ibid., § 145. In diesem Sinn auch Kuwait v. American Independent Oil Companiy (Aminoil), (Ad-hoc Agreement), Award, 24 March 1982, 21 ILM 1982, 976, § 109. 249 Ibid., § 145. 250 Ibid., § 146. 251 Compañía del Desarrollo de Santa Elena S.A. v. Republic of Costa Rica, (Ad-hoc Agreement), Award, 17 February 2000, 5 ICSID Reports 153. 252 Ibid., § 71. 253 Antoine Goetz and Others v. Republic of Burundi, (Belgium-Luxembourg Economic Union/Burundi BIT), Award, 10 February 1999, 6 ICSID Reports 5. 248

C. Die Rechtmäßigkeit einer Enteignung (Investitionsschutz)

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nahm lediglich eine nachprüfende Kontrolle vor. Es überprüfte nur, ob eine klare Fehleinschätzung der Rechts- oder Sachlage bzw. Willkür vorlag: In the absence of an error of fact or law, of an abuse of power or of a clear misunderstanding of the issue, it is not the Tribunal’s role to substitute its own judgement for the discretion of the Government of Burundi of what are “imperatives of public need … or of national interest”.254

Die Fälle zeigen, dass die Schiedsgerichte ein öffentliches Interesse an einer Enteignung für deren Rechtmäßigkeit verlangen. Im Allgemeinen räumen sie den Staaten bei der Festlegung dessen, was im öffentlichen Interesse ist, ein großes, wenn auch nicht unbegrenztes Ermessen ein. Es ist daher nicht verwunderlich, dass es nur wenige Fälle gibt, in denen Schiedsgerichte zu dem Ergebnis kamen, dass eine Enteignung nicht im öffentlichen Interesse erfolgte. Ein solcher früher Fall war Walter Fletcher Smith.255 Die kubanische Gemeinde, in der das Grundstück lag, hatte dem beklagten Unternehmen eine Konzession zur Entwicklung des Distrikts um Mariano Beach eingeräumt. Der Distrikt umfasste das Land des Herrn Smith. Da keine Einigung über einen Verkauf der Grundstücke erzielt werden konnte, begann die Gemeinde zugunsten des Unternehmens ein Enteignungsverfahren. Sie erwirkte einen erstinstanzlichen Enteignungsbeschluss, und bereits acht Stunden später waren die Gebäude auf Smiths Gelände völlig zerstört. Smith wandte sich erfolglos an kubanische Gerichte. Die Vereinigten Staaten übten in dem Fall diplomatischen Schutz aus und einigten sich mit Kuba auf das Schiedsverfahren.256 Der Einzelschiedsrichter stellte fest, dass das enteignete Grundstück unmittelbar dem belangten Unternehmen zugute kam und das öffentliche Interesse am Entzug nur vorgeschoben war. Vielmehr habe die Enteignung dem Privatvergnügen und privaten Gewinn des Beklagten gedient. Daher lag keine Enteignung im öffentlichen Interesse sondern eine rechtswidrige Enteignung vor: From a careful examination of the testimony and of the records, the Arbitrator is impressed that … the expropriation proceedings were not, in good faith, for the purpose of public utility. … While the proceedings were municipal in form, the properties seized were turned over immediately to the defendant company, ostensibly for public purposes, but, in fact, to be used by the defendant for purposes of amusement and private profit, without any reference to public utility. … Under all the circumstances

___________ 254

Ibid., § 126. In the Claim of Walter Fletcher Smith v. The Compañia Urbanizadora del Parque y Playa de Marianao (USA v. Cuba), Award, 2 May 1929, II Reports of International Arbitral Awards, 915. 256 Ibid., S. 916. 255

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3. Teil: Die Folgen des Eigentumseingriffs

of the case it seems clear that the action of those tribunals should not be held to render valid the proceedings of attempted expropriation.257

Ein weiterer Fall, in dem ein Schiedsgericht feststellte, dass eine Enteignung nicht im öffentlichen Interesse erfolgte, ist LETCO.258 Der Investor hatte mit Liberia einen Konzessionsvertrag (Concession Agreement) über die Nutzung von Holzreserven in Liberia auf zwanzig Jahre abgeschlossen. Nach Vertragsabschluss schränkte die Regierung in den Jahren 1970, 1971 und 1977 sukzessive das Schlägergebiet ein. 1979 verlangte die Forstentwicklungsbehörde (Forest Development Authority – FDA) eine Neuverhandlung des Vertrages. Im Juli des Jahres 1980 beschuldigte FDA LETCO des Vertragsbruchs. Im November 1980 wies sie LETCO darauf hin, dass das Schlägergebiet um mehr als die Hälfte mit sofortiger Wirkung verringert werde. LETCO protestierte gegen die Anschuldigungen und die Verringerung des von der Konzession umfassten Gebietes. Der Investor wandte unter anderem ein, dass diese Verringerung den Vertrag quasi nichtig machte, weil es sich bei den Gebieten um noch ungeschlägerte Flächen handelte. Dennoch bestätigte die FDA schriftlich ihre Entscheidung. Nach zahlreichen Interventionen bei Behörden teilte LETCO FDA im März 1983 die Suspendierung seiner Tätigkeiten in Zusammenhang mit der Konzession mit, weil das Unternehmen keine Flächen zum Schlägern mehr hatte.259 Die Regierung hatte im Schiedsverfahren nicht behauptet, dass es sich bei den Maßnahmen um eine Nationalisierung gehandelt hatte. Dennoch prüfte das Schiedsgericht von sich aus, ob eine solche vorgelegen haben könnte. Es stellte fest, dass eine der Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit einer Nationalisierung das öffentliche Interesse an ihr ist: However, even if the Government had sought to justify its action as an act of nationalization, it would have had to … show that its action was taken for a bona fide public purpose;260

Es gab jedoch keine Beweise für eine Politik Liberias, derartige Konzessionen aus öffentlichem Interesse zu verstaatlichen.261 Im Gegenteil, es lagen Beweise dafür vor, dass die LETCO entzogenen Konzessionen anderen ausländischen Unternehmen übertragen worden waren. Daher stellte das Schiedsgericht fest, dass, selbst wenn das Vorliegen einer Nationalisierung von der Regierung ___________ 257

Ibid., S. 917 f. Liberian Eastern Timber Corporation [LETCO] v. The Government of the Republic of Liberia, (Concession Agreement), Award, 31 March 1986, 89 ILR 1992, 313, S. 338. 259 Ibid., S. 314. 260 Ibid., S. 337. 261 Ibid., S. 338. 258

C. Die Rechtmäßigkeit einer Enteignung (Investitionsschutz)

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vorgebracht worden wäre, unter anderem aufgrund des mangelnden öffentlichen Interesses keine rechtmäßige Nationalisierung vorgelegen hätte: … even if the argument as to nationalization had been raised, it would have failed. … the taking of LETCO’s property was not for a bona fide public purpose, … .262

Auch das Schiedsgericht in ADC v. Hungary263 stellte das Fehlen eines öffentlichen Interesses an einer Enteignung fest. Der Investor in ADC v. Hungary hatte einen Vertrag mit der Air Traffic and Airport Administration (ATAA) über die Renovierung eines Flughafenterminals sowie die Errichtung eines weiteren und die Rechte am Betrieb sowie die Rechte an sämtlichen damit verbundenen Gebühren abgeschlossen. ATAA war eine staatliche Einrichtung unter der Kontrolle des Verkehrsministeriums. Der Terminal wurde im Dezember 1998 für den öffentlichen Gebrauch freigegeben. In der Folge der Ausarbeitung einer neuen staatlichen Luftfahrtstrategie im Hinblick auf den ungarischen EU-Beitritt wurde 2001 ein Dekret erlassen, in dem Übertragungen von Rechten von ATAA an Dritte, wie den Kläger, verboten wurden. ADC wurde davon in Kenntnis gesetzt, dass alle seine Tätigkeiten mit 1. Jänner 2002 auf eine staatliche Einrichtung übergehen würden. ADC konnte der Terminal daher nicht weiter betreiben. Zahlungen (Dividende, Managementgebühren etc) an ADC wurden eingestellt. Das Schiedsgericht stellte das Vorliegen einer Enteignung fest.264 Das Erfordernis eines öffentlichen Interesses an der Enteignung sah es als nicht erfüllt an265: The Tribunal can see no public interest being served by the Respondent’s depriving actions of the Claimant’s investments in the Airport Project.266

Die angebotenen Gründe lehnte das Schiedsgericht mit Hinweis auf eine nicht ausreichende rechtliche und faktische Untermauerung ab. Es wies darauf hin, dass es für die Erfüllung des Erfordernisses des öffentlichen Interesses an einer Enteignung nicht ausreicht, ein öffentliches Interesse zu behaupten, sondern dieses auch zu belegen ist: In the Tribunal’s opinion, a treaty requirement for “public interest” requires some genuine interest of the public. If mere reference to “public interest” can magically put such interest into existence and therefore satisfy this requirement, then this requirement would be rendered meaningless since the Tribunal can imagine no situation where this requirement would not have been met.267

___________ 262

Ibid., S. 338. ADC Affiliate Limited and ADC & ADMC Management Limited v. Republic of Hungary, (Cyprus/Hungary BIT), Award of 2 October 2006, http://ita.law.uvic. ca/documents/ADCvHungaryAward.pdf. 264 Ibid., §§ 423–428. 265 Ibid., §§ 429–433. 266 Ibid., § 429. 267 Ibid., § 432. 263

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3. Teil: Die Folgen des Eigentumseingriffs

Das Schiedsgericht im Fall Siemens268 zog zwar in Zweifel, ob die Enteignung im öffentlichen Interesse erfolgte. Letztlich stützte es sich aber auf die fehlende Entschädigung, um die Rechtswidrigkeit der Enteignung festzustellen. Hinsichtlich des öffentlichen Interesses stellte es fest, dass der Zweck des Notstandsgesetzes aus dem Jahr 2000 die Bewältigung der Finanzkrise der Regierung war. Dekrete, die im Zusammenhang mit dem Notstandsgesetz erlassen worden waren, waren daher im öffentlichen Interesse. Das Schiedsgericht war jedoch der Meinung, dass das Dekret, mit dem der Vertrag mit Siemens unter Berufung auf das Notstandsgesetz für beendet erklärt worden war, eine willkommene Möglichkeit war, einen Prozess fortzusetzen, der lange vor der Finanzkrise begonnen hatte. Es bestanden daher erhebliche Zweifel am Vorliegen eines öffentlichen Interesses an diesem konkreten Akt: From this perspective, while the public purpose of the 2000 Emergency Law is evident, its application through Decree 669/01 to the specific case of Siemens’ investment and the purpose of same are questionable.269

Der Fall ist ein Beispiel dafür, dass, wenn nur Zweifel am öffentlichen Interesse bestehen, Schiedsgerichte die Frage nicht abschließend entscheiden. Die Judikatur der Schiedsgerichte zeigt, dass diese prinzipiell vom Erfordernis eines öffentlichen Interesses an einer Enteignung für deren Rechtmäßigkeit ausgehen. Es fällt jedoch auf, dass in keinem der angeführten Fälle das Fehlen des öffentlichen Interesses alleine zu einer Feststellung der Rechtswidrigkeit der Enteignung geführt hatte. Man könnte sich daher fragen, welche Bedeutung dieses Kriterium angesichts des weiten Ermessensspielraums, den die Staaten bei der Festlegung ihrer öffentlichen Interessen haben, überhaupt hat, und ob die Beibehaltung dieses Erfordernisses sinnvoll ist. In der Literatur wurde jedoch zu Recht auf die generalpräventive Funktion, die einer derartigen Norm zukommt, im Hinblick auf willkürliche Enteignungen hingewiesen.270 Ihre Abschaffung käme einer Einladung zu Enteignungen zu privaten Zwecken nahe. Überdies zeigen die angeführten Beispiele, dass das Kriterium in Extremfällen durchaus Verwendung fand. Somit bestehen die Funktion und der Nutzen dieser Rechtmäßigkeitsvoraussetzung in der Sanktionierung von willkürlichen Enteignungen.

___________ 268 Siemens AG v. Argentine Republic, (Argentina/Germany BIT), Award, 6 February 2007, http://ita.law.uvic.ca/documents/Siemens-Argentina-Award.pdf. 269 Ibid., § 273. 270 Siehe z.B.: R. Higgins, The Taking of Property by the State: Recent Developments in International Law, 176 RdC (1982-III), 261, S. 292; I. Seidl-Hohenveldern, International Economic Law³, 1999, S. 134.

C. Die Rechtmäßigkeit einer Enteignung (Investitionsschutz)

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II. Das Erfordernis eines rechtsstaatlichen Verfahrens – Due Process Das Erfordernis, dass eine Enteignung in Übereinstimmung mit den Grundsätzen eines rechtsstaatlichen Verfahrens (due process) erfolgen muss, ist erst eine jüngere Entwicklung des Völkerrechts. So findet es etwa im US Third Restatement of the Law of Foreign Relations aus 1987 keine Erwähnung.271 Dieses Erfordernis für die Rechtmäßigkeit einer Enteignung ist jedoch vereinzelt bereits vor Mitte der 1980er, häufiger ab Anfang der 1990er Jahre in völkerrechtlichen Investitionsschutzverträgen enthalten.272 Es gibt aber weiterhin auch Verträge, die dieses Erfordernis nicht vorsehen.273 ___________ 271 Restatement (Third) of the Foreign Relations Law of the United States, American Law Institute, Vol. 2, 1986, S. 196. § 712 State Responsibility for Economic Injury to Nationals of Other States A State is responsible under international law for injury resulting from: (1) a taking by the state of the property of a national of another state that (a) is not for a public purpose, or (b) is discriminatory, or (c) is not accompanied by provision for just compensation; … 272 Für eine diesbezügliche quantitative Auswertung bis Mitte der 1980er Jahre siehe: W. D. Verwey/N. J. Schrijver, The Taking of Foreign Property under International Law: A New Legal Perspective?, XV NYIL 1984, 3, S. 66. Für Investitionsschutzverträge, die den Standard enthalten siehe z.B.: Artikel 5 Niederlande/Tschechien BIT: Neither Contracting Party shall take any measures depriving … investors of the other contracting Party of their investment unless the following conditions are complied with: the measure is taken in the public interest and under due process of law; (Hervorhebung durch die Autorin). Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/czech_netherlands.pdf. Artikel III USA/Bangladesh BIT (1986): 1. No investment or any Part of an investment of a national or a company of either Party shall be expropriated or nationalized by the other Party … unless the expropriation: … (b) is accomplished under due process of law; … (Hervorhebung durch die Autorin). Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/us_bangladesh.pdf. Artikel III USA/Kamerun BIT (1986): 1. Investments shall not be expropriated or nationalized either directly or indirectly except for a public purpose and in accordance with due process of law and the principles enunciated in paragraph 4 of Article II. (Hervorhebung durch die Autorin). Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/us_cameroun.pdf.

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3. Teil: Die Folgen des Eigentumseingriffs

___________ Artikel 4 Schweden/Albanien BIT (1995): (1) Neither Contracting Party shall take any measures depriving … an investor of the other Contracting Party of an investment unless the following conditions are complied with: (a) the measures are taken in the public interest and under due process of law; (Hervorhebung durch die Autorin). Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/sweden_albania.pdf. Artikel 5 Mexiko/Österreich BIT (1998): (1) A Contracting Party shall not expropriate … an investment of an investor of the other Contracting Party … except: … (c) in accordance with due process of law, … (Hervorhebung durch die Autorin). Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/austria_mexico.pdf. Artikel 5 Kroatien/Thaliand BIT: 1. A Contracting Party shall not expropriate or nationalise directly or indirectly an investment in its territory of an investor of another Contracting Party or take any measure or measures having equivalent effect (hereinafter referred to as “expropriation”) except: … c) in accordance with due process of law, and (Hervorhebung durch die Autorin). Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/croatia_thailand.pdf. Artikel 5 Iran/Thailand BIT: 1. Investments of investors of either Contracting Party shall not be nationalized, confiscated, expropriated or … Except such measures are taken for public purposes, in accordance with due process of law, … (Hervorhebung durch die Autorin). Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/iran_thailand.pdf. Artikel VIII Kanada/Ecuador BIT (1996): 1. Investment … shall not be nationalized, expropriated or …, except for a public purpose, under due process of law, … . (Hervorhebung durch die Autorin). Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/canada_ecuador.pdf. Artikel 1110 NAFTA : 1. No Party may … nationalize or expropriate an investment of an investor … except: (c) in accordance with due process of law …; … 273 Nicht enthalten ist der Standard beispielsweise in: Artikel 5 Vereinigtes Königreich/Ägypten BIT (1976): (1) Investment of nationals … Shall not be nationalised, expropriated or subjected to measures having effect equivalent … except for a public purpose related to the internal needs of that Party and against prompt, adequate and effective compensation.

C. Die Rechtmäßigkeit einer Enteignung (Investitionsschutz)

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Zu diesem Kriterium gibt es noch keine umfangreiche schiedsgerichtliche Praxis. In LETCO274 stellte das Schiedsgericht lediglich fest, dass eine gesetzliche Verankerung (some legislative enactment) Voraussetzung für eine rechtmäßige Nationalisierung ist. Es lehnte das Vorliegen einer Nationalisierung unter anderem deshalb ab, weil es keine gesetzliche Grundlage gab.275

___________ Quelle: UK Treaty Series No. 97 (1976). Artikel 5 Vereinigtes Königreich/China BIT (1986): (1) Investments of national or companies of either Contracting Party shall not be expropriated, nationalised (…) except for a public purpose related to the internal needs of that Contracting Party and against reasonable compensation. Quelle: UK Treaty Series No. 33 (1986). Artikel 4 Deutschland/Argentinien BIT (1991): (2) Kapitalanlagen von Staatsangehörigen oder Gesellschaften einer Vertragspartei dürfen im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei nur zum allgemeinen Wohl und gegen Entschädigung enteignet, verstaatlicht oder anderen Maßnahmen unterworfen werden, … Die Entschädigung … Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/germany_argentina_sp.pdf. Artikel VI Thailand/Sri Lanka BIT (1996): (1) Investment of national … of either Contracting Party shall not be subjected … to any measure of nationalization or expropriation in the territory of the other Contracting Party except for a public purpose related to the internal needs of that Contracting Party and against adequate and effective compensation. Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/srilanka_thailand.pdf. Artikel 4 Pakistan/Yemen BIT (1999): … 2. Investments or investors of one of the Contracting Parties shall not be nationalized, expropriated, requisitioned or subjected to any measures having equivalent effect in the territory of the other Contracting Party, except for public purposes or national interest. However, such measures shall be subject to prompt and adequate compensation and on condition that these measures are taken on a nondiscriminatory basis. Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/pakistan_yemen.pdf. Artikel 5 Deutschland/Nigeria BIT (2000): (2) Investments by investors of either Contracting Party shall not … be expropriated, nationalized or subjected to any other measure the effects of which would be tantamount to expropriation or nationalization in the territory of the other Contracting Party except for the public benefit and against compensation. Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/germany_nigeria.pdf. 274 Liberian Eastern Timber Corporation [LETCO] v. The Government of the Republic of Liberia, (Concession Agreement), Award, 31 March 1986, 89 ILR 1992, 313, S. 338. 275 Ibid., S. 338 f.

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3. Teil: Die Folgen des Eigentumseingriffs

Ein früher Fall, in dem es um die Rechtmäßigkeit eines Eigentumsentzugs ging, war Goetz v. Burundi.276 Das BIT sah vor, dass Enteignungen nur unter der Bedingung zulässig sind, dass sie in Übereinstimmung mit einem gesetzlichen Verfahren erfolgen: Article 4: Mesures privatives et restrictives de propriété mesure privative ou restrictive de propriété… auquel cas les conditions suivantes doivent êtres remplies: a) les mesures sont prises selon une procédure légale;277

Das Schiedsgericht überprüfte, ob die vom Kläger geltend gemachten Rechtswidrigkeiten – im Hinblick auf das innerstaatliche Recht – beim Widerruf der Steuerbegünstigung tatsächlich vorlagen, und verneinte dies.278 Das heißt, das Schiedsgericht nahm eine detaillierte Prüfung der Rechtmäßigkeit der Vorgangsweise des Entzugs im Hinblick auf das innerstaatliche Recht vor. Bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Enteignung im Hinblick auf das Völkerrecht hielt es fest, dass dafür aufgrund des BIT vier Bedingungen erfüllt sein müssen. Eine davon sei, dass sie in Übereinstimmung mit einem rechtmäßigen Verfahren erfolgt sein muss. Diese Bedingung sah das Schiedsgericht unter Verweis auf seine eingehende Prüfung der Übereinstimmung mit innerstaatlichem Recht als erfüllt an: The international lawfulness of the measure, once more based on its lawfulness with regard to national law, is found to be established also in regard to this second condition.279

Das Schiedsgericht überprüfte somit nicht, ob das innerstaatliche Verfahren völkerrechtlichen Due-process-Standards entsprach, sondern nur, ob die innerstaatlichen Rechtsvorschriften eingehalten worden waren. Dies dürfte vor dem Hintergrund erfolgt sein, dass das Schiedsgericht zuvor festgestellt hatte, dass es sowohl innerstaatliches als auch Völkerrecht auf den Fall anzuwenden hatte.280 ___________ 276 Antoine Goetz and Others v. Republic of Burundi, (Belgium-Luxembourg Economic Union/Burundi BIT), Award, 10 February 1999, 6 ICSID Reports 5. 277 Convention entre l’Union économique Belgo-Luxembourgeoise et la République du Burundi concernant l’encouragement et la protection réciproques des investissements: Article 4 : Mesures privatives et restrictives de propriété … auquel cas les conditions suivantes doivent êtres remplies: a) les mesures sont prises selon une procédure légale; … Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/belg_lux_burundi_fr.pdf. 278 Antoine Goetz and Others v. Republic of Burundi, (Belgium-Luxembourg Economic Union/Burundi BIT), Award, 10 February 1999, 6 ICSID Reports 5, §§ 100–116. 279 Ibid., § 127. 280 Ibid., §§ 94–99.

C. Die Rechtmäßigkeit einer Enteignung (Investitionsschutz)

503

Üblicherweise wurde, wie die folgenden Fälle zeigen, die Einhaltung des innerstaatlichen Rechts von Schiedsgerichten nicht unter dem Titel der Einhaltung eines rechtsstaatlichen Verfahrens überprüft.281 In diesem Sinne führte das IUSCT in Amoco v. Iran282 aus, dass die Einhaltung des innerstaatlichen Rechts üblicherweise nicht als eigenständiges Kriterium für eine völkerrechtskonforme Enteignung verlangt wird. Die Verletzung innerstaatlichen Rechts wird zumeist eher als Beweis für ein fehlendes öffentliches Interesse angesehen: Conformity with domestic law is not usually cited as a condition for an internationally lawful nationalization, and the Treaty specifies no such condition. It is therefore doubtful whether it is one of the requisites of international law. … Violation of domestic law, when invoked, is most often analyzed as evidence of the lack of fulfilment of one of the conditions imposed by international law, such as the existence of a public purpose, …, or of the payment of compensation.283

Das IUSCT hob in Mobil Oil Iran Inc. v. Iran284 nochmals hervor, dass sich die Rechtmäßigkeit einer Enteignung nach Völkerrecht und nicht nach innerstaatlichem Recht richtet: … the lawfulness of an expropriation must be judged by reference to international law. … A concession, for instance, may be the object of a nationalization regardless of the law the parties chose as the law of the contract. In the instant Cases, the validity under international law of the Single Article Act and of its application to the SPA or any other agreement is not dependent upon the law which the Parties chose to govern the Agreement.285

In diesem Sinne überprüfte das Schiedsgericht im Fall Middle East Cement286 die Vereinbarkeit der Enteignung mit völkerrechtlichen due process Standards. Dem Investor war eine Berechtigung zum zollfreien Handel mit Zement erteilt worden. Später wurde von Ägypten zunächst ein Zementimportverbot erlassen. Danach wurde die Poseidon, das Schiff des Klägers, von der Hafenbehörde, die Geldforderungen gegen den Kläger hatte, beschlagnahmt. In der Folge wurde das Schiff zwangsversteigert. Darin sah das Schiedsgericht eine enteignungsgleiche Maßnahme. Das BIT verlangte für die Rechtmäßigkeit ___________ 281 C. N. Brower/J. D. Brueschke, The Iran-United States Claims Tribunal, 1998, S. 502 f. 282 Amoco International Finance Corporation v. The Government of the Islamic Republic of Iran, et al., Partial Award No. 310-56-3, 14 July 1987, 15 IUSCTR 189. 283 Ibid., § 120. 284 IUSCT, Mobil Oil Iran Inc., et al. v. Government of the Islamic Republic of Iran, et al., Partial Award No. 311-74/76/81/150-3, 14 July 1987, 16 IUSCTR 3. 285 Ibid., § 73. 286 Middle East Cement Shipping and Handling Co. S. A. v. Arab Republic of Egypt, (Greece/Egypt BIT), Award, 12 April 2002, 7 ICSID Reports 178.

504

3. Teil: Die Folgen des Eigentumseingriffs

der Enteignung, dass sie im Einklang mit einem rechtsstaatlichen Verfahren (under due process of law) sein muss. Es war zwischen dem Investor und Ägypten strittig, ob die Versteigerung dem Investor hinreichend kundgemacht worden war.287 Ägyptisches Recht sah ein Zustellverfahren bei Abwesenheit des Beklagten (in diesem Fall der Investor) vor. Der Beklagte war nicht auf dem Schiff, als ihm die Benachrichtigung über die Versteigerung zugestellt werden sollte. Daher wurde die Benachrichtigung am Schiff hinterlegt. Das Schiedsgericht bezweifelte jedoch, ob der Rückgriff auf diese Zustellmöglichkeit gerechtfertigt war, weil die Adresse des Klägers sowie seines ägyptischen Anwalts den Behörden bekannt waren. Das Schiedsgericht wies darauf hin, dass in diesem Zusammenhang der Bestimmung über „fair and equitable treatment and full protection and security“ in Artikel 2.2 des BIT eine besondere Bedeutung zukomme: This BIT provision [fair and equitable treatment and full protection and security] must be given particular relevance in view of the special protection granted by Art. 4 against measures “tantamount to expropriation” and in the requirement for “due process of law” in Art. 4. a).288

Weil die Benachrichtigung über die Beschlagnahme und Zwangsversteigerung des Schiffes nicht auf direktem Weg zugestellt worden war, waren für das Schiedsgericht die Erfordernisse eines rechtsstaatlichen Verfahrens nicht eingehalten worden: Therefore, a matter as important as the seizure and auctioning of a ship of the Claimant should have been notified by a direct communication for which the law No. 308 provided under the 1st paragraph of Art. 7, irrespective of whether there was a legal duty or practice to do so by registered mail with return receipt requested as argued by Claimant (CV 4). The Tribunal finds that the procedure in fact applied here does not fulfill the requirements of Art. 2.2 and 4 of the BIT.289

In diesem Fall überprüfte das Schiedsgericht somit die Nichteinhaltung der völkerrechtlichen Verfahrensstandards (due process of law). Allerdings stellte es nicht explizit fest, dass eine rechtswidrige Enteignung vorlag, sondern folgerte, dass der Entzug des Schiffes eine enteignungsgleiche Maßnahme sei. Über die Rechtmäßigkeit der Enteignung äußerte es sich nicht weiter. Es verwendete die Überprüfung, ob das Eigentum in einem rechtsstaatlichen Verfahren entzogen worden war, statt zur Feststellung, ob die Enteignung rechtswidrig war, zur Klärung der Frage, ob überhaupt eine Enteignung vorlag. Diese Vorgangsweise widerspricht Artikel 4 des zugrundeliegenden BIT. Dieser sieht vor, dass eine Enteignung nur dann rechtmäßig ist, wenn sie unter Einhaltung ___________ 287

Ibid., § 140. Ibid., § 143. 289 Ibid., § 143. 288

C. Die Rechtmäßigkeit einer Enteignung (Investitionsschutz)

505

eines due process erfolgt.290 Somit ist die Frage, ob ein rechtsstaatliches Verfahren eingehalten wurde, erst zu prüfen, wenn bereits feststeht, dass eine Enteignung vorliegt. Auch das Schiedsgericht in Methanex291 wies zwar auf die Notwendigkeit hin, dass Eigentumseingriffe in einer rechtsstaatlichen Weise erfolgen müssen. Es zog das Kriterium jedoch dazu heran, festzustellen, ob eine Enteignung vorlag, und nicht, um zu überprüfen, ob eine Enteignung rechtmäßig erfolgte. So stellte es zunächst klar, dass nach allgemeinem Völkerrecht eine regulative Maßnahme, die im öffentlichen Interesse liegt, nicht diskriminierend ist und auf rechtsstaatlichem Weg ergriffen wird, keine Enteignung darstellt, wenn nicht ausdrückliche entgegenstehende staatliche Zusagen vorliegen: ... as a matter of general international law, a non-discriminatory regulation for a public purpose, which is enacted in accordance with due process and, which affects, inter alios, a foreign investor or investment is not deemed expropriatory and compensable unless specific commitments had been given by the regulating government to the then putative foreign investor contemplating investment that the government would refrain from such regulation.292

In der Folge wies das Schiedsgericht noch einmal auf das Erfordernis hin, dass der Eigentumseingriff auf rechtsstaatliche Weise erfolgen muss. Wiederum tat es dies aber, um zwischen einer – seiner Ansicht nach – nicht entschädigungspflichtigen regulativen Maßnahme und einer Enteignung zu unterscheiden, nicht aber um zu entscheiden, ob eine Enteignung rechtmäßig war. In der Folge stellte es fest, dass diese Erfordernisse erfüllt waren und daher keine Enteignung vorlag. Es musste daher die Rechtmäßigkeit einer Enteignung nicht mehr überprüfen.

___________ 290

Artikel 4 Griechenland/Ägypten BIT: Investments by investors of either Contracting Party shall not be expropriated, nationalized or subjected to any other measure the effects of which would be tantamount to expropriation or nationalization in the territory of the other Contracting Party except under the following conditions: a) the measures are taken in the public interest and under due process of law, … Quelle: Middle East Cement Shipping and Handling Co. S. A. v. Arab Republic of Egypt, (Greece/Egypt BIT), Award, 12 April 2002, 7 ICSID Reports 178, § 104. 291 MethanexCorp. v. USA, (NAFTA), Final Award, 3 August 2005, http://ita.law. uvic.ca/documents/MethanexFinalAward.pdf. 292 Ibid., Part IV – Chapter D, § 7. Hervorhebung durch die Autorin.

506

3. Teil: Die Folgen des Eigentumseingriffs

In ADC v. Hungary293 setzte sich ein Schiedsgericht ausdrücklich mit den Anforderungen des Due-process-Standards an eine Enteignung im Hinblick auf deren Rechtmäßigkeit auseinander. Es führte in diesem Zusammenhang einige Kriterien an, die vorliegen müssen, damit dieses Erfordernis erfüllt ist. Das Schiedsgericht verlangte, dass ein ausländischer Investor eine wirksame Beschwerdemöglichkeit gegen eine Enteignung hat: The Tribunal agrees with the Claimants that “due process of law”, in the expropriation context, demands an actual and substantive legal procedure for a foreign investor to raise its claims against the depriving actions already taken or about to be taken against it.294

Das diesbezügliche Verfahren müsse einige grundlegende Garantien eines fairen Verfahrens aufweisen. Es müsse gewährleistet sein, dass der Investor innerhalb einer angemessenen Frist vor der Enteignung von dieser informiert wird. Ferner müsse er Zugang zu einer unabhängigen und unparteiischen Instanz haben. Überdies müsse der Investor gehört werden und seine Rechte geltend machen können. Außerdem müsse damit in angemessener Zeit Abhilfe geschaffen werden können: The Tribunal agrees with the Claimants that “due process of law”, in the expropriation context, demands an actual and substantive legal procedure for a foreign investor to raise its claims against the depriving actions already taken or about to be taken against it. Some basic legal mechanisms, such as reasonable advance notice, a fair hearing and an unbiased and impartial adjudicator to assess the actions in dispute, are expected to be readily available and accessible to the investor to make such legal procedure meaningful. In general, the legal procedure must be of a nature to grant an affected investor a reasonable chance within a reasonable time to claim its legitimate rights and have its claims heard.295

Das Schiedsgericht stellte fest, dass diese Anforderungen im vorliegenden Fall nicht erfüllt waren. So wurde der Investor nicht vorab von der Gesetzesänderung, die zum Entzug seiner Investition führte, informiert.296 Überdies standen ihm keine wirksamen Rechtsmittel zur Überprüfung der Enteignung zur Verfügung.297 Das Schiedsgericht stellte unter anderem deshalb fest, dass eine rechtswidrige Enteignung vorlag. Warum die Rechtsmittel, die laut ungarischen Angaben existierten, die vom Schiedsgericht angeführten Kriterien nicht erfüllten, wird im Schiedsspruch nicht im Detail ausgeführt.298 ___________ 293 ADC Affiliate Limited and ADC & ADMC Management Limited v. Republic of Hungary, (Cyprus/Hungary BIT), Award of 2 October 2006, http://ita.law.uvic.ca/ documents/ADCvHungaryAward.pdf. 294 Ibid., § 435. 295 Ibid., § 435. 296 Ibid., § 436. 297 Ibid., §§ 438–439. 298 Ibid., §§ 395, 419, 438, 439.

C. Die Rechtmäßigkeit einer Enteignung (Investitionsschutz)

507

Bei dem Kriterium des „due process“ handelt es sich um ein rezentes Erfordernis und nicht um eine auch völkergewohnheitsrechtlich verankerte Voraussetzung. Zu überprüfen ist, ob das innerstaatliche Verfahren den völkerrechtlichen Due-process-Erfordernissen entspricht. Aus der bisher spärlichen Judikatur lässt sich ableiten, dass das Verfahren, durch das eine Enteignung erfolgt, dazu folgende Voraussetzungen erfüllen muss: –

Information über den Eigentumseingriff in angemessener Frist vor der Enteignung;



Zugang zu einer unabhängigen und unparteiischen Überprüfungsinstanz;



Vor dieser muss der Investor gehört werden und seine Rechte geltend machen können;



Durch das Rechtsmittel muss in angemessener Zeit Abhilfe geschaffen werden können.

Von dem Due-process-Erfordernis zu unterscheiden sind Klauseln in Investitionsschutzverträgen, die ein Recht des Investors auf Überprüfung der Enteignung durch eine innerstaatliche Instanz enthalten. So sehen etwa einige österreichische BITs vor, dass dem Investor das Recht zusteht, „die Rechtmäßigkeit der Enteignung durch die zuständigen Organe der Vertragspartei, welche die Enteignung veranlasst hat, überprüfen zu lassen“.299 Derartige für den Investor zunächst günstig erscheinende Bestimmungen können dann problematisch werden, wenn sie in Kombination mit sogenannten „Fork-in-the-road“-Klauseln in einem Investitionsschutzvertrag enthalten sind. Letztere sehen vor, dass ein Rechtsstreit aus einer Investition nicht mehr vor ein internationales Schiedsgericht gebracht werden kann, wenn er zunächst vor einem nationalen Gericht anhängig gemacht worden ist. Eine derartige Kombination enthält beispielsweise das BIT zwischen den USA und Argentinien.300 ___________ 299 Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Bulgarien über die gegenseitige Förderung und den gegenseitigen Schutz von Investitionen samt Protokoll, BGBl. III Nr. 162/1997, Artikel 5 (4). Siehe auch z.B.: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Kap Verde über die Förderung und den Schutz von Investitionen, BGBl. Nr. 83/1993, Artikel 4(3). 300 Treaty between the United States of America and the Argentine Republic concerning the Reciprocal Encouragement and Protection of Investment: Article IV … 2. A national or company of either Party that asserts that all or part of its investment has been expropriated shall have a right to prompt review by the appropriate judicial or administrative authorities of the other Party to determine whether any such expropriation has occurred and, if so, whether such

508

3. Teil: Die Folgen des Eigentumseingriffs

Wenn die erstgenannte Schutzbestimmung sich nicht zu einer Falle für den Investor entwickeln soll, können derartige Verträge nur so ausgelegt werden, dass die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Enteignung nicht als Anhängigmachen des Investitionsstreits bei einem nationalen Gericht angesehen wird.301

___________ expropriation, and any compensation therefore, conforms to the provisions of this Treaty and the principles of international law. Article VII … 2. In the event of an investment dispute, the parties to the dispute should initially seek a resolution through consultation and negotiation. If the dispute cannot be settled amicably, the national or company concerned may choose to submit the dispute for resolution: (a) to the courts or administrative tribunals of the Party that is a party to the dispute; or (b) in accordance with any applicable, previously agreed dispute-settlement procedures; or (c) in accordance with the terms of paragraph 3. 3. (a) Provided that the national or company concerned has not submitted the dispute for resolution under paragraph 2 (a) or (b) and that six months have elapsed from the date on which the dispute arose, the national or company concerned may choose to consent in writing to the submission of the dispute for settlement by binding arbitration: (i) to the International Centre for the Settlement of Investment Disputes (“Centre”) established by the Convention on the Settlement of Investment Disputes between States and Nationals of other States, done at Washington, March 18, 1965 (“ICSID Convention”), provided that the Party is a party to such convention: or … (Hervorhebungen durch die Autorin). Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/argentina_us.pdf. 301 Siehe z.B.: C. Schreuer, Travelling the BIT Route, Of Waiting Periods, Umbrella Clauses and Forks in the Road, 5 The Journal of World Investment & Trade, 2004, 231, S. 248 f.

C. Die Rechtmäßigkeit einer Enteignung (Investitionsschutz)

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III. Nichtdiskriminierung Weiters ist in völkerrechtlichen Investitionsschutzverträgen zumeist302 ausdrücklich normiert, dass Enteignungen nicht in diskriminierender Weise vorgenommen werden dürfen.303/304 Die einschlägigen Normen über die Voraus___________ 302

Nicht enthalten ist dieses Erfordernis beispielsweise in folgenden Verträgen: Artikel 5 Vereinigtes Königreich/Ägypten BIT (1976): (1) Investment of nationals …. Shall not be nationalised, expropriated or subjected to measures having effect equivalent … except for a public purpose related to the internal needs of that Party and against prompt, adequate and effective compensation. Quelle: UK Treaty Series No. 97 (1976). Artikel 5 Vereinigtes Königreich/China BIT (1986): (1) Investments of national or companies of either Contracting Party shall not be expropriated, nationalised (…) except for a public purpose related to the internal needs of that Contracting Party and against reasonable compensation. Quelle: UK Treaty Series No. 33 (1986). Artikel 4 Deutschland/Argentinien BIT (1991): (2) Kapitalanlagen von Staatsangehörigen oder Gesellschaften einer Vertragspartei dürfen im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei nur zum allgemeinen Wohl und gegen Entschädigung enteignet, verstaatlicht oder anderen Maßnahmen unterworfen werden, die in ihren Auswirkungen einer Enteignung oder Verstaatlichung gleichkommen. Die Entschädigung …. Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/germany_argentina_sp.pdf. Artikel VI Thailand/Sri Lanka BIT (1996): (1) Investment of national … of either Contracting Party shall not be subjected … to any measure of nationalization or expropriation in the territory of the other Contracting Party except for a public purpose related to the internal needs of that Contracting Party and against adequate and effective compensation. Such compensation … Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/srilanka_thailand.pdf. Artikel 5 Deutschland/Nigeria BIT (2000): (2) Investments by investors of either Contracting Party shall not … be expropriated, nationalized or subjected to any other measure the effects of which would be tantamount to expropriation or nationalization in the territory of the other Contracting Party except for the public benefit and against compensation. Such compensation … Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/germany_nigeria.pdf. 303 Für eine quantitative Analyse der Investitionsschutzverträge bis Mitte der 1980er Jahre zu dieser Frage siehe: W. D. Verwey/N. J. Schrijver, The Taking of Foreign Property under International Law: A New Legal Perspective?, XV NYIL 1984, 3, S. 67. 304 Siehe z.B.: Artikel 5 Niederlande/Tschechien BIT: Neither Contracting Party shall take any measures depriving … investors of the other contracting Party of their investment unless the following conditions are complied with: … the measures are not discriminatory;

510

3. Teil: Die Folgen des Eigentumseingriffs

___________ Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/czech_netherlands.pdf. Artikel 6 Niederlande/Tajikistan BIT: Neither Contracting Party shall take any measures depriving, directly or indirectly, nationals of the other Contracting Party of their investments unless the following conditions are complied with: … b) the measures are not discriminatory or … Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/netherlands_tadjikistan.pdf. Artikel III USA/Bangladesh BIT (1986): 1. No investment or any Part of an investment of a national or a company of either Party shall be expropriated or nationalized by the other Party … unless the expropriation: … is not discriminatory; … Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/us_bangladesh.pdf. Artikel 4 Schweden/Albanien BIT (1995): (1) Neither Contracting Party shall take any measures depriving … an investor of the other Contracting Party of an investment unless the following conditions are complied with: … (b) the measures are distinct and not discriminatory; … Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/sweden_albania.pdf. Artikel 5 Mexiko/Österreich BIT (1998): (1) A Contracting Party shall not expropriate … an investment of an investor of the other Contracting Party … except: … (b) on a non-discriminatory basis, … Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/austria_mexico.pdf. Artikel 5 Kroatien/Thailand BIT: 1. A Contracting Party shall not expropriate or nationalise directly or indirectly an investment in its territory of an investor of another Contracting Party or take any measure or measures having equivalent effect (hereinafter referred to as “expropriation”) except: … b) on a non-discriminatory basis, … Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/croatia_thailand.pdf . Artikel 5 Iran/Thailand BIT: 1. Investments of investors of either Contracting Party shall not be nationalized, confiscated, expropriated or …. Except such measures are taken … in a nondiscriminatory manner … Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/iran_thailand.pdf.

C. Die Rechtmäßigkeit einer Enteignung (Investitionsschutz)

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setzungen einer rechtmäßigen Enteignung enthalten eine derartige Vorschrift, auch wenn der Vertrag unabhängig davon eine MFN-Klausel enthält.305 Dies könnte darin begründet sein, dass die MFN-Klausel nicht mehr anwendbar ist, wenn wegen einer Enteignung keine Investition mehr besteht.306 Abgesehen davon schützen MFN-Klauseln nur vor Diskriminierungen aufgrund der Nationalität. Das Diskriminierungsverbot in den Vorschriften über Enteignungen ist, wie unten näher analysiert wird, aber weiter. Ferner stellt sich die Frage, ob in jenen Fällen, in denen in einem Investitionsschutzvertrag die Norm über die Enteignung kein ausdrückliches Diskriminierungsverbot enthält, diskriminierende Enteignungen nicht dennoch aufgrund des Völkergewohnheitsrechts verboten sind und sich ein betroffener Investor darauf berufen kann. Dazu müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein. ___________ Artikel VIII Kanada/Ecuador BIT (1996): 1. Investment … shall not be nationalized, expropriated or …, except for a public purpose, under due process of law, in a non-discriminatory manner … Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/canada_ecuador.pdf. Artikel 4 Pakistan/Yemen BIT (1999): … 2. Investments or investors of one of the Contracting Parties shall not be nationalized, expropriated, requisitioned or subjected to any measures having equivalent effect in the territory of the other Contracting Party, except for public purposes or national interest. However, such measures shall be subject to prompt and adequate compensation and on condition that these measures are taken on a non-discriminatory basis. Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/pakistan_yemen.pdf. Artikel 1110 NAFTA : 1. No Party may … nationalize or expropriate an investment of an investor … except: … (b) on a non-discriminatory basis; … Hervorhebungen durch die Autorin. 305 Siehe z.B.: Artikel II Z. 7 und Artikel III Z. 1 (d) USA/Bangladesh BIT (1986). Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/us_bangladesh.pdf. Artikel 3 Z. 2 und Artikel 5 Niederlande/Tschechien BIT. Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/czech_netherlands.pdf Artikel 3 Z. 1 und Artikel 4 Schweden/Albanien BIT (1995). Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/sweden_albania.pdf. Artikel 3 (3) und Artikel 5 Mexiko/Österreich BIT (1998). Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/austria_mexico.pdf Artikel 4 Z. 1 und Artikel 5 Z. 1 Iran/Thailand BIT. Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/iran_thailand.pdf. 306 R. Dolzer/M. Stevens, Bilateral Investment Treaties, 1995, S. 106.

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3. Teil: Die Folgen des Eigentumseingriffs

Erstens muss eine diesbezügliche völkerrechtliche Norm bestehen. Zweitens muss Völkerrecht anwendbar sein. Diesbezüglich hielt das IUSCT in Amoco v. Iran307 fest, dass weitgehend Übereinstimmung darüber besteht, dass auch aufgrund des Völkergewohnheitsrechts eine Diskriminierung bei Enteignungen verboten ist: Discrimination is widely held as prohibited by customary international law in the field of expropriation.308

Auch Richter Lagergren betonte in seiner Separate Opinion im Fall INA,309 dass es allgemein anerkannt sei, dass diskriminierende Enteignungen rechtswidrig sind: It is generally accepted that some types of expropriation are inherently unlawful – among these one can cite cases in which foreign assets are taken on a discriminatory basis or for something other than a public purpose.310

Im Aminoil311 Fall, in dem ein Schiedsgericht allgemeine Rechtsgrundsätze anwandte,312 überprüfte es ebenfalls – anlässlich der Prüfung, ob die Nationalisierung rechtmäßig erfolgte –, ob eine Diskriminierung vorlag, und verneinte dies schließlich.313 Auch das Schiedsgericht in LIAMCO314 hielt fest, dass es in Rechtsprechung und Literatur unstrittig ist, dass Nichtdiskriminierung eine der Voraussetzungen für eine völkerrechtskonforme Enteignung ist: It is clear and undisputed that non-discrimination is a requisite for the validity of a lawful nationalization. This is a rule well established in international legal theory and practice (…). Therefore, a purely discriminatory nationalization is illegal and wrongful.315

___________ 307

IUSCT, Amoco International Finance Corporation v. The Government of the Islamic Republic of Iran, et al., Partial Award No. 310-56-3, 14 July 1987, 15 IUSCTR 189. 308 Ibid., § 140. 309 IUSCT, INA Corporation v. The Government of the Islamic Republic of Iran, Award No. 184-161-1, 13 August 1985, 8 IUSCTR 373. 310 Ibid., S. 385. 311 Kuwait v. American Independent Oil Companiy (Aminoil), (Ad-hoc Agreement), Award, 24 March 1982, 21 ILM 1982, 976. Siehe dazu insbes.: F. A. Mann, The Aminoil Arbitration, 54 BYIL 1983, 213-221; A. Redfern, The Arbitration between the Government of Kuwait and Aminoil, 55 BYIL 1984, 65–110. 312 Ibid., §§ 6–9. 313 Ibid., §§ 87, 88. 314 Libyan American Oil Company (LIAMCO) v. Government of the Libyan Arab Republic, (Investment Agreement), Award, 12 April 1977, 62 ILR 1982, 141–219. 315 Ibid., S. 194.

C. Die Rechtmäßigkeit einer Enteignung (Investitionsschutz)

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In LETCO316 stellte das Schiedsgericht ebenfalls fest, dass Nichtdiskriminierung eine Voraussetzung für die Völkerrechtskonformität einer Nationalisierung ist: However, even if the Government had sought to justify its action as an act of nationalization, it would have had to … show that its action … was non-discriminatory;317

Auch das US Third Restatement of the Law of Foreign Relations aus 1987318 enthält ein Diskriminierungsverbot bei Enteignungen in § 712 (State Responsibility for Economic Injury to Nationals of Other States): A State is responsible under international law for injury resulting from: (1) a taking by the state of the property of a national of another state that … (b) is discriminatory, or …

Nationale Gerichte sahen im Erfordernis der Nicht-Diskriminierung ebenfalls eine Voraussetzung für die Völkerrechtsmäßigkeit einer Enteignung. So stellte beispielsweise der US Court of Appeals, Ninth Circuit in Siderman de Blake and Other v. The Republic of Argentina and Others319 Folgendes fest: In West, we described three requisites under international law for a valid taking. … Second, “aliens [must] not be discriminated against or singled out for regulation by the state.” … If a taking violates any one of the aforementioned proscriptions, it violates international law.320

In Banco Nacional de Cuba v. Chemical Bank New York Trust Company and Others321 betonte der US Court of Appeals, Ninth Circuit, dass nach den allgemeinen Grundsätzen des Völkerrechts eine diskriminierende Enteignung rechtswidrig ist: As a general principle of international law, a state is liable to a private person who is a national of another state if it takes the foreign national’s property and the taking is “discriminatory”. 322

___________ 316 Liberian Eastern Timber Corporation [LETCO] v. The Government of the Republic of Liberia, (Concession Agreement), Award, 31 March 1986, 89 ILR 1992, 313. 317 Ibid., S. 337. 318 Restatement (Third) of the Foreign Relations Law of the United States, American Law Institute, Vol. 2, 1986, S. 196. 319 US Court of Appeals, Ninth Circuit, Siderman de Blake and Other v. The Republic of Argentina and Others, Urteil vom 22. Mai 1992, 103 ILR 1996, 454–480. 320 Ibid., S. 467 f. 321 US Court of Appeals, Ninth Circuit, Banco Nacional de Cuba v. Chemical Bank New York Trust Company and Others, Urteil vom 10. Juni 1987, 92 ILR 1993, 431–441. 322 Ibid., S. 438.

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3. Teil: Die Folgen des Eigentumseingriffs

Das Vereinigte Königreich wies in einer Protestnote vom 23. Dezember 1971 an die Libysche Republik darauf hin, dass diskriminierende Nationalisierungen illegal sind: An act of nationalisation is not legitimate in international law unless it satisfies the following requirements: – … Nationalisation measures which are arbitrary or discriminatory or which are motivated by considerations of a political nature unrelated to the internal well being of the taking State are, by a reference to those principles, illegal and invalid.323

Die Vereinigten Staaten betonten in einer Presseaussendung vom 30. Dezember 1975 ebenfalls, dass Nichtdiskriminierung eine Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit einer Enteignung ist:324 Under international law, the United States has a right to expect: – That any taking of American private property will be nondiscriminatory;

Auch in der Literatur wird übereinstimmend die Ansicht vertreten, dass Enteignungen nicht diskriminierend sein dürfen, damit sie völkerrechtskonform sind.325 Somit ist davon auszugehen, dass es eine völkerrechtliche Norm gibt, die diskriminierende Enteignungen verbietet. Damit sich ein Investor auf diese Norm auch berufen kann, muss Völkerrecht das vom Schiedsgericht anzuwendende Recht sein. Dies ist in mehreren Konstellationen der Fall: erstens, wenn die Parteien eine derartige Rechtswahl ausdrücklich getroffen haben. Ferner, wenn es sich um ein ICSID-Verfahren handelt und die Parteien nicht gemäß Artikel 42(1) ICSID-Konvention ausdrücklich eine andere Rechtsordnung als anwendbar vereinbart haben. Drittens ist, wie in der Folge dargelegt wird, Völkerrecht anwendbar, sobald ein BIT Basis der Jurisdiktion des Schiedsgerichts ist. Letzteres wurde wiederholt in der Judikatur von Schiedsgerichten hervorgehoben.

___________ 323

Wiedergegeben in: BP Exploration Company (Libya) Limited v. Government of the Libyan Arab Republic, Award, 10 October 1973, 53 ILR 1979, 297, S. 317. 324 Wiedergegeben in: Libyan American Oil Company (LIAMCO) v. Government of the Libyan Arab Republic, (Investment Agreement), Award, 12 April 1977, 62 ILR 141– 219, S. 166. 325 Siehe z.B.: K. Hobér, Investment Arbitration in Eastern Europe: Recent Cases on Expropriation, 2007, S. 40; I. Brownlie, Principles of Public International Law6, 2003, S. 514 f.; R. Jennings/A. Watts, Oppenheim’s International Law9, 1992, Vol I, S. 920, 932; G. White, Nationalisation of Foreign Property, 1961, S. 5, 119–144; M. Domke, Foreign Nationalisations, Some Aspects of Contemporary International Law, 55 AJIL 1961, 585, S. 600–603; G. G. Fitzmaurice, The Juridical Clauses of the Peace Treaties, 73 RdC (1943-II), 259, S. 349; J. H. Herz, Expropriation of Foreign Property, 35 AJIL 1941, 243–262, S. 249.

C. Die Rechtmäßigkeit einer Enteignung (Investitionsschutz)

515

Das Schiedsgericht in AAPL v. Sri Lanka326 führte aus, dass ein BIT kein self-contained regime sei, sondern als eingebettet in anderen Rechtsnormen des innerstaatlichen oder des Völkerrechts anzusehen sei, und diese Normen daher auch heranzuziehen seien: … it should be noted that the Bilateral Investment Treaty is not a self-contained closed legal system limited to provide for substantive material rules of direct applicability, but it has to be envisaged within a wider juridical context in which rules from other sources are integrated through implied incorporation methods, or by direct reference to certain supplementary rules, whether of international law character or of domestic law nature.327

Auch in LG&E328 folgerte das Schiedsgericht aus dem Umstand, dass Argentinien Vertragspartei des BITs war, auf das sich die Kläger berufen hatten, dass dieses und allgemeines Völkerrecht das anwendbare Recht sei: It is to be noted that the Argentine Republic is a signatory party to the Bilateral Investment Treaty, which may regarded as a tacit submission to its provisions in the event of a dispute related to foreign investments. In turn, LG&E ground its claims on the provisions of the Treaty, thus presumably choosing the Treaty and the general international law as the applicable law fort his dispute.329

In der Literatur330 wird ebenfalls hinsichtlich des anwendbaren Rechts die Auffassung vertreten, dass in ICSID-Verfahren, zusätzlich zu den materiellen Bestimmungen eines Investitionsschutzvertrages, die Normen des allgemeinen Völkerrechts als Ergänzung heranzuziehen seien: These mainly have been the rules set out in the substantive provisions of the treaties themselves. In most cases, this follows simply from the investor’s invocation of those rules in bringing the claim, such reliance on the rules being explicitly or implicitly authorized by the investor-to-State dispute-settlement provisions of the treaty. The treaty being an instrument of international law, it is I think also implicit in such cases that the arbitrators should have recourse to the rules of general international law to supplement those of the treaty.

Dies spricht dafür, dass, wenn ein BIT anzuwenden ist, welches eine Klausel über Enteignungen enthält, auch die diesbezüglichen sonstigen Normen des allgemeinen Völkerrechts anzuwenden sind. Dies ist auch in Einklang mit den ___________ 326 Asian Agricultural Products Ltd (AAPL) v. Sri Lanka, (United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland/Sri Lanka BIT), Award, 27 June 1990, 4 ICSID Reports 4, 250. 327 Ibid., § 21. 328 LG&E Energy Corp, LG&E Capital Corp., LG&E International Inc. v. Argentine Republic, (US/Argentina BIT), Award, 3 October 2006, §§ 188–192, http://ita.law.uvic. ca/documents/LGEArgentinaLiability.pdf. 329 Ibid., § 40. 330 A. R. Parra, Applicable Substantive Law in ICSID Arbitrations Initiated Under Investment Treaties, 16 ICSID Review, Foreign Investment Law Journal 2001, 20, S. 21.

516

3. Teil: Die Folgen des Eigentumseingriffs

Auslegungsregeln der WVK. Diese sieht in Artikel 31(3) c vor, dass bei der Vertragsauslegung jede zwischen den Vertragsparteien anwendbare einschlägige Völkerrechtsnorm zu berücksichtigen ist: Article 31 General rule of interpretation … 3. There shall be taken into account, together with the context: ... (c) any relevant rules of international law applicable in the relations between the parties.

Daher ist davon auszugehen, dass, sofern ein Schiedsgericht auf Grundlage eines BIT entscheidet, welches eine Klausel über Enteignungen enthält, auch die diesbezüglichen sonstigen Normen des allgemeinen Völkerrechts anzuwenden sind. Schiedsgerichte hatten sich in einer Reihe von Fällen mit der Frage zu beschäftigen, ob eine diskriminierende Enteignung vorlag. Im Fall Aminoil331 behaupteten die Kläger, dass eine Diskriminierung zwischen Aminoil und Arabian Oil Company (AOC) vorlag, weil AOC vom Verstaatlichungsgesetz nicht betroffen war. Die kuwaitische Regierung brachte vor, dass AOC erstens auf Grund der sehr teuren Off-shore-Förderung in einer besonderen Lage sei. Zweitens sei die Konzession von AOC von Kuwait und Saudi Arabien vergeben worden. Daher bedurfte es für eine Abänderung einer Übereinstimmung beider Staaten, wodurch eine unterschiedliche rechtliche Situation vorlag. Das Schiedsgericht akzeptierte die Begründung der Regierung für die unterschiedliche Behandlung der beiden Konzerne und verneinte das Vorliegen einer Diskriminierung: The question … arises whether the nationalisation of Aminoil was not thereby tainted with discrimination, and whether this differentiation does not show that the Decree Law had other objects than that of realising a programme of economic development. The Tribunal does not think so. First of all, it has never for a single moment been suggested that it was because of the American nationality of the Company that the Decree Law was applied to Aminoil’s Concession. Next, and above all, there were adequate reasons for not nationalising Arabian Oil.332

Die Begründung des Schiedsgerichts deutet darauf hin, dass es, ohne dies explizit auszuführen, davon ausgegangen ist, dass eine vergleichbare Situation der beiden Investoren vorlag, die unterschiedliche Behandlung der beiden jedoch sachlich gerechtfertigt war. ___________ 331 Kuwait v. American Independent Oil Companiy (Aminoil), (Ad-hoc Agreement), Award, 24 March 1982, 21 ILM 1982, 976. 332 Ibid., § 87.

C. Die Rechtmäßigkeit einer Enteignung (Investitionsschutz)

517

Im Fall LETCO333 stellte das Schiedsgericht das Vorliegen einer diskriminierenden Enteignung fest, die zudem nicht im öffentlichen Interesse lag und ohne Entschädigung erfolgt war. Der Fall betraf den Entzug von Flächen, für die eine Holzschlägerkonzession des Investors in Liberia bestand.334 Für die Feststellung des Vorliegens einer Diskriminierung dürfte ausschlaggebend gewesen sein, dass für die LETCO entzogenen Schlägergebiete sofort andere ausländische Investoren Schlägerkonzessionen erhalten hatten: There was no evidence of any stated policy on the part of the Liberian Government to take concessions of this kind into public ownership for the public good. On the contrary, evidence was given to the Tribunal that areas of the concession taken away from LETCO were granted to other foreign-owned companies; … Leaving aside the lack of any legislative enactment, the taking of LETCO’s property was not for a bone fide public purpose, was discriminatory … .335

Im Fall LIAMCO v. Libya336 wurden die Erdölkonzessionen von LIAMCO durch ein Gesetz verstaatlicht. LAIMCO machte geltend, dass die Enteignung diskriminierend sei. Sie sei speziell gegen LIAMCO, ein amerikanisches Unternehmen gerichtet und als Vergeltungsmaßnahme gegen die amerikanische Regierung gedacht gewesen. Das Schiedsgericht lehnte das Vorliegen einer Diskriminierung ab. Zunächst stellte es fest, dass die Prinzipien für die Verhandlungen mit ausländischen Ölunternehmen in einer nicht diskriminierenden Weise formuliert gewesen seien. Zudem sei LIAMCO weder das einzige ausländische Erdölunternehmen gewesen, dessen Konzession verstaatlicht wurde, noch seien nur amerikanische Erdölunternehmen nationalisiert worden. Überdies gab es amerikanische Erdölunternehmen, die weiterhin in Libyen tätig waren. Politische Motive seien nicht vorrangig für die Nationalisierungen gewesen, und der Beweis solcher Motive allein reiche noch nicht für das Vorliegen einer Diskriminierung aus: … LIAMCO was not the first company to be nationalized, nor was it the only oil company nor the only American company to be nationalized by the first nationalization Act, nor was it nationalized alone on the date of the second nationalization Act. Other companies were nationalized before it, other American and Non-American

___________ 333 Liberian Eastern Timber Corporation [LETCO] v. The Government of the Republic of Liberia, (Concession Agreement), Award, 31 March 1986, 89 ILR 1992, 313. 334 Zum Sachverhalt siehe auch oben, S. 496. 335 Liberian Eastern Timber Corporation [LETCO] v. The Government of the Republic of Liberia, (Concession Agreement), Award, 31 March 1986, 89 ILR 1992, S. 338. 336 Libyan American Oil Company (LIAMCO) v. Government of the Libyan Arab Republic, (Investment Agreement), Award, 12 April 1977, 20 ILM 1981, 1. Siehe zu diesem Fall z.B.: O. Alt, Neue Schiedssprüche zum Recht der Verstaatlichung, 35 ÖZÖRV 1985, S. 265 ff.

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3. Teil: Die Folgen des Eigentumseingriffs

companies were nationalized with it and after it, and other American companies are still operating in Libya. Thus, it may be concluded from the above that the political motive was not the predominant motive for nationalization, and that such motive per se does not constitute a sufficient proof of a purely discriminatory measure.337

Es fehlte für das Vorliegen einer Diskriminierung somit an einer sachlich nicht gerechtfertigten unterschiedlichen Behandlung LIAMCOs durch Libyen. Jene Unternehmen, die nicht von den Nationalisierungen betroffen waren, waren bereit, mit Libyen andere Konzessionsbedingungen auszuhandeln. Es waren von den Nationalisierungen weder alle ausländischen Unternehmen betroffen, noch war die Nationalität eines Unternehmens ausschlaggebend für dessen Nationalisierung. Auch das IUSCT hatte sich mit Fragen der Diskriminierung im Fall von Enteignungen zu befassen. In Too v. Greater Modesto Insurance Associates338 wurde eine Alkoholausschanklizenz entzogen und versteigert, um eine ausständige Steuerschuld zu befriedigen.339 Das Schiedsgericht stellte fest, dass der Kläger nicht vorgebracht hatte, dass die Steuereinhebung nur deshalb vorgeschrieben worden war, weil er ein iranischer Staatsbürger war, und dass die Enteignung rechtmäßig erfolgte: Nowhere does the Claimant suggest that this tax levy was imposed against him because he was an Iranian national. … This claim is dismissed because the Claimant failed to show that the IRS’s action was anything other than a lawful levy for overdue taxes, for which there is no State responsibility.340

Das IUSCT lehnte das Vorliegen einer Diskriminierung ab. Erstens fehlten dafür Hinweise auf eine unterschiedliche Behandlung aufgrund der Nationalität. Zweitens gab es eine sachliche Rechtfertigung für die Vorgangsweise der staatlichen Behörden. Im Fall Amoco v. Iran341 machten die Kläger (amerikanische Beteiligte an einem Joint Venture mit Iran) geltend, dass die Enteignung ihrer Interessen am Khemco Agreement diskriminierend gewesen sei. In einem anderen Joint Venture des Beklagten mit einem japanischen Unternehmen sei das japanische Unternehmen nicht enteignet worden. Die Beklagten bestätigten dies, führten dies aber auf spezielle Umstände zurück: ___________ 337

Libyan American Oil Company (LIAMCO) v. Government of the Libyan Arab Republic, (Investment Agreement), Award, 12 April 1977, 20 ILM 1981, 1, S. 60. 338 IUSCT, Emanuel Too v. Greater Modesto Insurance Associates, Award No. 460880-2, 29 December 1989, 23 IUSCTR 378. 339 Ibid., S. 387. 340 Ibid., § 27. 341 Amoco International Finance Corporation v. The Government of the Islamic Republic of Iran, et al., Partial Award No. 310-56-3, 14 July 1987, 15 IUSCTR 189.

C. Die Rechtmäßigkeit einer Enteignung (Investitionsschutz)

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That the Special Commission did not include the contract with IJPC among those which were nullified, the Respondents submit, was an exception due to specific circumstances.342

Das Schiedsgericht hielt fest, dass der Umstand, dass ein anderer Konzern in der gleichen Branche nicht enteignet worden war, allein nicht als Beweis für das Vorliegen einer Diskriminierung ausreiche: The Tribunal finds it difficult, in the absence of any other evidence, to draw the conclusion that the expropriation of a concern was discriminatory only from the fact that another concern in the same economic branch was not expropriated. Reasons specific to the non-expropriated enterprise, or to the expropriated one, or to both, may justify such a difference of treatment.343

Zudem wies es darauf hin, dass die Nationalisierung eines ganzen Industriezweiges auch schrittweise erfolgen kann. Somit sah es aus diesen zwei Erwägungen eine sachliche Rechtfertigung für die unterschiedliche Behandlung als gegeben an und lehnte es das Vorliegen einer Diskriminierung ab. In Eureko B.V. v. Poland344 hatte der Investor im Zuge der Privatisierung eines staatlichen Versicherungskonzerns (PZU) zunächst eine Minderheitenbeteiligung am Konzern erworben.345 In einem mit dem Kaufvertrag (Share Purchase Agreement) in Zusammenhang stehenden späteren Vertrag (1. Addendum) wurde dem Investor das Recht eingeräumt, weitere 21% der Aktien zu erwerben. Damit hätte das investierende Konsortium 51% der Aktien und damit die Kontrolle über das Unternehmen erlangt. Im Zuge einer Änderung der Privatisierungspolitik entschied der polnische Staat, die Aktienmehrheit an PZU nicht in „ausländische Hände“ zu geben.346 Als Konsequenz davon ging Eureko des Rechts verlustig, die Kontrolle über das Unternehmen zu erlangen.347 Als entzogen sah das Schiedsgericht das Recht auf Abhaltung einer „Initial Public Offering“ (IPO) an, in deren Zug Eureko der Ankauf von 21% angeboten worden wäre, womit es eine kontrollierende Mehrheit erlangt hätte. Die Weigerung, ein IPO durchzuführen, bewertete das Schiedsgericht zudem als Diskriminierung, weil diese Maßnahme den Zweck hatte, die polnische Kontrolle des Unternehmens sicherzustellen und ausländische Investoren davon auszuschließen: Furthermore, the measures taken by the RoP in refusing to conduct the IPO are clearly discriminatory. As the Tribunal noted earlier, these measures have been pro-

___________ 342

Ibid., § 141. Ibid., § 142. 344 Eureko B.V. v. Republic of Poland, (Netherlands/Poland BIT), Partial Award, 19 August 2005, 12 ICSID Reports 335. 345 Ibid., § 41. 346 Ibid., § 208. 347 Ibid., § 219. 343

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3. Teil: Die Folgen des Eigentumseingriffs

claimed by successive Ministers of the State Treasury as being pursued in order to keep PZU under majority Polish control and to exclude foreign control such as that of Eureko. That discriminatory conduct by the Polish Government is blunt violation of the expectations of the Parties in concluding the SPA and the First Addendum. For the above stated reasons, the Tribunal finds that the RoP has breached Article 5 of the Treaty.348

Das Schiedsgericht sah in dieser diskriminierenden Enteignung eine Verletzung des Artikels 5 des BIT, der eine Enteignung nur gegen Entschädigung zulässt.349 Der Fall ist daher ein Beispiel für eine Diskriminierung aufgrund der Nationalität des Investors. Schiedsrichter Grigera Naón vertrat in seiner teilweise abweichenden Meinung im Fall EnCana350 die Auffassung, dass die Verweigerung der Rückerstattung der Mehrwertsteuer an ausländische Ölkonzerne eine diskriminierende Enteignung sei. Hinsichtlich der heranzuziehenden Vergleichsgruppe stellte er fest, dass nicht nur Unternehmen im Bereich des Öl- und Gassektors einzubeziehen seien. Vielmehr sollten auch Unternehmen aus anderen Sektoren der Wirtschaft, die Rohstoffe exportieren und nicht völlig in ausländischer Hand sind, als Vergleichsbasis berücksichtigt werden: I share the view … that not only unequal tax treatment inflicted to operators in the oil and gas sector of Ecuador should be considered to determine the existence of discriminatory or unequal treatment generally granted to exporters of non-manufactured products corresponding to different sectors of the Ecuadorian economy not entirely controlled by foreign interests other than the oil and gas sector is relevant for establishing if tax treatment of exporters in this latter sector is discriminatory or not under article VIII.1 of the Treaty.351

Auf Basis dieser Vergleichsgruppe kam er zum Ergebnis, dass eine diskriminierende Enteignung vorlag. Der Ausschluss von der Mehrwertsteuerrückerstattung traf nur Unternehmen im Bereich des Öl- und Gassektors und somit ausschließlich ausländische Unternehmen. Weiters enthielt das Gesetz keine Begründung, warum die Steuerrückerstattung nur für diesen Sektor ausgeschlossen war. Der Fall S.D. Myers352 ist ein anschauliches Beispiel für eine Diskriminierung aufgrund der Nationalität, obwohl im Ergebnis vom Schiedsgericht keine diskriminierende Enteignung festgestellt wurde. Der Fall betraf ein vorüberge___________ 348

Ibid., §§ 242, 243. Ibid., §§ 226, 243. 350 EnCana Corporation v. Republic of Ecuador, (Canada/Ecuador BIT), Partial Dissenting Opinion, 3 February 2006, 12 ICSID Reports 489. 351 Ibid., § 40. 352 S.D. Myers, Inc. v. Government of Canada, (NAFTA), First Partial Award, 13 November 2000, 8 ICSID Reports 18. 349

C. Die Rechtmäßigkeit einer Enteignung (Investitionsschutz)

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hendes Exportverbot für gefährliche Abfallstoffe. Das Schiedsgericht stellte fest, dass die Maßnahme darauf abzielte, kanadische Unternehmen vor der US Konkurrenz zu schützen. Es gab keine Rechtfertigung für eine derartige Vorgangsweise. Das Schiedsgericht führte dazu Folgendes aus: Having reviewed all the documentary and testimonial evidence before it, the Tribunal is satisfied that the Interim Order and the Final Order favoured Canadian nationals over non-nationals. The Tribunal is satisfied further that the practical effect of the Orders was that SDMI and its investment were prevented from carrying out the business they planned to undertake, which was a clear disadvantage in comparison to its Canadian competitors. Insofar as intent is concerned, the documentary record as a whole clearly indicates that the Interim Order and the Final Order were intended primarily to protect the Canadian PCB disposal industry from U.S. competition. CANADA produced no convincing witness testimony to rebut the thrust of the documentary evidence. The Tribunal finds that there was no legitimate environmental reason for introducing the ban. Insofar as there was an indirect environmental objective – to keep the Canadian industry strong in order to assure a continued disposal capability – it could have been achieved by other measures.353

Somit lag eine unterschiedliche Behandlung einer vergleichbaren Gruppe von Unternehmen aufgrund der Nationalität vor, die nicht sachlich gerechtfertigt war. Das Schiedsgericht stellte in der Folge aber fest, dass aufgrund der kurzen Zeitspanne der Maßnahme der Enteignungstatbestand nicht verwirklicht war. Im bereits erwähnten Fall ADC v. Hungary354 wurde im Hinblick auf den ungarischen EU Beitritt 2001 ein Dekret erlassen, in dem Übertragungen von Rechten der Air Traffic and Airport Administration an Dritte, wie den Kläger, verboten wurden. ADC wurde davon in Kenntnis gesetzt, dass alle seine Tätigkeiten mit 1. Jänner 2002 auf eine staatliche Einrichtung übergehen. ADC konnte den Terminal daher nicht weiter betreiben. Zahlungen (Dividende, Managementgebühren etc.) an ADC wurden eingestellt. Ungarn argumentierte im Hinblick auf eine mögliche Diskriminierung, dass eine solche nicht vorliegen könne, weil ADC das einzige betroffene ausländische Unternehmen sei. Das Schiedsgericht akzeptierte diese Begründung nicht. Es führte aus, dass die zu vergleichenden Gruppen in diesem Fall ausländische Investoren und der vom Beklagten eingesetzte Betreiber seien:

___________ 353

Ibid., §§ 193-195. ADC Affiliate Limited and ADC & ADMC Management Limited v. Republic of Hungary, (Cyprus/Hungary BIT), Award of 2 October 2006, http://ita.law.uvic.ca/ documents/ADCvHungaryAward.pdf. Zum Sachverhalt siehe auch oben S. 497. 354

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3. Teil: Die Folgen des Eigentumseingriffs

The Tribunal cannot accept the Respondent’s argument that as the only foreign parties involved in the operation of the Airport, the Claimants are not in a position to raise any claims of being treated discriminately. It is correct for the Respondent to point out that in order for a discrimination to exist, particularly in an expropriation scenario, there must be different treatments to different parties. However and unfortunately, the Respondent misses the point because the comparison of different treatments is made here between that received by the Respondent-appointed operator and that received by foreign investors as a whole. The Tribunal therefore rejects the contentions made by the Respondent and concludes that the actions taken by the Respondent against the Claimants are discriminatory.355

Das Schiedsgericht stellte aufgrund der ungerechtfertigten unterschiedlichen Behandlung des ausländischen Terminalbetreibers im Vergleich mit dem vom Beklagten eingesetzten inländischen Betreiber das Vorliegen einer diskriminierenden Enteignung fest. In Banco Nacional de Cuba v. Chemical Bank New York Trust Company and Others356 betonte der US Court of Appeals, Ninth Circuit, dass eine Enteignung, bei der ausschließlich Ausländer oder Ausländer einer bestimmten Nationalität von der Entschädigung ausgeschlossen seien, diskriminierend sei: A taking pursuant to a program that excludes from compensation all aliens or all aliens of a particular nationality is discriminatory.357

Alle bisher erwähnten Fälle betrafen unterschiedliche Behandlungen aufgrund der Nationalität. Eine Diskriminierung kann aber auch bei einer unterschiedlichen Behandlung aufgrund anderer Merkmale, etwa der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder der politischen Ausrichtung vorliegen. Ein Beispiel für eine derartige völkerrechtswidrige Enteignung ist der vom US Court of Appeals, Ninth Circuit entschiedene Fall Siderman de Blake and Others v. The Republic of Argentina and Others .358 Die Enteignung der Kläger erfolgte aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur jüdischen Religion. Das Gericht hatte, weil es nur über die Jurisdiktion amerikanischer Gerichte zu entscheiden hatte, nur zu prüfen, ob prima facie eine rechtswidrige Enteignung vorlag. Es stellte fest, dass auch eine unterschiedliche Behandlung aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit eine Diskriminierung sei: The complaint also alleges that Argentina seized INOSA because the Siderman family is Jewish – a discriminatory motivation based on ethnicity. … As in West, we

___________ 355

Ibid., §§ 441–443. US Court of Appeals, Ninth Circuit, Banco Nacional de Cuba v. Chemical Bank New York Trust Company and Others, 92 ILR 1993, 431–441. 357 Ibid., S. 438. 358 US Court of Appeals, Ninth Circuit, Siderman de Blake and Other v. The Republic of Argentina and Others, Urteil vom 22. Mai 1992, 103 ILR 1996, 454–480. 356

C. Die Rechtmäßigkeit einer Enteignung (Investitionsschutz)

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have no difficulty concluding that the Sidermans’ complaint contains “substantial and non frivolous” allegations that INOSA was taken in violation of international law.

Damit der Tatbestand einer diskriminierenden Enteignung verwirklicht ist, muss somit zunächst eine unterschiedliche Behandlung einer vergleichbaren Gruppe von Personen oder Unternehmen oder eine gleiche Behandlung zu unterscheidender Personen oder Unternehmen vorliegen. Wenn es zudem für diese unterschiedliche Behandlung keine sachliche Rechtfertigung gibt, liegt eine Diskriminierung vor. Es müssen daher drei Voraussetzungen erfüllt sein, damit der Tatbestand verwirklicht ist: Erstens muss eine vergleichbare Situation vorliegen. Zweitens muss eine unterschiedliche Behandlung erfolgt sein. Drittens darf es dafür keine sachliche Rechtfertigung geben. Zusammenfassend kann daher festgehalten werden: Im Hinblick auf Enteignungen tritt das Problem häufig im Zusammenhang mit einer unterschiedlichen Behandlung aufgrund der Nationalität auf. Eine diskriminierende Enteignung kann aber auch bei einer unterschiedlichen Behandlung einer bestimmten Person oder einer bestimmten Gruppe von Personen aufgrund ihrer Rasse, Religion oder eines anderen Kriteriums vorliegen. Dies unterscheidet diesen Standard von jenem der Inländergleichbehandlung. Weiters kann eine Diskriminierung sowohl zwischen In- und Ausländern359 als auch zwischen verschiedenen Gruppen von Ausländern360 vorliegen.

___________ 359

Siehe z.B.: ADC Affiliate Limited and ADC & ADMC Management Limited v. Republic of Hungary, (Cyprus/Hungary BIT), Award of 2 October 2006, http://ita.law. uvic.ca/documents/ADCvHungaryAward.pdf, § 442: It is correct for the Respondent to point out that in order for a discrimination to exist, particularly in an expropriation scenario, there must be different treatments to different parties. However and unfortunately, the Respondent misses the point because the comparison of different treatments is made here between that received by the Respondent-appointed operator and that received by foreign investors as a whole. I.d.S. auch z.B.: G. G. Fitzmaurice, The Juridical Clauses of the Peace Treaties, 73 RdC (1943-II), 259, S. 349; G. White, Nationalisation of Foreign Property, 1961, S. 119; R. Jennings/A. Watts, Oppenheim’s International Law9, 1992, Vol I, S. 920. 360 Siehe z.B.: BP Exploration Company (Libya) Limited v. Government of the Libyan Arab Republic, Award, 10 October 1973, 53 ILR 1979, 297, S. 313 f., 329; Liberian Eastern Timber Corporation v. The Government of the Republic of Liberia, (Concession Agreement), Award, 31 March 1986, 89 ILR 1992, 313, S. 338. I.d.S. auch z.B.: G. White, Nationalisation of Foreign Property, 1961, S. 119; G. G. Fitzmaurice, The Juridical Clauses of the Peace Treaties, 73 RdC (1943-II), 259, S. 349.

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3. Teil: Die Folgen des Eigentumseingriffs

IV. Entschädigung Lange Zeit war die vorherrschende Meinung, dass im Völkerrecht die Zahlung einer Entschädigung Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit einer Enteignung ist.361 Eine entschädigungslose Enteignung wurde als Völkerrechtsverletzung angesehen, die Staatenverantwortung auslöste. So hielt der Ständige Internationale Gerichtshof in seinem Chorzów Urteil362 aus 1928 fest, dass eine entschädigungslose Enteignung rechtswidrig sei: The action of Poland which the Court has judged to be contrary to the Geneva Convention is not an expropriation – to render which lawful only the payment of fair compensation would have been wanting; …363

In einem Schiedsverfahren zwischen Deutschland und Rumänien364 stellte ein Einzelschiedsrichter 1928 ebenfalls fest, dass eine Enteignung von Ausländern zwar grundsätzlich rechtmäßig wäre, dies aber nur unter der Voraussetzung einer Entschädigung: Toutefois, si le droit de gens autorise un Etat, pour des motifs d’utilité publique, à déroger au principe du respect de la propriété privée des étrangers, c’est à la condition sine qua non que les biens expropriés ou réquisitionnés seront équitablement payés le plus rapidement possible. … Il est dès lors contant que MM. Goldenberg et fils ont été privés de 5/6 de leurs biens, sans compensation. Il y a là un « acte contraire au droit des gens », que l’on applique le principe général qui s’oppose à l’expropriation de la propriété privée des étrangers sans juste indemnité, ou la règle spéciale écrite concernant la réquisition pour besoins militaires.365

Ebenso entschied die US – Panama Claims Commission im Fall de Sabla366 1933: It is axiomatic that acts of a government in depriving an alien of his property without compensation impose international responsibility.367

___________ 361

Siehe z.B.: I. Seidl-Hohenveldern, Internationales Konfiskations- und Enteignungsrecht, 1952, S. 5, 173 ff.; B. A. Wortley, Some Early but Basic Theories of Expropriation, 20 GYIL 1977, S. 242; F. V. Garcia-Amador, The Changing Law of International Claims, Vol I, 1984, S. 292. 362 PCIJ, Case Concerning the Factory at Chorzów (Claim for Indemnity – The Merits), Urteil vom 13. September 1928, Serie A No. 17. 363 Ibid., S. 46. 364 Goldenberg (Rumänien gg Deutschland), Einzelschiedsrichter, 27. September 1928, 2 UN Reports on International Arbitral Awards, 901–910. 365 Ibid., S. 909. 366 Marguerite de Joly de Sabla (United States) v. Panama, US – Panama Claims Commission, 29 June 1933, 6 UN Reports on International Arbitral Awards, 358–370. 367 Ibid., S. 366.

C. Die Rechtmäßigkeit einer Enteignung (Investitionsschutz)

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Die Frage der Erforderlichkeit einer Entschädigung und insbesondere deren Umfang wurde im Gefolge der kommunistischen Revolutionen und der Dekolonisierung umstritten und war seitdem einer der strittigsten Punkte im fremdenrechtlichen Eigentumsschutz.368 Kommunistische Staaten lehnten meist369 das Institut des Privateigentums überhaupt ab. Die ehemaligen Kolonien sahen sich häufig in der Ausübung ihrer Souveränität durch von der ehemaligen Kolonialmacht abgeschlossene Konzessionsverträge über die Förderung von Bodenschätzen unzulässig eingeschränkt. Sie wollten die Verfügbarkeit über die Bodenschätze auf ihrem Territorium erlangen, ohne dafür entschädigungspflichtig zu werden. Aber auch andere Staaten wie etwa Chile vertraten eine ähnliche Position. Chile war im Anschluss an die Nationalisierung der Kupferindustrie 1973 der Ansicht, dass aufgrund der exzessiven Profite der ausländischen Investoren keine Entschädigung zu zahlen gewesen wäre.370 Im Gegenteil, es vertrat die Auffassung, dass aufgrund der exzessiven Profite gegenüber einem der betroffenen Unternehmen noch Forderungen in der Höhe von ca. 300 Millionen US Dollar bestünden.371 Auch die Vereinten Nationen waren mit dem Thema befasst.372 Der Höhepunkt einer Reihe von Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen zu diesem Thema war die Charta der wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten. Sie sah ein Recht der Staaten vor, Nationalisierungen und Enteignungen vorzunehmen. Die Höhe einer allfälligen Entschädigung sollte unter Berücksichtigung des innerstaatlichen Rechts festgelegt werden: Article 2(2) 2. Each State has the right: … (c) To nationalize, expropriate or transfer ownership of foreign property in which case appropriate compensation s h o u l d be paid by the State adopting such

___________ 368

Siehe dazu oben, S. 23 ff. Siehe z.B.: Der nationale Volkskongress Chinas hat am 23. März 2007 ein Gesetz verabschiedet, wonach erstmals in der Geschichte der Volksrepublik privates Eigentum ebenso geschützt sein soll wie staatliches Eigentum und das Eigentum kollektiver Einrichtungen, Die Presse vom 23. März 2007, Chinesischer Eiertanz ums Eigentum. 370 I. Seidl-Hohenveldern, Chilean Copper Nationalization Cases before German Courts, 69 AJIL 1975, S. 111 f. 371 P. Weil/P. Rambaud, Chilean Copper Nationalizations, EPIL I 1992, 577–579, S. 578 f. 372 Siehe dazu oben, S. 23 ff. 369

526

3. Teil: Die Folgen des Eigentumseingriffs

measures, taking into account its relevant laws and regulations and all circumstances that the State considers pertinent.373

Diese Resolution verlangte somit eine Entschädigung nicht mehr als Bedingung für eine rechtmäßige Enteignung. Die meisten westlichen Staaten stimmten entweder gegen die Resolution oder enthielten sich ihrer Stimme.374 Aufgrund der unklaren völkergewohnheitsrechtlichen Situation in diesem Bereich kommt den Investitionsschutzverträgen in diesem Punkt eine besondere Bedeutung zu. Daher halten fast alle Investitionsschutzverträge nicht nur fest, dass für Enteignungen zu entschädigen ist, sondern sie enthalten oft nähere Ausführungen zu der geforderten Entschädigung.375 Meist wird in BITs verein___________ 373 GA Resolution 3281 (XXIX), 12 December 1974 – Charter of Economic Rights and Duties of States, (Hervorhebung durch die Autorin). Siehe dazu z.B.: J. Castaneda, La Charte des Droits et Devoirs Economiques des Etats, 20 AFDI 1974, 31–56; I. Brownlie, Legal Status of Natural Resources in International Law (Some Aspects) 162 RdC 1979 I, 245–317, S. 255 ff.; B. Weston, The Charter of Economic Rights and Duties of States and the Deprivation of Foreign-Owned Wealth, 75 AJIL 1981, 437–475; R. Dolzer, Eigentum, Enteignung und Entschädigung im geltenden Völkerrecht, 1985, S. 24 ff. m.w.N. 374 Siehe dazu oben FN 12, 16. 375 R. Dolzer/M. Stevens, Bilateral Investment Treaties, 1995, S. 109. Siehe z.B.: Artikel 5 Niederlande/Tschechien BIT: Neither Contracting Party shall take any measures depriving … investors of the other Contracting Party of their investment unless the following conditions are complied with: … (c) the measures are accompanied by provision for the payment of just compensation. … (Hervorhebung durch die Autorin). Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/czech_netherlands.pdf. Artikel 4 Schweden/Albanien BIT: (1) Neither Contracting Party shall take any measures depriving … an investor of the other Contracting Party of an investment unless the following conditions are complied with: … (c) the measures are accompanied by provisions for the payment of prompt, adequate and effective compensation, … . (Hervorhebung durch die Autorin). Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/sweden_albania.pdf. Artikel 5 Mexiko/Österreich BIT : (1) A Contracting Party shall not expropriate … an investment of an investor of the other Contracting Party … except: … (d) accompanied by payment of compensation in accordance with paragraphs (2) and (3) below. (Hervorhebung durch die Autorin).

C. Die Rechtmäßigkeit einer Enteignung (Investitionsschutz)

527

___________ Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/austria_mexico.pdf. Artikel 5 Kroatien/Thailand BIT : 1. A Contracting Party shall not expropriate or nationalise directly or indirectly an investment in its territory of an investor of another Contracting Party or take any measure or measures having equivalent effect (hereinafter referred to as “expropriation”) except: … d) accompanied by payment of prompt, adequate and effective compensation. (Hervorhebung durch die Autorin). Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/croatia_thailand.pdf . Artikel 5 Iran/Thailand BIT: 1. Investments of investors of either Contracting Party shall not be nationalized, confiscated, expropriated or …. Except such measures are taken … upon payment of prompt, effective and just compensation. … (Hervorhebung durch die Autorin). Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/iran_thailand.pdf. Artikel 1110 NAFTA : 1. No Party may … nationalize or expropriate an investment of an investor … except: … (d) on payment of compensation in accordance with paragraphs 2 through 6. … (Hervorhebung durch die Autorin). Artikel 5 Vereinigtes Königreich/Ägypten BIT: (1) Investment of nationals …. Shall not be nationalised, expropriated or subjected to measures having effect equivalent … except for a public purpose related to the internal needs of that Party and against prompt, adequate and effective compensation. … (Hervorhebung durch die Autorin). Quelle: UK Treaty Series No. 97 (1976). Artikel 5 Vereinigtes Königreich/China BIT: (1) Investments of national or companies of either Contracting Party shall not be expropriated, nationalised or subjected to measures having effect equivalent to expropriation or nationalisation (…) in the territory of the other contracting Party except for a public purpose related to the internal needs of that Contracting Party and against reasonable compensation. … (Hervorhebung durch die Autorin). Quelle: UK Treaty Series No. 33 (1986). Artikel VI Thailand/Sri Lanka BIT: (1) Investment of national … of either Contracting Party shall not be subjected … to any measure of nationalization or expropriation in the territory of the other Contracting Party except for a public purpose related to the internal needs of that Contracting Party and against adequate and effective compensation. … (Hervorhebung durch die Autorin). Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/srilanka_thailand.pdf.

528

3. Teil: Die Folgen des Eigentumseingriffs

bart, dass die Entschädigung „prompt, adequate and effective“ sein muss.376 Dabei wird oft näher ausgeführt, dass der „fair market value“ zu ersetzen sei.377 Insbesondere die Frage des Umfangs, in dem Entschädigung zu leisten ist, hat auch zu vielen Schiedsverfahren Anlass gegeben. Oft ist aufgrund eines Streits um die Höhe der erforderlichen Entschädigung zum Zeitpunkt des Schiedsverfahrens noch gar keine Entschädigung geleistet worden. Es stellt sich die Frage, ob die Entschädigung bereits zum Zeitpunkt des Schiedsverfahrens geleistet worden sein muss, damit eine Enteignung als rechtmäßig anzusehen ist. Bereits der Ständige Internationale Gerichtshof scheint im Fall Chorzów378 davon ausgegangen zu sein, dass die Nichtbezahlung einer Entschädigung zum Zeitpunkt des Entzugs alleine eine Enteignung noch nicht rechtswidrig mache. Er führte aus, dass die Entschädigung, die Deutschland zustehe, nicht beschränkt sei auf den Wert der entzogenen Sache im Zeitpunkt der Entziehung und die Zinsen bis zum Tag der Zahlung. Diese Beschränkung treffe nur in jenen Fällen zu, in denen eine an sich rechtmäßige Enteignung vorlag und der einzige rechtswidrige Akt in der (noch) Nichtbezahlung des Wertes der entzogenen Sache bestand: ___________ Artikel 4 Pakistan/Yemen BIT : … 2. Investments or investors of one of the Contracting Parties shall not be nationalized, expropriated, requisitioned or subjected to any measures having equivalent effect in the territory of the other Contracting Party, except for public purposes or national interest. However, such measures shall be subject to prompt and adequate compensation and on condition that these measures are taken on a non-discriminatory bases. … (Hervorhebung durch die Autorin). Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/pakistan_yemen.pdf. 376 Siehe z.B.: Artikel 4(1) c Schweden/Albanien BIT (Quelle: http://www.unctad. org/sections/dite/iia/docs/bits/sweden_albania.pdf). Artikel 5(1) d Kroatien/Thailand BIT (Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/ iia/docs/bits/croatia_thailand.pdf); Artikel 5(1) Iran/Thailand BIT (Quelle: http://www. unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/iran_thailand.pdf); Artikel 5(1) Vereinigtes Königreich/Ägypten BIT (Quelle: UK Treaty Series No. 97 (1976)); Artikel 5(1) Vereinigtes Königreich/China BIT (Quelle: UK Treaty Series No. 33 (1986)); Artikel VI(1) Thailand/Sri Lanka BIT (Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/sri lanka_thailand.pdf). 377 Siehe z.B.: Artikel 5 (2) b Mexiko/Österreich BIT Quelle: http://www.unctad. org/sections/dite/iia/docs/bits/austria_mexico.pdf; Artikel 5(3) Kroatien/Thailand BIT (Quelle: http://www.unctad.org/sections/dite/iia/docs/bits/croatia_thailand.pdf); Artikel 1110 (2) NAFTA. 378 PCIJ, Case Concerning the Factory at Chorzów (Claim for Indemnity – The Merits), Urteil vom 13. September 1928, Serie A No. 17.

C. Die Rechtmäßigkeit einer Enteignung (Investitionsschutz)

529

It follows that the compensation due to the German Government is not necessarily limited to the value of the undertaking at the moment of dispossession, plus interest to the day of payment. This limitation would only be admissible of the Polish Government had had the right to expropriate, and if its wrongful act consisted merely in not having paid to the two Companies the just price of what was expropriated;379

Ebenso ging eine Reihe von Schiedsgerichten in Fällen vor, in denen das nationale Recht eine Entschädigung oder die Einsetzung einer Instanz zur Festsetzung einer Entschädigung vorsah. Auch wenn die Kommission nicht eingesetzt worden war oder diese keine Entschädigung festgesetzt hatte, gingen die damit befassten Schiedsgerichte vom Vorliegen einer rechtmäßigen Enteignung aus. In LIAMCO380 wies das Schiedsgericht darauf hin, dass das libysche Enteignungsgesetz die Einsetzung eines Komitees zur Berechnung der Entschädigungssumme vorsah.381 Gleichzeitig führte es aus, dass diese Bestimmungen nie implementiert wurden und keine Entschädigung festgesetzt wurde.382 Dennoch hielt es die Enteignung nicht bereits dadurch für rechtswidrig, dass nicht bereits vor der Durchführung des Schiedsverfahrens entschädigt worden war:383 That nationalization of concession rights, even before the expiration of the concession term, if not discriminatory and not accompanied by a wrongful act or conduct, is not unlawful as such, and constitutes not a tort but a source of liability to compensate the concessionnaire for said premature termination of the concession agreements. Whereas, there has been no conclusive evidence to prove sufficiently the discriminatory character of the nationalization measure complained of, and therefore, these measures do not constitute a wrongful act provided due compensation is paid to the concessionaire.384

In Aminoil385 sah das Decree Law n°124 in seinem Artikel 3 ebenfalls die Einsetzung eines Entschädigungskomitees zur Festsetzung einer Enteignungsentschädigung vor.386 Das Schiedsgericht stellte fest, dass durch das Decree Law n° 124 eine Nationalisierung vorlag.387 Ein Komitee zur Festsetzung der Entschädigung war eingesetzt worden.388 Das Unternehmen entsandte trotz Ein___________ 379

Ibid., S. 47. Libyan American Oil Company (LIAMCO) v. Government of the Libyan Arab Republic, (Investment Agreement), Award, 12 April 1977, 20 ILM (1981), 1. Zum Sachverhalt siehe oben, S. 517. 381 Ibid., S. 60. 382 Ibid., S. 60. 383 Ibid., S. 61–85. 384 Ibid., S. 85. 385 Kuwait v. American Independent Oil Companiy (Aminoil), (Ad-hoc Agreement), Award, 24 March 1982, 21 ILM 1982, 976. 386 Ibid., S. 998. 387 Ibid., § 82. 388 Ibid., S. 998 f. 380

530

3. Teil: Die Folgen des Eigentumseingriffs

ladung des Komitees keinen Vertreter im Hinblick auf das anhängige Schiedsverfahren. Es wurde keine Entschädigung gezahlt. Das Schiedsgericht stellte fest, dass die Nationalisierung rechtmäßig war.389 Der Fall American International Group390 betraf eine amerikanische Versicherungsgesellschaft, deren 35% Anteile an einer iranischen Versicherung per Gesetz (Law of Nationalization of Insurance Corporations) nationalisiert worden waren. Es war keine Entschädigung gezahlt worden. Die Regierung vertrat die Auffassung, dass es für die Rechtmäßigkeit einer Enteignung ausreiche, die prinzipielle Bereitschaft zu entschädigen, zu bekunden und innerhalb angemessener Zeit zu entschädigen.391 Es geht aus dem Schiedsspruch nicht klar hervor, ob das IUSCT in diesem Punkt die Auffassung der Regierung teilte. Es sprach davon, dass die Nationalisierung nicht per se rechtswidrig sei, weil sie im öffentlichen Interesse und nicht diskriminierend war: … it cannot be held that the nationalization of Iran America was by itself unlawful, …, as there is not sufficient evidence before the Tribunal to show that the nationalization was not carried out for a public purpose as part of a larger reform program, or was discriminatory.392

Anschließend betonte das IUSCT, dass auch im Fall einer rechtmäßigen Enteignung eine Entschädigung geleistet werden muss: On the other hand, it is a general principle of public international law that even in a case of lawful nationalization the former owner of the nationalized property is normally entitled to compensation for the value of the property taken.393

Somit könnte das IUSCT das Zahlungserfordernis einer Entschädigung als bloße Konsequenz der Nationalisierung angesehen haben und nicht davon ausgegangen sein, dass die Nationalisierung rechtswidrig war, weil noch keine Entschädigung gezahlt worden war. Andererseits führte es aus, dass Iran „damages“ zu zahlen habe: Since compensation was not made within any period after the date of nationalization … that would be considered legally required, the Tribunal holds that the nationalizing State – the Islamic Republic of Iran – is obligated to compensate the Claimants for damages for the taking of their shares in Iran America.394

___________ 389

Ibid., § 115. IUSCT, American International Group v. The Islamic Republic of Iran, Award Nr. 93-2-3, 19 December 1983, 4 IUSCTR 96. 391 Ibid., S. 103. 392 Ibid., S. 105. 393 Ibid., S. 105. 394 Ibid., S. 105. 390

C. Die Rechtmäßigkeit einer Enteignung (Investitionsschutz)

531

Die Verwendung des Ausdrucks „damages“ weißt darauf hin, dass es sich um eine rechtswidrige Enteignung handelte.395 Der zur Anwendung gebrachte Entschädigungsstandard, der Wert des Unternehmens zum Zeitpunkt des Entzugs,396 deutet jedoch darauf hin, dass das IUSCT die Nationalisierung, trotz fehlender Entschädigung, als rechtmäßig ansah.397 Im Fall INA398 wählte das IUSCT eine ähnliche Vorgangsweise. Es wurde ebenfalls eine Versicherung verstaatlicht. INA hielt 20% der Anteile. Die Regierung brachte vor, dass eine Kommission zur Festsetzung der Entschädigung eingesetzt worden war. Zudem war eine iranische Wirtschaftsprüfungskanzlei, die die Investition bewertete, zu einem negativen Unternehmenswert gelangt. Daher sei keine Entschädigung zu bezahlen.399 Das IUSCT folgte diesem Bericht bei der Festlegung der Entschädigungshöhe jedoch nicht.400 Das IUSCT stellte fest, dass eine Nationalisierung zwar nicht per se rechtswidrig sei, aber eine Verpflichtung, zu entschädigen, nach sich ziehe: It has long been acknowledged that expropriations for a public purpose and subject to conditions provided for by law – notably that category which can be characterised as “nationalisation” – are not per se unlawful. A lawful nationalization will, however, impose on the government concerned the obligation to pay compensation.401

Das IUSCT scheint somit davon auszugehen, dass eine rechtmäßige Nationalisierung vorlag und die Entschädigungspflicht eine bloße Folge der Nationalisierung, aber keine eigenständige Rechtmäßigkeitsvoraussetzung ist.402 Klarer wird die Haltung des IUSCT zu dieser Frage in Amoco v. Iran.403 Zunächst stellte es fest, dass die Enteignung durch den Single Article Act erfolgte und nicht schon vorher eine indirekte Enteignung verwirklicht war. Es führte in der Folge aus, dass der Treaty of Amity nur verlangt, dass zum Zeitpunkt der Enteignung rechtliche Vorkehrungen für eine Entschädigung getroffen worden ___________ 395

Siehe dazu z.B.: I. Marboe, Compensation and Damages in International Law, The Limits of „Fair Market Value“, 7 The Journal of World Investment 2006, S. 725 ff. 396 IUSCT, American International Group v. The Islamic Republic of Iran, Award Nr. 93-2-3, 19 December 1983, 4 IUSCTR 96, S. 109. 397 I. Marboe, Compensation and Damages in International Law, The Limits of „Fair Market Value“, 7 The Journal of World Investment 2006, S. 729 ff. 398 IUSCT, INA Corporation v. The Government of the Islamic Republic of Iran, Award No. 184-161-1, 13 August 1985, 8 IUSCTR 373. 399 Ibid., S. 376. 400 Ibid., S. 382. 401 Ibid., S. 378. 402 Ibid., S. 378. Ebenso: M. Pellonpää/M. Fitzmaurice, Taking of Property in the Practice of the Iran-United States Claims Tribunal, The Netherlands Yearbook of International Law, Volume XIX, 1988, S. 69. 403 Amoco International Finance Corporation v. The Government of the Islamic Republic of Iran, et al., Partial Award No. 310-56-3, 14 July 1987, 15 IUSCTR 189.

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3. Teil: Die Folgen des Eigentumseingriffs

waren, und nicht, dass diese schon der Höhe nach fixiert oder geleistet worden war: For the present purpose, it suffices to note that the Treaty does not require that the amount of the compensation should be determined at or prior to the time of the taking.404

Für eine Völkerrechtskonformität verlangte das IUSCT, dass ein Verfahren zur Verfügung steht, das dem Eigentümer mit hinreichender Sicherheit garantiert, dass eine Entschädigung im Einklang mit dem Völkerrecht festgesetzt und ausbezahlt wird: … the Tribunal considers that, to be “adequate”, the provisions for the determination and payment of compensation must provide the owner of the expropriated assets sufficient guarantee that the compensation will be actually determined and paid in conformity with the requisites of international law, …405

Das IUSCT hob hervor, dass der Single Article Act eine Special Commission für derartige Verfahren sowie Schiedsverfahren vorsah und dass etliche zu einem positiven Ergebnis geführt hätten. Es sah daher sowohl die vertraglichen als auch die völkergewohnheitsrechtlichen Voraussetzungen für eine rechtmäßige Enteignung als erfüllt an: In view of these facts, the Tribunal deems that the provisions of the Single Article Act for compensation were neither in violation of the Treaty nor, indeed, in violation of rules of customary international law.406

Somit reichte es für das IUSCT aus, dass es zum Zeitpunkt der Enteignung einen Mechanismus gab, der tatsächlich geeignet war, eine Entschädigung im Einklang mit dem Völkerrecht festzusetzen. Die Entschädigung musste weder bereits festgesetzt noch ausgezahlt worden sein, damit eine Enteignung rechtmäßig war. Dies ist auch im Einklang mit einer abweichenden Stellungnahme von Richter Brower im Fall Sedco.407 In dieser führte er aus, dass es zweifelhaft sei, ob eine bloße Nichtbezahlung der Entschädigung schon zwingend zu einer rechtswidrigen Enteignung führe. Wenn ein Mechanismus zur Festsetzung der Entschädigung existiere, aber noch keine festgelegt oder eine zu geringe Entschädigung gezahlt worden sei, führe dies noch nicht zu einer rechtswidrigen Enteignung. Vielmehr sei die davon unabhängige Entschädigungspflicht nicht erfüllt. Eine rechtswidrige Enteignung liege nur dann vor, wenn kein Entschädi___________ 404

Ibid., § 136. Ibid., § 137. 406 Ibid., § 138. 407 IUSCT, Separate Opinion of Judge Brower in Sedco, Inc. v. National Iranian Oil Company, et al., Interlocutory Award No. ITL 59-129-3, 27 March 1986, 10 IUSCTR 189. 405

C. Die Rechtmäßigkeit einer Enteignung (Investitionsschutz)

533

gungsmechanismus vorgesehen oder eine unvernünftig geringe Entschädigung gezahlt worden wäre: Likewise I must express doubt as to whether, under customary international law, a State’s mere failure, in the end, actually to have compensated in accordance with the international law standard set forth herein necessarily renders the underlying taking ipso facto wrongful. If, for example, contemporaneously with the taking the expropriating State provides a means for the determination of compensation which on its face appears calculated to result in the required compensation, but which ultimately does not, or if compensation is immediately paid which, though later found by a tribunal to fall short of the standard, was not on its face unreasonable, it would appear appropriate not to find that the taking itself was unlawful but rather only to conclude that the independent obligation to compensate has not been satisfied. If, on the other hand, no provision for compensation is made contemporaneously with the taking, or one is made which clearly cannot produce the required compensation, or unreasonably insufficient compensation is paid at the time of taking, it would seem appropriate to deem the taking itself wrongful.408

Auch in einer Reihe späterer Schiedssprüche von Investitionsschiedsgerichten wurden Enteignungen trotz fehlender Entschädigung als rechtmäßig beurteilt. Im Fall LETCO409 deutete das Schiedsgericht an, dass das Angebot der Bezahlung einer angemessenen Entschädigung für das Vorliegen einer rechtmäßigen Enteignung ausreiche und die Bezahlung nicht bereits erfolgt sein müsse: … even if the Government of Liberia had sought to justify its action as an act of nationalization. It would then have to show that its action was …; … accompanied by payment (or at least the offer of payment) of appropriate compensation. 410

Im Fall Southern Pacific Properties (SPP) v. Egypt411 betonte das Schiedsgericht im Abschnitt über die Rechtmäßigkeit der Enteignung, dass der Entzug des Hotelbauprojekts völkerrechtskonform gewesen war. Es wies in diesem Zusammenhang nur auf das öffentliche Interesse am Schutz der antiken Stätten im Bereich des Baugeländes hin: Clearly, as a matter of international law, the Respondent was entitled to cancel a tourist development project situated on its own territory for the purpose of protecting antiquities. … The decision to cancel the project constituted a lawful exercise of the

___________ 408

Ibid., S. 204, FN 39. Liberian Eastern Timber Corporation [LETCO] v. The Government of the Republic of Liberia, (Concession Agreement), Award, 31 March 1986, 89 ILR 1992, 313. Zum Sachverhalt siehe oben, S. 496. 410 Ibid., S. 337. 411 Southern Pacific Properties (Middle East) Limited (SPP) v. Arab Republic of Egypt, (National Law), Award, 20 May 1992, 3 ICSID Reports 189. Zum Sachverhalt siehe oben, S. 273, 390. 409

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3. Teil: Die Folgen des Eigentumseingriffs

right of eminent domain. The right was exercised for a public purpose, namely, the preservation and protection of antiquities in the area.412

Auch die Kläger beriefen sich nicht darauf, dass eine rechtswidrige Enteignung vorlag, weil noch keine Entschädigung geleistet worden war.413 In der Folge führte das Schiedsgericht die ägyptischen Rechtsnormen an, die auch bei Enteignungen, die antiken Stätten betreffen, Entschädigungen vorsahen.414 Daraus kann geschlossen werden, dass es für das Schiedsgericht ausreichte, dass nach innerstaatlichem Recht vorgesehen war, dass eine Entschädigung zu leisten war. Das Schiedsgericht verlangte aber nicht, dass ein Verfahren zur Festlegung der Entschädigung eingeleitet oder abgeschlossen sein musste, damit die Enteignung rechtmäßig war. Dem ICSID-Verfahren in Compañía del Desarrollo de Santa Elena S.A. v. Republic of Costa Rica415 war ein mehr als 20 Jahre andauernder Rechtsstreit vor innerstaatlichen Gerichten um die Entschädigung vorangegangen.416 Der Fall betraf die formelle Enteignung eines Grundstücks aus Gründen des Naturschutzes.417 Costa Rica hatte eine Entschädigungssumme angeboten, die den Klägern aber zu gering war.418 Das Schiedsgericht stellte fest, dass auch bei einer Enteignung aus einem berechtigten öffentlichen Interesse Entschädigung zu zahlen war: International law permits the Government of Costa Rica to expropriate foreignowned property within its territory for a public purpose and against the prompt payment of adequate and effective compensation. … – While an expropriation or taking for environmental reasons may be classified as a taking for a public purpose, and thus may be legitimate, the fact that the Property was taken for this reason does not affect either the nature or the measure of the compensation to be paid for the taking.419

Zudem bestand bei den Streitparteien Einigkeit darüber, dass der Marktwert der enteigneten Sache zum Zeitpunkt des Entzugs zu ersetzen war, was darauf hindeutet, dass beide Parteien von einer rechtmäßigen Enteignung ausgegangen waren:

___________ 412

Ibid., § 158. Ibid., §§ 158, 182, 183. 414 Ibid., § 159. 415 Compañía del Desarrollo de Santa Elena S.A. v. Republic of Costa Rica, (Ad-hoc Agreement), Award, 17 February 2000, 5 ICSID Reports 153. 416 Ibid., § 20. 417 Ibid., §§ 18, 71. 418 Ibid., § 17. 419 Ibid., § 71. 413

C. Die Rechtmäßigkeit einer Enteignung (Investitionsschutz)

535

As mentioned above, there is no dispute between the parties as to the applicability of the principle of full compensation for the fair market value of the Property, i.e., what a willing buyer would pay to a willing seller.420

Das Schiedsgericht erwog im Schiedsspruch nicht, dass die Enteignung wegen der bislang unterbliebenen Entschädigung rechtswidrig sein könnte. Somit ist dieser Fall ein weiteres Beispiel dafür, dass bei Vorliegen eines Entschädigungsangebots das Unterbleiben einer Entschädigungsleistung nicht per se zur Rechtswidrigkeit einer Enteignung führt. Ausdrücklich beschäftigte sich das Schiedsgericht in Goetz v. Burundi421 mit der Frage, ob das Fehlen einer Entschädigung zum Zeitpunkt der Enteignung zu deren Rechtswidrigkeit führt. Es verneinte dies: In this case, the final condition placed by Article 4 of the Treaty to the legality of a “measure having a similar effect” to a measure depriving of or restricting the use of property has not until now been fulfilled, since the revocation of the free zone certificate decided on 29 May 1995 was not accompanied by the adequate and effective compensation on which its legality under international law was made conditional. The Tribunal does not however consider that this circumstance suffices to taint this measure as illegal under international law. The Treaty requires an adequate and effective indemnity; unlike certain domestic rights as regards expropriation, it does not require prior compensation. All this means that the legality of the decision of 29 May 1995 under international law remains in the balance.422

Auch in der Literatur wurde die Ansicht vertreten, dass ein bloßer Streit um die Höhe der zu leistenden Entschädigung noch nicht zu einer Rechtswidrigkeit der Enteignung führt: … there may well be a dispute over the adequacy of the compensation offered. But the fact that a tribunal awards compensation higher than a State was prepared to offer does not, per se, make the nationalization unlawful. The State’s offer would have to be so low as to amount to a virtual rejection of the obligation to compensate.423

Damit eine Enteignung trotz bisher unterbliebener Entschädigung rechtmäßig ist, verlangt die Mehrheit der Schiedsgerichte, dass vom Staat im Prinzip das Recht auf eine Entschädigung anerkannt ist. Dies kann sich unter anderem in einem konkreten Entschädigungsangebot oder in der Einrichtung eines Mechanismus zur Festsetzung einer Entschädigung äußern. Das Schiedsgericht in Goetz v. Burundi stellte nicht darauf ab, sondern verlangte für die Rechtmäßig___________ 420

Ibid., § 73. Antoine Goetz and Others v. Republic of Burundi, (Belgium-Luxembourg Economic Union/Burundi BIT), Award, 10 February 1999, 6 ICSID Reports 5. 422 Ibid., §§ 130, 131. 423 D. W. Bowett, State Contracts with Aliens: Contemporary Developments on Compensation for Termination or Breach, 59 BYIL 1988, 49–74, S. 69 f. 421

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3. Teil: Die Folgen des Eigentumseingriffs

keit der Enteignung die Leistung einer Entschädigung innerhalb angemessener Zeit nach dem Ergehen des Schiedsspruchs.424 Die Nichtbezahlung einer Entschädigung im Zusammenhang mit einem Streit über die Angemessenheit der Höhe einer geleisteten Entschädigung führt noch nicht zu einer Rechtswidrigkeit einer Enteignung. Allerdings muss das Recht auf eine Entschädigung prinzipiell vom Staat anerkannt sein. Wenn weder eine Entschädigung erfolgt ist noch innerstaatliche Normen eine solche vorsehen und kein Mechanismus zur Festsetzung einer Entschädigung existiert, ist eine rechtswidrige Enteignung anzunehmen. Besonders häufig ist das Fehlen jeglichen Entschädigungsangebots bei indirekten Enteignungen durch regulative staatliche Tätigkeit. Die Staaten gehen in derartigen Fällen nicht vom Vorliegen einer Enteignung aus und sehen daher auch häufig auch keine Entschädigung vor. Somit sind indirekte Enteignungen in den meisten Fällen auch rechtswidrig.

V. Zwischenergebnis Schiedsgerichte gehen in der ganz überwiegenden Mehrzahl vom Erfordernis eines öffentlichen Interesses an einer Enteignung für deren Rechtmäßigkeit aus. Sie räumen den Staaten bei der Entscheidung darüber, was im öffentlichen Interesse ist, ein großes, wenn auch nicht unbegrenztes Ermessen ein. Demgemäß gibt es nur wenige Fälle, in denen Schiedsgerichte zu dem Ergebnis kamen, dass eine Enteignung nicht im öffentlichen Interesse erfolgte. In keinem der angeführten Fälle führte das Fehlen des öffentlichen Interesses allein zu einer Feststellung der Rechtswidrigkeit der Enteignung. Trotz des weiten staatlichen Ermessensspielraums erscheint die Beibehaltung dieses Erfordernisses sinnvoll. Es kommt ihm in Hinblick auf willkürliche Enteignungen eine generalpräventive Funktion zu. Das Erfordernis eines rechtsstaatlichen Enteignungsverfahrens (due processfür die Rechtmäßigkeit einer Enteignung ist eine jüngere Entwicklung des Völkerrechts. Diese Voraussetzung findet sich noch immer nicht systematisch in allen völkerrechtlichen Investitionsschutzverträgen. Daher gibt es auch noch keine umfangreiche schiedsgerichtliche Praxis zu diesem Kriterium. Die Schiedsgerichte überprüfen, ob das innerstaatliche Verfahren den völkerrechtlichen Due-process-Vorgaben entspricht. Aus der spärlichen Judikatur lassen sich dazu folgende Voraussetzungen ableiten. Der Enteignete muss in ___________ 424

Antoine Goetz and Others v. Republic of Burundi, (Belgium-Luxembourg Economic Union/Burundi BIT), Award, 10 February 1999, 6 ICSID Reports 5, § 131.

C. Die Rechtmäßigkeit einer Enteignung (Investitionsschutz)

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angemessener Frist vor der Enteignung vom geplanten Eingriff informiert werden. Es muss der Zugang zu einer unabhängigen und unparteiischen Überprüfungsinstanz bestehen. Vor dieser muss der Investor gehört werden und seine Rechte geltend machen können. Durch dieses Rechtsmittel muss in angemessener Zeit Abhilfe geschaffen werden können. Weiters ist in völkerrechtlichen Investitionsschutzverträgen zumeist ausdrücklich normiert, dass Enteignungen nicht in diskriminierender Weise vorgenommen werden dürfen. Zudem besteht darüber hinaus ein völkergewohnheitsrechtliches Diskriminierungsverbot bei Enteignungen. Voraussetzung dafür, dass sich ein Investor darauf berufen kann, ist, dass Völkerrecht das anwendbare Recht ist. Diese Voraussetzung liegt vor, wenn ein Schiedsgericht auf Grundlage eines BIT entscheidet, das eine Klausel über Enteignungen enthält. Das Diskriminierungsverbot schützt nicht nur vor Diskriminierungen aufgrund der Nationalität, wie dies etwa MFN-Klauseln tun, sondern vor jeglicher Diskriminierung. Unter Diskriminierung wird eine sachlich nicht gerechtfertigte unterschiedliche Behandlung einer Person oder einer Gruppe von Personen verstanden. Ebenso erfasst ist eine sachlich nicht gerechtfertigte Gleichbehandlung verschiedener Personen oder Gruppen von Personen. Diese kann sowohl zwischen In- und Ausländern als auch zwischen verschiedenen Gruppen von Ausländern vorliegen. Weiters ist für die Rechtmäßigkeit einer Enteignung Voraussetzung, dass sie gegen Entschädigung erfolgt. Diesbezüglich kommt den Investitionsschutzverträgen aufgrund der unklaren völkergewohnheitsrechtlichen Situation eine besondere Bedeutung zu. Daher halten fast alle Investitionsschutzverträge nicht nur fest, dass für Enteignungen zu entschädigen ist, sondern sie enthalten nähere Ausführungen zu der geforderten Entschädigung. Meist wird in BITs festgelegt, dass die Entschädigung „prompt, adequate and effective“ sein muss. Oft wird näher ausgeführt, dass im Fall einer Enteignung der „fair market value“ zu ersetzen sei. Aus der Judikatur der Schiedsgerichte ergibt sich klar, dass die Entschädigung nicht bereits zum Zeitpunkt des Schiedsverfahrens geleistet worden sein muss, damit eine Enteignung als rechtmäßig anzusehen ist. Für die Rechtmäßigkeit einer Enteignung trotz bisher unterbliebener Entschädigung verlangt die Mehrheit der Schiedsgerichte, dass vom Staat im Prinzip das Recht auf eine Entschädigung anerkannt ist. Dies kann sich unter anderem in einem konkreten Entschädigungsangebot oder in der Einrichtung eines Mechanismus zur Festsetzung einer solchen äußern. Die Nichtbezahlung einer Entschädigung im Zusammenhang mit einem Streit über die Angemessenheit der Höhe einer geleisteten Entschädigung führt somit noch nicht zu einer Rechtswidrigkeit einer Ent-

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3. Teil: Die Folgen des Eigentumseingriffs

eignung. Nur wenn weder eine Entschädigung erfolgt ist, noch innerstaatliche Normen eine solche vorsehen und kein Mechanismus zu ihrer Festsetzung existiert, ist von einer rechtswidrigen Enteignung mangels Entschädigung auszugehen. Somit kann festgehalten werden, dass eine rechtskonforme Enteignung jedenfalls im öffentlichen Interesse erfolgen muss, nicht diskriminierend sein darf und eine Entschädigung geleistet werden muss. Zudem besteht eine Tendenz, auch die Einhaltung eines rechtsstaatlichen Verfahrens bei der Enteignung für deren Rechtmäßigkeit zu verlangen. Die Entschädigung muss nicht bereits zum Zeitpunkt der Enteignung geleistet werden, es reicht aus, wenn der Staat ein Recht auf Entschädigung prinzipiell anerkennt und ein Mechanismus zu deren Festsetzung und Auszahlung besteht.

D. Die rechtlichen Folgen der Rechtfertigungs- / Rechtmäßigkeitsprüfung I. … bei Vorliegen einer gerechtfertigten/ rechtmäßigen Enteignung Die Feststellung, dass eine Enteignung gerechtfertigt (Menschenrechtsschutz) bzw. rechtmäßig (Investitionsschutz) war, hat in Menschenrechts- und Investitionsschutz unterschiedliche Folgen. Beim Menschenrechtsschutz führt ein diesbezügliches Urteil des Gerichtshofs dazu, dass keine weitere staatliche Ersatzleistung zu erfolgen hat. In der Regel wurde bereits innerstaatlich Ersatz geleistet, der den Gerichtshof dazu bewog, von einer gerechtfertigten Enteignung auszugehen. Im Investitionsrecht ist dagegen in der Regel, wie bereits ausführlich dargelegt wurde,425 bei einer rechtmäßigen Enteignung Entschädigung (adequate, prompt and effective) zu leisten. Die exakte Höhe der Entschädigung wird zumeist erst im Schiedsspruch, der das Vorliegen einer rechtmäßigen Enteignung feststellt, festgelegt. Das heißt, diese ist in der Regel noch zu leisten.426 Die Feststellung der Rechtmäßigkeit erfolgt daher unter der Bedingung, dass die im Schiedsspruch festgesetzte Entschädigung auch tatsächlich geleistet wird. ___________ 425 426

Siehe dazu oben, S. 524 ff. Siehe dazu oben, S. 528 ff.

D. Die rechtlichen Folgen der Rechtfertigungs-/Rechtmäßigkeitsprüfung

539

Hinsichtlich der Höhe der Entschädigung sehen viele Investitionsschutzverträge den Ersatz des fairen Marktwerts (fair market value) zum Zeitpunkt des Entzuges vor.427 Unter dem fairen Marktwert versteht man jenen Preis, den ein hypothetischer Käufer zum Entzugszeitpunkt bezahlt hätte.428 Die Entschädigung soll daher einen objektiven Wertersatz bewirken.

II. … bei Vorliegen eines nicht gerechtfertigten/ rechtswidrigen Eingriffs In beiden Rechtsbereichen führt das Vorliegen eines nicht gerechtfertigten Eingriffs (Menschenrechtsschutz) bzw. einer rechtswidrigen Enteignung (Investitionsschutz) dazu, dass eine Völkerrechtsverletzung vorliegt, die Staatenverantwortlichkeit auslöst. In beiden Rechtsbereichen führt dies dazu, dass der Geschädigte so gestellt werden soll, als ob die Enteignung nicht erfolgt wäre.

1. Menschenrechtsschutz Im Menschenrechtsschutz sieht Artikel 41 der EMRK vor, dass der Gerichtshof, wenn dies notwendig ist, eine „gerechte Entschädigung“ (just satisfaction/satisfaction équitable) zusprechen kann.429 Im Deutschen wird der Ausdruck „just satisfaction“ mit „gerechte Entschädigung“ übersetzt. Die Wortwahl ist nicht sehr glücklich, denn funktional handelt es sich teilweise um Schadenersatz.430 Wie bereits erwähnt,431 unterscheidet der Gerichtshof bei Enteignun___________ 427

Siehe dazu oben, S. 528 f. I. Marboe, Compensation and Damages in International Law, The Limits of „Fair Market Value“, 7 The Journal of World Investment 2006, S. 732. 429 Siehe dazu z.B.: C. Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention3, 2008, Kapitel 15, Gerechte Entschädigung und Ersatz der Kosten; W. Karl, Artikel 41 MRK – Gerechte Entschädigung, in: H. P. Rill/H. Schäffer, Bundesverfassungsrecht, Kommentar, 3. Lieferung, 2004, S. 1–27; L. Wildhaber, Article 41 of the European Convention on Human Rights: Just Satisfaction under the European Convention on Human Rights, 3 Baltic Yearbook of International Law, 2003, 1–18; M. Stelzer, Die „Gerechte Entschädigung“ nach Art. 41, in: Bundesministerium für Justiz (Hrsg.), Haftung für staatliches Handeln, 2003, 65–99; C. Tomuschat, Just satisfaction under Article 50 of the European Convention on Human Rights, in: P. Mahoney (Hrsg.), Protection des droits de l’homme la perspective européenne, mélanges à la mémoire de Rolv Ryssdal, 2000, 1409–1430; W. Peukert, Artikel 50, Gerechte Entschädigung in: J. A. Frowein/W. Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK Kommentar2, 1996, 667–722; G. Dannemann, Schadenersatz bei Verletzungen der Europäischen Menschenrechtskonvention, 1994. 430 Siehe z.B.: M. Stelzer, Die „Gerechte Entschädigung“ nach Art. 41, in: Bundesministerium für Justiz (Hrsg.), Haftung für staatliches Handeln, 2003, 65, S. 66. 428

540

3. Teil: Die Folgen des Eigentumseingriffs

gen zwischen Entschädigung bei rechtmäßigen und Schadenersatz bei unrechtmäßigen Enteignungen. Dies wird aus seiner jüngeren Judikatur deutlich.432 Der Gerichtshof wies im Urteil De Wilde, Ooms and Versyp gg Belgien433 darauf hin, dass Artikel 50 EMRK (der nunmehrige Artikel 41 EMRK) auf ähnliche Regelungen in völkerrechtlichen Schiedsverträgen zurück geht. Dies deutet darauf hin, dass eine übereinstimmende Interpretation der diesbezüglichen Regelungen der EMRK mit jenen der Staatenverantwortlichkeit im Allgemeinen angestrebt wird. Dass der Gerichtshof sich bei seiner Judikatur zu Artikel 41 EMRK bei Enteignungen an der Vorgangsweise internationaler Gerichte und Investitionsschiedsgerichte orientiert, wird auch aus dem Urteil im Fall Ehemaliger König von Griechenland gg Griechenland 434 deutlich: … international case-law, of courts or arbitration tribunals, gives the Court valuable guidance; although that case-law concerns more particularly the expropriation of industrial and commercial undertakings, the principles identified in that field are valid for situations such as the one in the instant case.435

Der Gerichtshof kann gemäß Artikel 41 EMRK unter zwei Bedingungen „Entschädigung“ zusprechen: Erstens muss eine Verletzung der Konvention oder eines Zusatzprotokolls vorliegen. Zweitens ist Voraussetzung, dass das innerstaatliche Recht der Vertragspartei nur eine unvollkommene Wiedergutmachung für die Folgen dieser Verletzung gewährt. Der Gerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass dies keine Zurückverweisung auf den innerstaatlichen Rechtsweg bedeutet.436 Wenn bis zum Zeitpunkt der Entschei___________ 431

Siehe dazu oben, S. 460 ff. Siehe auch M. Pellonpää, Does the European Convention on Human Rights Require “Prompt, Adequate and Effective” Compensation for Deprivation of Possessions?, in: M. Tupamäki (Hrsg.) Liber Amicorum Bengt Broms, 1999, S. 383 ff. 432 Siehe z.B.: EGMR, Papamichalopoulos gg Griechenland, Artikel 50 Urteil vom 31. Oktober 1995, Serie A, Nr. 330-B, § 36; Ehemaliger König von Griechenland gg Griechenland, [GC], Nr. 25701/94, Artikel 41 Urteil vom 28. November 2002, §§ 74– 79; Belvedere Alberghiera SRL gg Italien, Nr. 31524/96, Artikel 41 Urteil vom 30. Oktober 2003, §§ 28–31. 433 EGMR, De Wilde, Ooms and Versyp gg Belgien, Artikel 50 Urteil vom 10. März 1972, Serie A, Nr. 14, § 16: Moreover, Article 50 (art. 50) has its origin in certain clauses which appear in treaties of a classical type – such as, Article 10 of the German Swiss Treaty on Arbitration and Conciliation, 1921, and Article 32 of the Geneva General Act for the Pacific Settlement of International Disputes, 1928 …. 434 EGMR, Ehemaliger König von Griechenland gg Griechenland, [GC], Nr. 25701/94, Artikel 41 Urteil vom 28. November 2002. 435 Ibid., § 75. I.d.S. auch bereits EGMR, Papamichalopoulos gg Griechenland, Artikel 50 Urteil vom 31. Oktober 1995, Serie A, Nr. 330-B, § 36. 436 Siehe z.B.: W. Peukert, Artikel 50, Gerechte Entschädigung in: J. A. Frowein/W. Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK Kommentar2, 1996, S. 670; J. L. Sharpe, Article 50 in, L-E. Pettiti/E. Decaux/P.-H. Imbert, La Convention

D. Die rechtlichen Folgen der Rechtfertigungs-/Rechtmäßigkeitsprüfung

541

dung über den Anspruch nach Artikel 41 EMRK keine vollständige Wiedergutmachung erfolgt ist, kann der Gerichtshof „Entschädigung“ zusprechen. Der Gerichtshof kann Billigkeitserwägungen bei der Festsetzung einer „Entschädigung“ berücksichtigen. Es besteht kein automatischer Anspruch auf eine „Entschädigung“ im Fall einer Konventionsverletzung. Noch weniger begründet Artikel 41 der EMRK einen Anspruch auf eine „Entschädigung“ in einer bestimmten Höhe.437 Bis zum Fall Papamichalopoulos438 gab es keine Rechtsprechung zur Entschädigung im Fall einer konventionswidrigen Enteignung. Wie jedoch aus seiner Judikatur seit diesem Urteil deutlich wird, unterscheidet der Gerichtshof unter Berufung auf den Ständigen Internationalen Gerichtshof und das IUSCT zwischen rechtmäßigen und rechtswidrigen Enteignungen bei der Festlegung der „Entschädigung“:439 The act of the Greek Government which the Court held to be contrary to the Convention was not an expropriation that would have been legitimate but for the failure to pay fair compensation; … The unlawfulness of such a dispossession inevitably affects the criteria to be used for determining the reparation owed by the respondent State, since the pecuniary conse-

___________ Européenne des Droits de l’Homme, 1995, S. 812; G. Dannemann, Schadenersatz bei Verletzungen der Europäischen Menschenrechtskonvention, 1994, S. 50. Siehe z.B.: EGMR, De Wilde, Ooms and Versyp gg Belgien, Artikel 50 Urteil vom 10. März 1972, Serie A, Nr. 14, § 16. 437 Siehe dazu: L. Wildhaber, Article 41 of the European Convention on Human Rights: Just Satisfaction under the European Convention on Human Rights, 3 Baltic Yearbook of International Law, 2003, S. 5; C. Tomuschat, Just satisfaction under Article 50 of the European Convention on Human Rights, in: P. Mahoney (Hrsg.), Protection des droits de l’homme la perspective européenne, mélanges à la mémoire de Rolv Ryssdal, 2000, S. 1413, 1427; J. L. Sharpe, Article 50 in, L-E. Pettiti/E. Decaux/P.-H. Imbert, La Convention Européenne des Droits de l’Homme, 1995, S. 813. G. Dannemann, (Schadenersatz bei Verletzungen der Europäischen Menschenrechtskonvention, 1994, S. 92, 237 ff.) geht davon aus, dass aufgrund von Artikel 50 EMRK (alte Fassung) ein Anspruch auf Schadenersatz besteht. Siehe z.B.: EGMR, Vasilescu gg Rumänien, Urteil vom 22. Mai 1998, ECHR 1998III, § 61; Zubani gg Italien [GC], Nr. 14025/88, Artikel 41 Urteil vom 16. Juni 1999, § 22; Ehemaliger König von Griechenland gg Griechenland [GC], Nr. 25701/94, Urteil gemäß Artikel 41 vom 28. November 2002, §§ 32 ff.; Lecarpentier gg Frankreich, Nr. 67847/01, Urteil vom 14. Februar 2006, § 61. 438 EGMR, Papamichalopoulos gg Griechenland, Artikel 50 Urteil vom 31. Oktober 1995, Serie A, Nr. 330-B. 439 Siehe z.B.: EGMR, Papamichalopoulos gg Griechenland, Artikel 50 Urteil vom 31. Oktober 1995, Serie A, Nr. 330-B, § 36; Ehemaliger König von Griechenland gg Griechenland, [GC], Nr. 25701/94, Urteil gemäß Artikel 41 vom 28. November 2002, §§ 74, 75.

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3. Teil: Die Folgen des Eigentumseingriffs

quences of a lawful expropriation cannot be assimilated to those of an unlawful dispossession.440

Unter Hinweis auf das Urteil des Ständigen Internationalen Gerichtshofs im Fall Chorzów441stellte der Gerichtshof fest, dass im Falle einer rechtswidrigen Enteignung die Geschädigten so zu stellen seien, als ob die Enteignung nicht erfolgt wäre.442 Wobei hier unter rechtswidrigen „per se rechtswidrige“ Enteignungen zu verstehen sind. Dies sind solche, die entweder nicht gesetzmäßig oder nicht in Übereinstimmung mit Rechtsstaatlichkeitserfordernissen erfolgt sind oder nicht im öffentlichen Interesse waren. In derartigen Fällen berücksichtigte der Gerichtshof dann auch – im Einklang mit der Chorzów-Judikatur – nachträgliche Wertsteigerungen.443 Im Gegensatz dazu sprach er in jenen Fällen, wo nur das Fehlen einer Entschädigung zur Konventionswidrigkeit geführt hatte, Entschädigung zu. Er stellte im Hinblick auf diese Fälle fest, dass grundsätzlich eine zum Wert des enteigneten Objekts in einem „vernünftigen Verhältnis“ stehende Entschädigung zu leisten sei.444 Wie bereits ausführlich erörtert wurde, gibt es von dieser Regel aber Ausnahmen, wenn besondere öffentliche Interessen an der Enteignung vorliegen.445 Der Gerichtshof ging bei der Festsetzung der Entschädigung gemäß Artikel 41 (50 alt) EMRK analog zu seiner Verhältnismäßigkeitsjudikatur zu Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK vor und berücksichtigte etwa außergewöhnliche staatliche Interessen bei der Festsetzung der Entschädigungshöhe.446

___________ 440 EGMR, Papamichalopoulos gg Griechenland, Artikel 50 Urteil vom 31. Oktober 1995, Serie A, Nr. 330-B, § 36. 441 PCIJ, Case Concerning the Factory at Chorzów (Indemnity), Judgment No. 13, 1928 PCIJ, Serie A No. 17, Order, 13 September 1928. 442 EGMR, Papamichalopoulos gg Griechenland, Artikel 50 Urteil vom 31. Oktober 1995, Serie A, Nr. 330-B, §§ 37–39. Der EGMR hielt fest, dass die Regierung entweder binnen sechs Monaten das Grundstück zurückzugeben habe oder den gegenwärtigen Wert des Grundstückes samt Gebäuden zu zahlen habe. I.d.S. auch: EGMR, Hentrich gg Frankreich, Urteil vom 22. September 1994, Serie A, Nr. 296-A, § 71; Brumarescu gg Rumänien [GC], Nr. 28342/95, Artikel 41 Urteil vom 23. Jänner 2001, ECHR 2001-I, §§ 22, 23; Belvedere Alberghiera SRL gg Italien, Nr. 31524/96, Artikel 41 Urteil vom 30. Oktober 2003, §§ 28–36. 443 Siehe z.B.: EGMR, Papamichalopoulos gg Griechenland, Artikel 50 Urteil vom 31. Oktober 1995, Serie A, Nr. 330-B, § 38; Hentrich gg Frankreich, Urteil vom 22. September 1994, Serie A, Nr. 296-A, § 71. 444 Siehe oben, S. 462 ff. 445 Siehe oben, S. 463 ff. 446 Siehe z.B.: EGMR, Ehemaliger König von Griechenland gg Griechenland, [GC], Nr. 25701/94, Urteil gemäß Artikel 41 vom 28. November 2002, §§ 78, 79. Siehe dazu näher oben, S. 463 ff.

D. Die rechtlichen Folgen der Rechtfertigungs-/Rechtmäßigkeitsprüfung

543

2. Investitionsschutz Im Investitionsrecht löst eine rechtswidrige Enteignung Staatenverantwortlichkeit aus, und der Staat hat Schadenersatz zu leisten.447 Im Unterschied zur Entschädigung bei rechtmäßigen Enteignungen soll hierbei der Enteignete so gestellt werden, als ob die Enteignung nicht erfolgt wäre. Dies führte bereits der Ständige Internationale Gerichtshof im schon mehrfach zitierten Fall Chorzów448 aus, weshalb heute vom „Chorzów-Standard“ bei unrechtmäßigen Enteignungen gesprochen wird: The essential principle contained in the actual notion of an illegal act … is that reparation must, as far as possible, wipe out all the consequences of the illegal act and reestablish the situation which would, in all probability, have existed if that act had not been committed.449

Es ist daher – im Unterschied zur Entschädigung – der dem Geschädigten tatsächlich entstandene Schaden zu ersetzen. Dieser wird mittels eines Vermögensvergleiches zwischen der hypothetischen Situation des Enteigneten ohne Enteignung und jener nach der Enteignung ermittelt (Differenzmethode) . Es werden daher sowohl nachfolgende Wertsteigerungen als auch Folgeschäden ersetzt. Somit wird eine subjektive Bewertung vorgenommen.450

___________ 447

Siehe dazu ausführlich, I. Marboe, Compensation and Damages in International Law, The Limits of “Fair Market Value”, 7 The Journal of World Investment 2006, 723759. 448 PCIJ, Case Concerning the Factory at Chorzów (Indemnity), Judgment No. 13, 1928 PCIJ, Serie A No. 17, Order, 13 September 1928. 449 Ibid., S. 47. 450 Siehe dazu: I. Marboe, Compensation and Damages in International Law, The Limits of „Fair Market Value“, 7 The Journal of World Investment 2006, S. 733; G. Dannemann, Schadenersatz bei Verletzungen der Europäischen Menschenrechtskonvention, 1994, S. 226 ff.; F. Mommsen, Zur Lehre von dem Interesse, 1855, S. 3 ff., 11 ff. Da die Frage von Schadenersatz und Entschädigung bei Enteignungen gerade im Rahmen einer kürzlich von einem Mitglied dieses Instituts, Irmgard Marboe, verfassten Habilitationsschrift, „Die Berechnung von Entschädigung und Schadenersatz in der internationalen Rechtsprechung“, ausführlich erörtert wurde, kann eine eingehendere Erörterung dieser Frage in dieser Arbeit unterbleiben.

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3. Teil: Die Folgen des Eigentumseingriffs

E. Schlussfolgerungen Ein Vergleich der Erfordernisse, die vom EGMR herangezogen werden, um eine Verletzung von Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK festzustellen, mit jenen, die im internationalen Investitionsrecht zur Feststellung einer rechtmäßigen Enteignung verwendet werden, zeigt viele Übereinstimmungen, aber auch wesentliche Unterschiede.

I. Bereiche weitgehender Übereinstimmung zwischen Menschenrechts- und Investitionsschutz Das Erfordernis, dass eine Enteignung nur im öffentlichen Interesse erfolgen darf, besteht in beiden Rechtsbereichen; im Menschenrechtsbereich, um zu entscheiden, ob ein gerechtfertigter Eigentumseingriff, im Investitionsschutz, um festzustellen, ob eine rechtmäßige Enteignung vorliegt. Das Fehlen eines öffentlichen Interesses im Falle einer Enteignung bewirkt sowohl im Menschenrechtsschutz als auch im Investitionsschutz deren Rechtswidrigkeit. In beiden Rechtsbereichen ist der Spielraum der Staaten bei der Bestimmung des öffentlichen Interesses sehr groß. Die Einhaltung des Diskriminierungsverbotes ist im Investitionsschutz eine Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit einer Enteignung. Im Menschenrechtsschutz besteht mit Artikel 14 EMRK eine eigene Norm zum Schutz vor Diskriminierungen. Artikel 14 EMRK ist akzessorisch. Er setzt die Anwendbarkeit, nicht aber die Verletzung eines anderen von der EMRK geschützten Rechts voraus. Im Fall einer Diskriminierung bei einem Eigentumseingriff wird eine Verletzung von Artikel 14 in Kombination mit Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK festgestellt, und zwar auch dann, wenn keine gesonderte Verletzung von Artikel 1 des 1. ZP vorliegt. Die Kriterien, die vom EGMR und den Investitionsschiedsgerichten herangezogen werden, um festzustellen, ob eine diskriminierende Enteignung451 vorliegt, sind die gleichen. In beiden Fällen wird überprüft, ob bei einer Enteignung verschiedene Personen in einer vergleichbaren Situation in sachlich nicht gerechtfertigter Weise unterschiedlich behandelt wurden. Somit wird auf unterschiedlichem Weg in beiden Rechtsbereichen ein ähnliches Ergebnis erzielt. Ein diskriminierender Eigentumseingriff (Menschenrechtsschutz) und eine diskriminierende Enteignung (Investitionsschutz) führen in beiden Rechtsbereichen zu einer Völkerrechtsverletzung. ___________ 451

Bei der EMRK: Artikel 14 in Kombination mit Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK.

E. Schlussfolgerungen

545

Die Nichteinhaltung der Grundsätze eines fairen Verfahrens bei einer Enteignung bewirkt ebenfalls Rechtswidrigkeit in beiden Rechtsbereichen; jedoch bestehen auch Unterschiede. Der EGMR überprüft zunächst immer, ob das innerstaatliche Recht eingehalten wurde. Dieser Umstand wird von den Investitionsschiedsgerichten, wenn überhaupt, unter dem Aspekt überprüft, ob eine Enteignung im öffentlichen Interesse erfolgte, nicht jedoch bei der Frage, ob der Due-process-Standard erfüllt ist. Bei der Überprüfung der Gesetzmäßigkeit der Enteignung im Hinblick auf das innerstaatliche Recht besteht nur eine eingeschränkte nachprüfende Kompetenz des EGMR. Es wird nur eine Grobprüfung der Frage vorgenommen, ob ein Eigentumseingriff im Einklang mit dem innerstaatlichen Recht erfolgte. Zusätzlich wird überprüft, ob die einschlägigen innerstaatlichen Normen zugänglich und hinreichend bestimmt sind, sowie ob das Willkürverbot eingehalten wurde. In Investitionsschutzabkommen besteht häufig das Erfordernis, dass eine Enteignung nur in Übereinsitmmung mit den Grundsätzen eines rechtsstaatlichen Verfahrens erfolgen darf. Überprüft wird von den Schiedsgerichten zumeist, ob das innerstaatliche Verfahren den völkerrechtlichen Due-process-Erfordernissen entspricht. Es gibt allerdings noch wenig Judikatur in diesem Bereich. Im investitionsrechtlichen Eigentumsschutz wird somit in Grundzügen auch die Einhaltung von Rechten überprüft, die im Menschenrechtsschutz durch andere Bestimmungen der EMRK und der AMRK abgedeckt sind. So verlangt etwa Artikel 6 EMRK die Garantie eines fairen Verfahrens. Allenfalls kommt auch Artikel 13 EMRK beim gänzlichen Fehlen einer wirksamen Beschwerdemöglichkeit im Fall einer Enteignung in Betracht. Allerdings leitete auch der EGMR aus Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK bestimmte Mindestverfahrensanforderungen ab. So müssen, wenn den Behörden bei einer Enteignung ein Ermessensspielraum zukommt, entsprechende Verfahrensregeln den Enteigneten vor Willkür schützen. Auch hinsichtlich der Konsequenzen einer per se rechtswidrigen Enteignung im Menschenrechtsbereich und einer rechtswidrigen Enteignung im Investitionsrecht besteht Übereinstimmung. Eine rechtswidrige Enteignung löst im Investitionsrecht Staatenverantwortlichkeit aus. Unter einer rechtswidrigen Enteignung wird eine Enteignung verstanden, die entweder nicht im öffentlichen Interesse oder diskriminierend war, oder den Due-process-Anforderungen nicht entsprach, oder wenn weder eine Entschädigung geleistet noch prinzipiell eine vorgeshehen war. In einem derartigen Fall hat der Staat Schadenersatz zu leisten. Das Grundsatzurteil in diesem Bereich stammt bereits vom Ständigen Internationalen Gerichtshof im Fall Chorzów. Der Investor ist so zu stellen, als ob die Enteignung nicht erfolgt wäre. Unter einer per se rechtswidrigen Enteignung im Menschenrechtsbereich wird eine Enteignung verstanden, die entwe-

546

3. Teil: Die Folgen des Eigentumseingriffs

der nicht im öffentlichen Interesse oder nicht rechtmäßig (im Einklang mit Due-process-Erfordernissen) erfolgte. Das Vorliegen einer solcherart nicht gerechtfertigten und somit gegen Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK verstoßenden Enteignung führt dazu, dass der EGMR dem Betroffenen eine „gerechte Entschädigung“ zusprechen kann, der die Funktion eines Schadenersatzes zukommt. Der EGMR hat wiederholt dazu ausgeführt, dass der Enteignete dadurch so gestellt werden soll, als ob die Enteignung nicht stattgefunden hätte. Er hat sich dabei ebenfalls auf das Urteil des Ständigen Internationalen Gerichtshofs in Chorzów gestützt. Somit wird in beiden Rechtsbereichen der gleiche Standard zur Anwendung gebracht. Ebenso wird in derartigen Fällen in beiden Rechtsbereichen eine subjektive Bewertung des Schadens vorgenommen. Daher werden nach dem Entzug erfolgte Wertsteigerungen sowie Folgeschäden berücksichtigt.

II. Unterschiede zwischen Menschenrechts- und Investitionsschutz Die Unterschiede zwischen den beiden Systemen beschränken sich daher auf jene Enteignungen, die im öffentlichen Interesse und rechtmäßig (im Einklang mit Due-process-Erfordernissen) erfolgt sind. Bei solchen per se rechtmäßigen Enteignungen ist im Menschenrechtsschutz noch zu prüfen, ob die Enteignung verhältnismäßig war. Somit sind die staatlichen Interessen an der Enteignung dem Interesse des Beschwerdeführers am Schutz seines Eigentums gegenüber zu stellen. Es wird vom EGMR überprüft, ob zwischen diesen beiden Interessen ein vernünftiger Ausgleich getroffen wurde, oder ob die von der Enteignung betroffene Person eine individuelle und exzessive Last zu tragen hatte. Bei dieser Entscheidung wird eine Vielzahl von Faktoren berücksichtigt: –

Gab es weniger eingriffsintensive Möglichkeiten zur Erreichung des angestrebten öffentlichen Ziels?



Bestand wirklich ein dringendes öffentliches Interesse an der Enteignung?



Wurde in berechtigte Erwartungen des Beschwerdeführers eingegriffen?



Gab es besonders berücksichtigungswürdige Umstände auf der Seite des Beschwerdeführers?



Ob und in welcher Höhe wurde vom Staat für die Enteignung entschädigt?



Lagen besondere Umstände auf Seiten des Staates vor, die eine geringere als die am Wert der Sache orientierte Entschädigung rechtfertigen?

E. Schlussfolgerungen

547

Dabei wird zwischen Rahmenbedingungen, die eine Minderung und solchen, die einen Totalentfall der Entschädigung rechtfertigen, unterschieden. –

Wie lange war die Dauer zwischen dem faktischen Entzug und dem Zeitpunkt der Entschädigung?



Wie hoch ist das Niveau der Inflation?



Betraf die Enteignung In- oder Ausländer?

Der wichtigste Faktor bei der Entscheidung ist zweifelsohne der Umfang, in dem bereits entschädigt wurde. Dabei ist grundsätzlich eine Entschädigung zu leisten, deren Höhe in einem „vernünftigen Verhältnis“ zum Wert des enteigneten Objekts steht. Es gibt aber im Menschenrechtsschutz die Möglichkeit, dass unter bestimmten Bedingungen nur ein geringerer als der volle Wertersatz geleistet werden muss. Eine derartige Flexibilität, die sowohl besondere Interessen des Staates an der Enteignung als auch eine besonders schutzwürdige Position des Beschwerdeführers bei der Frage der Entschädigungshöhe berücksichtigt, gibt es im Investitionsrecht nicht. Im Investitionsrecht muss im Fall einer rechtmäßigen Enteignung adequate, prompt and effective compensation geleistet werden. Dies bedeutet in der Regel den vollen Marktwert. Der wesentlichste Unterschied zwischen den beiden Rechtsbereichen besteht somit in der Rolle der Entschädigung. Im Menschenrechtsschutz ist die Frage, ob und in welchem Umfang eine innerstaatliche Entschädigung geleistet wurde, einer der Parameter, die vom Gerichtshof zur Entscheidung über die Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs herangezogen werden. Die Entschädigung ist somit nur einer, wenn auch ein wichtiger Punkt im Abwägungsprozess zwischen staatlichem Interesse am Eingriff und dem Interesse des Beschwerdeführers am Schutz seines Eigentums. Das heißt, es gibt hinsichtlich der Erforderlichkeit einer Entschädigung keinen Automatismus. Es existiert zudem keine fixe Regel für die Höhe der Entschädigung. Im Unterschied zum Investitionsschutz muss nicht immer voller Wertersatz geleistet werden. In außergewöhnlichen Fällen kann sie auch ganz unterbleiben. Im Gegensatz dazu besteht im Investitionsrecht hinsichtlich der Entschädigung ein Automatismus. Ist eine Enteignung erfolgt, verlangen die meisten Investitionsschutzverträge eine adäquate Entschädigung, wobei oft in den Verträgen näher spezifiziert ist, dass darunter der faire Marktwert zu verstehen sei. In diesem Punkt besteht keine Möglichkeit für ein Schiedsgericht, die Interessen des Staates am Eingriff mit jenen des Investors am Eigentumsschutz abzuwägen, vielmehr ist der faire Marktwert zu ermitteln und zuzusprechen.

548

3. Teil: Die Folgen des Eigentumseingriffs

Dieser Unterschied ist der schwerwiegendste zwischen den beiden Systemen. Die derzeitige diesbezügliche Regelung im Investitionsrecht verhindert einen Interessenausgleich zwischen den gegensätzlichen Interessen des Staates und des Investors. Es ist im Investitionsrecht nur eine Entscheidung möglich, die gänzlich zugunsten des Investors oder total zugunsten des Staates ausgeht. Sie wird bereits bei der Feststellung, ob eine Enteignung vorliegt oder nicht, getroffen.

4. Teil

Ein neues Modell

A. Die Gründe für den Änderungsvorschlag Wie dargelegt, wird sowohl von den Staaten als auch von den Schiedsgerichten das derzeitige investitionsrechtliche Eigentumsschutzsystem als unbefriedigend empfunden. Bei den Staaten manifestiert sich dies teils in restriktiv formulierten Eigentumsschutzklauseln in den neueren Investitionsschutzverträgen. Bei Schiedsgerichten ist eine wachsende Zurückhaltung bei der Feststellung einer Enteignung zu bemerken. Wenn Schiedsgerichte ein gewichtiges öffentliches Interesse am Eigentumseingriff sehen, verneinen sie zunehmend das Vorliegen einer Enteignung. Sie weichen bei Eingriffen, die die Eingriffsintensität einer Enteignung erreichen, die im öffentlichen Interesse und im Einklang mit rechtsstaatlichen Verfahrensgrundsätzen erfolgten, nicht diskriminierend waren, bei denen aber keine Entschädigung erfolgte, in den Tatbestand des „fair and equitable treatment“ aus. Dieses „Ausweichmanöver“ ist darauf zurückzuführen, dass das derzeitige investitionsrechtliche Eigentumsschutzsystem einen Interessenausgleich zwischen den gegensätzlichen Interessen des Staates und des Investors nicht zulässt. Die Schiedsgerichte in Tecmed,1 Azurix2 und LG&E3 versuchten, diesem Umstand Rechnung zu tragen, indem sie auf die menschenrechtliche Verhältnismäßigkeitsprüfung auf der Eingriffsebene zurückgriffen. Sie wogen die Interessen des Staates an der Enteignung gegen jene des Investors am Schutz seiner Investition ab, um festzustellen, ob eine Enteignung vorlag. Auch dies ist ein Indikator dafür, dass die unbefriedigende Situation im Bereich des investi___________ 1 Técnicas Medioambientales Tecmed, S. A. v. United Mexican States, (Spain/Mexico BIT), Award, 29 May 2003, 10 ICSID Reports 134, § 122. 2 Azurix Corp. v. Argentine Republic, (US/Argentina BIT), Award, 14 July 2006, http://ita.law.uvic.ca/documents/AzurixAwardJuly2006.pdf, § 312. 3 LG&E Energy Corp, LG&E Capital Corp., LG&E International Inc. v. Argentine Republic, (US/Argentina BIT), Award, 3 October 2006, http://ita.law.uvic.ca/docu ments/LGEArgentinaLiability.pdf, § 189.

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4. Teil: Ein neues Modell

tionsrechtlichen Eigentumsschutzes auf die mangelnde Möglichkeit eines Interessenausgleichs, zurückzuführen ist. Somit setzen sowohl die Staaten als auch die Investitionsschiedsgerichte am Enteignungstatbestand an, um Abhilfe zu schaffen, belassen aber das sonstige binäre „Alles-oder-Nichts“-System. Wie bereits dargelegt, ist aber durch diese Vorgangsweise keine wirksame Abhilfe für das derzeitige Dilemma zu schaffen. Wieso gelingt der Interessenausgleich im menschenrechtlichen Eigentumsschutz besser? Der wesentliche Unterschied zwischen Investitions- und Menschenrechtsschutz besteht darin, dass im Menschenrechtsschutz die Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht herangezogen wird, um über das Vorliegen einer Enteignung zu entscheiden. Sie wird vielmehr benützt, um bei Vorliegen einer Enteignung zu überprüfen, ob ein geeigneter Interessenausgleich zwischen staatlichem Eingriffsinteresse und dem Schutzinteresse des vom Eingriff Betroffenen vorgenommen wurde. Im Menschenrechtsschutz kann die Verhältnismäßigkeitsprüfung dazu führen, dass eine unter dem Marktwert liegende Entschädigung zu leisten ist. Dies ist dann der Fall, wenn besondere staatliche Interessen an der Enteignung vorliegen und dem Individuum dadurch keine exzessive Belastung aufgebürdet wird. Das heißt, der wesentliche Unterschied liegt in den ökonomischen Folgen einer festgestellten Enteignung. Die menschenrechtliche Verhältnismäßigkeitsprüfung kann durch die Einbeziehung der Entschädigung in die Abwägungen nuanciertere Ergebnisse erzielen. Sie kann dadurch einen Ausgleich zwischen staatlichen und Individualinteressen schaffen. Dieser ist besonders relevant bei Eigentumseingriffen, die im öffentlichen Interesse sind, weder willkürlich noch unter Verletzung der rechtsstaatlichen Verfahrensvorschriften erfolgen und bei denen zwar die wirtschaftliche Nutzungsmöglichkeit, nicht aber die Anlagen einer Investition entzogen werden. Im Investitionsrecht wird derzeit bei Eigentumseingriffen die volle ökonomische Last entweder dem Staat oder dem Investor auferlegt. Daran ändern die restriktiver formulierten Eigentumsschutzbestimmungen mancher Investitionsschutzverträge nichts. Dies ist auch dann der Fall, wenn Schiedsgerichte zur Feststellung, ob eine Enteignung vorliegt, eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vornehmen. Als Ergebnis der vorliegenden Untersuchung wird daher für den investitionsrechtlichen Eigentumsschutz ein Modell vorgestellt, dass sich am menschenrechtlichen Prüfungssystem orientiert. Ziel dieses Modell ist es, bei dieser Art von Eingriffen einen Ausgleich zwischen dem Interesse der Investoren am Schutz ihres Eigentums und dem öffentlichen Interesse am Eigentumseingriff zu erzielen. Dabei soll verhindert werden, dass wie bisher im Investitionsrecht nur entweder den Interessen des Investors oder des Staates zur Gänze Rechnung getragen werden kann. Damit ist sichergestellt, dass nicht entweder die

B. Vorschlag für ein neues Prüfungsmodell

551

Öffentlichkeit oder der Investor die gesamte wirtschaftliche Last des Eigentumseingriffs zu tragen hat.

B. Vorschlag für ein neues Prüfungsmodell I. Zielsetzung und Funktionsweise des neuen Modells Das neue Modell soll sich so weit wie möglich an der bisherigen Vorgangsweise der Schiedsgerichte orientieren und diese um das Abwägungsmodell des Menschenrechtsschutzes ergänzen, um einen Interessenausgleich zwischen staatlichen und Investoreninteressen bei Enteignungen zu ermöglichen. Ebenso wie bisher ist zunächst festzustellen, ob ein geschütztes Recht und ein Eingriff in dieses (eine Enteignung) vorliegen. An das Vorliegen einer Enteignung wird im Unterschied zum bestehenden System aber nicht mehr die automatische Pflicht zu voller Entschädigung oder Schadenersatz geknüpft. Stattdessen wird zunächst eine Rechtmäßigkeitsprüfung vorgenommen. Dabei wird wie bisher überprüft, ob die Enteignung im öffentlichen Interesse erfolgte, nicht diskriminierend war und den Grundsätzen eines rechtsstaatlichen Verfahrens4 entsprach. War die Enteignung unrechtmäßig, besteht wie bisher eine Schadenersatzpflicht. War sie hingegen rechtmäßig, soll eine Verhältnismäßigkeitsprüfung dazu dienen zu entscheiden, in welchem Umfang der Staat ersatzpflichtig wird. Im Fall einer rechtmäßigen Enteigung ist, wie im investitionsrechtlichen Eigentumsschutz bisher üblich, grundsätzlich davon auszugehen, dass vom Staat „adequate, prompt and effective compensation“ geleisten werden muss, wobei darunter häufig der faire Marktwert (fair market value) verstanden wird.5 Insofern besteht Übereinstimmung mit dem menschenrechtlichen Eigentumsschutz. Auch dort ist grundsätzlich bei Enteignungen eine Entschädigung zu leisten, die in einem vernünftigen Verhältnis zum Wert der enteigneten Sache steht. Ebenso wie im Menschenrechtsschutz soll es im vorgeschlagenen Modell jedoch Ausnahmen von dieser allgemeinen Regel geben, um einen angemessenen Ausgleich zwischen staatlichem Eingriffsinteresse und dem Schutzinteresse des Investors herstellen zu können. Es werden daher Kriterien vorgeschlagen, bei ___________ 4 Das Kriterium des rechtsstaatlichen Verfahrens, jedoch nur dort, wo es im Vertrag zur Verfügung steht. 5 Siehe oben, S. 524 ff., 528.

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4. Teil: Ein neues Modell

deren Vorliegen weniger als der volle Wertersatz als Entschädigung ausreichen soll. Schon bisher wurde in Schiedssprüchen gelegentlich eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorgenommen.6 Wie in der Analyse dieser Schiedssprüche gezeigt wurde, wurde sie jedoch durchgeführt um festzustellen, ob überhaupt ein Eingriff (eine Enteignung) vorlag. Auch in der Literatur wurde eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorgeschlagen,7 allerdings auch dort mit dem Ziel festzustellen, ob überhaupt eine Enteignung vorliegt. Wie bereits ausführlich dargelegt, entkommt man durch eine Verhältnismäßigkeitsprüfung dieser Art nicht dem „Alles-oder-Nichts“-System. Es wird kein geeigneter Ausgleich zwischen dem staatlichen Interesse an der Enteignung und dem Interesse des Investors am Eigentumsschutz getroffen. Vielmehr konnte nach dem bisherigen System trotz Verhältnismäßigkeitsprüfung nur entweder der Investor oder der Staat 100% bekommen. Das Potential einer Verhältnismäßigkeitsprüfung, einen Ausgleich zwischen zwei widersprechenden Interessen zu schaffen, wurde bisher nicht genutzt. Daher wird im vorgeschlagenen Modell die Verhältnismäßigkeitsprüfung – analog zum menschenrechtlichen Eigentumsschutz – nicht verwendet, um festzustellen, ob eine Enteignung vorliegt, sondern um festzustellen, inwieweit sie verhältnismäßig war, was wiederum Auswirkungen auf die Höhe der zu leistenden Entschädigung haben soll. An Stelle des bisherigen Systems, bei dem der Staat nur entweder die volle oder gar keine Entschädigung leisten muss und der Investor daher nur entweder die volle oder gar keine Entschädigung bekommt, wird die Höhe der Entschädigung flexibilisiert, um einen Ausgleich im Interessengegensatz zwischen Investor und Staat zu erreichen. Nur so kann eine Aufteilung der Kosten für das öffentliche Interesse, das durch die Enteignung verwirklicht werden soll, zwischen Investor und Staat erfolgen.

___________ 6

Siehe oben, S. 352 ff. Siehe z.B.: T. Waelde/A. Kolo, Environmental Regulation, Investment Protection and “Regulatory taking” in International Law, 50 ICLQ 2001, 811, S. 827 ff.; A. Siwy, Indirect Expropriation and the Legitimate Expectations of the Investor, in: C. Klausegger u.a. (Hrsg.), Austrian Arbitration Yearbook 2007, S. 374. 7

B. Vorschlag für ein neues Prüfungsmodell

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II. Praktische Umsetzung 1. Vorliegen der Enteignung Zunächst erscheint es sinnvoll, den Enteignungsbegriff bei indirekten Enteignungen den realen wirtschaftlichen Gegebenheiten und der Judikatur der Schiedsgerichte anzupassen. Dies kann dadurch erfolgen, dass generell nicht auf einen totalen Entzug, sondern auf einen signifikanten Entzug (substantial deprivation) einer Investition als relevante Eingriffsform abgestellt wird.8 Wesentlich erscheint, dass die Möglichkeit, Einkünfte zu erzielen, entzogen wurde. Es sollte auch dann von einer Enteignung ausgegangen werden, wenn der Investor zwar weiterhin die Kontrolle über ein Unternehmen hat, dieses aufgrund des staatlichen Eingriffs jedoch nicht mehr wirtschaftlich nützen kann. Eine bloße Wertminderung sollte nicht ausreichen. Dies entspricht der überwiegenden Mehrzahl der Schiedssprüche.9 Gleiches sollte im Einklang mit den Ausführungen zur Frage der Teilenteignung gelten, wenn ein Teil einer Investition entzogen wird, der unabhängig vom Rest der Investition wirtschaftlich genutzt werden könnte.10 Das Kriterium für die Erfüllung des Enteignungstatbestands sollte ein quantitatives bleiben. Schon bisher spielte die Schwere des Eingriffs eine zentrale Rolle in der Judikatur der Schiedsgerichte. Zusätzliche Faktoren ohne Aussagekraft über den Eingriff selbst und seine Auswirkungen auf den Investor sollten bei dieser Prüfung nicht berücksichtigt werden. Dadurch sollen Unschärfen bei der Abgrenzung des Enteignungsbegriffs minimiert werden.

2. Rechtmäßigkeit der Enteignung Wenn das Vorliegen dieses Eingriffstatbestandes bejaht wird, soll als nächster Schritt eine Rechtmäßigkeitsprüfung vorgenommen werden. Dabei sollen die schon bisher bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit zu berücksichtigenden Kriterien des öffentlichen Interesses, der Nichtdiskriminierung und des rechtsstaatlichen Verfahrens herangezogen werden; das Kriterium des rechtsstaatlichen Verfahrens, jedoch nur dort, wo es in einem anwendbaren Vertrag vorgeschrieben ist. Diesem Kriterium kommt insofern eine besondere Bedeutung zu, als sein systematisches Einfordern auch positive Effekte für Fragen der ___________ 8

Siehe oben, S. 307 ff., 324. Siehe oben, S. 324. I.d.S. auch z.B.: L. Y. Fortier/S. L. Drymer, Indirect Expropriation in the Law of International Investment: I Know It When I See It, or Caveat Investor, 19 ICSID Review, Foreign Investment Law Journal 2004, S. 306. 10 Siehe oben, S. 389 ff., 403 f. Siehe auch: U. Kriebaum, Partial Expropriation, 8 The Journal of World Investment & Trade 2007, 69–84. 9

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4. Teil: Ein neues Modell

innerstaatlichen Rechtsbewusstseinsbildung haben kann und von dessen Einhaltung auch inländische Investoren profitieren können. Diese Kriterien für die Rechtmäßigkeit sind absolut, das heißt ihre Nichterfüllung führt automatisch zu einer rechtswidrigen Enteignung. Im Falle einer Verletzung würde der Staat schadenersatzpflichtig. Auch dies steht sowohl in Übereinstimmung mit dem bisherigen System des Investitionsschutzes als auch mit jenem des Menschenrechtsschutzes.11 Das Erfordernis einer angemessenen Entschädigung für eine rechtmäßige Enteignung soll prinzipiell auch bestehen bleiben.12 Die Höhe der Entschädigung soll im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung festgelegt werden.

3. Verhältnismäßigkeit der Enteignung Liegt eine solcherart rechtmäßige Enteignung vor, soll ein weiterer Prüfungsschritt erfolgen. Im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung soll das öffentliche Interesse an der Enteignung gegen die Interessen des Investors am Schutz seines Eigentums abgewogen werden. Hinsichtlich der dabei zu berücksichtigenden Kriterien erscheint eine Orientierung an den zuvor für den Menschenrechtsschutz erarbeiteten Kriterien zweckmäßig. Im Rahmen dieser Verhältnismäßigkeitsprüfung sollen bestimmte Faktoren berücksichtigt werden. Diese Faktoren lassen sich, gegliedert nach Interessen des Investors und Interessen des Staates, wie folgt darstellen:

Investor

Staat

aa) Schwere des Eingriffs

aa) Eignung des Eingriffs zur Erreichung des öffentlichen Zwecks

bb) Berechtigte Erwartungen des Investors

bb) Dringlichkeit des öffentlichen Interesses cc) Besonderes öffentliches Interesse an einer verminderten Entschädigung

Abbildung 15: Bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigende Faktoren

___________ 11 Im Fall einer nur diskriminierenden Enteignung ist im Menschenrechtsschutz denkbar, dass nur eine Verletzung von Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK in Kombination mit Artikel 14 EMRK festgestellt würde und nicht gesondert auch noch eine von Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK. 12 Siehe oben, S. 524 ff.

B. Vorschlag für ein neues Prüfungsmodell

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a) Schutzwürdige Interessen des Investors aa) Schwere des Eingriffs Hinsichtlich der Schwere des Eingriffs wurde bereits ausgeführt, dass es für das Vorliegen einer Enteignung ausreichen soll, wenn die Möglichkeit, Einkünfte zu erzielen, entzogen wurde (substantial deprivation).13 Ein Totalentzug der Investition, wie dies im Menschenrechtsschutz für das Vorliegen einer Enteignung Voraussetzung ist, sollte nicht gefordert werden. Dennoch ist auch bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen, ob es sich um einen Totalentzug gehandelt hat, oder ob der Investor beispielsweise noch Eigentümer der Anlagen ist, die er aber nicht mehr nützen darf.

bb) Berechtigte Erwartungen des Investors (1) Berechtigte Erwartungen als Indikator für die Schutzwürdigkeit des Investors Ein weiterer Faktor, der bei der Bewertung der Schutzwürdigkeit des Investors herangezogen werden soll, ist jener der berechtigten Erwartungen. Auch der EGMR zieht dieses Kriterium im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung heran, um die Schutzwürdigkeit des Beschwerdeführers zu bewerten. Ein gutes Beispiel dafür, weil er eine Investition, wenn auch keine ausländische betraf, ist der Fall Fredin gg Schweden.14 Der Beschwerdeführer berief sich darauf, dass er eine berechtigte Erwartung darauf hatte, dass er einen Kiesabbau noch über eine lange Zeitspanne betreiben würde.15 Der EGMR verneinte das Vorliegen ___________ 13 14

Siehe dazu oben, S. 307 ff., 324. EGMR, Fredin gg Schweden (Nr. 1), Urteil vom 18. Februar 1991, Serie A, Nr.

192. Der Umstand, dass es sich bei dem Eingriff nach Ansicht des EGMR nicht um eine Enteignung, sondern um eine Nutzungsbeschränkung handelte, ist deshalb nicht von Bedeutung, weil der EGMR bei sämtlichen Eingriffsformen das Konzept der Verhältnismäßigkeitsprüfung in ähnlicher Weise heranzieht, um festzustellen, ob der Eingriff gerechtfertigt war. Für Beispiele, in denen der EGMR das Konzept bei Enteignungen zur Anwendung brachte siehe z.B.: EGMR, Draon gg Frankreich, Nr. 1513/03, Urteil vom 6. Oktober 2005, §§ 82–86; Lecarpentier gg Frankreich, Nr. 67847/01, Urteil vom 14. Februar 2006, §§ 51–53. Die unterschiedlichen Voraussetzungen für das Vorliegen einer Enteignung im Menschenrechtsbereich und im Investitionsschutz wurden bereits ausführlich erörtert. Siehe dazu oben, S. 422 ff. 15 EGMR, Fredin gg Schweden (Nr. 1), Urteil vom 18. Februar 1991, Serie A, Nr. 192, § 52.

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4. Teil: Ein neues Modell

derartiger berechtigter Erwartungen, weil der Kiesabbau schon vor der Investition streng geregelt war. Vielmehr mussten die Beschwerdeführer aufgrund einer Novelle aus dem Jahr 197316 damit rechnen, dass der Abbau irgendwann gänzlich unzulässig werden würde. Daher war die Geschäftstätigkeit mit großen Unsicherheiten behaftet.17 Der Gerichtshof war der Ansicht, dass kein schützenswertes Vertrauen vorgelegen sei, und dass der Eingriff nicht unverhältnismäßig war: The applicants initiated their investments seven years after the entry into force of the 1973 amendment to section 18 of the 1964 Act which clearly provided for the potential revocation of existing permits after the expiry of the 10-year period that started to run on 1 July 1973 (…). They must therefore reasonably have been aware of the possibility that they might lose their permit after 1 July 1983. In addition, it is clear that the authorities did not give them any assurances that they would be allowed to continue to extract gravel after this date. Thus, the decision to grant them a permit to build a quay contained an express statement to the effect that that decision did not imply that “any position [had] been taken as to the possibility of a future reconsideration of the gravel exploitation activities on the property” (…). Accordingly, when embarking on their investments, the applicants could have relied only on the authorities’ obligation, when taking decisions relating to nature conservation, to take due account of their interests … This obligation cannot, at the time the applicants made their investments, reasonably have founded any legitimate expectations on their part of being able to continue exploitation for a long period of time. … Having regard to the foregoing and to the legitimate aim pursued by the 1964 Act (…), the Court finds that it cannot be said that the revocation decision complained of by the applicants was inappropriate or disproportionate.18

Auch im Fall Pine Valley,19 der ebenfalls eine Nutzugsregelung aus Umweltschutzgründen betraf, stellte der EGMR aufgrund des Fehlens von berechtigten Erwartungen des Investors fest, dass der staatliche Eingriff nicht unverhältnismäßig war: The applicants were engaged on a commercial venture which, by its very nature, involved an element of risk (…) and they were aware not only of the zoning plan but also of the opposition of the local authority, Dublin County Council, to any departure from it (…). This being so, the Court does not consider that the annulment of the

___________ 16 Betriebsgenehmigungen, die älter als zehn Jahre waren, durften entschädigungslos entzogen werden. 17 Ibid., § 54. 18 Ibid., §§ 54, 55. 19 EGMR, Pine Valley Developments Ltd. and Others gg Irland, Urteil vom 29. November 1991, Serie A, Nr. 222. Der Fall betraf ein rückwirkendes bauliches Erschließungsverbot eines Grundstücks. Der Oberste Gerichtshof Irlands hatte eine Erlaubnis zur Erschließung für nichtig erklärt. Zum Sachverhalt siehe oben S. 243.

B. Vorschlag für ein neues Prüfungsmodell

557

permission without any remedial action being taken in their favour can be regarded as a disproportionate measure.20

Von Schiedsgerichten wurde ebenfalls schon mehrfach auf das Konzept der berechtigten Erwartungen zurückgegriffen;21 bisher allerdings, um festzustellen, ob überhaupt eine geschützte Eigentumsposition bestand, oder ob eine Enteignung erfolgte. Auch die Modell-BITs von Kanada und den USA stellen auf das Vorliegen berechtigter Erwartungen ab, um zu entscheiden, ob eine indirekte Enteignung erfolgte.22 In der Literatur wurde im Zusammenhang mit der ___________ 20

Ibid., § 59. Siehe dazu insbes. oben, S. 373 ff. Siehe z.B.: In the Matter of Revere Copper and Brass Inc. v. Overseas Private Investment Corporation, Award, 24 August 1978, 56 ILR 258, S. 271; Biloune and Marine Drive Complex Ltd. v. Ghana Investments Centre and the Government of Ghana, (Investment Agreement), Award, 27 October 1989, 95 ILR 183, S. 208; Antoine Goetz and Others v. Republic of Burundi, (Belgium-Luxembourg Economic Union/ Burundi BIT), Award, 10 February 1999, 6 ICSID Reports 5, § 124; Metalclad Corp. v. United Mexican States, (NAFTA), Award, 30 August 2000, 5 ICSID Reports 212, §§ 103, 107; Técnicas Medioambientales Tecmed, S. A. v. United Mexican States, (Spain/Mexico BIT), Award, 29 May 2003, 10 ICSID Reports 134, §§ 122, 149, 150; Consortium R.F.C.C. v. Kingdom of Morocco, (Italy/Morocco BIT), Award, 22 December 2003, § 69, http://ita.law.uvic.ca/documents/ConsortiumRFCC-Award_000.pdf; Methanex Corp. v. USA, (NAFTA), Final Award, 3 August 2005, Part IV – Chapter D, §§ 7, 9, 10, Quelle: http://ita.law.uvic.ca/documents/MethanexFinalAward.pdf; Eureko B.V. v. Republic of Poland, (Netherlands/Poland BIT), Partial Award, 19 August 2005, 12 ICSID Reports 335, §§ 242, 243; Azurix v. Argentine Republic, (United States/ Argentina BIT), Award, 14 July 2006, §§ 316–322, Quelle: http://ita.law.uvic.ca/docu ments/AzurixAwardJuly2006.pdf. 22 US Modell BIT 2004 Annex B Expropriation … 4. The second situation addressed by Article 6 [Expropriation and Compensation] (1) is indirect expropriation, where an action or series of actions by a Party has an effect equivalent to direct expropriation without formal transfer of title or outright seizure. (a) the determination of whether an action or series of actions by a Party, in a specific fact situation, constitutes an indirect expropriation, requires a case-bycase, fact based inquiry that considers, among other factors: … (ii) the extent to which the government action interferes with distinct, reasonable investment-backed expectations; … Quelle: http://www.state.gov/documents/organization/38710.pdf. Canada Modell BIT (FIPA) Annex B.13(1) Expropriation The Parties confirm their shared understanding that a) Indirect expropriation results from a measure or series of measures of a Party that have an effect equivalent to direct expropriation without formal transfer of title or outright seizure; 21

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4. Teil: Ein neues Modell

Entscheidung, ob eine Enteignung vorliegt, ebenfalls wiederholt auf dieses Konzept Bezug genommen.23 In der nun vorgeschlagenen Lösung sollen die berechtigten Erwartungen die Schutzwürdigkeit des enteigneten Investors bestimmen. Das Ausmaß der so ermittelten Schutzwürdigkeit soll im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung Berücksichtigung finden. Wenn berechtigte Erwartungen am Fortbestand der Rahmenbedingungen einer Investition bestanden, bedeutet die Enteignung für den Investor eine größere Last, als wenn dies nicht der Fall war. Der Rückgriff auf berechtigte Erwartungen des Investors eignet sich daher gut für die vorgeschlagene Verhältnismäßigkeitsprüfung. Anhand eines Beispiels soll gezeigt werden, wie in zwei auf den ersten Blick gleichen Sachverhalten die Berücksichtigung von berechtigten Erwartungen zu unterschiedlichen Ergebnissen hinsichtlich der Schutzwürdigkeit eines Investors führt. ___________ b) The determination of whether a measure or series of measures of a Party constitute an indirect expropriation requires a case-by-case, fact-based inquiry that considers, among other factors: … ii) the extent to which the measure or series of measures interfere with distinct, reasonable investment-backed expectations; … Quelle: http://www.dfait-maeci.gc.ca/tna-nac/documents/2004-FIPA-model-en.pdf. Hervorhebungen durch die Autorin. 23 Siehe z.B.: R. Dolzer, Indirect Expropriation of Alien Property 1 ICSID Review, Foreign Investment Law Journal, 1986, 41, S. 62; ders., Indirect Expropriations: New Developments? 11 N.Y.U. Environmental Law Journal, 2003, 64–93, S. 78 f.; F. Orrego Vicuña, Regulatory Authority and Legitimate Expectations: Balancing the Rights of the State and the Individual under International Law in a Global Society, 5 International Law Forum, 2003, 188–197; L. Y. Fortier/S. L. Drymer, Indirect Expropriation in the Law of International Investment: I Know It When I See It, or Caveat Investor, 19 ICSID Review, Foreign Investment Law Journal 2004, 293, S. 306 ff.; A. Barbuk, The NAFTA Chapter 11 Arbitration and Protection of Legitimate Expectations, 1 TDM – Issue #03, Juli 2004; R. Dolzer, Grenzen nationaler Steuerhoheit im völkerrechtlichen Investitionsschutz, in: K. Grupp/U. Hufeld (Hrsg.), Recht – Kultur – Finanzen, Festschrift für Reinhard Mußgnug zum 70. Geburtstag am 26. Oktober 2005, 2005, 189–294; S. Fietta, International Thunderbird Gaming Corporation v. The United Mexican States: an indication of the limits of the „legitimate expectation“ basis of claim under Article 1105 of NAFTA?, 3 TDM – Issue #02, April 2006; F. Costamagna, Investor’ Rights and State Regulatory Autonomy: the Role of the Legitimate Expectation Principle in the CMS v. Argentina case, 3 TDM – Issue #02, April 2006; E. Snodgrass, Protecting Investor’s Legitimate Expectations: Recognizing and Delimiting a General Principle, 21 ICSID Review, Foreign Investment Law Journal 2006, 1–58; A. Siwy, Indirect Expropriation and the Legitimate Expectations of the Investor, in: C. Klausegger u.a. (Hrsg.), Austrian Arbitration Yearbook 2007, 355–377. Zum Vertrauensschutz im Völkerrecht im Allgemeinen siehe z.B.: J. Müller, Vertrauensschutz im Völkerrecht, 1971; E. Zoller, La bonne foi en droit international public, 1977.

B. Vorschlag für ein neues Prüfungsmodell

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Einer Abfallverwertungsanlage wird wegen ihres durch austretende Dämpfe gesundheitsschädigenden Einflusses auf die Bewohner der Nachbarschaft die Betriebsgenehmigung entzogen. Die Anlage kann nicht in anderer Weise verwendet werden, das Grundstück ist kontaminiert. Im Fall A wurde die Anlage zu einer Zeit erbaut, als es keine gesetzlichen Regelungen gab, die das Ausscheiden derartiger Dämpfe verboten. Die Anlage stand in weiter Entfernung von menschlichen Ansiedlungen. In der Folge dehnte sich ein in der Nähe liegendes Dorf aus, und Häuser wurden immer näher bei der Abfallbeseitigungsanlage errichtet. Dem Betreiber der Abfallverwertungsanlage wurde schließlich wegen ihres gesundheitsschädigenden Einflusses auf die Bewohner der Nachbarschaft die Genehmigung entzogen. Zum Zeitpunkt der Investition hatte der Betreiber eine berechtigte Erwartung, seine Anlage auch weiterhin betreiben zu können. Er durfte daher auch darauf vertrauen, im Fall einer Enteignung entschädigt zu werden. Im Fall B erwarb ein Investor in unmittelbarer Nähe eines Dorfes ein Grundstück, das als Industriegrund gewidmet war. Er wusste um heftige Diskussionen und Bürgerproteste gegen die Nutzung als Industriegrund. Der Grundstückspreis war aufgrund dieser Rahmenbedingungen zum Kaufzeitpunkt bereits gesunken. Diese Chance wollte er nutzen und errichtete trotz der ihm bekannten Probleme die Anlage. Die austretenden Dämpfe unterschritten zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme gerade noch den zulässigen gesetzlichen Grenzwert. Schließlich kam es aufgrund von Gesundheitsproblemen der in der Nachbarschaft lebenden Bevölkerung zu einer behördlichen Schließung der Anlage. Die Position des Investors im Fall B ist deutlich weniger schutzwürdig als im Fall A.

(2) Kriterien für das Vorliegen berechtigter Erwartungen Die Rolle, die der Vertrauensschutz in der Judikatur von Investitionsschiedsgerichten bei Fragen der Enteignung spielt, wurde bereits erörtert.24 Die bisherige Judikatur der Schiedsgerichte ist hinsichtlich der Erfordernisse für das Vorliegen von berechtigten Erwartungen allerdings noch unscharf.25 Berechtigte Erwartungen von Investoren können sowohl durch ausdrücklich vom Staat an einen bestimmten Investor gegebene Zusagen 26 als auch durch ___________ 24

Siehe dazu oben, S. 373 ff. Siehe oben, S. 378. 26 Siehe z.B.: In the Matter of Revere Copper and Brass Inc. v. Overseas Private Investment Corporation, Award, 24 August 1978, 56 ILR 258, S. 271; Biloune and Marine Drive Complex Ltd. v. Ghana Investments Centre and the Government of 25

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4. Teil: Ein neues Modell

generelle Zusagen an alle Investoren in einem Staat herrühren. Ebenso können berechtigte Erwartungen auf die Beibehaltung einer bestimmten rechtlichen Situation (z.B.: Begünstigungen in einem Investitionsschutzgesetz) oder eine bestimmte Praxis bestehen.27 Der Investor muss, damit er sich auf berechtigte Erwartungen berufen kann, auf die Zusage oder die Beibehaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen zum Zeitpunkt der Investition vertraut haben.28 Aus der Judikatur ist erkennbar, dass Erwartungen als umso berechtigter angesehen worden sind, je rezenter eine Zusage erfolgt und je formeller sie verankert war.29 Je rezenter eine vertragliche Zusicherung ist, desto besser musste die ___________ Ghana, (Investment Agreement), Award, 27 October 1989, 95 ILR 183, S. 208; Metalclad Corp. v. United Mexican States, (NAFTA), Award, 30 August 2000, 5 ICSID Reports 212, § 107; Técnicas Medioambientales Tecmed, S. A. v. United Mexican States, (Spain/Mexico BIT), Award, 29 May 2003, 10 ICSID Reports 141, § 150; MethanexCorp. v. USA, (NAFTA), Final Award, 3 August 2005, http://ita.law.uvic. ca/documents/MethanexFinalAward.pdf, Part IV – Chapter D, § 7; Azurix v. Argentine Republic, (United States/Argentina BIT), Award, 14 July 2006, http://ita.law.uvic.ca/ documents/AzurixAwardJuly2006.pdf, § 318. 27 International Thunderbird Gaming Corporation v. Mexico, (NAFTA), Award, 26 January 2006, http://ita.law.uvic.ca/documents/ThunderbirdAward.pdf, § 147. 28 Siehe z.B.: International Thunderbird Gaming Corporation v. Mexico, (NAFTA), Award, 26 January 2006, Separate Opinion, T. Waelde, http://ita.law.uvic.ca/docu ments/ThunderbirdSeparateOpinion.pdf, § 1; i.d.S. auch: W. M. Reisman/M. H. Arsanjani, The Question of Unilateral Governmental Statements as Applicable Law in Investment Disputes, 19 ICSID Review, Foreign Investment Law Journal 2004, S. 339. Das Tecmed Schiedsgericht beispielsweise wies ausdrücklich darauf hin, dass der Investor davon ausgegangen war, dass er die Mülldeponie über einen langen Zeitraum betreiben können würde. Es wird auch erwähnt, dass dies den Behörden nicht unbekannt gewesen sein kann. Das Schiedsgericht hielt fest, dass es sich dabei um berechtigte Erwartungen handelte: In view of the above, it is clear the Cytrar would not have an operation level to reach a break-even point and obtain the expected rate of return in a short time. INE could not be unaware of this and of the need to act in line with such expectations to avoid rendering unfeasible any private investment of the scale required to confine hazardous waste in the United Mexican States under acceptable technical operating conditions. Both the authorization to operate as a landfill, …, and the subsequent permits granted … were based on the Environmental Impact Declaration of 1994, which projected a useful life of ten years for the Landfill. This shows that even before the Claimant made its investment, it was widely known that the investor expected its investments in the Landfill to last for a long term and that it took this into account to estimate the time and business required to recover such investment and obtain the expected return upon making its tender offer for the acquisition of the assets related to the Landfill. … such expectations should be considered legitimate and should be evaluated in light of the Agreement and of international law. (Técnicas Medioambientales Tecmed, S. A. v. United Mexican States, (Spain/Mexico BIT), Award, 29 May 2003, 10 ICSID Reports 134, § 150). 29 I.d.S. allerdings zu fair and equitable treatment, International Thunderbird Gaming Corporation v. Mexico, (NAFTA), Award, 26 January 2006, Separate Opinion, T. Wälde, http://ita.law.uvic.ca/documents/ThunderbirdSeparateOpinion.pdf, § 89; es

B. Vorschlag für ein neues Prüfungsmodell

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Regierung um die Auswirkungen der Investition auf beispielsweise das soziale Gefüge oder die Umwelt wissen, falls keine substantiellen neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse die Probleme in einem neuen Licht erscheinen ließen.30 Auch werden Änderungen von speziell mit dem Investor vereinbarten Bedingungen schwerwiegender sein als allgemeine Gesetzesanpassungen.31 Allerdings wird man verlangen müssen, dass wenn sich die Erwartungen auf Zusagen eines staatlichen Organs beziehen, dieses nicht offensichtlich unzuständig war.32 ___________ spricht jedoch nichts dagegen diese Bewertung auch auf „berechtigte Erwartungen“ im Zusammenhang mit Enteignungen anzuwenden. T. Waelde/A. Kolo, Environmental Regulation, Investment Protection and „Regulatory taking“ in International Law, 50 ICLQ 2001, 811, S. 844. Siehe zu den Formerfordernissen für das Vorliegen von berechtigten Erwartungen auch: E. Snodgrass, Protecting Investor’s Legitimate Expectations: Recognizing and Delimiting a General Principle, 21 ICSID Review, Foreign Investment Law Journal 2006, S. 31 ff. 30 Das Schiedsgericht in Tecmed berücksichtigte dies in seiner Verhältnismäßigkeitsprüfung. Es wies darauf hin, dass die Behörde, die dem Investor das Grundstück zum Zweck der Errichtung einer Mülldeponie verkaufte und die Betriebsgenehmigung erteilte, wusste, dass es sich in unmittelbarer Nähe zum Stadtzentrum von Hermosillo befand: First of all, such opposition was mainly based … on the site’s proximity to Hermosillo’s urban center … a circumstance that was certainly known by Promotora upon selling the Landfill’s assets to Cytrar and also by INE upon granting the different permits to operate the Landfill. As expressed by the Respondent, the Landfill’s proximity to Hermosillo’s urban center, and not concrete evidence that the Landfill’s operation is harmful for the environment or public health, is the issue that concentrates the opposition of the groups that are against the Landfill. (Técnicas Medioambientales Tecmed, S. A. v. United Mexican States, (Spain/Mexico BIT), Award, 29 May 2003, 10 ICSID Reports 134, § 140). 31 Siehe dazu die im Kapitel 0 (3) Vertrauensschutz, S. 373 ff. angeführten Beispiele. I.d.S. auch E. Snodgrass, Protecting Investor’s Legitimate Expectations: Recognizing and Delimiting a General Principle, 21 ICSID Review, Foreign Investment Law Journal 2006, S. 36 ff. 32 In SPP führte ein Schiedsgericht allerdings im Zusammenhang mit dem anwendbaren Recht hinsichtlich von Akten hochrangiger Regierungsmitglieder aus: Zwar mögen nach ägyptischem Recht einige Akte nichtig gewesen sein. Diese Akte wurden dem Investor aber unter dem Anschein einer Regierungstätigkeit kommuniziert. Die Erwartungen, die durch derartige Akte beim Investor hervorgerufen worden waren, sind vom Völkerrecht geschützt: Whether legal under Egyptian law or not, the acts in question were the acts of Egyptian authorities, including the highest executive authority of the Government. These acts, which are now alleged to have been in violation of the Egyptian municipal legal system, created expectations protected by established principles of international law. (Southern Pacific Properties (Middle East) Limited (SPP) v. Arab Republic of Egypt, (National Law), Award, 20 May 1992, 3 ICSID Reports 189, § 83).

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4. Teil: Ein neues Modell

Weiters sollten folgende Faktoren bei der Prüfung, wie berechtigt die Erwartungen eines Investors sind, berücksichtigt werden: –

Wird die Enteignung durch eine nicht zu erwartende Rechts- oder Auslegungsänderung nach der Investition bewirkt?33 Musste der Eigentümer aufgrund der Rechtslage zum Zeitpunkt der Investition davon ausgehen, dass ein Eingriff möglich oder wahrscheinlich ist, und dies bereits im Preis, den er für etwa den Erwerb von Grundstücken oder Anlangen bezahlte, seinen Niederschlag fand?34



Handelte es sich um eine Materie, die allenfalls auch in anderen Staaten bereits Gegenstand von Regulierungen war und bei der damit gerechnet werden musste, dass weitere folgen?35

___________ 33 Der Investor soll nicht vor den bereits zum Zeitpunkt der Investition bestehenden Regelungen geschützt werden, sondern nur vor Überraschungen durch den Gastgeberstaat. Schiedsrichter Schwarz wies in seiner abweichenden Meinung in S.D. Myers darauf hin, dass regulierende Maßnahmen eines Staates üblicherweise nicht zu unfairen Überraschungen führen: Expropriations without compensation tend to upset an owner’s reasonable expectations concerning what belongs to him, in law and in fairness. Regulation is something that owners ought reasonably to expect. It generally does not amount to an unfair surprise. (S.D. Myers, Inc. v. Government of Canada, (NAFTA), First Partial Award, Separate Opinion, 12 November 2000, 8 ICSID Reports 66, § 213). 34 So stellte beispielsweise das Schiedsgericht in Tecmed fest, dass der Investor zum Zeitpunkt der Investition keinen Anlass hatte, daran zu zweifeln, dass es rechtmäßig war, an diesem Standort eine Müllverwertungsanlage zu betreiben: … Therefore, at the time the investment was made, Cytrar and Tecmed had no reason to doubt the lawfulness of the Landfill’s location, regardless of the social and political pressure that appeared subsequently. These companies were not negligent upon analyzing the legal issues related to the Landfill’s location. (Técnicas Medioambientales Tecmed, S. A. v. United Mexican States, (Spain/Mexico BIT), Award, 29 May 2003, 10 ICSID Reports 134, § 141). 35 Wie bereits erörtert, war der Umstand, dass bereits erhebliche Beschränkungen vorlagen, für den EGMR beispielsweise in den Fällen Fredin und Pine Valley entscheidend für die Einschätzung, dass nicht in berechtigte Erwartungen eingegriffen worden war. EGMR, Fredin gg Schweden (Nr. 1), Urteil vom 18. Februar 1991, Serie A, Nr. 192, § 54, 55; Pine Valley Developments Ltd. and Others gg Irland, Urteil vom 29. November 1991, Serie A, Nr. 222, § 59. Auch das Schiedsgericht in Methanex wies in seiner Begründung, warum keine Enteignung vorlag, unter anderem darauf hin, dass der Investor wusste, dass er in einen Regelungen und wechselnden Verboten stark unterworfenen Wirtschaftszweig investierte und keine speziellen Zusagen an ihn gemacht worden waren: Methanex entered a political economy in which it was widely known, if not notorious, that governmental environmental and health protection institutions at the federal and state level, operating under the vigilant eyes of the media, interested corporations, non-governmental organizations and a politically active electorate, continuously monitored the use and impact of chemical compounds and

B. Vorschlag für ein neues Prüfungsmodell

563



Wie transparent waren die bestehenden innerstaatlichen Regeln?36



Wurde die Enteignung rückwirkend oder pro futuro vorgenommen? Rückwirkende Änderungen werden sich schwerwiegender auswirken als nur für die Zukunft wirkende.37

___________ commonly prohibited or restricted the use of some of those compounds for environmental and/or health reasons. Indeed, the very market for MTBE in the United States was the result of precisely this regulatory process. Methanex appreciated that the process of regulation in the United States involved wide participation of industry groups, non-governmental organizations, academics and other individuals, many of these actors deploying lobbyists. … Methanex entered the United States market aware of and actively participating in this process. It did not enter the United States market because of special representations made to it. (MethanexCorp. v. USA, (NAFTA), Final Award, 3 August 2005, Part IV – Chapter D, §§ 9, 10, Quelle: http://ita.law.uvic.ca/documents/MethanexFinal Award.pdf.) (Hervorhebung durch die Autorin). 36 Damit keine unzulässige Überraschung vorliegt, müssten die bereits bestehenden Beschränkungen jedoch klar und ihre Auswirkungen vorhersehbar für den Investor sein. Dabei könnte man sich an den Kriterien, die der EGMR für die Gesetzmäßigkeit eines Eigentumseingriffs verlangt, orientieren. (Siehe oben, S. 437 ff.). 37 In der Judikatur des EGMR spielte es wiederholt bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung eine Rolle, dass rückwirkend in berechtigte Erwartungen der Beschwerdeführer eingegriffen worden war. Er stellte aus diesem Grund wiederholt Verletzungen von Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK durch Enteignungen oder sonstige Eingriffe fest. Siehe z.B.: EGMR, Pressos Compania Naviera S. A. u.a. gg Belgien, Urteil vom 20. November 1995, Serie A, Nr. 332, §§ 31, 43, 44: 43. The financial considerations cited by the Government and their concern to bring Belgian law into line with the law of neighbouring countries could warrant prospective legislation in this area to derogate from the general law of tort. Such considerations could not justify legislating with retrospective effect with the aim and consequence of depriving the applicants of their claims for compensation. Such a fundamental interference with the applicants’ rights is inconsistent with preserving a fair balance between the interests at stake. 44. It follows that in so far as the 1988 Act concerned events prior to 17 September 1988, the date of its publication and its entry into force, it breached Article 1 of Protocol No. 1 (P1-1). EGMR, Draon gg Frankreich, Nr. 1513/03, Urteil vom 6. Oktober 2005, §§ 65, 68. 82. In the present case, however, section 1 of the Law of 4 March 2002 abolished purely and simply, with retrospective effect, one of the essential heads of damage, relating to very large sums of money, in respect of which the parents of children whose disabilities had not been detected before birth, like the applicants, could have claimed compensation from the hospital held to be liable. The French legislature thereby deprived the applicants of an existing “asset” which they previously possessed, namely an established claim to recovery of damages which they could legitimately expect to be determined in accordance with the decided case-law of the highest courts of the land. …

564

4. Teil: Ein neues Modell



Gab es Übergangsfristen, die es dem Investor ermöglichten, auf die neuen Gegebenheiten zu reagieren?38



Handelt es sich um eine Regelungsmaterie, bei der üblicherweise mit Anpassungen zu rechnen ist?39



Sind die rechtlichen Anpassungen, die die Enteignung bewirkten, in einem international üblichen Ausmaß erfolgt?

Unter Rückgriff auf all diese Fragen ist zu ermitteln, wie schutzwürdig die Position des Investors ist.

b) Schutzwürdige Interessen des Staates aa) Eignung des Eingriffs zur Erreichung des öffentlichen Zwecks Um festzustellen, ob eine Enteignung verhältnismäßig ist, ist es wichtig, auch die staatlichen Interessen an der Enteignung zu bewerten. Dafür ist zunächst zu klären, ob die Enteignung überhaupt geeignet ist, zur Erreichung des angestrebten Ziels beizutragen. Ferner sollte berücksichtigt werden, ob eine Enteignung das gelindeste Mittel zur Erreichung des angestrebten Zieles ist. In ___________ 85. Lastly, the Court considers that the grounds relating to ethical considerations, equitable treatment and the proper organisation of the health service mentioned by the Conseil d’Etat in its opinion of 6 December 2002 and relied on by the Government could not, in the instant case, legitimise retrospective action whose result was to deprive the applicants, without sufficient compensation, of a substantial portion of the damages they had claimed, thus making them bear an individual and excessive burden. Such a radical interference with the applicants’ rights upset the fair balance to be maintained between the demands of the general interest on the one hand and protection of the right to peaceful enjoyment of possessions on the other. (Hervorhebung durch die Autorin). 38 Der EGMR verwies beispielsweise in seiner Verhältnismäßigkeitsprüfung im Fall Fredin gg Schweden auf den Umstand, dass eine derartige Frist existierte und diese auf Antrag der Beschwerdeführer sogar erstreckt wurde. (EGMR, Fredin gg Schweden (Nr. 1), Urteil vom 18. Februar 1991, Serie A, Nr. 192, § 54). 39 In diesem Zusammenhang stellte Schiedsrichter Schwarz in seiner abweichenden Meinung in S.D. Myers fest, dass Artikel 1110 NAFTA nicht als Einladung für Schiedsgerichte zu verstehen sei, für übliche regulierende Tätigkeit die Staaten haftbar zu machen: Looking at Article 1110 in context, it is not possible to see it as a generous invitation for tribunals to impose liability on governments that are engaged in the ordinary course of protecting health, safety, the environment and other public welfare concerns. (S.D. Myers, Inc. v. Government of Canada, (NAFTA), First Partial Award, Separate Opinion, 12 November 2000, 8 ICSID Reports 66, § 214).

B. Vorschlag für ein neues Prüfungsmodell

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der Judikatur des EGMR führt die Existenz eines gelinderen Mittels zwar nicht automatisch zu einer Verletzung von Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK.40 Der EGMR berücksichtigt diesen Umstand jedoch in seiner Verhältnismäßigkeitsprüfung.41 Eine derartige Berücksichtigung erscheint im Investitionsrecht noch angebrachter, weil der Investitionsschutz vor allem dem Schutz wirtschaftlicher Interessen dienen soll. Daher erscheint es angebracht zu verlangen, dass der Staat den gelindesten Eingriff gewählt hat, wenn eine geringere als volle Entschädigung ausreichen soll. Anders kann die Einschätzung nur dann sein, wenn der Staat wesentliche berücksichtigenswerte Gründe vorbringen kann, warum das gelindeste Mittel eine unverhältnismäßige Belastung für ihn mit sich gebracht hätte. Außer wenn derartige Umstände vorliegen, ist daher vom Vorliegen einer unverhältnismäßigen Enteignung, die volle Entschädigung erfordert, auszugehen, wenn die enteignende Maßnahme nicht das gelindeste Mittel war, um das öffentliche Interesse zu erreichen. Im Hinblick auf das angeführte Beispiel mit der Abfallverwertungsanlage würde dies bedeuten, dass die Schließung wohl zur Erreichung der Verhinderung des Austretens giftiger Dämpfe geeignet wäre. Allerdings könnte es ohne weiters sein, dass dies nicht das gelindeste Mittel ist. Es könnte beispielsweise auch eine Auflage zum Einbau von Filtern das gleiche Ziel erreichen. In diesem Falle sollte der Staat eine höhere Entschädigung zahlen müssen, wenn er die Anlage geschlossen hat.

bb) Dringlichkeit des öffentlichen Interesses Wenn kein öffentliches Interesse an der Maßnahme bestand, wäre die Enteignung rechtswidrig. Vielfach wird zwar ein öffentliches Interesse an der Maßnahme vorgebracht, dieses war jedoch nicht der primäre Grund für die Maßnahme. Es ist daher zu klären, ob das angegebene öffentliche Interesse bei der Enteignung tatsächlich im Vordergrund stand. Auf diesen Umstand wurde schon bisher von Schiedsgerichten Bedacht genommen. So stellte etwa das Schiedsgericht im Fall Tecmed42 fest, dass zwar Umweltschutzüberlegungen als Begründung für die Verweigerung der Verlängerung der Bewilligung angegeben worden waren, in Wahrheit aber keine Umweltgefährdung nachgewiesen wurde, sondern politische Faktoren für die Maßnahme ausschlaggebend waren: ___________ 40

Siehe oben, S. 448 f. Siehe oben, S. 448 f. 42 Técnicas Medioambientales Tecmed, S. A. v. United (Spain/Mexico BIT), Award, 29 May 2003, 10 ICSID Reports 134. 41

Mexican

States,

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4. Teil: Ein neues Modell

Actually, according to the evidence submitted in this arbitration proceeding, it is irrefutable that there were factors other than compliance or non-compliance by Cytrar with the Permit’s conditions or the Mexican environmental protection laws and that such factors had a decisive effect in the decision to deny the Permit’s renewal. These factors included “political circumstances”.43

Auch Schiedsrichter Schwarz wies in seiner abweichenden Meinung in S.D. Myers44 darauf hin, dass es bei der Beurteilung, ob eine Enteignung vorliegt, auf den tatsächlichen Zweck der Maßnahme und nicht auf den geltend gemachten ankomme: The real purpose and real impact of a measure must be considered, not merely the official explanations offered by government or the technical wrapping in which the measure is cloaked.45

Im Rahmen des vorgeschlagenen Modells soll dieser Umstand nicht dazu dienen, zu entscheiden, ob eine Enteignung vorliegt.46 Wie in der Judikatur des EGMR soll das öffentliche Interesse nicht nur dazu dienen festzustellen, ob eine Enteignung rechtmäßig war, sondern soll auch bei der Entscheidung darüber berücksichtigt werden, ob diese verhältnismäßig war. Dabei soll es sich negativ für den Staat auswirken, wenn das eigentliche mit der Maßnahme verfolgte Ziel ein anderes ist als das als öffentliches Interesse angegebene; wenn also statt des Umweltschutzes der nächste Wahlsieg im Vordergrund steht. Zur Beurteilung, wie dringlich ein öffentliches Interesse ist, könnte bei regulierenden Maßnahmen auch beachtlich sein, inwiefern ähnliche staatliche oder private Projekte der gleichen Regulierung unterliegen. Ist beispielsweise Umweltschutz die Begründung für die Enteignung, wäre zu überprüfen, ob öffentliche und andere private Projekte nicht ebenso umweltschädlich sind, und ob diese ebenso von der Maßnahme erfasst sind. Ebenso wäre in einer Situation wie im Fall SPP,47 wo der Schutz archäologischer Stätten geltend gemacht wurde, zu prüfen, ob auch andere Projekte in diesem Areal geplant oder in Bau sind. Es ist zu prüfen, ob nur der Hotelbau des Investors unterbunden wurde, wenn andere Hotelprojekte, staatliche Straßenbauten oder sonstige Infrastruktureinrichtungen auf dem betroffenen Areal gestattet wurden. Sind nicht alle

___________ 43

Ibid., § 127. S.D. Myers, Inc. v. Government of Canada, (NAFTA), First Partial Award, Separate Opinion, 12 November 2000, 8 ICSID Reports 66. 45 Ibid., § 217. 46 In dieser Funktion wurde das öffentliche Interesse von den Schiedsgerichte in Methanex und Saluka verwendet. 47 Zum Sachverhalt siehe, S. 273, 390. 44

B. Vorschlag für ein neues Prüfungsmodell

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ebenso schädlichen Projekte gestoppt worden, hätte sich dies in der Verhältnismäßigkeitsprüfung für den Staat negativ auszuwirken.48

cc) Besonderes öffentliches Interesse an einer verminderten Entschädigung Ein weiteres Kriterium, dessen Vorliegen bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung geprüft werden soll, ist das Bestehen von außergewöhnlichen öffentlichen Interessen an einer Enteignung ohne volle Entschädigung. Auch hier erscheint eine Orientierung an der Judikatur des EGMR sinnvoll. Dieser maß bei groß angelegten Reformen im Wirtschafts- und Sozialbereich und bei Nationalisierungen dem staatlichen Interesse an der politischen Gestaltungsmöglichkeit eine höhere Bedeutung bei als dem Interesse des Individuums auf volle Entschädigung in der Höhe des Marktwerts der entzogenen Sache.49 Entschädigungen in geringerem Umfang wurden daher unter solchen Umständen als verhältnismäßig angesehen. Gleiches gilt bei Maßnahmen im Zusammenhang mit einem Wechsel des Regierungssystems hin zu einer Demokratie. Diesen Fällen ist gemeinsam, dass es sich dabei um Maßnahmen handelte, die mittels einer allgemeinen Normierung erfolgten. Es waren jeweils viele Eigentümer von der Enteignung betroffen.50 Lediglich in einem der diesbezüglichen Urteile waren nur wenige Personen von einer Enteignung betroffen. Dies war der Fall des ehemaligen griechischen Königs.51 Der Marktwert der von der Enteignung betroffenen Güter war außerordentlich hoch. Die Schätzgutachten gingen von 350 bis 550 Millionen € aus. Der EGMR sah bei einer so fundamentalen Änderung einer Verfassungsordnung, wie dem Übergang von einer Monarchie zu einer Republik, eine geringere Entschädigung als gerechtfertigt an. ___________ 48 Wenn es sich um vergleichbare Projekte handelt, wäre zudem zu prüfen, ob nicht eine diskriminierende Enteignung vorliegt. Eine solche wäre, wie bereits erläutert, rechtswidrig und der Staat schadenersatzpflichtig. In einem derartigen Fall wäre es daher nicht mehr erforderlich, eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchzuführen. Bei den anderen erwähnten Projekten kann es zwar sein, dass sie im Hinblick auf ihren negativen Effekt, sonst aber nicht vergleichbar sind. Sie wären daher bei der Frage, ob eine Diskriminierung vorliegt, nicht zu berücksichtigen. 49 Siehe dazu oben, S. 463 ff. 50 Siehe z.B.: EGMR, James u.a. gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 21. Februar 1986, Serie A, Nr. 98; Lithgow gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 8. Juli 1986, Serie A, Nr. 102; Jahn u.a. gg Deutschland [GC], Nr. 46720/99, 72203/01, 72552/01, Urteil vom 30. Juni 2005; Senkspiel gg Deutschland, Nr. 77207/01, Entscheidung vom 12. Jänner 2006. 51 EGMR, Ehemaliger König von Griechenland gg Griechenland, Urteil vom 23. November 2000, ECHR 2000-XII.

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4. Teil: Ein neues Modell

Die Änderung der Verfassungs- und Wirtschaftsordnung wurde vom EGMR auch im Zusammenhang mit der Deutschen Wiedervereinigung als Rechtfertigung für eine geringere oder gar keine Entschädigung angesehen.52 Damit gar keine Entschädigung erforderlich war, mussten jedoch noch zusätzliche Voraussetzungen erfüllt sein. Es durften zum Beispiel keine berechtigten Erwartungen der Betroffenen am Fortbestehen ihrer Eigentumsposition bestehen.53 Die Maßnahmen, mit denen sich der EGMR in diesem Zusammenhang befasste, betrafen auch jeweils eine große Anzahl von Personen. Auch im Investitionsrecht kann, wenn eine große Gruppe ausländischer Investoren betroffen ist und eine volle Entschädigung das staatliche Budget außergewöhnlich belasten würde, von einem besonderen öffentlichen Interesse an einer verminderten Entschädigung ausgegangen werden. Gleiches sollte gelten, wenn ein Investor einen Wirtschaftszweig dominiert und die Entschädigung das staatliche Budget außerordentlich belasten würde. Dieser Fall wäre vergleichbar mit dem Fall des ehemaligen griechischen Königs vor dem EGMR. Eine derartige außerordentliche Belastung könnte nicht nur im Zusammenhang mit Wirtschafts- oder Sozialreformen auftreten, wie die Beispiele aus dem Menschenrechtsschutz zeigen, sondern etwa auch im Bereich des Umwelt- oder Gesundheitsschutzes. Dies könnte etwa der Fall sein, wenn im Zuge einer BSEKrise, wie im Fall Pinnacle Meat Processors Company and 8 others gg Vereinigtes Königreich,54 ein Staat die Verwertung von Rindern verbietet oder im Zuge der Vogelgrippe die Vernichtung des Geflügelbestandes im Interesse der allgemeinen Gesundheit angeordnet wird. Im Fall Pinnacle Meat, in dem eine potentielle Gesundheitsgefährdung von den im Betrieb verarbeiteten Stoffen (Rinderköpfe und -knochen) ausging, stellten sechs der neun beschwerdeführenden Betriebe aufgrund des Verbots ihre Tätigkeit ein. Die Beschwerdeführer waren nach innerstaatlichem Recht mit ca. 65% des Wertes der nicht mehr verwendbaren Rinderbestände entschädigt worden. Sie sahen die Höhe der Entschädigung aber als zu gering an. Die EKMR führte eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durch.55 Sie wies dabei auf das besondere staatliche Interesse an der Maßnahme hin: ___________ 52 Siehe z.B.: EGMR, Jahn u.a. gg Deutschland [GC], Nr. 46720/99, 72203/01, 72552/01, Urteil vom 30. Juni 2005; Senkspiel gg Deutschland, Nr. 77207/01, Entscheidung vom 12. Jänner 2006. 53 Siehe dazu oben, S. 471 ff. 54 EKMR, Pinnacle Meat Processors Company and 8 others gg Vereinigtes Königreich, Nr. 33298/96, Entscheidung vom 21. Oktober 1998, nur im Internet veröffentlicht. 55 Bei Nutzungsbeschränkungen haben die Staaten im Rahmen der EMRK im Unterschied zu Enteignungen mehr Spielraum hinsichtlich der Erforderlichkeit und der Höhe

B. Vorschlag für ein neues Prüfungsmodell

569

The aim pursued by the 1996 Orders was, as expressed by the Government, to protect “the populace against a potentially fatal disease of unknown proportions”. The Orders were clearly pursuing a general interest of the first importance.56

Nach einer Bewertung aller Umstände des Falles kam die EKMR zum Ergebnis, dass keine übermäßige Belastung der Beschwerdeführer vorlag und Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK daher nicht verletzt war.57 Für Fälle, in denen sowohl Inländer als auch Ausländer von einer Enteignung betroffen sind, hielt der EGMR fest, dass Inländern und Ausländern ein unterschiedliches Maß an Überwälzung von Kosten für Enteignungen im öf___________ einer Entschädigung. Es besteht im Unterschied zu Enteignungen nicht grundsätzlich eine Entschädigungspflicht, wobei die Höhe der Entschädigung im Prinzip in einem vernünftigen Verhältnis zum Wert des enteigneten Objekts stehen muss. (Zu den Rechtfertigungserfordernissen bei Nutzungsregelgungen im Allgemeinen siehe z.B.: W. Peukert, Artikel 1 des 1. ZP, in: J. A. Frowein/W. Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK Kommentar², 1996, S. 800 ff.; K. Gelinsky, Der Schutz des Eigentums gemäß Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention, 1996, S. 170–196; P. Mittelberger, Der Eigentumsschutz nach Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur EMRK im Lichte der Rechtsprechung der Strassburger Organe, 2000, 155–182; A. van Rijn, Right to the Peaceful Enjoyment of One’s Possessions (Article 1 of Protocol No. 1), in: P. van Dijk u.a. (Hrsg.), Theory and Practice of the European Convention on Human Rights4, 2006, S. 887–891; C. Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention3, 2008, Kapitel 25, Wirtschaftliche Grundrechte, Rz 21). Daher musste die EKMR in dem Fall nicht prüfen, ob eine der oben erläuterten Ausnahmesituationen vorliegt, in der auch eine geringere Entschädigung ausreicht. Jedoch muss auch bei Nutzungsbeschränkungen ein fairer Ausgleich zwischen den Interessen des Individuums am Schutz seines Eigentums und den staatlichen Eingriffsinteressen gewahrt werden: As to that “control of use”, the Commission recalls that the aim of Article 1 of Protocol No. 1 is to achieve a fair balance between the demands of the general interest of the community and the requirements of the protection of the individual’s fundamental rights, and that this concern to achieve a balance applies also to the second paragraph of Article 1 of the Protocol. There must therefore be a reasonable relationship of proportionality between the means employed and the aim pursued (…). (EKMR, Pinnacle Meat Processors Company and 8 others gg Vereinigtes Königreich, Nr. 33298/96, Entscheidung vom 21. Oktober 1998). 56 EKMR, Pinnacle Meat Processors Company and 8 others gg Vereinigtes Königreich, Nr. 33298/96, Entscheidung vom 21. Oktober 1998, nur im Internet veröffentlicht. Hervorhebung durch die Autorin. 57 Ibid., Whilst it is true that some of the applicants have now ceased their businesses as cattle head deboners, the Commission notes that they remain owners of all their tangible assets, and that those assets can either be used in new or related businesses, or they can be sold. Further, in respect of eligible beef stocks held on 9 April 1996, the applicants have in fact received compensation totalling over £430,000.00. Given these circumstances, the Commission does not accept that, overall, the applicants can be said to have suffered an excessive burden.

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4. Teil: Ein neues Modell

fentlichen Interesse zugemutet werden kann.58 Der EGMR betonte diesen Umstand insbesondere für Fälle, in denen aufgrund eines besonderen staatlichen Interesses an einer Enteignung den Individuen nur eine verringerte Entschädigung geleistet werden musste, allerdings in obiter dicta.59 Begründet hat er dies damit, dass Ausländer schlechter geschützt seien als Inländer, weil sie weder an der Konstituierung des Gesetzgebers durch Wahlen teilhatten noch vor der Verabschiedung von Gesetzen angehört werden.60 Diese Grundwertung des EGMR, dass Ausländern nur ein geringeres Opfer als Inländern im öffentlichen Interesse zugemutet werden kann, sollte auch im Investitionsrecht berücksichtigt werden. Allerdings kann dies in der vorgeschlagenen Lösung nicht die Konsequenz haben, dass Ausländern gar kein Opfer zugemutet werden kann. In Fällen, in denen der Anteil des ausländischen Eigentums nur einen geringen Prozentsatz des insgesamt betroffenen Eigentums ausmacht, wären nach dieser Wertung die Ausländer voll zu entschädigen. Ein außergewöhnliches öffentliches Interesse an einer Enteignung ohne volle Entschädigung der Ausländer könnte nur dann vorliegen, wenn die volle Entschädigung der ausländischen Investoren zu einer außergewöhnlichen Belastung des Budgets führte.

c) Die erforderliche Entschädigung Der EGMR stellt in seiner Judikatur zu Enteignungen (und auch zu den anderen Eingrifftypen) am Ende seiner Verhältnismäßigkeitsprüfung meist darauf ab, ob die Enteignung nach Berücksichtigung aller angeführten Kriterien unter Einbeziehung der bereits vom Staat geleisteten Entschädigung zu einer unverhältnismäßigen Belastung des Beschwerdeführers geführt hat.61 Diese Einschätzung ist maßgeblich dafür, ob noch eine weitere Entschädigung zu leisten ist, und wie hoch diese anzusetzen ist. Es erscheint sinnvoll, auch im Investitionsschutz darauf abzustellen, ob dadurch, dass ein einzelner oder mehrere Investoren die gesamten oder einen Teil der ökonomischen Konsequenzen für die Umsetzung eines öffentlichen Interesses tragen müssen, diese unverhältnismäßig belastet werden.

___________ 58

EGMR, James u.a. gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 21. Februar 1986, Serie A, Nr. 98, § 63; Lithgow gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 8. Juli 1986, Serie A, Nr. 102, § 116. 59 Ibid. 60 Ibid. 61 Siehe oben, S. 447 f.

B. Vorschlag für ein neues Prüfungsmodell

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Der EGMR nimmt zur Überprüfung, ob eine unverhältnismäßige Belastung des Investors vorliegt, eine Globalbewertung sämtlicher zuvor erwähnter Faktoren auf Seiten des Beschwerdeführers und des Staates vor. Gleiches sollte auch im Investitionsrecht erfolgen. Es erscheint nicht zielführend, nur auf einzelne Faktoren abzustellen, um zu entscheiden, ob eine Enteignung verhältnismäßig war. Es sollten vielmehr immer alle der oben im Detail erläuterten Faktoren in diese Entscheidung einfließen. Je schwerwiegender die Enteignung ist und je berechtigter die Erwartungen des Investors sind, der von der Enteignung betroffen ist, desto höher sollte die Entschädigung ausfallen. Das Maximum sollte freilich die volle Entschädigung bleiben. Wenn eine Enteignung das gelindeste in Frage kommende Mittel darstellt und sie zur Erreichung des öffentlichen Interesses geeignet ist, sollte die Entschädigung desto geringer ausfallen, je dringender das öffentliche Interesse an der Enteignung und je größer das besondere öffentliche Interesse an einer Enteignung mit verminderter Entschädigung ist.

INVESTOR

STAAT

Eignung des Eingriffs Schwere des Eingriffs Berechtigte Erwartungen

niedrigere Entschädigung

Öffentliches Interesse am Eingriff Interesse an verminderter Entschädigung

höhere Entschädigung

Abbildung 16: Die Verhältnismäßigkeitsprüfung: Faktoren und Folgen

572

4. Teil: Ein neues Modell

III. Ergebnis Nach dem hier vorgeschlagenen Modell ist zunächst wie bisher festzustellen, ob ein geschütztes Recht vorlag. Danach ist festzustellen, ob eine Enteignung vorlag. Dafür soll die Schwere des Eingriffs maßgeblich sein. Es soll vom Vorliegen einer Enteignung ausgegangen werden, wenn durch den Eingriff eine „substantial deprivation“ der Investition vorliegt. Dazu muss durch den Eingriff die Möglichkeit, Einkünfte zu erzielen, entzogen worden sein. Eine derartige „substantial deprivation“ soll auch dann vorliegen, wenn die Möglichkeit, Einkünfte zu erzielen, nur im Hinblick auf einen Teil einer Investition entzogen wurde, der unabhängig vom Rest der Investition wirtschaftlich genutzt werden konnte (Teilenteignung) . Im Anschluss daran ist die Rechtmäßigkeit der Enteignung zu überprüfen. Dazu ist wie bisher festzustellen, ob sie im öffentlichen Interesse erfolgte, nicht diskriminierend war und, wenn im anwendbaren Vertrag vorgesehen, den Grundsätzen eines rechtsstaatlichen Verfahrens entsprach. Bei diesen Kriterien handelt es sich um absolute Kriterien. Im Hinblick auf die erforderliche Ersatzleistung soll es im neuen Modell bei indirekten Enteignungen durch eine regulierende Maßnahme dann zwei mögliche Alternativen geben: 1. Wenn eines der absoluten Kriterien für die Rechtmäßigkeit verletzt ist, liegt ein rechtswidriger Eingriff vor, und es ist vom Staat voller Schadenersatz zu leisten. 2. Ist dies nicht der Fall, wenn die Enteignung also rechtmäßig war, ist mittels der Verhältnismäßigkeitsprüfung festzustellen, in welcher Höhe Entschädigung zu leisten ist. Dabei ist eine Abwägung zwischen Investoreninteressen und staatlichem Interesse an der Enteignung vorzunehmen. Grundsätzlich sollte bei rechtmäßigen Enteignungen, wie im investitionsrechtlichen Eigentumsschutz bisher üblich und in Übereinstimmung mit dem Menschenrechtsschutz, vom Staat „adequate compensation“ geleistet werden. Darunter wird häufig der faire Marktwert verstanden. Dieser sollte daher zunächst auch ermittelt werden. Ebenso wie im Menschenrechtsschutz soll es jedoch Ausnahmen von dieser Regel geben. Um die Entschädigungshöhe entsprechend anpassen zu können, ist eine Reihe von Faktoren zu berücksichtigen. Auf Seiten des Investors ist darauf Bedacht zu nehmen, wie schwerwiegend der Eingriff war. Lag ein totaler Entzug vor, sollte die Entschädigung höher ausfallen, als wenn nur eine „substantial deprivation“ vorlag. Zudem ist zu berücksichtigen, in welchem Umfang in berechtigte Erwartungen des Investors, sein Eigentum weiterhin unbeschränkt nützen zu können, eingegriffen wurde.

B. Vorschlag für ein neues Prüfungsmodell

573

Auf Seiten des Staates ist zu prüfen, ob der Eingriff geeignet war, das angestrebte öffentliche Interesse zu erreichen, und ob er das gelindeste Mittel zu dessen Erreichung war. Ferner sollte beachtet werden, wie dringlich das öffentliche Interesse für den Staat war. Schließlich sollte berücksichtigt werden, ob besondere öffentliche Interessen an einer verminderten Entschädigung nachgewiesen werden können. Alle diese Faktoren sollen in eine Globalbewertung einfließen, bei der dann entschieden wird, wie hoch die Entschädigung zu sein hat, damit der Investor durch die Enteignung nicht unverhältnismäßig belastet wird. Durch die Einführung einer Verhältnismäßigkeitsprüfung kann dieses System die bei Enteignungen notwendige Flexibilität ermöglichen. Bei rechtmäßigen Eigentumseingriffen, die die Schwere einer Enteignung erreichen, besteht für Schiedsgerichte nicht mehr das Dilemma, entweder die volle oder gar keine Entschädigung zuzusprechen. Somit ist eine Alternative zum derzeitigen „Alles-oder-Nichts“-Ansatz des Investitionsrechts geschaffen. Dieser „Alles-oderNichts“-Ansatz, der für formelle Enteignungen entwickelt wurde, hat bei regulativen Eigentumseingriffen einen angemessenen Interessenausgleich verhindert. Bei dem neuen Prüfungsmodell ist es möglich, dass jene Interessen, deren Wahrung den Staaten offensichtlich wichtig ist, Eingang in die Prüfung finden, ohne dass dem Investor entweder die volle oder gar keine Entschädigung gewährt wird. Auf diese Weise eingesetzt kann das ausgleichende Potential der Verhältnismäßigkeitsprüfung voll ausgeschöpft werden. Damit kann das System flexibel auf die jeweils vorliegende Situation reagieren. Dabei können sowohl die berechtigten Interessen des Investors als auch dringende staatliche Regelungsbedürfnisse berücksichtigt werden. Es besteht somit in begründeten Fällen die Möglichkeit einer Aufteilung der Kosten für das öffentliche Interesse, das durch die Enteignung verwirklicht werden soll, zwischen Investor und Staat. Durch die Flexibilisierung der Höhe der Entschädigung kann daher ein Ausgleich im Interessengegensatz zwischen Investor und Staat erreicht werden.

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Judikaturverzeichnis Stehende Seitenzahlen beziehen sich auf Fundstellen im Text, kursive auf Fundstellen in den Fußnoten.

I. Menschenrechtsschutz 1. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte und Europäische Kommission für Menschenrechte Bei Kommissionsentscheidungen wurde die Fundstelle in den „Decisions and Reports“ (DR) angegeben, sofern sie veröffentlicht wurden. Für Urteile des Gerichtshofs vor 1998 wurde die Serie A Nummer als Fundstelle angegeben. Danach wurden die Berichte des Gerichtshofs mit ECHR, der Jahres- und Bandzahl angegeben. Nicht in den Berichten veröffentlichte Urteile sind auf der Homepage des Gerichtshofs unter http://www.echr.coe.int/echr abrufbar. Es wurde in diesem Fall das Datum der Veröffentlichung sowie die Beschwerdenummer angeführt.

a) Europäische Kommission für Menschenrechte A.D. gg. die Niederlande, Nr. 21962/93, Entscheidung vom 11. Jänner 1994, DR 76-A, 157: 73. Agneessens gg. Belgien, Nr. 12164/86, Entscheidung vom 12. Oktober 1988, DR 58, 63: 122. Agrotexim Hellas S.A. ua gg Griechenland, vom 12. Februar 1992, DR 72, 148: 85, 96.

Nr.

14807/89,

Entscheidung

Batelaan & J. Huiges gg Niederlande, Nr. 10438/83, vom 3. Oktober 1984, DR 41, 170: 142, 144, 153, 154, 155.

Entscheidung

Bramelid und Malmström gg Schweden, Nr. 8588/79, 8589/79, Entscheidung vom 12. Oktober 1982, DR 29, 64: 76, 407, 408, 409, 410, 411, 412, 415. Brezny & Brezny gg Slowakei, Nr. 23131/93, Entscheidung vom 4. März 1996, DR 85, 65: 120. British-American Tobacco Ltd gg Niederlande, Bericht gemäß Art. 31 vom 19. Mai 1994, abgedruckt in EGMR, British-American Tobacco Ltd gg Niederlande, Urteil vom 22. November 1995, Serie A, Nr. 331, 32: 71.

Judikaturverzeichnis C.

gg Frankreich, DR 56, 20: 171.

Nr. 10443/83,

593

Entscheidung

vom

15.

Juli

1988,

C.A.R. SRL gg Italien, Bericht gemäß Art. 31 vom 10. November 1997: 209. Chater gg Vereinigtes Königreich, 7. Mai 1987, DR 52, 250: 193.

Nr.

11723/85,

Entscheidung

vom

D.P. gg Vereinigtes Königreich, Nr. 11949/86, 1. Dezember 1986, DR 51, 195: 407, 409, 410.

Entscheidung

vom

De Napoles Pacheco gg Belgien, 5. November 1978, DR 15, 143: 122.

Entscheidung

vom

Nr.

7775/77,

G.,S. und M. gg Österreich, Nr. 9614/81, Entscheidung vom 12. Oktober 1983, DR 34, 119: 197. Gasus Fördertechnik GmbH gg Niederlande, Bericht gemäß Artikel 31 vom 21. Oktober 1993 abgedruckt in EGMR, Gasus Fördertechnik GmbH gg Niederlande, Urteil vom 23. Februar 1995, Serie A, Nr. 306-B: 197, 481, 482. Gillow gg Vereinigtes Königreich, Kommissionsbericht gemäß Artikel 31 vom 3. Oktober 1984, in EGMR, Serie A, Nr. 109: 195, 448.. Gospodinova gg Bulgarien, Nr. 37912/97, Entscheidung vom 16. April 1998 (unveröffentlicht): 60, 123, 124. Greek Federation of Customs Officers, Nicolaos GIALOURIS, Georgios CHRISTOPOULOS and 3333 other Customs Officers gg Griechenland, Nr. 24581/94, Entscheidung vom 6. April 1995, DR 81-B, 123: 154. Gudmundsson gg Island, Nr. 511/59, Entscheidung vom 20. Dezember 1960, 3 YB 1960, 394: 457. H gg Vereinigtes Königreich, Nr. 10000/82, Entscheidung vom 4. Juli 1983, DR 33, 247: 407, 408. Iatridis gg Griechenland, Bericht gemäß Art. 31 abgedruckt im Urteil vom 25. März 1999, ECHR 1999-II: 210. James u.a. gg Vereinigtes Königreich, Bericht der Kommission gemäß Art. 31, abgedruckt in EGMR, James u.a. gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 21. Februar 1986, Serie A, Nr. 98: 407, 408, 412. Kaplan gg Vereinigtes Königreich, Nr. 7598/76, Kommissionsbericht gemäß Artikel 31 vom 17. Juli 1980, DR 21, 5: 83, 84, 95. Kleine Staarmann gg Niederlande, Nr. 10503/83, Entscheidung vom 16. Mai 1985, DR 42, 162: 169. M gg BRD, Nr. 10748/84, Entscheidung vom 7. Oktober 1985, DR 44, 203: 142, 144. Marinucci gg Italien, Nr. 9625/81, Kommissionsbericht gemäß Artikel 31, DR 60, 44: 407, 408, 412. Müller gg Österreich, Nr. 5849/72, Kommissionsbericht gemäß Artikel 31 vom 1. Oktober 1975, DR 3, 25: 169, 172. Pinnacle Meat Processors Company and 8 others gg Vereinigtes Königreich, Nr. 33298/96, Entscheidung vom 21. Oktober 1998 (unveröffentlicht): 154, 155, 191, 194, 242, 244, 316, 390, 568, 569.

594

Judikaturverzeichnis

Pudas gg Schweden, Nr. 10426/83, Entscheidung vom 5. Dezember 1984, DR 40, 234: 142, 144, 154. Smith-Kline and Frensh Laboratories, Nr. 12633/87, Entscheidung vom 4. Oktober 1990, DR 66, 70: 72. Société S & T gg Schweden, Nr. 11189/84, Entscheidung vom 11. Dezember 1986, DR 50, 121: 76, 84. Stiftelsen Akademiska gg Schweden, Nr. 11661/85, Entscheidung vom 6. Juli 1987, DR 53, 163: 192. Stigsong gg Schweden, Nr. 12264/86, Entscheidung vom 13. Juli 1988, DR 57, 131: 169. StǛrksen gg Norwegen, Nr. 19819/92, Entscheidung vom 5. Juli 1994, DR 78-A, 88: 143. Svenska Managementgruppe gg Schweden, Nr. 11036/84, Entscheidung vom 2. Dezember 1985, DR 45, 211: 196. T gg Schweden, Nr. 10671/83, Entscheidung vom 4. März 1985, DR 42, 229: 169, 172. The Holy Monasteries gg Griechenland, Kommissionsbericht gemäß Artikel 31 vom 14. Jänner 1993, in EGMR, Serie A, Nr. 301-A: 465–466. Vos gg Niederlande, Nr. 10971/84, Entscheidung vom 10. Juli 1985, DR 43, 190: 169. Wasa Liv Ömsesidigt, Försäkringsbolaget Valands Pensionsstiftelse ua gg Schweden, Nr. 13013/87, Entscheidung vom 14. Dezember 1988, DR 58, 163: 196. Wiggins gg Vereinigtes Königreich, Nr. 7456/76, Entscheidung vom 8. Februar 1978, DR 13, 40: 65, 195. X gg BRD, Nr. 1870/63, Entscheidung vom 16. Dezember 1965, 8 YB 1965, 218: 457. X gg BRD, Nr. 8410/78, Entscheidung vom 13. Dezember 1979, DR 18, 216: 154. X gg Österreich, Nr. 1706/62, Entscheidung vom 4. Oktober 1966, 9 YB 1966, 112: 83, 84, 95. X gg Österreich, Nr. 7624/76, Entscheidung vom 6. Juli 1977, DR 19, 100: 169. X, Y gg Niederlande, Nr. 6202/73, Entscheidung vom 16. März 1975, DR 1, 66: 195. Yarrow P.L.C. ua gg Vereinigtes Königreich, Nr. 9266/81, Entscheidung vom 28. Jänner 1983, DR 30, 155: 76, 84, 96. Zacher gg Deutschland, Nr. 27026/95, Entscheidung vom 4. September 1996 (unveröffentlicht): 142. Z. und E. gg Österreich, Nr. 10153/82, Entscheidung vom 13. Oktober 1986, DR 49, 67: 195.

b) Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte A.O. gg Italien, Nr. 22534/93, Urteil vom 30. Mai 2000: 195, 196. Agosi gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 22. September 1986, Serie A, Nr. 108: 197.

Judikaturverzeichnis

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Agrotexim Hellas S.A. ua gg Griechenland, Urteil vom 24. Oktober 1995, Serie A, Nr. 330-A: 85, 96. Air Canada gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 5. Mai 1995, Serie A, Nr. 316A: 66, 197. Airey gg Irland, Urteil vom 9. Oktober 1979, Serie A, Nr. 32: 242. Aka gg Türkei, Urteil vom 23. September 1998, ECHR 1998-VI: 234, 476, 477. Akkus gg Türkei, Urteil vom 9. Juli 1997, ECHR 1997-IV: 234, 476, 477. Alatulkkila ua gg Finnland, Nr. 33538/96, Urteil vom 28. Juli 2005: 195. Allan Jacobson gg Schweden, Urteil vom 25. September 1989, Serie A, Nr. 163: 194, 440, 452. Allard gg Schweden, Urteil vom 24. Juni 2003, ECHR 2003-VII: 188, 407, 409, 412– 413, 415, 435, 440, 447, 448. Almeida Garett, Mascarenhas Falcão ua gg Portugal, Nr. 29813/96, 30229/96, Urteil vom 11. Jänner 2000, ECHR 2000-I: 208. Ambruosi gg Italien, Nr. 31227/96, Urteil vom 19. Oktober 2000: 154. Androne gg Rumänien, Nr. 54062/00, Urteil vom 22. Dezember 2004: 234, 345. Andrews gg Vereinigtes Königreich, Nr. 37657/97, Entscheidung vom 26. September 2000: 156. Anheuser-Busch Inc. gg Portugal, Nr. 73049/01, Urteil vom 11. Oktober 2005: 73. Anheuser-Busch Inc. gg Portugal [GC], Nr. 73049/01, Urteil vom 11. Jänner 2007: 72– 73. Ankarcrona gg Schweden, Nr. 35178/97, Entscheidung vom 27. Juni 2000, ECHR 2000VI: 84. Antonakopoulos, Vortsela und Antonakopolou gg Griechenland, Nr. 37098/97, Urteil vom 14. Dezember 1999: 113, 207. Aschan ua gg Finnland, Nr. 37858/97, Zulässigkeitsentscheidung vom 15. Februar 2001: 192, 195, 243, 244. Aunola gg Finnland, Nr. 30517/96, Entscheidung vom 15. März 2001: 172. Azas gg Griechenland, Nr. 50824/99, Urteil vom 19. September 2002: 234, 447. Bäck gg Finnland, Urteil vom 20. Juli 2004, ECHR 2004-VIII: 163, 188, 407, 415. Belvedere Alberghiera SRL gg Italien, Urteil vom 30. Mai 2000, ECHR 2000-VI: 241, 441, 442, 443, 444, 445. Belvedere Alberghiera SRL gg Italien, Nr. 31524/96, Artikel 41 Urteil vom 30. Oktober 2003: 540, 542. Bellet, Huertas and Vialatte gg Frankreich, Nr. 40832/98, 40833/98 und 40906/98, Entscheidung vom 27. April 1999: 169, 171. Benthem gg Niederlande, Urteil vom 23. Oktober 1985, Serie A, Nr. 97: 141. Beyeler gg Italien, Urteil vom 5. Jänner 2000, ECHR 2000-I: 56, 57–58, 60, 61, 62, 203, 440, 441, 442, 443–444, 480.

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Judikaturverzeichnis

Bimer S.A. gg Moldova, Nr. 15084/03, Urteil vom 10. Juli 2007: 144, 439, 441, 481. Biozokat ua gg Griechenland, Nr. 61582/00, Urteil vom 9. Oktober 2003: 234. Bocancea u.a. gg Moldavien, Nr. 1887/02, Urteil vom 6. Juli 2004: 113, 208. Bottaro gg Italien, Nr. 56289/00, Urteil vom 17. Juli 2003: 198. Broniowski gg Polen [GC], Nr. 31443/96, Urteil vom 22. Juni 2004, ECHR 2004V: 56, 60, 62, 113, 203, 458, 459. Brumarescu gg Rumänien [GC], Nr. 28342/95, Urteil vom 28. Oktober 1999, ECHR 1999-VII: 112, 189, 229, 241, 245–246, 435, 446, 447, 451. Brumarescu gg Rumänien [GC], Nr. 28342/95, Artikel 41 Urteil vom 23. Jänner 2001, ECHR 2001-I: 542. Buffalo SRL en liquidation gg Italien, Nr. 38746/97, Urteil vom 3. Juli 2003: 136, 137. Bugarski und von Vuchetich gg Slowenien (dec.), Nr. 44142/98, Zulässigkeitsentscheidung vom 3. Juli 2001: 120, 122, 124. Burdov gg Russland, Urteil vom 7. Mai 2002, ECHR 2002-III: 112, 207. Buzat gg Rumänien, Nr. 34642/97, Urteil vom 1. Juni 2001: 245. Buzescu gg Rumänien, Nr. 61302/00, Urteil vom 24. Mai 2005: 153, 154. Cabinet Diot und SA Gras Savoye gg Frankreich, Nr. 49217/99, 49218/99, Urteil vom 22. Juli 2003: 136, 137. Capital Bank AD gg Bulgarien, Nr. 49429/99, Urteil vom 24. November 2005: 141– 142, 193, 198, 388. Carbonara und Ventura gg Italien, Urteil vom 30. Mai 2000, ECHR 2000-VI: 241, 441, 442–445. CDI Holding Aktiengesellschaft and others gg Slowakei, Nr. 37398/97, Entscheidung vom 18. Oktober 2001: 86. Ceskomoravská myslivecká jednota gg Tschechische Republik, Nr. 33091/96, Entscheidung vom 23. März 1999: 57. Chapman gg Vereinigtes Königreich, Nr. 27238/95, ECHR 2001-I: 67. Chassagnou und andere gg Frankreich, Urteil vom 29. April 1999, ECHR 1999III: 192, 194, 242, 244. Croitoriu gg Rumänien, Nr. 54400/00, Urteil vom 9. November 2004: 113, 208, 435. De Wilde, Ooms and Versyp gg Belgien, Artikel 50 Urteil vom 10. März 1972, Serie A, Nr. 14: 540, 541. Derkach und Palek gg Ukraine, Nr. 34297/02, 39574/02, Urteil vom 21. Dezember 2004: 208. Des Fours Waldrode gg Tschechische Republik, Nr. 40057/98, Entscheidung vom 4. März 2003: 125. Dimitrios Georgiadis gg Griechenland, Nr. 41209/98, Urteil vom 28. März 2000: 207. Djidrovski gg FYROM, Nr. 46447/99, Urteil vom 24. Februar 2005: 116–117.

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Döring gg Deutschland, (dec.), Nr. 37595/97, Zulässigkeitsentscheidung vom 9. November 1999, ECHR 1999-VIII: 153. Domalewski gg Polen, Nr. 34610/97, Entscheidung vom 15. Juni 1999, ECHR 1999V: 169, 172. Draon gg Frankreich [GC], Nr. 1513/03, Urteil vom 6. Oktober 2005: 119, 125, 447, 448, 455, 457, 458, 459, 555, 563. Efstathiou ua gg Griechenland, Nr. 55794/00, Urteil vom 10. Juli 2003: 234. Ehemaliger König von Griechenland gg Griechenland [GC], Urteil vom 23. November 2000, ECHR 2000-XII: 56, 58, 60, 62, 433, 434, 439, 441, 446, 457, 458, 459, 464– 467, 473, 540, 541, 542, 567. Ehemaliger König von Griechenland gg Griechenland [GC], Nr. 25701/94, Artikel 41 Urteil vom 28. November 2002: 462, 463, 465–467, 540. Eko-Elda AVVE gg Griechenland, Nr. 10162/02, Urteil vom 9. März 2006: 136, 137. Elia S.r.l. gg Italien, Urteil vom 2. August 2001, ECHR 2001-IX: 206, 241. Erkner und Hofauer gg Österreich, Urteil vom 23. April 1987, Serie A, Nr. 117: 67, 188, 203, 205, 247. Evaldsson ua gg Schweden, Nr. 75252/01, Urteil vom 13. Februar 2007: 435, 447, 448. Fedorenko gg Ukraine, Nr. 25921/02, Urteil vom 1. Juni 2006: 117–118, 120, 125. Forrer-Niedenthal gg Deutschland, Nr. 47316/99, Urteil vom 20. Februar 2003: 56, 66, 70. Fredin gg Schweden, Urteil vom 18. Februar 1991, Serie A, Nr. 192: 143, 144, 145, 188, 192, 194, 241, 242, 244, 251, 253, 387, 453, 555, 562, 564. Fuklev gg Ukraine, Nr. 71186/01, Urteil vom 7. Juni 2005: 407, 409, 413, 416. Gasus Dossier und Fördertechnik gg Niederlande, Urteil vom 23. Februar 1995, Serie A, Nr. 306-B: 59, 70, 197, 481, 482, 483. Gaygusuz gg Österreich, Urteil vom 16. September 1996, ECHR 1996-IV: 169–170. Gratzinger and Gratzingerova gg Tschechische Republik [GC], Zulässigkeitsentscheidung vom 10. Juli 2002, ECHR 2002-VII: 120. Grigore gg Rumänien, Nr. 31736/96, Urteil vom 11. Februar 2003: 245. Guillemin gg Frankreich, Urteil vom 21. Februar 1997, ECHR 1997-I: 476. H gg Belgien, 28. Oktober 1987, Urteil vom 30. 11. 1987, Serie A, Nr. 127-B: 153. Håkansson and Sturesson gg Schweden, Urteil vom 21. Februar 1990, Serie A, Nr. 171A: 67, 229, 233, 234, 435, 440, 446, 447, 453. Handyside gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 7. Dezember 1976, Serie A, Nr. 24: 36, 45, 197. Harrach gg Tschechische Republik, Nr. 77532/01, Entscheidung vom 27. Mai 2003: 122, 125. Hentrich gg Frankreich, Urteil vom 22. September 1994, Serie A, Nr. 296-A: 229, 232, 234, 442, 443, 447, 449, 462, 542.

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Judikaturverzeichnis

Hentrich gg Frankreich, Artikel 50 Urteil vom 3. Juli 1995, Serie A, Nr. 320-A: 462. Hoerner Bank GmbH gg Deutschland, Entscheidung vom 25. März 1999, ECHR 1999V: 153. Hutten-Czapska gg Polen [GC], Nr. 35014/97, Urteil vom 19. Juni 2006: 192, 195– 196, 243, 244. Huvig gg Frankreich, Urteil vom 24. April 1990, Serie A, Nr. 176-B: 439. Ian Edgar gg Vereinigtes Königreich, Nr. 37683/97, Entscheidung vom 25. Jänner 2000, ECHR 2000-I: 154, 195. Iatridis gg Griechenland [GC], Urteil vom 25. März 1999, ECHR 1999-II: 60, 62, 152, 210, 211, 437, 440, 484. Immobiliare Saffi gg Italien, Urteil vom 28. Juli 1999, ECHR 1999-V: 192, 195, 196, 242, 244. Interoliva Abee gg Griechenland, Nr. 58642/00, Urteil vom 10. Juli 2003: 234. Inze gg Österreich, Urteil vom 28. Oktober 1987, Serie A, Nr. 126: 71. Ionesu gg Rumänien, Nr. 38608/97, Urteil vom 2. November 2004: 235. I.R.S. gg Türkei, Nr. 26338/95, Urteil vom 20. Juli 2004: 441, 458. Ivanova gg Ukraine, Nr. 74104/01, Urteil vom 13. September 2005: 245, 407, 409, 413, 414, 416. Jahn ua gg Deutschland, Nr. 46720/99, 72203/01, 72552/01, Urteil vom 22. Jänner 2004: 468–472. Jahn ua gg Deutschland [GC], Nr. 46720/99, 72203/01, 72552/01, Urteil vom 30. Juni 2005: 433, 434, 447, 448, 457, 458, 459, 468–472, 473, 567, 568. James ua gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 21. Februar 1986, Serie A, Nr. 98: 36, 65, 66, 200–201, 354, 407, 408, 411–412, 414, 415, 432, 433, 434, 435, 441–442, 446–447, 448, 449, 457, 458, 460, 463–464, 477, 478, 567, 570. Jankoviü gg Kroatien, Nr. 43440/98, Entscheidung vom 12. Oktober 2000, ECHR 2000X: 169. Jantner gg Slowakei, Nr. 39050/97, Urteil vom 4. März 2003: 60, 125. Jasiuniene gg Litauen, Nr. 41510/98, Urteil vom 6. März 2003: 113, 207. Karagiannis ua gg Griechenland, Nr. 51354/99, Urteil vom 16. Jänner 2003: 244. Katikaridis ua gg Griechenland, Urteil vom 15. November, ECHR 1996-V: 234, 436, 451. Katsoulis u.a. gg Griechenland, Nr. 66742/01, Urteil vom 8. Juli 2004: 59. Katte Klitsche de la Grange, Urteil vom 27. Oktober 1994, Serie A, Nr. 293-B: 206. Kjartan Ásmundsson gg Island, Nr. 60669/00, Urteil vom 12. Oktober 2004: 172. Kliafas and Others gg Griechenland, Nr. 66810/01, Urteil vom 8. Juli 2004: 439, 441, 447. Konstantinopoulos AE ua gg Griechenland, Nr. 58634/00, Urteil vom 10. Juli 2003: 234.

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Koop-Automaten Goldene 7 GmbH & Co. KG gg Deutschland, Nr. 38070/97, Entscheidung vom 30. März 1999: 196, 197. Kopecký gg Slowakei, Nr. 44912/98, Urteil vom 7. Jänner 2003: 123. Kopecký gg Slowakei [GC], Nr. 44912/98, Urteil vom 28. September 2004, ECHR 2004IX: 60, 125–125. Koua Poirrez gg Frankreich, Nr. 40892/98, Entscheidung vom 30. September 2003, ECHR 2003-X: 170, 171. Kruslin gg Frankreich, Urteil vom 24. April 1990, Serie A, Nr. 176-A: 439. Lallement gg Frankreich, Nr. 46044/99, Urteil vom 11. April 2002: 234, 446, 447, 459, 474. Lebedev gg Russland, Nr. 4493/04, Entscheidung vom 25. November 2004: 86. Lecarpentier gg Frankreich, Nr. 67847/01, Urteil vom 14. Februar 2006: 119, 455, 541, 555. Lindner und Hammermayer gg Rumänien, Nr. 35671/97, Zulässigkeitsentscheidung vom 3. Dezember 2002: 120. Lithgow gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 8. Juli 1986, Serie A, Nr. 102: 76–77, 188, 232–233, 438, 442, 446, 447, 457, 458, 464, 477, 478, 567, 570. Loizidou gg Türkei, Urteil vom 18. Dezember 1996, ECHR 1996-VI: 212. Luordo gg Italien, Nr. 32190/96, Urteil vom 17. Oktober 2003, ECHR 2003-IX: 198. Malama gg Griechenland, Urteil vom 1. März 2001, ECHR 2001-II: 433, 441, 446, 457, 458, 476. Malhous gg Tschechien [GC], Nr. 33071/96, Zulässigkeitsentscheidung vom 13. Dezember 2000, ECHR 2000-XII: 119–121, 122, 124. Malone gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 2. August 1984, Serie A, Nr. 82: 438– 439. Marckx gg Belgien, Urteil vom 13. Juni 1979, Serie A, Nr. 31: 45–46, 71, 154. Marini gg Albanien, Nr. 3738/02, Urteil vom 18. Dezember 2007: 76. Matos und Silva gg Portugal, Urteil vom 27. August 1996, ECHR 1996-IV: 56, 57, 188, 206, 248, 352, 353. Maurice gg Frankreich [GC], Nr. 11810/03, Urteil vom 6. Oktober 2005: 455. Mazurek gg Frankreich, Nr. 34406/97, Urteil vom 1. Februar 2000: 71. Mellacher gg Österreich, Urteil vom 19. Dezember 1989, Serie A, Nr. 169: 188, 192, 195, 242, 244, 353, 386, 449. Motais de Narbonne gg Frankreich, Nr. 48161/99, Urteil vom 2. Juli 2002: 234, 451, 459. Nastou gg Griechenland, Nr. 51356/99, Urteil vom 16. Jänner 2003: 56. National and Provincial Building Societies u.a. gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 23. Oktober 1997, ECHR 1997-VII: 197. Neroni gg Italien, Nr. 7503/02, Urteil vom 22. April 2004: 198.

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Öneryildiz gg Türkei, Nr. 48939/99, Urteil vom 18. Juni 2002: 67, 154. Öneryildiz gg Türkei [GC], Nr. 48939/99, Urteil vom 30. November 2004, ECHR 2004XII: 56, 59, 60, 62, 67. Offerhaus und Offerhaus gg NL, Nr. 35730/97, Entscheidung vom 16. Jänner 2001: 76. Ogis-Institut Stanislas gg Frankreich, Urteil vom 27. Mai 2004: 113. Olbertz gg Deutschland, Nr. 37592/97, Entscheidung vom 25. Mai 1999, ECHR 1999V: 153, 192, 194, 242, 244. Olczak gg Polen, Nr. 30417/96, Entscheidung vom 7. November 2002, ECHR 2002X: 77, 97, 433. O.N. gg Bulgarien, Nr. 35221/97, Entscheidung vom 6. April 2000: 112. Ouzounis u.a. gg Griechenland, Nr. 49144/99, 18. April 2002: 114, 125. Paduraru gg Rumänien, Nr. 63252/00, Urteil vom 1. Dezember 2005: 120, 208, 249. Papachelas gg Griechenland [GC], Urteil vom 25. März 1999, ECHR 1999-II: 459. Papamichalopoulos gg Griechenland, Urteil vom 23. Juni 1993, Serie A, Nr. 260B: 244–245. Papamichalopoulos gg Griechenland, Artikel 50 Urteil vom 31. Oktober 1995, A/330B: 188, 192, 229, 241, 249, 433, 461–462, 540, 541–542. Papastavrou ua gg Griechenland, Urteil vom 10. April 2003, ECHR 2003-IV: 58–59. Parisi ua gg Italien, Nr. 39884/98, Urteil vom 5. Februar 2004: 198. Peroni gg Italien, Nr. 44521/98, Urteil vom 6. November 2003: 198. Phillips gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 5. Juli 2001, ECHR 2001-VII: 197. Phocas gg Frankreich, Urteil vom 23. April 1996, ECHR 1996-II: 206. Pialopoulos ua gg Griechenland, Nr. 37095/97, Urteil vom 15. Februar 2001: 206. Pincová und Pinc gg Tschechische Republik, Urteil vom 5. November 2002, ECHR 2002-VIII: 234, 433, 447, 448, 459, 474–475. Pine Valley Developments Ltd. and Others gg Irland, Urteil vom 29. November 1991, Serie A, Nr. 222: 114–115, 116, 124, 188, 192, 194, 243–244, 251–252, 253, 556– 557, 562. Piron gg Frankreich, Nr. 36436/97, Urteil vom 14. November 2000: 67, 204, 229, 233, 234, 248, 446, 447, 475. Piven gg Ukraine, Nr. 56849/00, Urteil vom 29. Juni 2004: 113, 203, 208. Platakou gg Griechenland, Urteil vom 11. Jänner 2001, ECHR 2001-I: 457, 459. Poiss gg Österreich, Urteil vom 23. April 1987, Serie A, Nr. 117: 67, 188, 203, 205, 247. Polacek and Polackova gg. Tschechien [GC], Nr. 38645/97, Entscheidung vom 10. Juli 2002: 121, 125. Popescu Nasta gg Rumänien, Nr. 33355/96, Urteil vom 7. Jänner 2003: 245. Popov gg Moldavien (Nr. 2), Nr. 19960/04, Urteil vom 6. Dezember 2005: 245.

Judikaturverzeichnis

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Posti und Rahko gg Finnland, Urteil vom 24. September 2002, ECHR 2002-VII: 143, 195. Pravednaya gg Russland, Nr. 69529/01, Urteil vom 18. November 2004: 245. Pressos Compania Naviera S.A. und andere gg Belgien, Urteil vom 20. November 1995, Serie A, Nr. 332: 118–119, 124, 206, 233, 353, 446, 454, 457, 458, 563. Prince Hans-Adam II of Liechtenstein gg Deutschland [GC], Nr. 42527/98, Urteil vom 12. Juli 2001, ECHR 2001-VIII: 120, 125. Prodan gg Moldau, Urteil vom 18. Mai 2004, ECHR 2004-III: 113, 208. Prötsch gg Österreich, Urteil vom 15. November 1996, ECHR 1996-V: 67, 248. Raimondo gg Italien, Urteil vom 22. Februar 1994, Serie A, Nr. 281-A: 65, 197. Rosenzweig and Bonded Warehouses Ltd. gg Polen, Nr. 51728/99, Urteil vom 28. Juli 2005: 144, 195, 449, 450, 481. Ryabykh gg Russland, Urteil vom 24. Juli 2003, ECHR 2003-IX: 112, 207. S.A. Dangeville gg Frankreich, Urteil vom 16. April 2002, ECHR 2002-III: 136, 203. S.C., F.C., M.C., und E.C. gg Italien, Nr. 52985/99, Urteil vom 6. November 2003: 198. Sabin Popescu gg Rumänien, Nr. 48102/992, Urteil vom 2. März 2004: 113, 207. Saggio gg Italien, Nr. 41879/98, Urteil vom 25. Oktober 2001: 198. Schirmer gg Polen, Nr. 68880/01, Urteil vom 21. September 2004: 195. Schmidt and Dahlström gg Schweden, Urteil vom 6. Februar 1976, Serie A, Nr. 21: 226, 424. Sciortino gg Italien, Nr. 30127/96, Urteil vom 18. Oktober 2001: 112, 207. Scollo gg Italien, Urteil vom 28. September 1995, Serie A, Nr. 315-C: 192, 195, 209, 242, 244. Scordino gg Italien (Nr. 2), Nr. 36815/97, Urteil vom 15. Juli 2004: 206, 447. Scordino gg Italien (Nr. 1) [GC], Nr. 36813/97, Urteil vom 29. März 2006: 460, 468. Senkspiel gg Deutschland, Nr. 77207/01, Entscheidung vom 12. Jänner 2006: 467, 567, 568. Silver and Others gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 25. März 1983, Serie A, Nr. 61: 439. Skórkiewicz gg Polen, Nr. 39860/98, Entscheidung vom 1. Juni 1999: 169, 172. Slivenko and Others gg Lettland [GC], no. 48321/99, Entscheidung vom 23. Jänner 2002, ECHR 2002-II: 124, 154, 600. Smokovitis gg Griechenland, Nr. 46356/99, Urteil vom 11. April 2002: 119, 207, 453. Sovtransavto Holding gg Ukraine, Nr. 48553/99, Zulässigkeitsentscheidung vom 27. September 2001 abgedruckt in Urteil vom 25. Juli 2002, ECHR 2002-VII: 77. Sovtransavto Holding gg Ukraine, Nr. 48553/99, Urteil vom 25. Juli 2002, ECHR 2002VII: 203, 211, 480–481.

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Spacek gg Tschechische Republik, Nr. 26449/95, Urteil vom 9. November 1999: 197. Spadea und Scalabrino gg Italien, Urteil vom 28. September 1995, Serie A, Nr. 315B: 192, 195, 209, 242, 244. Sporrong und Lönnroth gg Schweden, Urteil vom 23. September 1982, Serie A, Nr. 52: 66, 188, 192–193, 199–201, 204, 205, 206, 229, 232, 240, 241–243, 446, 447. Stere and others gg Rumänien, Nr. 25632/02, Urteil vom 23. Februar 2006: 113. StraƱn ua gg Rumänien, Nr. 57001/00, Urteil vom 21. Juli 2005: 457, 458, 459. Stran Greek Refineries und Stratis Andreadis gg Griechenland, Urteil vom 9. Dezember 1994, Serie A, Nr. 301-B: 111–112, 206–207. Stretch gg Vereinigtes Königreich, Nr. 44277/98, Urteil vom 24. Juni 2003: 115–116. Sunday Times gg Vereinigtes Königreich, Urteil vom 26. April 1979, Serie A, Nr. 30: 438, 439. Swedish Engine Drivers’ Union gg Schweden, Urteil vom 6. Februar 1976, Serie A, Nr. 20: 226, 424. Terazzi gg Italien, Nr. 27265/95, Urteil vom 17. Oktober 2002: 206. The Holy Monasteries gg Griechenland, Urteil vom 9. Dezember 1994, Serie A, Nr. 301-A: 188, 229, 233, 433, 446, 457, 458, 466, 473. The Synod College of the Evangelical Reformed Church of Lithuania gg Litauen, Nr. 44548/98, Entscheidung vom 5. Dezember 2002: 61, 113. Timofeyev gg Russland, Nr. 58263/00, Urteil vom 23. Oktober 2003: 113, 207. Tre Traktörer Aktiebolag gg Schweden, Urteil vom 7. Juli 1989, Serie A, Nr. 159: 142– 143, 144, 188, 192, 194, 211, 242, 244, 316, 386, 439, 440. Tregubenko gg Ukraine, Nr. 61333/00, Urteil vom 2. November 2004: 234, 245, 436, 448, 452. Tsirikakis gg Griechenland, Nr. 46355/99, Urteil vom 17. Jänner 2002: 56, 204. Tsomtsos ua gg Griechenland, Urteil vom 15. November 1996, ECHR 1996-V: 234, 436, 447, 451. Tüm Haber Sen and Çinar gg Türkei, Nr. 28602/95, Urteil vom 21. Februar 2006: 226, 424. Valová, Slezák und Slezák gg Slowakei, Nr. 44925/98, Urteil vom 1. Juni 2004: 234, 440. Van der Mussele gg Belgien, Urteil vom 23. November 1983, Serie A, Nr. 70: 124, 154. Van Marle ua gg Niederlande, Urteil vom 26. Juni 1986, Serie A, Nr. 101: 152, 194, 211. Vasilescu gg Rumänien, Urteil vom 22. Mai 1998, ECHR 1998-III: 188, 245, 249, 437, 541. Vasilopoulou gg Griechenland, Nr. 47541/99, Urteil vom 21. März 2002: 113, 207. Velosa Barreto gg Portugal, Urteil vom 21. November 1995, Serie A, Nr. 334: 195.

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Venditelli gg Italien, Urteil vom 18. Juli 1994, Serie A, Nr. 293-A: 193, 194. von Maltzan ua gg Deutschland [GC], Nr. 71916/01, 71917/01, 10260/02, Zulässigkeitsentscheidung, 2. März 2005: 60, 472. Voytenko gg Ukraine, Nr. 18966/02, Urteil vom 29. Juni 2004: 208. Wendenburg ua gg Deutschland, Nr. 71630/01, Entscheidung vom 6. Februar 2003, ECHR 2003-II: 153, 154. Wessels-Bergervoet gg Niederlande, Nr. 34462/97, Entscheidung vom 3. Oktober 2000: 169, 171. Wiesinger gg Österreich, Urteil vom 30. Oktober 1991, Serie A, Nr. 213: 67, 188, 203, 205, 247. Wittek gg Deutschland, Nr. 37290/97, Urteil vom 12. Dezember 2002, ECHR 2002X: 66, 67. Yagtzilar ua gg Griechenland, Nr. 41727/98, Urteil vom 6. Dezember 2001: 208. Zlínsat, Spol. S.R.O. gg Bulgarien, Nr. 57785/00, Urteil vom 15. Juni 2006: 250. Zubani gg Italien, Urteil vom 7. August 1996, ECHR 1996-IV: 234, 476. Zubani gg Italien, [GC], Nr. 14025/88, Artikel 41 Urteil vom 16. Juni 1999: 541. Zvolský und Zvolska gg Tschechische Republik, Urteil vom 12. November 2002, ECHR 2002-IX: 234, 433, 434, 439, 447, 448, 457, 458. Zwierzynski gg Polen, Urteil vom 19. Juni 2001, ECHR 2001-VI: 60, 62, 71, 154, 188, 241, 246, 246, 436, 447, 451, 452.

2. Interamerikanische Menschenrechtskommission und Interamerikanischer Menschenrechtsgerichtshof a) Interamerikanische Menschenrechtskommission Banco del Peru v. Peru, Report Nº 10/91, Case 10.169, 22 February 1991, OEA/Ser.L/V/II.79.rev.1, 1990-1991 Annual Report, http://www.cidh.oas.org/ annualrep/90.91eng/Peru10.169.htm: 82. Tabacalera Boquerón v. Paraguay, Report Nº 47/97, 16 October 1997, 1997 OEA/Ser.L/V/II.98, 1997 Annual Report, http://www.cidh.oas.org/annualrep/97eng/ Tabacalera.petition.htm: 82. Mevopal, S.A. v. Argentina, Report Nº 39/99, 11 March 1999, 1998 Annual Report, http://www.cidh.oas.org/annualrep/98eng/Inadmissible/Argentina%20Mevopal.htm: 82. Bendeck-COHDINSA v. Honduras, Report N° 106/99, 27 September 1999, 1999 Annual Report, www.cidh.oas.org/annualrep/99eng/Inadmissible/Honduras.Bendeck. htm: 87, 97.

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b) Interamerikanischer Menschenrechtsgerichtshof Ivcher Bronstein v. Peru, Judgment of 6 February 2001, Series C No. 74: 47, 77, 352, 436–437. The Case of the Mayagna (Sumo) Awas Tingni Community v. Nicaragua, Judgment of 31 August 2001, Series C No. 79: 47, 61, 62. Cantos v. Argentina, Judgment of 7 September 2001, Series C No. 85: 87. Five Pensioners v. Peru, Judgment of 28 February 2003, Series C No. 98: 172.

3. EuGH Nold v. Rat und Kommission, Rs. 4/73, EuGH 14. Mai 1974, Slg. 1974, 491: 161. Atlanta AG v. Kommission, Rs. C-104/97 P, EuGH 14. Oktober 1999, Slg. 1999, I6983: 161.

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Judikaturverzeichnis

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Judikaturverzeichnis

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Revere Copper and Brass Inc. v. Overseas Private Investment Corporation, Award, 24 August 1978, 56 ILR 258: 136, 220, 313, 363–364, 374, 375, 379, 557, 559. Salini Construttori S.P.A. and Italstrade S.P.A. v. Kingdom of Morocco, (Italy/Morocco BIT), Decision on Jurisdiction, 23 July 2001, 6 ICSID Reports 400: 50, 63. Saluka Investments BV v. Czech Republic, (Dutch/Czech BIT), Partial Award, 17 March 2006, http://ita.law.uvic.ca/documents/Saluka-PartialawardFinal.pdf: 63, 79, 219, 271, 294, 348, 360, 361, 366–371, 372, 373, 381, 383, 566. Salvador Commercial Company Case, XV UNRIAA 1902, 455: 411. Sapphire International Petroleums Ltd. v. National Iranian Oil Company, (Concession Agreement), Award, 15 March 1963, 35 ILR 1967, 136: 279. Saudi Arabia v. Arabian American Oil Company, (Concession Agreement), Award, 23 August 1958, 27 ILR 117: 220. Sempra Energy v. Argentina, (US/Argentina BIT), Decision on Jurisdiction, 11 May 2005, http://ita.law.uvic.ca/documents/semprajurisdiction.pdf: 92, 104. SGS Société Général de Surveillance SA v. Islamic Republic of Pakistan, (Swiss Confederation/Pakistan BIT), Decision on Jurisdiction, 6 August 2003, 8 ICSID Reports 406: 50, 149. SGS Société Général de Surveillance SA v. Philippines, (Swiss Confederation/Republic of the Philippines BIT), Decision on Jurisdiction, 29 January 2004, 8 ICSID Reports 568: 222. Siemens AG v. Argentine Republic, (Germany/Argentina BIT), Decision on Jurisdiction, 3 August 2004, 12 ICSID Reports 174: 80, 99, 103–104. Siemens AG v. Argentine Republic, (Germany/Argentina BIT), Award, 6 February 2007, http://ita.law.uvic.ca/documents/Siemens-Argentina-Award.pdf: 132, 132, 220, 224, 286, 327, 344, 498. Southern Pacific Properties (Middle East) Limited (SPP) v. Arab Republic of Egypt, (National Law), Award, 20 May 1992, 3 ICSID Reports 189: 128, 220, 273, 322, 334, 347, 376, 390, 418, 419, 533, 561. Suez, Sociedad General de Aguas ServiciosIntegrales del Agua S.A. v. The Spain/Argentina BITs), Decision on uvic.ca/documents/Suez-Jurisdiction.pdf:

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Judikaturverzeichnis

Texaco Overseas Petrolium Company and California Asiatic Oil Company v. Government of the Libyan Arab Republic, (Concession Agreement), Award, 19 January 1977, 53 ILR 389: 220, 236. Tokios Tokelés v. Ukraine, (Lithuania/Ukraine BIT), Decision on Jurisdiction, 29 April 2004, http://ita.law.uvic.ca/documents/Tokios-Jurisdiction_000.pdf: 63, 68–69, 220. Tradex Hellas SA v. Republic of Albania, (Foreign Investment Law), Award, 29 April 1999, 5 ICSID Reports 70: 285. Walter Fletcher Smith v. The Compania Urbanizadora del Parque y Playa de Marianao (United States v. Cuba), Einzelschiedsrichter, 2 May 1929, 2 UN Reports on International Arbitral Awards, 913–918: 69, 495–496. Waste Management, Inc. v. United Mexican States, (NAFTA), Decision on Jurisdiction, 2 June 2000, 5 ICSID Reports 443: 287. Waste Management, Inc. v. United Mexican States, (NAFTA), Award, 30 April 2004, 43 ILM 2004, 967: 132–133, 222–223, 278–279, 301, 306, 309, 312, 315, 322–323, 324, 327, 328, 364–365, 392, 395, 397–398, 399. Wena Hotels Ltd. v. Arab Republic of Egypt, (United Kingdom/Egypt BIT), Award, 8 December 2000, 6 ICSID Reports 89: 129, 220, 288–289, 299, 303, 313, 322, 327, 328, 329, 330, 331–332, 391, 418, 419. Wena Hotels Ltd. v. Arab Republic of Egypt, (United Kingdom/Egypt BIT), Decision on the Application by Wena Hotels Ltd. for Interpretation of the Arbitral Award dated December 8, 2000, 31 October 2005, http://ita.law.uvic.ca/documents/WenaInterpre tationDecision.pdf: 332.

2. StIGH & IGH Certain German Interests in Polish Upper Silesia (Germany v. Poland) (The Merits), Urteil vom 25. Mai 1926, PCIJ 1926, Serie A Nr. 7, 3: 126–127, 129, 238, 273, 411, 492. Case Concerning the Factory at Chorzów (Germany v. Poland) (Claim for Indemnity – The Merits), Urteil vom 13. September 1928, Serie A No. 17, 4: 157, 160, 217, 272, 281, 282, 379, 461, 462, 463, 486, 524, 528, 542, 543, 545, 546. The Oscar Chinn Case (Great Britain v. Belgium), Judgment of 12 December 1934, PCIJ Serie A/B No. 63: 29, 49, 93–94, 95, 97, 99, 100, 101. Barcelona Traction, Light and Power Co., Ltd (Belgium v. Spain), Judgment of 5 February 1970, ICJ Reports 3 (1970): 29, 49, 93–94, 95, 97, 99, 100, 101. Case concerning the Elettronica Sicula S.p.A. (ELSI) (United States of America v. Italy), Judgment, 20 July 1989, ICJ Reports 15 (1989): 100, 101. Difference Relating to Immunity from Legal Process of a Special Rapporteur of the Commission on Human Rights, Advisory Opinion, 29 April 1999, ICJ Reports 62 (1999), 413.

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3. IUSCT American International Group v. The Islamic Republic of Iran, Award Nr. 93-2-3, 19 December 1983, 4 IUSCTR 96: 88, 160, 493, 530–531. Amoco International Finance Corporation v. The Government of the Islamic Republic of Iran, et al., Award No. 310-56-3, 14 July 1987, 15 IUSCTR 189: 55–56, 74–75, 80, 81–82, 128, 162, 220, 462, 493–494, 503, 512, 518–519, 531–532. Harold Birnbaum v. The Islamic Republic of Iran, Award No. 549-967-2, 6 July 1993, 29 IUSCTR 260: 70, 81, 326, 329, 333, 483. Leonard and Mavis Daley v. Islamic Republic of Iran, Award No. 360-10514-1, 20 April 1988, 18 IUSCTR 232: 69. Dames & Moore v. The Islamic Republic of Iran, Award Nr. 97-54-3, 20 December 1983, 4 IUSCTR 212: 69, 70, 88, 379, 482. Foremost Tehran, Inc. v. The Government of the Islamic Republic of Iran, Award No. 220-37/231-1, 11 April 1986, 10 IUSCTR 228: 81. Ataollah Golpira v. The Government of the Islamic Republic of Iran, Award No. 32211-2, 29 March 1983, 2 IUSCTR 171: 80, 303. Harza Engineering Company v. The Islamic Republic of Iran, Award No. 19-98-2, 30 December 1982, 1 IUSCTR 499: 303. INA Corporation v. The Government of the Islamic Republic of Iran, Award No. 184161-1, 13 August 1985, 8 IUSCTR 373: 493, 512, 531. International Technical Products Corp. (ITCP) v. The Government of the Islamic Republic of Iran, Final Award No. 196-302-3, 28 October 1985, 9 USCTR 206: 89. International Systems & Controls Corporation v. Industrial Development and Renovation Organization of Iran, et al., Award No. 256-439-2 (26 September 1986), 12 IUSCTR 239: 336, 343. ITT Industries, Inc. v. The Islamic Republic of Iran, et al., Award Nr. 47-156-2, 26 Mai 1983, 2 IUSCTR 348: 328, 332. Eastman Kodak Company et al. v. Iran, Final Award No. 514-227-3, 1 July 1991, 27 IUSCTR 3: 168. Merrill Lynch & Co, Inc. v. Government of the Islamic Republic of Iran, et al., Award No. 519-394-1, 19 August 1991, 27 IUSCTR 122: 80. Mobil Oil Iran Inc., et al v. Islamic Republic of Iran, No. 311-74/76/81/150-3, 14 July 1987, 16 IUSCTR 3: 127, 150, 503. Motorola v. Iran National Airlines Corporation, et. al., Award No. 373-481-3, 28 June 1988, 19 IUSCTR 73: 329–330.

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Judikaturverzeichnis

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613

4. Innerstaatliche Gerichte US Court of Appeals, Ninth Circuit, Banco Nacional de Cuba v. Chemical Bank New York Trust Company and Others, Urteil vom 10. Juni 1987, 92 ILR 1993, 431– 441: 513, 522. US Court of Appeals, Ninth Circuit, Siderman de Blake and Other v. The Republic of Argentina and Others, Urteil vom 22. Mai 1992, 103 ILR 1996, 454–480: 513, 522– 523.

Sachregister African Charter on Human and Peoples’ Rights, Verankerung des Eigentumsschutzes 34 Ägypten 68, 128, 288, 331, 390, 400, 533 Aktien und Anteilsrechte 75–110, siehe auch Eigentumsbegriff und Investition – anteilsmäßige Geltendmachung von Ansprüchen 105 – indirekte Schäden 93–105 – Kettenbeteiligungen 105 Alles-oder-Nichts-System 218, 271, 361, 384, 425, 427, 431, 550, 552 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte 33 allgemeine Grundsätze des Völkerrechts 35, 456, 457, 477, 479, 485 allgemeine Rechtsgrundsätze 43 Amerikanische Menschenrechtskonvention 47, 545 – Anwendungsbereich 179 – Artikel 21 AMRK 46, 77, 82, 172, 436 – Schutzumfang 173 – Unternehmensbeteiligungen 86, 97 – Eigentumsschutz 108 – Unterwerfung unter den Gerichtshof 31, 36 – Verankerung des Eigentumsschutzes 34 Argentinien 63, 91, 102, 105, 130, 132, 224, 357, 393, 507 Ausschöpfung des innerstaatlichen Instanzenzuges 32, 86 berechtigte Erwartung 142, 143, 264, 373–378, 381, 471, 557 – auf Beibehaltung einer Praxis 560 – auf Beibehaltung einer rechtlichen Situation 560

– auf Bestehen eines Anspruchs 61, 114–125, 137 – ausdrückliche Zusagen 559 – Formerfordernisse 377 – generelle Zusagen 560 – pro futuro Änderung 563 – rückwirkende Änderung 563 – Transparenz der Gesetzgebung 563 – Übergangsfristen 564 – Vertrauen auf Zusage 560 Berufsfreiheit, Recht auf 161 bilaterale Investitionsschutzverträge 30, 37, 38, 40, 51, 255 – Investitionsdefinition 52, 74, 146, 158, 163, 395, siehe auch Investition, Definition – Schutzzweck 423 Build-Operate-Transfer (BOT) Verträge 141 Charta der wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten 26–27, 525 Chile 525 Chorzów Prinzip 217 creeping expropriation, siehe Enteignung, schleichende de facto Enteignung, siehe Enteignung Deklaration von Algier 55, 215 Dekolonisierung 24, 525 denial of justice 223, 428 Deutsche Wiedervereinigung 467, 468–473, 568 Deutschland, Reaktion auf portugiesischen Vorbehalt 479 diplomatischer Schutz 29, 38, 50, 94, 178 – kein Rechtsanspruch 38, 50 Direktinvestitionen 28 Durchsetzungsmöglichkeit von Urteilen/Schiedssprüchen 32

Sachregister Ecuador 138, 139, 395 Eigentumsbegriff, siehe auch Investition – Erbrecht 70 – Finanzierungsinstrumente 163–168 – Goodwill 173 – Immaterialgüterrechte 71–75 – innerstaatlicher 43 – Iran-US-Claims Tribunal 55 – menschenrechtlicher 45–47, 56–62, 65–68, 70–73, 111–125, 135 – Aktien und Anteilsrechte 76– 77, 83–87, 95–98 – Alkoholausschankberechtigung 142 – Arbeitsunfähigkeitsunterstützung 169 – autonome Auslegung 56, 62, 173 – Banklizenz 141 – Behindertenunterstützung 170 – berechtigte Erwartung 114–125 – Definition 46, 172 – Eigentumserwerb 154 – Finanzierungsinstrumente 163 – Fischfanglizenz 143 – Forderungen, gerichtlich anerkannte 112 – Gemeinschaftseigentum indigener Völker 62 – Goodwill 152–157, 161–162 – Immaterialgüterrechte 71–73 – Kiesabbauberechtigung 143 – Konzessionen 141–144 – Lizenzen 141–144 – Marke 72 – Minderheitenbeteiligungen 83– 87 – Notstandshilfe 169 – Patent 71 – Pensionsleistungen 169–172 – Schadenersatzanspruch 118 – Schiedsspruch 111–112 – schuldrechtliche Ansprüche 111–125 – Sozialleistungen 169–172 – Steuerrückforderungen 136–137 – substantielles Interesse 59, 60, 62 – Superädifikat 67 – Taxilizenz 142

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– zukünftiges Einkommen 154– 157 – Mobilien und Immobilien 65–70 – Sicherheitsrechte 70 – Unternehmensbeteiligungen 75– 110 – völkerrechtlicher 43–180 Eigentumseingriff, siehe auch Enteignung, Nutzungsregelung, sonstige Eingriffe, Maßnahme gleicher Wirkung – Abfallverwertungsanlage 204 – Abgaben 196 – Alkoholausschankgenehmigung, Entzug 386, 518 – Ameliorationsverfahren 205 – Bankgarantie einbehalten 221 – Baugenehmigung, Verweigerung 380 – Bauverbot 193, 199, 206 – besondere Zusicherungen, Verletzung von 364 – Betriebsgenehmigung, Entzug 380 – Delogierungen, Nichtvollstreckung von 209 – Eingriffsformen (Investitionsrecht) 213–215 – Eingriffsformen (Menschenrechte) 186–187 – Einziehung 197 – Enteignungsbewilligung 199 – Entzug vor Inkrafttreten der EMRK 60 – Exportverbot 348 – fair and equitable treatment 214, siehe auch fair and equitable treatment – Flurbereinigungsverfahren 203 – Forderungen, Nichtbezahlung von 222 – Forderungsrechte, Eingriff in 206 – Freihandelszone, Widerruf 281 – full protection and security 214, siehe auch full protection and security – Genehmigungen, Entzug von 194 – Gerichtsurteil 421 – Goodwill, Entzug von 194, 210, 386 – Grundstückszusammenlegung 66 – Hotelprojekt 272, 273, 533

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Sachregister

– Importgenehmigung, Entzug 400 – indirekte Schäden 93–105 – Kiesabbauberechtigung, Entzug 387 – Konfiskation 197 – Kontrollrechte 359 – Managementrechte, Eingriff in 211, 359 – mietrechtliche Beschränkungen 195, 386 – Objekt des Eingriffs 308 – Eigentum 309, 324 – Gewinne 313 – Investition 309, 324 – Kontrollrechte 311, 313, 323, 324 – Managementbefugnisse 311, 313, 324 – Prüfungssystem (Investitionsrecht) 215–219 – Prüfungssystem (Menschenrechte) 188–190 – Raumplanung 193 – regulative Maßnahme, durch 37, 185, 288–95 – Schwere 307–325 – Staudammprojekt 477 – Steuern 196, 379 – Steuerrückerstattung, Abschaffung 395, 396, 398 – Strafe für verspätete Fertigstellung 221 – Tarifbindung, Suspendierung 393 – temporäre Manager 325–330 – Titelübergang 191, 198, 232, 238 – Umfang 313–315 – Urteile, Nichtvollstreckung 207 – Verhaftung des Investors 272 – Verhältnismäßigkeitsprüfung 352– 360 – Verkaufsverbot 363 – Versicherung, Verstaatlichung 493 – Verstaatlichungsgesetz 516 – Vertragsänderung, erzwungene 380 – Vorkaufsrecht, Ausübung eines 57 – Zeitfaktor 325–334 – Zementimportverbot 68, 503 – Zerstörung 197 – Zollfreizone, Rücknahme 380 – Zurechenbarkeit 411, 417

– Zusicherung, Verletzung von 274, 295, 338, 363–365, 373–378 – Zwangstransaktion 379 – Zwangsverkauf 366 – Zwangsverkauf von Aktien 76 – Zwangsverwaltung 198, 366, 370, 380, 388 – Zweck 341–373, 427 Eigentumsrecht – absolutes Recht 425 – relatives Recht 188, 425 Eigentumsschutz – Fremdenrecht 23–30 – Investitionsrecht 47–56, 63–65, 68–71, 74–75, 78–82, 87–93, 98– 110, 125–135, 137–140, 157–168, 173–180, 213–226, 235–238, 253– 385, 389–405, 416–421, 488–538, 543, 551–573 – Entwicklung 37–39 – Menschenrechte 45–47, 56–62, 65–68, 70–73, 76–77, 83–87, 95– 98, 111–125, 135–137, 141–144, 152–157, 161–163, 169–180, 186– 213, 225–226, 232–234, 240–253, 385–389, 407–416, 432–488, 539– 542 – Entwicklung 33–36 – positive Schutzpflicht 67, 480 EMRK – Artikel 1 des 1. ZP zur EMRK 186 – Artikel 6 EMRK 171, 545 – Artikel 13 EMRK 545 – Artikel 14 EMRK 544 – Artikel 41 EMRK 460, 467, 480, 539–542 – Artikel 50 EMRK 462, 540 – Verankerung des Eigentumsschutzes 34 Energy Charter Treaty 37, 178 – Artikel 1 ECT 395 – Artikel 13(3) ECT 98 – indirekte Schäden 98 – Investitionsdefinition 53, 147 – vertragliche Rechte 128 Enteignung, siehe auch Neues Modell Investitionsschutz – Abgrenzung 191, 197, 198, 202, 203, 205, 239, 241, 250, 252, 253, 260, 265, 280, 295, 350, 360, 366, 381, 383, 422, 426

Sachregister – Abgrenzungskriterien 185, 218, 240, 257, 265, 295–385, 427 – Auswirkung des Eingriffs, siehe Enteignung, Auswirkungen des Eingriffs – allgemeine Ausführungen 227–231 – Auswirkungen des Eingriffs 262, 297–341, 344, 351, 355, 371, 381, 384 – berechtigte Erwartungen 373– 378 – Gesamtinvestition, auf die 392, 396, 397, 403, 404 – Innehabung der Installationen 389 – Kontrolle über die Investition 311, 313, 323, 324, 349, 359, 393, 394, 396, 403 – Schwere 307–325 – Sole-effects-Doktrin 334–341 – substantieller Eingriff 316, 320, 324, 381, 389, 391, 397, 404, 572 – Totalentzug 307, 315, 317, 322, 389, 423 – Wertminderung 322–324, 351, 359, 379 – Zeitfaktor 325–334, 381 – Begünstigte 406–421 – Investitionsschutz 416–421 – Menschenrechtsschutz 407–416 – berechtigte Erwartungen 264, 319– 321, 373–378, 381 – Formerfordernisse 377 – Betriebsanlagen, Entzug 390 – Betriebsgenehmigung, Verweigerung 273 – creeping expropriation, siehe Enteignung, schleichende – de facto Enteignung 81, 185, 192, 212, 238–385 – BITs, Regelungen in 258 – Definition 261 – Eigentumstransfer 233 – Enteignungsabsicht 277, 342–347, 381 – Enteignungszeitpunkt 284 – Entschädigung, siehe Entschädigung – Erdölindustrie 236 – Forderungsrechte, Eingriff in 206

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– formelle Enteignung 232–238, 336, 337, 383, 426 – gewaltsame 289 – Hoheitsakt 219–224 – Hotelprojekt 272, 273, 288, 334, 390 – indirekte Enteignung 238–385 – Investitionsrecht 235–238, 253– 385 – Konfiskation 234 – Kulturgüterschutz 334, 533 – Legalität 216, 267, siehe auch Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen – legitimate expectations, siehe Enteignung, berechtigte Erwartungen – Menschenrechte 232–234, 240– 253 – Rechtfertigungsprüfung 216 – Müllbeseitigungsanlage 273, 274 – Nationalisierung 24–26, 30, 182, 213, 235, 236, 292, 464, 465, 472, 486 – Charta der Wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten 525 – Chile, Kupferindustrie 525 – Diskriminierung 514, 519 – IUSCT 494 – Kolonien, ehemalige 24 – Libyen 517 – Mexiko 25 – öffentliches Interesse 489 – Versicherung 530, 531 – Naturschutz 237, 337 – Police-powers-Doktrin 219, 341, 347–373, 382, 384, 427 – gemäßigte 347–361 – radikale 361–373 – Privater, zugunsten, siehe Enteignung, Begünstigte – Prüfungssystem (Investitionsrecht) 215–219 – Prüfungssystem (Menschenrechte) 188–190 – Rechtfertigungsprüfung, siehe Rechtfertigungsprüfung – Rechtmäßigkeit 365, 382, 428, 430, 538, 547, siehe auch Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen – rechtswidrige

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Sachregister

– Chorzów-Standard 543 – Folgen 539–542, 543 – regulative Maßnahme, durch 185, 288–295, 295–385 – Restwert 204, 246, 323, 422, 423 – Schadenersatz, siehe Schadenersatz – schleichende Enteignung 239, 281– 288 – Sole-effects-Doktrin 218, 334–341, 360, 382, 384, 427 – Teilenteignung 385–405 – Aufspaltung der Investition in Einzelrechte 393 – Investitionsrecht 389–405 – Menschenrechte 385–389 – temporäre Manager 325–330, 332– 333 – Titelübergang 191, 198, 232, 238 – Totalentzug 307, 389 – Tourismusressort 237 – Umweltschutzmaßnahmen 289 – Unterlassung, durch 239, 281, 283, 286, 287, 335, 343, 345, 346, 389, 417 – Urteil, durch 436 – Urteile, Nichtvollstreckung 207 – Verhaftung 288 – Verhältnismäßigkeitsprüfung 352– 360, siehe auch Verhältnismäßigkeitsprüfung – Verstaatlichung 132, 227, 232– 234, 246, siehe auch Nationalisierung – Vertrauensschutz, siehe Enteignung, berechtigte Erwartungen – Wertverlust 264, 322–324 – Zusicherung, Verletzung von 363, 365, 373–378, 382, 393 – Zweck 219, 237, 335, 338, 339, 341–373, 384, 427 Entschädigung 361, 369, 381, 384, 427, 430 – Ausländer 477–483 – Automatismus (Investitionsrecht) 427, 547 – Berechnung 157, 159, 160, 162, 216 – Dauer des Eigentumsentzuges 475 – Entschädigungspflicht 214, 225, 237, 372, 383, 403, 422, 430, 457, 486, 524–536

– fair market value 528, 537, 539, siehe auch Marktwert – Gesundheitsschutzmaßnahmen 568 – Höhe 24–27, 238, 458–483, 539, 550 – Neues Modell 551, 552 – Inflation 476 – Investitionsrecht 524–536 – Investitionsschutzverträge 526 – just satisfaction 190 – Marktwert 217, 534, 539, 547, 567, siehe auch fair market value – Mehrfachentschädigung 105 – Minderung 472 – Nationalisierung 464, 567 – prompte, adäquate und effektive Entschädigung 25, 479, 528, 537 – rechtmäßige Enteignung 462–463, 538, 547 – Entschädigungszeitpunkt 528– 536 – rechtswidrige Enteignung 461– 462, 539–543 – Restitution 322 – Rolle der Entschädigung 547 – soziale Reformen 465, 567 – Totalentfall 472 – Umweltschutzmaßnahmen 568 – Verhältnismäßigkeitsprinzip, siehe auch Verhältnismäßigkeitsprüfung – Verhältnismäßigkeitsprinzip, Ableitung aus 36 – vernünftiges Verhältnis zum Wert 458–460, 551 – Wechsel des Regierungssystems 567 – Wertsteigerung, nachträgliche 542 – wirtschaftliche Reformen 465, 567 – Zeitpunkt der Entschädigungsleistung 528–537 Entwicklungsländer 24, 25, 28, 29, 254, 255 Entwicklungspolitik 29 Erschöpfung des innerstaatlichen Rechtsweges, siehe Ausschöpfung des innerstaatlichen Instanzenzuges EU Beitritt, Maßnahmen in Hinblick auf 521 Europäische Grundrechtecharta 161

Sachregister fair and equitable treatment 177, 214, 318, 349, 364, 377, 504, 549 Finanzaufsicht, staatliche 345 Finanzierungsinstrumente 163–168 Fork-in-the-road-Klausel 507 Fragmentierung 39, 372, 373, 383, 428 Frankreich, Reaktion auf portugiesischen Vorbehalt 479 Fremdenrecht 23–30 FTA 37, 38, 264 full protection and security 177, 214, 318, 504 gemischte Schiedskommission 30 gerechte und billige Behandlung, siehe fair and equitable treatment Gesellschaft in Liquidation 85 Gesundheitsschutz 183 Globalisierung 29, 37, 39, 254 Goodwill 152–162, 194, 210 Harvard Draft Convention on the International Responsibility of States for Injuries to Aliens 362, 367 Hoheitsakt 219–224 Hoheitsgewalt 31, 179, 221, 224 Honduras 87 Hull-Formel 25, siehe auch Entschädigung, prompte, adäquate und effektive Entschädigung IAGMR 40 ICSID-Konvention 32, 38, 175, 213 – Artikel 25 178 – Artikel 42(1) 514 – Jurisdiktionsvoraussetzung 179 – Präambel 175 ILC Articles on Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts 283 Industriestaaten 29, 254, 259 Inkrafttreten der EMRK, Entzug vor 60 Interessenausgleich Staat–Investor, Neues Modell 551

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International Centre for Settlement of Investment Disputes 38 Internationaler Gerichtshof 30, 93, 100 Investition 47–56 – Abfallentsorgungskonzession 147, 148 – Aktien und Anteilsrechte 78–82, 87–93, 98–110 – Alkoholausschanklizenz 151 – Anleihen 167 – Bankgarantie 167 – Bauprojekt 149 – berechtigte Erwartung 134 – Darlehen 166, 168 – Definition 51–55, 63, 78, 102, 163, 172 – Finanzierungsinstrumente 163–168 – Goodwill 157–162 – Hotel 128 – Immaterialgüterrechte 74–75 – Investitionsbegriff nationaler Gesetze 51 – Konzessionen 145–151 – Kraftwerksprojekt 130 – Lizenzen 145–151 – Managementrechte 74, 126 – Minderheitenbeteiligungen 87–93 – Mobilfunkkonzession 149 – Mobilien und Immobilien 68–70 – nationales Recht, Relevanz des 63– 65 – Ölfördervertrag 138–140, 145, 150, 151 – Patent 74 – Rechtmäßigkeit der 63 – schuldrechtliche Ansprüche 125– 135 – Schuldscheine 166, 168 – Steuerrückerstattung 137–140 – Straßenbauprojekt 130, 131 – Teilinvestition 402, 404 – vertragliche Rechte 125–135 – Wasserrechtskonzession 132 – Wasserversorgung 130 Investitionsrisiko 385 Investitionsschutzgesetze 28, 40, 272 Investitionsschutzverträge (völkerrechtliche) 28, 30, 37, 38, 40, 51 – Eigentumsschutzklauseln 549

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Sachregister

Iran-US-Claims Tribunal, siehe IUSCT Italien 480 IUSCT 151, 292, 418, 419, 482, 503 – anwendbares Recht 64 – Darlehen 168 – Diskriminierung 512, 518 – Eigentumsdefinition 74 – Enteignungsabsicht 343–344, 346 – Entschädigung 541 – Entschädigungsberechnung, Goodwill 160 – Goodwill 162, 174 – indirekte Enteignung 274, 379, 380 – Konzessionen 150 – Nationalisierung 494 – öffentliches Interesse 493–494 – Schutzobjekt Eigentumsschutz 47, 55, 69 – Mobilien 70 – Single Article Act 494, 531, 532 – Sole-effects-Doktrin 336–337 – sonstige das Eigentumsrecht betreffende Maßnahmen 215 – temporäre Manager 325–330, 332– 333 – Unternehmensbeteiligung 80, 81, 87 – vertragliche Rechte 64, 127 – Zeitpunkt der Entschädigungsleistung 530–533 Jurisdiktionsvoraussetzung (Investitionsschiedsgerichte) 49 juristische Personen, Eigentumsschutz 82, 86, 87, 108, 109, 176, 179 Kanada Modell-BIT 262, 320, 359, 371, 381, 427, 491, 557 kommunistische Revolutionen 24 Konzessionsverträge 24, 525 Kulturgüterschutz 334, 533 Kuwait 516 Lettland 394 Liberia 517 Libyen 517

Maßnahme gleicher Wirkung 260, 272, 276–281, 319, 320 measures having effect equivalent to, siehe Maßnahme gleicher Wirkung Menschenrechte und Investitionsschutz 29 Menschenrechtsschutz und Investitionsschutz 39, 183, 255 Mexiko 24, 25, 92, 100, 167, 273, 274, 319, 338, 350, 351, 399 MFN-Klausel 511, 537 MIGA-Konvention 269–271 Multilateral Agreement on Investment (MAI) 28, 37, 260 NAFTA 37, 132, 183, 378 – indirekte Schäden 98 – Investitionsdefinition 54, 146 – vertragliche Rechte 128 nationale Gerichte 30 – Diskriminierungsverbot 513 Nationalisierung, siehe Enteignung, Nationalisierung Nationalität 179–180 Neue Internationale Wirtschaftsordnung 25, 26, 27 Neues Modell Investitionsschutz 551– 573 – Enteignung, Abgrenzungskriterium 553 – Kontrolle über die Investition 553 – substantial deprivation 553, 572 – substantieller Eingriff 553, 572 – Wertminderung 553 – wirtschaftliche Nutzungsmöglichkeit 553 – Enteignung, angemessene Entschädigung 554 – Enteignung, Rechtmäßigkeit 553– 554, 572 – nicht diskriminierend 553, 572 – öffentliches Interesse 553, 572 – rechtsstaatliches Verfahren 553, 572 – Entschädigung 567–571 – Höhe 567–571, siehe auch Neues Modell Investitionsschutz, Verhältnismäßigkeit

Sachregister – Verhältnismäßigkeitsprüfung, siehe Neues Modell Investitionsschutz, Verhältnismäßigkeit – Teilenteignung 553, 572 – Verhältnismäßigkeit 554–571 – berechtigte Erwartungen 555– 559 – Kriterien 559–564 – Eignung der Maßnahme 564 – gelindestes Mittel 564 – Globalbewertung 571 – Gründe für verringerte Entschädigung 567–570 – Interessen Investor 555–564 – Interessen Staat 564–570 – Schwere des Eingriffs 555 – Wichtigkeit des öffentlichen Interesses 565–567 New York Convention 32 NIWO 25, 27 Nutzungsregelung 191–198, 432, 452 – Abgaben 196 – Bauverbot 193 – Eingriffsintensität 191 – Einziehung 197 – Genehmigungen, Entzug von 194 – Goodwill, Entzug von 194 – Konfiskation 197 – mietrechtliche Beschränkungen 195 – Raumplanung 193 – Sanktionen für einen rechtswidrigen Gebrauch von Sachen 191 – Steuern 196, 483 – Titelübergang 191, 198 – Zerstörung 197 – Zwangsverwaltung 198 – Zweck 192 OECD Draft Convention on the Protection of Foreign Property 259, 282, 367 OECD-Staaten 37 Opfereigenschaft, unmittelbare Betroffenheit der Person 84 Pensionsleistungen 169–172 Piercing of the Corporate Veil 82–105 Polen 401 Police-powers 362, 367–369 – Definition 347

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Police-powers-Doktrin 219, 341, 347– 373, 382, 384, 427 – gemäßigte 347–361 – radikale 361–373 Portugal 479 Prüfungssystem (Investitionsrecht), neues Modell 551–573 Rechtfertigungsvoraussetzungen für Enteignungen (Menschenrechte) 431–488 – Diskriminierungsverbot 544 – Gesetzmäßigkeit 437–445, 483, 545 – Gesetzesbegriff 438, 439 – Rechtsschutz 443 – verfahrensrechtliche Garantien 442, 545 – Vorhersehbarkeit eines Eingriffs 443–445 – Willkürverbot 440, 441, 443– 445, 484, 545 – öffentliches Interesse 432–437, 483, 544 – Ermessensspielraum 433, 434, 484, 544 – Privater, Enteignung zugunsten 434–435, 484 – Willkürverbot 433, 484 – Rechtfertigungsprüfung 425, 430 – Verhältnismäßigkeit, siehe Verhältnismäßigkeitsprüfung – Verhältnismäßigkeitsprüfung, siehe Verhältnismäßigkeitsprüfung, Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen bei Enteignung – Entschädigung 24, 35, 37, 213, 216, 235, 365, 369, 524–537 – Investitionsschutz 488–538 – nicht diskriminierend 24, 37, 216, 365, 373, 382, 428, 509–523, 537, 544 – ethnische Zugehörigkeit, aufgrund der 522 – IUSCT 518 – nationale Gerichte 513 – Nationalität, aufgrund der 511, 516–522 – Religion, aufgrund der 522 – Völkergewohnheitsrecht 511– 514, 537

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Sachregister

– öffentliches Interesse 24, 37, 216, 365, 373, 382, 428, 489–499, 536, 544 – Ermessensspielraum 494, 495, 536, 544 – IUSCT 493–494 – Kanada Modell-BIT 491 – US Modell-BIT 491 – Willkürverbot 495, 536 – Rechtmäßigkeitsprüfung 430 – rechtsstaatliches Verfahren 37, 216, 373, 382, 428, 499–508, 536, 545 – faires Verfahren 506 – Information über Eigentumseingriff 506, 507, 537 – rechtliches Gehör 506, 507, 537 – unabhängige Instanz 506, 507, 537 – unparteiische Instanz 506, 507, 537 Rechtssicherheit 256, 296, 403, 428, 445 Regelungsinteresse, staatliches 39 regulatory taking, siehe Enteignung regulative Maßnahme, durch Regulierungsrisiko 385 Restitution 60–61 rule of law 441, 442, 484 Schadenersatz 216, 430, 488, 531, 539, 543, 545, 546, 551 – Chorzów Prinzip 217 – Differenzmethode 543 – Folgeschäden 546 – Wertsteigerung 546 Schiedsgerichte, Zusammensetzung 31, 255 Schiedsklausel 38 Schiedsverfahren, anwendbares Recht 514–516 schleichende Enteignung, siehe Enteignung, schleichende Schutzlücke im internationalen Investitionsschutz 295, 383 Schutzobjekt, siehe Eigentumsbegriff und Investition Schutzziele der Verträge 31 Sole-effects-Doktrin 218, 334–341, 360, 382, 384, 427

sonstige Eingriffe 198–213, 446, 447, 452 – Ameliorationsverfahren 205 – Auffangtatbestand 198, 200, 202, 212 – Bauverbot 199, 206 – Delogierungen, Nichtvollstreckung von 209 – Entschädigungen, Nichtvollbezahlung von 208 – Flurbereinigungsverfahren 203 – Goodwill, Entzug von 210 – Managementrechte, Eingriff in 211 – Schiedsspruch, nachträgliche Aufhebung 206 – Urteile, Nichtvollstreckung 207 – Zeitfaktor 203 – Zweck 205 Sozialleistungen 169–172 Staatenimmunität 30, 32 Staatenverantwortlichkeit 488, 524, 539, 540, 543, 545 Staatsbürgerschaft 31, 179, 436, 437, 486 Staatsnotstand 498 Stabilisierungsklausel 363 Ständiger Internationaler Gerichtshof 30, 74, 126, 157, 238, 272, 281, 493, 524, 528, 543 Ständiger Schiedshof 126 Streitbeilegung 30, 31, 36, 38 – Urteile bindend 36

Teilenteignung 385–405 – Investitionsrecht 389–405 – Menschenrechte 385–389 temporäre Manager 325–330, 332– 333 Türkei 130

Überprüfung der Enteignung durch eine innerstaatliche Instanz, Recht auf 507 Umweltschutz und Investitionsschutz 39, 183, 254, 351, 534 UN Pakt über bürgerliche und politische Rechte 33

Sachregister UN Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte 33 UNCITRAL 38 UNCTAD 283 Ungarn 521 Unterwerfung unter Gerichtsbarkeit 31 US Modell-BIT 254, 262, 266, 320, 359, 361, 371, 380, 384, 427, 491, 557 US – Panama Claims Commission 524 US Supreme Court 265, 371 US Third Restatement of the Law of Foreign Relations 221, 298, 362, 367, 499, 513 USA 393, 507 – Diskriminierungsverbot bei Enteignung 514 Vereinigtes Königreich – Diskriminierungsverbot bei Enteignung 514 – Reaktion auf portugiesischen Vorbehalt 479 Vereinte Nationen 25, 525 verfassungsrechtlicher Eigentumsschutz 36 Verhältnismäßigkeitsprüfung 189, 267, 352–360, 376, 383–384, 426, 427, 431, 436, 441, 443, 445–483, 485, 488, 546, 554–571 – berechtigte Erwartungen 452–456, 471 – rückwirkende gesetzliche Eingriffe 454–455 – Dringlichkeit 565–567 – Eignung 448–450 – gelindere Mittel 448–450 – Entschädigung 456–483 – Ausländer 477–483, 487 – Dauer des Eigentumsentzuges 475

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– Entzug der Erwerbsgrundlage 474 – Höhe 458–483 – Inflation 476 – Minderung 472 – rechtmäßige Enteignung 462– 463 – rechtswidrige Enteignung 461– 462 – soziale Reformen 465 – Totalentfall 472, 486 – vernünftiges Verhältnis zum Wert 458–460, 472 – wirtschaftliche Reformen 465 – Interessenausgleich 550 – Nationalisierung 464 – Neues Modell 551, 554–571 – Rolle im Menschenrechtsschutz 550 – Schiedsgerichte 549, 552 Versicherungsschutz für Enteignungen 270 Vertrauensschutz, siehe berechtigte Erwartung Völkergewohnheitsrecht 23–30, 35, 43, 101, 102, 269, 271, 366–369, 487, 511, 526 Völkerrechtsverletzung 488

Weltbank 38 WVK, Artikel 31(3)c 516

Zurechnung von Eigentumseingriffen siehe Eigentumseingriffe, Zurechenbarkeit Zustimmung zur Schiedsgerichtsbarkeit 32, 38, 105–107, 177 – Ad-hoc 146 – ICSID-Schiedsgericht 38 – Investitionsvertrag, durch 79, 145, 272