Edition und Erforschung lateinischer patristischer Texte 9783110336863, 9783110339239

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Edition und Erforschung lateinischer patristischer Texte
 9783110336863, 9783110339239

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Edition und Erforschung lateinischer patristischer Texte 150 Jahre CSEL

Edition und Erforschung lateinischer patristischer Texte 150 Jahre CSEL Festschrift für Kurt Smolak zum 70. Geburtstag Herausgegeben von Victoria Zimmerl-Panagl, Lukas J. Dorfbauer und Clemens Weidmann

ISBN 978-3-11-033686-3 e-ISBN 978-3-11-033923-9 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2014 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Annus MMXIV mirabilis Curtius explebit gaudentibus undique amicis Septenos decies annos, quo tempore et ipsum Ecclesiae Corpus Scriptorum Vindobonense Laetum quina decennia ter celebrabit ovansque.

e) Hw. Professor Vahlen über den Antrag: die Akademie wolle eine Collectio scriptorum ecclesiasticorum latinorum herausgeben. Die Commission stellt den Antrag: „die Classe wolle beschließen, dass auf die Herausgabe eines Corpus kritisch berichtigter Texte der lateinischen Kirchenväter eingegangen, zur Ausführung derselben eine ständige Commission ernannt, und alsbald auf Beschlußfassung der Gesammt-Akademie über die Geldmittel ein genaues Pro[gramm über die Zwecke und Grenzen dieses Unternehmens veröffentlicht werde.]“ Auszug aus dem Protokoll (Nr. C 482) der Sitzung der philosophischhistorischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien am 24. Februar 1864.

150 und 70. Ein Vorwort Das Jahr 2014 bringt zwei Jubiläen mit sich, die dem vorliegenden Band Anlass für seine Entstehung geboten haben. Zum einen wird das 150-jährige Bestehen der Forschungseinrichtung CSEL gefeiert, die 1864 an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (damals noch Kaiserliche Akademie der Wissenschaften in Wien) gegründet wurde (vgl. Abbildung links und auf Seite XI). Im Almanach der Akademie des Jahres 1864 findet sich auf Seite 43 zur „Commission zur Herausgabe eines Corpus kritisch berichtigter Texte der lateinischen Kirchenväter“ mit gewissem Stolz vermerkt, dass deren Gründung an der „bewährten Ansicht festhaltend“ erfolgt sei, „dass Akademien vorzüglich darin ihre Seinsberechtigung und ihre eigentliche Aufgabe finden, solche Arbeiten zu unternehmen, wozu die Kräfte und Mittel eines Einzelnen nicht ausreichen“. Somit war die Einsetzung der Kommission Ausdruck der Wertschätzung von Grundlagenforschung und Folge der Einsicht, dass dafür eine konzentrierte Zusammenarbeit von Spezialisten über größere Zeiträume hinweg notwendig ist. Diese Wertschätzung dankten die Editoren des CSEL (d. h. der sogenannten ‚Kirchenväterkommission‘) sehr bald durch auf Qualität bedachte Textausgaben, die dem Editionsunternehmen internationales Renommee einbrachten.1 Die Langlebigkeit von Forschungseinrichtungen ist jedoch keine Selbstverständlichkeit; umso erfreulicher ist es, dass das heute der Universität Salzburg angehörende CSEL sein durch 150 Jahre ungebrochenes Bestehen feiern darf. Dank gebührt an dieser Stelle der Universität Salzburg, die im Jahr 2012 das Editionsunternehmen übernommen hat und seine Forschungen nach Kräften unterstützt. Zum anderen bot ein weiteres rundes Jubiläum Anlass für diesen Sammelband: der 70. Geburtstag von Kurt Smolak. Neben seinem Wirken als Professor für Klassische Philologie an der Universität Wien hat er als Obmann der ‚Kirchenväterkommission‘ zwischen 2001 und 2012 die Geschicke des CSEL geleitet. Seinem Engagement ist es unter anderem zu verdanken, dass in diesen Jahren der historische Höchststand an Mitarbeitern erreicht wurde. Der vorliegende Band ist somit in Blickrichtung auf beide Jubiläen entstanden: Die Autoren der Beiträge sind einerseits auf die eine oder andere Weise dem CSEL, editorischer Arbeit bzw. der Erforschung patristischer Texte verbunden, andererseits Kollegen, Wegbegleiter oder Schüler von Kurt Smolak. Als Zeichen dafür, dass 150 Jahre CSEL-Geschichte nicht nur Anlass zur zufriedenen Rückschau geben, sondern auch Mut und Ansporn für die Zukunft sein wollen, präsentiert der Band Ergebnisse neuerer Forschung: Den Schwerpunkt bilden Beiträge zu in Vorbereitung befindlichen CSEL-Editionen (zu Fortunatian, dessen verlorengeglaubter Kommentar von Lukas Dorfbauer jüngst wiederentdeckt wurde; zu Augustinus, wie etwa die Beiträge von Volker Drecoll und Franco Gori; zu Augustinus bzw. Eucherius von || 1 Alle bisher erschienenen CSEL-Bände sind aufgelistet unter: www.csel.eu.

VIII | 150 und 70. Ein Vorwort

Clemens Weidmann; zu monastischen Texten durch Hildegund Müller, Albrecht Diem und Victoria Zimmerl-Panagl). Dazu kommen Beiträge, in denen die Geschichte eines ‚augustinischen Streites‘ nachgezeichnet wird (Franz Römer), die unter anderem Textkritisches zum Inhalt haben (Danuta Shanzer, Claudio Micaelli und – aus dem griechischen Bereich – Roberto Palla), Texte vorstellen, zu denen eine kritische Edition noch aussteht (Gottfried Kreuz), Datierungen philologisch hinterfragen (Angela Kinney) sowie Text-Bezüge aufzeigen und interpretieren (Christine Ratkowitsch und Dorothea Weber). Damit sind Forschungen repräsentiert, die entweder direkt am CSEL beheimatet sind oder den derzeit am CSEL gesetzten Schwerpunkten nahestehen; ergänzend beleuchtet ein Beitrag (Christine Harrauer) eine Episode aus der Frühzeit des CSEL und steht stellvertretend für das reiche Archivmaterial dieser Einrichtung, das seiner Aufarbeitung noch harrt. Abschließend sei den Autoren der Beiträge für die Mitarbeit an diesem Sammelband herzlich gedankt. Besonderer Dank gilt aber unserem ehemaligen Obmann Kurt Smolak für seine Tätigkeit am CSEL – zu seinem 70. Geburtstag sei ihm dieser Band mit unseren besten Wünschen gewidmet!

Wien/Salzburg, im Frühjahr 2014

die Mitarbeiter des CSEL Victoria Zimmerl-Panagl

Lukas J. Dorfbauer

Clemens Weidmann

150 Jahre Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum Am 24. Februar 1864 von der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien gegründet, um durch kritische Editionen der Werke der lateinischen Kirchenväter die lexikographische Arbeit des damals im Planungsstadium befindlichen Thesaurus linguae Latinae auch für die Spätantike auf ein sicheres Fundament zu stellen, steht das CSEL in einer Reihe mit anderen Langzeitprojekten, etwa den zwei großen Editionsunternehmen „Monumenta Germaniae Historica“ und „Berliner Corpus der griechischen christlichen Schriftsteller der ersten Jahrhunderte“. Dass sich Berlin der griechischen Patristik annahm, die Wiener ‚Kirchenväterkommission‘ hingegen der lateinischen, reflektiert die konfessionellen Unterschiede: Das katholische Österreich war stärker der lateinischen Tradition verbunden als das protestantische Preußen. In dem Bemühen, die neuen Editionen auf breiter handschriftlicher Grundlage zu erstellen, publizierte das CSEL bereits ein Jahr nach seiner Gründung einen ersten Katalog der älteren Handschriften der lateinischen Kirchenväter und im Jahr darauf, 1866, die erste Edition: Sulpicius Severus, dessen Werk mit Ausnahme der reichlich bezeugten Vita S. Martini nur in einem einzigen Codex erhalten ist, ebenso wie beispielsweise Arnobius’ Adversus nationes, was bald darauf im dritten Band publiziert wurde. Mit dieser Vorgangsweise konnte das zeitaufwendige Suchen von Handschriften und Kollationieren anfänglich zugunsten eines raschen Publikationsstarts vermieden werden. Doch obwohl die nächsten Bände eine wesentlich breitere handschriftliche Überlieferung zu berücksichtigen hatten, wurde das hohe Arbeitstempo bis in den Beginn des 20. Jahrhunderts durchgehalten: Neben Katalogen zu Handschriften mehrerer europäischer Länder waren bis dahin knapp über 60 Bände erschienen, die zum Teil heute noch als führende Editionen gelten: Etwa zwei Drittel sind entweder noch zu berücksichtigen oder stellen überhaupt die beste oder jedenfalls die einzige moderne Ausgabe dar. Dieser fruchtbaren Arbeitsperiode, in die beispielsweise die epochalen Ambrosius-Editionen Karl Schenkls (CSEL 32/1.2.4) und die magistralen Augustinus-Editionen Alois Goldbachers (CSEL 34/1.2; 44; 57), Michael Petschenigs (CSEL 51–53) und Joseph Zychas (25; 28/1.2; 41) fielen, setzte der Erste Weltkrieg ein Ende: Nicht nur fehlte nun Geld für den Druck weiterer Bände, auch hatte der Krieg unter den Editoren Opfer gefordert; von diesen Verlusten konnte sich die Kommission lange nicht erholen. Trotz ausländischer Finanzierungshilfe war das CSEL bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs erst bei Band 69 angelangt. Die NS-Zeit überstand die Kommission, indem sie sich kurzerhand von ‚Commission zur Herausgabe eines Corpus kritisch berichtigter Texte der lateinischen Kirchenväter‘ in ‚Kommission zur Herausgabe spätlateinischer Texte‘ umbenannte und dadurch ihre Arbeit relativ unbehelligt fortführen konnte. Die Bilanz dieses Krieges fiel auch für das CSEL erschreckend aus: Walter Jacob beispielsweise,

X | 150 Jahre Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum

der an der Edition von Cassiodors Historia ecclesiastica tripartita gearbeitet hatte, zählte ebenso zu den Opfern wie Karl Holl; das Manuskript seiner Hilarius-Edition ist verschollen. Es mangelte an qualifizierten Editoren und an Geld. Doch Wirtschaftsaufschwung und kluger Forschungspolitik ist es zu verdanken, dass das CSEL nicht nur überlebt hat, sondern seit 1964 tendenziell zunehmend über wissenschaftliches Personal verfügt; auswärtige Editoren können daher in ihrer Arbeit tatkräftig unterstützt und Editionen auch durch das Mitarbeiterteam erstellt werden. Die in den darauf folgenden Jahren initiierten Nebenprojekte, nämlich die Specimina Lexici Augustiniani (mittlerweile eingestellt), begleitende Monographien und vor allem die Reihe der Kataloge aller Handschriften mit echten und unechten Augustinuswerken haben die eigentliche Editionsarbeit unterstützt und ihr wichtige Impulse gebracht. Einer der Editionsschwerpunkte liegt derzeit auf Augustinus: Abgesehen von Einzeleditionen jener Werke, die bis dato nur in unkritischen Ausgaben aus dem Ende des 17. Jhs. vorliegen, wird in Zusammenarbeit mit dem ‚Istituto Patristico Augustinianum’ (Rom) das umfangreiche Corpus der Enarrationes in psalmos Augustins ediert. Intensive Editionstätigkeit galt und gilt ferner dem Œuvre des Ambrosius; für beide Autoren sind auch neu erstellte Zweiteditionen in Arbeit, die veraltete CSEL-Bände ersetzen wollen. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf Mönchsregeln. Als Folge des verstärkten wissenschaftlichen Personalstands sind dem Unternehmen ansehnliche Neufunde gelungen: im Zuge der Arbeit an Handschriftenkatalogen die Entdeckung 27 neuer Briefe (Epistulae Divjak, CSEL 88) sowie sechs neuer Predigten Augustins (sermones Erfurt, WSt 121 und 122) und gegen Ende des Jahres 2012 des vollständigen Textes des Evangelienkommentars Fortunatians. 1864 hatte die Kaiserliche Akademie das CSEL einem Leitungsgremium anvertraut, das aus vier Professoren der Wiener Universität bestand: den Klassischen Philologen Hermann Bonitz und Johannes Vahlen, dem Historiker Albert Jäger und dem Slawisten Franz Miklosich (der betreffende Abschnitt aus dem Gründungsprotokoll ist auf Seite XI wiedergegeben). Bis in die Mitte des Jahres 2012 war daher für die Arbeit an der ‚Kommission zur Herausgabe eines Corpus der lateinischen Kirchenväter (CSEL)‘ die Organisationsstruktur der Akademie der Wissenschaften maßgeblich: Als wissenschaftliche Kommission wurde sie von einem Obmann geleitet, der Akademiemitglied und (mit wenigen Ausnahmen) Professor für Klassische Philologie an der Universität Wien war. Als Obmänner fungierten: 1864–1874: Johannes Vahlen 1875–1891: Franz von Miklosich (Slawist) 1891–1907: Wilhelm von Hartel 1907–1916: Wilhelm Meyer-Lübke (Romanist und Sprachwissenschaftler) 1916–1941: Edmund Hauler 1941–1963: Richard Meister 1964–1982: Rudolf Hanslik

150 Jahre Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum | XI 

1982–1991: Herbert Hunger (Byzantinist) 1991–2001: Adolf Primmer 2001–2012: Kurt Smolak Der Transfer des CSEL im Sommer 2012 an die Universität Salzburg garantiert Kontinuität in der Forschung und markiert einen organisatorischen Neuanfang, zu dem auch der Verlagswechsel gehört: Das CSEL wird in Hinkunft bei De Gruyter erscheinen. Damit sind die Weichen für eine erfolgreiche Weiterarbeit gestellt: An spannenden und lohnenden Aufgaben herrscht kein Mangel. Wien/Salzburg, im Frühjahr 2014

Dorothea Weber (Leiterin des CSEL)

… In Folge dessen ernennt der Präsident zu Mitgliedern der ständigen Commission die Herren: Bonitz, Jäger, Miklosich und Vahlen, und der Secretär wird beauftragt das Petitum die Pauschalsumme von 1000 fl. dazu zu bewilligen, im Namen der Classe an die GesammtAkademie zu stellen. Dr. Theodor Georg von Karajan Dr. Ferdinand Wolf Auszug aus dem Protokoll (Nr. C 482) der Sitzung der philosophisch-historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien am 24. Februar 1864.

Abkürzungsverzeichnis Zeitschriften AJPh ALMA A&R AU AugStud BLE ByzZ CFC(L) CQ CR EME FM HThR JbAC JECS L&S MEFR NA NTS P&P RBen RBPh RBS RCCM REAug RecAug REL RHEF RhM RHR RPh RSPh RThAM SE StP TAPhA ThLZ VChr WSt ZAC ZKG ZNTW

American Journal of Philology Archivum Latinitatis Medii Aevi Atene e Roma Der Altsprachliche Unterricht Augustinian Studies Bulletin de Littérature Ecclésiastique Byzantinische Zeitschrift Cuadernos de Filología Clásica. Estudios Latinos Classical Quarterly Classical Review Early Medieval Europe Filologia Mediolatina Harvard Theological Review Jahrbuch für Antike und Christentum Journal of Early Christian Studies Lingua e Stile Mélanges de l’École Française de Rome (Mélanges d’Archéologie et d’Histoire) Neues Archiv der Gesellschaft für Ältere Deutsche Geschichtskunde New Testament Studies Past and Present: A Journal of Historical Studies Revue Bénédictine Revue Belge de Philologie et d’Histoire Regulae Benedicti Studia Rivista di Cultura Classica e Medioevale Revue des Études Augustiniennes et Patristiques Recherches Augustiniennes Revue des Études Latines Revue d’Histoire de l’Église de France Rheinisches Museum für Philologie Revue de l’Histoire des Religions Revue de Philologie, de Littérature et d’Histoire Anciennes Revue des Sciences Philosophiques et Théologiques Recherches de Théologie Ancienne et Medievale Sacris Erudiri Studia Patristica Transactions of the American Philological Association Theologische Literaturzeitung Vigiliae Christianae Wiener Studien Zeitschrift für Antikes Christentum Zeitschrift für Kirchengeschichte Zeitschrift für Neutestamentliche Wissenschaften

XIV | Abkürzungsverzeichnis

Reihen, Nachschlagewerke, Lexika und Datenbanken AASS ADB AL BHL CCCM CLA CPL CPPM CCSL CSEL DBI DIP GCS GW HbdA HÜWA Lampe Liddell-Scott LLT LMA MGH AA SRM MW NBW NDB Niermeyer ÖAW, SBph ÖBL PG PL PLRE RAC SChr ThlL TRE VIÖG

Acta Sanctorum Allgemeine Deutsche Biographie Augustinus-Lexikon Bibliotheca Hagiographica Latina Corpus Christianorum, Continuatio Mediaevalis Codices Latini Antiquiores Clavis Patrum Latinorum Clavis Patristica Pseudepigraphorum Medii Aevi Corpus Christianorum, Series Latina Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum Dizionario Biografico degli Italiani Dizionario degli Istituti di Perfezione Die Griechischen Christlichen Schriftsteller der ersten Jahrhunderte Gesamtkatalog der Wiegendrucke Handbuch der Altertumswissenschaften Die handschriftliche Überlieferung der Werke des heiligen Augustinus A Patristic Greek Lexicon, ed. by G. W. H. Lampe Greek-English Lexicon, by H. G. Liddell and R. Scott Library of Latin Texts Lexikon des Mittelalters Monumenta Germaniae Historica Auctores Antiquissimi Scriptores Rerum Merovingarum Mittellateinisches Wörterbuch Nationaal Biografisch Woordenboek Neue Deutsche Biographie Jan F. Niermeyer, Mediae Latinitatis lexicon minus Österreichische Akademie der Wissenschaften, Sitzungsberichte der philosophischhistorischen Klasse Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 Patrologia Graeca Patrologia Latina The Prosopography of the Later Roman Empire Reallexikon für Antike und Christentum Sources Chrétiennes Thesaurus linguae Latinae Theologische Realenzyklopädie Veröffentlichungen des Institutes für Österreichische Geschichtsforschung

Namen und Werke lateinischer bzw. griechischer Autoren sind (wenn nicht anders angegeben) abgekürzt nach dem ThlL oder MW bzw. Liddell-Scott oder Lampe

Abkürzungsverzeichnis

Textkritische Abkürzungen ac. add. corr. delib. mg. om. pc. tr. vl. / varr. ll.

ante correctionem addidit (addiderunt) correxit (correxerunt) deliberavit (deliberaverunt) (in) margine omisit (omiserunt) post correctionem transposuit (transposuerunt) varia lectio / variae lectiones

| XV 

Inhaltsverzeichnis 150 und 70. Ein Vorwort | VII 150 Jahre Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum | IX Abkürzungsverzeichnis | XIII Claudio Micaelli L’exordium del De pudicitia di Tertulliano: fortuna letteraria e questioni esegetiche e critiche nei secoli XVI/XVII | 1 Lukas J. Dorfbauer Neue Zeugnisse für die Überlieferung und Rezeption des Evangelienkommentars des Bischofs Fortunatian von Aquileia | 17 Christine Ratkowitsch Diebe in der Nacht Motivgeschichtliche Überlegungen zum Großen Sonnenhymnus Echnatons und zum Morgenhymnus Aeterne rerum conditor des Ambrosius | 41 Roberto Palla L’eccezione non fa la regola (Greg. Naz. epigr. 21–23, PG 38, 94/95) | 55 Dorothea Weber Paulus und Antonius in der Wüste Überlegungen zu Hieronymus’ Paulusvita | 65 Franco Gori Tradizione e critica testuale degli scritti patristici latini: Il caso delle Enarrationes in Psalmos 110–118 di Agostino | 81 Volker Henning Drecoll Gespaltene Überlieferung oder spätere Emendation? Überlegungen zur Edition von Augustins De gratia et libero arbitrio | 101 Clemens Weidmann Zwei Weihnachtspredigten des Eucherius von Lyon | 111 Danuta Shanzer Hell, the Resurrection, and Last Things: Philology in Orientius’ Afterworld | 139

XVIII | Inhaltsverzeichnis

Angela Kinney An Appeal Against Editorial Condemnation: A Reevaluation of the Vita Apollinaris Valentinensis | 157 Hildegund Müller Zu einigen problematischen Passagen in der sogenannten Vita (vel regula) Pacomii iunioris | 179 Albrecht Diem … ut si professus fuerit se omnia impleturum, tunc excipiatur. Observations on the Rules for Monks and Nuns of Caesarius and Aurelianus of Arles | 191 Victoria Zimmerl-Panagl Elegi pauca e plurimis … Editorische Fragestellungen zur Regula Donati, dem Fragment einer Nonnenregel (CPPM II 3637) und Columban | 225 Gottfried E. Kreuz Helcana de Ramatha … Eine unedierte Regum-Dichtung aus dem 12. Jh. | 253 Franz Römer Augustinus eremita? Streiflichter aus dem Dauerstreit über ein monastisches Aition | 267 Christine Harrauer „ … die Akademie ist in eine sehr fatale Lage gekommen.“ Schlaglichter aus den Anfängen des CSEL | 289

Indices Stellenindex | 313 Personen (Auswahl) | 320 Handschriften | 321

Claudio Micaelli

L’exordium del De pudicitia di Tertulliano: fortuna letteraria e questioni esegetiche e critiche nei secoli XVI/XVII A venti anni di distanza dalla pubblicazione dell’edizione commentata del De pudicitia di Tertulliano, frutto della nostra collaborazione con Charles Munier,1 al quale va il nostro commosso ricordo, con il presente contributo intendiamo affrontare alcune questioni esegetiche e critiche meritevoli, a nostro avviso, di ulteriori approfondimenti. La nostra attenzione si soffermerà, in primo luogo, sul primo capitolo del trattato ed in particolare sul suo ben noto exordium, giustamente celebrato da E. Norden come uno dei più alti esempi della prosa d’arte tertullianea.2 Proprio ad alcune espressioni dell’exordium è toccata la singolare sorte di costituire una delle rarissime citazioni esplicite di Tertulliano da parte di un autore medievale: si tratta, nella fattispecie, di Pascasio Radberto, il quale, nella sua Vita Sancti Adalhardi, menziona in termini altamente elogiativi due brevi brani tratti dalla celebrazione della pudicitia con la quale il Cartaginese apre il suo trattato polemico.3 Il grande esperto di letteratura medievale P. Lehmann ipotizzava, sia pure con molta cautela, una possibile utilizzazione, da parte di Pascasio, di un florilegio di sententiae, ma a dire il vero non ci pare necessario il ricorso ad una simile ipotesi, in quanto il De pudicitia faceva parte, come il De ieiunio, della collezione di opere tertullianee definita come Corpus Corbeiense, per cui non c’è da stupirsi del fatto che l’abate di Corbie ne avesse conoscenza.4 E’ comunque degno di nota il fatto che due delle opere del Cartaginese maggiormente caratterizzate da una violenta polemica contro la Chiesa cattolica siano oggetto di attenzione da parte di un religioso come Pascasio, il quale, peraltro, opera una lettura molto selettiva, cogliendo dagli scritti di Tertulliano soprattutto delle efficaci sententiae, la cui frequente ricorrenza nelle || 1 MUNIER – MICAELLI, Tertullien (SCh 394/395). 2 Cf. NORDEN, Antike Kunstprosa 2, 613. 3 Cf. Radbert. Adalh. 33 (PL 120, 1526C/D): Est autem pudicitia virtus, qua feliciter ut probatur coronari meruit, velut Tertullianus facundissimus ait ita dicens: Flos morum, honor corporum, decor sexus, integritas sanguinis, fides generis, fundamentum santitatis, praeiudicium omnibus bonae mentis. Ac deinde, Quanquam rara, inquit, nec facile perfecta vixque perpetua. 4 Cf. LEHMANN, Tertullian im Mittelalter. – In un nostro precedente lavoro (MICAELLI, Ricerche, in particolare: 135) avevamo notato la presenza, nella Vita Sancti Adalhardi di Pascasio, di una ripresa di Tert. ieiun. 1,1 (monstrum scilicet haberetur libido sine gula, cum duo haec tam unita atque concreta sint, ut si disiungi omnino potuissent, ipsi prius ventri pudenda non adhaererent). Cf. Radbert. Adalh. 43 (PL 120, 1531B/C): Videbat enim et praevidebat iam senex pater hoc in tempore miseram humani generis vitam deliciis annullari, … ventris ingluviem sequi, et libidine coronari; quia, inquam, monstrum videri posset, si gula sine luxu aut luxus sine gula regnaret. Heu quam misera conditio ventris, qui talium affinitate partium cohaerens utroque cluditur fine …

2 | Claudio Micaelli

opere dell’autore africano era già stata messa in luce da Girolamo.5 Quello che intendiamo porre in evidenza è il fatto che il De pudicitia, anche e soprattutto dopo l’inizio della sua diffusione attraverso la stampa degli Opera Omnia di Tertulliano, è stato fatto oggetto di un tipo di lettura assolutamente analogo, costituendo un vero e proprio repertorio di sententiae per eruditi, filosofi, teologi e predicatori. Una delle prime esplicite citazioni di un brano abbastanza ampio, ricavato dall’exordium del De pudicitia, si registra nel 1568, a poco più di venti anni dalla editio princeps del trattato. In quell’anno Petrus Morellus Turonensis (Pierre Moreau Tourangeau) dava alle stampe, a Parigi, la sua traduzione latina del Sermo catecheticus maior di Gregorio Nisseno (vd. bibliografia), preceduta da una lettera dedicatoria, indirizzata al Pontefice Pio V., nella quale l’erudito francese, con accenti di profondo turbamento, lamenta la triste situazione della Francia, funestata dalle guerre di religione. Per descrivere la generale decadenza dei costumi il Moreau chiama in causa la testimonianza di Tertulliano: 6 Sed quis sit rerum status vides, is nimirum, quem post tot sacrarum literarum oracula sic deplorat Tertullianus, miroque Laconismo rem acu attingit. Dopo l’interessante apprezzamento per la concisione stilistica di Tertulliano segue la citazione di pudic. 1,1/2, da omne animi a iura, dopo la quale l’erudito francese prorompe in espressioni di altissimo elogio, aggiungendo, alla citazione del brano tertullianeo, due riferimenti a Cicerone e Virgilio rispettivamente:7 O sententiam vere auream, quaeque malorum omnium, quibus subinde afflictantur homines, causam paucis aperit! Hinc scilicet illae temporum nostrorum lacrymae, hinc haec Helena. Hinc inter eos, quos mutua iungere deberet charitas, et in Mahumetanos canes concordibus animis armare, odia, prò dolor! plus quam Vatiniana exoriuntur. Hinc, quod ipse quoque Cicero deplorat Ennianis versibus: Pellitur e medio sapientia, vi geritur res. Spernitur orator bonus, horridus miles amatur.8 Hinc denique deploranda Galliae nostrae calamitas, et brevi affutura, nisi Deus hoc omen avertat, ἀναρχία, quae iura omnia divina et humana subvertat. – undique totis Usque adeo turbatur agris9 – …

Dopo questa testimonianza di Pierre Moreau, importante ma, tutto sommato, ristretta ad una cerchia limitata di lettori, è negli Essais di Montaigne che troviamo due citazioni di sententiae ricavate dal primo capitolo del De pudicitia, senza che venga fatto il nome del Cartaginese. La prima di esse riprende alcune espressioni dello stesso brano citato dal Moreau, ma le inserisce in un contesto ben diverso, nel quale || 5 Cf. Hier. epist. 58,10: Tertullianus creber est in sententiis, sed difficilis in loquendo. 6 MORELLUS, Gregorii Nysseni liber, A iijr. 7 Ibid., A iijv. 8 Cf. Cic. Mur. 30: Etenim, ut ait ingeniosus poeta et auctor valde bonus, proeliis promulgatis ‘pellitur e medio’ non solum ista vestra verbosa simulatio prudentiae, sed etiam ipsa illa domina rerum, ‘sapientia; vi geritur res, spernitur orator’ non solum odiosus in dicendo ac loquax, verum etiam ‘bonus; horridus miles amatur’, vestrum vero studium totum iacet. 9 Verg. ecl. 1,11/12.

L’exordium del De pudicitia di Tertulliano | 3

il pensatore francese dichiara di non considerare cosa molto importante l’avere una discendenza: “Je me contente d’estre en prise de la fortune, par les circonstances proprement necessaires à mon estre, sans luy alonger par ailleurs sa jurisdiction sur moy; et n’ay jamais estimé qu’estre sans enfants fust un defaut qui deust rendre la vie moins complete, et moins contente. La vacation sterile a bien aussi ses commoditez. Les enfans sont du nombre des choses qui n’ont pas fort dequoy estre desirées, notamment à cette heure qu’il seroit si difficile de les rendre bons. Bona jam nec nasci licet, ita corrupta sunt semina.”10

Notiamo, per inciso, che l’umanista francese avrebbe potuto trovare argomenti ancora più espliciti circa il rifiuto della generazione in un’altra opera del Cartaginese, vale a dire nel De exhortatione castitatis, dove Tertulliano, parlando della importunitas liberorum, dichiara che sapiens quisque numquam libens filios desiderasset (castit. 12,5). Una seconda citazione dal primo capitolo del De pudicitia è frutto, come la prima, di un intervento di Montaigne sul testo della edizione parigina degli Essais del 1588: entrambe compaiono nella edizione pubblicata postuma a Parigi nel 1595. Ancora una volta è una sententia di Tertulliano ad attirare l’attenzione dell’umanista: “Et s’est trouvé nation où, pour endormir la concupiscence de ceux qui venoient à la devotion, on tenoit aux temples des garses à jouyr, et estoit acte de ceremonie de s’en servir avant venir à l’office. Nimirum propter continentiam incontinentia necessaria est; incendium ignibus exstinguitur.”11

Ben presto la conoscenza del De pudicitia da parte di letterati e filosofi si estese al di fuori dei confini della Francia, dove aveva visto la luce l’editio princeps; rimase costante, peraltro, l’interesse per l’exordium dell’opera, a riprova dell’apprezzamento squisitamente letterario per una delle parti dell’opera più elaborata artisticamente. Un interessante esempio di traduzione e rielaborazione in lingua inglese si trova nella celebre opera di Robert Burton (1577–1640): The Anatomy of Melancholy, nella quale l’esplicito richiamo a Tertulliano avviene nell’ambito dell’analisi della melanconia amorosa. La citazione del De pudicitia, peraltro fortemente modificata ed avulsa dal contesto, diventa funzionale ad esprimere lo scetticismo dell’autore circa la possibilità di vivere castamente: “In the isle of Maragnan the Governour and petty King there did wonder at the Frenchmen, and admire how so many Friers, and the rest of their company could live without wives, they thought it a thing unpossible, and would not believe it. || 10 Montaigne, Essais, III, 9, (ed. VILLEY – SAULNIER, Essais, 998). Il cosiddetto ‘esemplare di Bordeaux’ è la copia con le annotazioni autografe di Montaigne, conservata presso la Bibliothèque Municipale di Bordeaux. 11 Montaigne, Essais, III, 5 (ed. VILLEY – SAULNIER, Essais, 858).

4 | Claudio Micaelli

If these men should but survey our multitudes of religious houses, observe our numbers of Monasteries all over Europe, … what would they think, do they live honest? Let them dissemble as they will, I am of Tertullians minde, that few can containe but by compulsion. O chastity (saith he) thou art a rare Goddess in the world, not so easily got, seldom continuate: Thou maist now and then bee compeld either for defect of nature, or if discipline perswade, decrees enforce: or for some such by-respects, sullenness, discontent, they have lost their first loves, may not have whom they will themselves, want of meanes, rash vowes, &c. But can he willingly containe? I think not.”12

E’ ipotizzabile che questa strana citazione di Tertulliano, ben poco fedele alla lettera del testo del De pudicitia,13 sia una sorta di rielaborazione mnemonica di un testo delle Observationum Historico-Politicarum Decades del tedesco Michael Piccart (1574–1620), i cui figli diedero alle stampe nel 1621, vale a dire nell’anno della pubblicazione del capolavoro di Burton, l’opera del padre arricchita di alcune Decades postume. Non è da escludere che Burton abbia avuto conoscenza della tredicesima Decas, il cui quinto capitolo è dedicato dal Piccart alla celebrazione degli esempi di castità e continenza offerti dalle donne e dagli uomini. Il letterato e filosofo tedesco conclude la sua esposizione degli esempi da lui raccolti esaltando la pudicizia con le parole impiegate da Tertulliano in apertura del suo trattato: Tantum in viris quoque potuit pudicitia, flos ille morum, honor corporum, decus sexuum, integritas sanguinis, fides generis, fundamentum sanctitatis, praejudicium omnis bonae mentis: Rara tu quidem es, ô Dea, in his terris, nec facile perfecta, rarius perpetua, tamen aliquatenus cogi intra humani pectoris angustias potes, si natura tibi praestruxerit, si disciplina persuaserit, si censura compresserit. quibus Tertulliani verbis recte me hic uti posse censeo.14

La ripresa e la rielaborazione puramente letteraria di brani dell’exordium del De pudicitia coinvolge, nei primi decenni del diciassettesimo secolo, un’altra singolare figura di letterato, nato in Francia ma scozzese di origine: si tratta di John Barclay (1582–1621), autore di opere latine in poesia e prosa, morto nel 1621 a Roma, dove era stato accolto con onore e amicizia dalla famiglia Barberini. Tra i lavori da lui composti durante la sua breve vita uno, in particolare, interessa il nostro soggetto, vale a dire la Virtus vindicata: sive Polieni Rhodiensis satyra, uno scritto nel quale è

|| 12 BURTON, Anatomy of Melancholy, Par. 3, Sect. 2, Memb. 5, Subs. 5, p. 260/261. 13 Circa il modo in cui Burton citava le proprie fonti riteniamo utile riportare alcune osservazioni di BENSLY, Robert Burton, 250: «It is obvious that Burton’s modus operandi was not always the same. He often quotes from memory; there are places, apparently, where the book from which he cites lay open before him; at times, he made use of memoranda. In his introduction, he represents himself as writing ‘out of a confused company of notes.’ Several books containing his autograph show strokes of the pen against words or passages utilised in The Anatomy.» 14 PICCART, Observationum historico-politicarum Decades, 33.

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palese l’imitazione del Satyricon di Petronio sia nella ripresa di situazioni tipiche sia nella forma narratologica, nella quale sono inserite lettere scritte da un personaggio all’altro, in modo analogo a quanto avviene nel romanzo latino. Una di queste lettere, indirizzata da Cloris a Osyris, termina con un esplicito invito amoroso da parte della donna: Veni ergo, hac nocte in Cloridis tuae sinu amorabunde moriturus. Subito dopo la conclusione della lettera la voce narrante commenta, con simulato moralismo, le audaci espressioni impiegate dalla donna, additandole ad esempio della corruzione generale dei costumi. In questa ‘filippica’ è tacitamente utilizzato il De pudicitia di Tertulliano: Hoc est mulierum huius aevi apertum idioma, sic loquitur earum numquam in his amplexibus satiata libertas. Contraria huic sceleri virtus aut nasci debet, aut erudiri, aut cogi: sed ut vitia virtutem in vinculis habent, nec nasci eam licet, ita corrupta sunt semina, nec erudiri, ita deserta studia, nec cogi ita exarmata sunt iura: denique eo usque iam exolevit libidinum, si quae olim erat moderatio, ut nihil hodie mage sit adolescentibus gloriosum, quam in alienam segetem incurrere, dum sibi earum voluntates devinciunt quas sciunt iure gentium, legisque necessitate aliis mancipatas.15

Nel medesimo contesto si individua l’utilizzazione, da parte del Barclay, di un’altra opera di Tertulliano, vale a dire il De cultu feminarum, dalla quale mutua alla lettera certe espressioni di condanna della cosmesi femminile: … cutem medicaminibus ungunt, genas rubore maculant, oculos fuligine collinunt, sinum dealbant adulterinis aquis, et ita te omnium artificem rident, haec vides, inquam, et pateris.16

Gli esempi sino ad ora presi in esame testimoniano un interesse prevalentemente rivolto agli aspetti letterari del trattato di Tertulliano, ma lo scritto del Cartaginese non tardò ad attirare l’attenzione di dotti uomini di Chiesa, che ne misero in luce le possibili utilizzazioni a fini omiletici. In relazione a questo tema una delle prime e più importanti figure è quella del vescovo Agostino Valier (1531–1606), tra i più impegnati, nel secondo Cinquecento, a realizzare la riforma voluta dal Concilio di Trento: in questo impegno, religioso e culturale insieme, ebbe l’appoggio e l’amicizia di un altro grande protagonista della vita religiosa del suo tempo, l’arcivescovo di Milano Carlo Borromeo. Una delle più interessanti opere del Valier, volta a ridare alla predicazione dignità ed efficacia, è rappresentata dai Libri tres de Rhetorica || 15 BARCLAY, Virtus Vindicata, 144/145. L’opera è pubblicata senza l’indicazione del nome di Barclay, che si rivolge con lo pseudonimo di Polieno al re Luigi XIII. nella epistola dedicatoria (4r): Vale Rex deliciae imperij tui, et Polienum ama, natura tibi subditum, et genio undequaque mancipatum, si mancipium placet. Cf. anche QUÉRARD, Supercheries Littéraires, 200. 16 BARCLAY, Virtus Vindicata, 145/146. Cf. Tert. cult. fem. 2,5 l. 6–9: In illum enim delinquunt, quae cutem medicaminibus ungunt, genas rubore maculant, oculos fuligine porrigunt. Displicet nimirum illis Dei plastica, in ipsis se nimirum darguunt, et reprehendunt artificem omnium.

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ecclesiastica (vd. bibliografia)17 Il capitolo ventesimo del primo libro dell’opera è dedicato all’illustrazione del genus demonstrativum: De genere Demonstrativo, et descriptionibus quarundam christianarum virtutum. Tra le varie virtù cristiane delle quali è data una sommaria definizione la pudicitia compare come frutto della temperantia: Hae vero Temperantiae veluti filiae a sanctis viris laudantur, pudicitia, castitas et virginitas. Pudicitiam, Tertullianus sic describit, florem morum, honorem corporum, decorem sensuum [sic], integritatem sanguinis, fidem generis, fundamentum castitatis [sic].18

La citazione, come è facilmente verificabile, contiene due errori da imputare o ad un errore di memoria del Valier oppure, con maggiore probabilità, alla fretta con la quale fu allestita la prima edizione dell’opera, come l’autore stesso sembra far capire nel saluto indirizzato al pius lector.19 Il primo capitolo del De pudicitia si è presentato, nell’analisi fino ad ora condotta, come una riserva di sententiae che ha ispirato numerosi autori moderni sin dagli anni immediatamente successivi alla prima edizione a stampa del trattato. Non è solo il primo capitolo dell’opera, peraltro, ad avere questa caratteristica di ‘fornitore di sententiae’: notiamo, infatti, che uno dei primi e più grandi estimatori delle doti letterarie di Tertulliano, vale a dire Girolamo, non mancò di utilizzare, in un contesto esegetico, uno spunto ricavato da quella stessa opera che egli non mancò di criticare duramente nella epistola 21 a Damaso. Commentando Mt. 7,1s., infatti, il Dottore di Stridone così scrive: Nolite iudicare, ut non iudicemini. Si iudicare prohibet, qua consequentia Paulus in Corintho iudicat fornicantem, et Petrus Ananiam et Sapphiram mendacii coarguit? Sed ex consequentibus quid prohibuerit, ostendit, dicens: quomodo enim iudicaveritis, sic iudicabitur de vobis. Ita non prohibuit iudicare, sed docuit.20

|| 17 Per una panoramica sulle varie edizioni dell’opera e per una analisi dei rapporti con l’insegnamento di Carlo Borromeo sulla predicazione si può consultare il recente saggio di LÓPEZ-MUÑOZ, Rhetorica Ecclesiastica, 177: «La datación de la obra se puede establecer con facilidad en torno a los años de 1570 ó 1571, ya que encontramos menciones de la toma de Nicosia y de su consecuencia, la batalla de Lepanto, así como también un intercambio epistolar de Valier y Borromeo en el que tratan distintos pormenores relativos a las revisiones que deben hacérsele al texto: …» 18 VALIER, Libri tres, biiij 13r. Sensuum e castitatis sono lezioni erronee per sexuum e sanctitatis. 19 VALIER, Libri tres, * ijv: Quod si unde unaquaeque SS. Patrum sententia depromeretur, non indicaverimus, Typographorum id adscribe festinationi, quae nobis invitis diutius quaerendi potestatem ademit. 20 Hier. in Matth. 7,1.

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La sententia finale e tutto il contesto argomentativo ci sembrano una evidente ripresa di pudic. 2,8s.21 Cornelius Jansen (1585–1638), che pure conosceva il testo del De pudicitia, nel proprio commento ai quattro Vangeli riporterà il passo geronimiano senza individuare, in esso, la fonte tertullianea.22 Dobbiamo però notare, a conclusione di questa prima parte del nostro contributo, che la prima citazione di una sententia tratta dall’exordium del De pudicitia si trova nella Expositio Virgilianae continentiae di Fulgenzio il Mitografo. Il brano che ci interessa è il seguente: Hos ergo gradus vivaciter intuere: quo sit ut supra diximus prima virtus animi naturaliter data quae proficiat – neque enim eruditur nisi quod erudibile nascitur –, secunda doctrina quae naturam ornat cum proficit, ut est aurum; est enim natura in auro productionis et decoris, sed ad perfectionem malleo proficit excudentis. Ita et ingenium natum est provectibile; proficit quia natum fuit; accedit felicitas ut prode sit quod proficit. Ergo et infantibus quibus haec nostra materia traditur isti sunt ordines consequendi, quia omne honestum docibile nascitur, eruditur ne naturae vacet commoditas, ornatur etiam ne donum doctrinae inane sit; unde et Plato trifarium humanae vitae instruens ordinem ait: ‘Omne bonum aut nascitur aut eruditur aut cogitur’ [pudic. 1,1]; nascitur quidem ex natura, eruditur ex doctrina, cogitur ex utilitate.23

Il primo ad individuare nel trattato di Tertulliano la possibile fonte di Fulgenzio fu, a quanto ci risulta, M. Zink, il quale riteneva che il mitografo africano avesse ravvisato, nelle parole del Cartaginese, un riferimento alla dottrina platonica, ipotesi avvalorata, secondo lo studioso tedesco, dal fatto che Tertulliano stesso sembra introdurre un concetto desunto da altra fonte e ritenuto come dottrina nota.24 L’ipotesi di Zink ci sembra alquanto plausibile: da parte nostra vogliamo aggiungere che Fulgenzio è stato verosimilmente indirizzato a ravvisare, nelle parole di Tertulliano,

|| 21 Ceterum iudicantibus quomodo Dominus comminetur ipse demonstrat: Quo enim iudicio iudicaveritis, iudicabitur de vobis. I t a n o n p r o h i b u i t i u d i c a r e s e d d o c u i t . Unde et apostolus iudicat et quidem in causa fornicationis, dedendum eiusmodi nomine satanae in interitum carnis, increpans etiam quod fratres non apud sanctos iudicarentur. 22 JANSEN, Tetrateuchus, 64: Unde Hieron. hic non prohibuit judicare, sed docuit. Un esplicito accenno al De pudicitia si trova alla pagina 460: Quod exemplar humanissimae pietatis tanti fecerunt Veteres, ut hanc immaginem pastoris, ovem in humeris reportantis, sacris calicibus insculperent, teste Tertull. De Pudicitia cap. 7 &10. 23 Fulg. Virg. cont. p. 90,3–17 (ed. R. HELM, Leipzig 1898). Da questo brano sembra dipendere Guglielmo di Conches nelle Glosae super Platonem 1,20 (ed. É. JEAUNEAU, Paris 1965, 80): Omne enim bonum aut nascitur aut discitur aut cogitur. Nascitur quod a natura, discitur quod a magistro, cogitur quod a studio habetur; cf. anche Glosae super Boetium in consol. 2,2 (CCCM 158, p. 102,10f.). 24 ZINK, Fulgentius, 85: «Uebrigens scheint auch Tertullian, nach der apodiktischen Einleitungsartikel si quidem zu urtheilen, die Stelle als einen allgemein angenommenen oder auf eine Autorität zurückgehenden Lehrsatz hinzustellen.» Per quanto è a nostra conoscenza questa indicazione di Zink era fino ad ora rimasta sconosciuta agli studiosi di Tertulliano, noi compresi.

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una dottrina platonica, dal confronto con quanto aveva scritto Mario Vittorino nel suo commento al De inventione di Cicerone, nel quale il nome di Platone era chiamato esplicitamente in causa per quanto concerne il problema dell’origine della virtù nell’uomo: Hanc virtutem Plato dicit nunc arte fieri, nunc cum hominibus nasci, nunc exercitatione confici, nunc a deo dari.25

Pur con alcune differenze ci pare che nel testo di Vittorino si trovino illustrate le varie modalità attraverso le quali si possiede la virtù, così come ce le hanno descritte Tertulliano e Fulgenzio: Vittorino, dunque, può avere avuto la funzione di intermediario ai fini della individuazione, nel testo del De pudicitia, della presenza di concezioni ascrivibili a Platone. *** 1) Prendiamo ora in esame un passo dell’exordium del De pudicitia al quale sono connesse alcune questioni testuali. Riportiamo il testo della più recente edizione critica, quella allestita da Ch. Munier (pudic. 1,6): Adversus hanc nunc, ne dissimulare potuissem, audio etiam edictum esse propositum, et quidem peremptorium.

Rispetto alla precedente edizione di Dekkers è stata preferita la congettura nunc, ne di Iunius, che modifica leggermente il testo del Gelenius (nuncne dissimulare potuissem?), intendendo l’edictum come emanato contro la pudicizia stessa (adversus hanc, sc. pudicitiam). Questa interpretazione ci sembra pienamente condivisibile, anche alla luce di alcune nuove considerazioni che qui presentiamo. Riteniamo probabile che Tertulliano stia usando un linguaggio ironicamente allusivo, intendendo dire che i suoi avversari, vale a dire gli psychici, nella persona di un non meglio precisato episcopus episcoporum, promettendo il perdono agli adulteri e ai fornicatori hanno agito in maniera diametralmente opposta a quanto avevano fatto gli antichi legislatori romani, che tale virtù avevano difeso con l’Edictum de adtemptata pudicitia.26 Negli scritti montanisti di Tertulliano non manca un esplicito riferimento, in chiave polemica, ad un’altra disposizione di legge in materia di morale sessuale, vale a dire la lex Scantinia, evocata nel De monogamia per stigmatizzare il com-

|| 25 Mar. Victorin. rhet. I, praef. (CCSL 132, p. 6,45–47). 26 Circa la datazione dell’editto in questione non c’è unanimità tra gli studiosi. DE LA PUERTA MONTOYA, Estudio, 52, ritiene che si possa solo affermare la sua posteriorità rispetto alla lex Scatinia, quest’ultima datata intorno al 220 a. C., mentre CANTARELLA, Secondo, 141–154, lo colloca prima del 193 a. C. sulla base del confronto con Plaut. Curc. 35–38, passo nel quale sarebbero elencate le categorie di persone tutelate dall’editto: Nemo ire quemquam publica prohibet via; / dum ne per fundum saeptum facias semitam, / dum ted abstineas nupta, vidua, virgine, / iuventute et pueris liberis, ama quid lubet.

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portamento di un vescovo ‘psichico’.27 Resta da precisare ulteriormente il senso da attribuire al verbo dissimulare: una interpretazione verosimile, a nostro avviso, può essere quella di riferire questo termine alla terminologia retorica. La dissimulatio, infatti, era il procedimento connesso alla insinuatio, vale a dire al tipo di exordium che cercava di affrontare l’argomento in modo indiretto ed allusivo, evitando di entrare immediatamente in contatto con la parte avversa.28 Il Cartaginese, dunque, intenderebbe dire che avrebbe potuto dimostrarsi più prudente nell’affrontare la questione, ma che ha scelto di non farlo perché l’offesa portata alla pudicizia è troppo grave: anche nella parte conclusiva dell’opera, del resto, lo sdegno personale dell’autore di fronte ad un atto giudicato indegno è indicato come la fonte di ispirazione dell’intervento polemico (pudic. 22,12: urget nos dicere indignitas). Alla luce di queste osservazioni saremmo favorevoli a conservare la lezione nonne del Mesnart, come ha fatto il Dekkers, accogliendo anche l’interpunzione proposta da Kroymann, che considera nonne dissimulare potuissem come un inciso parentetico in forma interrogativa.29 2) Il secondo passo oggetto del nostro esame è tra i più complessi del trattato per quanto attiene alla constitutio textus. Lo riportiamo secondo l’edizione di Ch. Munier (pudic. 6,15): Inhaerebat usquequaque libidinis virus et † lacteae sordes, non habentes, id onear quod nec ipsae adhuc aquae laverant.

Il brano riportato è stato al centro dell’attenzione di numerosi filologi i quali, fin dal sedicesimo secolo, hanno variamente tentato di dargli un senso plausibile esercitando una intensa attività congetturale, la quale, per la sua stessa ricchezza, non sempre è stata registrata, nelle edizioni critiche moderne, con la dovuta esattezza. Cercheremo dunque, in primo luogo, di reddere unicuique suum. Dall’esame dell’apparato critico delle edizioni di Dekkers e Munier la correzione congetturale lacteae sembrerebbe essere frutto della divinatio di Hartel, mentre dall’apparato di Reifferscheid – Wissowa si evince che tale correzione si deve allo Iunius e che l’emendamento di sortes in sordes, successivamente confermato dalla scoperta del Codex Vaticanus Latinus Ottobonianus 25, sarebbe stato ipotizzato dallo Scaligero e da

|| 27 Tert. monog. 12,6: … ille vester Utinensis nec Scantiniam timuit. 28 In proposito cf. Cic. inv. 1,20: Insinuatio est oratio quadam dissimulatione et circumitione obscure subiens auditoris animum. 29 Cf. KROYMANN, Quaestiones Tertullianeae, 78: «Etsi concederetur posse dici: dissimulare adversus alq. rem tamen particula interrogativa nonne omnino non quadraret ad sententiam. Tota difficultas sublata mihi videtur, si parva medela adhibita distinguimus: Adversus hanc – nonne dissimulare potuissent? – audio etiam edictum esse propositum etc.» Non accogliamo, peraltro, la correzione di potuissem in potuissent.

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Fulvio Orsini.30 L’espressione lacteae sordes, peraltro, si trova per la prima volta nelle note al testo di Tertulliano di Gabriel de L’Aubespine: Facilius est conjecturam Junii respuere, quam quidquam certius afferre: facilius quoque mentem Auctoris capere, quam ejus verba asserere: tentamus tamen et legimus, lacteae sordes non labentes idoneae: ait sordes lacteas (alludens scilicet ad lacteum ficus humorem) quas Adam peccando et sese tegendo contraxerat, quibusque caeteros mortales infecit, idoneas fuisse ad peccandum: atque ob hanc causam et quod Baptismo non delerentur, peccatores olim facilem delictorum suorum veniam invenisse: qui sensus confirmat ea quae reposuimus: …31

La congettura di de L’Aubespine appare accolta nel Tertullianus redivivus di George d’Amiens:32 Inhaerebat usquequaque libidinis virus et lacteae sordes non ablui idoneae, quod nec ipsae adhuc aquae laverant.33 L’erudito francese così giustificava la scelta testuale da lui operata: Ita plane legendum, cum ita Hieronymus, egregius Septimii explorator imitatorque, bis terve legerit, et ad idem institutum temperaverit.34 Non è chiaro a quali passi geronimiani si riferisca lo studioso, ma è possibile che egli avesse in mente i medesimi brani indicati dal Gronovius, che coglie una possibile allusione al De pudicitia nella Epistola ad Eustochium: Sic et Hieronymus ad Eustochium: Crescite et multiplicamini, hoc expletur edictum post paradisum, et nuditatem, et ficus folia, auspicantia pruriginem nuptiarum. Censeo scribendum esse: Inhaerebat usquequaque libidinis virus, et caecae sordes, non ablui idoneae. Hoc est, occultae, internae, atque, ut ipse dixit, inhaerentes. … His abluendis non sufficiebat aqua, sordes quidem externas purgare pollens, sed ipsa quoque caecis quibusdam conspurcata sordibus, antequam iisdem Christi baptismate purgaretur. Etenim errant, qui coniunctionem Quod ceu pronomen respondens τῷ virus accipiunt. Sensus est Patribus summe frequentatus, Christi bap-

|| 30 Cf. REIFFERSCHEID – WISSOWA, Tertulliani Opera (CSEL 20), 230. 31 L’AUBESPINE, Opera Varia, 261/262. 32 Si deve rilevare, tuttavia, che il Rigaltius, Observationes, 121s., pur conservando nel testo della sua edizione la lezione iactae sordes, tuttavia nelle note di commento dimostra di avere anch’egli formulato, in maniera indipendente, la medesima correzione congetturale: Haesisse autem pudendis ipsorum, atque inde posterorum, lacteas sordes, libidinis maculas; nec ablui potuisse, priusquam advenisset Christus, quia scilicet nec ipsae aquae adhuc laverant, nondum baptismo Christi medicatae fuerant. Itaque nondum erant idoneae sordibus id genus eluendis. IACTAE SORDES non ablui idoneae.] Haec scriptura est veterum exemplarium quae vidit Ursinus. Antea legebatur, et lactae sortes non habentes idoneae. Unde et Ursini exemplaria fortean emendari sic possint, et lacteae sordes. Alludit enim Septimius ad humorem qui de foliis ficulneis, sive, ut mox dicit, de lasciviae frondibus exsudat. 33 D’AMIENS, Tertullianus redivivus, 676. 34 Ibid., 681.

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tismum santificasse aquas, et coecis illis atque arcanis peccati nativi sordibus abluendis una cum S. Spiritu, idoneas effecisse.35

La correzione proposta dal Gronovius, caecae, sarà recepita nella edizione veneziana delle opere di Tertulliano curata nel 1696 da Girolamo Albrizzi, per quanto deformata dagli errori tipografici dei quali l’edizione in oggetto è cosparsa.36 Le osservazioni conclusive del Gronovius, relative alla struttura sintattica del brano, chiamano in causa l’edizione di C. Munier, che intende quod come pronome e propone una interessante congettura (id onear),37 traducendo il passo nel modo seguente: «Partout, s’attachaient à elle le poison de la volupté et les souillures laiteuses, faute de posséder “la plante des ânes”, que les eaux non plus n’avaient encore lavée.»38 L’emendamento proposto dallo studioso francese, indubbiamente ingegnoso e paleograficamente plausibile, introduce un termine raro, onear, attestato solamente in Plinio il Vecchio, presso il quale, peraltro, costituisce un hapax.39 Ciò che può sollevare qualche dubbio non è, ovviamente, la possibilità che Tertulliano conoscesse il testo pliniano, quanto piuttosto le difficoltà di comprensione che il termine avrebbe incontrato tra i destinatari dell’opera. E’ ben vero che il Cartaginese non è alieno dai riferimenti dotti, ma in questo caso l’allusività intertestuale ci apparirebbe alquanto criptica. Vogliamo ricordare, inoltre, che negli scritti di Tertulliano un nesso preciso tra le sordes e il lavacro battesimale è chiaramente attestato anche in scorp. 12,10: Sordes quidem baptismate abluuntur, maculae vero martyrio candidantur. La distinzione tra sordes e maculae è perfettamente analoga a quella che leggiamo in pudic. 16,24: Hoc ei [sc. Paulo] supererat, carnem vel a sordibus purgare, a maculis enim non potest. La congettura di Munier è stata criticata da P. Hamblenne, che la considera «une médication drastique»,40 ma la soluzione da lui proposta è, al confronto, un vero e proprio intervento di chirurgia plastica sul testo di Tertulliano, che viene riscritto integralmente nel modo seguente: Inhaerebat usqequaquam libidinis virus, et

|| 35 GRONOVIUS, Observatorum Monobiblos, cap. 12, p. 617 (l’opera comparve per la prima volta a Deventer nel 1651: in questa prima edizione il passo riportato si trova alle pagine 127/128). 36 ALBRIZZI, Tertulliani Opera, 415: Inhaerebat usquequaque libidinis virus, & aecae [sic] cordes [sic] non ablui idoneae, quod nec ipsae adhuc aquae laverant. Gli errori tipografici si conserveranno anche nelle sucessive ristampe della edizione nel 1698 e nel 1701. Girolamo Albrizzi fondò a Venezia, negli utimi decenni del diciassettesimo secolo, una società tipografico-editoriale che assunse grande importanza nella società letteraria del tempo. Si veda, in proposito, FUMAGALLI, Lexicon Typographicum Italiae, 502: «Les Pinelli aussi, que nous avons déjà cités et les Albrizzi jouissaient d’une grande réputation. Le pus connu des Albrizzi, est Almorò, qui a fondé en 1724 une curieuse société littéraire, la Società Albrizziana qui comptait parmi ses membres un grand nombre de cardinaux, de prélats, de professurs et d’autres personnes distinguées de toutes les parties de l’Italie; …» 37 Si veda, in proposito, MUNIER, Observations. 38 MUNIER – MICAELLI, Tertullien (SCh 394), 173. 39 Plin. nat. 26,69,111: … onotheras sive onear, hilaritatem adferens in vino, … 40 HAMBLENNE, Sur une médication, 220; cf. anche 222: «Le locus, pour nous, ne réclame pas un traitement aussi énergique.»

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leti sortes, non cohibentes id, donec ipsam adhuc aquae lavarent.41 In realtà la chiave di lettura del passo controverso è nell’affermazione, apparentemente paradossale, nec ipsae adhuc aquae laverant, dove il verbo lavare è da intendere in senso intransitivo, con il valore di “lavarsi, fare il bagno”:42 Tertulliano, in altre parole, intenderebbe dire che prima di Cristo le acque non erano in grado di lavare le macchie del peccato perché neppure esse erano state “lavate”, vale a dire purificate dal battesimo di Gesù. Fulvio Orsini, che evidentemente aveva così inteso il senso del passo, era intervenuto sulla lezione habentes della editio princeps correggendo il testo in ablui idoneae, congettura accolta dal Gronovius. Reifferscheid, pur mantenendo nel testo la lezione habentes della editio princeps, in apparato ipotizzava la correzione non habentes quo abluerentur idonee; a nostra volta, nel commento al De pudicitia, avevamo proposto di leggere non 〈ablui〉 habentes idonee, accogliendo, relativamente al senso, la proposta dell’editore viennese.43 Certamente dalla nostra correzione emerge una espressione molto particolare, che non ha riscontri precisi in altri passi paralleli, tuttavia vogliamo notare che i termini aqua, sordes e abluere compaiono associati anche in un brano di Macrobio, il che rende la nostra ipotesi, quanto meno, più verosimile sotto il profilo linguistico: … ex illo causam requiro, cur magis dulcis quam salsa aqua idonea sit sordibus abluendis.44 3) Un altro passo sul quale concentriamo la nostra attenzione si trova nuovamente nell’exordium del De pudicitia (1,3):

|| 41 Ibid., 224. Lo studioso incorre in una sorta di umorismo involontario notando, prima di citare la sua correzione al testo, che non c’è una sola crux, ma molte cruces: in effetti Hamblenne, basandosi con eccessiva confidenza sull’unico criterio della probabilità paleografica, finisce per disseminare di cruces il passo di Tertulliano alla pari di un cimitero. 42 Per questo uso del verbo, attestato fin da Plauto, cf. ThlL VII, 1049,33–49. Anche in Tertulliano si hanno varie attestazioni della costruzione intransitiva del verbo. Ci limitiamo a citare, a titolo di esempio, bapt. 15,3: Iudaeus quotidie lavat, quia quotidie inquinatur. 43 MUNIER – MICAELLI, Tertullien (SCh 395), 339. La traduzione risultante è la seguente: «… les souillures laiteuses, qui ne pouvaient pas être lavées de façon appropriée, parce que même les eaux elles-mêmes ne s’étaient pas purifiées.» Contro la parte finale della nostra traduzione scagliava i suoi strali HAMBLENNE, Sur une médication, 221 nota 4: «Nous rejetons immédiatement la fin de la traduction proposée ici, “les eaux elles-mêmes ne s’étaient pas purifiées”: il n’y a ni ipsas, ni se, dans la 2de proposition, et le verbe est à l’actif.» Siamo grati allo studioso per averci rinfrescato la memoria circa la morfologia e la sintassi elementare del verbo latino, che ogni buon studente di Ginnasio è tenuto a conoscere, ma vorremmo a nostra volta ricordare che, come abbiamo già rilevato nella nota precedente, esiste anche l’uso intransitivo di lavare, che può corrispondere al medio-riflessivo italiano “fare il bagno” o “lavarsi”, a prescindere dal fatto che, nella traduzione da una lingua all’altra, si può passare dalla diatesi attiva a quella passiva e viceversa, purché non si alteri il senso del brano. Un esempio di questa consapevolezze ci è invece offerto dal GRONOVIUS, Observatorum Monobiblos, che nella premessa al cap. 12 scrive (p. 614): … non ablui idoneae, antequam aquae Christi baptismate lavissent; nel testo, invece, esprime poi il medesimo concetto in forma passiva (p. 617), scrivendo, a proposito dell’acqua, Christi baptismate purgaretur. 44 Macr. Sat. 7,13,18.

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Denique de qua incipimus eo usque iam exolevit, ut non eiuratio, sed moderatio libidinum pudicitia credatur, isque satis castus habeatur, qui non nimis castus fuerit.

Il testo della editio princeps, in accordo con il Codex Vaticanus Latinus Ottobonianus 25 e con l’edizione di Gelenius del 1550, legge non minus castus. Anche su questo brano si è variamente esercitata l’attività congetturale dei filologi: Fulvio Orsini propose la correzione non nimis incestus; Rigaltius minus castus, Reifferscheid minus non castus. La correzione non nimis castus, accolta da Dekkers e da Munier, non è da attribuire a Preuschen, come sembrerebbe evincersi dagli apparati delle loro edizioni, perché in realtà un tale testo si leggeva già nella edizione di Pamelius, il quale dichiarava di avere recepito un suggerimento di Harris: Atqui pro eo quod legitur paulo post: isque satis castus habeatur, qui non minus castus fuerit, iuxta Dn. Harris. correximus: qui non nimis castus fuerit.45 La congettura formulata da Harris e accolta dal Pamelius si adatta benissimo al contesto argomentativo e contribuisce a renderlo più coerente: riteniamo, infatti, che Tertulliano stia criticando la dottrina del “giusto mezzo”, per la quale si può peccare tanto per difetto quanto per eccesso. L’espressione moderatio libidinum, in particolare, ci richiama alla mente le parole simili con le quali Cicerone definiva, nel De finibus, la temperantia (2,60): Transfer idem ad modestiam vel temperantiam, quae est moderatio cupiditatum rationi oboediens. Nella pagina ciceroniana, dunque, la virtù consiste non nella cancellazione dei desideri, ma nella loro regolazione razionale, il che è esattamente l’opposto di quanto sostiene Tertulliano nel De pudicitia a proposito della omonima virtù, la cui vera essenza consisterebbe nella estinzione del desiderio stesso. Il Cartaginese, affermando che è ritenuto “abbastanza casto” chi non è “troppo casto”, aveva forse alla mente le parole di Orazio relative a Bellerofonte, personaggio a cui il Venosino rimproverava, nei suoi versi, proprio l’eccesso di castità: Ut Proetum mulier perfida credulum / falsis impulerit criminibus nimis / casto Bellerophontae / maturare necem, refert; / … (carm. 3,7,13–16). Dobbiamo ora rilevare che fino ad oggi era stata ignorata, dagli editori, una ulteriore correzione congetturale, proposta in via ipotetica, per il presente passo del De pudicitia, ad opera del Rigaltius, che nelle note della sua edizione degli Opera omnia di Tertulliano la formulava nei termini seguenti: Fulvio Orsino legendum videbatur, qui non nimis incestus. Certe expeditior lectio fuerat, qui minus incestus.46 Il primo ad accogliere nel testo del De pudicitia questo emendamento congetturale sembra essere stato George d’Amiens, che nelle sue osservazioni esplicative ne fornisce una ampia giustificazione, senza tuttavia nominare il Rigaltius: Ita legendum est, quicquid legat Pamelius, et de ethnicis intelligendum, non de Christianis, quicquid sentiat Albaspinaeus. … Sensus igitur Auctoris est, ita depra|| 45 PAMELIUS, Tertulliani opera, 1214s. 46 RIGALTIUS, Observationes, 121.

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vatos hominum mores, ita foede corruptos: ut ille pro pudico habeatur, non qui illicitae voluptati renuntiat, sed qui immodicum voluptatis aestum temperat; isque sat virtuti propinquare credatur, qui minus in contrarium vitium declinare deprehenditur.47

Dal punto di vista concettuale minus incestus non differisce molto dalla proposta non nimis incestus di Fulvio Orsini. Il filosofo e filologo tedesco Christoph August Heumann formulò di nuovo, verosimilmente in modo indipendente dal Rigaltius, la congettura minus incestus, che pubblicò, insieme ad altri emendamenti da lui proposti al testo di Tertulliano, negli Acta eruditorum di Lipsia: pro qui minus castus, scribo qui minus incestus.48 Altre due congetture di Heumann meritano di essere riportate, in quanto non prive di una qualche plausibilità: pro Audio etiam, scribo Audio enim; pro in Prophetis proprius agnitum, scribo in Prophetis prius agnitum.49 Dalla filologia del diciottesimo secolo potremmo recuperare altri interventi congetturali sul testo di Tertulliano dall’opera di Joseph B. Morel,50 ma in questo caso si tratta, nella quasi totalità dei casi, di correzioni decisamente infelici e prive di vera necessità, per cui non ci pare opportuno occuparci in dettaglio di essi. 4) Vogliamo concludere la nostra breve indagine con un ulteriore esempio di emendamento congetturale al testo del De pudicitia rimasto praticamente sconosciuto agli editori moderni. John Kaye, vescovo di Lincoln e cultore di storia ecclesiastica, così citava, in un proprio libro, il testo di pudic. 21,5: Exhibe igitur et nunc mihi, apostolice, prophetica (f. legendum Apostolica et Prophetica) exempla, et (f. ut) agnoscam divinitatem, et vindica tibi delictorum eiusmodi remittendorum potestatem.51 La correzione di et in ut appare già recepita nella edizione di Oehler, che attribuisce a se stesso la congettura,52 ma nelle annotazioni della edizione del Rigaltius, il quale pure conserva nel testo et, è riportato per il commento il lemma ut, senza che l’editore francese, peraltro, lo indichi come frutto di emendamento.53 La correzione di et in ut può essere resa plausibile dal confronto con pudic. 22,6, brano nel quale Tertulliano sviluppa un ragionamento perfettamente analogo circa il presunto potere di assoluzione attribuito ai martiri: Si propterea Christus in martyre est, ut moechos et fornicatores martyr absolvat, occulta cordis edicat, ut ita delicta concedat, et Christus est. Alla conclusione del De monogamia, tuttavia, troviamo una struttura paratattica del tutto analoga a quella presente nel testo di pudic. 21,5 tràdito dalle più antiche edizioni: Exhibe tertium Adam, et hunc digamum, et tunc poteris esse, quod inter duos

|| 47 D’AMIENS, Tertullianus Redivivus, 629. 48 HEUMANN, Continuatio, 247. 49 Ibid., 247s. 50 MOREL, Élémens de critique. 51 KAYE, Ecclesiastical History, 101. 52 OEHLER, Tertulliani Quae supersunt, 843: ut ego et libri omnes. 53 RIGALTIUS, Observationes, 125.

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non potes (monog. 17,7). L’altra correzione ipotizzata da Kaye, apostolica et prophetica, è stata, a differenza della precedente, completamente ignorata dagli editori, anche se non pare estranea all’argomentazione del Cartaginese, che in pudic. 21,16 così scrive: Secundum enim Petri personam spiritalibus potestas ista conveniet, aut apostolo aut prophetae (il che ci suggerirebbe, eventualmente, di leggere apostolica aut prophetica exempla). Correggendo il testo, tuttavia, si perderebbe la valenza ironica del vocativo apostolice, che può essere inteso alla luce di quanto Tertulliano aveva precedentemente scritto in pudic. 12,1, affermando che i suoi avversari, non avendo riconosciuto la Nuova Profezia, non avevano più il Paraclito neppure in apostolis, intendendo dire, probabilmente, che la semplice rivendicazione dell’origine apostolica della Chiesa non basta a conferire la potestas, caratteristica degli spiritales. A conclusione di queste brevi osservazioni crediamo di avere messo in luce la necessità di una più accurata consultazione delle prime edizioni a stampa delle opere di Tertulliano, in particolare per quelle, come il De pudicitia, la cui tradizione manoscritta è quasi del tutto scomparsa. Questi nostri rilievi nulla tolgono ai meriti dei più recenti editori del trattato, ma vogliono piuttosto sottolineare la grande complessità della storia editoriale degli scritti del Cartaginese.

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[email protected] Dipartimento di Studi umanistici – lingue, mediazione, storia, lettere, filosofia, Università degli Studi di Macerata

Lukas J. Dorfbauer

Neue Zeugnisse für die Überlieferung und Rezeption des Evangelienkommentars des Bischofs Fortunatian von Aquileia Wie Hieronymus in seinem Schriftstellerkatalog De viris illustribus mitteilt, verfasste Bischof Fortunatian von Aquileia um die Mitte des 4. Jh. einen Kommentar zu den Evangelien: Fortunatianus, natione Afer, Aquileiensis episcopus imperante Constantio [337–361] in evangelia titulis ordinatis brevi et rustico sermone scripsit commentarios. Et in hoc habetur detestabilis, quod Liberium Romanae urbis episcopum pro fide ad exilium pergentem primus sollicitavit ac fregit et ad subscriptionem haereseos compulit (vir. ill. 97). Von diesem Werk (CPL 104) waren bis vor kurzer Zeit nur drei Fragmente bekannt, in seiner Gesamtheit galt es als verloren. Inzwischen konnte ein in der Handschrift Köln, Erzbischöfl. Diözesan- und Dombibliothek 17 (= K) anonym tradierter Evangelienkommentar als Fortunatians Werk identifiziert werden.1 K wurde zu Beginn des 9. Jh. wahrscheinlich im nördlichen Rheinland geschrieben und bietet, von einigen Lücken abgesehen, eine vollständige Kopie dieses wohl ältesten uns erhaltenen Evangelienkommentars des lateinischen Westens.2 Nachdem Fortunatians Werk einmal in (fast) kompletter Form verfügbar geworden war, stellten sich mehrere kürzere anonym oder pseudonym überlieferte Texte, die man längst gekannt hatte, als Bruchstücke heraus, welche zu einem frühen Zeitpunkt aus dem Kommentar exzerpiert und separat tradiert worden waren.3 Inzwischen ist mir mit der Handschrift Zürich, Zentralbibl. C 64 (= Z), geschrieben an der Wende vom 8. zum 9. Jh. in Norditalien oder in der Schweiz, ein Textzeuge für umfangreiche Teile von Fortunatians Kommentar bekannt geworden, durch den sich nicht zuletzt einige der Lücken von K schließen lassen. Z ist außerdem von großer Bedeutung für die Rekonstruktion der Überlieferungsgeschichte des Werks, die man sich grob von Norditalien über den Bodenseeraum weiter in das karolingische Kernland hinein vorstellen darf. Da meine Untersuchungen zu Z allerdings noch nicht abgeschlossen sind, wird dieser Zeuge an anderer Stelle zu behandeln sein.4 Im Folgenden möchte ich eine Reihe von ‚kleineren‘ Dokumenten präsentieren und besprechen, welche unser Wissen über die mittelalterliche Überlieferung und

|| 1 DORFBAUER, Evangelienkommentar. 2 Zur Handschrift vgl. BISCHOFF, Katalog Teil 1, 387 (nr. 1874) und insbesondere DORFBAUER, Codex. 3 DORFBAUER, Evangelienkommentar, 194–198. 4 Vgl. vorerst MOHLBERG, Mittelalterliche Handschriften, 35–38 und 356f. sowie einige Bemerkungen bei DORFBAUER, Codex.

18 | Lukas J. Dorfbauer  Rezeption von Fortunatians Evangelienkommentar erweitern und für die Textkonstitution des Werks von mehr oder minder großer Bedeutung sind.

1 Ein Exzerpt im Codex Montpellier, Bibl. interuniv. [med.] 152 Der Codex Montpellier, Bibl. interuniv. [med.] 152 besteht in seiner heutigen Form aus drei ursprünglich separaten Einheiten: Im vorliegenden Zusammenhang uninteressant sind Teil 1 (fol. 1–107), eine im 9. Jh. geschriebene Kopie des Glossars Abavus, sowie Teil 3 (fol. 258–302), eine im 11. Jh. geschriebene Kopie der Benediktsregel; wichtig ist hingegen Teil 2 (fol. 108–257), welcher in der 2. Hälfte des 9. Jh. geschrieben wurde und eine hier anscheinend singulär vorliegende Zusammenstellung von mehrheitlich homiletischen Texten verschiedener Autoren, darunter zahlreiche Rara und Rarissima, bietet.5 Die auf der ersten Seite dieser kodikologischen Einheit fol. 108r stehende Überschrift In Christi nom(ine) incipit liber s(an)c(t)i Laurentii pr(es)b(iter)i de duobus temporibus quem Iudobertus diaconus Nevern(ense)m civitatem rovetus aretadio diacono transcripsit6 ist kein Beweis für eine Entstehung der Trägerhandschrift im zentralfranzösischen Nevers, denn sie wurde aus der Vorlage mitkopiert und könnte sich zudem ursprünglich allein auf die unmittelbar folgende(n) Predigt(en) des Laurentius von Novae bezogen haben.7 R. Étaix macht darauf aufmerksam, dass eine auf fol. 231v–237r enthaltene Passio magnorum atque inclytorum martyrum Caprasi et Fides (BHL 2936a) durch Marginalzeichen für den liturgischen Gebrauch aufbereitet wurde, und dass ein Kult des heiligen Caprasius nur in der Diözese Agen bestand.8 Daraus geht freilich nicht zwingend hervor, dass die kodikologische Einheit fol. 108–257 von Montpellier 152 im aquitanischen Raum entstanden sein müsste. Ihre genaue Herkunft ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt als ungeklärt anzusehen. Auf den Folien 226r–231v befindet sich ein Block von vier kurzen, inhaltlich und stilistisch ziemlich unterschiedlichen Texten, die allesamt keine Verfassernamen tragen. Der zweite davon, auf fol. 227v–228v, bietet die schlichte Überschrift Incipit || 5 Ausführlich dazu ÉTAIX, La collection. Zur Handschrift BISCHOFF, Katalog Teil 2, 202 (nr. 2836 und 2837). 6 WILMART, Sermon CCLIV, nimmt aufgrund von Orthographie und Interpunktion dieses Abschnitts eine Vorlage aus dem 6. oder 7. Jh. an und erklärt das unverständliche rovetus als „barbarisme au troisième degré: rovetus > rogetus > rogitus (pour rogatus)“ und aretadio als a Retadio (156, Anm. 1). Die Diakone Judobert und Retadius sind nicht identifiziert. 7 Fol. 108r–128r: De paenitentia (CPL 644); fol. 128r–143v: De eleemosyna (CPL 645); fol. 143v–153v: De muliere Chananea (Übersetzung einer Predigt des Johannes Chrysostomus; CPG 4529). Zum Autor vgl. MORIN, Laurent. 8 ÉTAIX, La collection, 135.

Überlieferung und Rezeption des Evangelienkommentars des Fortunatian | 19

de expositione evangelii secundum Matheum. Es handelt sich dabei um Kapitel 73 der Matthäus-Erklärung Fortunatians, welches Mt. 13,45f. gewidmet ist. Die Übernahme einzelner Abschnitte des Kommentars in homiletische Zusammenstellungen, ja in regelrechte Homiliare lässt sich auch sonst beobachten (vgl. dazu u. bei Anm. 19); warum aber gerade jene Partie in Montpellier 152 Aufnahme fand, bleibt unklar. Weil kein Verfassername genannt ist, muss man davon ausgehen, dass der Text bereits in der Vorlage anonym zu finden war. Ich drucke ihn (in normalisierter Orthographie) ab und notiere divergierende Lesarten von K (fol. 47v–48r):

5

10

15

Simile est regnum caelorum homini negotianti quaerenti bonam margaritam. Ubi inventam pretiosam margaritam abiit et vendidit quaecumque habuit et emit eam (Mt. 13,45f.). Negotiantem quaerentem bonam margaritam populum ecclesiae catholicae significat, illum vel maxime, qui sub apostolis credidit, qui plana fide filium dei credens ad exemplum futurum inventam pretiosam margaritam, vitam in caelis et aeternam, quae nobis repromissa est, quod nihil est pretiosius, venditis omnibus rebus suis pretia apostolis offerebant indigentibus distribuenda, ut eandem gratiam compararent, id est vitam aeternam adquirerent. Quorum et nos exemplum sequi debemus, ut vitam pretiosae margaritae nobis a deo comparare possimus, sicut ipse in evangelio praecepit: Vendite inquit quae possidetis et date elemosynam (Lc. 12,33). Et iterum adolescenti, qui dicebat se mandata servasse, dominus similiter adloquitur: Si vis inquit perfectus esse, vade, vende omnia, quaecumque habes et da pauperibus et habebis thesaurum in caelo et veni sequere me (Mt. 19,21). His igitur exemplis instruemur, ut frequenter indigentibus donemus, ne a vita aeterna de regno caelorum excludamur.

1 simile] iterum simile K || 2 ubi … margaritam] inventa autem pretiosa margarita K || 4 catholicae om. K || 5 plena K | filium dei] in filio dei K || 6 in caelis et] scilicet K | quod] quia K || 8 distribuenda indigentibus offerebant tr. K | gratiam] margaritam sibi K || 10 pretiosam margaritam K | possumus K | sicuti K || 12 adolescenti] ad adulescentem K | mandata] omnia mandata legis K | 12sq. loquitur K || 13 quaecumque] quae K || 15 instruemur] instruimur et commonemur K | frequenter] et largiter add. K || 16 de] et K | caelorum] caelesti K

Das kurze Exzerpt – der einzige derzeit bekannte Fall von Sekundärüberlieferung für den betreffenden Abschnitt – trägt so gut wie nichts zur Textkonstitution bei. Abgesehen von einem einzigen, unbedeutenden Fall (10 possimus] possumus) bietet Montpellier 152 einen gegenüber K deutlich schlechteren Text (5 plana] plena; 6 in caelis et] scilicet; 8 gratiam] margaritam sibi; 15 instruemur] instruimur et commonemur). Wo man zwischen der Lesart von K und der von Montpellier 152 schwanken kann, dürfte der von Montpellier 152 gebotene Wortlaut auf selbständige Eingriffe, motiviert wohl durch stilistische Erwägungen, zurückgehen: So verwendet Fortunatian auch in cap. Mt. 23 die Wendung populus ecclesiae, niemals aber populus ecclesiae catholicae; er zeigt eine bemerkenswerte Neigung zur Form sicuti; und er

20 | Lukas J. Dorfbauer  hat auch an anderen Stellen das gegenüber regnum caelorum ‚ungewöhnlichere‘ regnum caeleste. Dass Montpellier 152 von K unabhängig ist, wird sich in textlicher Hinsicht nicht beweisen lassen, ich halte es aber aus überlieferungsgeschichtlichen Erwägungen für ausgeschlossen. Unmittelbar auf das Fortunatian-Exzerpt folgt eine merkwürdige Auflistung und Gegenüberstellung von 28 viae sanctorum bzw. viae peccatorum unter dem Titel De duabus viis (fol. 228r–229v).9 Dieser Text gilt als „irisch“ bzw. „irisch beeinflusst“: In einer leicht erweiterten Form findet er sich aufgenommen in den Liber de numeris (PL 83, 1297C–1298B), eine in mehreren Handschriften erhaltene irische Kompilation, die in der zweiten Hälfte des 8. Jh. im süddeutschen oder norditalienischen Raum entstand.10 Abgesehen vom Liber de numeris (und abgesehen von Montpellier 152) kennt man diesen Text aus drei Handschriften, die von C. Wright ausführlich diskutiert und mit einem „north Italian or Rhaetian centre frequented by Irish peregrini“ in Verbindung gebracht wurden: München, Bayer. Staatsbibl. Clm 28135 (Freising?; s. IX1/4); Venedig, Bibl. Marciana II.46 (2400) (Norditalien; s. XI); Zürich, Zentralbibl. Rh. 140 (Schweiz oder Norditalien; s. VIII2).11 Die älteste dieser Handschriften, Zürich Rh. 140 (CLA 7,1021), enthält auf fol. 43r– 44v, also kurz nach De duabus viis (fol. 38v–40r, hier unter dem Titel De via sanctorum et via peccatorum), ebenfalls Exzerpte aus Fortunatians Evangelienkommentar, und zwar die Kapitel 68 der Matthäus-Erklärung und 3 der Lukas-Erklärung. Diese Exzerpte gehen auf eine mit München, Bayer. Staatsbibl. Clm 6434 (Freising; s. VIIIex) gemeinsame Vorlage zurück, welche eine umfangreichere Sammlung von Fortunatian-Exzerpten geboten hat und ihrerseits einem irisch beeinflussten Zentrum im Grenzraum von Norditalien und der Schweiz zugerechnet werden darf.12 Diese Region, welcher auch der eingangs genannte Textzeuge Z entstammt, war für die Überlieferung von Fortunatians Werk von eminenter Bedeutung. Man darf annehmen, dass Teile der homiletischen Sammlung von Montpellier 152 – mindestens die Kombination des hier präsentierten Fortunatian-Exzerpts mit dem Text De duabus viis – letztlich auf dieses Umfeld zurückgehen.

|| 9 Transkription bei ÉTAIX, La collection, 147f. 10 Vgl. MCNALLY, Liber der numeris, 41f., dessen Ausführungen zur Überlieferung des Werks jetzt in entscheidenden Punkten von CARDELLE DE HARTMANN, La miscelánea, präzisiert bzw. korrigiert wurden. 11 WRIGHT – WRIGHT, Additions, insbesondere 96. 12 Vgl. DORFBAUER, Evangelienkommentar, 196f., sowie insbesondere DORFBAUER, Expositiunculae.

Überlieferung und Rezeption des Evangelienkommentars des Fortunatian | 21

2 Verarbeitung in der Expositio Iohannis iuxta Hieronimum Der Codex Angers, Bibl. mun. 275 (266) wurde laut B. Bischoff im 1. Drittel des 9. Jh. im Umkreis von Tours geschrieben.13 Er enthält eine umfangreiche Zusammenstellung von bibelexegetischen Texten diverser Autoren, die meist nur in Exzerpten aufgenommen wurden und dadurch ein recht unübersichtliches Ganzes bilden. Auf fol. 30r–44v befindet sich ein anscheinend nur hier überlieferter Kommentar zum Johannesevangelium unter dem Titel Expositio Iohannis iuxta Hieronimum (CPPM 2A, 2409).14 Diese Expositio wurde nach Meinung ihres Herausgebers D. Brearley „at the beginning of the ninth century at or close to Tours“ abgefasst, und zwar von einem „Irishman or a continental scribe trained by Irish scholars and therefore familiar with the work of Irish scholars or he might merely have been a scribe copying an Irish exemplar“15 (in diesen Worten zeigt sich eine Unklarheit in der Scheidung zwischen dem Autor des Werks und dem Schreiber des Codex, worauf später zurückzukommen ist). Die Expositio präsentiert sich als eine strukturell unausgeglichene Kompilation zur Erklärung des Johannes-Evangeliums, die sowohl in sprachlicher als auch in inhaltlicher Hinsicht einiges zu wünschen übrig lässt. Der Großteil ihrer Quellen konnte von Brearley identifiziert werden: Das erste Drittel des Texts schöpft aus unterschiedlichen Werken patristischer Autoren (vor allem die ‚großen Namen‘ Ambrosius, Augustinus, Gregor und Hieronymus sind benutzt), der Rest ist wenig mehr als eine Exzerptsammlung aus den Tractatus in Iohannis evangelium des Augustinus; insgesamt war Brearley in der Lage, „over 80%“ der Textmasse auf bekannte Quellen zurückführen. Nach Auffindung von Fortunatians Evangelienkommentar lassen sich weite Teile der ausstehenden 20% ergänzen, denn der Kompilator der Expositio hat das Werk des Bischofs von Aquileia massiv ausgewertet und Text aus fast allen der 18 Kapitel von Fortunatians Johannes-Erklärung in die eröffnende Partie seiner Schöpfung aufgenommen: expos. 1,1 qualiter deus … creatus est filius (p. 163 Brearley) expos. 1,3 merito per ipsum … quod factum est (p. 163 Br.) expos. 1,4/5 aliter vita … fac mandata … et lux lucet … homo possit facere (p. 163 Br.) expos. 1,10 in mundo erat … agnitus non est (p. 164 Br.) expos. 1,11 in sua propria … utputa ad filios (p. 164 Br.) || 13 BISCHOFF, Katalog Teil 1, 20 (nr. 61). 14 Vgl. BISCHOFF, Wendepunkte, 265f. und insbesondere BREARLEY, Expositio. 15 BREARLEY, Expositio, 151.

cap. Io. 1 cap. Io. 1/2 cap. Io. 3 cap. Io. 5 cap. Io. 6

22 | Lukas J. Dorfbauer 

expos. 1,12 quotquot reciperunt … spiritalem conversationem (p. 164 Br.) expos. 1,17 lex per Moysen … homines esse peccatores (p. 164 Br.) expos. 1,18 deum nemo vidit … potuerit adnuntiavit (p. 164 Br.) expos. 1,19–21 interrogaverunt … filium dei demonstrabat (p. 164 Br.) expos. 1,27 cuius non sum … non esse dignum (p. 165 Br.) expos. 1,28 Bethania domus … ad salutem ingrediuntur (p. 165 Br.) expos. 1,29 altera autem die … misericordia protegitur (p. 165 Br.) expos. 1,39 sive hora decima novissima pars saeculi (p. 165 Br.) expos. 1,45–51 et dicit Philippus … possimus adserere (p. 166 Br.) expos. 2,1–7 aliter die tertia … baptizati sunt (p. 167f. Br.) expos. 2,8/9 adferte architriclino … de quibus vinum fecit (p. 168 Br.)

cap. Io. 7 cap. Io. 9 cap. Io. 10 cap. Io. 11 cap. Io. 12 cap. Io. 13 cap. Io. 14 cap. Io. 15 cap. Io. 16 cap. Io. 17 cap. Io. 18

Diese Liste ist allerdings nicht so zu verstehen, als ob der Wortlaut Fortunatians unverändert in die Expositio übernommen wäre; vielmehr erscheint er fast immer gekürzt, selten um Einzelnes erweitert, meist in irgendeiner Weise umgeformt – bisweilen auch zur Unverständlichkeit. Zwei Beispiele, jeweils der direkten Überlieferung in K gegenübergestellt, sollen einen Eindruck von diesem indirekten Zeugen vermitteln (Text wieder in normalisierter Orthographie): In principio erat verbum (Io. 1,1), id est in patre, qui principium omnium. Aliter In principio, id est ante omne principium creaturae fuit apud patrem et deus ex patre. Qualiter deus pater qui genuit, plenius retulit David ex persona patris dicens Eructavit cor meum verbum bonum. Dico ego (Ps. 44,2). Quid est verbum nisi filium dei, deum ex deo natum, per quem omnia facta sunt, et eum creatorem totius creaturae, sicut Solomon meminit de filio dei ex persona sapientiae dicens Dominus creavit me in principio viarum suarum in opera sua (Prov. 8,22) et, ut alibi dictum est, Ante luciferum genui te (Ps. 109,3)? Sic accipiendum est Creavit me, non quasi creatorem, sed ut videmus creari magistratus ad regnandum imperium, sic ad perficienda opera faciendaque creatus est filius. (expos. 1,1; p. 163 Br.)

In principio erat verbum et verbum erat apud deum et deus erat verbum (Io. 1,1). Hunc igitur verbum, id est filium, qualiter deus pater genuerit, plenius retulit David ex persona patris dicens Eructuavit cor meum verbum bonum (Ps. 44,2) et cetera. Quod verbum nisi filium dei, dominum et deum natum, per quem omnia facta esse intellegimus et esse eum creatorem, non creaturam, auctor scilicet potius creaturae, a quo facta sint omnia, sicuti meminit Solomon de filio dei ex persona sapientiae dicens Dominus creavit me in principio viarum suarum in opera sua (Prov. 8,22)? Non igitur sic accipiendum est Creavit me, quasi creaturam dixerit filium, sed ut videmus creari magistratus ad regendum imperium, sic ergo filius ad facienda omnia opera… (cap. Io. 1; K: fol. 88r)

Überlieferung und Rezeption des Evangelienkommentars des Fortunatian | 23

Die in der Gegenüberstellung unterstrichenen Passagen der Expositio, also der Beginn jenes Abschnitts und das Zitat von Ps. 109,3, sind Zusätze des Kompilators (die Eingangspartie dürfte überhaupt eine selbständige Schöpfung darstellen). Außerdem gibt es einige Kürzungen und Umformungen. An zwei Stellen bietet die Expositio einen fraglos besseren Text als K (deum ex deo natum] dominum et deum natum; totius creaturae] potius creaturae), in beiden Fällen ist es denkbar, dass selbständige Korrekturen vorliegen, welche vom Verfasser der Expositio oder von einem Kopisten herrühren könnten. An einigen Stellen erscheint der Text der Expositio zur Unverständlichkeit entstellt; vgl. insbesondere: qualiter deus pater qui genuit, plenius retulit David] qualiter deus pater genuerit, plenius retulit David; sic accipiendum est ‘Creavit me’, non quasi creatorem] non igitur sic accipiendum est ‘Creavit me’, quasi creaturam dixerit filium. Ob derartig krasse Verderbnisse auf die vom Kompilator benutzte Vorlage, auf seine Inkompetenz oder auf die Überlieferung der Expositio zurückzuführen sind, lässt sich nicht entscheiden. Deum nemo vidit nisi unigenitus, qui in sinu patris (Io. 1,18). Deus pater invisibilis a nullo utique videri potuit nisi a filio, qui de patre, prout homines capere potuerit, adnuntiavit. (expos. 1,18; p. 164 Br.)

Deum nemo vidit umquam nisi unigenitus filius, qui est in sinu patris, ipse enarravit (Io. 1,18) et cetera. Iam superius praemisimus: Deus pater invisibilis, inaestimabilis, ingenitus, immensus. A nullo utique videri potuit nisi a filio, qui de patre, prout homines concipere potuerunt, adnuntiavit. (cap. Io. 10; K: fol. 91v)

In der Expositio erscheint das einleitende Bibelzitat bis zur Grenze der Verständlichkeit verkürzt, der Rückverweis Fortunatians auf die Einleitung seiner JohannesErklärung wurde notwendigerweise gestrichen, die Aufzählung der Eigenschaften Gottes stark gestrafft. In der Passage prout homines capere potuerit zeigt sich ein grammatikalischer Fehler, der leicht zu vermeiden bzw. selbständig zu korrigieren gewesen wäre, was erneut die Frage aufwirft, ob derartige Korruptelen – und es gibt ihrer viele – auf das vom Kompilator verwendete Exemplar, auf seine Inkompetenz oder auf die Überlieferung der Expositio zurückgehen. Der Kompilator der Expositio arbeitete mit einer Kopie des Fortunatian-Kommentars, welche frei war von einer Textlücke, die K entstellt: In einem Vorfahren von K sind das Ende von Kapitel 17 und der Beginn von Kapitel 18 der JohannesErklärung ausgefallen, der verbliebene Text erscheint in K zu einem fortlaufenden Block ‚zusammengewachsen‘.16 Die eingangs erwähnte Handschrift Z (vgl. o. bei Anm. 7) überliefert große Teile des betroffenen Abschnitts, die Expositio kleinere. Da allerdings weder Z noch die Expositio Text unverändert übernehmen, sondern je-

|| 16 DORFBAUER, Codex.

24 | Lukas J. Dorfbauer  weils kürzen und teilweise selbständig umformen, und da zudem der sprachliche Zustand von Z um keinen Deut besser ist als jener der Expositio (wenn nicht sogar noch schlechter), kann man zwar den inhaltlichen Duktus der betroffenen Passage nachvollziehen, den genauen Wortlaut von Fortunatians Kommentar aber nicht sicher herstellen. Ich drucke in der folgenden Gegenüberstellung nur jenen Teil des in K fehlenden Abschnitts ab, den die Expositio überliefert (Z bietet mehr, vgl. u. Anm. 17): Haurite et ferte architriclino (Io. 2,8), id est Iacobo primo episcopo Hierusolimis sedenti. Hic ergo gustum istius vini esse bonum nesciens, unde sit. Ministri vero sciebant, qui hauriverunt aquam (Io. 2,9), id est Petrus, cum Cornelius centurio primitiae gentium eodem praedicante crediderit et ceterae nationes per spiritum sanctum ad credulitatem conversae. Hoc erat, quod nesciebat architriclinus. Haec sunt aquae amarae, quas lignum induc[i]ens, de quibus vinum fecit. (expos. 2,8/9; p. 168 Br.)

Dicit illis Iesus: Haurite et ferte architriclino (Io. 2,8) et reliqua. Architriclinus Iacobus est, qui primum post passionem domini episcopus Hierosolimis sedit. Hic ergo gustum istius vini dixit bonum nesciens, unde esset. Ministri vero sciebant, qui haurierant aquam (Io. 2,9), hic est Petrus, cum Cornelius centurio primitiae gentium et ceterae nationes praedicante et per spiritum sanctum ad credulitatem convertit. Hoc est, quod nesciebat architriclinus. (cap. Io. 18; Z: fol. 45r)

Der unterstrichene Satz, welcher die Passage in der Expositio abschließt, ist in Z nicht vorhanden. Inhaltlich bezieht er sich auf Ex. 15,25, wo erzählt wird, wie Moses mit Hilfe eines Holzes bitteres Wasser in süßes verwandelt, um den Durst des jüdischen Volkes zu stillen. Dies setzt die Expositio in Verbindung zur Verwandlung von Wasser in Wein bei der Hochzeit in Kana, welche in der betreffenden Passage ausgelegt wird. Sprachlich ist der Satz offensichtlich korrupt, inhaltlich weist er keine klare Anbindung an den umgebenden Text auf; außerdem passt der dadurch neu eingeführte Gedanke, nämlich die Parallelisierung der von Moses bzw. Jesus vollbrachten Wunder, kaum zum exegetischen Duktus des Fortunatian-Kommentars, wie dieser aus Z erkennbar ist: Der Bischof von Aquileia setzt den alten Wein, der nach Meinung des architriclinus schlechter ist und zu Beginn der Hochzeit kredenzt wurde, mit den Juden gleich, den von Jesus gewandelten neuen, der besser ist und erst am Ende der Hochzeit kredenzt wird, mit den (Heiden-)Christen.17 Man wird den

|| 17 Hier eine diplomatische Transkription des entsprechenden Abschnitts von Z (fol. 45rv): Et cum vellent Petrum quidam calumniare, reddedit ratione agnoscentes circa nationes voluntate dei fuissent. Vel quando qui ex gentibus tradiderunt, cumpellabantur ad quibusdam, ut circumcideretur, tunc Iacobus et ceteri apostoli epistula per spiritu sancto dederunt hoc praecipientes, ut quisque ex gentibus veniens crederent, et ita in fide filii dei permanerent. Tunc impletum est, ut vinum deficeret nuptiarum et ex aqua ucosa (sic!) repleta meliores gustus per potentia dei filii vinum effecerit, ut apostolus

Überlieferung und Rezeption des Evangelienkommentars des Fortunatian | 25

Satz Haec sunt aquae … vinum fecit nicht Fortunatian zurechnen dürfen, sondern in ihm eine selbständige Zutat der Expositio sehen. Dies ist nur ein Beispiel für die Probleme, die sich bei der Rekonstruktion der in K nicht vorhandenen FortunatianPartie aus Z und aus der Expositio ergeben. Die Expositio Iohannis iuxta Hieronimum ist sowohl von K wie auch von Z unabhängig und damit ein nicht zu verachtender indirekter Textzeuge. Man wüsste gerne, wann und in welchem Umfeld sie kompiliert wurde, denn ihr Schöpfer dürfte Zugriff auf ein vollständiges Exemplar mindestens der Johannes-Erklärung Fortunatians gehabt haben. Ob dieses Exemplar den authentischen Verfassernamen getragen hat, lässt sich nicht sagen, weil in der Expositio die Namen der verwendeten Quellenautoren grundsätzlich nicht genannt sind; es muss aber als äußerst unwahrscheinlich eingeschätzt werden. D. Brearley bringt keine stichhaltigen Argumente für seine These vor, die Expositio sei zu Beginn des 9. Jh. in Tours entstanden: Die entsprechende Verortung der Trägerhandschrift Angers 275 (vgl. o. Anm. 13) kann nicht mit der Abfassung bzw. Kompilation des Werks gleichgesetzt werden, denn es handelt sich bei dem Codex sicherlich nicht um das ‚Autorenexemplar‘, sondern um eine Kopie, die möglicherweise bereits mehrere Stufen von diesem entfernt ist. Aufgrund der benutzten Quellen (Isidor) lässt sich ein Entstehungszeitraum der Expositio eingrenzen, welcher sich ca. von der Mitte des 7. Jh. bis zum Anfang des 9. Jh. erstreckt. Einen „irischen“ bzw. „irisch beeinflussten“ Hintergrund der Kompilation, wie ihn Bischoff vorsichtig und Brearley mit größerer Zuversicht angenommen haben (jeweils ohne schlagende Argumente vorzubringen), könnte man jetzt damit untermauern wollen, dass irische Kreise in Norditalien, die spätestens im ausgehenden 8. Jh. aktiv waren, eine wichtige Rolle für die Überlieferung von Fortunatians Kommentar gespielt haben.18 Leider tradieren die entsprechenden Zeugen, jedenfalls soweit sie bisher bekannt geworden sind, sehr wenig Text von der Johannes-Erklärung Fortunatians, weshalb ein aussagekräftiger Vergleich mit dem Wortlaut der Expositio nicht möglich ist. Die Anbindung der Expositio an den ‚irischnorditalienischen‘ Überlieferungsstrang des Fortunatian-Kommentars kann deshalb angenommen, nicht aber als gesichert angesehen werden.

|| ait ad Iudeus: ‘Vobis missum erat verbum salutis eius; quia vos indignos iudicastis, convertemur ad gentes’ (Act. 13,26 + 46). Hoc autem vinum, quod melius in posterum servatum invenimus, gratia est domini nostri Iesu Christi, quam praedicantibus apostoli sumus adepti. Hoc est vinum novum, quod in utribus novis servantur, quod utres veteres baiolare non possunt. Die Gleichsetzung des architriclinus mit dem „Herrenbruder“ und ersten Bischof von Jerusalem Jakobus in der Expositio wurde von BISCHOFF, Wendepunkte, 266, als „eigenartig“, von BREARLEY, Expositio, 158, als „original“ bezeichnet; vgl. auch BREARLEY, Allegorical Identifications, 342. Tatsächlich liegt die Originalität auf Seiten Fortunatians – sofern nicht bereits er die Auslegung einer uns unbekannten Quelle entnommen hat, was gut möglich ist. 18 Vgl. o. zur Überlieferung des Exzerpts in Montpellier, Bibl. interuniv. [med.] 152.

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3 Verarbeitung in vier alten Predigten Auszüge aus Fortunatians Werk wurden – nicht anders als Passagen aus den Evangelienkommentaren anderer Autoren – in regelrechte Homiliare aufgenommen und in weiterer Folge als selbständige ‚Predigten‘ tradiert.19 Jedoch kam es – ebenfalls wie bei vergleichbaren Werken anderer patristischer Autoren – auch dazu, dass man Fortunatian-Exzerpte mit Exzerpten anderer Provenienz mehr oder minder geschickt zu neuen Predigten zusammenarbeitete, welche dann ihrerseits Eingang in Homiliare fanden und weiter tradiert wurden. Vier solche Fälle sind mir bisher bekannt geworden.

3.1 Sermo Alanus 1,25 Im ersten Fall handelt es sich um eine Predigt auf Johannes den Evangelisten, welche als nr. 25 im Winterteil des Homiliars des Alan von Farfa († 769 oder 770), als nr. 33 im Homiliar des Egino von Verona († 802) und als nr. 46 im Homiliar von St. Peter erscheint und bisher – soweit ich sehe – in keines der gängigen modernen Repertorien mit Ausnahme von GRÉGOIRE, Homéliaires aufgenommen wurde.20 Der vollständige Text findet sich abgedruckt bei Grégoire, 145–148, der auch einige Quellen identifizieren konnte. Die Titelangabe Item de natale sancti Iohannis evangelistae und die einleitende Perikope Mt. 17,1f. bilden bei Grégoire die Zeilen 1–5, darauf folgt die eigentliche Predigt: Die Zeilen 6–35 könnten einer einheitlichen, unbekannten Quelle entstammen, welche den Matthäus-Kommentar des Hieronymus verwertet; die Zeilen 36–85 sind ein Exzerpt aus der Einleitung von Fortunatians Johannes-Erklärung; die Zeilen 86–115 entsprechen, mit einigen wenigen Kürzungen, dem Kapitel 71 von Isidors De ortu et obitu patrum, welches Johannes gewidmet ist,21 ergänzen dieses aber in den Zeilen 93–97 durch den Beginn eines Texts, welcher in zahlreichen Handschriften als Prolog zur Johannes-Apokalypse überliefert ist.22 Die solcherart aus mindestens

|| 19 Vgl. DORFBAUER, Evangelienkommentar, 194–196. 20 Zu den genannten Homiliaren vgl. GRÉGOIRE, Homéliaires, 127–244 und insbesondere BOUHOT, L’homéliaire, der Grégoires Meinung über das Verhältnis zwischen diesen Sammlungen überzeugend korrigiert. Erwähnt sei hier, dass der alte Codex Vatikan, Pal. lat. 216, fol. 20r–133v (CLA 1,86; um 800, Reims?) eine homiletische Sammlung enthält, die streckenweise klare Übereinstimmungen mit den genannten italienischen Homiliaren aufweist (S. Alanus 1,25 auf fol. 43v–49r): Soweit ich sehe, ist dieser Zusammenstellung bisher keine Spezialuntersuchung gewidmet worden. 21 CHAPARRO GÓMEZ, Isidoro, 204–209. 22 GRYSON – BAISE, Apocalypsis Johannis, 55–59, bieten eine Edition und Diskussion dieses Texts, welcher dem 5. oder frühen 6. Jh. entstammt. Die Zeilen 93–97 von S. Alanus 1,25 bei GRÉGOIRE entsprechen den Zeilen 1–4 von Prol. Apc. bei GRYSON – BAISE.

Überlieferung und Rezeption des Evangelienkommentars des Fortunatian | 27

vier (sehr unterschiedlichen) Quellen kompilierte Predigt S. Alanus 1,25 wirkt nicht besonders homogen und erscheint für den liturgischen Gebrauch wenig geeignet. Sie kann aufgrund der Benutzung von Isidors zwischen 598 und 615 verfasstem De ortu et obitu patrum in den Zeitraum von ca. 615–650 datiert werden, weil die drei genannten Homiliare, in denen sie enthalten ist, auf eine stadtrömische Sammlung zurückgehen, welche um die Mitte des 7. Jh. zusammengestellt wurde.23 Das in S. Alanus 1,25 verwertete Fortunatian-Exzerpt darf als eine der beliebtesten Partien des Evangelienkommentars gelten: Ein kurzer Ausschnitt daraus findet sich von zweiter Hand eingetragen auf fol. 100r des um 800 in Norditalien geschriebenen Codex Krakau, Bibl. Kap. Kated. 140 (43)24, und eine ‚Predigt‘, welche anscheinend singulär in dem beneventanischen Homiliar Vatikan, Vat. lat. 4222 (s. XI) unter dem Titel tractatus sancti Hilarii episcopi (CPPM 1B, 5210) vorliegt, ist nichts anderes als ein umfangreiches Exzerpt aus Fortunatians Johannes-Erklärung, welches ebenfalls die betreffende Partie umfasst.25 Ich drucke im Folgenden den relevanten Abschnitt von S. Alanus 1,25 (= S) ab26 und notiere divergierende Lesarten von Krakau 140 (= k), Vatikan lat. 4222 (= V) und K (fol. 85v–87r), alles in normalisierter Orthographie:27

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Sanctissimus idem Iohannis, qui haec narrat, inter omnes apostolos iunior fuit. Hic est, cum disquirerent apostoli, quisnam eorum maior esset, quem tenuit dominus dicens Quicumque non fuerit conversus sicut puer iste, non intrabit in regnum caelorum (Mt. 18,3 / Lc. 18,17). Ipse est, qui super pectus domini recumbebat, ipse est quem prae ceteris diligebat Iesus, cui et Mariam matrem et ipsum Mariae filium tradidit. Cum ergo iam scripta essent evangelia per Matheum et Lucam iuxta humanam nativitatem et multae haereses existerent propter deitatem filii, alii ex Maria tantummodo confitebantur, alii nec natum per Mariam, sed more angelorum venisse dicebant, variis igitur intentionibus de eius nativitate et variis disputationibus, prout cuique libitum erat, edisserebant, Iohannis igitur novissime coactus est evangelium conscribere, in quo quod filius dei ante fuerit et quomodo carnem acceperit, utraque per spiritum sanctum diligenti moderatione conponens tali utitur principio, ut omnibus haereticis aeternum silentium inponeret secretorum omnium non inscius. Nam super pectus recumbere Iesu, hoc est secreta mysteria et arcana nosse. Incipit

|| 23 BOUHOT, L’homéliaire, insbesondere 99–111. 24 DORFBAUER, Evangelienkommentar, 196. 25 DORFBAUER, Evangelienkommentar, 194f. 26 Ich habe den von GRÉGOIRE, Homéliaires nach dem Homiliar von St. Peter Vatikan, Arch. S. Pietro C 105 (s. IX – X) gedruckten Text mit München, Bayer. Staatsbibl. Clm 18092 (s. VIII2), einem alten Zeugen für den Winterteil des Alan-Homiliars, sowie mit Vatikan, Pal. lat. 216 (vgl. o. Anm. 20) verglichen; dabei bestätigte sich der von Grégoire gebotene Text in allen wesentlichen Punkten. 27 Eine Transkription der relevanten Folien von Vatikan lat. 4222 findet sich bei MAI, Nova bibliotheca, 484–489. Zu Krakau 140 vgl. KÜRBIS –WOLNY – ZYDOREK, Kazania, wo auch eine Transkription aller in dem Codex enthaltenen Texte geboten wird.

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ergo exponere et ostendere nativitatis primordia legem filii dei, in qua de deo deus natus, quia iam dixerat Matheus et Lucas iuxta condicionem humanam eius nativitatem. Iohannis ergo nativitatem domini, quamquam ante omnia saecula fuerit filius dei, enarrat. Nam Esaias ait: Nativitatem eius quis enarrabit? (Is. 53,8) Ideo ergo Iohannis ostendit, quid fuerit. Deus pater sine principio est, ingenitus, innatus, qui nullo continetur loco, sed potius ipse continet omnia, qui tantum sciri potest, quantum ipse concedere voluit, invisibilis, inaestimabilis. Ex hoc ergo filius dei inenarrabiliter genitus est ante omne principium. Quem sic natum confitemur, ut semper pater, semper filius dicatur, nulla temporis interposita ratione accipitur. Ideo autem semper pater, quia semper filius. Ideo semper filius, quia semper pater. In principio erat verbum, deus scilicet filius dei ex deo natus, de quo Moyses sic dicit: In principio fecit deus caelum et terram (Gen. 1,1). Videmus igitur eundem spiritum habuisse etiam sanctissimum Iohannem, quem et Moyses, et meritum eorum et sensus in omnibus concordare invenitur. Unde et ipse Iohannis ait: Omnia per ipsum facta sunt et sine ipso factum est nihil (Io. 1,3). Unde igitur Moyses fabricam mundi ante milia annorum poterat enarrare nisi, ut dixi, spiritu divino instruente singula facta descripserit? Spiritus ergo sanctus indeficiens est: Omnes replet et ipse integer permanet, sicut lampada, cum multae ex illa accenduntur, ipsa tamen integrum lumen perseverat. Sanctus itaque spiritus infundens se unicuique prout vult. Moyses enim populo de Aegypto sublato deseruit, ut et idolorum, de superstitione saeculi, ubi variis desideriis ad culturam idolatriae deservierant, ad dei notitiam ex illa superstitione revocans eos, quia aestimarent ab his facta omnia, quos coluerant. Ideo sanctissimus Moyses populo rudi et inscio ab idolis exemplo demonstrans deum dei filium omnia fecisse ait: In principio fecit deus caelum et terram. Sicuti ergo Moyses creatorem et factorem mundi insinuans ab idolis populum ad notitiam dei adducens, sic et beatus Iohannis haereticos omnes, qui aliter atque aliter de filio dei disputare inveniuntur, ad veram rationem revocans ostendit, quid ante fuerit et quomodo veniens hominem induerit nostrae salutis causa.

1 sanctissimus … narrat] Iohannis sanctissimus evangelista K k V || 2 hic est] ipse est K k; hunc V | disquirerent] requirerent K; requirent k | quem om. V || 3 conversus sicut puer om. k | iste] hic K k V | 3sq. non … caelorum] et cetera K k V || 4sq. recumbebat] recubuerat K; recubuit k || 5 ipse est om. K k | cui] huic K k | 5sq. et ipsum Mariae filium] eius k; om. K || 6 tradit K | 6sq. Matheum] quidem add. V || 7 Lucanum K | nativitatem] qui Lucas fuerat discipulus Pauli et per Marcum qui fuerat discipulus Petri add. K k V | existerent] consurgerent K k || 8 filii] dei add. K k | alii] eum add. V | post Maria desinit k || 9 more insolito V || 10 eius] cuius K | licitum V || 11 novissimus K V | 11sq. in quo quod] quod quid K; in quo quid V || 12 acceperit] ut add. K || 14 inponeret] utpote add. K V | non inscius] scius K; conscius V | nam] cum add. K || 15 recumberet K | hoc est om. K | mysteriorum V | omnia arcana K; arcana omnia V | nosset K || 16 nativitatis primordia legem] nativitatem primam caelestem K; nativitatem primordialem V | 16sq. in qua … natus om. K || 17 natus] est add. V | iam] tam K | dixerant V || 18 eius] esse K | ergo] non tam add. K V | domini] iuxta carnem add. K | quamquam] quam quid K; quam quod V || 19 nam] cum sanctissimus K; nam propheta sanctissimus V | Esaias] propheta add. K | ait] sic dicat K | nativi-

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tatem] autem add. V || 20 post fuerit nonnulla ex Io. (e. g. Io 17,5 et 1,1–3) add. K V || 21 contineatur … contineat K || 22 voluerit K V || 23 dei] qui add. K || 24 ut] sicut add. V | pater] et add. K; ita add. V | semper et add. V || 25 post ratione nonnulla verba varie corrupta add. K V, quae quin a compilatore S. Alani 1,25 ratione omissa sint dubitari non potest | pater] filius et ideo semper add. K || 26 ideo] et deo K; et ideo V || 27 filius scilicet tr. K; filius dei om. V | ex] et K || 28 terram] et cetera add. K V || 29 etiam sanctissimum habuisse tr. K V | meritum] merito sermo K V || 30 post invenitur nonnulla ex Gen. (e. g. 1,26) et Io. (e.g. 1,1) add. K V | unde et ipse om. K V | Iohannis] autem add. K || 32 annorum] quattuor add. K V | dixi] ut add. K || 33 sanctus] spiritus K || 34 et om. K V | sicuti lampas K V || 35 tamen] autem V | integro lumine K V || 36 Aegypto] accepto iugo V | 36sq. deseruit ut et] de servitute K V || 38 deservirent K | eos om. V || 39 aestimarent] existimabant V | his] eis K || 40 inscio] et add. K | exemplo] exempto K || 41 fecisset K || 42sq. adduxit V || 43 et om. K V | beatus] sanctissimus K V

Trotz der Kürze von k ist es unübersehbar, dass sich zwei Gruppen S/V und K/k gegenüberstehen (vgl. insbesondere 5 ipse est quem prae ceteris diligebat Iesus] quem prae ceteris diligebat Iesus; 5sq. cui et Mariam matrem et ipsum Mariae filium tradidit] huic et Mariam matrem tradidit; 7sq. multae haereses existerent propter deitatem filii] multae haereses consurgerent propter deitatem filii dei). Es liegt also ein im Grundsätzlichen zweisträngiges Stemma vor. Dass weder S auf V zurückgeht, noch umgekehrt V auf S, beweisen die zahlreichen Umformungen, welche diese beiden Zeugen jeweils singulär aufweisen. Auch im Fall von K und k ist eine Abhängigkeit in die eine oder andere Richtung auszuschließen, weil der vollständige Textzeuge K nicht von dem kurzen Exzerpt k und der um 800 in Norditalien geschriebene Codex Krakau 140 nicht von dem zu Beginn des 9. Jh. im Rheinland geschriebenen Codex Köln 17 kopiert worden sein kann. Die Beziehung zwischen den vier Textzeugen lässt sich demnach so darstellen: Ω

S

V k

K

In der Praxis ist der sehr kurze Zeuge k freilich von minimaler Bedeutung für die Textkonstitution; wirklich interessant neben K sind S und V. Was diese drei Zeugen angeht, so bestehen zahlreiche Übereinstimmungen zwischen V und K gegen S, aber nur wenige zwischen S und K gegen V. Der Grund dafür ist klar: Der Kompilator von S behandelte den ihm vorliegenden Fortunatian-Text deutlich freier als der Schöpfer von V, welcher nur wenige selbständige Umformungen durchführte (vgl. insbesondere: 2sq. hic est, cum disquirerent apostoli, quisnam eorum maior esset, quem tenuit dominus] hunc, cum disquirerent apostoli, quisnam eorum maior esset, tenuit dominus; 9 more angelorum] more insolito), und er strich vor allem einige Passagen, die in seinem Exemplar zweifellos vorhanden waren, ihm aber für seine Zwecke unbrauchbar erschienen. Diese stärkeren Eingriffe erklären sich mindestens teilweise daraus, dass der Kompilator von S nicht bloß ein einzelnes Exzerpt adaptierte, so wie es bei

30 | Lukas J. Dorfbauer  V der Fall ist, sondern dass er dieses mit weiteren Exzerpten, die anderen Quellen entstammen, zu einem neuen Ganzen zusammenarbeitete. Eine besonders interessante Passage, in der überdies ein Bindefehler zwischen S und V greifbar wird, ist die folgende: S incipit ergo exponere et ostendere nativitatis primordia legem filii dei

V incipit ergo exponere et ostendere nativitatem primordialem filii dei

K incipit ergo exponere et ostendere nativitatem primam caelestem filii dei

Der von S gebotene Text ist unverständlich und offenkundig fehlerhaft. Der von V gebotene würde für sich genommen zwar Sinn ergeben, doch sorgt nur das Adjektiv caelestis von K für eine klare innere Verknüpfung mit der unmittelbar folgenden Aussage, Matthäus und Lukas hätten die Geburt Jesu iuxta condicionem h u m a n a m geschildert. Außerdem ist das Adjektiv primus im vorliegenden Zusammenhang von entscheidender Bedeutung: Johannes berichtet laut Fortunatian von der ersten, der „himmlischen“ (bzw. „geistlichen“ oder „göttlichen“) nativitas Christi, die Synoptiker – so ist gedanklich zu ergänzen – von der zweiten, d. h. der „irdischen“ (bzw. „fleischlichen“ oder „menschlichen“).28 Die Lesarten von S. Alanus 1,25 und V sind aber auch in sprachlicher Hinsicht problematisch, denn dies wäre die einzige Stelle des Kommentars, an der Fortunatian primordialis (bzw. primordium) verwenden würde; die Verbindung nativitas caelestis kommt zwar auch nur hier vor, analoges nativitas carnalis und nativitas spiritalis allerdings oft. Schließlich lässt sich die Wendung nativitas primordialis laut Ausweis der Datenbank LLT bei keinem christlichen Autor, ja überhaupt an keiner Stelle der lateinischen Literatur nachweisen. Die Lesarten nativitatis primordia legem und nativitatem primordialem sind somit als Fehler zu beurteilen, und zwar als solche, die zweifellos auf einen gemeinsamen Ursprung zurückgehen.29

|| 28 Diese Unterscheidung zwischen zwei nativitates Christi ist auch sonst gut belegt; vgl. etwa Laktanz (inst. 4,13,3: in prima enim nativitate spiritali … in secunda vero carnali…), Zeno von Verona (tract. 1,54,2: Igitur duas nativitates esse domini nostri Iesu Christi …; 2,8,2: … spiritalis prima … secunda carnalis…), Ambrosius (in Luc. 2,40: Breviter sanctus Lucas et quomodo et quo tempore et quo loci secundum carnem Christus natus sit, explicavit; at vero de caelesti generatione si quaeris, lege evangelium sancti Iohannis…) und Fulgentius von Ruspe (epist 17,15: Christi ergo filii dei prima nativitas ex deo, secunda ex homine…). Direkt von Fortunatian abhängig sind entsprechende Passagen im Matthäuskommentar des Chromatius von Aquileia: Duae enim generationes domino deputantur, spiritus et carnis, dei et hominis … (tract. 1,4); Et Mathaeus quidem vel Lucas a corporea domini nativitate coeperunt, Iohannes autem a divina nativitate eius sumpsit exordium … (tract. 2,1). 29 Der Ausgangsfehler könnte eine falsche Worttrennung + Verschreibung von primam caelestem zu primordia legem gewesen sein. Im weiteren hätte S. Alanus 1,25 nativitatem zu nativitatis abgeändert, um einen von primordia abhängigen Genetiv zu schaffen, wobei legem sinnlos stehengeblie-

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Für die Textkonstitution des Fortunatian-Kommentars ist die Gruppe S/V von einigem Interesse, denn sie bietet neben manchen bedenkenswerten Varianten an mindestens zwei Stellen den gegenüber K (und k) zweifellos korrekten, weil lückenlosen Text: S cui et Mariam matrem et ipsum Mariae filium tradidit incipit ergo exponere et ostendere … in qua de deo deus natus

V cui et Mariam matrem et ipsum Mariae filium tradidit incipit ergo exponere et ostendere … in qua de deo deus natus est

K huic et Mariam matrem tradit incipit ergo exponere et ostendere …

Die Fortunatian-Handschrift, auf die V und S zurückgehen, muss spätestens in der ersten Hälfte des 7. Jh. verfügbar gewesen sein, und dies aller Wahrscheinlichkeit nach in Mittelitalien: So erklärt sich am besten das Vorhandensein von V in einem beneventanischen Homiliar und das von S. Alanus 1,25 in Homiliaren, die auf eine stadtrömische Sammlung zurückgehen. Bedenkt man, dass Fortunatians Kommentar in K anonym vorliegt und dass V fälschlich unter dem Namen des Hilarius überliefert ist, wird die bei der Erstellung von S. Alanus 1,25 benutzte Handschrift schwerlich den authentischen Verfassernamen getragen haben.

3.2 [Ps. Augustinus] Sermo Mai 58 = Sermo Caillau II,84 Im zweiten Fall handelt es sich um eine Predigt auf den Apostel Andreas, welche als nr. 79 im Sommerteil des Homiliars des Alan von Farfa, als nr. 182 im Homiliar des Egino von Verona, als nr. III,31 im Agimundus-Homiliar sowie in einigen weiteren alten Sammlungen enthalten ist.30 Unter dem Namen des Augustinus wurde sie gedruckt von A. Mai nach dem Agimundus-Homiliar (S. Mai 58; CPPM 1A, 1665), von A. B. Caillau nach dem beneventanischen Homiliar Monte Cassino, Bibl. Abb. 12 (S. Caillau II,84; CPPM 1A, 1390).31 Die Predigt, deren augustinischer Ursprung Mai und Caillau als sicher galt, während G. Morin in ihr ein Exzerpt aus einem unbekannten, möglicherweise karo-

|| ben ist; V hätte um einiges geschickter primordia legem zu primordialem abgeändert und auf diese Weise einen sprachlich und inhaltlich vermeintlich unproblematischen Text geschaffen. 30 GRÉGOIRE, Homéliaires, 181. Zum Agimundus-Homiliar vgl. ebd., 343–392 sowie BOUHOT, L’homéliaire, 93 und 96–98. Für den Hinweis auf [Ps. Augustinus] Sermo Mai 58 = Sermo Caillau II,84 bedanke ich mich herzlich bei Clemens Weidmann. 31 Auf Caillau basiert der Wiederabdruck in PLS 2, 1095f. Es gibt nur wenige Unterschiede zwischen dem Text von Mai und dem von Caillau, und diese beruhen wohl hauptsächlich auf Lese- bzw. Druckfehlern.

32 | Lukas J. Dorfbauer  lingischen Kommentar zum Johannes-Evangelium sehen wollte,32 ist ein Cento aus zahlreichen kurzen und kürzesten Elementen, deren Herkunft ich weitgehend identifizieren konnte. Nach dem einleitenden Bibelzitat Mt. 4,18f. beginnt der Text mit einem Exzerpt aus dem Matthäuskommentar des Hieronymus, welches von Petrus und Andreas spricht und um einen Satz zu Jakobus gekürzt ist, der dem Kompilator für seine Zwecke wohl unpassend erschien (ad Mt. 10,2: Primus Simon … carne quam spiritu; CCSL 77, p. 63,1502–1507 + 1508–1510); es folgen zwei Namenserklärungen nach den Instructiones des Eucherius, jeweils selbständig ausgeschmückt und mit Bibelzitaten verknüpft (instr. 2: Simon pone maerorem vel oboediens, Petrus agnoscens; CCSL 66, p.190,83f.), dann ein weiterer Satz aus dem Handbuch des Bischofs von Lyon, diesmal über die Missionsreisen des Petrus (instr. 1: Et Cappadociam … Romam inlustraturus accessit; CCSL 66, p. 178,1661–1664), eine weitere Namenserklärung im Anschluss an Eucherius, wieder selbständig ausgestaltet (instr. 2: Andreas Graecum est, Latine virilis; CCSL 66, p. 190,86f.), sowie ein weiterer Satz aus dem Matthäuskommentar des Hieronymus (ad Mt. 4,19: Isti primum vocati … fieri putaretur; CCSL 77, p. 23,404–407). Darauf folgen zwei Exzerpte aus Fortunatians Evangelienkommentar, nämlich ein Ausschnitt aus cap. Mt. 16 und einer aus cap. Io. 15. Nur den Schluss der Predigt (Altera die stabat Iohannes … evangelium Iesu Christi) konnte ich auf keine Quelle zurückführen: Wenn es sich nicht um eine selbständige Schöpfung des Kompilators handelt (was ich stark bezweifle), könnte hier ein Exzerpt aus einem unbekannten Johannes-Kommentar vorliegen, wie Morin vermutete. Der Kompilator von S. Mai 58 machte sich seine Aufgabe selbst schwer, indem er Quellen heranzog, welche für sein Thema keineswegs ideales Textmaterial bieten, und sein Elaborat wirkt denn auch sehr disparat und wenig gelungen. Sicherer Terminus post quem für die Entstehung von S. Mai 58 sind die Instructiones des Eucherius (ca. 428–434), doch lässt die ungeschickte Centonenhaftigkeit des Texts eine spätere Zeit vermuten, am ehesten das 6. oder frühe 7. Jh. Die Überlieferung in alten Homiliaren aus Mittelitalien legt einen entsprechenden Entstehungsort für die Predigt nahe. Ich drucke die relevanten Abschnitte von S. Mai 58 ab und notiere divergierende Lesarten von K (fol. 27v; 95v–96r), jeweils in normalisierter Orthographie. Zuerst das Stück aus cap. Mt. 16: Vocat quippe eos, ut qui erant piscatores piscium fierent hominum. Sicut enim pisces elevantur de profundo per retem, sic praecepto dei homines isdem praedicantibus de profundis saeculi erroribus redimerentur. 1 vocat quippe eos] advocat Petrum et Andream K || 2 dei] de K | isdem] his K || 3 redimerentur] eximerentur K

|| 32 MORIN, Augustini Sermones, 758 („videtur excerptum e commentario in evangelium Iohannis, et hoc quidem aevi fortasse carolingici“).

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Die Abweichungen am Anfang und am Beginn (1 vocat quippe eos] advocat Petrum et Andream; 3 redimerentur] eximerentur) gehen, wie es bei Schnittstellen von derartigen Centonen üblich ist, wohl auf bewusste Eingriffe des Kompilators zurück. Die Lesart praecepto dei in S. Mai 58 bietet die (ohnehin auf der Hand liegende) Korrektur des verderbten praecepto de von K. Ob isdem praedicantibus oder his praedicantibus den Vorzug verdient, lässt sich schwer entscheiden, der Sinn der Passage ist jedenfalls klar. Und das Stück aus cap. Io. 15:

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Tres igitur evangelistae piscatores dixerunt, nominis inmutationem solus Iohannis intulit. Merito ergo piscatores dicuntur, quibus officium piscandi Iesus ademit et misit, ut homines ad salutem et credulitatem perducerent sua praedicatione, quia per prophetam sic dictum fuerat de ipsis: Mittam piscatores et piscabuntur eos (Ier. 16,16). Totum ergo hoc in apostolis completum est, qui ex piscatoribus effecti sunt piscatores hominum. Sicut enim pisces retibus de mare auferuntur, sic praedicatione apostolica homines de saeculo tolluntur et perveniunt ad credulitatem fili dei.

1 piscatores] -rem K || 2 dicuntur] dixerunt K | Iesus om. K || 5 eos] et venatores qui venabuntur eos add. K | hoc ergo tr. K | inpletum K || 6 de mare retibus tr. K

Mit piscatores und Iesus (ademit) bietet S. Mai 58 den besseren Text als K; bei den übrigen Abweichungen erweist sich dagegen K als besser, oder es lässt sich keine sichere Entscheidung treffen. Insgesamt kann S. Mai 58 aufgrund der Kürze der verarbeiteten Exzerpte nur wenig zur Textkonstitution von Fortunatians Evangelienkommentar beitragen, und eine genaue stemmatische Verortung ist aus dem selben Grund unmöglich. Die Predigt ist aber von Bedeutung als ein weiteres Zeugnis für die Verwendung von Fortunatians Werk im frühmittelalterlichen Italien. Man darf vermuten, dass die Handschrift, mit welcher der Kompilator von S. Mai 58 gearbeitet hat, am ehesten mit jenen Exemplaren verwandt war, auf die S. Alanus 1,25, S. Mai 59 und S. Caillau II,80 (dazu gleich mehr) zurückgehen; beweisen lässt sich dies mangels textlicher Überschneidungen aber nicht.

3.3 [Ps. Augustinus] Sermo Mai 59 und Sermo Caillau II,80 Die beiden letzten zu behandelnden Predigten sollen gemeinsam behandelt werden, weil jeweils Verarbeitung des selben Abschnitts aus Fortunatians Kommentar vorliegt, nämlich von cap. Mt. 54. Dieses Kapitel dient als Eingang sowohl von [Ps. Augustinus] S. Mai 5933 als auch von [Ps. Augustinus] S. Caillau II,80.

|| 33 Für den Hinweis auf diese Predigt bedanke ich mich herzlich bei Clemens Weidmann.

34 | Lukas J. Dorfbauer  S. Mai 59 (CPPM 1A, 1555 = 1666) ist zwar, ebenso wie S. Mai 58, überwiegend als Predigt zum Festtag des Apostels Andreas überliefert,34 doch geht der Text in keiner Weise auf diesen (oder irgendeinen anderen) Heiligen ein: Es handelt sich vielmehr um eine recht allgemein gehaltene Aufmunterung zur Standhaftigkeit im Glauben, welche Fortunatians Erklärung von Mt. 10,1635 als Ausgangspunkt nimmt. Die Predigt ist als nr. 82 im Sommerteil des Homiliars des Alan von Farfa, als nr. 185 im Homiliar des Egino von Verona, als nr. III,33 im Agimundus-Homiliar sowie in weiteren Sammlungen enthalten.36 Nach dem Agimundus-Homiliar wurde sie von A. Mai unter dem Namen des Augustinus, dessen Autorschaft Mai nicht bezweifelte, gedruckt. G. Morin hielt den Text für ein Exzerpt aus einem nachantiken Kommentar.37 Grégoire zeigte, dass es sich bei S. Mai 59 weitgehend um einen Cento handelt, welcher sich aus einigen Tractatus in Iohannis evangelium des Augustinus speist, und konnte lediglich für den Beginn der Predigt – eben das Exzerpt aus Fortunatian – keine Quelle identifizieren.38 Die Predigt, die im Vergleich zu anderen derartigen Centonen einen relativ solide gearbeiteten Eindruck macht, kann nur sehr ungenau datiert und lokalisiert werden: Ich sehe keinen Grund, sie allzu weit von ihren ältesten Textzeugen zu entfernen, also von italienischen Homiliaren, die auf eine stadtrömische Sammlung aus der Mitte des 7. Jh. zurückgehen. Die enge Überlieferungsgemeinschaft von S. Mai 59 mit S. Mai 58 führt zur Frage, ob die beiden Predigten vielleicht vom selben Verfasser stammen: Immerhin war der Evangelienkommentar Fortunatians auch im vorkarolingischen Italien kein allzu prominenter Text, und seine Verwertung in zwei gemeinsam tradierten Predigten ist bemerkenswert. Gegen die These identischer Verfasserschaft könnte man allerdings einwenden, dass die Kompilationstechnik von S. Mai 59 etwas geschickter wirkt als jene von S. Mai 58. Eine klare Entscheidung ist schwer möglich. S. Caillau II,80 (CPPM 1A, 1386) wird zwar im Titel als Predigt in decollatione sancti Iohannis baptistae bezeichnet, beginnt aber ebenfalls mit der Erklärung von

|| 34 Im Homiliar Chicago, Newberry Lib. 1 (olim Phillipps 1326) – die Handschrift wurde laut BISCHOFF, Katalog Teil 1, 196, in der zweiten Hälfte des 10. Jh. in Südfrankreich geschrieben –, das klare inhaltliche Parallelen zu den Sammlungen des Alan und des Egino aufweist, trägt S. Mai 59 die nicht viel passendere Widmung In natale plurimorum martyrum (fol. 108v). Vgl. CUNNINGHAM, Contents, 289. 35 Nach der Vulgata: Ecce ego mitto vos sicut oves in medio luporum. Estote ergo prudentes sicut serpentes et simplices sicut columbae. 36 Vgl. GRÉGOIRE, Homéliaires, 182f., wo das o. Anm. 34 genannte Homiliar zu ergänzen ist. 37 MORIN, Augustini Sermones, 733 („videtur ex posterioris aetatis commentario esse excerptum“). 38 GRÉGOIRE, Homéliaires, 182f. Der Hinweis auf Sermo in Mt. (34) des Johannes Chrysostomus ist nicht erhellend, jedenfalls kann ich keine schlagenden Parallelen erkennen. Genau genommen gibt Grégoire auch für den Abschnitt Et vos testimonium perhibetis … in eis spiritu sancto, den er als „interpolation“ bezeichnet, keine Quelle an; es handelt sich aber bloß um ein am Beginn leicht erweitertes Exzerpt aus in evang. Ioh. 93,1, und somit aus jener Augustinus-Predigt, welche die Hauptquelle von S. Mai 59 bildet.

Überlieferung und Rezeption des Evangelienkommentars des Fortunatian | 35

Mt. 10,16. Erst anlässlich des von Fortunatian vorgebrachten Exemplum der Schlange, welche mit ihrem Leib ihren Kopf schützt, so wie die Christen als Glieder der Kirche ihr Haupt Jesus Christus schützen sollen, schwenkt der Text abrupt auf Johannes den Täufer um, welcher trotz Verlust seines Kopfes freudig in Gott ruhe (!).39 Danach schwelgt die Predigt in einer langen, rhetorisch ausgemalten Schilderung des Tanzes von Herodes’ Tochter vor der Festgesellschaft (vgl. Mt. 14,3–11; Mc. 6,17– 28), um letztlich in eine platte moralische Ermahnung einzumünden.40 Obwohl dieser zweite Teil mehr an eine Deklamation bzw. an eine Stilübung erinnert und keinen Funken augustinischen Charakters in sich trägt, äußerte A. B. Caillau, der den Text nach dem beneventanischen Homiliar Monte Cassino, Bibl. Abb. 123 druckte, keinen Zweifel an der Autorschaft des Bischofs von Hippo.41 G. Morin wies dies zurück und vermutete, der Text könnte vom selben Verfasser stammen wie S. Caillau II,79 (CPPM 1A, 1385), eine Predigt, die in der Überlieferung mit S. Caillau II,80 verbunden ist, dieselbe Thematik behandelt und ebenfalls eine stark rhetorische Prägung aufweist.42 Eine Quelle für jenen Teil von S. Caillau II,80, der nicht auf Fortunatian zurückgeht, vermochte ich nicht zu identifizieren: Seiner Sprache und Stilistik nach zu urteilen, dürfte er schwerlich nach dem 6. Jh. verfasst worden sein. Daraus folgt aber nicht zwingend, dass S. Caillau II,80 zu einem so frühen Zeitpunkt kompiliert wurde.43 Die Handschriften, welche diese Predigt überliefern – zu nennen sind neben Monte Cassino 123 das gleichfalls beneventanische Homiliar Monte Cassino, Bibl. Abb. 104 (hier unter dem Namen des Johannes Chrysostomus) sowie das auf römischen Quellen basierende Homiliar Toledo, Bibl. cated. 48-1244 – entstammen dem 11. und 12. Jh., gehen aber auf ältere Sammlungen zurück. Man kann die Überlieferung von S. Caillau II,80 in diesen Homiliaren als Indiz für einen zentralitalienischen Ursprung der Predigt ansehen. Ich vermute eine Entstehung in einem vergleichbaren Umfeld wie im Fall von S. Alanus 1,25, S. Mai 58 und 59, also im mittleren Italien des 6. oder frühen 7. Jh. Bei diesem Exzerpt ist es am günstigsten, als Ausgangstext den (orthographisch normalisierten) Wortlaut von K (fol. 42r–43r) abzudrucken und Varianten nach S. Mai 59 (= m) und S. Caillau II,80 (= c) zu notieren:

|| 39 Denique sanctus Iohannes baptista, cuius etiam natalem adiuvante Christo hodie celebramus, cum tota membra corporis sui caput amitterent, gaudebat in sinu perfectae deitatis recumbere. 40 Nam nos, qui amatores sumus castitatis et pacis, rogemus omnes, ut ab omni nos illecebra custodire dignetur. Amen. Es steht zu vermuten, dass dieser und der o. Anm. 39 abgedruckte Satz selbständige Zutaten des Kompilators sind, durch welche die aus unterschiedlichen Texten entnommenen Exzerpte zu einer kohärenten Predigt zusammengeflickt werden sollten. 41 Auf Caillau basiert der Wiederabdruck in PLS 2, 1088–1090. 42 MORIN, Augustini Sermones, 748 und 752. 43 Die Angabe „Afrika, 5./6. Jh.“ bei GRYSON, Répertoire, 294, bzw. „Africanus, s. V–VI“ in der CPPM 1A, 1386 führt keine Begründung an und ist als bloße Mutmaßung anzusehen. 44 Vgl. LEMARIÉ, L’homéliaire 48.12, 288f., insbesondere Anm. 25.

36 | Lukas J. Dorfbauer 

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Ecce ego mitto vos sicut oves in medio luporum (Mt. 10,16) et cetera. Quia ipse est pastor ovium et magister, ut in alio testatur Ego sum pastor bonus. Pastor bonus animam suam ponit pro ovibus suis (Io. 10,11), merito discipulos suos propter innocentiam ovibus comparavit; lupos autem hos significat, qui post passionem domini apostolos et ceteros credentes propter filium dei persecuti sunt. Inter quos qualiter ambulare deberet, praemonet: Estote inquit simplices ut columbae (Mt. 10,16). Vult ergo dominus, ut, sicut columbae sunt sine dolo, sine felle, quia non meminerint iracundiam, sic et nos sine dolo malitiae et sine felle, quod est amaritudo peccati, obliti iracundiae et iniuriarum in praesenti saeculo vivamus,45 ut divina promissa capiamus. Et astuti inquit sicut serpentes (Mt. 10,16). Astutia serpentis haec est, quam imitare debemus: Serpens enim certo tempore per foramen satis angustum fulcire, sed igitur ibique cum magno labore deposita ex ubi a veteri velut nobis efficitur. Cuius astutiam nos imitantes iter angustum vitae aeternae ingressi, quam inquit angusta est via, quae ducit ad vitam (Mt. 7,14), deposito superficio veteri, id est pristina conversatione, velut novi homines in saeculo apparere debemus, in novitate vitae ambulantes (Rom. 6,4), ut apostolus commonet. Est et alia astutia serpentis: Si forte devenerit in manus volentis occidere se, totum corpus suum plagis et vulneribus tradit et nihil aliud gestit nisi caput integrum custodire. Ad quod exemplum et nos provocamur, ut, si tempore persecutionis46 in manus inimicorum devenerimus, pro capite nostro, id est pro filio dei, totum corpus tormentis et suppliciis, etiam ipso morti, subiciamus, quia caput viri Christus est (1 Cor. 11,3).

1 ego om. c | pro et cetera additamentum homileticum add. c || 2 ut om. m; sicut c | in alio] in evangelio m; in alio loco c | testatur] dicens add. m | bonus pastor tr. c || 3 merito] itaque add. c | suos om. c || 4 innocentiam] sanctae vitae add. c || 5 ceteros .. dei] universos fideles in Christo credentes crudeliter c || 6 deberent m; debeamus quasi pius pastor c | praemonet] dicendo add. c | inquit] astuti sicut serpentes et add. c || 7 ut1] sicut m c | ut2 om. m | columbae sunt] columba est m || 8 dolo] et add. c | quia … iracundiam] nec meminerunt iracundiae c | 8sq. quia … felle om. m || 10 praesenti saeculo] praesentis saeculi m; ita humiliter add. c | promissa divina tr. m; promissa divina praemia merito c || 11–18 astutia … devenerit om. c sed add. additamentum homileticum | astutia serpentis om. m || 12 satis om. m | fulciri m || 13 sed igitur] se dicitur m | ibique] ubi m | ex ubi a] exuvia m | nobis] novus m || 15 via est tr. m || 15sq. deposita superficie veteris m || 16 pristinae conversationis m || 17 vitae om. m | ut … commonet om. m || 18 si forte devenerit] si venerit m | se volentis occidere tr. m; volentis se occidere tr. c || 19 gestit] || 45 Hier setzt in m eine Textverwirrung ein: Die in diesem Zeugen folgenden Worte iter angustum vitae aeternae … id est pristinae erscheinen von ihrer korrekten Position weiter unten im Text, nach nos imitantes, an diese Stelle verschoben. Ich habe den gesamten von Mai gedruckten Text der Predigt mit der Handschrift München, Bayer. Staatsbibl. Clm 4547 (s. VIII–IX), einem alten Zeugen für den Sommerteil des Alan-Homiliars, verglichen, und dort findet sich dieselbe Verwirrung: Diese geht also nicht auf die von Mai benutzte Handschrift zurück, sondern auf eine ältere Überlieferungsstufe. Möglicherweise ist der Kompilator von m selbst dafür verantwortlich. 46 Im Druck von S. Mai 59 steht praedicationis, aber München Clm 4547 (vgl. o. Anm. 45) bestätigt persecutionis für m.

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domi astutia servat c | capud] suum add. c || 20 custodiat c | exemplum] astutiae add. c || 21 manibus c || 22 dei] Christo domino nostro add. c | ipsi m c | 22sq. post subiciamus desinit c || 23 viri] nostrum m

Die umfangreiche Textverwirrung in m (vgl. o. Anm. 45) und die selbständigen Zusätze in c (vgl. den Apparat zu Z. 1 und 11–18) beweisen, dass keine der beiden Predigten ihren Fortunatian-Teil der jeweils anderen Predigt entnommen haben kann.47 Überhaupt sind keine eindeutigen Bindefehler zweier Textzeugen gegen den jeweils dritten greifbar, sodass das genaue Verhältnis zwischen K, m und c unklar bleibt.48 Damit sind m und c von potentieller Bedeutung für die Textkonstitution des Evangelienkommentars. In der Praxis trägt freilich S. Caillau II,80, dessen Autor sich große Freiheiten bei der Arbeit mit seinem Ausgangstext gestattete, kaum etwas zur Verbesserung des Wortlauts von Fortunatians Kommentar bei. Dagegen erlaubt S. Mai 59 mindestens drei schlagende Korrekturen von K: Selbstverständlich muss es heißen serpens … fulcire se dicitur (nicht sed igitur), deposita exuvia (nicht ex ubi a) veteri und velut novus (nicht nobis) efficitur. Allerdings zeigt auch S. Mai 59 leichte Tendenzen, den überlieferten Wortlaut zu glätten: So interpretiere ich jedenfalls die Abänderung von deposito superficio veteri, id est pristina conversatione zu deposita superficie veteris, id est pristinae, conversationis.49 Insgesamt ist der von c bzw. von m überlieferte Text zu kurz, um die Texterstellung entscheidend zu fördern. *** Die hier präsentierten Dokumente bestätigen das Bild von der vorkarolingischen Überlieferung von Fortunatians Evangelienkommentar, welches sich bereits in meinen drei in der Bibliographie aufgelisteten Arbeiten abgezeichnet hat: Jene Rezeptionszeugnisse, die sich mit einiger Wahrscheinlichkeit einer bestimmten Region zuweisen lassen, führen entweder ins Grenzgebiet zwischen Norditalien und der Schweiz, wo offenbar irisch geprägte Kreise an der Verbreitung des Werks beteiligt waren, oder aber ins mittlere Italien. Dieser relativ eng begrenzte, ausschließlich auf an Norditalien anliegende Gebiete beschränkte Wirkungsraum ist keine allzu große || 47 Es ist demnach falsch, wenn in den betreffenden Einträgen bei GRYSON, Répertoire, 294, sowie in der CPPM 1A, 1555 S. Caillau II,80 zu den Quellen von S. Mai 59 gerechnet wird. 48 Die Umstellung promissa divina in c und m gegen divina promissa in K halte ich nicht für ausreichend, um mit Sicherheit einen c und m gemeinsamen Vorfahren anzusetzen, welcher stemmatisch K gegenüberstehen würde; nicht aussagekräftig ist weiters in alio (K) und in alio loco (c) gegen in evangelio (m). Aus allgemeinen Überlegungen muss man freilich davon ausgehen, dass die Kompilatoren von c und m ihren Fortunatian-Text nicht jeweils aus dem vollständigen Kommentar entnommen haben, sondern dass sie – unabhängig voneinander – Zugriff auf eine Quelle hatten, in welcher der betreffende Abschnitt bereits als eigenständiges Exzerpt vorgelegen ist. 49 Im Gebrauch von Formen wie exuvia (statt exuviae) und superficium (statt superficies) dürfen wir möglicherweise einige jener Merkmale sehen, deretwegen Hieronymus die Sprache von Fortunatians Kommentar als sermo rusticus charakterisiert hat (vir. ill. 97).

38 | Lukas J. Dorfbauer  Überraschung im Fall eines Texts, welcher zur Mitte des 4. Jh. in Aquileia geschrieben wurde, aber bereits in der ausgehenden Antike kaum mehr bekannt war. Fortunatians Kommentar wurde offenbar bereits ab einem frühen Zeitpunkt wenig beachtet; man kopierte ihn nur selten, und die im Umlauf befindlichen Abschriften kursierten in einem vergleichsweise überschaubaren geographischen Raum. Die große Ausnahme bildet K: Dieser Textzeuge ist ein Sonderfall, nicht nur insofern er den Kommentar (beinahe) vollständig überliefert, sondern auch insofern er an einem weiter entfernten Ort innerhalb des Karolingerreichs geschrieben wurde. Möglicherweise begünstigte gerade diese gewissermaßen exotische Stellung – auch wenn ‚italienische Wurzeln‘ von K auf jeden Fall anzunehmen sind – die ungekürzte Konservierung des Textes. Jedenfalls war Fortunatians Evangelienkommentar zu Beginn des 9. Jh. eine extreme Rarität, die man (wenn überhaupt) fast nur indirekt und in winzigen Stücken, verarbeitet in Exzerptsammlungen und umgeformt zu Predigten, kaum aber in der ursprünglichen und vollständigen Form, kennenlernen und benutzen konnte. Der Verfassername Fortunatians ging bereits zu einem frühen Zeitpunkt in der Überlieferung weitgehend verloren: Wo man den Evangelienkommentar kopierte oder exzerpierte, geschah dies mehrheitlich ohne Angabe seines Schöpfers.50 Die bisher bekannten Zuschreibungen von Exzerpten an andere Autoren – „Augustinus“ (und seltener „Johannes Chrysostomus“) bei einigen der hier diskutierten Predigten, „Hilarius“ (und seltener „Ambrosius“ oder „Origenes“) in einigen beneventanischen Homiliaren51 – sind aller Wahrscheinlichkeit nach als sekundäre Phänomene zu beurteilen, d. h. diese Namen dürften anonym vorliegenden Texten aufgepfropft worden sein. Warum Fortunatians Name so früh und so weitgehend aus der Tradition verschwand, ist eine interessante Frage. Sicherlich konnte dies umso leichter passieren, als es sich um keinen der ‚großen Namen‘, wie etwa Augustinus oder Hieronymus, handelt – aber das allein ist kein ausreichender Grund. Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass dem eingangs zitierten Fortunatian-Eintrag in Hieronymusʼ De viris illustribus entscheidender Anteil am Verlust des Verfassernamens zukommt. Er schließt mit den Worten: Et in hoc habetur detestabilis [sc. Fortunatianus], quod Liberium Romanae urbis episcopum pro fide ad exilium pergentem primus sollicitavit ac

|| 50 Für die drei uns bekannten Exzerpte, die allein den Namen Fortunatians bewahren, vgl. WILMART, Deux expositions, und BISCHOFF, Wendepunkte, 238–240. Ich möchte vermuten, dass diese Stücke letztlich auf (eine) Exzerpierung(en) zurückgehen, welche in sehr früher Zeit vorgenommen wurde(n). 51 Vgl. DORFBAUER, Evangelienkommentar, 194–196. Freilich sind Predigten, die Kompilationen aus unterschiedlichen Texten darstellen, anders zu beurteilen als solche, die ein einzelnes Exzerpt auswerten und mehr oder minder stark umformen: Z. B. kann eine Zuschreibung an Augustinus damit zusammenhängen, dass – wie im Fall von S. Mai 59 – authentisches Textmaterial des Augustinus verarbeitet wurde.

Überlieferung und Rezeption des Evangelienkommentars des Fortunatian | 39

fregit et ad subscriptionem haereseos compulit. Diese Zuweisung einer unmittelbaren Verantwortung für Papst Liberius’ Abfall von der Orthodoxie in den Wirren der arianischen Kontroversen war Grund genug, den Bischof von Aquileia in den Augen späterer Generationen als Häretiker abzustempeln.52 Auch wenn der Inhalt des Evangelienkommentars keinen Anlass dafür bietet, Fortunatian als „Arianer“ zu betrachten, werden es viele Benutzer angesichts von Hieronymus’ Worten für sicherer gehalten haben, den Text ohne Angabe seines Namens zu kopieren.53 Und vielleicht war es letztendlich eben diese Anonymisierung, die das Werk des als Häretikers verdächtigten Bischofs in der Überlieferung gerettet hat.

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|| 52 Zum geschichtlichen Hintergrund vgl. BRENNECKE, Hilarius, 265–297, und insbesondere DUCHESNE, Libère, der zu dem Schluss kommt, dass unter allen uns bekannten Quellen Hieronymus’ Bewertung von prägender Bedeutung für die Einschätzung der „Causa Liberius“ durch die Nachwelt gewesen ist („c’est Jérome qui fut écouté … on le prit au pied de la lettre“ 77). 53 Eine interessante Parallele bietet die Überlieferung der Werke des Sulpicius Severus, wie ich REBENICH, Hieronymus, 253 (mit weiterführenden Literaturangaben), entnehme: „Im Kommentar zu Ezechiel weist Hieronymus eine chiliastische Interpretation zu Ezech. 36,1-5 zurück, die Tertullian, Lactantius, Victorinus von Pettau und Severus vorgetragen hatten. In Hieronymus’ Kritik sieht man den Grund, daß die entsprechende Stelle in den Dialogen des Severus von der Mehrzahl der Handschriften nicht überliefert wurde und das Decretum Gelasianum die Dialoge indizierte.“

40 | Lukas J. Dorfbauer  DORFBAUER, L. J., Der Evangelienkommentar des Bischofs Fortunatian von Aquileia (Mitte 4. Jh.). Ein Neufund auf dem Gebiet der patristischen Literatur, WSt 126 (2013), 177–198. DORFBAUER, L. J., Neues zu den Expositiunculae in evangelium Iohannis evangelistae Matthaei et Lucae (CPL 240) und ihrem vermeintlichen Autor „Arnobius Iunior“, RBen 124 (2014). DORFBAUER, L. J., Der Codex Köln, Erzbischöfliche Diözesan- und Dombibl. 17. Ein Beitrag zur Überlieferung des Evangelienkommentars des Bischofs Fortunatian von Aquileia, in: Mittelalterliche Handschriften der Kölner Dombibliothek. Fünftes Symposion November 2012 (voraussichtlich 2014). DUCHESNE, L., Libère et Fortunatien, MEFR 28 (1908), 31–78. ÉTAIX, R., La collection de sermons du codex 152 de la faculté de médecine de Montpellier, RBen 106 (1996), 134–150. GRÉGOIRE, R., Homéliaires liturgiques médiévaux. Analyse de manuscrits, Spoleto 1980 (Biblioteca degli Studi medievali 12). GRYSON, R. – BAISE, I., Apocalypsis Johannis, Freiburg i. Br. 2000–2003 (Vetus Latina 26/2). GRYSON, R., Répertoire général des auteurs ecclésiastiques latins de l’Antiquité et du haut Moyen Âge, Freiburg i. Br. 2007. KÜRBIS, B. – WOLNY, J. – ZYDOREK, D. (edd.), Kazania na różne dni postne i inne teksty z kodeksu krakowskiego 140 (43), Krakau 2010. LEMARIÉ, J., L’homéliaire 48.12 de la bibliothèque capitulaire de Tolède, REAug 27 (1981), 278–300. MAI, A., Nova bibliotheca patrum: Tomus primus continens sancti Augustini novos ex codicibus Vaticanis sermones, Rom 1852. MCNALLY, R. E., Der irische Liber de numeris. Eine Quellenanalyse des pseudo-isidorischen Liber de numeris, Diss. München 1957. MOHLBERG, L. C., Katalog der Handschriften der Zentralbibliothek Zürich 1: Mittelalterliche Handschriften, Zürich 1952. MORIN, G., Sancti Augustini sermones post Maurinos reperti, Rom 1930. MORIN, G., L’évêque Laurent de „Novae“ et ses opuscules théologiques attribués à tort à un Laurent de Novare, RSPh 26 (1937), 307–317. REBENICH, S., Hieronymus und sein Kreis. Prosopographische und sozialgeschichtliche Untersuchungen, Stuttgart 1992 (Historia Einzelschriften 72). WILMART, A., Deux expositions d’un évêque Fortunat sur l’évangile, RBen 32 (1920), 160–174. WILMART, A., Le sermon CCLIV de Saint Augustin, RBen 38 (1926), 151–163. WRIGHT, C. D. – WRIGHT, R., Additions to the Bobbio Missal: De dies malus and Joca monachorum, in: The Bobbio Missal. Liturgy and Religious Culture in Merovingian Gaul, edd. Y. HEN – R. MEENS, Cambridge 2004, 79–139 (Cambridge Studies in Palaeography and Codicology 11).

[email protected] FB Altertumswissenschaften, CSEL Universität Salzburg

Christine Ratkowitsch

Diebe in der Nacht Motivgeschichtliche Überlegungen zum Großen Sonnenhymnus Echnatons und zum Morgenhymnus Aeterne rerum conditor des Ambrosius Der Morgenhymnus Aeterne rerum conditor (hymn. 1) des Ambrosius und dessen interpretierende Umdichtung durch Prudentius (cath. 1) zählen zu denjenigen poetischen Texten der Spätantike, mit denen sich Kurt Smolak eingehend auseinandersetzte.1 Zu diesen beiden Gedichten, die die Wirkung des Hahnenschreis vor dem Morgengrauen und dessen christliche Bedeutung zum Inhalt haben, sind neben den eben genannten zahlreiche andere wissenschaftliche Untersuchungen erschienen, die Einzelkommentierung, Strukturanalysen und Gesamtinterpretation umfassen.2 Trotz bisweilen unterschiedlicher Auffassung in Detailfragen sind doch alle genannten Forscher darin einig, dass Ambrosius zwar an der Grenze zur Allegorie steht, jedoch in vielem konkret bleibt und die Identifizierung von Hahn und Christus nicht expressis verbis vollzieht; Prudentius dagegen überschreitet diese Grenze, der Hahn ist mit Christus in der ersten Parusie gleichgesetzt, das Licht, das jener durch seinen Schrei ankündigt, mit Christus in der zweiten Parusie. Kaum Beachtung fand dagegen in der modernen Forschung ein scheinbar peripheres Motivelement bei Ambrosius, das sich allerdings – gerade in der Kombination mit mehreren anderen Motiven des spätantiken Morgenhymnus – in seinem Traditionsstrang bis zu einem ägyptischen Hymnus des 14. Jahrhunderts v. Chr. zurückverfolgen lässt und derart möglicherweise bisher nicht erkannte weitere Bezugstexte des Ambrosius ins Blickfeld treten lässt: Die Rede ist von den Dieben, die in der Nacht ihr Unwesen treiben, beim Hahnenschrei jedoch von ihrem bösen Tun ablassen. Das Motivelement begegnet in dem Aretalogieteil des Hymnus, den Strophen drei bis sechs,3 in Vers 23, möglicherweise bereits in Vers 11. Hier zunächst der Text der vier Strophen, die Verse 9–24: || 1 SMOLAK, Christentum, Textband, 103f.; Kommentarband, 134–136; Lehrerbegleitband, 113–115. Zu nennen ist an dieser Stelle weiters die von Smolak initiierte und betreute Diplomarbeit von BLANK aus dem Jahr 2011, die einen detaillierten Vergleich des Hymnus des Prudentius mit dem Gedicht des Ambrosius bietet. 2 Zu nennen sind zu Ambrosius vor allem folgende Arbeiten: FAUTH, Morgenhymnus; THRAEDE, Hahn; FONTAINE, Ambroise, 143–175; FRANZ, Tageslauf, 147–275; HÄUSSLING, Hymnen von gestern; zu Prudentius: HERZOG, Allegorische Dichtkunst, 58–67; FUHRMANN, Ad Galli Cantum; VAN ASSENDELFT, Sol ecce surgit igneus, 39–41 und 59–91; GNILKA, Natursymbolik, 117–138; BLANK, Gallus cantavit. 3 In der in Anm. 2 genannten Forschung besteht Einigkeit darüber, dass die Strophen drei bis sechs zur Aretalogie zu zählen sind, sieben bis acht das Gebet an Christus enthalten. Diskutiert wurde dagegen über die Abgrenzung der Anrufung von der Aretalogie: SMOLAK, Christentum, Kommentar-

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hoc (sc. gallo) excitatus Lucifer solvit polum caligine, hoc omnis errorum chorus vias nocendi deserit. hoc nauta vires colligit pontique mitescunt freta, hoc ipse petra ecclesiae canente culpam diluit. surgamus ergo strenue: gallus iacentes excitat et somnolentos increpat, gallus negantes arguit. gallo canente spes redit, aegris salus refunditur, mucro latronis conditur, lapsis fides revertitur.

Die Aretalogie umfasst die Auswirkungen des Hahnenschreis auf den Kosmos und den Menschen, wobei in den Strophen drei und vier (vv. 9–16) mit der Nennung der Bereiche Himmel und Meer noch eher kosmische Phänomene im Vordergrund stehen. Den Übergang zu ausschließlich auf den Menschen gerichteten Wirkungen schafft die genau in der Gedichtmitte platzierte Erwähnung der dreimaligen Verleumdung Christi durch Petrus vor dem ersten Hahnenschrei: Die mit diesem Hand in Hand gehende, durch die Reue des Apostels bewirkte Tilgung der Schuld leitet den zweiten Teil des Kataloges in den Strophen fünf und sechs ein: Wie Petrus beim Hahnenschrei bereute und derart Rettung erfuhr, lassen in diesem Augenblick negativ konnotierte Gegebenheiten (Schlaf, Hoffnungslosigkeit und Krankheit, Bedrohung durch Räuber, mangelnder Glaube) nach bzw. hören ganz auf – Gegebenheiten, die wohl aufgrund der Rahmung durch das Beispiel des Petrus (15f.) und die Erwähnung des Glaubens (24) alle nicht bloß auf einer litteralen Ebene zu verstehen sind, sondern auch auf einer allegorischen als Zeichen der sündhaften Verstrickung, die durch die vom Hahn vorgenommene Ankündigung Christi aufgehoben

|| band, 134f., lässt die Anrufung Gottes bei Vers 4 enden, rechnet die zweite Strophe daher bereits der Aretalogie zu. Ich möchte Strophe 2 dagegen eher als Kompositionsfuge werten, die die Verbindung zwischen den beiden Hymnenteilen herstellt, jedoch aufgrund der Themennennung noch stärkere Verbindung zur einleitenden Anrufung besitzen dürfte; die Ausführung dieses Themas schließt mit der eigentlichen Aretalogie in den Strophen drei bis sechs an.

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wird.4 Zu diesen Gegebenheiten zählt auch die Bedrohung durch Räuber während der Dunkelheit (23): Bereits in Iob 24,14 finden sich in einer katalogartigen Klage über die Qualen und Verbrechen, die die Menschen treffen, sobald sich Gott von ihnen abwendet, auch die Mörder, die nachts wie Diebe umherschleichen: mane primo consurgit homicida, interficit egenum et pauperem, per noctem vero erit quasi fur. In dem biblischen Gleichnis von Christus als dem pastor bonus stehen daher die Diebe in der Nacht für die tödliche Bedrohung, der gute Hirte dagegen für Rettung und Leben (Io. 10,1–18, bes. 1 und 10f.). Diese finsteren Gesellen begegnen zudem mehrfach an anderen Stellen im Werk des Ambrosius: Zu nennen sind Explanatio psalmi 36,15, wo sie als Vertreter der Finsternis im natürlichen Bereich die analoge Wirkung des Übernatürlichen, der Sünde, zu beweisen haben, oder Expositio evangelii Lucae 7,73 (zu Lc. 10,30), wo die latrones als angeli noctis et tenebrarum bezeichnet werden.5 Diese letzte Stelle ist insofern interessant, als sie aus der Erzählung über den Samariter stammt, der den von Räubern überfallenen und verwundeten Pilger verarztet, wie in christlicher Auslegung Jesus den von den Mächten des Bösen bedrängten Menschen rettet: Da diese Gestalt im Christentum als Beispiel schlechthin für caritas galt, dürften in Strophe 6 tatsächlich – neben Hoffnung auf Besserung, Heilung der Kranken und Wiederkehr der Zuversicht bei Tagesanbruch – auf der allegorischen Ebene die drei christlichen Haupttugenden fides, spes und caritas mitschwingen.6 Die Diebe sind jedoch vermutlich nicht erst in 23 angesprochen, sondern bereits in 11f. zumindest mitgemeint in der Junktur errorum chorus. Diese wurde in der modernen Forschung sowohl in textkritischer Hinsicht als auch bezüglich der Interpretation intensiv diskutiert. In den Handschriften ist einheitlich errorum chorus überliefert, wobei errorum im Sinne von errantium aufgefasst werden muss.7 Der von dem selteneren Substantiv erro abgeleitete Genetiv erronum dagegen begegnet erstmals in der Edition des Breviarium Romanum von 1632, in das der Hymnus, ‚verbessert‘ nach den Regeln eines an der Klassik orientierten Latein, Eingang fand. Zudem scheint das Wort in der Klassik bloß in militärischem Kontext und von Flüchtlingen (im Speziellen von flüchtenden Sklaven) gebraucht worden zu sein; als ersten Beleg für einen ausgeweiteten Gebrauch (de quovis vagabundo) führt der ThlL eben Am|| 4 SMOLAK, Christentum, Kommentarband, 135f., versteht die Schläfrigkeit als Verleugnung des Lichtes, d. h. Christi, durch Ungläubige bzw. Häretiker und sieht in Strophe sechs die paulinischen Tugenden fides, spes und caritas (1 Cor. 13,13) gespiegelt. Darin folgen ihm die meisten Forscher, bloß THRAEDE, Hahn, 42, gesteht einzig fides eine christliche, allegorische Bedeutungsebene zu, während er alle anderen Gegebenheiten auf der wörtlichen Bedeutungsebene verstanden wissen will. 5 Dazu vgl. VAN ASSELDELFT, Sol ecce surgit igneus, 98; GNILKA, Natursymbolik, 116f.; FONTAINE, Ambroise, 169; FRANZ, Tageslauf, 247–257, bes. 251 und 254f. 6 S. o. Anm. 4. 7 Diese prägnante Bedeutung von error ist von Livius an mehrfach in der heidnischen und christlichen Literatur belegt: vgl. ThlL V 2, 818,56–61 (de eis qui errant).

44 | Christine Ratkowitsch  brosius, hymn. 1,11 an – allerdings ohne Hinweis darauf, dass erronum in den Handschriften nicht überliefert ist, sondern eine späte Konjektur zu sein scheint.8 Deshalb gibt die jüngere Forschung der Lesart der Handschriften den Vorzug.9 Schwieriger gestaltet sich die Deutung des Begriffs errorum: Vorgeschlagen wurden „Dämonen“ (Fauth, Smolak), „Wegelagerer“ (Thraede), „Planeten“ (Häussling) oder – je nach Deutungsebene – sämtliche Varianten, dazu noch die unmittelbar aus der zeitgeschichtlichen Situation, in der der Hymnus entstand, hergeleitete Bedeutung „Häretiker“ (Fontaine, Franz).10 Für unwahrscheinlich halte ich die auf der Erwähnung des Meeres und der Seefahrt in 13f. beruhende Vorstellung, es handle sich bei den errores um die Planeten, die aufgrund ihrer schädigenden Wirkung auf die Menschen und ihrer unsteten Bahn nachts die Schiffer in die Irre führten: Seefahrer pflegen sich nämlich an den aus Fixsternen bestehenden Sternbildern zu orientieren, nicht an Wandelsternen. Sowohl die Deutung auf Diebe als auch diejenige auf Dämonen scheinen dagegen je einen gewichtigen Zeugen auf ihrer Seite zu haben, nämlich Ambrosius selbst und Prudentius: Ambrosius legt im Hexameron in Zusammenhang mit der Entstehung der Tiere am fünften Schöpfungstag eine kurze Aretalogie des Hahnes ein, die sich ziemlich genau mit derjenigen des Hymnus deckt, spricht dort jedoch ausschließlich von Dieben, nicht von Dämonen.11 Umgekehrt nennt Prudentius in seiner interpretierenden Umdichtung des Hymnus des Ambrosius drei in einer Klimax angeordnete Beweise für die heilbringende Wirkung des Hahnes: Deren erster sind die nachts umherschweifenden Dämonen, die vom Hahnenschrei vertrieben werden,12 unmittelbar gefolgt von der Verleumdung Christi

|| 8 Vgl. ThlL V 2, 813,63–814,17. 9 FAUTH, Morgenhymnus, 108; SMOLAK, Christentum, Lehrerbegleitband, 114; THRAEDE, Hahn, 40 und 46 (Anm. 8); FONTAINE, Ambroise, 160f.; FRANZ, Tageslauf, 213–216; HÄUSSLING, Hymnen von gestern, 96. 10 Vor allem FRANZ, Tageslauf, 216–222, versucht, je nach Sinnebene dem Wort eine andere Bedeutung zu unterlegen; der Forscher sieht insgesamt in den Strophen drei und vier Christi Leben von dessen erstem Auftreten als Prediger (9f.) über die Dämonenaustreibung (11f.) und den Seesturm (13f.) bis zur Passion (15f.) repräsentiert (Tageslauf, 237f.). 11 Ambr. hex. 5,24,88: est etiam galli cantus suavis in noctibus – non solum suavis, sed etiam utilis, qui quasi bonus cohabitator et dormitantem excitat et sollicitum admonet et viantem solatur processum noctis canora significatione protestans. hoc canente latro suas relinquit insidias, hoc ipse lucifer excitatus oritur caelumque inluminat; hoc canente maestitiam trepidus nauta deponit omnisque crebro vespertinis flatibus excitata tempestas et procella mitescit; hoc devotus adfectus exsilit ad precandum, legendi quoque munus instaurat; hoc postremo canente ipsa ecclesiae petra culpam suam diluit, quam priusquam gallus cantaret negando contraxerat. istius cantu spes omnibus redit, aegri relevatur incommodum, minuitur dolor vulnerum, febrium flagrantia mitigatur, revertitur fides lapsis, Iesus titubantes respicit, errantes corrigit. denique respexit Petrum et statim error abscessit, pulsa est negatio, secuta confessio. 12 Prud. cath. 1,37–48: ferunt vagantes daemonas, / laetos tenebris noctium, / gallo canente exterritos / sparsim timere et cedere. / invisa nam vicinitas / lucis, salutis, numinis / rupto tenebrarum situ / noctis fugat satellites. / hoc esse signum praescii / norunt repromissae spei, / qua nos soporis liberi /

Zum Sonnenhymnus Echnatons und zum Morgenhymnus (hymn. 1) des Ambrosius | 45

durch Petrus und dessen Reue beim Hahnenschrei, den Höhepunkt bildet die Auferstehung Christi, die ebenfalls beim ersten Hahnenschrei erfolgte (cath. 1,37–72).13 Tatsächlich bietet jedoch keine der beiden Stellen ein klares Argument für die eine oder die andere Deutung: Was Ambrosius betrifft, so sind zwar die beiden Passagen sprachlich, inhaltlich und strukturell sehr ähnlich, und die Diebe des Hexameron stehen genauso in unmittelbarem Kontext mit dem Aufgang des Morgensterns wie der errorum chorus im Hymnus. Es handelt sich allerdings – abgesehen von dem nicht geklärten chronologischen Verhältnis von Hymnus und Hexameron14 – um zwei grundsätzlich unterschiedene Textgattungen, die nicht notgedrungen in allen Elementen deckungsgleich sein müssen; eine Variation der Beispielkette durch den Autor kann daher nicht zur Gänze ausgeschlossen werden.15 Prudentius wiederum dichtet den Hymnus seines Vorgängers um, könnte daher selbständig die ambivalente Junktur errorum chorus im Sinne von Dämonen interpretiert haben. Die spätantiken Texte helfen also nicht weiter, wohl aber könnte ein ungleich älterer Text, der sich motivisch mit dem Hymnus des Ambrosius in vielem deckt, einen Hinweis liefern, dass in einem derartigen Kontext des Morgenanbruchs die verscheuchten Diebe der Nacht ein jahrtausendealtes Motiv sind – der wohl von Echnaton persönlich verfasste Hymnus auf seinen Gott Aton. Zuvor jedoch muss noch kurz auf ein alttestamentliches Zwischenglied eingegangen werden, das mit Sicherheit in einer längeren Passage (in direkter oder indirekter Vermittlung) auf dem Atonhymnus beruht, seinerseits Ambrosius selbstverständlich bekannt war und in dem Morgenhymnus als Vorbildtext, wie ich glaube, in die Betrachtung einzubeziehen ist: auf den vermutlich in der Zeit nach dem Babylonischen Exil entstandenen Psalm 103 (104).16 Dieser Psalm ist ein Hymnus auf Gott || speramus adventum dei. Zu diesen Versen vgl. die erklärenden Hinweise bei HERZOG, Allegorische Dichtkunst, 60f.; FUHRMANN, Ad Galli Cantum, 99; VAN ASSENDELFT, Sol ecce surgit igneus, 71–75; GNILKA, Natursymbolik, 120–125; BLANK, Gallus cantavit, 46f. (nicht korrekt ist Blanks Vermutung in diesem Kontext, Prudentius habe wohl die Lesart erronum vor sich gehabt, da es sich dabei, wie gesagt, nicht um eine Lesart der Handschriften, sondern, wie es scheint, um eine bloße Konjektur des Drucks des Römischen Breviers aus dem Jahre 1632 handelt). 13 Die Klimax zeigt sich in den die drei Beweise jeweils einleitenden Verben ferunt (37), was auf den Volksglauben verweist, dass die Dämonen, deren Existenz selbst jedoch nicht in Frage gestellt wird, beim Hahnenschrei fliehen – salvator ostendit (50) – omnes credimus (65). 14 Zu den drei Möglichkeiten (Priorität des Hymnus, Priorität des Hexameron, parallele Entstehung der beiden Werke) vgl. FONTAINE, Ambroise, 145f. 15 So richtig schon FRANZ, Tageslauf, 248. 16 Die Zählung der Psalmen richtet sich in diesem Beitrag nach der Septuaginta, der auch die lateinischen Übersetzungen folgen; diese differieren bekanntlich von der hebräischen Zählung von Psalm 10 bis 148 um eine Nummer. – Der Psalm 103 wurde in der Forschung, wie es scheint, noch nie als Bezugstext geltend gemacht; einzig FRANZ, Tageslauf, 224, Anm. 905, verweist auf Ps. 103,25f., jedoch in anderem Kontext und bloß als Vergleich zu der Stelle Ps. 73,13f., die er im Zusammenhang mit der symbolischen Deutung des nachts aufbrausenden Meeres behandelt. Zur Interpretation des Psalms selbst vgl. zuletzt die umfangreiche Monographie von KRÜGER, Lob des

46 | Christine Ratkowitsch  als den Schöpfer und Erhalter des Kosmos, orientiert sich daher in der Aufzählung der diversen Teile der Schöpfung an Gen. 1. Die Struktur des Textes zeichnet sich durch eine Gliederung in drei Großabschnitte aus: 1–9 Erschaffung der Bereiche Himmel und Erde, Trennung derselben von der Urflut; 10–18 Ausgestaltung der Bereiche durch Quellen und Regen, was die Versorgung der Lebewesen und Pflanzen mit Wasser bewirkt; 19–30 Erschaffung der zeitlichen Ordnung und Versorgung der Lebewesen mit Nahrung gemäß dem Rhythmus der Zeit, Abhängigkeit alles Lebens von Gott. Daran schließt mit 31–35 ein resümierender Preis Gottes, verbunden mit einem Gebet. Im Anschluss an die Charakterisierung der einzelnen Bereiche des Kosmos und der diese bewohnenden Tiere kommt der Psalmist auf die von Gott geschaffenen Gestirne Sonne und Mond, den durch diese bewirkten Wechsel von Tag und Nacht und das dadurch jeweils unterschiedliche Verhalten der Tiere und Menschen zu sprechen (19–30):17 fecit lunam in tempora, sol cognovit occasum suum. / posuisti tenebras et facta est nox: in ipsa pertransibunt omnes bestiae silvae, / catuli leonum rugientes ut rapiant et quaerant a Deo escam sibi. / ortus est sol et congregati sunt et in cubilibus suis conlocabuntur. / exibit homo ad opus suum et ad operationem suam usque ad vesperum. / quam magnificata sunt opera tua, Domine! omnia in sapientia fecisti, impleta est terra possessione tua. / hoc mare magnum et spatiosum manibus: illic reptilia quorum non est numerus, animalia pusilla cum magnis. / illic naves pertransibunt, draco iste quem formasti ad inludendum ei. / omnia a te expectant ut des illis escam in tempore: / dante te illis colligent, aperiente te manum tuam omnia implebuntur bonitate; / avertente autem te faciem turbabuntur, auferes spiritum eorum et deficient et in pulverem suum revertentur. / emittes spiritum tuum et creabuntur et renovabis faciem terrae. Mehrere Parallelen zu dem Hymnus des Ambrosius sind augenfällig: der Wechsel der Tageszeiten (hymn. 3f.), das Aufgehen der Sonne bzw. des Morgensterns (hymn. 9f.), der dadurch bedingte Rückzug der wilden Tiere der Nacht bzw. des chorus errorum (hymn. 11f.), der Beginn des Tagwerks der Men-

|| Schöpfers, dort vor allem 261–380 (Motivelemente der hier vorwiegend zu betrachtenden Verse 19– 30 und Parallelen in anderen Texten des östlichen Mittelmeerraumes). 17 Die direkte Parallele zu dem Atonhymnus setzt erst mit 20 ein. Doch ist Vers 19, der die Erschaffung von Mond und Sonne und den durch Auf- und Untergang derselben bedingten Wechsel von Tages- und Nachtzeiten enthält, hier ebenfalls zitiert: zum einen, weil der Vers als Kompositionsfuge die Thematisierung der Periode der Nacht in 20 vorbereitet, zum anderen, weil Ambrosius in der ersten Strophe seines Morgenhymnus u. a. auf diese Psalmenstelle rekurrieren dürfte (hymn. 1,1–4): aeterne rerum conditor, / noctem diemque qui regis / et temporum das tempora, / ut alleves fastidium. – Etwas anders strukturiert KRÜGER, Lob des Schöpfers, 64–67, den Psalm: 1f. Lobruf/ Majestätsprädikationen; 2–4 Schöpfer des Himmels; 5–23 Schöpfer der Erde (Urflut, Quellen und Regen, Erschaffung der Zeit), 24 Bewunderung des erschaffenen Werks, 25f. Meer, 27–30 Erhalt der Schöpfung durch Nahrung, Gewährung allen Lebens, 31–35 Lobruf/Majestätsprädikationen. In dieser Gliederung geht allerdings die Verklammerung von 19–30 durch das Motivelement, dass Gott allen Lebewesen (d. h. denen auf der Erde und denen im Meer) zu festgesetzten Zeiten Nahrung gewährt und ihnen dadurch das Leben erhält, verloren.

Zum Sonnenhymnus Echnatons und zum Morgenhymnus (hymn. 1) des Ambrosius | 47

schen, zu dem auch die Schifffahrt auf dem Meer gehört (hymn. 13f.), der Erhalt der Schöpfung, solange Gott auf diese blickt und ihr Nahrung gewährt, dagegen deren Untergang, wenn Gott seinen Blick abwendet, bzw. die Wiedererlangung der Gnade durch den Blick Christi nach den Sünden der Nacht bei Ambrosius (hymn. 25–28). Es bestehen allerdings auch deutliche Unterschiede, die zum Teil mit der geänderten Intention erklärbar wären: Der Psalmist preist Gott als Schöpfer und Erhalter, daher besitzen die wilden Tiere der Nacht dort keine negative Konnotation: Auch sie erhalten von Gott ihre Nahrung, bloß zu einer anderen Zeit als die Menschen (20– 23). Ambrosius dagegen geht es um die Erlösungstat Christi, weshalb der errorum chorus der Nacht beim Hahnenschrei, der den Tag ankündigt, seine schädigende Wirkung verliert. Ambrosius unterscheidet sich außerdem von dem Psalmisten durch die konkrete Nennung der Diebe (23), die in einem Hymnus auf den Schöpfer nichts verloren haben. Diese zusätzlichen Elemente, die über den Psalmentext hinausgehen, lassen sich jedoch nicht allein auf die geänderte Intention zurückführen: Sie besitzen nämlich eine auffällige Parallele in dem Atonhymnus Echnatons, der seinerseits den Psalm 103 beeinflusst haben dürfte.18 Dieser Hymnus, der die gesamte Theologie der Aton-Religion zusammenfasst,19 ist in mehreren Fassungen überliefert: Die Langform, der sog. Große Sonnenhymnus, ist bloß ein einziges Mal belegt, nämlich im Grab des Eje, des Nachfolgers Tutanchamuns, in Achet-Aton, der von Echnaton für seinen Gott in Mittelägypten am östlichen Nilufer neu gegründeten Stadt (heute Tell el-Amarna); nur einige Jahre nach der ersten Publikation von 1884 wurde ca. ein Drittel des Textes zerstört. Die Kurzform dagegen, der sog. Kleine Sonnenhymnus, begegnet (in mehreren Versionen) in fünf Gräbern. Für die Rezeptionsgeschichte von Bedeutung ist vor allem der Große Sonnenhymnus: Dieser gliedert sich in drei umfangreichere Abschnitte:20 Der erste Teil hat den Lauf der Sonne zum Inhalt, wodurch Tag und Nacht entstehen. In den traditionellen polytheistischen Tageszeitenliedern ist dieses Element in die Form eines Mythos gekleidet: Der Sonnengott Re wird von seiner Mutter Nut, der

|| 18 Dass eine Beziehung zwischen den beiden Texten bestehen muss, auch wenn die Wege, auf denen der Atonhymnus weiterwirkte, im Dunklen bleiben, ist sowohl in der Bibelforschung als auch in der Ägyptologoie heute ziemlich unbestritten: Zu nennen sind vor allem folgende Untersuchungen: NORDHEIM, Der große Hymnus; ASSMAN, Sonnenhymnus, 9f.; DERS., Theology of Light, 150–152 und 166–175; HORNUNG, Echnaton, 134; BAYER, Echnaton, 125f.; REICHMANN, Psalm 104 und Sonnenhymnus, 272–285. Eher skeptisch äußert sich dagegen KRÜGER, Lob des Schöpfers, 3–20 (Überblick über die Forschungsgeschichte) und vor allem 403–422: s. Anm. 26. 19 Zu Echnatons Monotheismus und zum Großen Sonnenhymnus hier in Auswahl einige grundlegende Werke: ASSMANN, Aton, 526–540; DERS., Sonnenhymnus, 1–5; DERS., Theology of Light, bes. 147–163; DERS., Monotheismus; DERS., Ägyptische Hymnen, 41–44 und 217–223; HORNUNG, Der Eine, 259–266; DERS., Echnaton. 20 Die folgenden Ausführungen beruhen vornehmlich auf ASSMANN, Aton, 532–534; DERS., Sonnenhymnus, 6–9; DERS., Theology of Light, 143–163; DERS., Monotheismus, 25–35; DERS., Ägyptische Hymnen, 41–44.

48 | Christine Ratkowitsch  Verkörperung des Himmels, geboren, durchwandert diesen bei Tag, wird abends von Nut verschluckt und muss in das Totenreich absteigen, dieses nachts auf seiner Sonnenbarke durchfahren, wobei er von seinem Widersacher, dem schlangengestaltigen Gott Apophis, der Verkörperung von Chaos und Finsternis, angegriffen wird; Re muss sich mit Osiris vereinigen und vor dem Morgengrauen Apophis besiegen, um am nächsten Morgen wieder aufgehen zu können. Von Echnaton dagegen wurde jeglicher Mythos eliminiert, statt dessen alles auf die natürlichen Vorgänge fokussiert: Es geht einzig um die Beziehung zwischen dem Gott und der Welt, die durch diesen ihr Leben erhält; jeder Aufgang stellt eine Neuschöpfung dar, die gesamte Kreatur beginnt bei Sonnenaufgang durch das Licht zu leben und verrichtet ihr Tagewerk, ihr bloßes Vorhandensein durch die Schöpfung Atons impliziert bereits den Lobpreis des Gottes; bei Abwesenheit desselben dagegen, also in der Nacht, befindet sich jene im Zustand des Todes. In dieser lebensspendenden Funktion Atons liegt hier das Heilsgeschehen begründet, nicht mehr in einem geheimnisvollen Mythos. Der zweite Teil thematisiert die Erschaffung der Lebewesen und deren Erhalt, wobei wieder der traditionelle Mythos von einer Urzeit substituiert wird durch die sinnliche Erfahrbarkeit der Gegenwart: Die Strahlen Atons dringen in den Mutterleib und lassen so Föten entstehen, was durch ein menschliches Embryo und ein Küken im Ei veranschaulicht wird. Zugleich sorgt der Gott für das Weiterleben seiner Schöpfung in der gesamten Welt vor, indem er für Ägypten den aus der Tiefe des Urwassers heraufsteigenden Nil schuf, für die Bewohner der Fremdländer den Nil an den Himmel versetzte, damit dieser zu ihnen (als Regen) herabfließe; derart bringt der Gott die Jahreszeiten hervor.21 Der revolutionärste und eigenständigste Abschnitt allerdings, der hymnische Traditionen nicht einmal mehr in Form der Kontrafaktur reflektiert, ist der letzte: Dieser Teil hat das Wesen, die Verkörperung oder Emanation des Gottes zum Inhalt, deren ägyptisches Wort (ḫprw) lautet, geschrieben mit der Hieroglyphe des Skarabäus, der Urkraft des Werdens: Wie die sichtbare Sonnenscheibe am Himmel eine Emanation Atons ist, so ist dessen gesamte Schöpfung ihrerseits eine millionenfache Verkörperung der Sonne auf Erden, d. h. alles, was im Licht sichtbar wird, geht als Emanation aus diesem hervor, somit ist die gesamte Welt im Licht eine Emanation Gottes. Da dieser Gott das Leben schlechthin ist, erscheint er auch als Herr der Zeit, der über Leben und Tod bestimmt.22 Allerdings sind der Gott und dessen Emanation in der Welt bloß durch das Schauen desselben mittels der von Aton geschaffenen Augen möglich, das daher einzig bei Tageslicht gewährleistet ist. Ein Sehen des Gottes mittels Sprache und || 21 Zu diesem Motivelement vgl. Ambr. hymn. 1,3f. 22 Vgl. Sonnenhymnus 182f.: „Du bist die Lebenszeit selbst, weil man durch dich lebt“. – Die Zählung der Zeilen folgt aus praktischen Gründen der Neuausgabe von BAYER, Echnaton, 8–23, der sich an den Zeilen der deutschen Übersetzung orientierte; im Grab des Eje ist der hieroglyphische Text nämlich ohne Rücksicht auf die Struktur in Kolumnen bloß gemäß der Verfügbarkeit von Platz an der Grabwand angebracht.

Zum Sonnenhymnus Echnatons und zum Morgenhymnus (hymn. 1) des Ambrosius | 49

Denken ist einzig Echnaton selbst vorbehalten, der somit zum Mittler zwischen Aton und der Welt wird: Während die Schöpfung bloß Augen hat, um den Gott bei Licht zu schauen, besitzt der Pharao allein ein Herz, um diesen zu denken, d. h. das Herz Echnatons ist der einzige Ort, an dem Aton auch nachts anwesend ist.23 Das wird in den Zeilen 169–177 deutlich, der einzigen Stelle des Hymnus, an der Echnaton als Sprecher in Erscheinung tritt: „O alleiniger Gott, mein Handeln geschieht für dich, denn du bist in meinem Herzen. Es gibt keinen anderen, der dich kennt, außer deinem Sohn Re ist vollkommen an Erscheinungsformen, der Einzige des Re, den du über deine Absichten und über deine Macht im Klaren sein lässt“24 – der Weg für Christi Aussage bei Io. 14,6, nemo venit ad patrem nisi per me, ist bereitet. Die für den Psalm 103 bzw. den Hymnus des Ambrosius relevanten Zeilen 44–83 aus dem ersten Teil dieses Hymnus lauten in der deutschen Übersetzung folgendermaßen:25 „Gehst du unter am Westhorizont, / ist das Land in Finsternis, / im Zustand des Todes. / Die Schlafenden sind in der Kammer, die Häupter (von Dunkelheit) verhüllt, nicht ein Aug kann das andere erblicken. / Raubt man all ihre Habe, / die unter ihren Köpfen sind, / bemerken sie es nicht. / Jeder Löwe [jedes Raubtier] ist aus seiner Höhle gekommen / und alles Gewürm, es beißt und sticht [alle Schlangen beißen]. / Finster ist die Feuerstelle [die Finsternis ist ein Grab], / das Land liegt in Schweigen, / solange derjenige, der sie erschaffen hat, / untergegangen ist an seinem Horizont. / Am Morgen aber, / sobald du aufgegangen bist am Horizont / und als Sonne am Tage leuchtest, / vertreibst du die Finsternis / und sendest deine Strahlen aus. / Die Beiden Länder (d. i. Ober- und Unterägypten) sind im Fest, / das Sonnenvolk [die Menschheit] ist erwacht / und steht auf den Beinen, / nachdem du sie aufgerichtet hast. / Ihre Körper sind gereinigt / und die Festkleider angelegt, / wenn ihre Arme Lobpreis geben / bei deinem Erscheinen. / Im ganzen Land verrichten sie nur ihre Arbeit. / Alles Vieh ist zufrieden mit seinem Futter, / Bäume und Gräser gedeihen; / die Vögel sind aus ihren Nestern aufgeflogen, / ihre Flügel sind Lobpreis für deinen Ka! / Alles Wild springt umher auf den Beinen, / alles, was fliegt und flattert, lebt, / nachdem du 〈für〉 sie aufgegangen bist. / Schiffe fahren stromab und stromauf gleichermaßen, / denn alle Wege sind offen bei dei|| 23 In Ägypten galt das Herz als Sitz von Gefühl und Verstand. 24 Zu Problemen der Textgestaltung und der Interpretation dieser Zeilen vgl. BAYER, Echnaton, 69– 73. 25 Zum hieroglyphischen Text s. Abbildung am Ende des Beitrags, die den Text aus BAYER, Echnaton, 10–14 wiedergibt: Herrn Kollegen Bayer sei an dieser Stelle sehr herzlich dafür gedankt, dass er mir seinen hieroglyphischen Text in PDF-Format zur Verfügung stellte und mir zudem mit einigen wertvollen Hinweisen zur Seite stand. Zeilenzählung und Übersetzung sind ebenfalls BAYER, Echnaton, 11–15 entnommen, die bedeutenderen Abweichungen in der Übersetzung von ASSMANN, Ägyptische Hymnen, 217–223, sind in eckigen Klammern beigegeben. Diese Probleme der Textkonstitution oder Interpretation, die jedoch keinen Einfluss auf die hier zu untersuchenden Parallelen und Bezüge besitzen, werden im Kommentar zu diesem Abschnitt von BAYER, Echnaton, 49–53, ausführlich diskutiert.

50 | Christine Ratkowitsch  nem Erscheinen. / Die Fische im Strom schnellen umher vor deinem Antlitz, / denn deine Strahlen reichen bis ins Innere des Meeres.“ Die Parallelen zwischen diesen Zeilen des Aton-Hymnus und vor allem den Versen 20–30 von Psalm 103 sind augenfällig. In beinahe identischer Abfolge begegnen in beiden Texten die Motive Nacht und Finsternis, die durch die Abwesenheit des Gottes bedingt sind und daher Tod für die Lebewesen bedeuten; Löwen, die nachts ihre Beute suchen; Erwachen des Lebens bei Sonnenaufgang; Arbeit der Menschen; Vielfalt der Schöpfung; Meer und Meerestiere bzw. Fische im Nil; Schifffahrt. Gerade die von der Struktur her etwas unerwartete Erwähnung der Schifffahrt mitten in dem Katalog der Tiere, die bei Sonnenaufgang ihr „Tagwerk“ beginnen, gilt in der Forschung als deutlichster Beweis dafür, dass der Psalm in irgendeiner Form auf den Atonhymnus zurückgreifen muss, entweder durch Zwischenquellen vermittelt oder in direkter „korrigierender“ Übersetzung.26 Es bestehen allerdings auch einige bedeutende Unterschiede, die sich nicht bloß auf die Rolle des Sprechers beziehen (Echnaton spricht persönlich, der Psalmist bleibt anonym), sondern auch die Intention der Zeilen 44–83 des Hymnus bzw. der Verse 20–30 des Psalms betreffen: In

|| 26 NORDHEIM, Der große Hymnus, 242–250, vermutet, dass der Psalmist mehrere Quellen kombiniert, aus diesen gezielt Elemente ausgewählt und im Sinne seiner Intention angepasst und variiert habe, wodurch sich die Differenzen im Gesamtkonzept des Psalms erklären würden; für die Verse 20–30 nimmt er zudem mehrere Zwischenglieder an, in denen bereits eine Umwertung erfolgte. ASSMANN, Theology of Light, 167f., vermutet ein kanaanitisches Modell als unmittelbare Quelle für den Psalm, das seinerseits auf dem (über Tyros vermittelten?) Atonhymnus basierte. REICHMANN, Psalm 104 und Sonnenhymnus, 272–285, rechnet mit einer Teilübersetzung des Atonhymnus (über das Phönizische?) ins Hebräische, wobei im Sinne einer Korrektur unter Zurückdrängung der solaren Elemente eine Jahwesierung erfolgt sei. KRÜGER, Lob des Schöpfers, 308–317, dagegen hält die Zusammenstellung von Schiffen und Wassertieren im gesamten Mittelmeerraum für aus der täglichen Wahrnehmung heraus erklärbar und für traditionell, so dass keine direkte Abhängigkeit anzunehmen sei. Darüber hinaus hinterfragt sie generell den von der Forschung vermuteten Bezug zwischen den beiden Texten: Sie streitet zwar die Ähnlichkeit der Motive nicht ab, erklärt diese jedoch entweder als Spontanparallelen, die aus der weiten Verbreitung der einzelnen Motive der beiden Textpassagen in Ägypten, Mesopotamien und Palästina erklärbar seien, oder als Rückgriff des Psalmisten auf Quellen, die auf Vorlagen der Nach-Amarnazeit bzw. der Zeit der Ramessiden beruhten; einen direkten Bezug auf den Atonhymnus hält sie für wenig wahrscheinlich. Bei diesem Befund lässt Krüger allerdings zwei bedeutende Aspekte außer Acht: 1) Der Ansatzpunkt des Vergleichs waren nicht einzelne voneinander unabhängige Motive, die selbstverständlich auch andernorts begegnen, sondern eine zusammenhängende Motivkette des Psalms, die in dieser Form – sogar unter Eingliederung der Schiffe in den Katalog der Lebewesen – ihre engste Parallele eben in dem Atonhymnus findet. 2) Wenn in literarischen Texten – und um solche handelt es sich sowohl bei dem Atonhymnus als auch bei dem Psalm – Vorbilder und Bezugstexte zitiert werden oder auf solche angespielt wird, geschieht dies häufig in Form einer Kontrastimitation: Der spätere Autor übernimmt Formulierungen oder Motivelemente von dem früheren, gestaltet diese jedoch insofern um, als er sie in einen geänderten Kontext und/oder eine geänderte Gesamtintention eingliedert, weil er sich von der ursprünglichen Aussage zu distanzieren bestrebt ist. Die Änderungen im Psalm lassen sich also auch als Ausdruck der dichterischen Gestaltung des Psalmisten verstehen.

Zum Sonnenhymnus Echnatons und zum Morgenhymnus (hymn. 1) des Ambrosius | 51

dem Psalm wird die von Gott so weise eingerichtete Schöpfung in ihrer Gesamtheit gepriesen, in der alles, selbst die Finsternis der Nacht und die wilden Löwen, den ihnen zukommenden Platz einnehmen: Daher bleibt bei diesen Gegebenheiten jeglicher Aspekt des Bösen ausgespart (die Welt ist von Gott gut geschaffen!), die wilden Löwen durchstreifen zwar die Wälder, doch sie erhalten ihre Nahrung von Gott persönlich; die Nacht ist kein Zustand des Todes, sondern Teil der von Gott geschaffenen Zeiten, es fehlen schließlich die Räuber, die nachts den Menschen bedrohen. Ganz anders der Atonhymnus: Dort ist der Schlaf der Menschen in der Finsternis der Nacht auf einer Metaebene auch Metapher für den bei Atons Abwesenheit herrschenden Tod,27 die wilden Tiere bedrohen den Menschen, und Räuber stehlen deren Habe. Beides, Löwen wie Räuber, sind Symbol für die in ägyptischen Vorstellungen extrem negativ besetzte Unordnung, das Böse schlechthin; sie scheinen, gemäß dem Konzept des Hymnus insgesamt, der, wie oben festgestellt, die traditionellen Mythen eliminiert, die Dämonen der Nacht (!) zu ersetzen, die in den polytheistischen Sonnenhymnen den Sonnengott auf seiner Nachtfahrt bedrohen.28 Kehren wir nun zu Ambrosius zurück, so zeigt sich, dass dieser zwar mit ziemlicher Sicherheit den Psalm 103 bei der Abfassung seines Gedichtes vor Augen hatte, sich in der Intention der Strophen drei bis sechs dagegen mit dem Atonhymnus deckt und darüber hinaus das Motivelement der Diebe mit Echnatons Text gemeinsam hat, das im Psalm fehlt:29 Auch bei Ambrosius besitzt die Nacht neben der konkreten eine metaphorische Ebene, die für (geistigen) Tod und Sünde steht; in dieser Zeit schlafen die Menschen, Diebe treiben ihr Unwesen, ebenso der errorum chorus. Diese Junktur dürfte, wie wir nun aufgrund der Paraphrase im Hexameron durch Ambrosius selbst in Kombination mit der hier herausgearbeiteten, bis Echnaton zurückreichenden Tradition schließen dürfen, entweder Räuber und Dämonen unter dem Gesamtbegriff des nächtlichen Gesindels subsumieren oder vielleicht sogar primär konkret die räuberischen Unholde meinen; solche ersetzten, wie gesagt, bereits im Atonhymnus die Dämonen als Repräsentanten des traditionellen Mythos über die Nachtfahrt des Sonnengottes Re, so dass deren Wesen schon in dem ägyptischen Text eine dämonische Komponente anhaftet, die bei Ambrosius ebenso präsent ist. Sobald dann im Hymnus des Ambrosius, durch den Hahnenschrei initiiert, die Finsternis weicht und das Licht, d. h. Christus, am Himmel erscheint, beruhigt sich das Meer, die Schifffahrt beginnt, alle Menschen erwachen zu neuem Leben, die Sünde hat ihre Macht verloren – eine Wirkung, die ebenfalls derjenigen Atons

|| 27 Vgl. BAYER, Echnaton, 49; das Determinativ für schlafen und sterben ist identisch: . 28 Vgl. NORDHEIM, Der große Hymnus, 243. 29 Selbstverständlich war Ambrosius auch mit Iob 24,14 (Vergleich der nachts umherschleichenden Mörder mit Dieben) vertraut, doch deckt sich in dem Kontext dieses Verses bei Iob kein weiteres Beispiel für den Sieg des Bösen, sobald Gott sich abwendet, mit der bei Ambrosius begegnenden Reihe, ebenso fehlt die Aufhebung all dieser Übel bei Tagesanbruch: Iob 24,14 scheidet daher als primäre Bezugsstelle aus.

52 | Christine Ratkowitsch  bei dessen Aufgang entspricht. Hat also Ambrosius den Atonhymnus, den ersten monotheistischen Text der Literaturgeschichte, gekannt? Mit Sicherheit nicht! Wohl aber muss es eine Tradition gegeben haben, in der trotz der damnatio memoriae, der der „Ketzerpharao“ anheimfiel, Elemente dieses Textes weitergegeben wurden – wie Reichmann vermutet, noch zur Regierungszeit Echnatons oder unmittelbar danach (unter Eje?), jedenfalls noch vor dem Einsetzen der Zerstörung aller Zeugnisse des Atonkults in Ägypten.30 Zwar entging der im Grab des Eje an die Wand gemeißelte einzige erhaltene Textzeuge des Großen Sonnenhymnus dadurch der Vernichtung, war jedoch an diesem verschlossenen Ort den Menschen unzugänglich. Es dürften allerdings in Tempeln oder im Staatsarchiv aufbewahrte schriftliche Vorlagen entweder des gesamten Hymnus oder von Teilen desselben in der Amarnazeit in den zum ägyptischen Hoheitsgebiet gehörenden Raum Syrien/Palästina gelangt sein (ob in Form von amtlicher Korrespondenz oder durch Personen, die den Text aus Ägypten dorthin mitnahmen, bleibt Spekulation), wo sie von den Hebräern – vielleicht über den Umweg einer phönizischen Übersetzung – übernommen wurden und derart in kontrastierender Adaptierung in den Psalm 103 gelangten. Diese Rezeption durch die Hebräer scheint mir jedoch, wie das Fehlen der Diebe in dem Psalm nahelegt, nicht bloß eine einstrangige gewesen sein, sondern zumindest in zwei Strängen verlaufen sein, die sich aus einer ursprünglich relativ getreuen Übersetzung entwickelten: Ein Ast, repräsentiert durch den Psalm, korrigierte den Hymnus im Sinne eines Preises des Schöpfergottes Jahwe. Ein zweiter dagegen bewahrte die solaren Elemente und vor allem die Konzeption der Nacht als Zeit der Abwesenheit des Gottes und somit des Todes, was ein Spezifikum ausschließlich der AtonTheologie der Amarnazeit ist: In dieser Tradition steht Ambrosius. Gerade der Morgenhymnus des Bischofs von Mailand, der die Intention des Atonhymnus mutatis mutandis bewahrt hat, dürfte somit ein noch deutlicherer Hinweis auf das Fortleben des ägyptischen Textes sein als der in der Aussage geänderte Psalm und daher gegen Krügers Versuch sprechen, die Parallelen bloß mit der weiten Verbreitung solcher Motivelemente im gesamten Mittelmeerraum zu erklären. Es bleibt zu hoffen, dass sich in Kooperation der Disziplinen der Ägyptologie, Judaistik, Theologie und klassischen Philologie vielleicht fehlende Zwischenglieder finden lassen, die den Weg des ägyptischen Textes ins Juden- und Christentum erhellen. Auf jeden Fall scheint die Rezeptionsgeschichte des Großen Sonnenhymnus – neben der Vermengung der beiden Religionsstifter Echnaton und Moses in der bei Manetho und in leichten Varianten auch bei anderen antiken Autoren vorliegenden Erzählung von der Vertreibung der traditionellen Götter aus Ägypten31 – ein weiteres Zeugnis dafür || 30 Vgl. REICHMANN, Psalm 104 und Sonnenhymnus, 272–285; dort werden auch alle Hypothesen erörtert, auf welchen Wegen der Text in den Psalm gelangt sein könnte. 31 Diese Begebenheit ist in zwei längeren Exzerpten Manethos bei Flavius Iosephus, Contra Apionem 1,73–105 und 1,227–252 überliefert: Dazu vgl. die ausgezeichnete Untersuchung von ASSMANN, Moses, 47–72.

Zum Sonnenhymnus Echnatons und zum Morgenhymnus (hymn. 1) des Ambrosius | 53

zu sein, dass der monotheistische Kult Atons im kulturellen Gedächtnis erhalten blieb.

Abb. 1

Hieroglyphischer Text des Aton-Hymnus

Bibliographie ASSMANN, J., Art. Aton, in: Lexikon der Ägyptologie 1 (1975), 526–540. ASSMANN, J., Der Sonnenhymnus des Echnaton, in: Echnaton, Sonnenhymnus. Nachdichtung von R. MONAU, mit drei Originallithographien und Papierarbeiten von W. MÜLLER, Frankfurt am MainPalma de Mallorca 1991. ASSMANN, J., Akhanyati’s Theology of Light and Time, Proceedings of the Israel Academy of Sciences and Humanities 7/4 (1992), 143–176.

54 | Christine Ratkowitsch  ASSMANN, J., Monotheismus und Kosmotheismus. Ägyptische Formen eines „Denkens des Einen“ und ihre europäische Rezeptionsgeschichte, Heidelberg 1993 (Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Klasse 1993, 2). ASSMANN, J., Ägyptische Hymnen und Gebete, Göttingen 1999 (Orbis Biblicus et Orientalis). ASSMANN, J., Moses der Ägypter. Entzifferung einer Gedächtnisspur, Frankfurt/Main 32001. BAYER, CH., Echnaton, Sonnenhymnen. Ägyptisch/Deutsch, Stuttgart 2007. BLANK, C., Et statim gallus cantavit. Die Hymnen des Ambrosius und des Prudentius zum Hahnenschrei im Vergleich, Dipl.-Arbeit Wien 2011. FAUTH, W., Der Morgenhymnus Aeterne rerum conditor des Ambrosius und Prudentius Cath. 1 (ad galli cantum). Eine synkritische Betrachtung mit dem Blick auf vergleichbare Passagen der frühchristlichen Hymnodie, JbAC 27/28 (1984/1985), 97–115. FONTAINE, J. (ed.), Ambroise de Milan, Hymnes, Paris 1992. FRANZ, A., Tageslauf und Heilsgeschichte. Untersuchungen zum literarischen Text und liturgischen Kontext der Tagzeitenhymnen des Ambrosius von Mailand, St. Ottilien 1994 (Pietas liturgica, Studia 9). FUHRMANN, M., Ad Galli Cantum. Ein Hymnus des Prudenz als Paradigma christlicher Dichtung, AU 14,4 (1971), 82–106. GNILKA, CH., Die Natursymbolik in den Tagesliedern des Prudentius, in: CH. GNILKA, Prudentiana II. Exegetica, München-Leipzig 2001, 91–141. HÄUSSLING, A., Heute die Hymnen von gestern singen? Das Fallbeispiel des Laudeshymnus „Aeterne rerum conditor“ des Ambrosius, in: Christliche Identität aus der Liturgie. Theologische und historische Studien zum Gottesdienst der Kirche, edd. M. KLÖCKENER – B. KRANEMANN – M. MERZ, Münster 1997 (Liturgiewissenschaftliche Quellen und Forschungen 79). HERZOG, R., Die allegorische Dichtkunst des Prudentius, München 1966 (Zetemata 42). HORNUNG, E., Echnaton. Die Religion des Lichtes, Düsseldorf-Zürich 22001 (erste Aufl. 1995). HORNUNG, E., Der Eine und die Vielen, Darmstadt, 6. vollst. überarb. Auflage 2005. KRÜGER, A., Das Lob des Schöpfers. Studien zu Sprache, Motivik und Theologie von Psalm 104, Neukirchen 2010 (Wissenschaftliche Monographien zum Alten und Neuen Testament 124). NORDHEIM, E. VON, Der Große Hymnus des Echnaton und Psalm 104. Gott und Mensch im Ägypten der Amarnazeit und in Israel, Studien zur Altägyptischen Kultur 7 (1979), 227–251. REICHMANN, S., Psalm 104 und der Große Sonnenhymnus des Echnaton. Erwägungen zu ihrem literarischen Verhältnis, in: Israel zwischen den Mächten. Festschrift für St. Timm zum 65. Geburtstag, edd. M. PIETSCH – F. HARTENSTEIN, Münster 2009 (Alter Orient und Altes Testament 364), 257–288. SMOLAK, K., Christentum und römische Welt. Auswahl aus der christlichen lateinischen Literatur, Textband, Kommentarband, Lehrerbegleitband, Wien 1984 (Orbis Latinus). THRAEDE, K., „Und alsbald krähte der Hahn“ – der Morgenhymnus des Ambrosius von Mailand, in: Hauptwerke der Literatur. Vortragsreihe der Univ. Regensburg, ed. H. BUNGERT, Regensburg 1990 (Schriftenreihe der Universität Regensburg 17), 35–47. VAN ASSENDELFT, M., Sol ecce surgit igneus. A Commentary on the Morning and Evening Hymns of Prudentius (Cathemerinon 1, 2, 5 and 6), Groningen 1976.

[email protected] Institut für Klassische Philologie, Mittel- und Neulatein, Philologisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät, Universität Wien

Roberto Palla

L’eccezione non fa la regola (Greg. Naz. epigr. 21–23, PG 38, 94/95) Se è vero che per chi intenda accostarsi alla produzione epigrammatica di Gregorio Nazianzeno le edizioni dell’ottavo libro dell’Anthologia Palatina1 costituiscono un paracadute che talvolta non si apre,2 è altrettanto vero che la situazione resta comunque peggiore in mancanza di tale supporto, vale a dire per i componimenti assenti nell’Anthologia Palatina e pubblicati dal Caillau, spesso in maniera approssimativa e difforme dal testo tradito,3 tra gli epitaffi e gli epigrammi del Padre cappadoce.4 Di questi fanno parte anche i ventidue versi che formano il breve ciclo del quale intendo trattare. Gli epigrammi 21–23 così si leggono in PG 38, 94/95: epigr. 21

5

Τί φῄς; Οἱ μὲν ἁγνοὶ καὶ σώφρονες, οὐδὲν ἀνάγνου κλέπτουσιν κακίης οὐδενός, οἱ πλέονες. Εἷς δὲ κακὸς σεμνοῖς, καὶ πλείοσιν, ἔστιν ὄνειδος· ὥστε τί μὲν συζῇν ἄρσεσι τὰς ἀγάμους; Φείδεσθε γλώσσης, φθονερῶν γένος. Οὔτε κάκιστοι πάντες, οὔτ᾿ ἀγαθοί· καί τι φύσει δοτέον. Εἴ τις ἁγνευόντων ποτ᾿ ἀπώλετο, τοῦτ᾿ ἐπὶ πάντων οἴσετε; Τὰς δὲ χρόας χωρὶς ἕκαστος ἔχει.

|| 1 Tra queste vd., in particolare, Anthologie Grecque. Première partie. Anthologie Palatine. Tome VI (Livre VIII). Texte établi et traduit par P. WALTZ, Paris 21960 [1944], e Anthologia Graeca. Buch VIIVIII. Griechisch-Deutsch ed. H. BECKBY, München 21966 [1957]. 2 Cf., al riguardo, PALLA, Anecdota Graeca, 187 n. 59; IDEM, ‘Edizioni antiche’, 141s.; IDEM, Gli epigrammi, 46. 3 Su alcuni casi evidenti mi sono già soffermato in altre occasioni. Cf. PALLA, Sul testo, 70–72; IDEM, Anecdota Graeca, 190–193; IDEM, Γιγάντιος, 311–323; IDEM, Agli agapeti, 119–144; IDEM, Gli epigrammi, 42–46. 4 CAILLAU, Sancti Patris nostri Gregorii Theologi (= Caill.). La parte relativa ad epitaffi ed epigrammi occupa le pp. 1106–1203 ed è stata riprodotta in PG 38, 9–130. Da notare che della produzione epigrammatica di Gregorio il Thesaurus linguae Graecae elaborato presso l’Università della California registra quella riportata nell’ottavo libro dell’Anthologia Palatina, senza tener conto di quella presente soltanto in Caill.: questo vale anche per i componimenti presi in esame nel corso del presente lavoro.

56 | Roberto Palla  epigr. 22 Ἄγγελος ἦν ὁ πονηρὸς Ἑωσφόρος. Ἀλλὰ πεσόντος, ἀγγελικῆς οὐδὲν χάριτος πέσεν. Οὐδὲ μαθηταῖς ἔστιν Ἰούδας ὄνειδος, ἐπεὶ πέσεν. Ἀλλὰ σὺ πάντας ἁγνοὺς ἐξ ὀλίγων ὑβρίζεις· τοῦτο δίκαιον; epigr. 23

5

10

Μήτ᾿ εὐπλοοῦσι ναυαγοῦντας προστίθει, μήτ᾿ εὖ βιοῦσι τοὺς σφαλέντας ἐν βίῳ. Χωρὶς τὰ καλῶν καὶ κακῶν ὁρίσματα. Ὀλέσθαι τοὺς πίπτοντας ἐκλέγω μόνον. Τῶν δ᾿ εὐδρομούντων οὐδαμοῦ μεμνημένος, λέγεις πεσόντας· τοὺς κατορθοῦντας δ᾿ ἐγώ. Σὺ τοὺς κακίστους, ὡς κακός· καλοὺς δ᾿ ἐγώ. Χωρὶς τὸν αἰσχρόν, τόν τε σώφρονα τίθει. Μὴ κρῖν᾿ ἀνάγνους πάντας ἐξ ἑνὸς κακοῦ. Αἰδοῦ τὸν ἁγνὸν μᾶλλον, ἢ μίσει κακόν.

I componimenti sono traditi in quest’ordine nell’Ambrosianus H 45 sup. (Am), del secolo XI,5 sotto il titolo ὅτι οὐκ ἀπὸ τῶν πιπτόντων χρὴ τοὺς ἁγνοὺς διαβάλλειν (“Perché non si devono calunniare i puri a causa di coloro che cadono”). Una successione di evidente carattere ‘tematico’, che raccoglie, cioè, indipendentemente dal metro, i carmi composti dal Nazianzeno su questo specifico argomento. Essa trova riscontro anche nella versione siriaca conservata nel Vaticanus syriacus 105 (Syr.) ed edita da Bollig.6 Non sto qui a riepilogare le diverse opinioni espresse dagli studiosi circa l’autore di questa traduzione, l’epoca della stessa, e la datazione del manoscritto che la contiene, collocato da Bollig tra la fine del sesto secolo e gli inizi del settimo: resta comunque certo che Syr. è molto più antico di tutti i testimoni rimastici del testo greco. La parentela stretta tra Am e l’esemplare utilizzato per Syr., entrambi da collocare nella discendenza dell’esemplare perduto Ψ, di cui parlerò tra breve, è stata accertata da tempo.7 Da notare – ci tornerà utile più avanti – che in

|| 5 Tale datazione si riferisce ai ff. 9–60, contenenti le poesie di Gregorio, gli otto fogli precedenti sono da ricondurre al secolo IX. 6 BOLLIG, Sancti Gregorii Theologi Liber Carminum Iambicorum. Per questo lavoro ho potuto utilizzare una versione latina dal siriaco effettuata per me, anni addietro, da Padre José Guirau, alla cui memoria rivolgo, anche in questa sede, un pensiero affettuoso. Ringrazio inoltre la Dott.ssa Emanuela Braida per avermi sciolto alcuni dubbi che non avevo avuto modo di sottoporre a Padre Guirau. 7 Cf. CRIMI, Gregorio Nazianzeno, 49–52.

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Syr. i versi che ci interessano sono presentati come un ciclo a sé stante, come un blocco unitario: ne è prova l’annotazione finale riguardante il numero complessivo dei versi: Explicit in quo sunt stichi viginti duo. Gli altri manoscritti che contengono i ventidue versi sono il Bodleianus Clarkianus 12 (C), del X secolo ed il Laurentianus pluteus VII, 10 (L), dell’XI, i testimoni più rappresentativi delle due classi (Ω e Ψ) in cui, a partire da Sternbach,8 sono stati ripartiti i manoscritti delle poesie di Gregorio. Non sorprende che C, confezionato secondo un evidente criterio metrico,9 riporti prima, tra i carmi giambici, l’epigramma 23,10 poi, tra i componimenti in metro dattilico, gli epigrammi 21 e 22 presentati come carme unico:11 il titolo, in entrambi i casi, è lo stesso di Am e dell’esemplare su cui era stata eseguita la versione siriaca, solo che la seconda volta si aggiunge un riferimento al metro (δι᾿ ἐλεγείων). Anche L riporta – ma in entrambi i casi senza titolo – prima l’epigramma 23, poi gli epigrammi 21 e 22 presentati come un carme unico. In altre occasioni questo manoscritto riflette un criterio ‘tematico’: è l’unico testimone, ad esempio, a proporre, uno di seguito all’altro, senza soluzione di continuità (ai ff. 125r–128v) i due cicli contro i violatori di tombe (κατὰ τυμβωρύχων), quello in metro dattilico e quello in metro giambico. Nel nostro caso la separazione del testo in trimetri dagli altri due si spiega con il carattere composito del manoscritto, che offre il risultato di un assemblaggio effettuato da fonti diverse: dopo che era stato copiato l’epigramma 23 da un esemplare che non esibiva gli altri due, anche in presenza di un testimone contenente il ciclo completo, si saranno voluti evitare doppioni. Lo stesso procedimento viene messo in atto, ad esempio, nel ciclo immediatamente precedente, dedicato agli agapeti (ff. 115v–116v), con l’omissione dell’unico componimento in trimetri (I,2,4), già proposto in precedenza (ff. 98v–99r), all’interno di una silloge di tipo ‘metrico’. L’epigramma 23 è attestato anche, senza gli altri due, nel Parisinus graecus 2875 (B), del XIII secolo, nel Vaticanus graecus 482 (Va), del XIV, e, limitatamente ai primi cinque versi, nel Vindobonensis Phil. graecus 149 (Wo), sempre del XIV secolo. Una parentela tra B e Va si potrebbe forse ipotizzare, in questo caso, sulla base del fatto che essi sono accomunati, contro il resto dei testimoni, dall’inversione delle ultime due parole del v. 10 (κακὸν μίσει per μίσει κακόν), lezione di per sé non errata, ma difficilmente difendibile. Nessuno degli esemplari ricordati può essere eliminato come descriptus e nessuno di essi sembra aver avuto discendenza. || 8 Cf. STERNBACH, Cercidea, 349. 9 I componimenti giambici ed anacreontici (ff. 1r–144r) precedono quelli in metro dattilico (ff. 144v–212v). 10 Si tratta del testo contrassegnato col nr. 18 (ΙΗ) nell’akolouthia del manoscritto; alla fine, come in Syr., è indicato il numero dei versi (ι´). 11 Testo nr. 88 (ΠΗ); alla fine, anche in questo caso, il numero complessivo dei versi (ιβ´).

58 | Roberto Palla  L’editio princeps dei tre componimenti si deve a Ludovico Antonio Muratori,12 che trascrisse il testo da Am, e, successivamente, ebbe notizia di alcune lezioni di L da Anton Maria Salvini. L’esame delle due redazioni degli Anecdota graeca, conservate nell’Archivio Muratori presso la Biblioteca Estense di Modena,13 potrà toglierci, tra poco, qualche curiosità. Come ho ricordato in apertura, nel 1840, recuperando il lavoro degli editori precedenti, già assemblato e rivisto dai Padri maurini, il Caillau pubblicava l’ultima edizione completa dei carmi del Nazianzeno, che sarà poi riproposta nella Patrologia Graeca: per quanto riguarda questo breve ciclo i Maurini non avevano fatto altro che riproporre il testo greco edito dal Muratori, rivisitandone la traduzione in prosa latina; di suo il Caillau aggiunse la versione metrica. Confrontando le tre edizioni (Mur., Caill. e PG) non si registra nessuna differenza, fatto salvo qualche raro ed insignificante cambiamento di accento e di punteggiatura, l’omissione in Caill., al primo verso dell’epigramma 22, dell’articolo ὁ, poi riesumato in PG, e l’omissione in Caill. e PG di τῶν nel titolo. Quanto detto finora, ovvero il fatto che le edizioni a stampa risalgano in sostanza ad Am, spiega perché i 22 versi si leggano in questa successione, ma non spiega altre cose. L’esame della tradizione manoscritta (ma sarebbe bastato soltanto un controllo su Am) costringe a correggere il testo edito in almeno cinque punti: – in epigr. 21, al v. 1, è sicuramente da leggere Τίς φύσις; (C L Am, Syr.: «Quae est natura?») in luogo di Τί φῄς; – ancora in epigr. 21, al v. 4, deve essere recuperato μοι (C L Am, Syr.: «mihi») al posto di μὲν – sempre nel primo componimento, al v. 7, è da ripristinare il testo concordemente tradito, πάντας (C L Am),14 in luogo di πάντων – in epigr. 23, infine, al v. 4, si deve leggere ὄλοιο per ὀλέσθαι ed ἐκλέγων per ἐκλέγω, cambiando, di conseguenza, la punteggiatura. In entrambi i casi si tratta di recuperare il testo tradito dai manoscritti greci (questa volta sono sei) ed avallato, almeno in parte, dalla versione siriaca («Loquere seligens eos qui ceciderunt tantum, eos vero qui bene currunt non commemorans») contro interventi arbitrari che dall’editio princeps si sono trasmessi nelle successive. Qualora ce ne fosse bisogno, si può addurre anche un passo parallelo, dove troviamo, in un contesto identico, la stessa costruzione: si tratta di carm. I,2,6 vv. 14s.: ... Ἀλλ᾿ ὄλοιό μοι, / μὴ τοὺς ἀρίστους ἐκλέγων, τοὺς δ᾿ ἀσθενεῖς («Ma possa tu morire, se scegli i deboli e non i migliori!»). || 12 MURATORI, Anecdota Graeca (Mur.), 198–202. Sulla genesi di questa edizione del Muratori, che pubblicò oltre 1300 versi di Gregorio, quasi tutti inediti, cf. PALLA, Anecdota Graeca, 171–187. Sull’argomento si veda anche FLAMMINI, Anecdota Graeca. 13 Cf. Archivio Muratori, filza 9, fascc. 14 e 13. 14 In questo caso la traduzione di Syr. («contra omnes») potrebbe riflettere sia ἐπὶ πάντας sia ἐπὶ πάντων.

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Uno sguardo alla prima redazione degli Anecdota lascia capire che gli errori – perché di errori si tratta – sono nati subito. Nel primo componimento troviamo infatti: – al v. 1 Τίς φύσις; corretto in Τίς φήσις;15 ed a margine «an τὶ φῄς;» (parallelamente la traduzione, Quaenam unquam est natura?, è corretta in Quid ais?) – al v. 4 abbiamo τί μοι, ma a margine si legge τί μήν – al v. 7 dopo πάντ viene lasciato lo spazio bianco ed in margine è annotato «τας, vel των» (probabile incertezza nello sciogliere la desinenza abbreviata) – nell’epigramma 23, al v. 4, abbiamo nel testo ὄλοιo ed ἐκλέγω sottolineati, ed a margine ὄλεσθαι: l’errore di trascrizione della seconda parola (ἐκλέγω per ἐκλέγων) ha causato l’intervento sulla prima. La seconda redazione ratifica tutte le scelte sbagliate che troviamo poi nel testo stampato: solo in epigr. 21 v. 4, μήν è corretto in μὲν. Sorprende, piuttosto, il fatto che nello stesso componimento, al v. 1, pur registrando la lezione di L (τίς φύσις), nel frattempo trasmessagli dal Salvini, il Vignolese si ostini nel difendere la propria congettura. Credo inoltre che al v. 2 sia da leggere οὐδ᾿ ἑνός con C, L e Syr.(«neque unum») in luogo di οὐδενὸς, attestato in Am e di lì passato nelle edizioni a stampa, nonostante, anche in questo caso, il Muratori fosse stato informato dal Salvini riguardo alla lezione di L: nella seconda redazione degli Anecdota nel testo è sottolineato οὐδενὸς ed a margine leggiamo: «οὐδ᾿ ἑνὸς .C. Med.». Alcuni elementi offerti dalla tradizione manoscritta aiutano a comprendere meglio il significato dei componimenti in esame. In primo luogo è chiaro che i ventidue versi costituiscono un ciclo a sé stante, come ci testimonia anche Syr., dove essi sono collocati, nella successione che abbiamo visto, tra due poesie che trattano temi del tutto diversi, ovvero tra il carme II,1,2 e l’epigramma 25. È altrettanto chiaro, al tempo stesso, che si tratta di un ciclo da leggere in relazione, o meglio, in successione al ciclo εἰς ἀγαπητούς, che in Am precede immediatamente i tre componimenti, in C e L i due in metro dattilico. Se, rivolgendosi agli agapeti, il Nazianzeno aveva stigmatizzato duramente l’uso, invalso nel cristianesimo dei primi secoli, della convivenza in castità (non sempre reale) di uomini e donne non uniti da matrimonio, che allungava ombre sinistre su tutti coloro che praticavano la vita monacale, ora si preoccupa invece di puntualizzare che tra quanti avevano scelto la castità non tutti si comportavano in quel modo, che si trattava solo di sporadiche eccezioni: non era la regola e non era giusto biasimare tutti coloro che vivevano santamente a causa delle colpe di pochi. Il collegamento con la serie εἰς ἀγαπητούς, che si coglie eviden-

|| 15 Così sembra, sia pure in un secondo momento, aver letto il Muratori, che negli Anecdota Graeca scrive (199): «In MS. Codice Ambrosiano scriptum est τίς φήσις. Ut metro, ac sensui satisfacerem, aliter legendum censui».

60 | Roberto Palla  te nei primi quattro versi del primo componimento, ai quali va riconosciuta una funzione di raccordo tra i due cicli contigui, era stata ben colta già dal Muratori: Ubi Agapetos, eorumque vitia Gregorius exagitavit, se ad obtrectatores convertit, quibus Monachorum genus universum male audiebat, eo quod ex his nonnulli in Agapetarum contubernio castitatis jacturam fecisse crederentur. E quorumdam lapsu omnium mores non esse aestimandos ait.16 Non mi sembra, invece, di poter seguire lo studioso quando, sia pure con una certa prudenza, dopo aver sottolineato che il lungo titolo del ciclo è disposto in Am su una riga, come se fosse un verso,17 fa presente che, eliminando ὅτι e τῶν, ossia la prima e la quarta parola, otterremmo un esametro.18 Il discorso non è ancora finito; c’è da fare un’ultima considerazione. Ho già avuto modo di ricordare come molto spesso, nella tradizione manoscritta19 (e a stampa),20 i carmi di Gregorio – in particolare quelli più brevi – siano stati accorpati, soprattutto (ma non esclusivamente) quando trattano lo stesso argomento e sono redatti nello stesso metro.21 Ora, per quanto concerne questi ventidue versi, il passaggio dal distico elegiaco (epigr. 21), all’esametro (epigr. 22), al trimetro giambico (epigr. 23) e la circolazione separata del terzo componimento rispetto ai primi due avallano la partizione già effettuata dagli editori. Il contesto esclude nettamente, infatti, che, come nel caso delle poesie bibliche,22 possano esserci cambiamenti di metro interni. Data per certa questa segmentazione, credo però che si debba anche andare oltre. Mi sembra infatti molto probabile che l’epigramma 21 sia la risultante dell’accorpamento di due componimenti distinti di identica lunghezza (vv. 1–4 e vv. 5–8). A tale conclusione mi porta non solo il segno che in Am si trova a margine del v. 5 (da C, L e Syr. non arrivano indicazioni in tal senso), ma anche il contenuto differente dei due gruppi di versi, indirizzati il primo contro chi non si comporta in modo adeguato pur sapendo che la colpa di uno viene poi ascritta a tutti (in chiaro collegamento, come si è visto, con il precedente ciclo “Agli agapeti”), il secondo contro coloro che per la colpa di uno condannano tutti. Ritengo inoltre molto probabile che una divisione analoga si possa ipotizzare per l’epigramma 23 (vv. 1–5 e vv. 6–10). In questo caso a suggerire l’ipotesi non concorre solo la presenza dei primi cinque versi senza i cinque successivi in Wo, ma || 16 MURATORI, Anecdota Graeca, 199. 17 Il che, peraltro, capita spesso in Am e non costituisce un caso eccezionale. 18 Cf. MURATORI, Anecdota Graeca, 199: Ego pro titulo Epigrammatis id constitui, quod in MS. Codice tamquam versus conscriptum erat. Et sane si titulo eidem particulas ὅτι, ac τῶν adimas, versum integrum habebis. 19 Cf. PALLA, Agli agapeti, 131s., dove cito alcuni esempi. 20 Cf. PALLA, Gli epigrammi, 42. 21 Senza andar troppo lontano, ricordo che in B, all’epigramma 23 segue, senza interruzione e segni distintivi, il carme II,1,59, redatto nello stesso metro, ma di argomento completamente diverso. 22 Cf. PALLA, Ordinamento, 169–185.

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anche – e soprattutto – la differenza delle immagini proposte nelle due sezioni del componimento, pur in una specularità di linguaggio che più volte si riscontra in Gregorio tra due carmi che vengono l’uno di seguito all’altro. Si pensi, ad esempio, a I,1,19 (i 12 apostoli; cinque versi), che nella tradizione manoscritta viene sempre subito dopo I,1,13 (i 12 patriarchi figli di Giacobbe; cinque versi): stesso metro, stessa struttura, stesso attacco, stessa collocatio verborum. Per quanto concerne l’epigramma 23 si possono notare, ad esempio, il parallelismo tra i due versi mediani (3 e 8), introdotti entrambi da Χωρίς, e tra προστίθει (v. 1) e τίθει (v. 8), nonché la presenza dello stesso gioco antitetico (κακός / καλός) nella parte centrale delle due sezioni. Alla luce di quanto osservato, ricostruisco il testo e ne fornisco una traduzione italiana.

CONSPECTUS SIGLORUM epigrammata 21. 22. 23 tradunt: Am Mediolanensis Ambrosianus H 45 sup., membr., saecc. IX (ff. 1–8)– XI (ff. 9–60), ff. 51v–52r Syr. Versio syriaca (Vaticanus syr. 105; ed. BOLLIG, pp. 31/32, nr. 12) a P. I. Guirau Latine reddita Mur. Caill. PG edd.

pp. 198–202 pp. 1172–1175 38, coll. 94/95 consensus Mur. Caill. PG

epigramma 23 necnon, alio loco, epigrammata 21. 22 tradunt: C Oxoniensis Bodleianus Clark. 12, membr., saec. X, ff. 119v (epigr. 23); 187rv (epigr. 21.22) L Florentinus Laurentianus plut. VII, 10, membr., saec. XI, ff. 99r (epigr. 23); 116v (epigr. 21.22) epigramma 23 tradunt: B Parisinus gr. 2875 (olim Fontebl.-Reg. 3443), chart., saec. XIII, f. 313r Va Vaticanus gr. 482 (olim 888), chart., saec. XIV, ff. 142v–143r epigramma 23 vv. 1–5 tradit: Wo Vindobonensis Phil. gr. 149, chart., saec. XIV, f. 186v

62 | Roberto Palla  ὅτι οὐκ ἀπὸ τῶν πιπτόντων χρὴ τοὺς ἁγνοὺς διαβάλλειν “Perché non si devono calunniare i puri a causa di coloro che cadono” epigr. 21 A Τίς φύσις; Οἱ μὲν ἁγνοὶ καὶ σώφρονες οὐδὲν ἀνάγνου κλέπτουσιν κακίης οὐδ᾿ ἑνός, οἱ πλέονες. Εἷς δὲ κακὸς σεμνοῖς, καὶ πλείοσιν, ἔστιν ὄνειδος· ὥστε τί μοι συζῆν ἄρσεσι τὰς ἀγάμους; C L Am Syr. tit.: ὅτι οὐκ ἀπὸ τῶν πιπτόντων χρὴ τοὺς ἁγνοὺς διαβάλλειν δι᾿ ἐλεγείων C, ὅτι οὐκ ἀπὸ τῶν πιπτόντων χρὴ τοὺς ἁγνοὺς διαβάλλειν Am Mur. necnon (omisso τῶν) Caill. PG; «Eiusdem de eo quod propter eos qui ceciderunt non oportet puros redarguere» Syr.; tit. om. L 1 Τίς φύσις] Τί φῄς edd. || 2 οὐδ᾿ ἑνός] οὐδενὸς Am edd. || 4 μοι] μὲν edd.

“Quale natura? I puri e i casti non compiono di nascosto nessun atto impuro e malvagio, neanche uno, e sono i più. Un solo malvagio è vergogna ai santi, anche se sono i più: e allora perché le non sposate mi convivono con i maschi?” epigr. 21 B Φείδεσθε γλώσσης, φθονερῶν γένος. Οὔτε κάκιστοι πάντες, οὔτ᾿ ἀγαθοί· καί τι φύσει δοτέον. Εἴ τις ἁγνευόντων ποτ᾿ ἀπώλετο, τοῦτ᾿ ἐπὶ πάντας οἴσετε; Τὰς δὲ χρόας χωρὶς ἕκαστος ἔχει. C L Am Syr. Novum carmen incipere indicat Am, nullam exhibent distinctionem C L Syr. edd. 3 πάντας] πάντων edd. || 4 τὰς] τοὺς Mur. dub. in adn.

“Risparmiate la lingua, stirpe d’invidiosi! Non sono tutti molto malvagi né buoni, e qualcosa va concesso alla natura. Se tra coloro che si mantengono puri talvolta uno si è perso, volgerete ciò contro tutti? Ciascuno ha i colori di tipo diverso!” epigr. 22 Ἄγγελος ἦν ὁ πονηρὸς Ἑωσφόρος, ἀλλὰ πεσόντος ἀγγελικῆς οὐδὲν χάριτος πέσεν· οὐδὲ μαθηταῖς ἔστιν Ἰούδας ὄνειδος, ἐπεὶ πέσεν· ἀλλὰ σὺ πάντας ἁγνοὺς ἐξ ὀλίγων ὑβρίζεις. Τοῦτο δίκαιον;

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C L Am Syr. Novum carmen incipere indicant Am necnon edd. (qui Ἄλλο inscribunt), nullam exhibent distinctionem C L Syr. 1 ὁ om. Caill.

“Il maligno Lucifero era un angelo, ma quando cadde non cadde niente della grazia degli angeli; né Giuda è vergogna ai discepoli perché cadde: ma tu, a causa di pochi, insulti tutti i puri. È giusto ciò?” epigr. 23 A

5

Μήτ᾿ εὐπλοοῦσι ναυαγοῦντας προστίθει, μήτ᾿ εὖ βιοῦσι τοὺς σφαλέντας ἐν βίῳ. Χωρὶς τὰ καλῶν καὶ κακῶν ὁρίσματα. Ὄλοιο τοὺς πίπτοντας ἐκλέγων μόνον, τῶν δ᾿ εὐδρομούντων οὐδαμοῦ μεμνημένος.

C L Am Syr. B Va Wo tit.: ὅτι οὐκ ἀπὸ τῶν πιπτόντων χρὴ τοὺς ἁγνοὺς διαβάλλειν C, ὅτι οὐκ ἀπὸ τῶν πιπτόντων χρὴ διαβάλλειν τοὺς ἁγνοὺς B Va, Ἄλλο edd., tit. om. L Wo, novum carmen non distinguunt Am Syr. 2 εὖ βιοῦσι] εὐσεβοῦσι C, εὐβιοῦσι Mur. Caill. || 4 ὄλοιο] ὀλέσθαι edd. | ἐκλέγων] ἐκλέγω edd. || 5 οὐδαμοῦ] οὐδαμῶς B Wo

“Non associare a coloro che navigano bene coloro che fanno naufragio, né a coloro che vivono bene quelli che nella vita hanno sbagliato. Distinti siano i confini tra buoni e malvagi! Possa tu morire, se scegli solo quelli che cadono e non ricordi in alcun modo quelli che corrono bene!” epigr. 23 B

5

Λέγεις πεσόντας, τοὺς κατορθοῦντας δ᾿ ἐγώ· σὺ τοὺς κακίστους, ὡς κακός, καλοὺς δ᾿ ἐγώ. Χωρὶς τὸν αἰσχρόν, τόν τε σώφρονα τίθει· μὴ κρῖν᾿ ἀνάγνους πάντας ἐξ ἑνὸς κακοῦ. Αἰδοῦ τὸν ἁγνὸν μᾶλλον ἢ μίσει κακόν.

C L Am Syr. B Va Novum carmen incipere indicavi, nullam exhibent distinctionem C L Am Syr. B Va edd. 5 μίσει κακόν] κακὸν μίσει B Va

“Parli di coloro che sono caduti, io di quelli che vanno dritti; tu, in quanto malvagio, parli di quelli che sono molto malvagi, io dei buoni. Tieni distinti il turpe e il casto; non giudicare tutti impuri a causa di un solo malvagio! Rendi onore al puro, piuttosto che odiare il malvagio!”

64 | Roberto Palla 

Bibliografia BOLLIG, J., Sancti Gregorii Theologi Liber Carminum Iambicorum. Versio Syriaca antiquissima e cod. Vat. CV. Pars prima, edidit P. J. Bollig S. I., Beryti 1895. CAILLAU, A. B., Sancti Patris nostri Gregorii Theologi, vulgo Nazianzeni, … Opera omnia quae extant … Ad Mss. Codices …, nec non ad antiquiores Editiones castigata; multis aucta, … II, Post operam et studium Monachorum Ordinis sancti Benedicti e Congregatione sancti Mauri; edente et accurante D. A. B. Caillau …, Parisiis 1840. CRIMI, C. – KERTSCH, M. – GUIRAU, J., Gregorio Nazianzeno, Sulla virtù carme giambico [I,2,10]. Introduzione, testo critico e traduzione di C. C [25–187]. Commento di M. K. [189–381]. Appendici a cura di C. C. [383–417; 435–457] e J. G. [419–433], Pisa 1995 (Poeti cristiani 1). FLAMMINI, G., Gli Anecdota Graeca di Ludovico Antonio Muratori e l’indagine filologica all’alba del secolo XVIII, Macerata 2006. MURATORI, L. A., Anecdota Graeca quae ex mss. codicibus Nunc primum eruit, Latio donat, Notis, et Disquisitionibus auget L. A. Muratorius …, Patavii 1709. PALLA, R., Sul testo di un epigramma di Gregorio Nazianzeno, A&R n. s. 29 (1984), 70–72. PALLA, R., Ordinamento e polimetria delle poesie bibliche di Gregorio Nazianzeno, WSt 102 (1989), 169–185. PALLA, R., Gli Anecdota Graeca di Ludovico Antonio Muratori e il testo degli epigrammi di Gregorio Nazianzeno, in: Gregorio Nazianzeno teologo e scrittore, edd. C. MORESCHINI – G. MENESTRINA, Bologna 1992, 171–197. PALLA, R., Γιγάντιος o Σιγάντιος? Origine e sviluppi di un falso problema. A proposito di Greg. Naz. epigr. 1-2 (PG 38, 81-83), in: Studi offerti ad Alessandro Perutelli, edd. P. ARDUINI et alii, Roma 2008, 2, 311–323. PALLA, R., Agli agapeti: un ciclo di componimenti di Gregorio Nazianzeno, in: La poesia tardoantica e medievale. IV Convegno internazionale di studi. Perugia, 15–17 novembre 2007. Atti in onore di Antonino Isola per il suo 70° genetliaco, edd. C. BURINI DE LORENZI – M. DE GAETANO, Alessandria 2010, 119–144. PALLA, R., ‘Edizioni antiche’ ed ‘edizioni moderne’ dei Carmi di Gregorio Nazianzeno, in: Leggere i Padri tra passato e presente. Atti del Convegno internazionale di studi. Cremona, 21-22 novembre 2008, ed. M. CORTESI, Firenze 2010, 127–143. PALLA, R., Gli epigrammi di Gregorio Nazianzeno contro i violatori di tombe. I. Tra ‘raccolte metriche’ e ‘raccolte tematiche’, in: Dulce melos II. Akten des 5. internationalen Symposiums: Lateinische und griechische Dichtung in Spätantike, Mittelalter und Neuzeit. Wien, 25.–27. November 2010, ed. V. ZIMMERL-PANAGL, Pisa 2013 (…et alia 3), 33–46. STERNBACH, L., Cercidea, Eos 30 (1927), 347–366.

[email protected] Dipartimento di Studi umanistici – lingue, mediazione, storia, lettere, filosofia, Università degli Studi di Macerata

Dorothea Weber

Paulus und Antonius in der Wüste Überlegungen zu Hieronymus’ Paulusvita* Ob Hieronymus für seine Lebensbeschreibung des Mönchsvaters Paulus, des ersten Eremiten und Vorgängers des Antonius (Vita beati Pauli monachi Thebaei, im Folgenden VP),1 tatsächlich auf historische Informationen sei es schriftlicher oder mündlicher Art zurückgriff oder so manche Details, ja womöglich sogar die Person des Paulus erfand, ist nicht mit Sicherheit zu entscheiden.2 Der enge Anschluss an die berühmte Biographie des Eremiten par excellence, Antonius, die Athanasius zumindest ein Jahrzehnt zuvor3 verfasst hatte (Vita sancti Antonii des Athanasios, im Folgenden: VA), und fabulöse Episoden (ein zahmer Kentaur und ein christlicher Satyr) sprechen jedenfalls ebensowenig für Letzteres, wie Bezeugungen des Mönchsvaters Paulus auch außerhalb der Mönchsviten und selbst außerhalb von Hieronymus’ Œuvre die Historizität der Person beweisen müssen.4 Ungeachtet dieser Frage soll im Folgenden zunächst für den Prolog und die beiden erzählenden Abschnitte der VP gezeigt werden, wie Hieronymus seiner Hauptfigur durch geschickte Bezüge auf eben jenen Antonius, wie er in der VA geschildert wird und welchem der Paulus seiner VP den Rang des Archegeten des Mönchtums ablaufen soll, Historizität und seiner Erzählung damit Glaubwürdigkeit verleiht;5 dass diese ihm || * Dieser Beitrag ist die überarbeitete Fassung eines Vortrags, den ich im Rahmen der Tagung „Narratologie und Erzähltechnik“ im November 2013 an der ELTE (Budapest) hielt. Der Diskussion verdanke ich wichtige Anregungen. 1 Wortlaut (abgesehen von kleineren Änderungen in Orthographie und Interpunktion) und Kapitelsowie Paragraphengliederung werden im Folgenden nach der Edition von LECLERC – MORALES – DE VOGÜÉ zitiert. 2 Einen ausgezeichneten Überblick über die Forschungsgeschichte zu dieser Frage gibt REBENICH, Inventing an Ascetic Hero, 14–16. 3 Über die Datierungsansätze der VA (zwischen 356 und 364) s. BERTRAND, Evagrius-Übersetzung, 11 Anm. 1; die VP wird üblicherweise auf 376 datiert (s. unten, Anm. 8). 4 BERSCHIN, Biographie und Epochenstil, 137 vermutet, dass Hieronymus Paulus in anderen Werken zum Zweck der Beglaubigung seiner eigenen Erfindung erwähnt habe (chron. 19, p. 240,6 Helm [GCS 47] zum Jahr 356: Antonius monachus CV aetatis anno in heremo moritur solitus multis ad se venientibus de Paulo quodam Thebaeo mirae beatitudinis viro referre, cuius nos exitum brevi libello explicuimus; ferner epist. 22,36; 58,8; 108,6). Die Nennung bei Sulp. Sev. dial. 1,17,1 (ad eum etiam locum, in quo beatissimus Paulus primus eremita est diversatus, accessi), Paul. Med. vita Ambr. 1,1 (… sicut beati viri Athanasius episcopus et Hieronymus presbyter stilo prosecuti sunt vitam sanctorum Pauli et Antonii in eremo positorum …) und Cassian. coll. 18,5f. (… usque ad abbatis Pauli vel Antoni duravit aetatem; … cuius professionis principes …, sanctum scilicet Paulum vel Antonium, novimus extitisse) können auf die VP als Quelle zurückgehen (REBENICH, Inventing an Ascetic Hero, 16 Anm. 17). 5 Auf die vom Autor beteuerte Faktizität der Erzählung weist DASSMANN, Autobiographie, 66, hin.

66 | Dorothea Weber  ein Anliegen war, lässt sich aus Hieronymus’ später verfasster Vita Hilarionis unschwer erschließen: … maledicorum voces contemnimus, qui olim detrahentes Paulo meo nunc forsitan detrahent et Hilarioni, illum solitudinis calumniati, huic obicientes frequentiam, ut qui semper latuit, non fuisse, qui a multis visus est, vilis extimetur (1,6). Abschließend folgen Überlegungen darüber, wie Hieronymus seine Erzählung auch zur Darlegung der Überlegenheit von Bildung über Unbildung selbst im Bereich von Asketen einsetzt. In Zusammenhang mit der Ankündigung, in seiner Schrift die zeitliche Priorität des Paulus gegenüber Antonius6 erweisen zu wollen, macht Hieronymus gleich zu Beginn deutlich, dass er seine Erzählung vor dem Hintergrund der VA gelesen wissen will: … quia de Antonio tam Graeco quam Romano stilo diligenter memoriae traditum est, pauca de Pauli principio et fine scribere disposui (1,4). Bereits wenige Jahre nach ihrem Erscheinen lagen zwei lateinische Übersetzungen der VA des Athanasius vor, eine sehr wörtliche anonyme7 und eine literarische durch Euagrius; Letztere kannte Hieronymus aller Wahrscheinlichkeit nach.8 Er konnte daher mit Lesern rechnen, die mit dieser berühmten Biographie des Antonius vertraut waren, musste aber eben deswegen seine Erzählung in einer Weise legitimieren, die der Legitimation des Athanasius zumindest ebenbürtig war – keine einfache Aufgabe, denn Athanasius war, wie er im Begleitbrief der VA mitteilt, mit Antonius in häufigem persönlichem Kontakt gestanden (frequenter … eum visitavi), während Hieronymus allein schon aus Gründen der Chronologie seinen Protagonisten nie getroffen haben konnte.9 Diesen Nachteil machte er wett, indem er über die VP verstreut und in mehr als einer Hinsicht seinen Text an die VA band, sodass deren Glaubwürdigkeit den Wahrheitsgehalt der VP garantiert.

|| 6 Nachdem er Elias und Johannes als mögliche Archegeten eremitischen Lebens ausgeschieden hat (1,1: quidam enim altius repetentes, a beato Elia et Ioanne principia sumpserunt. Quorum et Elias plus nobis videtur fuisse quam monachus, et Ioannes ante prophetare coepisse quam natus est), fährt der Autor fort (1,2): alii autem, in quam opinionem vulgus omne consentit, adserunt Antonium huius propositi caput, quod ex parte verum est. Non enim tam ipse ante omnes fuit, quam ab eo omnium incitata sunt studia. 7 Ediert von HOPPENBROUWERS und von BARTELINK. 8 Sie wird im Folgenden (mit korrigierter Interpunktion) zitiert nach BERTRAND. – Die Übersetzung des Euagrius datiert spätestens aus dem Jahr 373 (BERTRAND, 27), die VP entstand frühestens 375 während Hieronymus’ Aufenthalt in der chalcidischen Wüste (s. REBENICH, Hieronymus, 86f.), der communis opinio zufolge 376 (LECLERQ, Trois vies, 15); dass Hieronymus Euagrius’ Übersetzung kannte und benutzte, kann als erwiesen gelten, s. dazu letztens REBENICH, Inventing an Ascetic Hero, 22 und Anm. 50. 9 Chronologischen Angaben der VP zufolge war Paulus im Alter von 113 Jahren (VP 7,1) etwa 347/348 gestorben (die Unsicherheit rührt von der Wendung per idem … tempus [4,1] her, die nicht exakt das Jahr der Christenverfolgung 250/251 bezeichnen muss). Geht man hingegen vom Jahr 356 als Todesjahr des Antonius aus, wie dies Hieronymus in seiner Chronik tut (s. o. Anm. 4), ergibt sich für Paulus’ Tod das Jahr 341.

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1 Prolog (cap. 1) Die zeitliche Priorität des Paulus lässt Hieronymus zwei Schüler des Antonius bezeugen, die ihm persönlich bekannt und zur Abfassungszeit der VP noch am Leben gewesen seien (Amathas vero et Macarius, discipuli Antonii, e quibus superior magistri corpus sepelivit, etiam nunc adfirmant, Paulum quemdam Thebaeum principem rei istius fuisse, non nominis). Damit verweist er auf den Schluss der VA, wo es heißt, Antonius habe vor seinem Tod zwei vertraute Schüler zu sich gerufen, die 15 Jahre zuvor von ihm ins Eremitenleben eingeführt worden seien und, da sie in seiner Nähe wohnten, ihm öfters zur Hand gingen (s. u. Anm. 13); er habe ihnen seinen letzten Willen anvertraut und sei sogleich in ihrer Anwesenheit gestorben. Bereits für die VA sind die zwei Schüler, die übrigens dort nicht mit Namen genannt werden,10 über ihre Rolle als Zeugen des seligen Todes des Antonius hinaus11 für die Legitimierung der Erzählung wichtig: Sie seien es nämlich gewesen, die als Vollstrecker des Testaments Athanasius jenes Pallium überbracht hätten, das dieser Antonius einst geschenkt hatte und auf dem Antonius zu schlafen pflegte. Wie Christian Tornau in Zusammenhang mit der Adaptierung der VA durch Sulpicius Severus’ Martinsvita dargelegt hat,12 kommt die Vererbung von Gewand der Übertragung spiritueller Fähigkeiten gleich und markiert eine persönliche Nähe zwischen Erblasser und Erben. Diese Nähe soll in der VA Athanasius als Biographen legitimieren. Wenn nun Hieronymus dieselben zwei Mönche als Zeugen für seine Erzählung anführt, kommt der VP dieselbe Glaubwürdigkeit zu wie der VA, da sie für ihre zentralen Episoden, nämlich für die Begegnung des Antonius mit Paulus, für dessen letzten Willen und für dessen Sterben, sich nur auf Antonius’ Bericht der Begebenheiten an eben jene zwei Schüler berufen kann (VP 16,8: ac sic ad monasterium reversus [sc. Antonius], discipulis ex ordine cuncta replicavit).13 Darüber hinaus macht sich Hieronymus mit der Nennung seiner Gewährsmänner ein Defizit der VA zu Nutze: In seinem Begleitschreiben hatte Athanasius nämlich erwähnt, er habe

|| 10 Makarios und Amatas heißen auch bei Palladius h. Laus. 21 die Schüler des Antonius, die diesen begruben. Dieselben Namen sind, neben anderen, in den syrischen und armenischen Textzeugen des Serapion (von Thmuis) zugeschriebenen Briefs an die Schüler des Antonius bezeugt, siehe FITSCHEN, Serapion, 59f. 11 Zu diesem Aspekt der Zeugenschaft siehe WYRWA, Gestaltungselemente, 61 (mit Anm. 207). 12 TORNAU, Intertextuality, 164f. 13 Hieronymus berücksichtigt die chronologischen Angaben der VA, indem er in der VP Antonius erst als Neunzigjährigen in Erscheinung treten lässt: Die beiden Schüler hätten laut der VA Antonius die letzten 15 Jahre vor seinem Tod im Alter von 105 Jahren (VA 89: cogit conditio naturae, ut post centenarium numerum, quem annis quinque supergredior, iam resolvar) begleitet (VA 91: … vocatis ad se duobus fratribus, quos ibidem ante quindecim annos modico intervallo seiunctos instituerat quique etiam ei iam seni coeperant ministrare …) und können daher von Hieronymus als erstklassige Zeugen für eben diese Zeitspanne eingeführt werden.

68 | Dorothea Weber  aus Eile die Mönche, die intensiveren Kontakt mit Antonius hatten, nicht um weiterreichende Informationen befragen können, Hieronymus hingegen behauptet, Amathas und Macarius hätten sich wiederholt über Paulus geäußert (etiam nunc adfirmant).

2 Die Paulus-Erzählung (VP 4–6) Die Vita im eigentlichen Sinn (capp. 4–16) ist deutlich zweigeteilt: Die erste, kurze Hälfte setzt im Jugendalter des Paulus ein, biographische Details und eine Charakterisierung seiner Wesensart sind gleich zu Beginn in starker Raffung angeführt.14 Mit dem zweiten Satz reduziert Hieronymus das Erzähltempo: Die Christenverfolgungen und im Besonderen sein Schwager treiben den jungen Mann von der menschlichen Gemeinschaft in die Einsamkeit (zur heilstheologischen Gleichwertigkeit von Martyrium und Eremitenleben s. S. 74). In dem Maß, in dem er an der Lebensweise eines Einsiedlers Gefallen findet, entfernt er sich von der Zivilisation und findet schließlich in einer ehemaligen Geldfälscherwerkstätte im Gebirge einen Ort, an dem er sein gesamtes weiteres Leben verbringen wird: eine durch ihre Lage und die Beschaffenheit des Gebirges von jeglicher Außenwelt isolierte große Höhle, die es Paulus ermöglicht, bereits im Diesseits wie im Paradies zu leben. Oben offen, von einer ausladenden Palme beschattet und von einer Quelle bewässert, bietet sie ihrem Bewohner Nahrung (Datteln und Wasser) sowie Kleidung (6,1: cibum et vestimentum ei palma praebebat; zur Tunika aus Palmblättern s. unten S. 73f.).15 – Im Verhältnis zur Kürze dieses Teils ausführlich ist der Abschluss, in dem Hieronymus aus der Rolle des Erzählers heraustritt und die grundsätzliche Fähigkeit der menschlichen Physis zu dieser Lebensführung durch Verweis auf ihm persönlich bekannte Beispiele und unter Anrufung Jesu und der Engel beschwört.16 Damit wehrt er mögliche

|| 14 Der erste Satz trägt diese Informationen in einer Reihe knapper aufeinander folgender Partizipialkonstruktionen nach, während das einzige finite Verbum, relictus est (sc. Paulus), Paulus’ künftiges Eremitenleben andeutet (4,1): … cum sorore iam viro tradita, morte amborum parentum, in haereditate locupleti Paulus relictus est annorum circiter sexdecim, litteris tam Graecis quam Aegyptiacis adprime eruditus, mansueti animi, deum valde amans. 15 Die Schilderung scheint von Sen. epist. 41,3 beeinflusst zu sein, zumal der Kontext die durch das Naturerleben wachgerufene Verehrung des (stoischen) Gottes behandelt: Si tibi occurrerit vetustis arboribus et solitam altitudinem egressis frequens lucus et conspectum caeli ramorum aliorum alios protegentium summovens obtentu, illa proceritas silvae et secretum loci et admiratio umbrae in aperto tam densae atque continuae fidem tibi numinis faciet. Si quis specus saxis penitus exesis montem suspenderit, non manu factus, sed naturalibus causis in tantam laxitatem excavatus, animum tuum quadam religionis suspicione percutiet. Magnorum fluminum capita veneramur … . 16 VP 6,2: quod ne cui impossibile videatur, Iesum testor et sanctos angelos eius in ea eremi parte, quae iuxta Syriam Saracenis iungitur, et vidisse me monachos, et videre, e quibus unus triginta iam per

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Zweifel ab und kann für den ersten Teil der Erzählung wenn schon nicht πιθανότης – was ja für die außergewöhnliche Lebensführung eines Eremiten wenig passend wäre –, so doch zumindest Plausibilität beanspruchen. Signifikante Übereinstimmungen mit der VA wurden längst beobachtet: Abstammung, familiäre Situation und Alter zum Zeitpunkt der Aufnahme einer neuen Lebensform sind bei Antonius und Paulus annähernd gleich, die zwei Wüstenväter unterscheiden sich allerdings hinsichtlich ihrer Bildung: Antonius ist ungebildet und hat auch nicht Griechisch gelernt, weswegen er in seinem weiteren Wirken immer wieder auf Dolmetscher angewiesen ist, Paulus hingegen ist in ägyptischer wie griechischer Literatur bewandert (dazu unten S. 76). Des Weiteren entfernt sich jeder der beiden schrittweise von der Gesellschaft und nähert sich im Laufe mehrerer Jahrzehnte17 seinem idealen Aufenthaltsort in der Einsamkeit an.18 In der Beschreibung dieses Ortes folgt der Autor der VP wiederum eng der VA: Mit den Worten animadvertit … grande vestibulum, quod aperto desuper coelo, patulis diffusa ramis vetus palma contexerat, fontem lucidissimum ostendens, cuius rivum tantummodo foras statim eadem, quae genuerat, aquas terra sorbebat. erant praeterea per exesum montem haud pauca habitacula … (VP 5,1f.) entwirft er, teils mit wörtlichen Anklängen, dasselbe Szenario, wie es VA 49f. tut (… invenit montem valde excelsum, ad cuius radices fons aquae dulcis labebatur et campus haud magnus totum ambiens montem, qui palmulis perpaucis et his neglectis consitus erat), sodass die Unterschiede zwischen den zwei Eremiten umso deutlicher werden: Paulus wird, von einem Raben ernährt, sein gesamtes weiteres Leben dort verbringen,19 Antonius hingegen einen kleinen Garten anlegen, dessen Ertrag ihn und seine Besucher ernährt (VA 50), und häufig zu Mitbrüdern reisen, wo er auch mit Laien in Kontakt tritt (z. B. VA 72).

|| annos clausus hordeaceo pane et lutulenta aqua vivit, alter in cisterna veteri, quam gentili sermone Syri ‘gubbam’ vocant, quinque caricis per singulos dies sustentabatur. 17 VP 4,2: in villa remotiore secretior erat nach VA 3: in locis paululum a villa remotioribus manebat; VP 5,1: necessitatem in voluntatem vertit nach VA 17: cur igitur non facimus de necessitate virtutem? sowie ibd. paulatim procedens nach VA 3: exinde procedens. 18 Dass Paulus sich aus seiner Heimatstadt nicht direkt an seinen späteren Aufenthaltsort begibt, sondern, wie Antonius, sich diesem in Etappen und erst nach vielen Jahren nähert, legt nicht nur paulatim procedens nahe, sondern auch der Rückblick des 113-Jährigen in 10,3 (sexaginta iam anni sunt quod dimidium semper panis fragmen accipio). Damit liegt die Deutung nahe, dass Paulus nicht viel mehr als 60 Jahre zuvor das vollkommene Eremitenleben aufgenommen hat. Anders REBENICH, Inventing an Ascetic Hero, 17: „Without ever setting eyes on a living soul, Paul spent more than ninety years in his hermitage.“ 19 Aus Paulus’ Worten in 10,2 (… narra mihi, quaeso, ut sese habeat humanum genus, an in antiquis urbibus nova tecta consurgant, quo mundus regatur imperio, an supersint aliqui, qui daemonum errore rapiantur) geht hervor, dass er Jahrzehnte lang keinen Kontakt zur Welt hatte. Zum Raben – das Motiv ist der biblischen Elias-Erzählung entnommen (1 Reg. 17,6) – s. 10,3 und o. Anm. 18.

70 | Dorothea Weber  Für diesen ersten Teil der VP nennt Hieronymus keine Quelle. Seine Erzählung erhält aber dadurch Plausibilität, dass sie auf Pendants zu den zahlreichen hagiographisch bedeutenden Episoden des Vorgängertextes, die von Antonius’ Kämpfen mit dem Satan, seinem öffentlichen Wirken und seinen Wundern berichten, verzichtet – dieser Verzicht war im Prolog mit dem Fehlen von Quellen begründet worden,20 was im Gegenzug die Historizität des Berichteten erhöht – und in den wenigen Zusätzen (die Geldgier von Paulus’ Schwager [4,2], das Höhlengebiet als ehemalige Geldfälscherwerkstätte [5,2]) betont diesseitig-rationale Details anführt. Abgesehen von der asketischen Leistung des Paulus (6,1: cibum et vestimentum palma praebebat), für die Parallelen aus eigener Erfahrung zu kennen Hieronymus beschwört, ist genau genommen gar nichts beschrieben, was eine literarische Strategie der Authentisierung überhaupt erforderlich machen würde.

3 Die Antonius-Erzählung (VP 7–16) Im wesentlich längeren zweiten Teil der Erzählung, der vom Traum des Antonius, von seiner Wanderung tiefer in die Wüste hinein, seiner Begegnung mit einem Kentauren, einem Satyrn und schließlich einer Wölfin, die ihm den Weg zu Paulus’ Wohnstatt weisen, bis zum Besuch bei Paulus und schließlich dessen Bestattung reicht, ist weniger Paulus als Antonius präsent. Wiederholt findet sich die Angabe, Antonius selbst habe nach seiner Rückkehr das Geschehen berichtet;21 seine Informationen sind, wie der Leser aus cap. 1,2 schließen kann, über Amathas und Macarius an den Erzähler gekommen und daher glaubhaft. Dazu kommt, dass einzelne Episoden der VP die VA gewissermaßen fortschreiben. Die VP gewinnt hier in dem Maß an Glaubwürdigkeit, in dem sich der darin geschilderte Antonius mit jenem der VA zur Deckung bringen lässt: Antonius’ Wanderung durch die Wüste zu Paulus (VP 7,2–9,3) ist unübersehbar nach der Wanderung gestaltet, die er in VA 49f. zu seinem ersehnten Wohnort in der Einsamkeit des Berges unternimmt. Auch hierin lässt sich übrigens eine Motivverdoppelung erkennen: Die Beschreibung dieses Ortes hatte bereits für Paulus’ Wohnstätte (VP 5, s. oben) als Vorlage gedient. Bei Athanasius zieht Antonius in

|| 20 Die Leerstelle war in 1,4 angekündigt worden: … pauca de Pauli principio et fine scribere disposui; … quomodo autem in media aetate vixerit, aut quas Satanae pertulerit insidias, nulli hominum compertum habetur. Zu den asketischen Martyrien, von denen in cap. 3 berichtet wird, s. u. S. 74f. 21 7,1 (ut ipse [sc. Antonius] adserere solebat); 13,1 (respondit [sc. Antonius]: … vidi Eliam, vidi Ioannem in deserto, et vere in paradiso Paulum vidi); 15,1 (referebat postea Antonius tanta se velocitate … cucurrisse …); 16,8 (… ad monasterium reversus discipulis ex ordine cuncta replicavit).

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interius desertum (VA 49)22 auf die Weisung einer Stimme aus dem Himmel, die ihn, als er nicht weiß, wie er dorthin gelangen kann, auf eine Sarazenenkarawane hinweist; Antonius schließt sich ihr an und bleibt, nachdem sie in dreitägiger Wanderung den paradiesischen Ort erreicht haben, allein dort zurück, die Karawane zieht weiter. In der VP macht er sich, ermahnt von dem Traum, interius wohne ein ihm überlegener Mönch (7,2), auf den Weg. Dieses Motiv ist dem Leser, der mit der VA vertraut ist, nicht ganz unbekannt: Die Angewohnheit, heiligmäßig lebende Männern aufzusuchen, um von ihnen das wahre Mönchsleben zu lernen, hatte Antonius nach dem Ausweis der VA als junger Mann gehabt.23 Hatten Antonius in der VA Sarazenen den Weg gewiesen, treten in der VP zunächst ein Kentaur und ein Satyr als Ortskundige in Erscheinung. Dass Antonius’ Zusammentreffen mit einem Kentauren (VP 7,4–6) in VA 53 vorgebildet ist, wo der Eremit einem Mischwesen aus Mensch und Esel begegnet, das sich im Nachhinein als trügerische Erscheinung des Satans entpuppt, wurde längst erkannt. In der VP hingegen erweist sich der Kentaur als hilfsbereit, kann aber nur mit der Hand die Wegrichtung anzeigen, da er nicht Antonius’ Sprache spricht (… barbarum nescioquid infrendens et frangens potius verba quam proloquens inter horrentia ora satis blandum quaesivit adloquium et cum dexterae manus protensione cupitum indicat iter …). Das Motiv der Begegnung mit dem Fabelwesen ist in der VP wiederum gedoppelt: Gleich in der folgenden Episode (8,1–5) erblickt er ein menschenähnliches Wesen mit Bocksfüßen, das ihm Datteln zur Stärkung reicht, sich artig vorstellt (8,3: mortalis ego sum et unus ex accolis eremi, quos vario delusa errore gentilitas Faunos Satyrosque et incubos colit)24 und zu seiner großen Freude (8,4f.) als Christ zu erkennen gibt. Wenn Antonius sich wundert, dass er die Worte des Satyrn verstehen kann (8,5: … admirans, quod eius posset intelligere sermonem), dann ist zwar gut möglich, dass der Autor Berichte über die mangelnde Sprechfähigkeit von Satyrn kannte, die in der Antike kursierten;25 innerhalb der Erzählung aber erhält das Motiv des für Antonius verständlich sprechenden Satyrn und Antonius’ Verwunderung darüber doch offenbar nur dadurch eine Funktion, dass sich der Eremit eben zuvor mit dem Kentauren nicht verständigen konnte. Verständigungsprobleme aber hatte Antonius auch in der VA gehabt: für theologische Diskussionen mit griechischen Philosophen, die sich ihm geschlagen gaben und sich bekehrten, war er auf Dolmetscher

|| 22 Die Wendung verweist auf Ex. 3,1 (cumque minasset [sc. Moyses] gregem ad interiora deserti, venit ad montem dei Horeb) und formuliert damit als Ideal eremitischen Lebens die Erfahrung der Nähe Gottes, wie sie Moses im brennenden Dornbusch zuteil wurde. 23 VA 3: … si quem vigilantem in hoc studio compererat, procedens quaerebat ut apis prudentissima nec ad habitaculum suum remeabat, nisi eius quem cupiebat frueretur aspectibus … . 24 HARVEY, Saints and Satyrs, 40–44, über Voraussetzungen und Parallelen für die Wendung. 25 HARVEY, Saints and Satyrs, 43, macht auf Plutarch, Sulla 27,3 aufmerksam, einen Bericht über einen Satyrn, der Sulla vorgeführt wurde und auf die Frage, wer er sei, Unverständliches geantwortet habe.

72 | Dorothea Weber  angewiesen (72; 74; 77). Es hat also den Anschein, dass der Autor der VP durch Kombination mehrerer Motive aus der VA (Begegnungen mit Wesen, die mit dem Satan in Zusammenhang gebracht werden; Verständigungsprobleme; Freude über Personen, die sich gegen alle Erwartung als Christen deklarieren) ‚seinen‘ Antonius als konsistent mit jenem der VA zeichnet und auch darin die Historizität seiner Erzählung für den mit der VA vertrauten Leser plausibel macht.26 In diesem Zusammenhang verdient auch jene Episode aus der VP Beachtung, die Paulus’ Tod und Begräbnis berichtet: Dass Letzteres für Antonius ein Herzensanliegen ist – in VP 16,1 ist er so betrübt, seine Harke (über deren Existenz der Leser bereits aus VA 50 Bescheid weiß!)27 nicht mitgenommen zu haben, dass er auf der Stelle sterben wollte, würden nicht zwei Löwen erscheinen und das Grab ausheben –, entspricht seiner Besorgnis, mit der er in VA 90 gegen den ägyptischen Brauch ankämpft, Leichen unter freiem Himmel verwesen zu lassen,28 und mit der er in VA 91 Verfügungen hinsichtlich seines eigenen Begräbnisses trifft. Auch darin bewahrt der Antonius der VP signifikante Züge, die ihm die VA attestiert. In einem Detail durchbricht aber der Autor der VP diese Konsistenz: Der Traum, der Antonius zur Wanderung zu Paulus motiviert, folgt unmittelbar auf die explizit auf Antonius zurückgeführte Erzählung seiner Selbsteinschätzung als Mönch (VP 7,1: ut ipse [sc. Antonius] adserere solebat, haec in mentem eius cogitatio incidit, nullum ultra se monachum in eremo consedisse). Dass er sich als den am tiefsten in der Wüste lebenden Mönch (nullum ultra se monachum …) und daher als Ideal des Eremiten (vgl. o. Anm. 22) betrachtete, geht aus der VA freilich nicht hervor; vielmehr weiß er dort um andere Eremiten, auch werden ihm Demut und Bescheidenheit attestiert.29 Es hat daher den Anschein, als würde in diesem Punkt Antonius, wie er in der VA charakterisiert wird, gegen Antonius als den berühmten Archegeten eremitischen Lebens ausgetauscht, wie ihn die in der VA enthaltene hagiographische Enkomiastik dem Leser vermittelt, und als hätte Athanasius durch beinahe panegyrisches Lob die Selbsteinschätzung der Hauptperson so sehr beeinflusst,30 dass die

|| 26 Vgl. ferner VP 14,2 (cumque iam dies illuxisset alia … videt inter angelorum catervas, inter prophetarum et apostolorum choros, niveo Paulum candore fulgentem in sublime conscendere) mit VA 60 (aliquo … in tempore … vidit nescioquam animam laetantibus in eius occursum angelis ad caelum pergere). 27 Zu VP 16,1: … contristabatur Antonius, quod sarculum, quo terram foderet, non habebat vgl. VA 50: rogavit (Antonius) unum de advenientibus, ut sarculum sibi … deferret. 28 In dieselbe Richtung weisen Antonius’ Worte bereits VP 9,5 (certe sepelies vel cadaver). 29 Z. B. VA 56 (numquam … incolumitate curatorum est inflatus ad gloriam); 67 (numquam … humilitatem erexit in gloriam. Nam omnes clericos usque ad ultimum gradum ante se orare compellens, episcopis quoque atque presbyteris quasi humilitatis discipulus ad benedicendum se caput submittebat. Diaconos vero … ad orandum dominum sibi praeponebat, non erubescens et ipse discere). 30 Zum Lob des Antonius in VA vgl. beispielsweise: perfecta est siquidem ad virtutem via, Antonium scire quis fuerit (Widmungsbrief) und qui [sc. Christus] devotos eius animos erga suam praevidens

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VP als Korrektiv nötig wurde, um Antonius wieder zu dem demütigen Eremiten zu machen, als den ihn die VA gezeichnet hatte: Dieser Haltung entsprechend ruft er, sobald er bei Paulus angekommen ist, aus: scio me non mereri conspectum tuum (VP 9,5).31 Möglicherweise dient auch die dezent angedeutete Annäherung des Paulus an seinen großen Namensvetter aus dem Neuen Testament, noch dazu aus Antonius’ Mund, demselben Zweck: Als er wenig später zu seiner Zelle zurückkehrt, um das Pallium zu holen, bekennt er den zwei Schülern gegenüber seine Reue über seinen faschen Hochmut (vae mihi peccatori, qui falsum monachi nomen fero) und fährt fort: Vidi Eliam, vidi Ioannem in deserto, et vere in paradiso Paulum vidi (13,1). Mit diesen Worten setzt er Paulus nicht nur mit den beiden großen biblischen Eremitenfiguren (vgl. o. Anm. 6) in eins, er deutet auch durch eine Anspielung auf 2 Cor. 12,2–4 (scio hominem in Christo ante annos quattuordecim, sive in corpore nescio sive extra corpus nescio, deus scit, raptum eiusmodi usque ad tertium caelum, et scio …, quoniam raptus est in paradisum …) eine Identifizierung des im Sterben liegenden Eremiten mit dem Apostel Paulus an,32 dessen Entrückung in den dritten Himmel in der patristischen Literatur als (vorübergehender) Tod und Übertritt ins paradiesische Jenseits interpretiert wurde.33 Noch knapp vor seinem Tod hatte Paulus den Wunsch geäußert, in jenem Mantel begraben zu werden, den Antonius einst von Athanasius erhalten hatte. Antonius’ Erstaunen, dass Paulus um den Mantel Bescheid weiß (VP 12,4), ist angesichts der Sicherheit, mit der er angenommen hatte, Paulus würde ihn bei seiner Ankunft erkennen, obwohl sie einander nie zuvor begegnet waren (9,4: qui sim, unde, cur venerim, nosti), auffallend, denn offenbar rechnete er mit Paulus’ übernatürlichem Wissen. Wenn nun der Erzähler auf Antonius’ Erstaunen hinweist, kann daraus ein Hinweis für den Leser auf etwas angesichts der entsprechenden Stelle in VA 91f. Unerwartetes gewonnen werden: Tatsächlich korrigiert auch hier die VP den Vorbildtext, in welchem ausdrücklich Athanasius als Erbe des Mantels eingesetzt wird

|| maiestatem hominem alio paene orbe celatum et inter tantas positum solitudines, Africae, Hispaniae, Galliae, Italiae, Illyrico, ipsi etiam, quae urbium caput est, Romae … demonstravit (cap. 93). 31 Die Wendung erinnert an die Anerkennung der eigenen Unterlegenheit, wie sie in formelhaften biblischen Selbstaussagen etwa Mt. 3,11 (par.); 8,8 (par.); 1 Cor. 15,9 vorliegt. 32 Diese Identifizierung ist dadurch vorbereitet, dass sich Paulus in der Unterhaltung mit Antonius nicht nur zweier Wendungen aus den Paulusbriefen bedient (zu VP 10,1: verum quia caritas omnia sustinet vgl. 1 Cor. 13,7; zu VP 12,2: non debes … quaerere quae tua sunt, sed quae aliena vgl. 1 Cor. 10,24; Phil. 2,4. 21), sondern in einer Art Pasticcio aus Pauluszitaten sogar Kontinuität zwischen dem biblischen Paulus und seiner eigenen Person andeutet: In VP 11,3 (... quod semper cupieram dissolvi et esse cum Christo, peracto cursu superest mihi corona iustitiae) ist 2 Tim. 4,7f. (… cursum consummavi … reposita est mihi iustitiae corona) mit einem markanten Zitat von Phil. 1,23 (nach dem Wortlaut der Bibelstelle bei Hieronymus [z. B. epist. 3,5; 22,17; 60,7] cupio dissolvi et esse cum Christo) kombiniert. 33 Vgl. z. B. Aug. cur. mort. 15,18 (mitti quoque ad vivos aliquos ex mortuis, sicut e contrario Paulus ex vivis in paradisum raptus est, divina scriptura testatur).

74 | Dorothea Weber  (91), diesen erhält und zeitlebens in Ehren hält; auf die Semantik der Vererbung von Kleidungsstücken wurde bereits hingewiesen (S. 67). Dadurch, dass in VP die Abfolge der Besitzer des pallium von Athanasius / Antonius / Athanasius zu Athanasius / Antonius / Paulus verändert wird, eine Weitergabe von Letzterem an andere aufgrund der Verwendung des Kleidungsstücks ausgeschlossen und damit Paulus zum durch ein über seinen materiellen Wert hinaus wertvolles Geschenk Geehrten wird, erscheint auch Athanasius’ Absicht, Antonius zum Archegeten des Eremitenlebens zu stilisieren, als überwunden. – Übrigens liegt in der VP wiederum eine Motivverdoppelung vor: Nach dem Begräbnis nimmt Antonius aus Paulus’ Hinterlassenschaft dessen aus Palmblättern genähte Tunika an sich und trägt sie von diesem Zeitpunkt an zu besonderen Anlässen (VP 16,8), ähnlich wie dies Athanasius mit dem erwähnten pallium getan haben mochte (vgl. VA 93). – Wie oben festgehalten, betont der Besitz des Mantels Athanasius’ Nähe zu Antonius, die ihn als dessen Biographen legitimiert; in VP nimmt Hieronymus in seinem diatribenhaften Epilog dieses Motiv auf, indem er sich als Autor in eine gemäß dem topischen Wunsch nach Anerkennung erhoffte Beziehung zu Paulus’ Tunika setzt: obsecro, quicumque haec legis, ut Hieronymi peccatoris memineris: cui si dominus optionem daret, multo magis eligeret tunicam Pauli cum meritis eius, quam regum purpuras cum regnis suis (18). Damit schwächt er aber auch die enge Beziehung zwischen Athanasius und Antonius ab und deutet seinerseits den Anspruch an, als rechtmäßiger Biograph nicht nur des Paulus, sondern auch des Antonius zu gelten. Auf diese Weise erhält die Konzentration des zweiten Teils der Erzählung auf Antonius nachträglich eine Legitimation. Mit der dargelegten Erzählweise hängt zusammen, dass Paulus im zweiten Teil als allen diesseitig-menschlichen Schwierigkeiten enthoben geschildert wird; dies und die radikale Reduktion der Erzählung im ersten Teil der Vita lassen ein Element vermissen, das in der spätantiken Hagiographie, besonders wenn es sich um Eremiten handelt, überaus verbreitet war: den Kampf des Heiligen gegen die (meist sexuellen) Versuchungen des Satan. Diese Lücke wird zumindest teilweise durch die der eigentlichen Erzählung vorangestellten beiden Episoden aufgefüllt, die von den Folterungen zweier Asketen durch Satan berichten: einer sei, am ganzen Leib mit Honig bestrichen, stechenden Insekten ausgesetzt worden (3,1: muscarum aculeis),34 der andere den Verführungskünsten einer Prostituierten (3,2–4).35 Die Schicksale

|| 34 Die Verbindung der Fliegen mit dem Satan ist durch die Bedeutung des hebräischen Beelzebub (Hier. nom. hebr. p. 66,11 Lagarde: Beelzebub habens muscas aut vir muscarum) gegeben. Die Szene erhält durch den Begriff (per)ungere (vgl. etwa Ambr. Hel. 10,36: … illa unguenta libidinis inlecebram movere consuerunt) und durch die Assoziationsmöglichkeit der Stachel mit metaphorischen libidinis aculei (Aug. c. Iulian. 3,66; Cass. coll. 5,11,2) eine erotische Konnotation. 35 In dem paradiesischen Garten, in dem diese Szene lokalisiert wird, lauert, optisch und akustisch für den Leser bereits wahrnehmbar, die Satansschlange: Der Bach schlängelt sich (… serperet rivus), der Wind fährt zischelnd durch die Blätter (molli sibilo arborum folia ventus stringeret …).

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der beiden Männer, die der Autor als Exempla der Aktivitäten Satans im Rahmen der Christenverfolgungen anführt, unterstreichen die heilstheologische Gleichwertigkeit von Askese und Martyrium;36 indem unmittelbar darauf Paulus eingeführt und durch die Wendung per idem ergo tempus, die auf 2,1 (sub Decio et Valeriano persecutoribus, quo tempore Cornelius Romae, Cyprianus Carthagine felici cruore damnati sunt) rückverweist,37 selbst mit den Christenverfolgungen assoziiert wird, kann der Leser trotz der erwähnten Reduktion der Erzählung doch vermuten, dass auch Paulus sexuellen Versuchungen ausgesetzt gewesen sein könnte.38 Durch diese Technik impliziten, bloß andeutenden Erzählens erscheint aber Paulus von den doch höchst ungewöhnlichen Formen asketischer Versuchung ein wenig distanziert; in dieser Hinsicht hebt er sich auch von Antonius ab, dessen Kämpfe gegen von Satan hervorgerufene erotische Trugbilder in der VA ausführlich geschildert werden (z. B. capp. 5–9. 13). Ein vergleichbarer Befund liegt in VP 7,4–6 und 8,1–5 vor, wo Antonius, nicht etwa Paulus, dem Kentauren und dem Satyrn begegnet: Die zwei Motivpaare – die beiden von Satan Gemarterten und die beiden mythischen Wesen – scheinen miteinander zumindest darin in Beziehung zu stehen,39 dass sie entsprechende Episoden aus der VA ins Groteske übersteigern (so flieht in VA 53 das Mischwesen aus Mensch und Esel vor Antonius, der Kentaur in

|| 36 Dieser Gedanke findet sich öfters bei Hieronymus, vgl. z. B. tract. psalm. 115 (sicut … martyres laudant dominum pure in regione vivorum, ita et monachi, qui die et nocte psallunt domino, debent eandem puritatem habere martyrum: siquidem et ipsi martyres sunt). 37 Dass als Beispiele ausgerechnet Cornelius und Cyprian angeführt sind, weist ebenfalls auf die Gleichwertigkeit von Märtyrertod und eremitischer Lebensweise hin: Cornelius und Cyprian erlitten nämlich in dieser Christenverfolgung just nicht das Martyrium, sondern entzogen sich ihm durch Flucht. In epist. 55 verteidigt Cyprian zunächst (cap. 3) sich selbst und dann (capp. 8–12) Cornelius gegen den Vorwurf der Feigheit. 38 In spätantiker Biographie, vielleicht aber auch außerhalb derselben, lässt sich beobachten, dass erzählte Erlebnisse und Ereignisse mitunter nicht oder nur knapp in Zusammenhang mit der Hauptperson erwähnt werden, obwohl sie ihr zugeordnet werden können, stattdessen aber in Zusammenhang mit einer Nebenperson unverhältnismäßig prominent ausgeführt werden. Beispielsweise berichtet Augustinus in den Confessiones in großer Ausführlichkeit von der Taufe des Marius Victorinus, der sich, wie er selbst, auf dem Höhepunkt seiner Karriere als Rhetorikprofessor taufen ließ, erwähnt hingegen seine eigene Taufe nur nebenbei (dazu MÜLLER, Erzähltechnik, passim). Dieselbe narratologische Technik könnte Hieronymus hier angewendet haben, indem er die Versuchungen des Satans in die Erzählung über die zwei Männer ‚auslagert‘. 39 Den Hinweis auf die Motivpaare verdanke ich Gottfried Kreuz, der mich auch darauf aufmerksam macht, dass eine weitere Verbindung zwischen dem mit Honig bestrichenen Märtyrer (VP 3,1) und dem Satyrn bestehen könnte, und zwar darin, dass ein Satyr nach seinem Tod, in Salz konserviert, an den Kaiserhof gebracht worden sein soll (VP 8,6, s. u. Anm. 42). Neben Salz wurde in der Antike nämlich auch Honig als Konservierungsmittel verwendet: So soll der Leichnam Alexanders des Großen in Honig konserviert worden sein (Stellen bei HARTMANN, Relikt, 336 Anm. 1728), und Plin. nat. 7,35 berichtet über einen Kentauren, der, mit Honig balsamiert, ausgestellt wurde (Claudius Caesar scribit hippocentaurum in Thessalia natum eodem die interisse, et nos principatu eius adlatum illi ex Aegypto in melle vidimus).

76 | Dorothea Weber  VP 7,5 hingegen versucht, bevor er wegläuft, Antonius den Weg zu Paulus zu erklären), doch jeweils nicht in Zusammenhang mit Paulus, sondern mit ihm zugeordneten Personen erzählen. Es hat daher den Anschein, als wollte Hieronymus die in so manchen Details wenig glaubwürdige VA korrigieren, ohne ihren Unterhaltungswert aufzugeben: Denn obwohl die VP keineswegs auf märchenhafte und mythische Elemente verzichtet, ist doch in keiner dieser Episoden Paulus selbst der Handlungsträger. Ob diese Beobachtungen zum korrigierenden Fortschreiben der VA durch Hieronymus für eine weiterreichende Interpretation der VP belastbar sind – etwa dahingehend, dass die VP damit ihre Fiktionalität signalisiert oder das Ideal einer Mönchsvita entwirft, die frei von unrealen Wesen und unrealistischen Begebenheiten ist –, sei dahingestellt.

4 Paulus, Antonius und die klassische Bildung Abschließend sei auf ein Detail der VP eingegangen, dessen Bedeutung für diesen Text m. E. bis jetzt nur ungenügend wahrgenommen wurde: die Angabe, Paulus sei – anders als Antonius, wie er in der VA geschildert wird40 – in griechischer Literatur bewandert gewesen (4,1: … Paulus relictus est annorum circiter sexdecim, litteris tam Graecis quam Aegyptiacis adprime eruditus …), wurde meist als Deklaration des Ideals eines Eremiten interpretiert, wie Hieronymus es entworfen hatte;41 damit ist aber für die Narration in VP nichts gewonnen, denn wenn das Thema „Bildung“ hier überhaupt eine Rolle spielt, dann wohl nur in Zusammenhang mit Antonius. Ihm nämlich begegnen in der VP traditionelle, das heißt: nicht-christliche Bildungsinhalte, und zwar in Figuren des Mythos: Der Kentaur – wie oben erwähnt, hat der Autor das Mischwesen aus Mensch und Esel von der VA im Sinne der griechischen Mythologie zu der bekannten Gestalt eines Kentauren verändert und diese an die griechische Dichtung angekoppelt (VP 7,4: hominem equo mixtum, cui opinio poetarum Centauro vocabulum indidit) –, der Satyr und möglicherweise auch die Wölfin, der Antonius folgend die Höhle des Paulus findet (VP 9,2: … haud procul intuetur [sc. Antonius] lupam sitis ardoribus anhelantem, ad radices montis inrepere. quam secutus oculis, et iuxta speluncam, cum fera abiisset, accedens, coepit introspicere …). Es hat übrigens den Anschein, als wäre sie in Anlehnung an Livius’ Schilderung jener Wölfin der römischen Mythologie gestaltet, die Romulus und Remus säugte (Liv. 1,4,6: vastae tum in his locis solitudines erant. tenet fama, cum fluitantem alveum, quo expositi erant pueri, tenuis in sicco aqua destituisset, lupam sitientem ex montibus,

|| 40 VA 1 (et cum iam puer esset, non se litteris erudiri, non ineptis infantum iungi (num recte?) passus est fabulis); 20 (Graeci studia transmarina sectentur et in alieno orbe constitutos inanium litterarum quaerant magistros). 41 So etwa zuletzt REBENICH, Inventing an Ascetic Hero, 23.

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qui circa sunt, ad puerilem vagitum cursum flexisse …). Sollten die Wesen, die Antonius auf seiner Wanderung behilflich sind, zu Paulus zu gelangen, als Gestalten der Mythologie tatsächlich exemplarisch für die Begegnung des Antonius mit Inhalten der antiken Literatur stehen, sei die Frage erlaubt, ob sich Antonius denn etwa deshalb nicht mit dem Kentauren unterhalten kann, weil ihn diese Kreatur der griechischen Mythologie in ihrer Sprache, d. h. auf Griechisch, anspricht, das Antonius ja nicht beherrscht. Jedenfalls bietet der Autor eine rationalistische Deutung für das Auftreten von Wesen der antiken Mythologie: Als Grund für die Erscheinung des Kentauren wird nämlich das Wirken Satans, wie es sich ähnlich an der entsprechenden Stelle in VA 53 findet (… statim informe prodigium dum ocius cum satellitum turba fugit et in medio cursu ruens extinctum est. ista … explosi mors atque enecati prodigii daemonum erat communis interitus), durch eine alternative Erklärung, das angeblich gehäufte Vorkommen derartiger Kreaturen in der Wüste, abgeschwächt. Vergleichbares gilt für die folgende Episode, die Begegnung mit dem Satyrn: Für ihre Plausibilität weist der Erzähler auf ein Ereignis hin, für dessen Historizität es zwar keinen weiteren Beleg gibt, das aber ohne Weiteres glaubhaft sein soll (VP 8,6): hoc ne cui ad incredulitatem scrupulum moveat, sub rege Constantio, universo mundo teste, defenditur. Nam Alexandriam istiusmodi homo vivus perductus magnum populo spectaculum praebuit, et postea cadaver exanime, ne calore aestatis dissiparetur, sale infusum et Antiochiam, ut ab imperatore videretur, adlatum est.42 – Diese rationalistischen Erklärungen machen freilich bestenfalls das Auftreten von Wesen der antiken Mythologie in der Wüste, nicht aber des einen Wissen um Paulus’ Wohnstatt (Kentaur) und des anderen christlichen Glauben (Satyr) plausibel. Wenn sich nun die zwei Wesen, die Antonius trotz seines jahrzehntelangen Lebens in der Wüste Angst einjagen, als Helfer bzw. Glaubensgenosse herausstellen, ist das desertum, das Antonius auf dem Weg zu Paulus durchquert, mit ursprünglich zwar heidnischen, doch für einen Christen nicht nur nicht gefährlichen, sondern sogar nützlichen Figuren bevölkert. Dieses Szenario scheint die Vermutung zu erlauben, dass Hieronymus den gerade zu seiner Zeit oft erhobenen Anspruch, heidnische Bildung für das Christentum fruchtbar zu machen,43 narratologisch umformt und zu einer Episode gestaltet. Dazu fügt sich, dass sich Paulus an einem regelrechten locus amoenus (fließen-

|| 42 Zu dieser und vergleichbaren Praktiken der Antike, außergewöhnliche Wesen auszustellen und nach ihrem Tod für die Nachwelt zu konservieren, s. HARTMANN, Relikt, 136–139. – Hinsichtlich der Abwehr von Zweifeln sowie aufgrund der einleitenden Formulierung erinnert die zitierte Versicherung übrigens an die Beteuerung des Autors in cap. 6,2, die Palme habe tatsächlich Paulus Nahrung und Kleidung gewährt (Text wie o. Anm. 16: quod ne cui impossibile videatur, Iesum testor et sanctos angelos eius …). Mit dem Hinweis auf das Syrische (ebd.: … in cisterna veteri, quam gentili sermone Syri ‘gubbam’ vocant) belegt der Autor seine Vertrautheit mit Begebenheiten im Nahen Osten und unterstreicht damit seinen Anspruch, über Selbsterlebtes als Augenzeuge zu berichten. 43 Nach wie vor grundlegend dazu GNILKA, Begriff, passim.

78 | Dorothea Weber  des Wasser, Schatten, Grün, Ruhe)44 angesiedelt hat: Die Wüste der christlichen Einsiedler, in der Paulus und Antonius zusammentreffen, ist mit Elementen einer antik-heidnischen Bildungslandschaft aufgeladen; in ihr kann ein Eremit, der mit Bildung im traditionellen Sinn vertraut ist, besser bestehen.45

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|| 44 Dazu noch immer wichtig CURTIUS, Europäische Literatur, 191–209 (cap. 10: Die Ideallandschaft). 45 Sehr passend betont MILLER, Jerome’s Centaur, 220, das „concept of place in the context of Jerome’s transformation of desert into landscape“, argumentiert aber von einem religionswissenschaftlichen Standpunkt aus, dass der Kentaur die zwei Aspekte von Bestialität und Weisheit in sich vereinige.

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[email protected] FB Altertumswissenschaften, Klassische Philologie / Latinistik, CSEL Universität Salzburg

Franco Gori

Tradizione e critica testuale degli scritti patristici latini: Il caso delle Enarrationes in Psalmos 110–118 di Agostino 1 I progressi della critica testuale Il tema della tradizione dei testi patristici finora è stato poco esplorato dalla critica storica e dalla critica del testo, o più precisamente è stato poco esplorato fino al recente convegno tenutosi a Roma sul tema “La trasmissione dei testi patristici latini: problemi e prospettive” (Roma, 26–28 ottobre 2009), i cui risultati, certamente importanti, con il tempo potranno essere meglio valutati. In quel convegno si sono intrecciati due aspetti della questione che ai non specialisti della materia potrebbero sembrare corrispondere a due diversi o almeno ben distinti ambiti di studio: da una parte il tema storico della trasmissione dei testi, dall’altra la critica dei testi, che parrebbe essere terreno riservato ai filologi. Da tempo in verità si è capito che lo studio della tradizione dei testi allo scopo di realizzarne edizioni critiche con metodo scientifico non poteva che essere studio fondamentalmente storico, che la ricostruzione della tradizione dei testi passa attraverso la storia della loro trasmissione, della loro diffusione, del loro uso nei secoli del Medioevo e conseguentemente della evoluzione delle loro forme. Dunque in questa prospettiva i compiti della storia e della filologia sono complementari. Di seguito, assodata la convinzione che di tale processo storico fanno parte l’inevitabile evoluzione dei testi nel corso della trasmissione manoscritta, l’evoluzione delle forme paleografiche, degli strumenti e dei supporti materiali della scrittura, anche la storia del libro manoscritto ha trovato un posto di rilievo in questo ambito degli studi. Il connubio dei due aspetti della questione, quello storico e quello filologico critico-testuale, è stato magistralmente illustrato da Giorgio Pasquali.1 E la critica testuale ne ha tratto grande vantaggio. Si è capito che schematizzazione e generalizzazione nel campo delle tradizioni manoscritte non possono spingersi oltre un certo limite: è il limite su cui si è infranta l’illusione suscitata dal cosiddetto ‘metodo del Lachmann’, la cui messa a punto si fa coincidere con l’edizione critica di Lucrezio del medesimo Karl Lachmann nel 1850. L’illusione si è progressivamente dissolta, e infine è intervenuta l’opera del Pasquali, che ha chiarito le ragioni per le quali quel metodo non poteva funzionare o poteva essere applicato solo in alcuni casi. Mancava al Lachmann e ai suoi epigoni, che nei decenni dopo la sua scomparsa applica-

|| 1 PASQUALI, Storia.

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rono il suo metodo alle loro edizioni critiche con risultati a dir poco deludenti, mancava un’ampia visione della grande varietà delle tradizioni manoscritte, della complessità dei fenomeni e accidenti occorsi ai testi nel corso della trasmissione, della varietà delle condizioni storiche e culturali che essi hanno attraversato, mancava la conoscenza dei diversi agenti interni ed esterni che causavano l’instabilità dei testi prima dell’introduzione della stampa. Il Lachmann aveva intuito la necessità della ricostruzione storica attraverso la recensio codicum, ma il suo metodo si basava sulla semplificazione e idealizzazione della trasmissione dei testi. Non c’è posto in quella visione per i fenomeni non classificabili di perturbazione, per le interferenze di cause esterne sulla trasmissione dei testi che si riscontrano in gran parte delle tradizioni. Ignari della complessità dei fenomeni e dei problemi, i discepoli del Lachmann hanno fatto del suo metodo, per lunghi decenni, un’applicazione generalizzata, schematica e meccanica con i risultati di cui abbiamo detto. Tenuto conto della lezione del Pasquali, che ogni testo e ogni tradizione è un caso a sé, che la varietà e la complessità sono le caratteristiche della storia dei testi, e che su questo terreno deve operare il critico del testo, gli studi filologici hanno continuato, dopo il Pasquali, ad affinare teoria e strumenti di critica testuale, che, entro i limiti di cui ormai si aveva ormai consapevolezza, e comunque in linea di massima, dovrebbero essere validi per tutti i testi con tradizione manoscritta, cristiani e profani, antichi, tardoantichi e medievali. Tuttavia si deve tenere in conto che sono teoria e strumenti pensati prevalentemente da filologi classici, fondati per lo più sullo studio delle tradizioni manoscritte dei testi classici delle letterature greca e latina, e calibrati per l’edizione di questi medesimi testi. Torniamo per un momento a Karl Lachmann. Il suo metodo stemmatico, o genealogico, era concepito come strumento pressoché infallibile della ricostruzione dell’archetipo altomedievale, fonte unica di tutti manoscritti superstiti. Ma, come sappiamo, la regola della recensio sine interpretatione, che nelle intenzioni del Lachmann avrebbe dovuto essere applicata meccanicamente a tutte le tradizioni manoscritte, anche nell’ambito dei testi classici è stata poi rigettata. Col tempo si è visto che il metodo stemmatico è direttamente ed efficacemente applicabile solo a quei testi che si siano trasmessi da copia manoscritta a copia manoscritta con un processo verticale rigorosamente genealogico, applicabile insomma a tradizioni semplici e poco numerose che dipendono da un unico archetipo medievale, come in effetti è accaduto a un certo numero di opere classiche latine, che, trascurate o dimenticate nei secoli della grande crisi culturale europea dell’Alto Medioevo, si sono fortunosamente salvate in un solo codice, e alla ripresa della diramazione dello stemma in scrittura minuscola, all’epoca della rinascenza carolingia, hanno avuto una diffusione non numerosa e, soprattutto, non perturbata da contaminazioni. Nell’oriente bizantino2 questo modello si riscontra assai più raramente nella tras-

|| 2 Cf. GRONINGEN, Traité, 13.

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missione dei testi greci, che non hanno attraversato secoli di profonda incultura, e che molto spesso non dipendono da un archetipo ricostruibile e nemmeno da un archetipo antico o tardo-antico riconoscibile. La delusione nei confronti del ‘metodo’ provocò, verso la fine del XIX secolo e nei primi decenni del ‘900, disorientamento tra gli studiosi, e la critica testuale sembrò volgersi indietro e retrocedere verso i metodi praticati prima di Lachmann. Joseph Bédier ripropose in sostanza l’idea del codex optimus, ed espresse tutto il suo scetticismo riguardo al ‘metodo’ affermando che l’unico strumento disponibile è il gusto dell’editore.3 Dom Quentin4 invece pensò a calcoli statistici per la selectio delle lezioni, calcoli in qualche modo anticipatori dei tentativi più recenti, per altro non fortunati, di usare per lo stesso scopo l’automazione, resa possibile dall’introduzione del computer. Critiche al ‘metodo’ più dirette, precise e pungenti furono formulate da Eduard Schwartz nei Prolegomena all’edizione critica dell’Historia ecclesiastica di Eusebio di Cesarea.5 In effetti il punto di riferimento delle critiche dello Schwartz era la tradizione manoscritta dell’Historia ecclesiastica, gravemente perturbata dalla contaminazione, ampiamente riscontrabile in tutti i codici superstiti, al punto che non è possibile chiarire la diramazione più antica dello stemma. Oggi gli studiosi concordano che le pur giuste critiche del Bédier, del Quentin e dello Schwartz al metodo del Lachmann non vanno indirizzate al metodo in sé, ma alla sua applicazione, cioè all’eccessiva fiducia nella sua logica, e nel suo funzionamento meccanico, che finiva per escludere o mettere in secondo piano la complessità del lavoro del critico, che deve coniugare il processo stemmatico della tradizione, raramente rigoroso, con le informazioni spesso parziali o solo probabili ricavate dalla storia del testo in questione, con l’usus scribendi dell’autore, con il genere letterario, con le indicazioni ricavate dai loci similes, cui si devono aggiungere le conoscenze paleografiche, letterarie, filologiche e linguistiche che l’editore deve possedere, insieme ad una sua esperienza di critico del testo. Un complesso di elementi la cui elaborazione non può essere affidata a processi meccanici di alcun genere. Ordunque dal quadro della critica testuale moderna è stato da tempo escluso ogni illusorio automatismo, anche se dobbiamo riconoscere che i progressi odierni sono non poco debitori del contributo di coloro che hanno creduto nella trasmissione meccanica rigorosamente verticale dei testi, come il Lachmann, e come molto tempo dopo pensò anche Paul Maas,6 che nel 1927 volle mettere a punto un metodo

|| 3 BÉDIER, La tradition manuscrite, 356: “Dès lors, il faut bien convenir, avec les anciens humanistes, qu’on ne dispose guère que d’un outil: le goût”. 4 QUENTIN, Mémoire; IDEM, Essais de critique textuelle; RAND, Dom Quentin’s Memoir; SEVERS, Quentin’s Theories; ZARRI, Il metodo. 5 SCHWARTZ, Eusebius (GCS, N. F. 6,3), CXLVI. 6 MAAS, Textkritik.

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di critica testuale more geometrico demonstrata, come ha scritto Giorgio Pasquali7 con un misto di ammirazione e di ironica riserva. E la riserva, non l’ammirazione, ha ispirato la sua opera “Storia della tradizione e critica del testo”, che, appunto, dal manualetto del Maas ha preso spunto.8 Il libro del Pasquali ha avviato una sorta di rifondazione della critica testuale, e lo si continua a definire fondamentale dopo quasi un secolo di intensa attività nel campo della critica testuale teorica e applicata. Tuttavia a partire dal Pasquali il dibattito intorno alla critica testuale ha solo sfiorato gli scritti cristiani d’epoca patristica, e quando sono stati presi in considerazione, non lo si è fatto in relazione ai loro specifici generi letterari o alle caratteristiche delle loro tradizioni, ma sono stati esaminati come esempi utili tra i tanti utilizzati dai filologi classici. In effetti per diversi aspetti storici e culturali le tradizioni manoscritte dei testi classici e cristiani sono assimilabili. Tuttavia per gli scritti patristici devono essere tenuti in conto i tratti loro propri e insieme distintivi che attengono alle loro origini, ai contenuti, alle forme letterarie, alla diffusione e all’uso nel corso del Medioevo: tutti elementi che hanno influito sulla storia della tradizione, cosicché le tradizioni manoscritte dei testi cristiani presentano caratteristiche che richiedono specifici metodi e strumenti di studio. La differenza più vistosa riguarda proprio la storia della tradizione. La trasmissione dei testi classici in età antica, tardoantica, altomedievale, fino alla loro trascrizione in minuscola, spesso ci è sconosciuta. I testimoni superstiti ci consentono di ricostruire una forma di testo mediamente distante una decina di secoli dall’originale. I testi cristiani invece hanno conservato solitamente una loro vitalità, più o meno vigorosa, non solo in Oriente, ma anche in Occidente, ove la loro tradizione non ha del tutto cessato di ramificarsi e di lasciare traccie della loro diffusione nemmeno nei secoli in cui alfabetismo e cultura erano confinati in pochi centri ecclesiastici e monastici, ove certamente gli scritti cristiani, anche quando non erano trascritti e utilizzati, venivano quanto meno salvaguardati con maggior cura. Questo tipo di tradizione presenta all’editore qualche svantaggio, ma anche evidenti vantaggi. La tradizione manoscritta superstite dei testi cristiani frequentemente usati e copiati da una parte risulta più complicata, e perturbata da fenomeni non catalogabili, come la contaminazione, dall’altra dipende solitamente tutta da un archetipo, che può essere individuato anche quando le perturbazioni non consentono di ricostruirlo con certezza e completezza, e che si colloca generalmente assai vicino all’originale, quando non coincide con esso. In ogni caso la continuità della tradizione manoscritta, documentata dai manoscritti superstiti o ricostruibili, facilita il restauro dell’originale o di un esemplare ad esso vicino.

|| 7 PASQUALI, Presentazione, V. 8 L’acceso dibattito fra P. Maas e G. Pasquali è ricostruito da CANFORA, Il problema, 11–21.

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Ebbene, quale metodo critico o quale adeguamento di esso si può ipotizzare per questi diversi scenari storici e per i diversi generi della letteratura patristica?

2 Generi letterari e critica testuale Il Pasquali, applicando il principio secondo cui ogni tradizione è un caso a è, ha costruito la sua opera su una serie di esempi corredati ciascuno di una grande quantità di dati ricavati dalla storia del testo preso ad esempio. Dal quadro sinottico che ne deriva si può ricavare quel tanto di metodo che la varietà dei casi consente. Il grande merito del Pasquali è stato quello di aver rovesciato la prospettiva del critico del testo. Mentre il Lachmann e il Maas, muniti del bagaglio dell’esperienza propria e soprattutto di quella accumulata dagli studiosi precedenti, hanno inseguito l’obiettivo primario della formulazione di norme teoriche, l’intento del Pasquali è stato quello di comporre prioritariamente un quadro più ricco possibile di dati ricavati dalla storia del testo, dall’osservazione delle sue forme tràdite e dagli esiti dell’esercizio della critica testuale documentati dalle edizioni critiche, un quadro su cui il grande filologo ha messo alla prova, cioè sottoposto a critica, i princípii fondamentali del metodo del Lachmann e l’applicazione delle norme dettate dal Maas. La lezione del Pasquali si presta a sviluppi nel campo poco esplorato della filologia patristica. L’intento è di definire una critica testuale appropriata per i testi cristiani: un metodo che si giovi di quei pochi fondamentali orientamenti teorici formulati dai filologi classici, validi per tutte la tradizioni manoscritte, e metta a punto possibili indirizzi pragmatici da applicare, non genericamente a tutta la letteratura cristiana antica, bensì commisurandoli ai diversi generi di testi e alle diverse tradizioni manoscritte. Non è questa la sede per affrontare un compito simile, che, per quanto riguarda il rapporto tra critica testuale e generi letterari, è stato affrontato in un convegno importante e da studiosi specialisti a Vienna nel 2002.9 Qui ci proponiamo di esaminare un caso, quello delle Enarrationes in Psalmos 110–118 di Agostino, di cui è in corso d’opera l’edizione critica nella collezione CSEL.

3 I testi omiletici di Agostino Mentre nel corso del I e II secolo d. C. il declino dell’oratoria tradizionale si poteva considerare ormai irreversibile, nasceva e si diffondeva l’oratoria cristiana, e particolarmente quella forma liturgica detta in greco ὁμιλία.

|| 9 PRIMMER – SMOLAK – WEBER, Textsorten.

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L’omelia acquistò la funzione di tradurre nel presente della chiesa l’originaria ispirazione dei testi biblici, il valore semantico simbolico, allegorico, spirituale dei modelli e degli accadimenti biblici; in altre parole ebbe la funzione di arricchire la chiesa di contenuti dottrinali, di tensione spirituale e di indirizzi morali, oltreché il compito di accrescere la consuetudine dei cristiani con il testo sacro e i suoi significati: tutti elementi che progressivamente hanno dato volto all’identità cristiana. Sulla strada della definizione della propria identità la chiesa dovette combattere e infine vincere la dura battaglia per acquisire alla lettura cristiana l’AT, attraverso l’esegesi allegorica, tipologica, cristologica. In questa direzione lo sforzo culturale intellettuale degli esegeti cristiani dei primi secoli fu grandioso, e assai rilevanti furono i risultati, raggiunti soprattutto grazie alla predicazione, che era il compito primario dei vescovi pastori e dottori. Non è dunque sorprendente che una parte cospicua della produzione letteraria cristiana nelle varie lingue, in cui si è espresso il cristianesimo antico, sia costituita da omelie. Agostino iniziò a predicare da presbitero. L’anziano vescovo di Ippona, Valerio, gli aveva attribuito la facoltà di predicare in sua presenza contro la consuetudine ancora generalmente osservata nella chiesa occidentale che riservava al vescovo il compito della predicazione.10 A quel tempo indirizzi e metodi esegetici erano ormai sperimentati. Ma Agostino non si accontentava di seguire i modelli che la tradizione gli metteva a disposizione. Egli era convinto che per espletare il grave compito della predicazione, che di fatto aveva sempre contenuti esegetici, doveva avvalersi di adeguati strumenti comunicativi, cioè delle forme della retorica, che egli del resto ben conosceva. Doveva solo adeguarli agli specifici caratteri del linguaggio biblico e agli scopi dell’esegesi omiletica. È precisamente questo il disegno del De doctrina christiana, ove tratta nei primi tre libri dell’applicazione della retorica all’esegesi biblica, e nel quarto della comunicazione dei contenuti dell’esegesi. Inevitabilmente nel suo argomentare si riconoscono le impronte della dottrina retorica profana, ciceroniana in particolare,11 che aveva appreso a scuola, e di cui era diventato a sua volta maestro, prima a Cartagine e poi a Milano. Agostino considerava la predicazione suo compito primario di pastore e dottore, ad esso dedicava gran parte delle sue energie e del suo tempo.12 Dunque predicò intensamente per quasi 40 anni.

|| 10 Possid. vita Aug. 5,3. 11 Cf. SIMONETTI, Sant’Agostino, XXXIV: „l’oratore cristiano, che egli vagheggia e alla cui formazione vuole contribuire con i suoi consigli e esortazioni, almeno quanto alla forma si presenta con i connotati di un Cicerone cristiano“. 12 Possid. vita Aug. 7,1: et docebat et praedicabat ille, privatim et publice, in domo et in ecclesia; 7,3: et hos libros atque tractatus mirabili dei gratia procedentes ac profluentes, instructos rationis copia atque auctoritate sanctarum scripturarum ipsi quoque haeretici concurrentes cum catholicis ingenti ardore audiebant; 9,1: et episcopus multo instantius ac ferventius, maiore auctoritate, non adhuc in una tantum regione, sed ubicumque rogatus venisset, verbum salutis aeternae alacriter ac gnaviter pullulante atque crescente domini ecclesia praedicabat; 31,4: verbum dei usque ad ipsam suam extre-

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Di lui ci restano più di cinquecento sermoni, alcuni dei quali sono venuti alla luce solo di recente13  e recentissimo è il nuovo ritrovamento di sei sermoni nella biblioteca universitaria di Erfurt, la cui edizione è stata recentemente pubblicata a Vienna.14 Sono prediche anche i primi 54 Tractatus in Evangelium Ioannis (eccettuati i Tractatus 20–22), i Tractatus in Epistulam Ioannis ad Parthos, e anche la gran parte delle Enarrationes in Psalmos.

4 Le Enarrationes in Psalmos La distinzione delle Enarrationes in dictae e dictatae non è scolastica, bensì originale, di Agostino medesimo15 e del suo biografo Possidio.16 È una distinzione di generi cui corrisponde un diverso usus scribendi vel loquendi, che, come si sa, è uno dei criteri che guidano l’editore nella constitutio textus. Le Enarrationes dictae sono omelie improvvisate, stenografate e pubblicate senza revisione dell’autore. Sono commenti del salmo letto o cantato durante la liturgia del giorno. È da credere che solitamente la preparazione del predicatore non andasse oltre la preventiva conoscenza del salmo da commentare. Si trattava dunque di improvvisazione pressoché totale, come in effetti risulta da chiari indizi. Per esempio, l’andamento del serm. Dolbeau 23 fa dire al medesimo Dolbeau che il lettore non sempre riesce a seguire la connessione delle idee del sermone e che la loro stessa successione non risulta premeditata.17 Il serm. Dolbeau 5 secondo il programma doveva essere dedicato al Salmo 147, che faceva parte della liturgia del giorno, ma sul momento Agostino decise di iniziare la predica con qualche considerazione sull’importante passo evangelico (Lc. 17,20–37: il passo sulla fine del mondo), anch’esso del giorno, e quando si avvide che la digressione gli aveva preso la mano, avvertì il pubblico che ormai conveniva continuare sul quel tema e rinviare il commento del Salmo ad altro giorno.18 Poteva anche accadere che per un disguido fosse costretto

|| mam aegritudinem impraetermisse, alacriter et fortiter, sana mente sanoque consilio in ecclesia praedicavit. 13 Cf. DOLBEAU, Augustin d’Hippone. 14 Cf. SCHILLER – WEBER – WEIDMANN, Sechs neue Augustinuspredigten. 15 Cf. Aug. in psalm. 118, prooem. 1–3 (CSEL 95/2): Psalmos omnes ceteros … partim sermocinando in populis, partim dictando exposui. 16 Cf. Possid. indic. X4 (ed. WILMART, Operum S. Augustini elenchus, 181s.). 17 Cf. DOLBEAU, Augustin d’Hippone, 584: „La succession des idées est parfois difficile à saisir. Tout se passe comme si Augustin ignorait au départ quelles idées il allait développer“. 18 Cf. Aug. serm. Dolb. 5,7 (ibid., 440): Video mihi angustias temporis subtrahere psalmi expositionem. Nolo enim susceptum evangelii locum iam non implere, quantum dominus suggerit. Interim ergo, si placet caritati vestrae, psalmum differamus.

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all’ultimo momento a predicare su un salmo diverso da quello previsto.19 Possidio nella Vita Aug. 15,1–5 riferisce di quando il sermone di Agostino deviò dal tema programmato,20 seguendo inconsapevolmente una divina ispirazione che lo indusse a trattare della dottrina manichea, e di seguito il biografo narra dei buoni frutti di quella improvvisa divagazione. Lo studio della tradizione delle Enarrationes in Psalmos, in vista dell’edizione critica, ha dovuto preliminarmente verificare se esistono, e quali sono i caratteri letterari e stilistici che distinguono le Enarrationes dictae da quelle dictatae. Agostino di fatto aveva escluso la distinzione. Infatti, dettando il commento al Salmo 118 in forma di 32 brevi tractatus o homiliae da leggersi al popolo, egli intese accostare questi componimenti, che chiameremo sermones ficti, alle Enarrationes effettivamente predicate. Immaginava che il suo commentario sui Salmi dovesse essere considerato un corpus unitario. Si sa anche che qualche studioso ha messo in dubbio la possibilità o l’utilità di distinguere diversi generi letterari all’interno del complesso della produzione agostiniana o di ripartirla anche solo in base ai contenuti,21 e quanto alla forma si è scritto che, sia che Agostino dettasse o predicasse, tutto diventava ben presto allo stesso modo letteratura:22 qualsiasi testo, dettato o predicato, prima veniva registrato da un tachigrafo e poi trascritto in scrittura corrente per la pubblicazione. D’altra parte può sembrare che nemmeno lo stile, che normalmente è coltivato ed elegante anche nelle prediche, possa giustificare una distinzione di genere. Ma poi, con il progredire del lavoro per l’edizione critica del commentario agostiniano sui Salmi,23 sono venuti alla luce i caratteri propri delle Enarrationes predicate, che le distinguono dalle Enarrationes dettate e dai sermones ficti sul Salmo 118. La distinzione non è solo della forma espressiva, tocca anche i contenuti. Nelle Enarrationes predicate il tenore parenetico è più accentuato, mentre gli approfondimenti dottrinali teologici sono più rari. Una caratteristica sopra tutte le altre distingue l’esegesi delle Enarrationes dettate: essa è, per cosí dire, più scientifica, più filologica dell’esegesi delle Enarrationes predicate. Durante la dettatura del commento Agostino aveva tutto il tempo per confrontare e esaminare le lezioni di diversi codici del Salterio sia latini che greci.24 E questo egli faceva non certo per esibizione || 19 Aug. in psalm. 138,1,1–4 (CSEL 95/4, p. 126): Psalmum vobis brevem paraveramus, quem mandaveramus cantari a lectore, sed ad hora, quantum videtur, perturbatus, alterum pro altero legit. Maluimus nos in errore lectoris sequi voluntatem dei, quam nostram in nostro proposito. 20 Possidio riferisce le parole di Agostino (vita Aug. 15,1): Advertistis hodie in ecclesia meum sermonem eiusque initium et finem contra meam consuetudinem processisse, quoniam non eam rem terminatam explicuerim quam proposueram, sed pendentem reliquerim. 21 SCHEELE, Buch und Bibliothek, 38. 22 Cf. ibid. 23 Dell’edizione sono già stati pubblicati sette volumi nel CSEL dell’Accademia di Vienna: 93/1A (2003); 93/1B (2011); 94/1 (2004); 95/1 (2011); 95/3 (2001); 95/4 (2002); 95/5 (2005). 24 Aug. in psalm. 105,1,11–13 (CSEL 95/1, p. 236): paucissimi enim codices sunt – quod quidem in nullo Graecorum repperi, quos inspicere potui –, qui habeant Alleluia; 89,17,7–10 (CCSL 39, p. 1253):

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di erudizione, ma in ossequio a norme ermeneutiche teoriche esposte nel secondo libro del De doctrina christiana,25 che più facilmente potevano trovare applicazione durante la dettatura che durante la predica. Tuttavia non sono i contenuti che maggiormente influiscono sulla messa a punto di una critica testuale appropriata al genere omiletico. Piuttosto è importante la definizione dei caratteri formali dell’usus loquendi dell’oratore che improvvisa: e questo è il lato più strettamente filologico dell’esercizio della critica testuale applicata alle Enarrationes predicate. Sull’altro lato opera lo studio della storia della tradizione manoscritta: e su questo punto ci soccorre la lezione di Giorgio Pasquali. Se l’usus loquendi di Agostino è un criterio spesso decisivo nella fase della constitutio textus, non meno importante è la recensio codicum, volta a ricercare ogni possibile indicazione sui percorsi della tradizione fin dalle sue prime fasi. Si tratta di un obiettivo difficile da raggiungere a causa del già ricordato fenomeno della contaminazione. Tuttavia le tracce della repentina diffusione dell’opera e dell’iniziale diramazione dello stemma possono essere individuate nelle testimonianze dei mss. superstiti più antichi, compresi quelli non contaminati o poco contaminati del secolo IX, e qualcuno anche posteriore: manoscritti, cioè, non coinvolti in quel processo incontrollabile di contaminazione e di banalizzazione che nei secoli X/XI ha prodotto il textus vulgatus, prodromo del textus receptus. L’obiettivo della recensio così mirata non può essere la ricostruzione rigorosa di una stemma da usare come regola della constitutio textus, ma è l’individuazione dei subarchetipi antichi, la cui lezione può essere conosciuta quando – spesso, non sempre – i testimoni manoscritti supestiti non contaminati o poco contaminati lo consentono. L’esperienza accumulata in questi anni di lavoro editoriale sul testo delle Enarrationes ci permette di affermare che l’individuazione della più antica diramazione della tradizione, almeno per alcune sezioni dell’opera di Agostino sui Salmi, è possibile, ed è di aiuto per la constitutio textus.

|| cui versui diligentes et docti praenotant stellam, quos asteriscos vocant, quibus significant ea quae in Hebraeo vel aliis interpretibus Graecis reperiuntur, in Septuaginta vero interpretatione non sunt. Nelle Enarrationes predicate Agostino cita molto raramente varianti latine o greche, che o ricordava a memoria o leggeva a margine del Salterio latino che teneva sotto gli occhi: cf. in psalm. 123,8,2s. (CSEL 95/3, p. 138) 25 Aug. doctr. christ. 2,12,2s. (CCSL 32, p. 42): nonnullas obscuriores sententias plurium codicum saepe manifestavit inspectio; 2,14,4–7 (p. 46): quae [sc. verba vel locutiones] si ex alienis linguis veniunt, aut quaerenda sunt ab earum linguarum hominibus aut linguae eaedem, si et otium est et ingenium, ediscendae aut plurium interpretum consulenda conlatio est.

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4.1 Le Enarrationes 110–117 Abbiamo visto quanto sia importante per la critica testuale applicata alle Enarrationes distinguere le dettate dalle predicate. Ma non sempre la critica interna e le testimonianze storiche danno risposte certe su questo punto. È il caso delle Enarrationes 110–117. Possiamo comunque ritenere per certa l’unità delle serie. I rinvii interni26 dimostrano che questi otto Salmi sono stati commentati secondo il loro ordine nel corso di un medesimo lasso di tempo e di una sola circostanza. Anche i riferimenti scritturistici e la loro esegesi confortano la tesi dell’unità della sezione.27 La data probabile di composizione per A.-M. La Bonnardière è il 400.28 La medesima studiosa nel corso di un’accurata indagine dichiara di ritenerle predicate,29 ma nella conclusione del medesimo studio non nasconde il dubbio: «Cette série présente une étrangeté dont nous n’avons pas percé le mystère.»30 Per risolvere la questione bisogna superare la contraddittorietà delle testimonianze a disposizione: da una parte Possidio elenca queste Enarrationes fra le dictatae,31 dall’altra il medesimo Agostino nel De octo Dulcitii quaestionibus dice di aver predicato al popolo sul Salmo 111 e cita un passo della relativa Enarratio.32 Da una parte i riferimenti al contesto liturgico, come il canto dell’Alleluia,33 e alcuni chiari indizi messi in evidenza da La Bonnardière34 inducono a credere che queste Enarrationes siano omelie, dall’altra non si riscontra la presenza di elementi caratteristici dei sermoni agostiniani improvvisati, stenografati e pubblicati senza revisione: anacoluti, ripetizioni tipiche dell’enfasi oratoria, come la frequenza delle anadiplosi,35 o di altre forme proprie dello stile orale – interrogative senza congiunzione interrogativa, espressioni oscure che si chiariscono solo se il lettore intuisce l’actio dell’oratore,36 riferimenti diretti al pubblico presente, e repliche immediate dell’oratore alle reazioni dell’uditorio.37 Da

|| 26 LA BONNARDIÈRE, Recherches, 143 n. 1. 27 Ibid., 143ss. 28 Ibid., 158. 29 Ibid., 156. Sono predicate anche per LE LANDAIS, Deux années, 38s.; sono invece dettate per WILMART, La tradition, 297s. 30 LA BONNARDIÈRE, Recherches, 164. 31 Possid. indic. X4.2 32 Aug. quaest. Dulc. 4,2 (CCSL 44A, 280): huic quaestioni de psalmi ipsius expositione respondeo, quem cum in populo tractarem, dixi … . 33 LA BONNARDIÈRE, Recherches, 153–155; POQUE, L’énigme. 34 LA BONNARDIÈRE, Recherches, 156. 35 Cf. GORI, L’edizione critica. 36 Cf. GORI, Genere oratorio, 138s. 37 Cf. GORI, Esegesi, 68s.: ove abbiamo elencato esempi di espressioni realmente rivolte al pubblico presente, da distinguere dalle interpellazioni al pubblico generiche e convenzionali (carissimi, dilectissimi, fratres et filii carissimi), presenti nelle in psalm. 110–117, ma che non provano che sono prediche stenografate sul momento.

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notare che, come non si può sottovalutare la testimonianza di Agostino che dice di aver predicato al popolo sul Salmo 111, si deve anche tener presente che il medesimo Agostino allude alla presenza tra il pubblico di vescovi.38 Partendo da questi dati, S. Poque ha elaborato attraverso la critica interna una spiegazione che consente di superare le difficoltà insite nei medesimi dati, anche se la sua tesi non è confortata da prove certe. Agostino avrebbe realmente predicato sui Salmi 110–117 ad un’assemblea di popolo e di vescovi riuniti a Cartagine per un concilio tenutosi probabilmente tra il 6 maggio e la Pentecoste del 399. Per gli esordi si sarebbe servito del testo precedentemente dettato, mentre avrebbe improvvisato il commento servendosi di tracce anch’esse precedentemente dettate: esordi e tracce sarebbero state conservate e tramandate, mentre la registrazione tachigrafica integrale delle prediche non sarebbe stata eseguita o si sarebbe perduta. Cosí la Poque supera l’apparente contraddizione fra la testimonianza di Agostino e quella di Possidio: Agostino nel De octo Dulcitii quaestionibus ricorda di aver predicato al popolo sul Salmo 111, ma per citare un passo della predica si sarebbe avvalso del materiale dettato conservato nell’archivio; Possidio invece conosce solo i testi dettati sui Salmi 110–117, conservati nell’archivio. A questa ricostruzione noi pensiamo di poter aggiungere un’osservazione, che non abbiamo trovato nello studio della Poque. La prima pagina dell’En. 110 ha toni oratori e forme retoriche elaborati con una cura inconsueta per le Ennarrationes sia predicate che dettate. Vi riconosciamo non l’esordio dell’En. 110, bensì una sorte proemio della serie 110–117, tanto solenne quanto la verosimile circostanza dell’inaugurazione di un concilio richiedeva. La ricostruzione della Poque contiene indicazioni utili per la soluzione del problema, tuttavia su un punto non concordiamo. I commenti sugli otto Salmi 110–117 per il contenuto, come per le forme stilistiche, non possono essere assimilati a tracce o appunti per omelie da improvvisare. Sono commenti più brevi rispetto all’ampiezza delle altre Enarrationes, ma compiuti e formulati con cura. Noi pensiamo che Agostino abbia effettivamente predicato sugli otto Salmi con l’impegno e la preparazione che l’occasione di un concilio richiedeva, tuttavia senza l’ausilio di testi scritti in precedenza, e crediamo che le prediche siano state, al solito, stenografate sul momento, ma che diversamente dal solito egli ne abbia personalmente riveduto la trascrizione e curato la stesura finale, e le abbia riunite in un corpus introdotto da un elegante proemio, prima di diffonderle al termine della settimana di predicazione e dell’evento conciliare supposto dalla Poque. Cosí spieghiamo l’ ‘enigma’ di questi testi che conservano alcune impronte dell’originaria forma oratoria,39 che non nuocciono alla buona qualità della scrittura, ma non hanno le cadute di stile proprie delle prediche improvvisate, stenografate sul momento, trascritte e pubblicate.

|| 38 Cf. in psalm. 112,2,4 (CSEL 95/2): vobis dicitur, dominici pueri; 114,1,4 (p. 52): fratres et filii carissimi. 39 Gli “éléments de style oral” sono messi in evidenza dalla POQUE, L’énigme, 244–253.

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Indizio evidente dell’originaria forma omiletica delle in psalm. 110–117, a nostro parere, è anche la totale assenza di considerazioni filologiche, che per lo più mettono in discussione le variae lectiones del salmo attestate dai codici greci e latini consultati dall’esegeta durante la dettatura.

4.2 L’Enarratio 118 L’Enarratio 118 fa parte a sé. È composta di 32 sermones, dettati da Agostino a partire dall’anno 422,40 per completare il commento del salterio. Per dichiarazione dell’autore stesso non sono sermoni predicati, ma sermones … qui proferantur in populis,41 cioè destinati ad essere letti o recitati al popolo da persona diversa dall’autore. Il senso delle parole di Agostino è chiaro: quanto al genere letterario – cioè quanto al genus scribendi vel loquendi – i sermones sul Salmo 118 sono assimilabili alle Enarrationes dictatae. Non importa che siano stati dettati per la lettura pubblica, piuttosto che per quella privata. Dunque per spiegarne il genere basta la testimonianza del proemio, ampiamente confermata dai caratteri del commento, che si distingue per le frequenti annotazioni critiche filologiche sul testo latino e greco del salmo, tipiche delle Enarrationes dettate, e si distingue anche per la rarità di stilemi oratorii e colloquiali, frequenti nelle Enarrationes predicate42. || 40 Cf. LA BONNARDIÈRE, Recherches, 141. 41 Cf. in psalm. 118, prooem. 19–21 (CSEL 95/2): Statui autem per sermones id agere, qui proferantur in populis, quas Graeci homilias vocant. Hoc enim iustius esse arbitror, ut conventus ecclesiastici non fraudentur etiam psalmi huius intellegentia, cuius ut aliorum, delectari assolent cantilena. Sull’interpretazione di questo prologo in relazione alla definizione della forma letteraria del commento al Salmo 118 vi è un sostanziale accordo tra gli studiosi nel sostenere che i 32 tractatus, che lo compongono, non sono prediche, ma composizioni destinate alla lettura pubblica durante la liturgia, tuttavia con una differenza: LA BONNARDIÈRE, Recherches, 124, pensa che il commento al Salmo 118, come in evang. Ioh. 55–124, sarebbe „une ‘diction’ d’Augustin à un grupe restreint, accompagnée ou immédiatement suivie d’une mise par écrite d’un texte destiné à servir ensuite à ceux qui prêcheraient devant le peuple“; invece KANNENGIESSER, Enarratio, 364, le definisce semplicemente „homélies dictées“. Noi seguiamo questa seconda tesi, perché l’ipotesi di La Bonnardiére è forse difendibile per in evang. Ioh. 55–124, ma per il commento al Salmo 118 è priva di consistenti indizi. C’è poi l’opinione di TOVAR PAZ, Aproximación, 152, che vorrebbe comprendere in un unico genere i sermones ficti sul Salmo 118 e le Enarrationes effettivamente predicate: „... dentro de los tratamientos discursivos, dentro de la literatura homilética, existen textos sujetos a una ejecution pública y oral y otros que no; se trata de una mera diferencia pragmatica, que non afecta a la consideración de su obra desde la perspectiva del género literario en que se inscribe“: non comprendiamo quale sia l’idea di genere letterario che sta dietro questa affermazione. E non pensiamo che basti l’intenzione di Agostino di produrre sul Salmo 118 una serie di testi omiletici da leggere in pubblico perché il loro genus scribendi vel loquendi possa essere assimilato alle Enarrationes predicate. Al contrario, la presenza nelle Enarrationes predicate dei tipici stilemi dell’originaria espressione oratoria improvvisata è determinante per stabilire la loro diversità di genere rispetto ai sermones ficti sul Salmo 118. 42 Cf. sopra le nn. 35–37.

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4.3 Tradizione manoscritta delle Enarrationes 110–118 Le conclusioni sul genere delle Enarrationes 110–117 e della Enarratio 118 costituiscono una premessa non trascurabile per un appropriato esercizio di critica testuale. Per la recensio codicum rinviamo alla Praefatio dell’edizione delle Enarrationes 110– 118 di prossima pubblicazione in CSEL 95/2, ove si potranno trovare i riferimenti bibliografici e codicologici, come pure la valutazione dettagliata dei dati ricavati dalla recensio. Qui diamo in sintesi le conclusioni, che riteniamo necessarie e sufficienti per la successiva discussione. Sulla base dei mss. non contaminati o poco contaminati è stato possibile individuare due subarchetipi, π e ε, generati dall’archetipo, che costituiscono l’antica diramazione dello stemma. Un terzo capostipite (χ) di fatto risulta pressoché inutile, perché trae origine non dall’archetipo, ma dai due subarchetipi, mescolando le lezioni dell’uno con le lezioni dell’altro. Lo stemma pertanto è bifido, e in quanto tale non consente di accertare con oggettiva sicurezza la lezione dell’archetipo, quando i due subarchetipi attestano lezioni diverse, entrambe possibili o entrambe diversamente corrotte. Tuttavia quando è possibile identificare la lezione dell’uno e la lezione dell’altro – escluso il caso rarissimo delle due lezioni diversamente corrotte –, l’editore può presumere che una delle due sia la lezione dell’archetipo, e questo è un vantaggio non trascurabile per una tradizione manoscritta numerosa e fittissima di varianti. E non è l’unico vantaggio, perché nel caso specifico delle Enarrationes 110–118 il confronto sistematico fra le variae lectiones dei due subarchetipi ha portato alla conclusione che la gran parte di esse sono dovute non a errori di scrittura o a guasti accidentali, ma a interventi sul testο di ε intenzionali e per lo più intelligenti, quantunque improvvidi e insidiosi. Dunque π risulta essere testimone dell’archetipo assai più fedele. Questa conclusione, mentre conferma l’utilità della ricostruzione dell’antica diramazione stemmatica, non è, però, applicabile come criterio decisivo per la selectio lectionum. La maggiore affidabilità di π è solo un dato statistico fino a quando caso per caso la critica testuale con le sue risorse non abbia verificato l’autenticità della sua lezione. Il dato statistico, quanto meno utile per mettere in guardia l’editore contro le insidie rappresentate dalle numerose correzioni intelligenti di ε, non lo indurrà a sottovalutare che ε, qualunque sia in genere il suo grado di affidabilità, è testimone indipendente dell’archetipo, e che π ha inevitabilmente, come ogni testimone manoscritto, proprie corruttele.

4.4 Tradizione manoscritta bipartita Gli esempi seguenti vogliono dapprima mostrare che ε, come π, è testimone indipendente della lezione dell’archetipo, poi intendono documentare gli interventi intenzionali di ε, per i quali risulta, in genere, testimone meno affidabile di π.

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in psalm. 118,VI,1,6–10 (CSEL 95/2):43 Et quamvis continuo promiserit eis omnem veritatem per spiritum sanctum, clamat tamen beatus Paulus: Ex parte scimus, ut intellegamus spiritu quidem sancto, unde pignus accepimus, perduci nos ad omnem veritatem, sed cum, in alia vita post huius vitae speculum [saeculum π] et aenigmata, facie ad faciem venerimus.

Questo esempio conferma quanto abbiamo appena osservato, che, cioè, la maggiore affidabilità di π non esclude che in singoli casi la lezione autentica sia quella di ε. In questo caso, poi, l’affidabilità di nessuno dei due subarchetipi può essere chiamata in causa, perché la variante può essere l’esito non di un intervento intenzionale, ma di un banale errore di scrittura dovuto all’omografia speculum/saeculum, e un simile errore può essere accaduto facilmente nell’uno come nell’altro subarchetipo. Crediamo tuttavia di poter individuare indizi di altro genere che fanno preferire la lezione di ε. Agostino, trattando di come e quando si possa giungere alla conoscenza della verità tutta intera delle realtà divine, fa riferimento a 1 Cor. 13,9–12, e infatti per dare una prima risposta alla questione cita: Ex parte scimus (v. 9). Nel prosieguo si capisce che egli ha il mente il v. 12: Videmus nunc per speculum in aenigmate, tunc autem facie ad faciem, ma non lo cita, bensí lo parafrasa, e cosí l’espressione paolina nunc per speculum in aenigmate diventa in ε post huius vitae speculum et aenigmata: la variante post huius vitae saeculum et aenigmata di π è una parafrasi impoverita del testo paolino, perché perde il valore semantico di speculum, sostituito dal termine saeculum del tutto inutile per il senso frase. Aggiungiamo che la iunctura vitae saeculum non è attestata in Agostino, e che un altro indizio ci è dato dal passo parallelo di Aug. spir. et litt. 28,49 (CSEL 60, p. 204,23–25): … iustus in hac peregrinatione vivens ad speciem quoque perducitur post speculum et enigma et quicquid erat ex parte, ut facie ad faciem cognoscat …, ove ritroviamo la parafrasi di 1 Cor. 13,12 significativamente analoga a quella attestata da ε nel nostro passo. in psalm. 118,VI,5,4s.: garriens vel sese exercens in mandatis eius, in mandatis eius [in mandatis eius2 om. ε cc] considerat vias eius et meditatur in iustificationibus eius

Agostino sta parafrasando Ps. 118,15 (in mandatis tuis exercebor et considerabo vias tuas). Per accertare l’autenticità della ripetizione di in mandatis eius, è sufficiente leggere il commento del versetto nel paragrafo precedente 4,6–9: Sic autem se in dei mandatis exercet ecclesia, adversus omnes inimicos fidei Christianae atque catholicae copiosis doctorum disputationibus garrula, quae tunc fructuosae sunt disputantibus, si non i b i [sc. in mandatis eius] considerentur nisi viae domini. Tra parentesi ho dato

|| 43 Diamo i riferimenti alla nostra edizione di in psalm. 110–118 in corso di stampa in CSEL 95/2.– La sigla cc indica la varia lectio recepita nell’edizione del Corpus Christianorum 40.

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la mia interpretazione di ibi. Dunque in mandatis eius è complemento necessario di considerat vias eius, senza del quale la parafrasi di Ps. 118,15 avrebbe un senso diverso da quello voluto dalla fonte biblica. L’omissione di ε potrebbe essere accidentale, ma potrebbe anche essere un’espunzione intenzionale: il copista, cioè, non avendo intuito la cadenza oratoria della ripetizione l’avrebbe giudicata dittografia. Gli esempi seguenti mostrano la tendenza di ε ad ampliare o completare le citazioni bibliche: in psalm. 110,3,10s.: non inquit ex operibus, ne forte quis extollatur. Ipsius enim sumus figmentum, creati [in Christo add. ε cc] in operibus bonis (Eph. 2,9s.).

L’aggiunta di ε è del tutto inutile per il senso nel contesto agostiniano. in psalm. 110,8,2–4: qui autem ibi figuram intellexerunt, heredes etiam tunc novi testamenti exstiterunt, quoniam quae sursum est Ierusalem libera est [quae est mater nostra add. ε cc] aeterna in caelis. Il commento di Agostino mette a confronto la Gerusalemme terrena, quae servit cum filiis suis (Gal. 4,25) con la Gerusalemme celeste, quae … libera est (Gal. 4,26). L’espressione quae est mater nostra aggiunta da ε non è insensata, ma anche il senso della lectio brevior di π è perfettamente integro: questa considerazione induce a preferire la lezione di π. Se, invece, approvassimo la lectio longior di ε, non sapremmo come spiegare la caduta in π dell’espressione biblica quae est mater nostra. in psalm. 111,5,3s.: quoniam in aeternum non commovebitur (Ps. 111,6) [in memoria aeterna erit iustus add. ε], qui ad dexteram segregatus audiet: Venite, benedicti patris mei … (Mt. 25,34).

L’espressione aggiunta senza ragione da ε è parte del v. di Ps. 111,7, che Agostino cita più oltre (5,9): Sic in memoria aeterna erit iustus. in psalm. 112,2,17–19: Quacumque autem in parvulis sanctis ecclesia Christi diffunditur, laudate nomen domini; hoc est enim a solis ortu usque ad occasum [laudate nomen domini add. ε cc].

Anche in questo esempio la ripetizione di laudate nomen domini in ε non è insensata, ma la lectio brevior di π è integra, e perciò non è probabile che sia l’esito di una inspiegabile omissione accidentale o di una espunzione intenzionale altrettanto inspiegabile.

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in psalm. 114,8,15–17: Si autem spiritus eius qui suscitavit Iesum Christum a mortuis, habitat in vobis, [qui suscitavit Iesum Christum a mortuis add. ε cc] vivificabit et mortalia corpora vestra propter spiritum qui habitat in vobis.

In questo caso l’ago della bilancia delle probabilità resta in equilibrio. A favore della integrazione di ε sta il testo paolino citato (Rom. 8,11), che ha la ripetizione di qui suscitavit Iesum Christum a mortuis, cosí come Agostino altrove più volte lo cita con la ripetizione. A favore di π sta la considerazione che la lectio brevior sarebbe da preferire, quando, come qui, non è l’esito di un’aplografia, e quando, come qui, ricorre in citazione biblica. E tenuto conto che stiamo valutando non le certezze, ma le probabilità, una espunzione intenzionale di una lezione biblica da parte di π pare improbabile. in psalm. 118,XXVII,4,3–5: aperuit os, confitens, quod per se ipse non faceret, et attraxit [unde faceret aperuit os petendo quaerendo pulsando et sitiens hausit add. ε cc] spiritum bonum, unde faceret, quod per se ipsum non poterat

Qui la lezione di π si raccomanda non solo in quanto brevior, ma perché ha un senso più nitido e pienamente in armonia con il contesto. L’interpolazione di ε non aggiunge nulla al senso del passo. I quattro esempi seguenti documentano come il correttore di ε interviene sul testo trasmesso dall’archetipo, quando lo giudica corrotto o quando non lo comprende: in psalm. 118,I,2,41: cuius consilium divitiis suis non praetulit (cf. Mt. 19,21s.) [consilium divitiis suis praetulit π; consilio divitias suas praetulit ε cc]

La ratio delle tre variae lectiones, a nostro giudizio è la seguente: la lezione cuius consilium divitiis suis non praetulit, che abbiamo approvato, è una felice congettura di un ms. (Bruxelles, Bibl. Roy. 5560, sec. XI)44 tardo e di nessun valore documentario per la constitutio textus. La congettura, del resto, era facile per chiunque conoscesse il notissimo passo di Mt. 19,21s. sotteso. I due subarchetipi ε e π concordano nel documentare che l’archetipo aveva l’errore di omissione di non; ma le loro lezioni sono decisamente diverse, perché π riproduce fedelmente la lezione erronea dell’archetipo, ε invece la riscrive in modo da recuperare il senso del passo evangelico sotteso senza reinserire la negazione. Questo esempio è particolarmente significativo del diverso grado di fedeltà dei due subarchetipi.

|| 44 Nella nostra edizione sarà indicato con la sigla X.

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in psalm. 110,4,2–4: memoriam fecit mirabilium suorum: reserans [coniecimus; reservans codd. cc] opportune inusitata prodigia, quae [non add. ε] infirmitas hominis novitati intenta meminerit, cum sint eius miracula quotidiana maiora.

Agostino spiega che Dio fa memoria dei suoi prodigi straordinari perché questi più facilmente dei prodigi che compie quotidianamente si imprimono nella fragile mente degli uomini. Il correttore del subarchetipo ε, probabilmente sviato dalla corruttela reservans, ha voluto rabberciare il senso del passo inserendo la negazione non, che stravolge il pensiero di Agostino. in psalm. 118,V,2,13–15: in quo enim correxit viam suam? [nisi add. ε cc] In custodiendo verba dei, quae tamquam panem paternum esuriens concupivit (cf. Lc. 15,17).

La lezione dell’archetipo, ripresa fedelmente da π, ha senso solo se si intuisce la cadenza del passo, che, cioè, la prima frase è interrogativa e la seconda è la risposta. Il correttore di ε non lo ha capito, e volendo dare senso al passo, ha inserito nisi, che subordina l’una all’altra le due frasi. Caso analogo è il seguente: in psalm. 118,XXVI,4,7–9: Ipsius autem diaboli calumnia quanta vel qualis est! [qua add. ε cc] Calumniatus est iusto, dicens: Numquid gratis colit Iob deum? (Iob 1,9)

Anche in questo luogo ε, non avendo intuito la cadenza oratoria del passo, ha inserito il nesso sintattico subordinante qua tra due frasi che, secondo la lezione autentica di π, sono indipendenti e hanno ciascuna senso compiuto. Altrove ε introduce lectiones faciliores: in psalm. 110,7,6s.: non fallit (sc. deus), exhibet quod promisit. Non tamen hic [quod promisit add. ε cc] exspectandum est, non hic sperandum ... in psalm. 114,6,9s.: … quoniam exemit eam [animam meam ε] de morte qui misertus eius dixit: Venite ad me (Mt. 11, 28) … in psalm. 118,XVIII,1,9s.: quasi non aperte etiam dictum sit: Videbo caelos, opera digitorum tuorum (Ps. 8,4), nec minus aperte [dictum sit add. ε]: et opera manuum (Ps. 101,26) …

Il nostro intento, in conclusione, è stato quello di illustrare, esemplificando, come la critica testuale, dopo avere da tempo rinunciato al proposito di definire regole generali, e aver riconosciuto la necessità di adeguare i propri metodi e criteri caso per caso alla storia dei testi e della loro trasmissione, oltre che al loro genere letterario,

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debba adeguarsi anche al caso delle Enarrationes 110–118, e mettere a disposizione i propri strumenti per affrontare le complicate e specifiche problematiche relative alla tradizione manoscritta e all’edizione critica del commentario ai Salmi di Agostino.

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[email protected] Dipartimento di Scienze della comunicazione e Discipline umanistiche, Università di Urbino

Volker Henning Drecoll

Gespaltene Überlieferung oder spätere Emendation? Überlegungen zur Edition von Augustins De gratia et libero arbitrio Die Edition der Schrift De gratia et libero arbitrio wird der Edition von De correptione et gratia in CSEL 92 zur Seite treten. 80% der Handschriften überliefern beide Schriften gemeinsam. Entsprechend wird man erwarten können, dass die Überlieferungssituation beinahe identisch sein dürfte. Das Ergebnis von Folliet, dass die Überlieferung des Textes „essentiellement triple“1 ist, hat sich in den Analysen des Tübinger Editionsprojektes2 nur mit starken Einschränkungen bewährt. Zunächst lassen sich die Handschriften in zwei Gruppen teilen, von denen die eine durch eine bedeutende alte Papyrushandschrift aus Corbie, Paris Bibliothèque Nationale lat. 12205,3 angeführt wird. Diese, von Folliet bereits ausführlich beschriebene Handschrift geht in das 6. oder 7. Jahrhundert zurück. Der Tintenfraß ist relativ weit vorangeschritten, so dass man neben der Handschrift den vor Jahren aufgenommenen Mikrofilm der Bibliothèque Nationale heranziehen muss. Hinzuziehen kann man außerdem die von Paris 12205 abhängige Handschrift Paris, Bibliothèque Nationale lat. 2718. Die andere Gruppe wird von der wichtigen Handschrift Lyon, Bibliothèque Municipale 608, angeführt, die allerdings durch einen Wasserschaden erheblich entstellt ist (das jeweils obere Viertel oder Drittel der Seite ist nur mit Mühe, teilweise auch gar nicht lesbar). Diese Handschrift hat Bf. Leidrad von Lyon gehört, der 814 gestorben ist, sie gehört also ins frühe 9. oder späte 8. Jh. Später wurde sie intensiv von Florus von Lyon benutzt.4 Von dieser Handschrift gibt es eine Abschrift, Paris, Bibliothèque Nationale lat. 2095, die allerdings erst entstand, als in Lyon 608 schon Korrekturen eingetragen worden sind, oder die von einer unbekannten Zwischenstufe abstammt. Ein Geschwister von Paris 2095 liegt in der Hand|| 1 FOLLIET, CSEL 92 (Introduction), 141. 2 Neben dem Verfasser waren an der Herstellung der Edition insbesondere Christoph Scheerer und Benjamin Gleede beteiligt. Das Projekt wurde von der Fritz Thyssen Stiftung gefördert, die Edition von De gratia et libero arbitrio soll zusammen mit der in Arbeit befindlichen Edition von De praedestinatione sanctorum et de dono perseverantiae erscheinen (De praedestinatione sanctorum et de dono perseverantiae sind ausweislich innerer Querbezüge als zwei Bücher eines Werkes anzusehen, weshalb die Neuedition auch von liber prior etc. sprechen wird). 3 Die Handschriften werden bei ihrer ersten Nennung mit vollständiger Bibliotheks- und Signaturangabe angegeben, dann fortlaufend nur mit dem Namen des Bibliotheksortes und der Zahl der Signatur. Genauere Angaben zu den Handschriften sind den entsprechenden Angaben bei HÜWA zu entnehmen, vgl. dazu unten die Handschriftenliste. Zu Paris 12205 vgl. besonders FOLLIET, Le plus ancien témoin, 88–97. 4 Vgl. CHARLIER, Manuscrits personnels, 71–84.

102 | Volker H. Drecoll  schrift Bern, Burgerbibliothek 176 vor, die von Folliet ignoriert worden ist (und von der dann Bourges, Bibliothèque Municipale 83 abhängig ist5). Paris 2095 ist später intensiv und mehrfach korrigiert worden, wobei sich die Korrekturgänge nicht eindeutig voneinander unterscheiden lassen. Mit dieser Handschrift hängt eine recht große Gruppe französischer Handschriften zusammen, die entweder von einem frühen Stadium von Paris 2095 abhängen oder von der unbekannten Zwischenstufe zwischen Lyon 608 und Paris 2095. Die beiden Gruppen, angeführt von Paris 12205 auf der einen (classis α), Lyon 608 auf der anderen Seite (classis β) unterscheiden sich durch ca. 80 Lesarten, die in beiden Gruppen konsistent auftauchen. Als Beispiele für diese Fehler, durch die sich classis α von classis β unterscheiden, mögen hier genannt sein: cap. 11 (col. 888, lin. 37–39): Si quaesieris eum, et secundum hoc meritum dari gratiam in eo, quod dictum est om. β (Homoioteleuton) cap. 13 (col. 889, lin. 50): cuius esset illud α; bonum add. β cap. 16 (col. 891, lin. 6): coronam iustitiae α; coronam β cap. 16 (col. 891, lin. 19): doctor α; doctor gentium β cap. 21 (col. 893, lin. 43): militiae diabolicae α; malitiae diabolicae β cap. 21 (col. 893, lin. 52): in nobis α; in bonis β cap. 22 (col. 894, lin. 23): consumptio α; consummatio β cap. 30 (col. 898, lin. 42): Ego facio α; Non propter vos ego facio β (Ezech. 36,22) cap. 33 (col. 901, lin. 52): sarcina α; sarcina Christi β cap. 34 (col. 902, lin. 3f.): an angustia, an persecutio, an fames α (Rom. 8,35); an angustia persecutio, an fames β cap. 41 (col. 907, lin. 3): in hoc peccatum om. β cap. 44 (col. 909, lin. 51): in manus α; in manibus β cap. 44 (col. 910, lin. 8): concluserit α; conclusit β

Besonders interessant ist die Handschrift Saint-Omer, Bibliothèque Municipale 254, die mitten in Kap. 34 die Vorlage gewechselt hat. Bis zum Anfang von Kap. 34 weist sie durchgehend Lesarten der classis β auf, danach durchgehend Lesarten der classis α.6

|| 5 Für Bourges 83 ist interessant, dass die Handschrift für De gratia et libero arbitrio Bern 176 benutzt hat, dann aber für De praedestinatione sanctorum et de dono perseverantiae eine andere Vorlage benutzt hat. Die Datierung von Bern 176 ist problematisch, die Angabe des Katalogs (12. Jh.) erscheint mir nicht vertrauenswürdig zu sein. Wenn sie doch stimmt, hat Bern 176 sehr getreu eine unbekannte Vorlage benutzt, von der Bourges 83 (s. XI/XII) abhängig ist. 6 Ebenso tut es die Abschrift dieser Handschrift, Boulogne-sur-Mer, Bibliothèque Municipale 47. Dass Folliet Saint-Omer 254 in den Apparat gesetzt hat, liegt daran, dass sie in De correptione et gratia die Lesarten der classis α aufweist. Für De gratia et libero arbitrio ist Saint-Omer 254 nur in dem letzten Drittel ein wichtiger Zeuge, weil er hier eine Handschrift der classis α benutzt hat (während die ersten zwei Drittel nur ein ziemlich nachgeordneter Zeuge von classis β darstellen).

Überlegungen zur Edition von Augustins De gratia et libero arbitrio | 103

Die Unterscheidung von classis α und classis β lässt zunächst den Eindruck entstehen, als handele es sich um eine gespaltene Überlieferung. Dieser Eindruck wird noch dadurch verstärkt, dass beide Klassen jeweils durch sehr alte Repräsentanten angeführt werden, Paris 12205 und Lyon 608. Von dieser Perspektive aus erscheint eine weitere Gruppe vor allem französischer Handschriften, die durch Paris, Bibliothèque Nationale lat. 974 angeführt werden, als eine Subgruppe der classis α, die sich besonders durch ihre extrem hohe Zahl von Fehlern hervortut.7 Folliet hatte aus der Tatsache, dass Paris 974 mit einem guten Dutzend weiterer Handschriften einen eigenwillig entstellten Text bietet, geschlossen, dass die Überlieferung dreigespalten ist.8 Von den drei Zweigen maß er der von Lyon 608 angeführten Gruppe das höchste Gewicht bei, diese sei „la troisième tradition qui nous paraît la plus sûre et la plus représentative de l’original“.9 Die Bewertung und Zuordnung der Codices durch Folliet braucht hier nicht weiter verfolgt zu werden.10 Für die Textkonstitution in De gratia et libero arbitrio sind zwei Codices besonders zu beachten, die Folliet nicht weiter beachtet hat. Für classis α ist das die Handschrift München 8107, die keineswegs mit Douai 275 zusammenhängt (so Folliet), sondern ein von Paris 12205 unabhängiger, vollständiger und sehr hochwertiger Zeuge für classis α ist.11 Für classis β ist dies der Codex Paris 9544, der keineswegs von Paris 2095 abhängig ist (so Folliet), sondern sogar von Lyon 608 unabhängig ist.12 Daher sind Paris 12205 und München 8107 die wichtigsten Zeugen || 7 Allerdings ist Paris 974 nicht selbst der Vater dieser Gruppe, sondern nur die Handschrift, die die gemeinsame Vorlage am besten bezeugt. 8 Die Zuordnung weiterer Handschriften zu Gruppen, deren Anführer Douai, Bibliothèque Municipale 275, Firenze, Biblioteca Laurenziana S. Marco 662 und Salisbury, Cathedral Library 117 sind (die Sigla D, F und G in Folliets Edition), ließ sich für De gratia et libero arbitrio überhaupt nicht nachvollziehen. Salisbury 117 gehört zu einer eigentümlichen Gruppe der classis β, während Douai 275 und Firenze 662 die Fehler von Paris 974 teilen. 9 FOLLIET, CSEL 92, Introduction, 142. 10 Die äußerst knappen Angaben bei FOLLIET, CSEL 92, Introduction, 141–143, lassen kaum nachvollziehen, wie der Text konstituiert wurde. Einige Angaben scheinen auch nicht zuverlässig zu sein, insbesondere die Bezeichnung der Handschriften durch Ziffern scheint zu Fehlern geführt zu haben, so werden die Handschriften 73, 97 und 108 innerhalb von zwei Seiten schlicht doppelt und mit verschiedenen stemmatischen Zugehörigkeiten aufgeführt. 11 Dass Paris 12205 von München 8107 unabhängig ist, kann man bereits daran ersehen, dass an den Stellen der Blattverluste in Paris 12205 München 8107 den vollen Text bietet, so besonders: cap. 11 (col. 888, lin. 29) meritum – cap. 13 (col. 889, lin. 52) admonitus om.; cap. 22 (col. 894, lin. 23f.) autem – cap. 24 (col. 895, lin. 50) om. – Dass München 8107 (gegen Folliet) nicht von Douai 275 abhängig ist, ergibt sich daraus, dass Douai 275 die Heerscharen von Sonderlesarten teilt, die sich in Paris 974 finden. 12 Dass Paris 9544 von Lyon 608 unabhängig ist, lässt sich daran ersehen, dass Paris 9544 zwar alle Klassenfehler von classis β teilt, nicht aber die Sonderfehler in Lyon 608 (und zwar selbst dann, wenn man die Korrekturvorgänge in Lyon 608 noch mitberücksichtigt). Als Beispiele können dienen: cap. 31 (col. 899, lin. 56) bona voluntas Paris 9544] bonae voluntatis Lyon (ac.); cap. 40 (col. 905, lin. 44) hominibus Paris 9544] omnibus Lyon (ac.); cap. 42 (col. 908, lin. 37) praeter iussum

104 | Volker H. Drecoll  für classis α, Lyon 608 und Paris 9544 für classis β. Das Fehlen von München 8107 und Paris 9544 im textkritischen Apparat von Folliet ist schon deswegen besonders zu bedauern, da beide Handschriften in einem hervorragenden Zustand sind (im Gegensatz zu Paris 12205 und Lyon 608). Ω α

β Paris 12205 Lyon 608

s. IX

München 8107

SaintOmer 25413

Paris 2718

Paris 974

Köln 80 + Oxford 133

Paris 9544

Salisbury 117

Paris n.a. 1449 Milano H 99 sup. Allerdings ist die Handschriftensituation mit dieser klaren Aufteilung der Handschriften auf zwei Grundzweige noch nicht ausreichend beschrieben. Es gibt nämlich zwei weitere, von Folliet nicht weiter beachtete Handschriften, Oxford, Bodleian Library, Laudianus Miscellaneus 133 und Köln, Erzbischöfliche Diözesan- und Dombibliothek 80, beide aus dem 9. Jh., die sowohl Lesarten aus classis α als auch solche aus classis β enthalten. In den Diskussionen über die stemmatischen Verhältnisse in der Tübinger Arbeitsgruppe wurden diese beiden Codices daher zunächst als kontaminierte Handschriften eingeordnet. Bei der inneren Bewertung der Lesarten wurde jedoch fraglich, ob es sich wirklich um Kontamination handelt, da an

|| Paris 9544] preterius sum Lyon; cap. 44 (col. 910, lin. 22) agit Paris 9544] agitur Lyon. Zugleich ist Paris 9544 aber auch nicht von Paris 2095 abhängig, wie man an folgenden Beispielen bereits erkennen kann: cap. 4 (col. 884, lin. 3) virginem Paris 9544] virginitatem Paris 2095; cap. 10 (col. 888, lin. 10) nostra om. Paris 2095; cap. 24 (col. 895, lin. 49) posse om. Paris 2095; cap. 34 (col. 902, lin. 48) adiunxit Paris 9544] subiunxit Paris 2095; cap. 41 (col. 907, lin. 8f.) sic usus est Iudaeis crucifigentibus Christum om. Paris 2095. 13 Gemeint ist hier sowie im zweiten Stemma in diesem Beitrag nur der zweite Teil von Saint Omer 254, der keine Lesarten von β aufweist.

Überlegungen zur Edition von Augustins De gratia et libero arbitrio | 105

einigen Stellen diese beiden Misch-Codices die eindeutig schlechtere Lesart ausgewählt zu haben scheinen (so lesen beide Handschriften an den oben genannten Stellen in cap. 41 und 44 wie classis β). Dies stellte die Kontaminationshypothese in Frage. Hinzu kam die Beobachtung, dass die classis β einen verdächtig schönen Text produziert, der bei der internen Bewertung oftmals als eine Glättung oder emendatio erschien. Dies führte zu Diskussionen um ein Problem, das in der Tübinger Arbeitsgruppe das „Gorman-Problem“ genannt wurde. Das Problem heißt nach Michael Gormans Rezension der Edition von De Genesi contra Manichaeos durch Dorothea Weber in CSEL 91.14 Hier warf Gorman der bewährten Editorin nicht nur vor, die Datierungen von Bischoff15 nicht beachtet zu haben, sondern vor allem bei der Konstruktion der beiden Familien, die für ihre Textkonstitution tragend sind, dem Irrtum aufgesessen zu sein, dass es sich um zwei ursprüngliche Texttraditionen, also eine echte gespaltene Überlieferung handelt. Gorman stellte dem die Hypothese entgegen, dass einer der beiden Überlieferungszweige vielmehr als eine spätere Redaktionsstufe anzusehen sei.16 Das Gorman-Problem besteht also darin: Wie sicher kann man bei dem Eindruck einer gespaltenen Überlieferung sein, wirklich eine solche vor Augen zu haben?17 Als Alternative gilt es besonders zu erwägen, ob eine Familie (besonders dann, wenn sie in einem lokal oder zeitlich begrenzten Kontext als recht geschlossene Gruppe auftaucht oder erst ab einem späteren Zeitpunkt überliefert ist) auf mittelalterliche Emendationstätigkeit zurückgeht. Diese Alternative für die classis β in Betracht zu ziehen, erschien schließlich aus drei Gründen richtig: 1. Die innere Bewertung zeigte, dass die Lesarten der classis α in den meisten Fällen als die ursprünglicheren anzusehen sind. 2. Die Mischung der Lesarten von classis α und classis β in Oxford 133 und Köln 80 ist nicht so geartet, dass sie sich einer Emendationsbemühung zurechnen lässt. Der Befund deckt sich aber mit der Vermutung, dass beide Codices auf eine ältere Tradition zurückgehen, die mit den Vorlagen für classis α zusammengehört. Eine ältere Vorstufe der beiden Codices (die eine Unmenge von Fehlern einfügen und insofern einen ziemlich trostlosen Text bieten) fügte dann etwa die Hälfte der Lesarten ein, die in classis β Karriere machten (sozusagen: Proto-β). Erst die Emendationstätigkeit bei der Herstellung der Codices der classis β (also der Vorlage, die

|| 14 GORMAN, Manuscript Tradition, 303–311. 15 Der von GORMAN, Manuscript Tradition, genannte Bestand an Notizen zu den einzelnen Handschriften ist mittlerweile zu etwa zwei Dritteln ediert: BISCHOFF, Katalog. 16 Vgl. GORMAN, Manuscript Tradition, 310: „It seems more likely that Ψ was an early Carolingian exemplar that was ‚corrected‘ and not a seventh- or eighth-century-hyparchetype“. 17 GORMAN, Manuscript Tradition, 310, ging sogar so weit, festzustellen: „In general, I believe that the bipartite stemma is usually an illusion“.

106 | Volker H. Drecoll  Lyon 608 und Paris 9544 zugrundeliegt) hätte dann diesen Text noch weiter zu bessern gesucht und dabei die andere Hälfte der Lesarten der classis β eingefügt.18 3. Die ältesten Codices der classis β zeigen das bewusste Bemühen, wichtige Schriften Augustins zur Gnadenlehre zusammenzustellen, so insbesondere De gratia et libero arbitrio, De correptione et gratia sowie die beiden zusammengehörenden Bücher De praedestinatione sanctorum et de dono perseverantiae und De perfectione iustitiae und De natura et gratia. Diese Tätigkeit eines Editors könnte mit der beschriebenen Emendationstätigkeit zusammenhängen. Entsprechend dem „Gorman-Problem“ wäre dann classis β als Ergebnis einer Emendationstätigkeit zu betrachten, die eine ältere Vorstufe (Proto-β, noch ohne die Unmenge von Fehlern, die Oxford 133 und Köln 80 kennzeichnen) im Zusammenhang der Herstellung einer gnadentheologisch gewichtigen Textsammlung weiter bearbeitete. Dieser Prozess müsste dann vor Lyon 608 stattgefunden haben, also im (späten) 8. Jh. oder allerspätestens sehr frühen 9. Jh. Die Auffassung von classis β hat nun editionstechnisch eine unangenehme Folge, dass nämlich die Handschriften, die nicht zu classis β gehören, nicht mehr als Repräsentanten einer zusammengehörigen Textfamilie beschrieben werden können. Die Handschriften, die aufgrund der einfachen Aufteilung als classis α zusammengefasst wurden, sind also nicht länger zwangsläufig auf einen Hyparchetypen zurückzuführen, der sich von einem anderen Hyparchetypus unterscheiden ließe. Zwar teilen diese Handschriften wenige gemeinsame Fehler, doch ist unklar, ob diese Fehler nicht schlichtweg auf eine wesentlich ältere Tradition (oder gar den Archetypen) zurückgehen (die nur in classis β wegemendiert wurden). Dadurch entsteht für die kritische Edition ein eminentes Problem. Neben den hochwertigen Zeugen, besonders Paris 12205 und München 8107, gibt es weitere Handschriften, die zwar für die Textkonstitution nichts austragen (sondern im Gegenteil nur viele zusätzliche eigene Fehler bieten), die sich aber stemmatisch nicht eliminieren ließen. Dies gilt dann insbesondere für die Gruppe um Paris 974, aber auch für einige weitere Handschriften, so Paris 2718, Paris, Bibliothèque Nationale, nouvelle acquisition 1449 und Milano, Biblioteca Ambrosiana H 99 superior. Hinzu kommen die durch eine Unmenge von Fehlern entstellten, besagten Handschriften Oxford 133 und Köln 80.

|| 18 Im Hinblick auf die oben genannten Beispiele für die Unterscheidung von classis α und classis β verhalten sich Köln 80 und Oxford 133 wie folgt: cap. 11: textum praebent Köln 80, Oxford 133 cum α; cap. 13: bonum add. Köln 80, Oxford 133 cum β; cap. 16 iustitiae add. Köln 80, Oxford 133 cum α; cap. 16 add. Köln 80, Oxford 133 cum β; cap. 21 militiae Köln 80, Oxford 133 cum α; cap. 21 nobis Köln 80, Oxford cum α; cap. 22 consumptio Köln 80, Oxford 133 cum α; cap. 30 non propter vos Köln 80, Oxford 133 cum β; cap. 33 sarcina Köln 80, Oxford 133 cum α; cap. 34 an Köln 80, Oxford 133 cum α; cap. 41 in hoc peccatum om. Köln 80, Oxford 133 cum β; cap. 44 in manibus Köln 80, Oxford cum β; cap. 44 conclusit Köln 80, Oxford 133 cum β.

Überlegungen zur Edition von Augustins De gratia et libero arbitrio | 107

Ω Paris 12205 Proto- β β Lyon 608 s. IX

SaintOmer 254

München 8107

Paris 2718

Paris 974

Köln 80 + Oxford 133

Paris 9544

Salisbury 117

Paris 2095

Paris n.a. 1449 Milano H 99 sup.

Die editorische Frage lautet nun, wie diese Handschriften im apparatus criticus darzustellen sind. Mehrere Möglichkeiten bieten sich hier an: Man könnte die Lesarten dieser Handschriften in der Praefatio aufführen. Auch eine Appendix (sei es jeweils verschiedene Appendices für die einzelnen Handschriften, oder insgesamt eine Appendix für die Lesarten aller Handschriften) käme in Frage. Allerdings würden beide Lösungen bedeuten, dass der Nutzer, der sich mit diesen Handschriften befassen will, zahlreiche Blättervorgänge absolvieren muss. Daher wurde in Betracht gezogen, den apparatus criticus zu unterscheiden: a) in solche Handschriften, mit denen der Text konstituiert wurde (d. h. insbesondere die hochwertigen Repräsentanten der älteren Tradition, die als classis α bezeichnet wurde, also Paris 12205 und München 8107, Saint-Omer ab dem Vorlagenwechsel in cap. 34; hinzu kommt, um den fortlaufenden Vergleich zu ermöglichen, die zweite wichtige Handschriftentradition, also classis β mit ihren wichtigen Repräsentanten Lyon 608 und Paris 9544; hinzu treten wegen des schlechten Erhaltungszustandes für Paris 12205 die Abschrift Paris 2718 als Stütze, für Lyon 608 die Abschrift Paris 2095 als Stütze), b) in solche Handschriften, die sich stemmatisch nicht eliminieren lassen, die aber wegen ihrer schlechten Qualität und ihrer zahlreichen Sonderlesarten für die Textkonstitution keine oder nur eine indirekte Bedeutung haben (für classis α sind das Paris, n.a. 1449, Milano H 99 sup., Paris 974, für classis β ist dies insbesondere Salisbury 117). Natürlich hat auch diese Lösung einen Nachteil, denn anstelle eines apparatus criticus muss der Benutzer (wenn er sich nicht nur für die Textkonstitution interessiert) eventuell zwei apparatus critici aufsuchen. Allerdings steht dem der Vorteil gegenüber, dass der Benutzer nicht innerhalb einer Unzahl von unbrauchbaren Lesarten diejenigen heraussuchen muss, die für die Textkonstitution eigentlich leitend waren.

108 | Volker H. Drecoll  Ob die so entwickelte Hypothese, classis β als Ergebnis einer bewussten Emendations- und Redaktionstätigkeit, von deren Vorstufe Spuren noch in Oxford 133 und Köln 80 sichtbar sind, (und dementsprechend classis α nicht länger als von einem Hyparchetypen abhängige Klasse) anzusehen, wird die Diskussion der Edition zeigen. Der Tübinger Arbeitsgruppe erweist sich diese Hypothese im Moment als die plausibelste. Ansonsten gilt, was auch für die Edition in CSEL 91 festzuhalten ist. Die Edition hat das textkritische Problem so aufzubereiten, dass der Nutzer auch dann, wenn er eine abweichende Entscheidung bei der Bewertung oder Gewichtung der Traditionsstränge vornimmt, die Edition nutzen kann.

Übersicht über die erwähnten Handschriften Bern, Burgerbibliothek 176 (s. XI/XII), fol. 15v–21v. HÜWA 9/1, p. 61; 9/2, p. 63; neglexit Folliet. Boulogne sur Mer, Bibliothèque Municipale 47 (s. XII), fol. 37ra–45ra (prov.: Saint-Vaast). Catalogue général des Manuscrits des Bibliothèques publiques des Départements. Tome 4, Paris 1872, p. 603. Bourges, Bibliothèque Municipale 83 (73) (s. XI), fol. 195r–202v (prov.: Chezal-Benoît). Catalogue général des Manuscrits des Bibliothèques publiques de France. Départements. Tome 4, Paris 1886, p. 19f. Douai, Bibliothèque Municipale 275 (s. X), fol. 57ra–67vb (prov. : Abbaye de Marchiennes). Catalogue général des Manuscrits des Bibliothèques publiques des Départements. Tome 6, Paris 1878, p. 145. Firenze, Biblioteca Medicea Laurenziana, San Marco 662 (s. XI), fol. 9r–24v. HÜWA 1/1, p. 92; 1/2, p. 110f. Köln, Erzbischöfliche Diözesan- u. Dombibliothek 80 (s. IX), fol. 87v–113r. HÜWA 5/1, p. 126; 5/2, p. 239f. (BISCHOFF I, 394: „Köln, IX. Jh., 1. Drittel“). Lyon, Bibliothèque Municipale 608 (ca. 800), fol. 55r–78v (prov.: Leydrade de Lyon [Erzbischof 798–814]; Comtes de Lyon). Catalogue général des Manuscrits des Bibliothèques publiques de France. Départements. Tome 30, Paris 1900, p. 159 (BISCHOFF II, 144: „Lyon, spätestens 814“). Milano, Biblioteca Ambrosiana H 99.sup. (s. XI), fol. 64v–82v. HÜWA 1/1, p. 92; 1/2, p. 151. München, Bayerische Staatsbibliothek Clm 8107 (s. IX), fol. 138r–172v (prov.: Mainz). HÜWA 5/1, p. 126; 5/2, p. 334sq. (BISCHOFF II, 244: „Mainz, IX. Jh., 2. Viertel“). Oxford, Bodleian Library Laudianus Miscellaneus 133 (s. IX), fol. 48v–67r (prov.: Lorsch, Eberbach). HÜWA 2/1, p. 98; 2/2, p. 210. (CSEL 60) (BISCHOFF II, 374: „Lorsch, unter Mitarbeit eines SaintVaast-Schreibers, IX. Jh., 2. Viertel“). Paris, Bibliothèque Nationale Lat. 974 (s. IX), fol. 7r–71r. Bibliothèque Nationale. Catalogue général des Manuscrits Latins. Tome Ier (Nos. 1–1438), Paris 1939, p. 347. Paris, Bibliothèque Nationale Lat. 2095 (s. IX), fol. 51v–76r (prov.: Notre-Dame de Bonneval, dioec. Langres). Bibliothèque Nationale. Catalogue général des Manuscrits Latins. Tome II (Nos. 1439–2692), Paris 1940, p. 318.

Überlegungen zur Edition von Augustins De gratia et libero arbitrio | 109

Paris, Bibliothèque Nationale Lat. 2718 (s. IX, 830?) fol. 44r–52r (prov. : Tours, Saint-Martin, scriba: Hirminmaris?). Bibliothèque Nationale. Catalogue général des Manuscrits Latins. Tome III (Nos. 2693–3013A), Paris 1952, pp. 22–25. Paris, Bibliothèque Nationale Lat. 9544 (s. IX), fol. 71v–103r. DELISLE, L. V., Inventaire des manuscrits latins conservés à la Bibliothèque Nationale sous les numéros 8823–18613. Vol. I, Paris 1863 (iterum Hildesheim 1974), p. 37. Paris, Bibliothèque Nationale Lat. 12205 (Fonds de Saint-Germain-des-Près) (s. VI–VII), fol. 7r–27r (prov.: Corbie). DELISLE, L. V., Inventaire des manuscrits latins conservés à las Bibliothèque Nationale sous les numéros 8823–18613. Vol. II, Paris 1871 (iterum Hildesheim 1974), p. 41. Paris, Bibliothèque Nationale Lat. nouv. acq. 1449 (s. X/XI), fol. 1v–7v (incompl.) (prov.: Fonds de Cluni) [CSEL 84, p. XI]. Saint-Omer, Bibliothèque Municipale 254 (s. IX), fol. 1v–14v (prov.: Saint-Bertin). Catalogue général des Manuscrits des Bibliothèques publiques des Départements. Tome 3, Paris 1861, p. 129. Salisbury, Cathedral Library 117 (s. X), fol. 55v–75v. HÜWA 2/1, p. 98; 2/2, p. 319.

Bibliographie BISCHOFF, B., Katalog der festländischen Handschriften des neunten Jahrhunderts. Aus dem Nachlass hg. von B. EBERSPERGER. Band 1: Aachen – Lambach. Band 2: Laon – Paderborn, Wiesbaden 1998–2004. CHARLIER, C., Les manuscrits personnels de Florus de Lyon et son activité littéraire, in: Mélanges E.[mmanuel] Podechard. Études de sciences religieuses offertes pour son éméritat au Doyen Honoraire de la Faculté de Théologie de Lyon, Lyon 1945, 71–84. FOLLIET, G., Le plus ancien témoin du „De gratia et libero arbitrio“ et du „De correptione et gratia“ (Ms. Paris B.N. Lat. 12205), Scriptorium 50 (1996), 88–97. FOLLIET, G. (ed.), Sancti Augustini opera, De correptione et gratia, Wien 2000 (CSEL 92), 127–284. GORMAN, M. E., The Manuscript Tradition of Augustine’s De Genesi contra Manichaeos, REAug 47 (2001), 303–311. WEBER, D. (ed.), Sancti Augustini opera, De Genesi contra Manichaeos, Wien 1998 (CSEL 91).

[email protected] Evangelisch-Theologische Fakultät, Eberhard Karls Universität Tübingen

Clemens Weidmann

Zwei Weihnachtspredigten des Eucherius von Lyon Eucherius von Lyon († 449) ist vor allem als Angehöriger des Lériner asketischen Mönchtums und als Verfasser verschiedener Schriften bekannt. Neben seinen zwei wirkungsreichen theologischen Lehrbüchern, der Formula spiritalis intelligentiae und den Instructiones, verfasste er zwei Lobschriften auf das monastische Leben, De contemptu mundi und De laude eremi, sowie einen Märtyrerbericht, die Passio Acaunensium martyrum.1 Von seiner pastoralen Tätigkeit, die er als Bischof von Lyon ausübte, insbesondere seinen Predigten ist wenig bekannt. Die zahlreichen Homilien, die ihm ohne handschriftliche Grundlage in älteren Drucken zugeschrieben werden, halten einer kritischen Überprüfung nicht stand; sie gelten heute durchwegs als unecht. Als authentisch anerkannt wird einzig ein kurzes Predigtexzerpt, das Claudianus Mamertus im zweiten Buch seiner Schrift De statu animae zitiert. Dieser Text wird zwar in patristischen Referenzwerken mit einem eigenen Eintrag versehen,2 hat aber in der modernen Forschung abgesehen von knappen Erwähnungen kein Interesse gefunden.3 Im zweiten Buch von De statu animae zieht Claudianus Mamertus zahlreiche Zeugen heran, um die Immaterialität der Seele zu beweisen. Nachdem er ausführlich philosophische Gewährsmänner diskutiert hat, wendet er sich im 9. Kapitel den patristischen Autoritäten zu: Auf eine Stelle aus Gregor von Nazianz folgen die lateinischen Kirchenväter Ambrosius, Augustinus und Hilarius; zuletzt kommt er auf den von ihm hoch geschätzten Zeitgenossen Eucherius zu sprechen, der in einer Predigt die Inkarnation Christi und die Verbindung von Leib und Seele im Menschen behandelt. Das Fragment lautet im vollen Wortlaut: Quaerere, inquit, quidam solent, quo modo in Christo misceri potuerit homo et deus. Quaerunt rationem huius mysterii, quod semel factum est, cum ipsi reddere rationem nequaquam possint eius rei, quae fit semper, quo modo societur anima corpori, ut fiat homo. Ergo quo modo corporea res incorporeaque coniungitur et corpori anima miscetur ut homo efficiatur, ita homo coniunctus est deo et factus est Christus: et tamen ut fieret Christus, duo illa incoporea, id est anima et deus facilius

|| 1 Zur Biographie des Eucherius s. PRÉVOT, Recherches prosopographiques. 2 CPL 494; CPPM I 4590 A. b.; GRYSON, Répertoire général Bd. 1, 465: EUCH ap CLAU an 2,9 (135136). 3 FORTIN, Christianisme, 21. 123f.; MATHISEN, Ecclesiastical Factionalism, 237 Anm. 13; PRÉVOT, Recherches prosopographiques, 136; WICKHAM, Eucherius, 524; DI MARCO, La polemica, 92; BRITTAIN, No Place for a Platonist Soul, 242 (mit Anm. 19).

112 | Clemens Weidmann  coniungi permiscerique potuerint, quam miscetur una incorporea aliaque corporea, id est anima et corpus, ut persona hominis exsistat.4

Schon im Jahre 1866 hatte P.-F. Écalle in seiner Neuauflage der Dogmengeschichte des Ludovicus Thomassinus darauf hingewiesen, dass der von Claudianus zitierte Text mit einem Abschnitt aus § 3 von Augustins Sermo 371 übereinstimmt. Aus dieser Übereinstimmung zog er den Schluss, Claudianus habe das Zitat in Wahrheit aus Augustinus entlehnt und es fälschlich dem Eucherius zugeschrieben;5 abgesehen von einer wenige Jahre später (1870) erschienenen Abhandlung über die Inkarnation6 fand Écalles Beobachtung kein Echo. Weder Historiker noch Theologen oder Philologen nahmen von dieser Identifikation Notiz. Im Folgenden soll daher die Autorschaft der Predigt geklärt werden. Ist die Predigt ein Werk des Bischofs von Hippo, dem sie in fast allen Handschriften zugeschrieben wird? Oder stammt sie, wie es das Zeugnis des Claudianus Mamertus nahelegt, von Eucherius? Zur Klärung dieser Frage soll nach einer kurzen Inhaltsangabe vor allem geprüft werden, welche Quellen verwendet und wie diese in den neuen Kontext eingebettet wurden. Besonderes Augenmerk kommt der Zuverlässigkeit des Claudianus Mamertus zu: Wie zuverlässig ist er, wenn er fremde Texte vorstellt? Ein sprachlich-stilistischer Vergleich der Predigt mit authentischen Werken des Eucherius wird zeigen, dass es kein zwingendes Argument gegen die Autorschaft des Bischofs von Lyon gibt. Ist die Echtheit der Predigt auf diese Weise gesichert, soll der ebenfalls dem Augustinus zugeschriebene und meist gemeinsam mit ihr überlieferte Sermo 372 in den Blick genommen werden. Anhand sprachlicher und inhaltlicher Übereinstimmungen beider Predigten kann gezeigt werden, dass wohl auch diese Predigt von Eucherius stammt. Abschließend soll der Text beider Predigten neu ediert werden. ***

|| 4 Claud. Mamert. anim. 2,9 (CSEL 11, pp. 135f.). – Ein ähnlicher Gedanke findet sich ebenda in 1,3 (CSEL 11, p. 34,9–11; 37,4–6); FORTIN, Christianisme, 124 mit Anm. 1. 5 THOMASSINUS, Dogmatum I, 172 (zu incarn. verb. 3,3): „haec ille (sc. Claudianus Mamertus) verba exscribit ex Eucherio, Lugdunensi episcopo, quibus nihil affinius dici potuit loco Augustini supra relato“ (sc. Aug. epist. 137,11); in der Neuausgabe (Paris 1866, 288) vermerkt P.-F. Écalle: Quum textus ille totus ad verbum legatur in Sermone CCCLXXI (alias, De diversis 52) Augustini, ab eo potius quam ab Eucherio hunc Claudianum Mamertum mutuatum esse adserendum est; si tamen Augustini fetum est ille sermo, quem Eucherio abjudicatum Maurini editores inter Hipponensis dubios collocarunt. – Écalle identifizierte auch ein anderes aus Sermo 371 stammendes Zitat (p. 421; incarn. verb. 4,11 ~ Eucher. serm. 1,2,4–8: porro homines deum ipsum ... factus est homo). 6 VON SCHAEZLER, Dogma, 157 Anm. 3: „Diese von Mamertus Claudianus dem Bischof Eucherius von Lyon zugeschriebenen Worte finden sich in sermo 371. cap. 3. S. Augustini (sermones dubii).“

Zwei Weihnachtspredigten des Eucherius von Lyon | 113 

Die Weihnachtspredigt, Augustinus Sermo 371, in der sich der von Claudianus Mamertus zitierte Text findet, behandelt das Wunder der Menschwerdung Gottes. Vorrangiges Thema ist die Zweinaturenlehre Christi: Christus ist wahrer Mensch und wahrer Gott. Gott wurde Mensch, damit der Mensch Gott werden kann: Dieses Thema begegnet am Anfang und am Ende der Predigt und umspannt sie in einer Art Ringkomposition. Gott erschien den Menschen in menschlicher Natur, weil die Augen der Menschen, wie das Beispiel der Verklärung Christi zeigt, nicht imstande sind, Gott in seinem göttlichen Wesen zu schauen. Um die Menschen zu sich zu führen, gab er ihnen das Gesetz und die Propheten und nahm schließlich selbst Menschengestalt an. Wer daran zweifelt, dass sich in Christus die menschliche und die göttliche Natur verbinden, möge sich das Beispiel der menschlichen Seele vor Augen halten: im Vergleich zur Inkarnation Christi, in der sich Gott mit dem Menschen verbindet, erweist sich die in jedem Menschen anzutreffende Verbindung von Leib und Seele als größeres Wunder, da sich im Menschen nicht zwei immaterielle, sondern eine körperliche und eine unköperliche Komponente vereinigen. An mehreren Stellen spricht der Prediger seine Zuhörer persönlich an, besonders das Schlusskapitel verrät in den eindringlichen Aufforderungen, sich die Bedeutung der Inkarnation bewusst zu machen, eine enge emotionale Bindung des Predigers und seiner Gemeinde. Die Predigt endet mit dem Hinweis, dass es erst im Jenseits möglich sein werde, Gott in seinem Wesen zu schauen. Die unter Augustins Namen überlieferte Predigt wurde erstmals von den Theologi Lovanienses gedruckt,7 ohne dass die Verfasserfrage diskutiert worden wäre. In der bis heute maßgeblichen Edition der Mauriner ist die Predigt als Sermo 371 unter den Sermones dubii eingereiht. Die Mauriner zweifelten vor allem deswegen an der Echtheit, weil in den zwei Anfangskapiteln mehrere Sätze wörtlich mit Sermo 380,2 (auf die Geburt Johannes des Täufers) übereinstimmen. Da diese Predigt heute zweifelsfrei als echt gilt,8 ist auszuschließen, dass auch Sermo 371 von Augustinus stammt, weil Augustinus seine Predigten extemporiert und daher keine Versatzstücke aus anderen Predigten verwendet. Eine Quellenanalyse von Sermo 371 zeigt, dass der Text auch an anderen Stellen von verschiedenen Quellen abhängt: Die einleitenden Worte sind einer Weihnachtspredigt entnommen, die in mehreren Rezensionen unter den Namen verschiedener Autoren (Augustinus, Hieronymus, Maximus Taurinensis) überliefert ist.9 Der von

|| 7 Tomus X. Operum D. Aurelii Augustini Hipponensis episcopi, continens sermones ad populum et clerum, Antverpiae 1576, 525f. Ein Nachdruck des Lovaniensestexts findet sich bei CUMDIUS – MOSANUS, Bibliotheca homiliarum, 154b–155b. 8 VERBRAKEN, Études critiques, 154; DOLBEAU, Sermonnaire Augustinien, 15 und 17. 9 Es handelt sich um Ps. Max. Taur. 45 = Ps. Hier. epist. 25 (aus Illyrien ?) und Ps. Aug. serm. ed. Caillau 2, app. 22 (= De paenitentia [VERBRAKEN, Études critiques, 202f., nr. 33]; in beide Predigten ist augustinisches Textmaterial eingeflossen; vgl. WEIDMANN, Sermo Mai 10, bes. 175 Anm. 7). Welche der Fassungen unserer Predigt zugrundeliegt, ist nicht zu entscheiden. – Die Ähnlichkeit der

114 | Clemens Weidmann  Claudianus Mamertus aus § 3 exzerpierte Abschnitt lehnt sich, wie schon die Mauriner richtig erkannten, gedanklich eng an Aug. epist. 137,11 an.10 Ein weiteres Beispiel für Abhängigkeit von fremden Quellen dürfte an jenen zwei Stellen vorliegen, die mit dem ersten Text aus dem Homiliarium Veronense übereinstimmen. Diese Predigt wurde – wahrscheinlich im 9. Jh. – fast ausschließlich aus patristischen Quellen, die von Ambrosius bis Isidor reichen, zusammengesetzt.11 Bei den zwei übereinstimmenden Abschnitten handelt es sich um Passagen, die sich bei keinem anderen Autor nachweisen lassen. Nimmt man an, dass der anonyme Kompilator des Veroneser Homiliars Sermo 371 benutzt hat, ist nicht zu erklären, warum er sich dabei auf zwei bei anderen Autoren nicht nachweisbare Stellen beschränkt hätte. Daher ist eher anzunehmen, dass beide Predigten einer anderen, heute unbekannten Quelle folgen. Gestützt wird diese Beobachtung dadurch, dass im Veroneser Homiliar beiden Stellen jeweils ein nicht identifizierbarer Satz vorausgeht, || Anfangsworte führte dazu, dass beide Predigten in moderner Literatur verwechselt wurden: Grysons Behauptung (in: Répertoire général 1, 254), Sermo 371 werde von Alcuin als Hieronymus zitiert, ist falsch, weil das mit Item de tractatu sancti eiusdem (= Hieronymi) de natali domini eingeleitete Zitat (Alcuin in adv. Felic. 51 [PL 101, 109A]) mit Sicherheit der pseudo-hieronymianischen Fassung (= Ps. Hier. epist. 25) entnommen ist (aus dieser Fehlidentifikation resultiert in weiterer Folge die Zuordnung der Predigt an Hieronymus in CPPM I 5034); auch LAMBOT, Tradition manuscrite, 228 Anm. 1, irrt, wenn er das erweiterte Incipit von Sermo 191, das in Monte Cassino 12 überliefert ist und in einer Fußnote in PL 38, 1008 gedruckt ist, aus Sermo 371 ableitet. Auch in diesem Fall ist eine der anderen Predigten die Quelle. 10 PL 39, 1660. – Aug. epist. 137,11 (CSEL 44, p. 109,15–111,4): Sic autem q u i d a m r e d d i sibi r a t i o n e m flagitant, q u o m o d o d e u s h o m i n i p e r m i x t u s s i t , ut una fieret persona Christi, cum hoc s e m e l f i e r i oportuerit, quasi r a t i o n e m i p s i r e d d a n t d e r e , q u a e c o t i d i e f i t , q u o m o d o m i s c e a t u r a n i m a c o r p o r i , u t u n a p e r s o n a f i a t h o m i n i s . Nam sicut in unitate personae anima utitur corpore, u t h o m o s i t , ita in unitate personae deus utitur homine, u t C h r i s t u s s i t ... ergo persona hominis mixtura est animae et corporis, persona autem Christi mixtura est dei et hominis ... illud cotidie fit ad procreandos homines, hoc semel factum est ad liberandos homines. Verumtamen d u a r u m r e r u m i n c o r p o r e a r u m c o m m i x t i o f a c i l i u s credi debuit quam u n i u s i n c o r p o r e a e e t a l t e r i u s c o r p o r e a e ... ac per hoc verbi dei et animae credibilior debuit esse permixtio quam animae et corporis ... quomodo non fateremur d u o i n c o r p o r e a q u a m u n u m i n c o r p o r e u m a l t e r u m q u e c o r p o r e u m f a c i l i u s p o t u i s s e m i s c e r i ...? – Vgl. FORTIN, Christianisme, 123; MADEC, Christ de Saint Augustin, 232, führt den Gedanken auf die ἀσύγχυτος ἓνωσις des Porphyrius zurück. 11 MARTIN, Homiliarium Veronense, 1–21. – Zum Similienapparat sind folgende Ergänzungen anzubringen: 67–71: Aug. serm. 192,3 (PL 38, 1013,37–41; die Ergänzung von est in Zeile 68 ist nicht durch den Quelltext gestützt); 78–82: Aug. serm. 194,1 (PL 38, 1016,5–13); 323–326: Ps. Ildef. serm. 13 (PL 96, 280–283 [281A]); 366–369: Ps. Ildef. serm. 13 (PL 96, 280–283 [283A]); 433–436: Greg. M. in evang. 1,8,1 (55,26); Beda Luc. 1,2,1242; 482f.: Isid. diff. 24 (PL 83, 74,8); 484f.: Isid. diff. 24 (PL 83, 74,10); 485–487: vgl. Gennad. vir. ill. 54 (PL 58, 1090,2–4); 488–490: Aug. epist. 137,11 (CSEL 44, 110,1–3); 491–498: Ps. Aug. serm. 119,1 (PL 39, 1982–1983,4); für quis (497) ist wohl quasi zu lesen; vgl. B. LÖFSTEDT, Rezension zu Martin, Homiliarium Veronense, ALMA 60 (2002), 370: qui; 498f.: Ps. Aug. serm. 119,2 (PL 39, 1983,22f.); 528f.: Ambr. in Luc. 2,709. Zur 2. Homilie beispielshalber: 39–45: Aug. serm. 374 auct. (Dolb. 23), 13 (604,288–292).

Zwei Weihnachtspredigten des Eucherius von Lyon | 115 

welcher den folgenden Text gut vorbereitet und daher wohl aus demselben Text stammt wie der jeweils folgende Satz: 1 Eucher. serm. 1 (= Aug. serm. 371),1,17–20 ~ Hom. Veron. 1,62–67 nec immerito aucto iam abhinc die12 hodie lux incrementum capit, cum humano generi in hoc utique die vera lux venerit, ut recte dies tramitem solis augeat, quo nobis sol verus illuxit, recte tenebras noctis imminuit, qui nobis hunc per quem tenebris mortis absolveremur invexit.

Diesem in § 1 verwendeten Text, der die Wintersonnenwende mit der Geburt Christi als des wahren Lichts in Beziehung setzt, werden im Veroneser Homiliar zwei weitere Aussagen vorangestellt, die den providentiellen Charakter der Jahreszeit hervorheben (hom. Veron. 1,59–62): In fine enim anni et in alterius principio natus est qui dixit: „Ego sum A et W [sic!],“ hoc est, „principium et finis [cf. Apoc. 22,13].“ Nivali ergo et glaciali tempore nasci voluit qui ad depellendum infidelitatis frigus venire dignatus est. Daran schließt der im oben zitierten Text vorliegende Gedanke, dass mit der Geburt Christi als der wahren Sonne die Tage von nun an länger werden, organisch an. 2 Eucher. serm. 1 (= Aug. serm. 371),2,2–4 ~ Hom. Veron. 1,511–514 ad salvandos homines legem dederat, prophetas miserat; et quia sanandis languoribus nostris parum haec remedia processerunt, ipsum se ad salutem eorum offerre hominibus deus voluit.

Auch dieser in § 2 zitierte Abschnitt wird im Veroneser Homiliar mit einem (trotz aller sprachlichen Schwierigkeiten) thematisch sehr gut in den Kontext integrierten Hinweis auf Gottes ewigen Heilsplan vorbereitet (hom. Veron. 1,508–511): CONSERVATOR SALUTIS, qui ab initio seculi salutem hominis in sua prescientia conservavit; sed nunc medico opus est, cum absente eo artis suae medicamina minime proficiunt, denique13 intentus saluti humane ad salvandos homines legem dederat ... . Da das Gesetz und die Propheten nicht den gewünschten Erfolg brachten, wollte Gott selbst Mensch werden, um als Arzt die Seelen der Menschen zu retten. Es hat also den Anschein, dass sowohl Sermo 371 als auch die erste Predigt des Veroneser Homiliars die zwei Stellen aus einer gemeinsamen (verlorenen) Quelle übernommen haben. Wer ihr Autor ist, lässt sich nicht mit Sicherheit angeben. Einige sprachliche Übereinstimmungen könnten darauf hindeuten, dass beide

|| 12 Der Codex unicus des Homiliarium Veronense bietet auctolam (?) abhinc die, wofür der Editor auct〈atur〉 abhinc die〈s〉 schreibt. 13 Möglicherweise ist hier 〈qui〉 zu ergänzen.

116 | Clemens Weidmann  Exzerpte aus einer (oder zwei?) verlorenen Predigt des Augustinus übernommen sind.14 *** Während es aufgrund der oben vorgestellten wörtlichen Übernahmen aus anderen Predigttexten15 keinen Zweifel geben kann, dass Sermo 371 in der überlieferten Fassung nicht von Augustinus stammen kann, ist ein positiver Beweis für die von Claudianus Mamertus behauptete Verfasserschaft des Eucherius ungleich schwieriger. Zwei Argumente sprechen für die Zuverlässigkeit des claudianischen Testimoniums: Erstens zitiert Claudianus im Allgemeinen sehr zuverlässig.16 Dies gilt nicht nur für seine philosphischen Quellen, sondern im Wesentlichen auch für seine patristischen Autoritäten (Claud. Mamert. anim. 2,9). Allerdings ist in der CSEL-Edition von August Engelbrecht (CSEL 11) von den fünf genannten Autoren (Gregor von Nazianz, Ambrosius, Augustinus, Hilarius, Eucherius) nur das Zitat aus Augustins Buch De origine animae identifiziert,17 die Zitate aus Gregor von Nazianz und Hilarius werden nicht aufgeschlüsselt,18 die Exzerpte aus den Predigten des Ambrosius und des Eu-

|| 14 Zum ersten Text vgl. den ähnlichen Ausdruck in Aug. serm. 186,3 (PL 38, 1000,51): nam et ipse dies a quo deinceps incrementum lucis accipit dies, opus Christi significat, a quo interior homo noster renovatur de die in diem; zum zweiten Text vgl. Aug. in psalm. 57,8: medicamenta erant in prophetis, medicamenta erant in lege, praecepta ipsa omnia medicamenta erant. Die Worte nec immerito (1) bilden bei Augustinus einen beliebten Satzanfang, die Junktur languores sanare (2) ist überwiegend bei Augustinus bezeugt; sie findet sich beispielsweise im von Augustinus benutzten Psalter zu Psalm 102,3 (qui sanat omnes languores tuos; Vulg. iuxta LXX: infirmitates). Freilich finden sich in den fraglichen Textabschnitten auch einige Augustinus fremde Begriffe; beispielsweise fehlt bei ihm das Adjektiv nivalis. 15 Die erste Hälfte der Predigt (bis zur Mitte von § 2) hängt fast ausschließlich von fremden Quellen ab; danach arbeitet der Verfasser selbständiger. 16 ENGELBRECHT, Untersuchungen, 428–430; BÖMER, Der lateinische Neuplatonismus; COURCELLE, Lettres Grecques, 225 (zu den Quellen im 2. Buch); SHANZER, Augustine’s Disciplines, 90–94; FORTIN, Christianisme, 21. 17 Die Fundstelle des wörtlichen Zitats CSEL 11, p. 133,16–19 wird nicht angegeben; es handelt sich dabei um den Anfang von Aug. epist. 166,4. 18 Die Testimonien aus Gregor und Hilarius sind schwer identifizierbar: Obwohl Claudian als Fundstelle Gregors Apologeticus angibt, ist das Zitat nicht eindeutig auffindbar (CSEL 11, p. 131,8– 11: Gregorius Nazianzenus in apologetico magnum videlicet inter animam et corpus clamat esse discrimen atque ut corpus corporalibus pasci sic animam incorporeis saginari). Es wurde von COURCELLE, Lettres Grecques, 225, mit Kapitel 7 aus Rufins Übersetzung des Apologeticus geglichen – die Übereinstimmung beider Texte reicht jedoch nicht über die Leib-Seele-Dichotomoie hinaus; gedanklich näher kommt der Text von Kap. 17, doch ist auch dies schwerlich Claudians Bezugstext. Die Vorstellung, dass sich der Leib von leiblichen, die Seele von unkörperlichen Dingen ernährt, ist (neu)platonisches Gemeingut; aus dem Corpus des Gregor am nächsten kommt eine Stelle aus De theologia II (= or. 28,22: PG 36, 56B): πῶς σιτίοις μὲν σῶμα, λόγῳ δὲ ψυχὴ τρέφεται; Bei dem von Claudian angeführten Zitat aus Gregors Apologeticus handelt es sich also wohl um ein Fehlzitat, das

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cherius werden – Letzteres offensichtlich zu Unrecht – in verlorenen Sermones lokalisiert. Dazu kommt als zweiter Grund, dass Claudian sich eng mit Eucherius verbunden fühlt. Er kennt ihn nicht nur aus seinen Schriften, sondern auch aus persönlichen Gesprächen und schätzte ihn sehr.19 Er bezeichnet ihn als den größten Bischof seiner Zeit20 und kennt seine vielfältige literarische Tätigkeit, darunter auch die Predigt, aus der er das Fragment zitiert.21 Danach fügt Claudian einen längeren Abschnitt an, in dem er daran Kritik übt, dass manche Menschen ihr Seelenheil aufs Spiel setzen und lieber die Falschheit an Fremden schätzen und die Wahrheit an Eucherius verurteilen.22 In dem langen, an seltenen Vokabeln reichen Exkurs tadelt Claudian den Geschmack seiner Zeitgenossen: Sie kritisieren die besten Autoren, während sie unfähige Literaten, die ihren armseligen Erzeugnissen fremde Textteile ‚annähen‘23 und unverdaute Klumpen hervorwürgen,24 überschwänglich loben, um sich der windigen Zustimmung Un- oder Halbgebildeter Menschen zu vergewissern. || von einem Irrtum (Claudians oder seiner Quelle?) herrührt. Ähnliche Bemerkungen finden sich auch in lateinischen christlichen Texten; vgl. Tert. anim. 6,6 (CCSL 2, pp. 788f.): quod omne corpus corporalibus ali iudicant, animam vero, ut incorporalem, incorporalibus, sapientiae scilicet studiis; Fulg. Rusp. incarn. 23,626 (CCSL 91, p. 332): certissime namque sicut caro sola cibis corporalibus pascitur, sic anima verbo dei spiritaliter enutritur. – An Hilarius lobt Claudian, dass er seine falschen Auffassungen (nihil incoroporeum creatum und nihil doloris Christum in passione sensisse; CSEL 11, p. 135,1–3) korrigiert habe; er bezieht sich dabei nach J. Doignon (SChr 254, p. 25 Anm. 6) auf Hil. Matth. 5,8,14f. (SChr 254, p. 158): Nihil est quod non in substantia sua et creatione corporeum sit, sowie auf Hil. Matth. 31,7,18–20 (SChr 258, p. 234): Transeat calix a me, id est quomodo a me bibitur, ita ab his bibatur, sine spei diffidentia, sine sensu doloris, sine metu mortis; vgl. auch Hil. trin. 10,10. 19 Claud. Mamert. anim. 2,9 (CSEL 11, p. 135,12–14): haudquaquam tamen Eucherium praeterierim mihimet vivente doctrina et praesentaneis coram disputationibus cognitum, non porro nuntiis aut lectione conpertum. 20 Ibid. (p. 135,14–18): qui scilicet viridis aevi, maturus animi, terrae dispuens, caeli adpetens, humilis spiritu, arduus merito ac perinde ingenii subtilissimus, scientiae plenus, eloquii profluus, magnorum saeculi sui pontificum longe maximus; zum seltenen Adjektiv dispuens s. ENGELBRECHT, Untersuchungen, 507. 21 Ibid. (p. 135,18–20): editis in rem fidei multiiugis variorum operum voluminibus ad populum quoque his super statu animae contionatus est. 22 Ibid. (p. 136,10–14): cedo mihi nunc illos, qui aeque talibus instituti ab hisce doctrinis degeneraverunt pessum facientes salubria sua et alienis semet noxiis obnoxiantes iniusto amantium sui odio eo usque prolapsi, ut extraneos mallent cum falsitate praeeligere et Eucherium cum veritate damnare. 23 Ibid. (p. 136,22–24): panniculos quosdam ex diversorum varia lectione concerpit eosdemque vilibus suis veluti quibusdam stuppeis adsuit. 24 Ibid. (p. 136,25–137,5): cernas hic alium situ fetidinarum turpium ex olenticetis suis ac tenebris cloacam ventris et oris inhalare sentinam interque ructandum quasdam suggilatiunculas fringultientem ab alio, qui stipem suam variis conlurcinationibus dilapidavit, parasitico more laudari. (Hier erkennt man, wie ein anderer im Schmutz stinkenden Drecks, in seinem Gestank und der Finsternis, die Kloake des Leibes und den Schleim des Mundes einsaugt und, während er unter Rülpsern einige Kotzbrocken hervorwürgt, von einem anderen, der sein Geld durch verschiedene Schlemmereien vergeudet hat, nach Parasitenart gelobt wird.)

118 | Clemens Weidmann  Abschließend bekennt sich Claudian noch einmal ausdrücklich zu seiner Ansicht, lieber von solchen Menschen gemeinsam mit Eucherius verworfen zu werden, als von der Wahrheit abzuweichen.25 Wie ist dieser Abschnitt zu verstehen? Kasper sieht darin einen Versuch Claudians, „die ehemaligen Lériner Mönche Faustus und Eucherius gegeneinander aus[zu]spielen“.26 Seine Erklärung greift jedoch zu kurz, weil Claudian hier mit keinem Wort auf einen konkreten theologischen Disput zwischen Faustus und Eucherius verweist, während er sonst die Seelenlehre des Faustus offen kritisiert, auf dessen anonymen dritten Brief er ja antwortet.27 Auch die Annahme, in dem Abschnitt sei die Skepsis der Lériner gegenüber Augustinus greifbar, trifft nicht den Kern des Problems.28 Im Vordergrund steht also weniger ein theologisch-philosophisches Problem, als vielmehr – und das bringen die zahlreichen ungewöhnlichen Wörter, von denen einige aus der Apologie des Apuleius stammen,29 zum Ausdruck – eine literarisch-stilistische Kontroverse. Der schwülstige, Apuleius imitierende Stil will in parodistischer Absicht die Gegner des Eucherius der Lächerlichkeit preisgeben, wenn sie ihre Inhaltslosigkeit mit schwülstiger Rhetorik und gesuchten Entlehnungen aus anderen Autoren zu kompensieren versuchen. Implizit stellt Claudian in diesem Abschnitt den schlichten und einfachen Stil seines Landsmannes Eucherius der von seinen Zeitgenossen hoch geschätzten, aber umso mehr inhaltslosen Rhetorik fremder Autoren gegenüber.30

|| 25 Ibid. (p. 138,1–3): ego vero praeelegerim ab istis cum Eucherio reici quam cum istis a veritate damnari. 26 KASPER, Theologie und Askese, 140. 27 Zur Frage der (vorgeblichen?) Anonymität des Briefs s. FORTIN, Christianisme, 43–46. 28 Zum Einfluss Augustins auf Eucherius s. O’LOUGHLIN, The Symbol gives Life, 225; KELLY, Eucherius, 140; MATHISEN, For Specialists only; DULAEY, Augustine en Provence; GRESCHAT, Spätantike Bildungstraditionen, 333; OPELT, Quellenstudien, 477. Zur Distanz der Lériner gegenüber Augustinus s. KASPER, Theologie und Askese, 246; 256–258 und 173: „spätestens seit seinen späten Gnadenschriften konnte er nicht mehr als Garant der Tradition angesehen werden.”. FORTIN, Christianisme, 21, sieht – wohl zu Recht – in Eucherius einen Gegenpol zum Antiaugustinanismus im Gallien des 5. Jhs.: „Le fait qu’un passage conservé par le De statu animae, et autrement inconnu, d’Eucher s’inspire à peu près intégralement d’Augustin donne à penser qu’il existait dès la première moitié du Ve siècle en Gaule un groupe d’intellectuels acquis aux idées de l’évêque d’Hippone et contribuant activement à les diffuser dans leur milieu.“ 29 ALIMONTI, Apuleio, bes. 209 mit Aufschlüsselung der verwendeten Stellen. Bömer denkt daran, dass Apuleius die teilweise singulären Wendungen (Apul. apol. 8; 98; 75) durch eine Mittelquelle – er denkt dabei zu Unrecht an Augustinus – bezieht: „Denn eine zweite, auch nur annähernd so drastische Beeinflussung Claudians durch die apulejanische Stilkunst findet sich ... nirgends“ (BÖMER, Der lateinische Neuplatonismus, 44f.). Zum Einfluss von Apuleius auf Claudianus s. auch ENGELBRECHT, Untersuchungen, 437f. 30 Man kann hier an Predigten denken, die mehr rhetorische Übungen sind als irgendein theologisches Anliegen verfolgen; Beispiele für diese Art von Predigten bietet in reicher Menge des Corpus des sogenannten Pseudo-Fulgentius.

Zwei Weihnachtspredigten des Eucherius von Lyon | 119 

Wenn sich Claudian in dieser literarischen Kontroverse eindeutig auf die Seite seines Zeitgenossen Eucherius schlägt, kann er es sich in keiner Weise erlauben, bei der Zitierung seiner Quelle einen Fehler zu begehen. Die Konfliktsituation und die demonstrative Inanspruchnahme der Wahrheit bürgen also dafür, dass er das Predigtfragment seinem richtigen Autor zuschreibt, da er im Falle eines Irrtums oder einer Verfälschung leicht widerlegt werden hätte können. Freilich ist die Kritik, die Claudian an seinen Zeitgenossen hinsichtlich ihrer geringen Originalität übt, insofern pikant, als in der Predigt des Eucherius das getan wird, was er bei anderen kritisiert: Die Kompilation eines Texts aus verschiedenen Quellen. Der Predigt des Eucherius muss man jedoch attestieren, dass die einzelnen Versatzstücke einem kohärenten Gesamtkonzept untergeordnet sind und sich ohne sprachliche und gedankliche Brüche zu einem sinnvollen Ganzen zusammenfügen.31 Im Gegensatz zum Testimonium des Claudianus Mamertus haben die sprachlichstilistischen und theologischen Indizien geringere Bedeutung für die Zuschreibung der Predigt an Eucherius. Erschwerend ist vor allem der Umstand, dass für einen sprachlichen Vergleich keine mit Sicherheit authentischen Predigten des Bischofs von Lyon zur Verfügung stehen. Denn die meisten Predigten, die in neuzeitlichen Drucken ohne jede handschriftliche Basis dem Eucherius zugewiesen wurden,32 gehören dem südgallischen Predigtcorpus des Eusebius Gallicanus an: Die Decem homiliae ad monachos (Euseb. Gallic. hom. 36–45), die in der Patrologia Latina (PL 50, 835–865) unter dem Namen des Eucherius gedruckt wurden, unterscheiden sich in stilistischer Hinsicht deutlich von unserer Weihnachtspredigt; sie gelten heute als Texte des Faustus von Riez.33 Es bleiben also nur die anderen Werke des Eucherius zum Vergleich übrig. Da sie anderen literarischen Gattungen angehören, ist es kein Wunder, dass sich kaum signifikante sprachliche Übereinstimmungen zwischen der Weihnachtspredigt und dem restlichen Œuvre des Eucherius finden.34

|| 31 Die von Claudian zitierte Passage, die auf Aug. epist. 137 beruht, erweist sich als gut in den Kontext integriert. Es schließt gut an die Aussage des Predigers an, beide Selbstaussagen Christi, die respektive von seiner göttlichen und seiner menschlichen Natur handeln, seien wahr. Auch das einmalige Ereignis der Inkarnation (quod semel factum est) hat einen deutlichen Anknüpfungspunkt am Beginn der Predigt: natus autem de matre semel. Auch die teils wörtliche, teils frei umgestaltende Benutzung augustinischer Vorbildstellen (Aug. serm. 380,2 und Aug. epist. 137,11) lässt darauf schließen, dass ein und derselben Bearbeiter am Werk war. 32 LIVINEIUS, Theodori Studitae, druckt 18 Homilien des Eusebius Gallicanus unter dem Namen des Eucherius (372–425); vgl. CCSL 101, p. XLIV. 33 DE LA BIGNE, Maxima Bibliotheca, 656–666; Euseb. Gallic. hom. 36–45 (CCSL 101A, pp. 415–582); zur Zuweisung an Faustus s. BERGMANN, Studien, 204f.; ÉTAIX, Eucher, 1316; COURCELLE, Nouveaux aspects, 400; KASPER, Theologie und Askese, 373–385; für Euseb. Gallic. hom. 38 vgl. GRIFFE, Sermons de Fauste de Riez, 29f. 34 Kleinere sprachliche Übereinstimmungen sind: Eucher. instr. 1,1188 (CCSL 66, p. 149): visionem illam in qua dominus assumptis tribus discipulis glorificatus est ~ § 2, jeweils zur Erzählung von

120 | Clemens Weidmann  Allen Werken gemeinsam ist, dass sie in einem gepflegten, aber nicht mit rhetorischem Schwulst überladenen Spätlatein verfasst sind, ein Charakteristikum, das Eucherius von zahlreichen seiner gallischen Zeitgenossen und der von Claudian kritisierten literarischen Mode wohltuend abhebt.35 Der Stil ist an Augustinus geschult, viele Gedanken sind nicht eigenständig, sondern vor allem Hieronymus und Augustinus verpflichtet.36 Der Wortlaut der Bibelzitate in der Weihnachtspredigt unterscheidet sich nicht in signifikanter Weise von dem des übrigen eucherianischen Œuvre; daher lässt sich daraus kein Kriterium für oder gegen die Echtheit der Predigt ableiten.37 Einige Indizien zeigen Kenntnis von monastischem Gedankengut, vor allem im Schlusskapitel: Mit einer Anspielung auf Psalm 1,2 wird zur Meditation aufgefordert,38 und mit dem Bibelzitat 1 Cor. 6,20: Pretio enim magno empti estis: glorificate et portate deum in corpore vestro endet auch Faustus von Riezʼ Schrift De spiritu sancto.39 Eine Verbindung mit Lérins wäre somit denkbar. Auch die Verwendung von Augustins Epistula 137, die von der Inkarnation Christi handelt, legt den südgallischen Raum als Entstehungsort nahe: Vincentius von Lérins verwendete Exzerpte aus diesem Brief für sein Augustinus-Florilegium,40 und einzelne Sätze des Briefes werden zur Abfassung von Predigten herangezogen: Neben der vorliegenden Predigt finden sich Zitate in Ps. Aug. serm. 169 und dem damit verwandten Sermo 175 des Caesarius von Arles.41 || Christi Verklärung, sowie Eucher. instr. 1,347 (CCSL 66, p. 97): repudiatis sacrificiis veteribus ~ § 1: repudiata lege. 35 ALEXANDER, Lérins, 13: „Die Reinheit des Latein eines Eucherius und Faustus ist für ihre Zeit bemerkenswert.“ 36 Zu den Quellen des Eucherius s. OPELT, Quellenstudien; KASPER, Theologie und Askese, 385–387. 37 Die Kombination von Io. 14,28 und Io. 10,30 zum Nachweis der göttlichen und menschlichen Natur Christi ist patristisches Gemeingut, ohne dass sich hier eine besondere Verwandtschaft der Predigt (§ 2) mit Eucher. instr. 1,1337–1343 (CCSL 66, p. 158) aufzeigen ließe (zur Verwendung beider Stellen in einer Weihnachtspredigt vgl. z. B.: Ps. Aug. serm. ed. Caillau II,22,1). Dasselbe gilt für die Verbindung der Anfangsworte des Matthäus- und des Johannesevangeliums (Eucher. instr. 1,1026– 1037 [CCSL 66, pp. 139f.]), die vom augustinischen Vorbild angeregt ist (§ 1; cf. Aug. serm. 380,2). Auch in anderen Themenbereichen lassen sich (wenig aussagekräftige) Übereinstimmungen zwischen dem Corpus des Eucherius und der vorliegenden Predigt ausfindig machen; z. B. das Thema der Schau Gottes (Eucher. instr. 1,220–226 [CCSL 66, p. 90]: quia Iacob vel Moses non in ipsa maiestatis suae gloria deum viderant, sed per subiectam divinae potestati speciem visibilis creaturae quae humanis poterat apparere conspectibus; Eucher. instr. praef. 30 [CCSL 66, p. 2]: sicut secreto suo ipsa divinitas operiebatur ~ § 2) und das Zitat Sir. 10,9 (Eucher. instr. 860f. [CCSL 66, p. 53]: in Salomone: quid superbit terra et cinis ~ § 3). 38 Vgl. KASPER, Theologie und Askese, 70. 39 Vgl. KASPER, Theologie und Askese, 289. 40 Vincent. Ler. exc. 6–7. 41 Augustins 137. Brief ist im Frühmittelalter außerhalb von Briefcorpora in Einzelüberlieferung weit verbreitet; vgl. MAURER, Strukturelle Untersuchungen, 46f; 53f; 64–77. Eine wörtliche Verwertung eines Augustinusbriefs in Predigten stellt einen ungewöhnlichen Rezeptionsakt dar; s. WEID-

Zwei Weihnachtspredigten des Eucherius von Lyon | 121 

Eucherius’ schlichter Stil traf offensichtlich nicht den Geschmack seiner gallischen Zeitgenossen.42 Vielleicht ist die geringe Wertschätzung auch der Grund dafür, dass sich seine Weihnachtspredigt handschriftlich nicht in Gallien/Frankreich erhalten hat. Denn abgesehen von Claudianus Mamertus findet sich eine Spur ihrer Benutzung nur bei Heiricus von Auxerre. Heiricus verwendete für seine Weihnachtspredigt exakt denselben Abschnitt, den auch Claudianus exzerpiert. Trotz dieser Übereinstimmung ist auszuschließen, dass Heiricus den Abschnitt nur durch Vermittlung Claudians kannte, weil kaum erklärbar wäre, warum Heiricus ohne Kenntnis des ursprünglichen Kontexts das Fragment wieder für eine Weihnachtspredigt verwertet hätte.43 Mit der reichen Verwendung fremder Quellen, allen voran Texten des Augustinus, erweist sich Eucherius jedoch als Wegbereiter der Predigtkompilationen des Caesarius von Arles: Beide stammen aus dem Adelsstand, sind rhetorisch hoch gebildet, verzichten aber bewusst in ihren Predigten zugunsten einer allgemein verständlichen Sprache auf jeden übertriebenen sprachlichen Schmuck. Beiden gemeinsam ist auch, dass sie aus vorhandenem Textmaterial (v. a. Predigten des Augustinus) schöpfen und neue, auf ein breiteres Publikum zielende Predigten schaffen.44 Ihre Predigten sind in die Anonymität abgesunken und werden in den Handschriften ausschließlich dem Augustinus zugeschrieben. || MANN, Discovering Augustine’s Words, 52f. – Vgl. auch Cassian. c. Nest. 7,27,2 (Zitat von Aug. epist. 137,13) 42 Vgl. Eucher. instr. praef. (CCSL 66, p. 77): consectans non tam eloquii exultantis ambitum quam necessariae brevitatis modum. – Das überschwängliche Lob des Sidonius Apollinaris für Eucherius (Sidon. epist. 4,3: ut Eucherius sollicitat) hat wenig inhaltliche Substanz, da der Name des Eucherius in einer rhetorisch stilisierten Aufzählung verschiedener Autoren genannt wird. 43 Heir. Aut. hom. 11,364–374 (CCCM 116, pp. 103f.): Quaerunt sane multi rationem mysterii huius, quomodo videlicet misceri potuerit homo et deus. Quaerunt rationem de eo quod semel factum est, cum ipsi nequeant rationem reddere de hoc quod cottidie fit, quomodo videlicet societur anima corpori ut fiat homo. Breviter itaque dicendum est: quomodo corporea incorporeaque res coniungitur, id est corpori anima miscetur ut homo efficiatur, ita homo coniunctus est deo et factus est deus ut fieret Christus. Illa duo incorporea, id est anima et deus, facilius coniungi permiscerique potuerunt quam misceatur una incorporea et altera corporea, anima et corpus, in persona hominis. Heiricus scheint sich im Folgenden an den Schluss von § 3 und 4 der Eucheriuspredigt anzulehnen (Heir. Aut. hom. 11,439–441 [CCCM 116, p. 106]: illud prae oculis habentes quantum se debeat homo submittere propter deum, si tantum se submisit deus homo propter hominem). 44 O’LOUGHLIN, The Symbol gives Life, 251, bezeichnet Eucherius als einen Janus-Charakter, der auf die urbane Welt der Aristokraten Galliens zurückblickt und auf das Mittelalter ausblickt; KELLY, Eucherius, 138–142. – SCHEIBELREITER, Bischof, 77: „Es wurde schon darauf hingewiesen, wie sehr die Predigten im Munde der gallo-römischen Bischöfe zu rhetorischen Glanzleistungen wurden, die bald den Inhalt vergessen ließen und bei allem Beifall der Gebildeten der großen Menge unverständlich blieben. Hier setzte Caesarius von Arles mit seiner ‚Volkspredigt‘ an.“ Vgl. auch seine Bemerkung über Avitus (58): Er befand sich „zwischen den Fronten der esoterisch wirkenden Bischöfe, die sich der Bildung verschrieben hatten, und den zukunftsorientierten Radikalen, denen sein bedeutender Zeitgenosse Caesarius von Arles angehörte.“

122 | Clemens Weidmann  Die geschickte Adaptation augustinischen Sprach- und Gedankenguts lässt erahnen, warum die Augustinuskenner in der Frage, ob die Predigt dem Bischof von Hippo zuzuschreiben sei oder nicht, schwankten.45 Wäre nicht die (fast) wörtliche Verwendung einiger Passagen aus Aug. serm. 380 und die nunmehr durch Claudian gesicherte Autorschaft des Eucherius, wäre die Frage wohl noch immer nicht mit Sicherheit entschieden. *** Gewisse Ähnlichkeiten der Eucheriuspredigt mit dem in der Maurineredition folgenden Sermo 372 geben Anlass zu vermuten, dass auch dieser Sermo von Eucherius stammt. Wie Sermo 371 enthält auch diese Predigt viel augustinisches Sprach- und Gedankengut, doch ist seine Authentizität, seitdem die Mauriner Zweifel an der Echtheit geäußert hatten, bis heute umstritten.46 Wie Sermo 371 streicht auch Sermo 372 – unter Rückgriff auf augustinisches Textmaterial – die zwei Naturen Christi heraus; beide Texte passen dadurch gut in die christologischen Streitfragen, die die Zeit zwischen den Konzilien von Ephesos (431) und Chalcedon (451) beherrschten. Beide Predigten sind in den Handschriften (mit Ausnahme der Familie α, die nur die erste Predigt überliefert) gemeinsam und jeweils unter dem Namen des Bischofs von Hippo überliefert; es ist daher also gut möglich, dass sie ursprünglich in einer Sammlung unter dem Namen des Augustinus vereinigt waren und dieser für die Erstellung von Homiliarien entnommen wurden. Sprachliche und gedankliche Übereinstimmungen finden sich vor allem jeweils am Beginn und am Ende der Predigten: Eucher. serm. 1 (= Aug. serm. 371) § 1: natus est nobis hodie salvator § 1: natus autem de patre semper, de matre semel § 1: sed plane utramque mirabilem (sc. nativitatem) § 4: agamus, ut quia dignatus est descendere propter homines deus, ad deum homo possit ascendere

Eucher. serm. 2 (= Aug. serm. 372) § 1: quia natus est nobis hodie salvator § 1: natus est de patre semper, de matre semel § 1: utraque nativitas ineffabilis, utraque mirabilis ... utraque nativitas mira § 3: descendit enim ut ascenderemus47

|| 45 Vgl. VERBRAKEN, Études critiques, 152; DROBNER, Augustinus von Hippo, 187. 46 Vgl. VERBRAKEN, ebd.; DROBNER, ebd. – Die Zweifel der Mauriner werden vor allem durch das ungeschickte (haud satis accurate pronuntiatum) de patre sine sexu, de matre sine usu, die wörtliche Übereinstimmung von natus est de patre semper, de matre semel mit der vorigen Predigt und die liturgische Verwendung eines Ambrosiushymnus, wofür diese Predigt der einzige augustinische Beleg wäre, genährt (PL 39, 1662 Anm. b). 47 Vgl. hom. Veron. 1,374: ille de celo discendit ut nos de terra ad caelum ascenderemur; s. dazu B. Löfstedt (o. Anm. 11) 369f.

Zwei Weihnachtspredigten des Eucherius von Lyon | 123 

Dazu kommen noch einige stilistische Charakteristika, wie z. B. die häufige Verwendung anaphorischer zweigliedriger Kola48 sowie die Verwendung von ergo zur Einleitung neuer Textabschnitte.49 Sermo 372 bedient sich wie Sermo 371 in großem Ausmaß augustinischer Formulierungen und Gedanken.50 Auch die zitierten Bibelstellen weisen hinsichtlich ihres Wortlauts und ihrer Kombination mit anderen Zitaten auf augustinische Predigtpraxis. Das Zitatkonglomerat Ps. 109,7; Ps. 18,6; Ps. 1,1 und Phil. 2,8 findet sich etwa in Aug. in psalm. 109,20 (vgl. auch ebd. 123,7); die Kombination von Is. 53,8; 2 Cor. 11,2 und Ps. 44,3 begegnet in der authentischen Weihnachtspredigt Aug. serm. 195, die wohl auch für einige einprägsame Formulierungen als Quelle gedient hat. Die große Zahl an Augustinussimilien legt die Vermutung nahe, dass der Predigt eine (heute verlorene) Augustinuspredigt als Quelle zugrundeliegt. Dass aber die gesamte Predigt echt ist, ist wohl auszuschließen.51 Das wichtigste Argument gegen die Echtheit scheint mir – neben einigen stilistischen Eigentümlichkeiten – darin zu liegen, dass kurz vor der Predigt ein Ambrosiushymnus gesungen wurde. Obwohl Augustinus mehrere Hymnen des Ambrosius kennt und sie in seinen Werken zitiert, bezeugt er dennoch nie eine liturgische Verwendung derselben.52 Außerhalb Afrikas hingegen war gerade der ambrosianische Weihnachtshymnus (Ambr. hymn. 5 [= Hymn. Walpole 6]: Intende qui regis Israel), aus dem in der Predigt eine ganze Strophe zitiert wird, in Gallien und Italien sehr beliebt. Dies bezeugt Faustus von Riez, wie Eucherius Angehöriger des Lériner Kreises, in einem Brief.53 Wenn er dabei gerade an Predigten wie diese denkt, kann man sein Testimonium als vages Indiz für die Autorschaft des Eucherius ansehen. Dass Eucherius der Verfasser auch dieser Predigt ist, wird sich wohl – anders als bei der ersten Predigt – nie mit Sicherheit beweisen lassen. Zumindest aus der ersten Predigt lässt sich aber deutlich erkennen, dass Eucherius in seiner Predigttätigkeit ein wichtiger Wegbereiter für die Rezeption augustinischen Gedankenguts in Gallien war.

|| 48 Eucher. serm. 1,1,9f.: ille; 3,1f.: quaerere ... quaerunt; 4,7: dignum se ipsum habeat ... dignum se existimet; 4,11f.: agamus; 2,1,9: utraque; 1,12f.: sine initio, sine fine ... sine libidine concipientem, sine corruptione parientem; 2,4: virginis filius, virginis sponsus; 2,9: ipsa ... ipsa. 49 Eucher. serm. 1,1,4. 9. 12. 16. 20. 26; 2,16. 19; 3,4; 4,11; serm. 2,1,4. 14. 17; 2,12. 18.27; 3,1. 50 Siehe den Apparatus similium im Editionsteil. 51 Siehe die oben Anm. 46 referierten Argumente der Mauriner. 52 KLÖCKENER, Hymnus, 461f. 53 Faust. Rei. epist. 7 (CSEL 21, p. 203): accipe etiam in hymno sancti antestitis et confessoris Ambrosii, quem in natali dominico catholica per omnes Italiae et Galliae regiones persultat ecclesia: procede de thalamo tuo, geminae gigans substantiae. WALPOLE, Early Latin Hymns, 51 leitet wegen der Nichtnennung von Afrika ex silentio ein Argument gegen die Zuschreibung der Predigt an Augustinus ab. – Zu den ältesten literarischen Zeugnissen dieses Hymnus s. ZERFASS, Mysterium mirabile, 26f. und 135 Anm. 636.

124 | Clemens Weidmann 

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titulum om. E; item sermo sancti Augustini episcopi de nativitate domini X B; cuius et unde supra M (sc. sermo Augustini de natale domini); sermo sancti Augustini episcopi (om. L) unde supra L F; unde supra V; sermo Augustini de nativitate domini D; sermo sancti Augustini N; unde supra sermo sancti Augustini O; sermo sancti Augustini episcopi de nativitate domini C Y; item sermo eiusdem Z

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1. Natus est nobis hodie salvator, et ideo hodie omni mundo sol verus exortus est. Deus homo factus est, ut homo deus fieret; et ut servus in dominum verteretur, formam servi dominus accepit. Habitavit in terris habitator caelorum, ut homo habitator terrae habitaret in caelis. Natus est ergo nobis hodie salvator, passus est diem partus, repudiata lege conceptus: natus autem de patre semper, de matre 5 semel. Etenim domini nostri Iesu Christi duas accepimus nativitates: primo divinam, deinde humanam, sed plane utramque mirabilem, in illa ut matris, in hac ut patris officia cessarent, unam aeternam ut crearet temporales, alteram temporalem ut praestaret aeternos. Ille ergo in forma dei patri aequalis, ille in forma servi patri subditus. Ille creator temporum natus in tempore est factusque est tam parvus, ut 10 ederetur a femina; sed tam magnus utique permansit, ut non separaretur a patre. Has ergo nativitates domini etiam duo evangelistarum principia testantur. Unus

1,1 [α β γ ‖ 1 – 4 natus … caelis] cf. Max. Taur. 45,2 – 6 ‖ 5sq. natus … semel] cf. Eucher. serm. 2 1 6 – 9 etenim … aeternos] cf. Aug. serm. 380 2 ‖ 9 aeternos exc. M ‖ 10sq. factusque … patre] cf. Aug. serm. 380,2

1,1 sq. hodie2 … fieret] cf. Max. Taur. 45,1,2 – 4 (CCSL 23,182; cf. Ps. Aug. serm. Caillau II, app. 22): hodie verus sol ortus est mundo hodie in tenebris saeculi lumen egressum est. Deus factus est homo, ut homo deus fieret ‖ 2 sq. et … accepit] cf. Max. Taur. 45,1,4sq. (CCSL 23,182): formam servi dominus accepit, ut servus verteretur in dominum ‖ 2 sq. ut2 … accepit] cf. Ps. Aug. serm. Caillau I,7,10: et ut servus fieret dominus, dominus ipse factus est servus ‖ 3 sq. habitavit … caelis] cf. Max. Taur. 45,1,5sq. (CCSL 23,182): caelorum et habitator et conditor habitavit in terris ut homo colonus terrae migraret ad caelos ‖ 4 cf. Eucher. serm. 2,1: quia natus est nobis hodie salvator ‖ 5 sq. natus … semel] cf. Eucher. serm. 2,1: natus est de patre semper, de matre semel ‖ 6 – 9 etenim … aeternos] Aug. serm. 380,2 (PL 39,1676,4) ‖ 9 ille1 … aequalis] cf. Aug. serm. 380,2 (PL 39,1676,13sq.): ille tantus in forma dei aequalis patri ‖ 10 sq. factusque … patre] Aug. serm. 380,2 (PL 39,1676,15 – 17) 1,1 salvator] karissimi add. γ (exc. Z) | et … est2 om. M | hodie2 tr. post est γ1 ‖ 2 deus1] qui add. M fieret deus tr. F M | verteretur in dominum tr. γ1 | dominum (A C N)] domino E β (ac. uv. V) ‖ 3 accepit dominus tr. γ1 | terris] deus add. B D ‖ 4 est1 om. C (ac.) M | ergo om. γ1 | nobis ergo tr. Z Y | hodie om. γ edd ‖ 5 *repudiatae legis γ edd | natus] est add. M | autem om. γ1 ‖ 6 etenim] ecce enim E (ecce etenim pc.) | etenim … nativitates] duas enim domini nativitates accepimus au | domini] *dei add. A N β (exc. M) | primo] unam au ‖ 7 deinde] alteram au | sed plane] tamen au | utram F (ac.) | in1 … 8 cessarent tr. post aeternos M; illam sine matre istam sine patre au | cessarent officia patris tr. γ1 ‖ 8 unam] illam au | crearent D; creare E | temporales au (codd); temporalem au (edd) | alteram] hanc au | temporalem] temporales E ‖ 9 praestarent D | aeternos au (codd.); aeternam au (edd) | ille1] illa O | patri1] patris E V | aequalis patri tr. γ1 | ille2 om. γ1 | patri servi tr. E | subditus matri γ1 ‖ 10 est in tempore tr. γ1 | factusque] factus au | factusque … parvus om. γ1 | est2 om. A | ut … 11 femina] editus a matre γ1 11 ederetur … femina] de femina nasceretur au | sed … permansit om. γ1 | tam … permansit] mansit tam magnus au | permansit] puer E | ut … separaretur] non tamen separatus γ1 | a patre non separaretur tr. au | separetur α1 (ac. A) ‖ 12 nativitatis V (ac.) | domini nativitates tr. γ1 edd | evangelistarum duo tr. Z Y | testantur principia tr. γ1 edd | unus … 13 ita] de nativitate autem divina ita unus γ1

128 | Clemens Weidmann

PL 39,1660 enim de nativitate divina ita ait: In principio erat verbum et verbum erat apud deum et

deus erat verbum. Hoc erat in principio apud deum. Omnia per ipsum facta sunt et sine 15 ipso factum est nihil. De hac vero nativitate humana ita evangelista alius refert: Liber generationis Iesu Christi filii David. Hic ergo natalis domini, hic secundae nativitatis dies est: Exsultemus et laetemur in eo. Nec immerito aucto iam abhinc die hodie lux incrementum capit, cum humano generi in hoc utique die vera lux venerit, ut recte dies tramitem solis augeat, quo nobis sol verus illuxit, recte tenebras noctis im20 minuit, qui nobis hunc per quem tenebris mortis absolveremur invexit. Hunc ergo prophetae annuntiantes tamquam lucernae venturum praecesserunt diem ortus eius et miracula, quae gesturus esset in carne, clarissimis praeconiis ediderunt. Rectum namque erat ut praedicaretur esse venturus, ne cum venisset dubitaretur. Hic itaque deus noster homo inter homines conversatus est. Apparuit enim videntibus homo,

α (α1 (A E) C N) β (L O F V) γ (Z Y γ1 (X B D)) ‖ 13 – 15 in … nihil] cf. Aug. serm. 380,2 ‖ 17 – 20 nec … invexit v ‖ 20sq. hunc2 … praecesserunt] cf. Aug. serm. 380,2 ‖ 22sq. rectum … esse] cf. Aug. serm. 380,2 ‖ 24 – 27 apparuit … eius] cf. Aug. serm. 380 2 1,13 – 15 Io. 1,1 – 3 ‖ 15sq. Mt. 1,1 ‖ 17 Ps. 117,24 ‖ 23sq. hic … est] cf. Bar. 3,38

13 – 15 in … nihil] Aug. serm. 380,2 (PL 39,1676,10 – 13) ‖ 17 – 20 nec … invexit] Hom. Veron. 1,62 – 67 (CCCM 186,3) ‖ 17 sq. hodie … capit] cf. Aug. serm. 186,3 (PL 38,1000,51sq.): nam et ipse dies a quo deinceps incrementum lucis accipit dies ‖ 20 sq. hunc2 … praecesserunt] cf. Aug. serm. 380,2 (PL 39,1676,17 – 21): ei praebentes obsequium et testimonium, tanquam lucernae venturo diei, omnes prophetae praenuntiantes eum ante ipsum nascendo venerunt, post ipsum credendo adhaeserunt ‖ 22 sq. rectum … esse] cf. Aug. serm. 380,2 (PL 39,1676,21 – 27): oportebat enim ut praenuntiaretur venturus, miracula facturus: quibus miraculis, bene intelligentibus indicaretur deus; humano autem aspectu videntibus appareret homo, parvus ad parvos, sed humilis ad superbos: parvitate sua docens hominem, ut se agnosceret parvum; ne, non grandescendo, sed tumescendo, se crederet magnum ‖ 24 sq. apparuit … servans] cf. Aug. serm. 380,2 (PL 39,1676,28 – 32): ut ergo generis humani istum tumorem sanaret ipse medicus, ipse medicina, non solum medicamentum adhibens, sed medicamentum se faciens, apparuit inter homines homo, offerens hominem videntibus, deum servans credentibus 13 deum] deus E ‖ 14 hoc … 15 nihil om. γ1 | principio] erat add. L (ac.) ‖ 15 est nihil ir. N | hac … nativitate] nativitate quidem γ1 | evangelista om. γ1 ‖ 16 generationis] gene praem. O | fili E | Davit X (ac.) 17 ea E γ (exc. Y) | aucto sl. C; acto E | aucto iam] auctolam v (cod); auctatur v (ed) | iam om. γ1; etiam V | abhinc] ab hac C (ac.); abhanc E | die] dies v (ed) | hodie sl. C ‖ 18 capit] accipit γ (accepit ac. Z) edd | cum … 19 augeat om. Monte Cass. Cod. CVI (iuxta PL 47,1192) | genere v | hac C (ac.) X B | lux vera tr. γ1 ‖ 19 tramitem] in praem. O | sol … 20 nobis om. edd | induxerit v | noctis tenebras tr. γ1 *imminuat C (pc.) N V ‖ 20 tenebris vl. Y; tenebrae γ (exc. Z) | mortis] *et ignorantiae add. v | absolveremur vl. Y; absolverentur γ (exc. Z) | ergo om. A ‖ 21 anunctiantes O | venturum om. γ1 | diem om. γ1 ortus] ortum E | et ortus eius tr. γ1 ‖ 22 miracula] miraculum E | quae … carne om. γ1 | esset gesturus tr. edd | rectum … 23 esse] recte enim praedicabatur γ1 ‖ 23 ne] nec E | hic … 24 est om. γ1 ‖ 24 deus] dominus praem. C N; dominus Z | enim] filius dei add. γ1

Zwei Weihnachtspredigten des Eucherius von Lyon | 129

intelligentibus deus, hominem intuentibus offerens, credentibus deum servans. Ergo 25 infirmos salvavit aspectus infirmitatis eius, firmos quaerit contemplatio divinitatis eius. 2. Obsecro vos, fratres dilectissimi, intuemini quam magnum sit hoc mysterium veritatis. Ad salvandos homines legem dederat, prophetas miserat; et quia sanandis languoribus nostris parum haec remedia processerunt, ipsum se ad salutem eorum offerre hominibus deus voluit. Porro homines deum ipsum in substantia sua videre non poterant, spem vero suam homines ponere in solo homine non debebant. Quid 5 ergo hic fieret? Hominem sequi non debebant. Homo sequendus non erat qui videri poterat; deus sequendus erat qui videri non poterat. Ut ergo exhiberetur homini, et qui ab homine videretur et quem homo sequeretur, deus factus est homo. Denique cum iam inter homines versaretur et apostolis tribus in secreto abductis medius

α (α1 (A E) C N) β (L O F V) γ (Z Y γ1 (X B D)) ‖ 2,1 obsecro inc. M ‖ 2 – 4 ad … voluit v ‖ 4 – 8 porro … homo2] cf. Aug. serm. 380,2 ‖ 8 homo2 des. M 2,8 – 11 denique … potuerunt] cf. Mt. 17,1 – 6

25 – 27 ergo … eius] cf. Aug. serm. 380,2 (PL 39,1676,33sq.): aspectus enim humanitatis eius sanavit infirmos; contemplatio divinitatis eius quaerit firmos ‖ 2,2 – 4 ad … voluit] Hom. Veron. 1,508 – 514 (CCCM 186,18): CONSERUATOR SALUTIS, qui ab initio seculi salutem hominis in sua prescientia conservavit; sed nunc medico opus est, cum absente eo artis suae medicamina minime proficiunt, denique intentus saluti humane ad salvandos homines legem dederat, profetas miserat, et qui a sanandis langoribus nostris parum haec remedia processerunt, ipsum se ad salutem eorum offerre hominibus deus voluit ‖ 4 sq. porro … debebant] cf. Aug. serm. 380,2 (PL 39,1676,34 – 37): et nondum erant homines qui deum viderent in homine, nec poterant videre nisi hominem; nec tamen spem suam ponere debent in homine ‖ 5 sq. quid … fieret] Aug. serm. 380,2 (PL 39,1676,37): quid ergo fieret? ‖ 6 hominem … debebant] cf. Aug. serm. 380,2 (PL 39,1676,38sq.): homo hominem sequi non debet ‖ 6 sq. homo … poterat2] cf. Thomas summa theol. qu. 1, art. 2,37: unde Augustinus dicit, in quodam sermone de nativitate domini, homo sequendus non erat, qui videri poterat, deus sequendus erat, qui videri non poterat ‖ 6 – 8 homo … homo2] Aug. serm. 380,2 (PL 39,1676,39 – 42) 25 intuentibus] se add. γ (exc. Z) | credentibus] se add. γ (exc. Z) | ergo … 27 eius om. γ1; mg. C (mp.; ergo i- lnp.; aspec- lnp.; firm- lnp.; -platio lnp.) ‖ 26 contemplatiox L (uv.) ‖ 27 eius om. Z 2,1 obsecro] obsecros O; ergo add. M | fratres dilectissimi] carissimi γ1 (fratres praem. D) edd quam … sit] quantum sit magnum L | magnus C | hoc … veritatis] hodiernae festivitatis mysterium M 2 veritatis] nativitatis γ (exc. Z) | sanandis] salvandis Y ‖ 3 nostris] vestris N | nostris parum om. γ edd parum] patrum α V | processerant M; non profuerunt γ (exc. Z); praecesserunt α Z edd | se ipsum tr. M γ (exc. Y) | ad om. V | eorum om. γ1 ‖ 4 offere X (ac.) | hominibus tr. ante ad γ1 | deus voluit] dignatus est deus γ1 | ipsum om. γ1 | sua substantia tr. M γ1 ‖ 5 poterat E; potuerunt γ edd | vero om. β (exc. V) homines suam tr. edd | homines om. N γ1 | in solo homine ponere tr. N | ponere … debebant] in homine in vanum ponebant γ1 ‖ 6 hic fieret om. γ1; hii facerent C (ac.) | homine E | hominem … debebant om. γ1 | homo … poterat tr. post deus ... non poterat au | erat] eant O | videri] non add. E 7 deus … poterat2 om. Z | sequendus] autem γ (exc. Z) | homini … 8 videretur om. L O | homini … 8 et om. M | et … 8 videretur om. F | et … 8 et om. γ1 ‖ 8 qui] quia E | homo1 om. γ1 | homo factus est tr. C N 9 cum om. E | conversaretur C N; verseretur O | tribus apostolis tr. γ1 edd | ductis γ1; adductis V Z Y edd

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10 astaret, subito eis in illa divini vultus claritate resplenduit; quod apostoli qui praesentes erant vix intueri pro humani affectus infirmitate potuerunt. Nasci humanitus voluit, ut nos in ipso divinitus nasceremur et futuris cultoribus suis iteratae nativitatis sacramenta sanciret, ut nos qui nativitate illa coartati tenebamur obnoxii salvatoris nostri vestigia comitati secundae nativitatis praesidia certa potiremur, qua in 15 deo et ex deo nati abrumperemus vincula mortis antiquae, cum pignus salutis spiritum sanctum sumeremus. Ergo cum apparere hominibus deus vellet eosque quae prius mandaverat docere etiam praesens cuperet, vim divinam assumpto homine temperavit et posuit tenebras latibulum suum et in circuitu suo se tabernaculo carnis obtexit. Tali ergo et tam ineffabili sacramento Christus deus noster et 20 homo habetur et deus, per matrem homo, per patrem deus creditur. Sic fit ut utrumque illud verum sit quod ait: Pater maior me est, et: Ego et pater unum sumus. Nam divinitate aequatur patri, incarnatione subditur patri. 3. Quaerere tamen quidam solent, quomodo misceri potuerit homo et deus. Quaerunt rationem huius mysterii, quod semel factum est, cum ipsi nequaquam α (α1 (A E) C N) β (L O F V) γ (Z Y γ1 (X B D)) ‖ 17 vim inc. M ‖ 3,1 – 8 quaerere … existat c h; cf. Aug. epist. 137,11 18sq. et1 … obtexit] Ps. 17,12 ‖ 21 Io. 14,28 | Io. 10,30

3,1 quaerere … deus] cf. Heir. Aut. hom. hiem. 11,364sq. (CCCM 116,103sq.): quaerunt sane multi rationem mysterii huius, quomodo videlicet misceri potuerit homo et deus ‖ 2 – 4 quaerunt … homo] cf. Aug. epist. 137,11 (CSEL 44,109,15 – 110,1): sic autem quidam reddi sibi rationem flagitant, quo modo deus homini permixtus sit, ut una fieret persona Christi, cum hoc semel fieri oportuerit, quasi 10 abstaret O; staret α1 | eis] lumen add.O | vultus] cultus γ (tr. ac. ante divini Z) edd | quod] et cum γ (exc. Z) | qui … 11 potuerunt] eum pro humanae infirmitatis defectu vix intueri (intuere D) sufficerent quanto magis carnalis hominum acies videre deficeret γ (exc. Z) ‖ 11 affectus] aspectus Z | voluit humanitus tr. γ1 ‖ 12 divinitus om. Z edd | renasceremur divinitus ut (et D) γ (exc. Z) | nasceretur E 13 sanciret] sancire V; sancciret D | ut] et add. E | nativitate] a praem. γ edd | illa om. E | coartati om. L O F; coarti E | salvatoris … 14 comitati om. γ1 ‖ 14 nostri] nostris E | certa potiremur praesidia γ1; praesidiis certis potiremur C N Z; praesidio certo potiremur V edd | qua] quia β (exc. M); per quam Z; quo edd | in … 15 ex] ex (in add. E) deo et in tr. α1 β (exc. M) ‖ 15 et om. Z (ac.) D | abrumpemus O; obrumperemus E (ac.) | antiquae mortis vincula abrumperemus tr. γ1 | cum pignus] cupimus praem. E 16 spiritum] per praem. γ (exc. Z) | assumeremus N | appare O | deus hominibus tr. Z | vellet deus tr. D eosque] eaque γ (exc. Z) ‖ 17 doceret E | etiam praesens docere tr. γ1 | vimque M ‖ 18 homine] deus add. M | tenebras posuit tr. D | et2 om. α1 γ edd | suo] cum add. γ (exc. Z) edd | tabernaculo] a2- sl. Y carnis obtexit tabernaculo tr. γ1 ‖ 19 carnis sl. Z | obtexit] ut apparere hominibus deus posset eosque quae prius mandaverat add. M (cf. 16sq.) ‖ 20 habeatur N | de matre γ (exc. Z) | de patre γ (exc. Z) creditur om. γ1 edd | sic] sicque γ (exc. Z) edd | utrumque illud ut tr. α1 N ‖ 21 illud om. γ1 | sit verum tr. F Z Y D edd | quod] ipse add. M | et1 … et2 iter. E (ac.) ‖ 22 patri aequatur tr. γ1 | incarnationi E | patri2 om. γ1 3,1 tamen om. D c | tamen … solent] sane multi h | quomodo] in Christo add. c | poterit E L O F X B; potuit Y edd; potest A | deus et homo tr. C N M γ1 ‖ 2 quaerunt … 3 est] cum exprimere nequeant γ1 rationem huius mysterii (huius mysterii tr. codd. A F M) tr. ante quomodo (1) h | reddere rationem nequaquam possint eius rei tr. c

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possint eius rei reddere rationem quae fit semper, id est quomodo societur anima corpori, ut fiat homo. Ergo quomodo corporea res incorporeaque coniungitur et corpori anima miscetur, ut homo efficiatur, ita homo coniunctus est deo, et factus est 5 Christus. Et tamen ut fieret Christus, duo illa incorporea, id est anima et deus facilius coniungi permiscerique potuerunt, quam miscetur una incorporea aliaque corporea, id est anima et corpus, ut persona hominis existat. Quod si deus caeli ac terrae, cum deus esset, homo factus est et humiliavit semetipsum usque ad mortem, mortem autem crucis, quanto autem superbire non debet terra et cinis? Videte, fratres, PL 39,1661 quantum se humiliat propter hominem deus. Quantum se deicere servus debet, quando ad humilitatem descendit et dominus? Quae humilitas, fratres carissimi, si plenissime ab hominibus possidetur, etiam in caritatem usque proficiet. Nam dum

α (α1 (A E) C N) β (L O F M V) γ (Z Y γ1 (X B D)) 3,8 – 10 cum … crucis] cf. Phil. 2.6 ‖ 10 superbire … cinis] cf. Eccl. 10,9 rationem ipsi reddant de re, quae cotidie fit, quo modo misceatur anima corpori, ut una persona fiat hominis; cf. Heir. Aut. hom. hiem. 11,365 – 368 (CCCM 116,104): quaerunt rationem de eo quod semel factum est, cum ipsi nequeant rationem reddere de hoc quod cottidie fit, quomodo videlicet societur anima corpori ut fiat homo 4 – 6 ergo … Christus1] cf. Heir. Aut. hom. hiem. 11,368 – 371 (CCCM 116,104): breviter itaque dicendum est: quomodo corporea incorporeaque res coniungitur, id est corpori anima miscetur ut homo efficiatur, ita homo coniunctus est deo et factus est deus ut fieret Christus ‖ 6 – 8 et1 … existat] cf. Aug. epist. 137,11 (CSEL 44,111,2): quo modo non fateremur duo incorporea quam unum incorporeum alterumque corporeum facilius potuisse misceri, si tamen non indigne ad ista mixtionis vel mixturae nomen admittitur propter consuetudinem corporalium rerum longe aliter se habentium aliterque natarum?; Heir. Aut. hom. hiem. 11,371 – 375 (CCCM 116,104): illa duo incorporea, id est anima et deus, facilius coniungi permiscerique potuerunt quam misceatur una incorporea et altera corporea, anima et corpus, in persona hominis. Neque ita verbum in carnem conversum est, neque caro in verbum confusa est sed, distinctis substantiis, verbum et caro unam Christi fecere personam 3 rationem reddere eius rei (rei om. Z Y) tr. Z Y edd | rei sl. F | rationem reddere tr. C N | fit] fiat N | id est om. c | quomodo … 4 homo] quomodo animae corpus, et anima corpori miscetur, ut homo fiat Monte . Cod. CVII (PL 47, 1192) | societur anima] anima miscetur γ edd ‖ 4 corpori] corporis A | homo fiat tr. edd | quomodo] sicut γ edd | corporea] corpora V (ac.); incorporea M | res corporea tr. γ1 | res om. V incorporeaque res tr. h | res … 7 potuerunt iter. O (ac.) et tr. post corporea (7) | incorporeaque] corporeae M; incorporeae N (1) L O F; incorporea N (2) O | et] id est h; id est quomodo M | et … 5 miscetur om. γ edd ‖ 5 et homo efficitur γ1 | est1] et X (ac.) ‖ 6 Christus1] deus h | et tamen om. h | et tamen ut] ut autem γ (exc. Z) | illa duo tr. h ‖ 7 potuerunt c (codd); potuerint c (edd) | misceatur N h; misceretur α1 Y | una … corporea] res (om. D) corporea et incorporea γ1 | alia M; et altera h ‖ 8 id est om. h; iter. A (ac.) | corpus et anima tr. γ1 | ut] in h | deus] creator γ (exc. Z); creator add. edd | caeli] deus add. E | ac] et Z ‖ 9 humiliavit semetipsum] semet humiliavit γ1 ‖ 10 autem2] minus M; amplius α (add. α1; add. mg. C) | supervire α1 | non superbire tr. γ1 | non om. M | debet] amplius add. N | videte] fratres add. γ (exc. Y) edd ‖ 11 humiliavit O F M γ1 edd | homines γ edd | debet servus tr. C N γ1 edd 12 quando] et add. L F | ad] tantam add. γ (exc. Z) edd | descedit O | et om. γ1 | humilitatis F (ac.); humilitam X (ac.) | fratres om. γ (exc. Z) edd ‖ 13 plenissime om. γ1 | in] ad γ (exc. Z) edd

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alter alterum existimat superiorem, dilectio facit aequalitatem. Unde non se ipse 15 homo despiciat, propter quem utique ista subire deus dignatus est. 4. Et ego quidem, fratres, pro quibus impendi et superimpendi cupio, licet magnos vos semper in conscientia mea fecerim, tamen maiores quodammodo vos res mihi ista efficit, cum intendo quanta sit domini mei pro homine dignatio. Vos utique estis dominicae incarnationis, vos dominici sanguinis pretium, vos membra Christi, 5 vobis caput Christus est; pro vobis nasci, pro vobis pati cuncta non distulit; crucem quoque ipsam ob hoc pertulit, ut vos sibi in familiam coaptaret. Vos appellamini Christi fratres, vos appellamini heredes dei. Pro hoc unusquisque dignum se ipsum habeat, coram quo peccare non debeat; dignum se existimet, coram quo, si delictum cogitaverit, erubescat. Pretio enim magno empti estis: glorificate et portate deum in 10 corpore vestro. Hic pro vobis natus est, hic oblatus est pro vobis; hic etiam, si digne agatis, habitat in vobis. Agamus ergo meditantes in lege domini die ac nocte, ut comprehendere eum et videre mereamur. Agamus, ut quia dignatus est descendere propter hominem deus, ad deum homo possit ascendere.

α (α1 (A E) C N) β (L O F M V) γ (Z Y γ1 (X B D)) ‖ 4,11 in1 des. C ‖ 13 ascendere α β γ] 4,1sq. et1 … fecerim] cf. 2 Cor. 12,15 ‖ 7 heredes dei] cf. Rom. 8,17 ‖ 9sq. 1 Cor. 6,20 ‖ 11 meditantes … nocte] cf. Ps. 1,2

4,12 sq. agamus … ascendere] cf. Caes. Arel. serm. 202,2,11 – 13 (CCSL 104,815): quia ergo ad illum panem homo non poterat ascendere, dignatus est ad hominem panis ipse descendere: et hoc cum ineffabili pietate factum est; quia oportebat ut mensa illa angelorum lactesceret, et ad parvulos perveniret 14 faciet β Z | unde] ergo add. α (sl. C) | unde … 15 est om. γ1 ‖ 15 dignatus est deus tr. Z Y edd 4,1 quidem sl. C | impendere (impendi vl.) M; impendimus A | et superimpendi om. V ‖ 2 in conscientia mea semper tr. γ1 | vos quodammodo tr. X B | res mihi] mihi res (rex ac. A) tr. A ‖ 3 ista mihi tr. β (exc. V) γ1; istas E | domini mei pro homine sit tr. γ1 ‖ 5 Christus caput tr. V | est Christus tr. γ1 ‖ 6 ob] ad edd | vos1] nos α V | coaptaret] cooptaret fortasse melius | vos2] hinc praem. γ1; quos B (ac.) | vos2 … 7 dei] hinc vos Christi fratres et Christi appellamini heredes γ1 ‖ 7 heredes dei] Christi heredes Z Y edd | pro hoc] proinde carissimi γ1; proinde dilectissimi edd | dignum … habeat] = dignetur | ipsum om. γ1 ‖ 8 existimet (O)] *aestimet E N L F V | si] se Y ‖ 9 deum] dominum E ‖ 10 hic1 … est1 om. V vobis1] nobis α Z | est1 om. γ1 | oblatus est (est om. B; est oblatus tr. X B) pro vobis (nobis A) tr. A γ1 edd | vobis2] nobis E C N V Z ‖ 11 agatis] agamus α (pc. C) | vobis] nobis α1 N | mediantes O (ac.) | ut] et add. α1 N | ut … 12 mereamur om. γ1 ‖ 12 eum] eam β (exc. M) | et] ut L O F Z edd | quia] sicut pro nobis ad terras γ1; si (d add. sl.) nobis ad terras Y ‖ 13 propter hominem om. γ (exc. Z) | hominem] *homines edd | ad … ascendere] ita ad caelos ascendere possimus homines γ (exc. Z) | ascendere] per Christum dominum nostrum add. γ1; per dominum nostrum Iesum Christum amen (om. Z) add. Z Y; per dominum nostrum Iesum Christum qui ex virginali utero carnem sumens hodie mundo apparuit, cui sit laus, honor, virtus, decus et imperium per infinita saecula saeculorum amen add. N β (exc. V) Monte Cass. Cod. 99; per dominum nostrum add. V; per dominum nostrum Iesum christum qui cum patre et spiritu sacnto vivit et regnat in saecula saeculorum amen add. α1

Zwei Weihnachtspredigten des Eucherius von Lyon | 133

Eucherius, sermo 2 Conspectus siglorum β=LOFV L = Lucca, Bibl. Capitol. Fel., cod. Pl.I 85, s. XI: ff. 23v1–24r2 O = Napoli, Bibl. naz. Ms. VI. C. 18, s. XIV; ff. 29v1–30r2 F = Firenze, Bibl. Laur. Plut. XIV 1, s. XIII; ff. 26r2–27r2 V = Vat. lat. 1267, s. XI; ff. 74v2–75v2 γ=ZYXBD Z = Bruxelles, BR Cod. 5485–98, s. XII; ff. 7r–7v Y = Bruxelles, BR Cod. 218, s. XII; ff. 113v1–114r2 γ1 = X B D X = Bruxelles, BR Cod. II 1420, vol. II, s. XII; ff. 51r2–52r1 B = Berlin, SBB-PK Ms. theol. lat. fol. 269, s. XII2/4; ff. 43v1–44r2 D = Bonn, Univ. u. Landesbibl. Hs. S 317, s. XV; ff. 75r2–76v1 v = Homiliarium Veronense, hom. 1 (CCCM 186, pp. 1–21) edd = lo mi lo = Lovanienses mi = PL 39, 1661–1663

tit.: sermo cuius supra de eodem die B; sermo sancti (om. V) Augustini episcopi (om. L V) unde supra L F V; unde supra D; unde supra sermo sancti Augustini episcopi O; item sermo (om. Z) cuius supra Z X; item sermo sancti Augustini Y

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PL 39,1661

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1. Novit fides vestra, quae hanc universam multitudinem congregavit, quia natus est nobis hodie salvator. Natus est autem de patre semper, de matre semel, de patre sine sexu, de matre sine usu. Apud patrem quippe defuit concupiscentis uterus, apud matrem defuit seminantis amplexus. Prima ergo nativitas ex patre naturam servavit, secunda nativitas gratiam seminavit. Illa tenuit maiestatem divinae substantiae, ista suscepit societatem mortalitatis humanae. In illa manens Christus sicut de illo scriptum est: Ipse est verus deus et vita aeterna, in hac autem ideo venire dignatus est, ut fieret oboediens usque ad mortem et moriendo vinceret mortem. Utraque nativitas ineffabilis, utraque mirabilis. Quod enim cor humanum comprehendere, quaeve lingua valeat explicare, aut quomodo natus sit Christus semper ex deo, aut quomodo nuper ex utero? Quis intelligat coaeternum filio patrem, quis eloquatur virginem matrem? illum sine initio, sine fine gignentem, illam sine libidine concipientem, sine corruptione parientem? Utraque nativitas mira est, quia divina est. Sive ergo illam, sive istam mens humana consideret, rectissime dicit: Generationem eius quis enarrabit? Et quid faciemus, fratres? Quoniam digne eloqui

1,1 novit [β γ ‖ 2 – 6 natus2 … humanae v 1,7 cf. 1 Io. 5,20 ‖ 8 ut … mortem1] cf. Phil. 2,6 – 8 ‖ 15 Is. 53,8 | quid … fratres] cf. Act. 2,37

1,1 novit … vestra] cf. Aug. serm. 60A,1,5 (CCSL 41Aa,253): novit caritas vestra ‖ 1 sq. quia … semel] cf. Eucher. serm. 1,1: natus autem de patre semper, de matre semel ‖ 2 natus1 … salvator] cf. Eucher. serm. 1,1: natus est nobis hodie salvator ‖ 2 – 6 natus2 … humanae] Hom. Veron. 1,316 – 322 (CCCM 186,12) ‖ 2 – 4 de3 … amplexus] cf. Aug. serm. 214,6,125 (RBen 72 [1962],17): illa sine ullo sexu, ista sine ullo virili complexu ‖ 9 utraque1 … mirabilis] cf. Aug. in evang. Ioh. 33,2,16 (CCSL 36,307): nam utraque eius nativitas mirabilis fuit: divina sine matre, humana sine patre; Aug. serm. 195,1 (PL 38,1017,49sq.): divina nativitate invisibilis, humana visibilis, utraque mirabilis 9 sq. quod … explicare] cf. Aug. in evang. Ioh. 31,10,17 (CCSL 36,299): unde hoc cordi humano cogitare, nedum lingua explicare? ‖ 13 utraque … est] cf. Aug. serm. 214,6,119sq. (RBen 72 [1962],17): utraque enim eius natiuitas mira vere credenda est, et divinitatis et humanitatis 14 sq. sive1 … enarrabit] cf. Aug. serm. 184,3: denique natus est Christus, et de patre et de matre, et sine patre et sine matre: de patre deus, de matre homo; sine matre deus, sine patre homo. Generationem ergo eius quis enarrabit? sive illam sine tempore, sive istam sine semine, ...; Aug. serm. 195,1 (PL 38,1017,50 – 1018,2. 19sq.): proinde quod de illo propheta praedixit: Generationem eius quis enarrabit, de qua potius dictum sit iudicare difficile est ... quamlibet itaque earum sive utramque generationem eius quis enarrabit 1,1 vestra] carissimi add. γ (exc. Z; pc. Y) edd | quae … congregavit om. γ1 ‖ 2 est2 om. D | autem om. γ edd ‖ 3 sine1] sinu D (uv. ac.) | concipientis Y edd ‖ 4 defuit om. γ1 | ergo om. γ edd | ex patre nativitas tr. γ1 ‖ 5 nativitas] ex matre γ (exc. Z; praem. sl. Y); nativitas ex matre edd | maiestatem tenuit tr. γ1 6 societatem suscepit tr. γ1 | in … 7 aeterna om. γ edd (cf. PL 47,1192) ‖ 7 hanc V | autem ideo om. γ1 8 et] ut X B ‖ 10 quaeve] -ae- ir. X; quae β (exc. M) Z | aut om. γ1 edd ‖ 11 ex2] in Z | utero] virgine γ (exc. Z) ‖ 12 quis] qui F | virginem] virginitatem L O F | illam] istam γ (exc. Z; pc. Y) edd ‖ 13 parientem] parturientem lo (vl.); paventem O | est om. γ1 ‖ 14 est divina tr. γ1 | sive ergo] rectissime sive γ1 consideret] si praem. γ1 | rectissime om. γ1 ‖ 15 quis] qui O | et] nos add. γ1 edd | quoniam] quem γ1 (qm. = quem ? D) | condigne F (pc.)

Zwei Weihnachtspredigten des Eucherius von Lyon | 135

non valemus, tacere debemus? Absit a nobis, absit ut taceat lingua servi, quando natalis est verbi. Dicamus ergo quod possumus, quod novimus, quod legimus. 2. Beatus David de Christo loquens dicit in psalmis: In sole posuit tabernaculum suum, et ipse tamquam sponsus procedens de thalamo suo exsultavit ut gigas. Processit enim hodie de sacro thalamo, hoc est de virgineorum viscerum abdito incorruptoque secreto. Processit inde virginis filius, virginis sponsus, filius videlicet Mariae, sponsus ecclesiae. Universae enim ecclesiae loquebatur apostolus, quando 5 dicebat: Aptavi vos uni viro virginem castam exhibere Christo. Ad istas nuptias Christi tales invitavit pater sponsi primum populum Iudaeorum. Sed quid ait evangelium? Qui invitati erant, non fuerunt digni. Invitata est postea universarum gentium multitudo, ipsa implevit ecclesiam, ipsa accepit de mensa dominica non viles epulas aut ignobiles potus, sed carnem ipsius pastoris et sanguinem. Occisus est ad nuptias 10 suas ipse innocens agnus, occisus est ad nuptias, et quoscumque invitavit, de carne sua pavit. Occisus ergo epulas praeparavit, resurgens nuptias celebravit. Occisus dispositam pertulit passionem, resurgens desponsatam duxit uxorem. In utero β (L O F M V) γ (Z Y γ1 (X B D)) 2,1sq. Ps. 18,6 ‖ 6 2 Cor. 11,2 ‖ 8 Mt. 22,8

17 natalis … verbi] cf. Aug. serm. 287,2 (PL 38,1301,39 – 41): natalis Christi natalis est carnis, non verbi: sed ideo natalis est verbi, quia verbum caro factum est ‖ 2,4 virginis1 … sponsus] cf. Aug. virg. 2,2 (CSEL 41,236,10sq.): adiuvet Christus, virginis filius et virginum sponsus; Quodv. symb. 2,4,27,77sq. (CCSL 60,340sq.): quis est qui haec operatus est nisi virginis filius et virginis sponsus? ‖ 4 sq. filius2 … ecclesiae1] cf. Aug. serm. 195,2 (PL 38,1018,26 – 31): hic est speciosus forma prae filiis hominum, sanctae filius mariae, sanctae sponsus ecclesiae, quam suae genitrici similem reddidit: nam et nobis eam matrem fecit, et virginem sibi custodit. Ad hanc quippe dicit apostolus: aptavi vos uni viro virginem castam exhibere Christo ‖ 5 sq. universae … Christo] Aug. bon. viduit. 10,13 (CSEL 41,319,19 – 21): universae quippe ecclesiae, cuius illa omnia membra sunt, apostolus dicit: aptavi vos uni viro virginem castam exhibere Christo ‖ 8 sq. universarum … multitudo] cf. Euseb. Gallic. hom. 49,3,31sq. (CCSL 101A,574): synagoga est nationis unius congregatio, ecclesia est universarum gentium multitudo 16 non valemus] (si praem. D) non possumus γ1 | valemus] potest V | absit1 … nobis om. V ‖ 17 verbi] domini γ edd | ergo om. γ1 | quod novimus om. γ edd | quod3] et quod γ1; quod et V 2,1 beatus] quoque add. γ1 | in psalmis om. γ1 ‖ 2 exsultavit … gigas om. γ1 | gigas] ad currendam viam add. V ‖ 3 enim hodie om. γ1 | de1] ad D | sacro] virginei uteri γ1 | hoc est om. F γ1 | est om. O | de2 om. V Z Y edd | virgineorum] beatorum γ1 edd (praem.); virgineo L O F | viscerrum D ‖ 4 inde om. γ1 filius2 … 5 sponsus om. O | Mariae videlicet tr. V ‖ 5 loquebatur] dicit γ1 | quando dicebat om. γ1 6 istas] has γ1 edd | tales nuptias Christi tr. edd | Christi tales om. γ1 ‖ 7 pater sponsi primum invitavit populum tr. edd; pater sponsi primum populum invitavit tr. γ1 ‖ 8 universarum om. γ1 ‖ 9 non viles de mensa dominica accepit tr. γ1 ‖ 10 ignobibiles Z (ac.) | carnem om. γ edd | carnem … pastoris] ipsius occisi Christi carnem praelibavit γ1; ipsius pastoris ipsius Christi carnem praelibavit edd | est] enim add. V ‖ 11 ipse … nuptias om. V | occisus … nuptias om. γ1 | nuptias] suas add. L O F (pc.) Z (pc.) 12 ergo om. γ1 edd; est praem. V Z Y | resurgens … celebravit om. V | occisus2] est add. V ‖ 13 dispositam] voluntariam γ1 edd | dispositam … resurgens om. V | disponsatam L (ac.) V; dispositam B D edd; depositam X

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virginis humanam carnem velut arram accepit, in cruce pretiosissimam dotem suum sanguinem fudit, in resurrectione atque ascensione sua aeterni matrimonii foedera roboravit. Ascendit enim in altum, captivam duxit captivitatem, dedit dona hominibus. Quae dona? spiritum sanctum, per quem diffusa humanis cordibus caritate inseparabiliter Christo tamquam viro suo adhaesit ecclesia. Processit ergo hodie tamquam sponsus de sacro thalamo suo et, sicut psalmus exsequitur, exsultavit ut gigas ad currendam viam. Processit ut sponsus, exsultavit ut gigas. Pulcher et fortis: pulcher ut sponsus, fortis ut gigas. Pulcher ut amaretur, fortis ut timeretur; pulcher ut placeret, fortis ut vinceret. Ubi invenitur in scripturis sanctis sponsi istius pulchritudo? Speciosus forma prae filiis hominum; diffusa est gratia in labiis tuis. Ubi invenitur gigantei roboris fortitudo? Dominus fortis et potens, dominus potens in proelio. Utrumque autem, id est et pulchritudinem et fortitudinem in eo viderat et intellexerat Isaias, quando dicebat: Quis est iste qui advenit ex Edom? Robur vestimentorum eius ex Bosor, sic speciosus in stola vestimenti cum fortitudine? Iste ergo propheta, qui et speciosum dixit et fortem, sponsum noverat et gigantem. 3. Ergo, carissimi, exsultavit ut gigas ad currendam viam. Quam viam nisi mortalem vitam, quam nobiscum dignatus est habere communem? Ipsa est via, per quam genus transit humanum. Transeunt enim per eam veniendo nascentes et abscedendo

β (L O F M V) γ (Z Y γ1 (X B D)) 16 Ps. 67,19 ‖ 17 spiritum … caritate] cf. Rom. 5,5 ‖ 19sq. Ps. 18,6 ‖ 23 Ps. 44,3 ‖ 24 Ps. 23,8 26sq. Is. 63,1 ‖ 3,1 Ps. 18,6

16 sq. dedit … sanctum] cf. Aug. serm. 128,4 (PL 38,715,11.17): dedit dona hominibus. quae dona? spiritum sanctum ... caritas dei inquit diffusa est in cordibus nostris ‖ 20 sq. processit … gigas] cf. Aug. serm. 195,3 (PL 38,1018,51 – 1019,1): ad hoc processit sponsus de thalamo suo, et exsultavit ut gigas ad currendam viam, speciosus ut sponsus, fortis ut gigas, amabilis et terribilis, severus et serenus, pulcher bonis, asper malis, manens in sinu patris, implevit uterum matris 3,3 sq. transeunt … morientes] cf. Aug. in psalm. 109,20,6 – 8 (CSEL 95/1,347): nascuntur homines vivunt, moriuntur et aliis morientibus alii nascuntur, rursusque illis morientibus alii oriuntur, succedunt, accedeunt, decedunt, nec manebunt 14 carnem humanam tr. γ1 | arras V; aram O | cruce] vero add. F (pc.) | pretiosam V | sanguinem (saguinem O) suum tr. L O F | suum … 15 fudit] suo sanguine donavit (ir. Y) γ (exc. Z) ‖ 15 sua om. γ1 faedera F ‖ 16 ascendens γ1 | enim om. γ1 ‖ 17 quae] -ae ir. X | cordibus] mentibus edd ‖ 18 adesit O 19 sacro *om. V γ1 | exsequitur (exegitur Z) psalmus tr. Z Y edd | exsultavit om. O ‖ 20 pulcher et fortis *om. V γ1 ‖ 21 ametur γ edd | timeatur γ edd ‖ 22 sacris γ edd | istius ir. L ‖ 24 gigantei] no add. O (ac.) gigantei roboris] gigantis γ edd | potens2] fortis O ‖ 25 id est om. γ1 | fortitudinem et pulchritudinem tr. O ‖ 26 quando] cum edd | advenit L; venit F (pc.) V γ1 | ex] de V γ1 | Edon O | robur (cf. 24: roboris) L O F Y X B lo; rubor V Z D mi ‖ 27 eius om. V | sic] si V (pc.) | speciosus] pretiosus γ1 | vestimentorum V cum fortitudine] cur fortitudo V | iste … 28 gigantem om. γ1 ‖ 28 speciosum] sponsum V 3,2 vitam om. γ1; viam Z Y edd | dignatus est nobiscum tr. Z Y edd | ipse V (ac.) | via om. γ1 3 humanum transit tr. Z Y edd

Zwei Weihnachtspredigten des Eucherius von Lyon | 137

morientes. Et iste humani generis fluvius ab initio usque in finem ex occultis naturae venis iugiter manat. De isto fluvio rapido ac turbulento bibere dignatus est Christus. 5 Modo audistis in psalmo: De torrente in via bibit. Torrens iste produxit nos ad nativitatem, perducit ad mortem. Quasi ex occulto fontis abyssum maris suscepit Christus. Utrumque pro nobis, et natus et mortuus est. Et quia homines in medio huius fluminis constituti plerumque delectantur mundi blandimentis et illecebris, quae limo huius torrentis involvunt atque in profundum inferni demergunt eos, qui dum 10 transeuntes undas avide hauriunt, sic necantur stare cupientes in torrente praecipiti et in re lubrica quaerentes fixa vestigia, ideo dominus de hoc torrente in via bibit. Quid est in via bibit? Transiens bibit. Bibit enim et transiit, non remansit: non stetit in via peccatorum. Item quia mortem metuunt homines, quos necesse est praecipitari omnes huius torrentis impulsu, Christus autem mortem, quam sponte susceperat, 15 timere non poterat, ideo dictum est: exsultavit ut gigas ad currendam viam. Descendit enim et cucurrit, ascendit et sedit. Nostis, quia sic confiteri soletis: Postquam resurrexit, ascendit in caelum, sedit ad dexteram patris. Hunc nostri gigantis ex-

β (L O F M V) γ (Z Y γ1 (X B D)) 6 Ps. 109,7 ‖ 13sq. Ps. 1,1 ‖ 16 Ps. 18,6 ‖ 17sq. cf. Mc. 16,19; symbolum

4 humani … fluvius] cf. Aug. civ. 22,24,11 – 13 (CCSL 48,847): sed utrumque simul currit isto quasi fluvio atque torrente generis humani, malum quod a parente trahitur, et bonum quod a creante tribuitur | ex occultis] Aug. in psalm. 109,20,12sq. (CSEL 95/1,348): sic hoc genus humanum de occultis colligitur et profluit, morte rursum in occultum pergit ‖ 6 – 8 de … est] cf. Aug. in psalm. 109,20,16sq. (CSEL 95/1,348): hoc habet torrens iste, nativitatem et mortem: suscepit hanc Christus; natus est, mortuus est; ita de torrente in via bibit ‖ 12 – 14 de … peccatorum] cf. Aug. in psalm. 123,7,12 – 14 (CSEL 95/3,138): de torrente in via bibit. quid est: in via bibit? transiens bibit, non haesit. In via bibit, quia de illo fonte dictum est: et in via peccatorum non stetit 4 generis humani tr. edd | fluvius] quasi praem. V ‖ 5 venis] venit γ lo; et add. D | rabido O F; rabio L; tabido X B | dignatus est bibere tr. γ1 ‖ 6 modo audistis] unde et γ1 | bibet O γ (exc. Y) | iste] quasi ex occulto fontis abyssi emanans Christum nobis add. γ1 | perduxit F; perducit V | nos om. γ1 7 perducit] perduxit γ edd; et add. γ1 | quasi … Christus] qui γ1 | fontis abyssum] fonte abyssi V 8 natus] est add. L (sl.) F V | et quia] unde γ1 ‖ 9 mundi blandimentis delectamur γ1 ‖ 10 involvuntur γ edd | atque … 12 vestigia] sicque transeuntes dum in re publica stare aestimamus (aestimamur X B) in torrentem praecipitamur inferni γ1 | inferni om. V | dimergunt V ‖ 11 undas mg. Z | sic necantur] siccantur V (s- ir.) | praecipitati Z Y lo; praecipitante γ1 mi ‖ 12 lubrica] publica γ (ac. Z) edd (labili in apparatu mi) | fixa] sicca Y | ideo dominus] dominus autem γ1 | hoc om. γ edd ‖ 13 quid … bibit2 om. γ1 | enim om. γ1 | enim et] et cum nemine V | transiit] et add. X B | non2] sed non Y (non sl.); nec Z edd (et praem.) in via peccatorum non stetit tr. γ1 ‖ 14 item quia] item Z edd; ideo Y; ideoque γ1 | quos] qua V; quia γ edd | est om. Y (ac.); et add. D | omnes praecipitari tr. γ1 ‖ 15 omnes] in add. L O F torrentis huius tr. B D | morte O | mortem … 16 poterat] quia mori venerat mortem non timuit γ1 16 potuit Z Y edd | ideo] ideoque γ1 | exsultavit] et praem. edd ‖ 17 ascendit … resurrexit om. B nostis … resurrexit] sicut in symbolo confitemur X D | sicut Z | post O ‖ 18 sedet F X B edd

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cursum brevissime ac pulcherrime cecinit beatus Ambrosius in hymno, quem paulo 20 ante cantastis. Loquens enim de domino Christo sic ait: Egressus eius a patre, regressus eius ad patrem, excursus usque ad inferos, recursus ad sedem dei. 25 Haec omnia, dilectissimi, quaeramus cur facta sunt et inveniemus facta pro nobis. Descendit enim, ut ascenderemus; mortuus est, ut viveremus; resurrexit, ut speraremus; ascendit in caelum, ut terrena contemnere et cor sursum erigere disceremus, denique ut levaret post se spem nostram, levavit primo carnem suam, et ut speraremus hoc secuturum in nobis, in illo praecessit quod accepit ex nobis.

β (L O F M V) γ (Z Y γ1 (X B D)) ‖ 3,28 denique … suam] Collectaneum exemplorum et visionum Claraevallense e codice Trecensi 946,1,25,348 (CCCM 208,157): denique ut levaret in celo spem nostram, levavit primo carnem suam

21 – 24 egressus … dei] Ambr. hymn. 5 (Walpole 6), 6,21 – 24 ‖ 26 descendit … ascenderemus] cf. Aug. epist. 140,4,11 (CSEL 44,162,9): descendit ergo ille, ut nos ascenderemus ‖ 28 sq. et … nobis2] cf. Aug. in psalm. 90,2,4,23 – 25 (CCSL 39,1720): ut haberem spem resurrectionis quam non habebam, ideo prior resurrexisti, ut quo praecessisti, illuc me secuturum sperarem; Aug. serm. 336,5 (PL 38,1474,26sq.): quo enim caput praecessit, et membra secutura speramus 19 brevissime ac om. γ1 | beatus Ambrosius cecinit tr. γ1 | in … ante] ut paulo ante in hymno γ1 20 loquens … ait] dicens γ1 ‖ 21 a] de X B ‖ 23 excursus] eius add. γ1 | usque] eius F (pc.) | infernum B D ‖ 24 recursus] eius add. γ1 | sedes D ‖ 25 carissimi γ1 edd; si add. γ edd | sint V | et om. V γ edd | vobis O ‖ 26 decendit X (ac.) | enim] Christus γ1 | ascendemus Z (ac.) | resurrexit ut speraremus om. L O F γ1 speraremus V; resurgeremus Z Y edd ‖ 27 contemneremus γ (contemneret Y) | cor sursum] sursum nos V ‖ 28 lavaret D ‖ 29 secuturum] futurum X B | in illo] in illud γ (exc. D); illud Z (vl.) D edd accepit … nobis2] ex nobis accepit tr. γ1; Christus dominus noster ipsi laus et gloria in saecula (saeculorum amen add. Y) add. γ (exc. Z; pc. Y); qui cum patre et spiritu sancto vivit et regnat deus in saecula saeculorum amen add. L O F; per Christum qui vivit et regnat in saecula saeculorum amen add. V

[email protected] FB Altertumswissenschaften, CSEL Universität Salzburg

Danuta Shanzer

Hell, the Resurrection, and Last Things: Philology in Orientius’ Afterworld1 “Les vers se sentient un peu de la barbarie du siècle: mais sans parler de l’antiquité qui les rend respectables, on ne laisse pas d’y trouver en plusieurs endroits des tours, des expressions, des pensées qu’on doit loüer dans tous les tems.”2 “I suppose that for one reader of O. there are at least twenty of Prudentius.” Robinson Ellis3 “Orientius is an interesting writer, not for what he says but for what he does not say. What he says is dull enough.” F. Haverfield4

Introduction Louis Havet austerely called his contributions to our author “Orientiana” (see Bibliography); I took Philology’s name in vain because, having worked on the De Nuptiis, I have always had a soft spot for that poor lady’s pallor, the result of her overassiduous learned lucubrations.5 This paper is what happens when Philology meets l’Au-delà in the vexed text of the 5th C. Gallic poet Orientius. There are many books on the evolution of hell, but little attention to this interesting text.

|| 1 This piece is dedicated with much affection to Kurt whose work, personal energy, and intellectual engagement and standards have been a model to me since we met in Oxford in the early 1980’s and a beacon in our field. I am blessed in Vienna in having a predecessor who cares so deeply and tenaciously about Late and Medieval Latin. My heartfelt thanks, as always, to the wonderful Classics Librarians at the University of Illinois at Urbana-Champaign. The good offices for Mark Wardecker, Christmas Present, who supplies my appetite for ILL items, and the incomparable research skills of Bruce Swan, Christmas Past, contributed greatly to this piece. 2 ANON., Notice, 37. 3 ELLIS, Commonitorium, 20. 4 HAVERFIELD, Recent Literature, 126f. 5 Mar. Cap. 1,37: an vero quisquam est, qui Philologiae se asserat pervigilia laborata et lucubrationum perennium nescire pallorem?

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Quis Auctor? Orientius named himself in the envoi to his Commonitorium (comm. 2,417). His home was in Gaul. When he speaks of his own violent and distressing age, his description ended with the words: “Throughout villages and farms, throughout the countryside and crossroads, and through all districts, on all highways leading from this place or that, there was death, sorrow, ruin, fire, mourning. All Gaul smoked as one funeral pyre.”6 The latter famous line is plausibly taken to refer to the moment at the beginning of the 5th C. when the Alans, Suevi, Burgundians, and Vandals all simultaneously entered Gaul – probably in 406.7 On external evidence he has traditionally been identified with Orens, Bishop of Auch.8 And Hildegund Müller has tentatively suggested that he might be identified with the anonymous author of Ps.Paulinus, carm. 3.9

Transmission Fortunatus mentioned Orientius by name, as did Sigebert of Gembloux in the 11th C.10 Unfortunately the Commonitorium is transmitted in only one extant manuscript, Paris, Bibliothèque nationale, nouv. acq. 457 (10/11th C.), originally from Tours.11 Other readings (called B) derive from Martinus Delrius’s editions (Antwerp 1600 and Salamanca 1604) for which he collated a now lost manuscript from Anchin (Achin) in Hennegau (Hainault).12 Although there is abundant material in Orientius to keep historians occupied, their attentions and reading do not seem to extend beyond comm. 2,184. It is textual critics who have been the most active readers of the Commonitorium, which has continued to attract distinguished scholars, including Hil-

|| 6 Comm. 2,181–184: Per vicos villas, per rura et compita et omnes / per pagos, totis inde vel inde viis / mors dolor excidium 〈…〉 incendia luctus / uno fumavit Gallia tota rogo. 7 ELLIS, Commonitorium, 4, citing Gibbon; BELLANGER, Étude, 75f.; COURCELLE, Histoire littéraire, 356. Comm. 2,172 refers to barbaricas manus. 8 See BELLANGER, Recherches, 8–15, and ELLIS, Commonitorium, 9–11. 9 MÜLLER, Pseudo-Paulinus Nolanus, 226. 10 ELLIS, CSEL 16, 195f. 11 See: http://archivesetmanuscrits.bnf.fr/ead.html?id=FRBNFEAD000071181. In former times it bore the shelfmark Ashburnham 73. See BELLANGER, Étude, 22f. It was moved from the Abbey of Tours to the Municipal Library there (1791), where it languished till it was stolen by Libri (1842) and mutilated before he sold the gatherings with the Commonitorium and the Visio Wettini to the Earl of Ashburnham. Ellis was able to collate it, see CSEL 16, 197f. There is an image of one page of the MS in BELLANGER, Étude, frontispiece and of another in RAPISARDA, Un hapax inesistente, 141. 12 ELLIS, CSEL 16, 196; BELLANGER, Étude, 20.

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berg, Havet, Hudson-Williams, Tandoi, and Shackleton Bailey.13 Few would seem to have agreed with Haverfield’s assertion (in regard to Ellis’ CSEL edition) that, “in matters of textual criticism … Mr. Ellis naturally left little to be done”.14 The text’s fine and normative Latin is often corrupt. The combination of (comparative) lack of originality with highly classical metrics may have recommended Orientius to the sort of classical scholars who might not try their hands with such alacrity on, say, the very Prudentius, who is so eagerly read by twenty times as many readers. It is intriguing to see how Commirus’ anonymous emendations seem to be presented as something close to proof-reading for Martene, and proof-reading of a third party at that!15

Sin Sin goeth before hell, and Orientius was much obsessed with the former. The first book of his Commonitorium features diatribes against luxuria, invidia (1,457–482), avaritia (1,483–584); the second continues the series with vana laus (2,13–40), mendacium (2,41–44), gula (2,45–50), and an astonishingly detailed treatment of ebrietas (2,51–84). One of his personal preoccupations was clearly sexual sin.16 One has only to see that luxuria receives a 137-line treatment from him (1,319–456), 36 lines longer than the runner-up, avarice (1,483–584). Orientius had read his Jerome and abominated women.17 He was interested in chastity and expected it of his reader too.18

|| 13 HILBERG, Zu Orientius; HAVET, Orientiana; HUDSON-WILLIAMS, Notes I and: Notes II; HUDSONWILLIAMS, Orientius and Lactantius; TANDOI, Noterelle; BAILEY, Emendations. 14 HAVERFIELD, Recent Literature, 128; SANDAY, Corpus Scriptorum, 20f., was delighted to see an Englishman publishing in the CSEL. 15 ANON., Notice, 195f.: “un très habile homme: qui entend parfaitement le Latin, et qui a beaucoup de critique, ayant lû avec soin le nouvel Orientius, a marqué plusieurs corrections, qu’il croit devoir y être faites.” ELLIS, CSEL 16, 203, confusingly states that Commirus’ notes are to be found on pp. 112ff. and 332ff. He here, as Bruce Swann has kindly explained to me, must have inherited the reference from a secondary source such as FABRICIUS – MANSI – SCHOETTGEN, Bibliotheca latina, 174. And this reference seems to be to the pagination of Protestant “contrefaçon” of the Journal de Trévoux, published in Amsterdam. Fabricius has “A. 1701”. 16 See comm. 1,405f.: non ignarus enim miseris succurrere tempto / omnia perpessus, quae fugienda loquor. For another example, see comm. 1,611f. BELLANGER, Étude, 84 entertains the possibility that he might have lived a “vie déréglée”. 17 See ADKIN, Orientius and Jerome. 18 See comm. 2,330.

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Plan My long-standing interest in the afterlife led me straight to Orientius’ hell. In itself that fiery place deserves to be discussed at greater length to contextualize it. So a few brief initial remarks. Orientius did not subscribe to the Sleep of the Soul or (explicitly at any rate) to the doctrine of particular judgment. Instead he sits the fence in a position similar to Jerome’s.19 Dead sinners await punishment incarcerated (comm. 2,273: poenam expectabunt clausi). Yet at the same time they suffer s o m e sort of punishment to ensure that postponed judgment not permit even the slightest stay of torture.20 This punishment may consist of coiled serpents and fiery chains, the verminous and burning restraints of the infernal prison.21 Two passages in the comm. may contain heretofore-unnoticed textual problems. The first one comes in the description of the torments of the pre-judged damned. The second emerges in Orientius’ description of the Last Judgment. My aims are modest: two quaestiones in honor of Kurt Smolak. But I’m hoping to draw attention back to the way in which that moment of textual critical lack of understanding (a “sticking point”) can be a productive impetus for commentary and perhaps even more.

Problem 1 In the second book of his Commonitorium (2,275–318), Orientius paints a vivid picture of the torments of hell in a palette that resembles that of the Visio Pauli, with which he shares an unusual emphasis on cold and ice in hell22 as well as fiery || 19 For Jerome, see SHANZER, One Dead Girl. 20 Comm. 2,303f.: iudicii ante diem poenas dabit, ut neque parvum /supplicii spatium det mora iudicii. HAVET, Orientiana, 152, has got the question of these “peines préalables” right. Orientius may have been influenced by 4 Ezra 7,75; 7,84 and 7,86. 21 Comm. 2,305f.: ambibunt alios sinuosis flexibus angues, / ast alios candens igne catena teret. Unlike ibid., 152f. I am not ready to transpose 305–308 to between 284 and 285. 22 WEYMAN, Miszellanea, 154, and Zu Orientius, 139, drew attention to the Visio Pauli. The presence of ice at 2,279f. might be a fingerprint. Cf. Visio Pauli 39 and 42 in SILVERSTEIN – HILHORST, Apocalypse of Paul, 146, 156. Ice does not appear in early accounts of hell, but seems to develop after the 4th C. as a result of the exegesis of Mt. 8,12, where stridor dentium could be interpreted as chattering of teeth rather than gnashing, and the exteriores tenebrae could suggest cold. See GRUTZMACHER, Hieronymus, 264, on both heat and cold in hell mentioned by Jerome, in Mt. 10,28: duplicem autem esse gehennam, nimii ignis et frigoris. The author of the Latin Visio Pauli read Matthew as an allusion to chattering teeth. See Visio Pauli rec. P 41 (ed. James, Apocrypha Anecdota, Cambridge 1893, p. 34,18): viros ac mulieres in frigore et stridore dentium, and Visio Pauli 42 (SILVERSTEIN – HILHORST, Apocalypse of Paul, 156). Some of the same material is covered by BRUGNOLI, L’Oltretomba, 135.

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chains.23 The Latin translation of the Visio is dated to late in the second quarter of the 5th C., and has been used as a terminus post quem for Orientius.24 But it is also possible that the exegetic tradition involving “chattering teeth” (stridor dentium) could have influenced Orientius independently.25 The presence of fire and ice, and his contention that we will not be able to discern which is worse26 oddly anticipate Robert Frost’s “Fire and Ice” of 192027 – although Dante had settled the question many centuries earlier.28 An appropriate punishment awaits each sinner in the afterlife (274): factis congrua poena manet. Some will be burned, others will be frozen (comm. 2,277f.): isti sulphureo flagrantes igne caminos cogentur laceris scandere corporibus While punishment in a fiery furnace in the hereafter is familiar from the Book of Daniel,29 and from its imitation in Mt. 13,42 (angeli mittent eos in caminum ignis), the NT locus classicus,30 and from patristic elaborations, e. g. Prudentius’s ham. 922– 924: rapidos … caminos, / qui pollutam animam … perenni / igne coquunt, the use of the word scandere (“to climb, ascend”) is odd. Although one regularly must climb a pyre,31 why would anyone be compelled to climb up onto or on an oven or furnace? One is usually thrown i n t o an oven32 or (very exceptionally) enters a fire presented

|| 23 Compare comm. 2,306: ast alios candens igne catena teret with Apoc. Paul. 39 (ed. James p. 31): et vidi illic puellas abentes indumenta nigra et iiiior angelos metuendos abentes in manibus suis cathenas ignitas. See BRUGNOLI, Coniectanea, 135. 24 SILVERSTEIN – HILHORST, Apocalypse of Paul, 12. But the doctrine of cold in hell is also to be found in Jerome, see above n. 22. 25 See Jerome, in psalm. 111 „Peccator videbit“ (PL 26, 1171D): Dentibus suis fremet et tabescet. Per stridorem dentium, frigus intelligitur, ut illud: Ibi erit fletus et stridor dentium. Quia et frigus et calor erit ibi, et nulla requies. 26 Comm. 283f.: nec tam diversa possis dinoscere poena / igne sit an gravius frigore supplicium. 27 “Some say the world will end in fire / some say in ice …” in: LATHEM, Poetry of Robert Frost, 220. 28 Inferno 31–34. 29 Deut. 3,15: mittemini in fornacem ignis ardentis and 3,17: potest eripere nos de camino ignis ardentis are the first OT instances where the caminus is used for torture. The passage was interpreted as an allusion to hell. See Isid. sent. 1,28,3: apta fit comparatio de camino trium puerorum ad exemplum ignis gehennae. 30 Also Mt. 13,50: mittent eos in caminum ignis. These passages must have been influenced by the Book of Daniel. 31 Dido: Aen. 4,645f.; Drac. laud. dei 3,512f.; the Phoenix: Drac. Med. 102f. 32 See Mt. 13,42: angeli mittent eos in caminum ignis for the locus classicus. Also Visio Pauli Red. 2 p. 157,1 Silverstein: in ipsam fornacem mittebantur animae. In Ennod. carm. 1,17,17 Hartel (348,17 Vogel) Euphemia is thrown headlong into a caminus: caminis igne crepantibus iussisse fertur praecipitem dari Euphemiam. Visio Beati Esdrae 48 (L): vidi viros descendentes in camino ignis argentis, ubi reges et principes mittebantur; ibid. (VH) et vidit contra occasum solis caminum mirae magnitudinis igne ardentem, in quem mittebantur multi reges et principes huius mundi.

144 | Danuta Shanzer  as an oven.33 Translators have fudged.34 Caminos may need to be obelized, and another instrument of torture that involved fire substituted. How to proceed? Sources can help. Orientius specified that the punishments of hell were different from those of the earthly judge who, no matter what one’s crime, could mete out one, death alone, the separation of soul from body.35 But there was a wide range of different models for the torments of the afterlife, judicial tortures (historical realia),36 attested classical mythological torments, OT imagery, NT imagery, apocryphal imagery, ad hoc contrapassi, and free fantasy. As regards the wretches in ovens, I will start with a significant detail: corporibus laceris. This is not a biblical torture, i. e. burning alone, drawn from Daniel and Matthew, but a version of a pattern familiar from Christian martyr-acts. First the flesh was torn by the ungula37 or by beasts;38 only then the victim was burned. This sequence seems to be stylized and ubiquitous, for in Chrysostom’s sermon on the holy martyrs (De sanctis martyribus PG 50, 708) he describes binding to the xylos, tearing of the sides until they were opened, and finally the fixing of the martyr to an iron ladder (σιδηρᾶς κλίμακος) that was placed over coals.39 The martyr clearly lay on this ladder and was then burned. Such patterns are also familiar from Prudentius’s Peristephanon, the two most apposite examples being the martyrdoms of Laurence (perist. 2) and of Vincent (perist. 5). Orientius paid special attention to the

|| 33 Prud. perist. 6,100–102: haec inter rapidis focos crepantes / intrant passibus et minantur ipsis / flammarum trepidantibus caminis. 34 Rapisarda’s translation, “Questi saranno costretti a e n t r a r e con i corpi straziati i n fornaci ardenti di fiamme sulfuree”, in: RAPISARDA, Carme esortativo, 89, skates over the difficulty. The same applies to TOBIN, Orientii Commonitorium, 101: “Some with lacerated bodies will be compelled t o e n t e r furnaces blazing with sulphurous fire”. Ditto BRUGNOLI, L’Oltretomba, 132: “Costoro saranno costretti a e n t r a r e con i corpi straziati d e n t r o fornaci ardenti di fiamme sulfuree”. ELLIS, Commonitorium, 15, translates (fairly) accurately: “Others will climb furnaces of sulphureous fire”. Likewise BELLANGER, Étude, 330: “Ceux-ci seront forces avec leurs corps meurtris, de monter sur des brasiers où brulera un feu de souffre.” 35 Comm. 2,285–288: Non quod nos, istic, terrena morte peremptis, / excipient unam crimina multa necem, / cum quamvis saevus pro rerum pondere iudex / non aliud possit quam rapuisse animam. 36 See Visio Pauli rec. P 40 (James p. 32): Et inspexi et vidi alios viros ac mulieres super oboliscum igneum, et bestias discerpentes eos for condemnatio ad bestias and Visio Pauli rec. P 40 (James p. 33): viros ac mulieres indutos pannis picem plenis for a version of the tunica molesta. 37 For more on the ungula see VERGOTE, Folterwerkzeuge. 38 See LECLERCQ, Catasta, 2528, who supplies an illustration of what may be a turbo catastae, a small platform on wheels that supported the victim condemnatus ad bestias. The figure is being mauled by a lioness. A similar image appears in a later Roman mosaic from the amphitheatre at Zliten North Africa, see DUNBABIN, Mosaics of Roman North Africa, 66 with Plate XX.47. 39 Aλλὰ ἀπὸ τοῦ ξύλου καθελόντες ὑπὲρ τῶν ἀνθράκων ἐπὶ σιδηρᾶς κλίμακος ἔτεινον. The ladder was then allegorized as the ladder of Jacob (PG 50, 709,1ff.) and made an object of remembrance to the pious. PG 50, 711,34; 712,1ff.

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honor due to martyrs,40 and martyr-acts may help to identify the torture-instrument used in fire. I accordingly suggest that caminos might be emended to catastas. The catasta, originally a platform used for exhibiting slaves for sale, came to denote the podia or scaffolds on which martyrs were interrogated41 or executed.42 Ascendere is the verb regularly used for mounting up onto a catasta,43 though a martyr could also be raised onto one – presumably if both her hands and feet were tied.44 Eventually, however, catasta comes to denote a torture-device of uncertain appearance to which, as to Chrysostom’s ladder, victims were attached for burning.45 The catasta ignea appears several times in Prudentius’s Peristefanon.46 Laurence is told to climb onto the pyre and lie down (perist. 2,353f.): C o n s c e n de constratum rogum, / decumbe digno lectulo. The instrument on which he is burned is called the catasta.47 Vincent also suffered in fire. His torments are first described as igni, grabato, et lamminis (fire, the “cot”, the plates at perist. 5,207). But subsequently he, like Laurence, ascended the pyre (perist. 5,221–224): Hunc sponte c o n s c e n d i t rogum / … / ceu iam coronae conscius / celsum t r i b u n a l s c a n d e r e t . The verb scandere makes no sense with caminos, but is appropriate for catastas. The corruption would have involved a banalization of the rarer catastas into a biblically sanctioned caminos, imported un-

|| 40 Comm. 2,331–334. 41 See Passio Perpetuae 5,6: Hoc fiet in illa catasta quod Deus voluerit translates (or is translated as) bemati. Ibid. also 6,2: Ascendimus in catastam (ὡς δὲ ἀνέβημεν εἰς τὸ βῆμα). See Aug. in psalm. 137,3 (of Crispina): cum in carcerem mittebatur, cum ligata producebatur, cum in catasta levabatur … cum damnabatur. LIEBERMAN, Roman Legal, 13, cites the Rabbinic grdo/un. 42 In the Pass. Mariani et Iacobi 6,7 it seems to mean scaffold for execution by the sword: illic erat catasta, non humili pulpitu nec uno tantam ascensibilis, sed multis ordinata gradibus et longe sublimis ascensu and 6,10: et scendebam in illam catastam. Also Passio Rogatiani 6. 43 See Pass. Perp. 6: ascendimus catastam. LECLERCQ, Catasta, 2529, notes that the victim was not necessarily attached. 44 See n. 41 above for Crispina. See ibid. for the use of verbs such as levari, suspendi and extendi. A search in the AASS database reveals numerous examples (of many dates) of in catasta levari and extendi. Also common is in catasta torqueri. Some texts seem to equate the catasta and the eculeus. LE BLANT, Les actes des martyrs, 251, explains that the catasta was “une estrade à degrés sur laquelle se plaçait le chevalet”. A passage such as AASS I Aug II Dies 8, the death of Cyriacus, reliquata pice perfusus et in catasta extensus where the victim would eventually be burned on the catasta is closer to what is found in Prudentius. 45 For lurid imaginative illustrations, see GALLONIO, Tortures, 135–139 with fig. 123, 125, and 128 for variants of the gridiron and the iron bed. 46 See perist. 1,56: post catastas igneas and perist. 2,397–400 (399): postquam vapor diutinus / decoxit exustum latus / ultro e catasta iudicem /compellat adfatu brevi. Also perist. 10,467: emitto vocem de catasta celsior and perist. 6,33: fratres tergeminos tremunt catastae for allusions that do not mention fire. Salv. gub. 3,6,22: … omnes admodum Christianos …, qui ad caelestis regiae ianuam gradibus poenarum suarum ascendentes scalas sibi quodammodo de eculeis catastisque fecerunt is clearly referring to an instrument of torture, since the catasta is paired with the eculeus. 47 Perist. 2,399: ultro e catasta.

146 | Danuta Shanzer  der the influence of Mt. 13. Corporibus laceris is the giveaway, suggesting a Roman judicial sequence involving torture with the ungula.

The Climax of the Commonitorium “L’effort più notevole della povera Musa del poeta” (Giorgio Brugnoli)48

Orientius first touches on Final Things at comm. 1,255–314 and affirms the doctrine of the resurrection of the flesh. The body will survive exactly as it had been (259: iisdem membris redeuntibus); dispersed or consumed bodies will be reconstituted or reassembled. Both soul and body will survive, though it would have been better for man, when dead, to have been as one not born and to lose all sensation rather than to die and live in torments (300f.) – an Epicurean position.49 There will be no rapid, finite punishment. At 305ff. Orientius rebuts the views of those such as Arnobius, who believed that the souls of the damned were destroyed.50 Avenging fire (311: vindex ignis) is compared to volcanoes that burn perpetually, but are not diminished, streams that flow continually, but never run dry, an image that goes back to Tertullian and Minucius Felix.51 The allusions to hell immediately precede the section on the deadly sins. Orientius’ sermon ends at 2,273ff. with a long passage depicting the fate of the soul after death. He describes what comes close to a two-stage judgment.52 After death sinners await their punishment in confinement (comm. 2,273): poenam expectabunt clausi.53 He then details some of what they can expect: dark or light, heat or cold, fire or ice, all equally bad. There will not be one death there, as there is here, that separates the soul from the body, but a congrua poena (comm. 2,292) for every sinner, be he perjurer, proud man, murderer, envious, intolerant, homosexual, liar, adulterer, drunk, voluptuary, brawler, quarreler, boastful, impious, or intractable. But then it emerges that all these sinners will be punished b e f o r e the Day || 48 BRUGNOLI, L’Oltretomba, 131. 49 Also consonant with Mc. 14,21; Mt. 26,24: bonum erat ei si natus non fuisset homo ille (of Judas), Apoc. Petr. 3, and 4 Esdras 7,63. 50 Arnob. nat. 2,14 cited by BRUGNOLI, L’Oltretomba, 137. Prudentius implicitly refutes this position in the ham. 830: animamque ex ore perenni formatam non posse mori. 51 Apologeticus 48,14f. and to Minucius Felix 35,3. See WEYMAN, Miszellanea, 152f.; WEYMAN, Zu Orientius, 137; BRUGNOLI, L’Oltretomba, 131. 52 For more on the patristic background of the dispute about the dilatio inferni of the damned, see BRUGNOLI, L’Oltretomba, 136f. Irenaeus and Lactantius believed in a dilatio inferni until the Last Judgment. Hilary of Poitiers disagreed, and was followed by Orientius, whose position resembles that of Gregory the Great in Dialogi 4,27. 53 Initially this looks like Augustine’s doctrine in Enchiridion 109.

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of Judgment, so that they get no respite (comm. 2,303f.): iudicii ante diem poenas dabit, ut neque parvum / supplicii spatium det mora iudicii.54 Two other failings are then tacked on: incautious speech and paganism. At comm. 2,319 Orientius moves on to the virtuous, and ends at vv. 347ff. with a depiction of the Last Judgment.

Problem 2 (comm. 2,347–374)

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ergo ubi terribilem dederit cava bucina cantum, adventum tandem testificata dei; mox longis tellus rimis divulsa patebit, ac passim flammae fulgura grando ruent, imis concusso penitus de sedibus orbe dum totae fervent inde vel inde viae h i n c t r i s t e s g e m i t u s , i l l in c p i a g a u d i a v i t a e u n a in d i v e r s i s v o x e r it a g m i n i b u s . atque omnis raptim celeratis gressibus ibit deducens subolem prosapiamque pater. cunctaque contento ducetur linea tractu, cum fuerit medius progenitor genitis. nec tibi famosas urbes gentesque remotas regnaque, quae nunc sunt, quaeve fuere loquar, frigore non segnes populos, non sole perustos, quosque habuit nascens occiduusque dies: sed fuit a primi genitum quod tempore mundi usque diem mundo qui modo finis erit, omnibus e terris animas iustasque reasque uno constituet iussio prima loco. nec tamen ulla illinc tanta inter milia perget, quae non sit domino dinumerata suo. mox rutilum scandens eadem cum carne tribunal, quam caelo intulerat glorificans hominem omnia quae reliquis labantur in ordine saeclis, quae tunc, quaeve dehinc lege manente fiant, ore sacer, celsus solio, terrore videndus,55 conspicuuus, sed vix conspiciendus aget.

|| 54 At this point Orientius’ position seems closer to that of Jerome’s, for which see SHANZER, One Dead Girl. Although there is only one final judgment, there is a virtual praeiudicium and the damned’s wait in prison is itself penal. 55 Verendus Baehrens.

148 | Danuta Shanzer  “Therefore when the hollow trumpet sounds its terrible song, bearing witness at long last to the coming of God, soon the earth will gape open in long cracks, and flames, thunderbolts and hail will rush down on all sides. When the earth has been shaken from its very foundations, when all the roads are on fire56 everywhere, on the one side groans, on the other the virtuous joys of life, there will be but one prayer (or voice) among the different ranks (or groups). With quickened steps each father will swiftly go leading both his offspring and his ancestors, and the rest of the line will be drawn out in a tight train57 once [each] ancestor will be in the midst of his offspring. Nor will I mention famous cities, distant peoples or the kingdoms which once existed or now exist, not the races sluggish with cold or those burnt by the sun and those that the rising and the setting day rule. Whatever came into being from the beginning of the universe till the day which will now mark its end, from every land the souls of the just and unjust – the first command will bring them to a halt in one place. Nor however will even one soul among so many thousands go thence that has not been counted by its Lord. Soon ascending the tribunal in the same flesh which he had bright to heaven, glorifying Man, with holy countenance, lofty on his throne, to be feared58 with terror face-to-face, but hardly to be gazed at, he will handle everything to happen in order in the remaining ages, what happens then and what happens subsequently with lasting law.” There are numerous problems in this passage, and I’ll raise them in the order in which they appear in the text. 1. Why do r o a d s (viae at comm. 2,353) suddenly appear amidst general meteorological mayhem? 2. What are the two different agmina (“lines, files”) alluded to at comm. 2,354? Later on Christ will judge the unjust (comm. 2,386: impia turba) and the just (comm. 2,381: iustorum caterva). Agmen was used at comm. 2,335 of the sancti and at comm. 2,341 of the iusti, but is not applied to the d a m n e d after the trump of doom in this passage.

|| 56 RAPISARDA, Carme esortativo, 95, takes fervent figuratively as “ribolliranno tutte di gente”. Fervent could indeed also mean “swarm” or “pullulate”, as in Prud. tit. 12,45: Fervebat via sicca heremi serpentibus atris. For hectic activity, see Tib. Claud. Don. in Aen. 1,422 (miratur portas strepitumque et strata viarum) haec generaliter sunt posita; omnes enim viae fervebant, portae omnes et omnium quae inter universos gerebantur strepitus personabat. 57 This is a guess at what contento tractu could mean. See ibid. “e tutto insieme ciascun gruppo sarà condotto in una densa processione”. BELLANGER, Étude, 333: “Chaque lignée s’avancera en formant une trainée dense.” 58 Taking Baehrens’ verendus for videndus.

Philology in Orientius’ Afterworld | 149 

3. At comm. 2,353 (pia gaudia vitae) vitae has been condemned as “superfluous and damaging to the antithesis tristes // pia gaudia”. So Shackleton Bailey,59 who suggested pia gaudia iuncta. Fine, as far as it goes, but he did not discuss the following line: una in diversis vox erat agminibus. Why do the two contrasted groups have but una vox even though their states are contrasted? In Hell there are many sounds, but none that is not miserable (comm. 2,307f.): Omnia plena illic lacrimis terrore dolore / et v o x n u l l a , nisi quam dederit gemitus.60 Here, however, the two agmina, despite their differences, have but one voice, acclamation, or prayer. The contrast of tristes gemitus and pia gaudia might seem to suggest the just and the damned, but the nature of the unitary vox is still unexplained. What is this acclamation or prayer? Did Orientius intend one of the acclamations in Revelation?61 Yet in none of those passages do two strongly contrasted groups have but one voice. It is difficult to conjure up any probable context for the line as it stands. 4. Why do patrilinear groups (comm. 2,355–358) appear here from nowhere? What is their significance? Something is wrong with the transmitted text. But what? Vital information is missing that causes it to fail the “transparency test”. One c o u l d hypothesize a lacuna either following vitae (353) or else after viae (352) – perhaps a fairly long one.62 But I would advocate a different approach and suggest a textual transposition. The passage moves from trumpet, gaping earth, hail and lightning, cries, joys, agmina and acclamations, and fathers leading sons, to the gathering of the peoples for judgment, inclusive allusions to the compass points, and the appearance of the just and the unjust, summoned by a iussio prima. Given that this is the first summons of the just and unjust, the human events and allusions to agmina (who have not been explained) seem to appear in the wrong place in the text. Let’s take vv. 353–358 out of the equation for the moment.

350

360

Ergo ubi terribilem dederit cava bucina cantum, adventum tandem testificata dei; mox longis tellus rimis divulsa patebit, ac passim flammae fulgura grando ruent, imis concusso penitus de sedibus orbe 〈 …?〉 dum totae fervent inde vel inde viae 〈 …?〉 … nec tibi famosas urbes gentesque remotas regnaque, quae nunc sunt, quaeve fuere loquar,

|| 59 BAILEY, Emendations, 132f. 60 BRUGNOLI, L’Oltretomba, 133, compares Mt. 25,41–46; Mc. 9,47; 2 Thess. 1,9. 61 E. g. 5,9; 6,10; 7,9; 11,17; 15,3 or 18,2, or 19,1. 62 It is more likely to have occurred after viae, because the scribe’s eye may have skipped to the similar-looking vitae, omitting some lines in between.

150 | Danuta Shanzer 

365

frigore non segnes populos, non sole perustos, quosque habuit nascens occiduusque dies: sed fuit a primi genitum quod tempore mundi usque diem mundo qui modo finis erit, omnibus e terris animas iustasque reasque uno constituet iussio prima loco.

Elegiacs hunt in pairs and present different problems for textual critics than do hexameters. The cosmic phenomena that remain are unlikely to stand alone syntactically,63 and one must either signal a lacuna after viae or after orbe or both. I’d say both, because I mistrust the rhetorico-syntactic form of the so-called couplet from imis to viae: ablative absolute plus dum-clause. I also am not enamored of the jump from celestial phenomena to roads that seem to be burning or swarming. We are now left with two orphaned gobbets, each of which s e e m s to make sense, but neither of which is happy with its partner. Let’s consider them individually. Comm. 2, 353f.: hinc tristes gemitus, illinc pia gaudia vitae una in diversis vox erit agminibus. “Hence sad moans, thence the virtuous joys of life, but there will be one voice alone for the different agmina.” There are two possible ways to take this: 1. As a synchronic and spatial allusion to two different agmina (? damned and just) who have one prayer. But that, as we saw, proved fruitless. 2. The less obvious, but I think correct solution, as a diachronic allusion to groups at different times. Hinc (“hence”) refers to this life, illinc (“thence”) to the hereafter.64 If one accepts this interpretation, one must conclude that this is a stray couplet from the description of the agmina of the virtuous who suffered in life, but have eternal bliss. Obviously I cannot prove the suggestion, but I’d recommend inserting it after v. 340.65 331

vel iam felices, quae prima est gloria, victis lucis et infidi corporis illecebris,

|| 63 I. e. with a very weak pause rather than a full stop after ruent. 64 One might compare Arator 2,302: Hinc terrena levans, illinc caelestia praestans. The opposition of hinc/illinc becomes a Leitmotiv in Greg. M. (e. g. moral. 4,19: Ponit namque ante oculos illinc districtionem iustitiae, hinc meritum culpae). 65 WILLIS, Latin Textual Criticism, 150 on problems of transposition: “In trying to account for such things one is forming hypotheses which cannot sufficiently be controlled by observation.”

Philology in Orientius’ Afterworld | 151 

335

340 353 354 341

veram quaerentes vitam, pro nomine Christi fundere devotas non timuere animas. atque sacerdotes hoc sanctorum a g m e n habebit secretosque hominum turbinibus monachos, qui n u n c spernentes blandae oblectamina famae, v e n tu r i sperant praemia iudicii. mollia securis ducentes otia rebus pro merito vivunt nunc bene, post melius: h i n c tristes gemitus, i l l i n c pia gaudia vitae una in diversis vox erit agminibus. namque ipsi denso stipabunt a g m i n e regem, cum terris iudex institerit dominus, atque omnes agnus quoquo se verterit ibunt, perfusi vero lumine, luce dei.

“Or those who are already happy – it is the beginning [or “crown”] of their glory – having overcome the enticements of life and of the treacherous body, who seeking the true life were not afraid to lay down their consecrated lives. And this line of holy men will also contain priests and monks set apart from the whirling tumults of men, those who, despising now the pleasures of alluring fame, hope for the rewards of the judgment to come. Leading a life of peaceful leisure and free from care, they live well now, as they deserve, but will live better afterwards. Now sad groans, later pious joys of life,66 there will be but one acclamation for the different lines. For when the Lord comes upon earth as judge, they will throng about Him, their King, in close-packed ranks, and whithersoever the Lamb goes, they will go, suffused with the true light, the light of God.” This works. Gaudia vitae (which Bailey wanted to edit out) is a fairly common 5th foot iunctura, and should stay.67 We have parallel contrasts between suffering now (nunc) and joy hereafter (post). We have a clear context explaining who the diversa agmina are, i. e. martyrs, priests, monks. These agmina are orderly.68 The future erit matches the future stipabunt. We have a situation where a unitary acclamation both makes sense – for the coming of the judge from a group who are visually indistin-

|| 66 There is a fuzzy boundary between the spatial and the temporal (“now” = “the world” and “thereafter” = “the afterworld”), but both hinc (ThlL s. v. ‘hinc’) and illinc (ThlL s. v. ‘illinc’) can be used with both ideas. Illinc can be used to answer “Ubi-questions”, i. e. as “there”, not “thence”. 67 See MASTANDREA, De fine versus, v. 1 p. 332, who cites Ausonius, the Disticha Catonis, the Anthologia Latina, and Lygdamus. Also in Commod. instr. 2,35,14 and Prud. c. Symm. 2,907. 68 Yet another reason to reject ANON., Notice on Veterum Scriptorum, 309, who proposed examen for agmen at comm. 2,335. The connotations are wrong for the passage.

152 | Danuta Shanzer  guishable in their virtue – and where it alludes to a familiar text, namely Apoc. 7,9– 17, where those who suffered, having washed their stoles and whitened them in the blood of the Lamb, stand before the throne of God and neither hunger nor thirst, nor suffer heat. Their acclamation (Apoc. 7,10) is salus deo nostro, qui sedet super thronum et agno. It is interesting to observe that the anonymous author of the Ad Flavium Felicem de resurrectione used the same Vergilian iunctura69 to render the acclamation of Apoc. 4,8: sanctus sanctus sanctus Dominus Deus omnipotens qui erat et qui est et qui venturus est as ‘solus agius sanctusque Deus’ v o x o m n i b u s u n a e s t .70 Above all, we have a neat contrast to the damned: they have many voices, but all are moans. This still leaves the patrilinear groups. 355

atque omnis raptim celeratis gressibus ibit deducens subolem prosapiamque pater. cunctaque contento ducetur linea tractu, cum fuerit medius progenitor genitis.

Lines 355–358 describe an occasion when each father will lead his offspring and his ancestors. Orientius’ source is as yet unknown, and the scene rather mysterious. Thus one needs to grope for associations and “feel one’s way around”. The scene sounds a bit like Aeneas’s departure from Troy in Aen. 2,273f. and 2,800, grandfather, father, and son: generations fleeing in time of disaster might be one possible context. But here instead there are whole patrilinear genealogies, almost like the “begats” in Matthew and Luke. This suggests lineages and perhaps even the visualization of a family tree or stemma. But what did such a stemma look like? One also might think of the eerie Roman funeral procession as described by Polybius, with the ancestors represented by their death masks (imagines).71 There does not seem to be a precise biblical parallel, but one might consider the anomalous census of Lc. 2,1–4, where one supposedly had to go to one’s patriarchal home to be registered.72 One odd feature is the groups’ hastening, celeratis gressibus. There is nothing to suggest that the hastening is sinister. It may even be eager, given the orderly progression.

|| 69 Aen. 5,615. 70 WASZINK, Carmen ad Flavium Felicem, 80. 71 See Polybius 6,53,1–54,2. 72 Factum est autem in diebus illis exiit edictum a Caesare Augusto ut describeretur universus orbis. 2 Haec descriptio prima facta est praeside Syriae Cyrino. 3 Et ibant omnes ut profiterentur singuli in suam civitatem. 4 Ascendit autem et Ioseph a Galilaea de civitate Nazareth in Iudaeam civitatem David quae vocatur Bethleem eo quod esset de domo et familia David.

Philology in Orientius’ Afterworld | 153 

Now comm. 1,257–276 took pains over the resurrection of the flesh following the last trumpet.73 But Orientius – surprisingly – fails to mention it here, except in a brief allusion (v. 369) to Christ’s judging in the same flesh that he took to heaven. I wonder whether the hastening men, fathers and sons, might be not the living and the dead fleeing the destruction of the world, but the r e s u r r e c t ed d e a d haled before the throne to be counted. In that case the lines belong in the passage that describes the judgment of the just and the unjust after the more general allusions to people from all the round earth’s imagined corners. Let’s put it after 368 and see how it fits:

360

365

368 355

359 369

nec tibi famosas urbes gentesque remotas regnaque, quae nunc sunt, quaeve fuere loquar, frigore non segnes populos, non sole perustos, quosque habuit nascens occiduusque dies: sed fuit a primi genitum quod tempore mundi usque diem mundo qui modo finis erit, omnibus e terris animas iustasque reasque uno constituet iussio prima loco. nec tamen ulla illinc tanta inter milia perget, quae non sit domino dinumerata suo. atque omnis raptim celeratis gressibus ibit deducens subolem prosapiamque pater. cunctaque contento ducetur linea tractu, cum fuerit medius progenitor genitis. mox rutilum scandens eadem cum carne tribunal quam caelo intulerat glorificans hominem.

If we do this – and note that the join after 369 may well n o t be seamless – we have a more orderly progression from peoples to individual souls, and then to family groups in genealogical order. Perhaps the souls took on flesh b e f o r e becoming family groups? There is a close parallel to this in the somewhat later Carmen ad Flavium Felicem de resurrectione 161–173 (ed. Waszink):74

165

… hinc omnis pullulat aetas, pullulat antiqua mortuorum pulvere turba. matres atque viri repetita luce resurgunt, magnanimi iuvenes, pueri innuptaeque puellae defunctique senes animis viventibus adstant

|| 73 For the resurrection following the trumpet-call, see Apoc. 20,11–15 and 1 Cor. 15,52. 74 WASZINK, Carmen de resurrectione, 33, dates the author to the reign of Thrasamund, ca 500.

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infantumque gemens resonat vagitibus orbis. con variae gentes veniunt de sedibus imis, Eoumque manus et quas videt ultima tellus, quae colunt medias devexo in climate zonas Rifeasque tenent pruinosi sideris arces. omnis adest pavidus finis cuiusque colonus, rusticus et miles, posito diademate reges, pauperi permixtus aequali in agmine dives.

The anonymous poet begins with the parade of ages (163–166), then the climata (167–170),75 and then the social estates (171–173). As I suggested above, Orientius emphasizes intentional reciprocal correspondences between the just and the damned: many voices, all groans (comm. 2,308); several agmina, one joyful acclamation (comm. 2,354). Here we may see a similar resolution of a human tragedy alluded to earlier on at comm. 2,243–248:

245

intereunt dulces aevo vergente parentes, eque ipso coniunx eripitur gremio. et fratris fratrem mors e complexibus aufert, at natu forsan iunior ille fuit. ordine nec vitae senior subducitur aetas, cum videat nati funera saeva pater.

Death separates families; younger brothers die before their elders; children before parents. At the resurrection of the flesh this separation will be resolved. What a long life has gradually destroyed the trumpet of the Lord will rapidly restore.76 Not just families, but whole tribes will be reunited, and it is indeed tribes who dominate Apoc. 7,5–9. So I submit that the patrilinear groups represent the census of the resurrected dead. There are so many as yet un-invented signs we need for our daily intercourse. Drivers could do with a light that flashes, “Sorry!” Textual critics have their text, their apparatus, the obelus, the lacuna – and little in between. But signaling unease and mistrust is important, especially when one cannot solve the problem at hand or produce a good diagnostic conjecture.77 I hope I’ve sowed a paranoid seed or two by reading critically as Kurt Smolak has taught and continues to teach us all to do. Robinson Ellis edited the CSEL Orientius in 1886. Tobin produced a conscientious, but thin commentary in 1945 (see Bibliography). Rapisarda had another go at the || 75 Perhaps from Apoc. 7,9. 76 See comm. 1,271f.: et quod nunc aetas sensim longaeva resolvit / id raptim domini bucina restituet. 77 I have yet to see whether my “low graphic moan of editorial unhappiness” finds favor and eventually a sign. See SHANZER, Rezensionsaufsatz: Mart. Cap., 285.

Philology in Orientius’ Afterworld | 155 

text in 1957, 1958, 1959, 1960, and 1970 (see Bibliography). Isolated conjectures have been published, but numerous problems or at least unanswered questions still jump to the eye of the attentive reader. Even if no palmary conjecture results, the method can still contribute to the development of commentary. Weyman raised the issue of Orientius’ sources in 1926: literary? apologetic? homiletic?78 Someone should reconsider our author, reconstruct his reading, and his context, and re-edit and write a fuller commentary on this still neglected satirical, moral, and apocalyptic text.

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|| 78 See WEYMAN, Zu Orientius, 138.

156 | Danuta Shanzer  Convegno internazionale di studi, Vienna, 15–18 novembre 2004 (= Akten des 3. internationalen Symposiums, Wien 15.–18. November 2004), ed. Victoria PANAGL, Alessandria 2007, 211–227. RAPISARDA, C. A., Un hapax inesistente (praemaduisse, Orientii common. II 228), Orpheus 4, no. 3 (1957), 139–142. RAPISARDA, C. A., Orientii Commonitorium. Carmina Orientio tributa, Catania 1958. RAPISARDA, C. A., Due note al testo del Commonitorium di Orienzio, in: Convivium Dominicum. Studi sull’Eucarestia nei Padri della Chiesa antica e Miscellanea patristica, Catania 1959, 407–413. RAPISARDA, C. A., Orientius: Carme esortativo = Commonitorium, Catania, 1960. RAPISARDA, C. A., Carme esortativo (Commonitorium) di Orienzio, Catania 1970. SANDAY, W., The Vienna Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum. III, CR 2,1/2 (1888), 19–21. SHANZER, D., Rezensionsaufsatz: Lucio Cristante and Luciano Lenaz (ed., comm., trans.), Martiani Capellae De nuptiis Philologiae et Mercurii. Vol. 1, Libri I/II. Hildesheim: Weidmann 2011, WSt 126 (2013), 281–291. SHANZER, D., One Dead Girl, Two Living Ladies, Quohelet, and the Judgment of Man: Eschatological Problems, Particular Judgment, and Jerome’s Commentary on Ecclesiastes, in: Hieronymus als Exeget und Theologe. Interdisziplinäre Zugänge zum „Koheletkommentar“ des Hieronymus, ed. E. BIRNBAUM – L. SCHWIENHORST-SCHÖNBERGER [Leuven 2014]. SILVERSTEIN, Th. – HILHORST, A. (edd.), The Apocalypse of Paul: a New Critical Edition of Three Long Latin Versions, Geneva 1997 (Cahiers d’Orientalisme 21). TANDOI, V., Noterelle Orienziane, Vichiana 13 (1984), 199–210. TOBIN, M. D., Orientii Commonitorium, Washington, D. C. 1945. VERGOTE, J., Art. Folterwerkzeuge, in: RAC 8 (1969), 112–141. WASZINK, J. H., Carmen ad Flavium Felicem de resurrectione mortuorum et de iudicio Domini, Bonn 1937 (Florilegium Patristicum Supplementum 1). WEYMAN, C., Miszellanea zu lateinischen Dichtern, in: Compte rendu du quàtrième Congrès scientifique international des catholiques: Sciences philologiques, Fribourg 1898, 137–159. WEYMAN, C., Zu Orientius, in: C. WEYMANN, Beiträge zur Geschichte der christlichen lateinischen Poesie, München 1926, 139. WILLIS, J. A., Latin Textual Criticism, Urbana 1972.

[email protected] Institut für Klassische Philologie, Mittel- und Neulatein, Philologisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät, Universität Wien

Angela Kinney

An Appeal Against Editorial Condemnation: A Reevaluation of the Vita Apollinaris Valentinensis1 The examination of the Vitae of Merovingian saints is itself an endeavor fraught with difficulties; it is even more alarming when one must combat a famous editor’s judgment of a text. To those working in the field of late antique and early medieval hagiography, Bruno Krusch is, for better or for worse, a household name. His decisions concerning the authenticity of Merovingian Vitae for the Monumenta Germaniae Historica are often still sometimes considered inviolable, despite the many studies exposing his editorial biases and questioning his conclusions. This contribution may be considered a case study of how textual criticism (and perhaps its extreme, textual condemnation) can affect history. In this instance, editorial stigma has induced generations of scholars to ignore a text, despite the fact that it may contain important historical information (and furthermore, the editorial judgment may be erroneous). I shall examine Krusch’s edition of the Vita Apollinaris Valentinensis and his argument condemning the work as a Carolingian forgery written in the ninth century.2 While a few scholars have disagreed with Krusch’s judgment of this Vita, their dissent has been limited to a few lines in the context of discussing other Vitae3 or thematic problems in Merovingian history.4 I would like to devote a full philological discussion to this quirky little Vita, as it contains a number of historical, literary, and thematic features that support a pre-Carolingian date of authorship.

Who was Apollinaris of Valence? Apollinaris (c. 453–c. 520), bishop of Valence, was the son of Hesychius,5 bishop of Vienne, and the older brother of Avitus, who succeeded his father as bishop of || 1 It is both a pleasure and a privilege to submit this work in honor of Prof. Kurt Smolak, who has been a great inspiration to me as a philologist. – I am immeasurably grateful to my advisors, Prof. Danuta Shanzer and Prof. Ralph Mathisen, who introduced me to the Vita Apollinaris Valentinensis and continually guided me as I explored this text. 2 KRUSCH’s edition with prefatory remarks: MGH SRM 3, pp. 194–203 (hereafter cited as VA). See also KRUSCH, La falsification, 51–55. 3 PEIPER, Alcimi Ecdicii Aviti Opera, XX–XXII. 4 BECK, Pastoral Care, XXXIV; MIKAT, Inzestgesetzgebung, 107–116. 5 See PLRE 2, Hesychius 10 and 11. Hesychius is also referenced in Hyd. chron. 179 and Vita Aviti 1, as well as Ado of Vienne’s chronicle (PL 123, 105D): Avitus quoque Viennensis episcopus eloquentia et

158 | Angela Kinney  Vienne. His mother was named Audentia. One of his two sisters was named Fuscina;6 she entered a convent at the age of ten. Nothing is known about the other sister. Apollinaris and Avitus had family ties to Sidonius Apollinaris, and both were members of Gallo-Roman senatorial society.7

Vita Apollinaris: narrative highlights It will be useful to summarize the Vita Apollinaris before addressing particular elements and complaints concerning the life. The narrative may be divided into two main sections, plus a brief introduction and conclusion. The preface and first chapter serve as the introduction, stating the purpose of the life and introducing the bishop’s lineage. Chapters 2–6 constitute the first major section of the Vita, wherein Apollinaris and a group of other Gallic bishops withdraw from their sees together in a self-imposed “exile” of sorts.8 This action is taken in response to King Sigismund’s tolerance of a breach of canon law by Stephanus, his treasurer.9 The king demands that the bishops return to their sees; they comply, beginning their return trip.10 While the bishops are on the road, the waters of the Rhone river are mysteriously rendered unpotable, providing the opportunity for a miracle: Apollinaris receives a divinely ordained spring, which dries up once the bishop leaves the area.11 This tale of the bishops’ journey is capped by a hagiographic topos. King Sigismund suffers illness because of his hostility toward the church, and his wife begs the bishop to heal him. The bishop refuses to come in person but gives the queen his cloak, which restores Sigismund to health.12 The king visits Apollinaris and prays for forgiveness, which the bishop grants to him.13

|| sanctitate praecipuus et eius frater Apollinaris Valentiae episcopus miraculis insignis, Isicii senatorii primum viri, postea Viennensis episcopi duo lumina, clarissimi filii. 6 Alc. Avit. carm. 6 (De consolatoria castitatis laude), 19. 7 For further discussion of the lineage of Apollinaris (PLRE 2, Apollinaris 5) and Avitus (PLRE 2, Avitus 4), see HEIL, Avitus von Vienne, 30–34; MATHISEN, Epistolography, 95–105; SHANZER – WOOD, Avitus of Vienne, 4–6. For further discussion of Gallic senatorial aristocracy, see STROHEKER, Der senatorische Adel. 8 VA 3: Visum enim illis est, ut in oppido civitatis Lugdunensium, quod noncupatur Sardinia, pariter tamquam exilio deputati, auxiliante Deo, comitarentur. 9 VA 2. Stephanus was involved in a prohibited relationship: after his wife’s death, he married her sister – a union viewed as incestuous by the Gallic church at this time. The first council of Lyon (518/523) partially corroborates this section of the Vita. 10 VA 3. 11 VA 4. 12 VA 5. 13 VA 6.

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The second half of the Vita details a river journey that the bishop undertook prior to his death, including some miracles, and records an eyewitness account of his death. The stated motivations for the journey are twofold: Apollinaris wished to visit the shrine of the martyr Genesius of Arles and to see his fellow bishops and relatives in person.14 On the journey, Apollinaris calms the waters of the Rhone and coaches a priest through an exorcism.15 Eventually, he arrives at Arles, where he is received with open arms; after visiting friends and family there, he travels to Marseille.16 Apollinaris assists with another healing/exorcism in an unspecified place.17 He then suffers an illness that keeps him from morning prayers and is slapped by a chamber-servant; he renders the culprit immobile, exorcises the demon responsible for the attack, and then grants the servant forgiveness.18 Finally, the archdeacon Leubaredus gives an account of the bishop’s death, marked by a vision of candles and fulgor.19 The conclusion of the Vita establishes Apollinaris as a heavenly advocate for the city of Valence.20

Transmission of the text As is the case for many Merovingian lives, the Vita Apollinaris survives only in a few later manuscripts. Krusch considers the stemma bipartite, and privileges manuscript 1a (which is unfortunately no longer extant) heavily in his edition of the text. I reproduce below his classification and dating, along with my own remarks about the content of these manuscripts. 1a) Chartres BM 115 (63), fol. 169–175. An 11th century codex (according to Krusch, but dated to the 9th/10th century according to the Catalogue général des manuscrits des bibliothèques publiques de France, Tome XI: Chartres, Paris, 1890). This manuscript was destroyed, along with many others, when the Bibliothèque municipale was bombed in 1944. 1b) Paris BN Lat. 15436, fol. 14v–17r. An 11th-century lectionary containing many other prose Vitae. A digital facsimile of this manuscript can be viewed online: http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b9066670j 2a) Paris BN Lat. 5594, fol. 4–8. An 11th-century codex containing prose Vitae and passiones, sermons, and other ecclesiastical works. Another hagiographic text || 14 VA 7. It is notable that the shrine of Genesius is never mentioned in the journey narrative. The author focuses instead on the friends and family Apollinaris visits. 15 VA 8/9. 16 VA 10. 17 VA 11. 18 VA 12. 19 VA 13. 20 VA 14.

160 | Angela Kinney  in this manuscript, the Passio sanctae Agathae, is illuminated with a cycle of miniatures. 2b) Paris BN Lat. 5353, fol. 118v–115r. A 14th-century legendarium for the month of October. It is worth noting that of the four manuscripts containing the Vita Apollinaris, two were definitely intended for liturgical use (1b and 2b); 2a may also have been used for public readings. The doxologies appearing at the end of the Vita in mss. 2a and 2b support this interpretation of the codices; 1b lacks a doxology but ends with Amen.

Problems with the Vita Krusch raises objections about nearly every aspect of the Vita: its brevity, the depiction of historical events, the places and people represented within it, and the quality of the Latin. He ultimately theorizes that it was pieced together by a Carolingian author working from other sources, namely church councils, writings of Apollinaris’s contemporaries, and later chronicles (e. g., Bede, Ado of Vienne). In order to support his theory of pastiche, Krusch must determine what was “possible” for the author to know himself and what information he must have gleaned from other sources. However, Krusch seems to evaluate the Vita through a lens of prejudice; he does not discuss aspects of the Vita that undermine his opinion regarding the date and authorship. For this reason, I shall examine Krusch’s arguments in light of the Vita’s own literary and historical merits and make some conjectures of my own regarding textual problems and the date of composition.

Vocabulary Krusch’s remarks about the quality of the hagiographer’s Latin are entirely derogatory; some of his comments are briny with prejudice or simply incorrect. He ostensibly explains the generally acceptable Latin found in the Vita as a Carolingian hallmark, although clarification of precisely how the language identifies the writer as Carolingian is omitted. Yet Krusch simultaneously argues that the writer lacked education (or that he was stupid) in order to explain features he finds anomalous. A cache of words that the hagiographer supposedly coined form a large part of the basis for this assertion:21 “Artem verbis multis pauca dicendi optime callebat. Sermone aevi Karolingici scriptor agnoscitur, in scholis vero non ita profecerat, cumque vocabula

|| 21 KRUSCH, Vita Apollinaris Valentinensis (MGH SRM 3), 196.

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latina ei saepe deficerent, ipse sibi ea formavit, ut c. 7. dormitatio, c. 5. efferentia, c. 13. inofficiositas, c. 7. insomnitas, c. 10. succensendum (pro ‘succedendum’, ‘adeundum’; cf. c. 8. successio = adventus), c. 11. veteritas, aliaque sensu alieno accepit, ut denegare22 (= praetermittere), praetendere23 (= parare).”24

Even if one accepts the dubious proposition that the presence of atypical Latin necessarily implies that the Vita was written by an uneducated Carolingian writer (rather than, perhaps, a perfectly normal pre-Carolingian author), Krusch’s concerns here can be quickly refuted, thanks to the Thesaurus Linguae Latinae, the Mittellateinisches Wörterbuch, and the Brepols Cross-Database Search Tool. One can see that these ‘made-up’ words are sometimes found in earlier late antique texts as well as some written during Apollinaris’s lifetime. Dormitatio (meaning “sleep”) is attested in the Vetus Latina, the Vulgate, and several ecclesiastical authors.25 Efferentia may be a neologism by the author of the Vita, but neologisms ending in -antia and -entia were coined by a number of ecclesiastical authors in the later Roman period.26 Krusch assumes that insomnitate must be a clumsy back-formation (meaning insomnia) invented by the author. However, it could also represent a copyist’s error, or perhaps an erroneous or alternate spelling of insomnietate, a word attested numerous times in late Latin texts.27 Inofficiositas28 is attested in a homily by Valerianus Cemeliensis († c. 460),29 as well as in two of the nine extant letters written by Salvian of Marseilles30 (c. 400–c. 475), one letter by Ruricius of Limoges31 (c. 440–c. 510), and one letter by Apollinaris of Valence32 (to his brother Avitus!). This group shared ties to a common ecclesiastical culture and aristocratic society in southern Gaul during the fifth and early sixth centuries. In fact, there is only o n e later author who uses this word: the ninth|| 22 VA Praefatio and 7. 23 VA 3 and 5. 24 “He was highly skilled at saying few things in many words. By his language the author can be recognized as belonging to the Carolingian period, but he had not advanced very far in his education, for often when he lacks Latin vocabulary words, he makes them up himself, for instance, c. 7. dormitatio, c. 5. efferentia, c. 13. inofficiositas, c. 7. insomnitas, c. 10. succensendum (for ‘succedendum’, ‘adeundum’; cf. c. 8. successio = adventus), c. 11. veteritas, and he uses other words in strange ways, such as denegare (= praetermittere), praetendere (= parare).” 25 Vetus Latina: Prov. 6,4; Is. 56,10; Io. 11,13; Vulgate: Ps. 131,4; Prov. 23,21; see also Cassian. inst. 3,8,2; Mar. Merc. Nest. adv. Pel. 4,3; Orig. in Matth. 18,96; Pallad. hist. mon. II 1, p. 345B. 26 For example, see DEMMEL, Neubildungen. 27 Cass. Fel. 48 p. 122,13; 51 p. 131,8; 62 p. 154,4; and 71 p. 170,15; Theod. Prisc. eup. faen. 2,1; Plin. Val. 1,35. 28 Krusch inexplicably prints inofficiositas in his discussion of the term in the preface and inoffitiositatis in the text. 29 Val. Cem. hom. 14,4 (PL 52, 736D). 30 Salv. epist. 3 and 4. 31 Ruric. epist. 2,16. 32 Alc. Avit. epist. 62.

162 | Angela Kinney  century homilist Heiric of Auxerre.33 So perhaps the word inofficiositas can assist in dating the work – only not as Krusch intended. Certainly, the word’s presence in elite correspondence indicates that inofficiositas cannot be a word invented by an ignorant author. Rather, inofficiositas may constitute bureaucratic language deployed in written correspondence that subsequently fell out of use. If this speculation is correct, its presence here may suggest that the Vita was composed by a Gallic hagiographer who either knew the bureaucratic vocabulary of fifth- and sixth-century bishops intimately or participated in it himself.34

The case of Stephanus, Sigismund’s treasurer The case of Stephanus’s “incestuous marriage” in the Vita Apollinaris is corroborated in part by the first council of Lyon (518/523), which was held specifically to discuss this problem.35 At this time, the Frankish church was obsessed with the concept of incest and how to define it.36 Numerous church councils defined incest in a manner that goes far beyond the modern concept of blood relationships.37 Episcopal correspondence, including that of Apollinaris’s brother, Avitus of Vienne, also shows bishops asking and answering questions about how to handle cases of incest in the congregation.38 All of these documents indicate the gravity of this topic in sixth-century Gaul. In the Vita, Apollinaris is depicted as joining with other local bishops in condemning Stephanus’s relationship and depriving him of communion while he remained in rebellion against church canons. The king is enraged by this decision, and the bishops decide to withdraw in oppido civitatis Lugdunensium, quod noncupatur Sardinia. The background and legal documentation for this episcopal withdrawal require some explanation, especially as Krusch saw an inconsistency between what is recorded in the church canons and the events of the Vita.

|| 33 Heir. hom. 31,62. 34 Another interpretation would take into account where the word appears, that is, immediately before a direct quotation (VA 13): Qui dum ad matutinas laudes reddendas, nobis consurgentibus, defuisset, et Claudius diaconus causam ab eo huius inoffitiositatis exquireret. Perhaps the hagiographer, if he was indeed present at this interrogation, recorded a strange word that Claudius actually used. 35 Concilium Lugdunense (518/523; ed. DE CLERCQ, Concilia [CCSL 148A], 38–41). 36 On this subject, see DE JONG, Limits of Kinship, 36-59; MIKAT, Inzestgesetzgebung; WOOD, Incest, 291–303; UBL, Inzestverbot. 37 Concilium Aurelianense I (511) can. 18; Concilium Epaonense (517) can. 30; Concilium Lugdunense (518/523); Concilium Claremontanum (535) can. 12 (ed. DE CLERCQ, Concilia [CCSL 148A]). 38 For example. Alc. Avit. epist. 16, 17, and 18. For analysis, see SHANZER – WOOD, Avitus of Vienne, 285–290.

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The council of Lyon (518/523) describes the action the bishops threaten to take if the king should turn a blind eye to this violation of church canon, namely the bishops would “betake themselves to monasteries without any delay”39 until the king sought reconciliation with the church. Notably, this council contains two canons with two distinct subscription lists. The first canon condemns the crime of incest and outlines the plan for a kind of episcopal “strike”; this is followed by the names of eleven Gallic bishops.40 A subsequent canon hints at greater circumspection in the face of potential political repercussions: “Also, to go along with the opinion of our most glorious lord king, we offer this as a mitigation, that we give leave to the aforementioned Stephanus and Palladia to pray in sanctified space up to the offertory prayer of the laity, which is given after the gospel reading .”41 This canon is signed by only nine bishops (including Apollinaris of Valence).42 Krusch interprets this canon as wholly inconsistent with the earlier canon condemning the couple’s relationship; this reading gives him another opportunity to mock the hagiographer as a liar. However, other scholars do not agree that this canon necessarily entailed a complete withdrawal of the bishops’ condemnation.43 The concession is consistent with accounts of public penance in the late antique church – the penitents had to sit with the catechumens and leave with them after the gospels were read.44 They thus were not able to partake of the sacraments, but could hear the mass up to the Collecta post preces.45 In this case, Palladia and Stephanus presumably would only have been offered this “deal” if they agreed to engage in penance. Since the performance of penance carries with it a resolution not to sin again, Palladia and Stephanus would have had to agree to separate. If this solution

|| 39 Concilium Lugdunense (518/523) can. 1: se in monasteriis absque ulla dilatione … recipiant. 40 In order: Viventiolus, Iulianus, Silvester, Apollinaris, Victorius, Claudius, Gregorius, Maximus, Saeculatius, Florentius, Fylagrius. 41 Concilium Lugdunense (518/523) can. 4 (6): Domni quoque gloriosissimi regis sententia secuti id temperamenti praestitemus, ut Stephano praedicto vel Palladiae usque ad orationem plebis, quae post evangelia legitur, orandi in locis sanctis spatium praestarimus. The canons of this council are included under the heading, “The bishops back down,” in MATHISEN, People, 81f. 42 In order: Iulianus, Silvester, Apollinaris, Victorius, Claudius, Gregorius, Maximus, Saeculatius, Fylagrius. 43 MIKAT, Inzestgesetzgebung, 111–113; WOOD, Incest, 299. 44 Various Merovingian councils contain canons specifically addressing the treatment of penitents, e. g., Concilium Epaonense (517) can. 23 and 29; Concilium Aurelianense III (538) can. 28/29. The scholarship concerning the practice of public penance in late antiquity is extensive. Some key works include DE JONGE, Transformations, 185–224; UHALDE, Juridical, 97–120; VOGEL, Discipline pénitentielle; VOGEL, Le pécheur; WATKINS, History of Penance. 45 For the order of the Merovingian mass as attested in Gallic sources written between 481–751, see HEN, Culture and Religion, 67–71. Hen’s evidence for the treatment of penitents is based upon Expositio Antiquae Liturgicae Gallicanae 1,15; Greg. Tur. vit. pat. 17,2 and Franc. 10,8; Concilium Aurelianense V (549) can. 2.

164 | Angela Kinney  to the apparent inconsistency within the council is accepted, then it is possible that the Vita Apollinaris reflect the records of the first council of Lyon.

What type of exilium? And where is Sardinia? The nature and location of the bishops’ “exile” pose problems. The first issue may be easily resolved by a close reading of the text: did the bishops depart voluntarily or not? Krusch and some other scholars46 have omitted or underemphasized the qualifier in the phrase tamquam exilio deputati, “just as if condemned to exile.” The word tamquam clarifies that the hagiographer wishes to view the bishops’ decision as a voluntary exile. This is wholly consistent with the plan to “strike” laid out in the first canon of the council of Lyon.47 The question of location is somewhat more complicated. The Vita states that the bishops journeyed together in oppido civitatis Lugdunensium, quod noncupatur Sardinia, “to the town in the province of Lyon which is called by the name Sardinia.” Krusch rightly notes that there is no known town called Sardinia anywhere in the territory of Lyon. However, he points out that the island of Sardinia was widely known as a place of exile; in fact, both Bede and subsequently Ado of Vienne state that the Vandals deported many bishops to Sardinia during the fifth and early sixth century.48 Krusch concludes that the similarity between the Vandals’ exile of bishops to Sardinia and the Vita’s reference to bishops heading for Sardinia is too obvious to be denied. Thus, he says, it is beyond doubt that the author of the Vita Apollinaris fabricated the exile of the Burgundian bishops to match that of the Vandal exiles. Well, I wish to offer a bit of doubt.

|| 46 “Following the excommunication of Stephanus, the king, in his fury, exiled the bishops, or so says the author of the Vita.” WOOD, Incest, 299. 47 Concilium Lugdunense (518/523) can. 1: Quod si se rex praecellentissimus ab ecclesiae vel sacerdotum comunione ultra suspenderit, locum ei dantes ad sanctae matris gremium veniendi, sancti antistites se in monasteriis absque ulla dilatione, prout cuique fuerit oportunum, recipiant … 48 Beda temp. rat. 66: Transamundus Vandalorum rex catholicas ecclesias clausit et ccxx episcopos exilio Sardiniam misit. A codex of Trinitarian writings by Hilary of Poitiers was also dated and subscribed in Karaulis (the Sardinian capital, modern Cagliari) by Fulgentius of Ruspe or one of his friends.

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Doubt and speculation: when is Sardinia not Sardinia? There are a number of ways to approach a textual problem of this sort. While it may not be possible to resolve the issue definitively, I shall explore some speculative solutions to this textual crux without excising the word or assuming that it was a deliberate falsification on the part of the author. For instance, a town Sardinia may indeed have existed in the province of Lyon; the Vita may be the lone textual witness to its existence. Alternatively, the Gallic bishops themselves could have nicknamed their destination “Sardinia” in order to connect their self-imposed strike with the Vandal exiles. That is, perhaps they referred to their site of withdrawal as “our Sardinia” or “the Burgundian Sardinia,” in the same way that Ausonius called Arles “the little Rome of Gaul” (Gallula Roma).49 In this case, a nickname could allow the Gallic bishops to express solidarity with their oppressed brothers. Or perhaps the phrase quod noncupatur Sardinia was an erroneous marginal gloss that found its way into the text, or the interpolation of a well-meaning scribe with a confused sense of ecclesiastical history. Paul Mikat has called attention to Carl Binding’s plausible suggestion – that this reference to Sardinia may be a corruption of Sarbiniacum (modern Savigny, about 25 kilometers from Lyon), where Gundobad had a villa.50 While each of these explanations has its merits, I wish to offer another perspective regarding this textual crux. The civitas of Lyon contains a monastery by the name Insula Barbara (now known as l’Île Barbe), located in the middle of the Saône (or, as the ancients called it, the Arar). This monastery was established as early as the fifth century according to Gregory of Tours51 and was probably founded by Eucherius of Lyons.52 Is it possible that an overzealous scribe read the name of this monastery – which is, in fact, on an island – as a reference to another “savage island,” that is, the island of Sardinia? Given that oppidum can refer to any size of settlement, perhaps the original text read in oppido civitatis Lugdunensium, quod noncupatur Insula Barbara (or Barbari). The Vita Boniti happens to preserve an analogous construction for referring to this very monastery, as do the Acta Aunemundi:53

|| 49 Auson. carm. 10 (Ordo urbium nobilium), 74, p. 148 P. 50 MIKAT, Inzestgesetzgebung, 108 n. 319; BINDING, Geschichte, 148 n. 510. However, to my knowledge, there exists no record of a late antique monastery in Savigny. 51 Greg. Tur. glor. conf. 22. 52 MATHISEN, Ecclesiastical Factionalism, 90. For the early history of the monastery, see WOOD, A Prelude to Columbanus, 3–32 53 Although the Acta Aunemundi (ed. P. PERRIER, AASS Sept. 28, vol. VII, pp. 744–746) have a very late manuscript tradition, compelling arguments have been made concerning the authenticity of

166 | Angela Kinney  V. Boniti: in monasterio quod Insula Barbari vocatur A. Aunemundi: appulit ad insulam, quae dicitur Barbara V. Apollinaris: in oppido civitatis Lugdunensium, quod noncupatur Sardinia. In positing a substitution such as this, one must consider how likely such a mistake might have been. While a direct reference to Sardinia as insula barbara has yet to be found, numerous attestations exist for various “savage” peoples and places on the island. For instance, Cicero’s Pro Scauro 36 deems Sardinians homines barbaros because they were allegedly swayed by opinion rather than by facts. The internal, mountainous region of Sardinia called Barbagia was home to the Barbaricini, a group of pagan bandits mentioned by Procopius and Gregory the Great, among other authors.54 In a letter to the praeses of Sardinia, Gregory the Great refers to the barbaris et provincialibus Sardiniae in the context of their conversion to Christianity.55 Evidence also exists for describing places of paganism and/or exile with the adjective barbara or the noun barbaria: examples include Scythia, the non-Roman part of Britain56 and Corsica.57 Finally, Sardinia has been described with a similar phrase, insula nociva, in the context of exile.58 This speculative solution concerning the bishops’ destination is satisfying because Insula Barbara is in the right place (the province of Lyon) and is the right kind of thing – that is, the bishops in the Vita end up journeying to a nearby monastery, just as the canon recorded in the council of Lyon states. The monastery is even on an island! However, my suggestion of Insula Barbara is not an indisputable resolution of this crux. Perhaps in this case study, such speculation merely serves as a reminder of the many methods by which one can untangle textual mysteries. Sometimes the textual critic’s solution may not lie in a simple factual or scribal error; at times one must consider the refractive index, so to speak, endured during the textual transmission: how the text might have been bent as it passed through many (tired) eyes and hands. Just as a pencil partially immersed in water appears bent because of light refraction, so too does the Vita Apollinaris seem defective here at first glance. But by accounting for a sort of textual refraction, it is possible to imagine how a reference to Insula Barbara, a famous island monastery in the province

|| this text. See FOURACRE, Merovingian History, 26f.; FOURACRE – GERBERDING, Late Merovingian France, 166–179. 54 Greg. M. epist. 23 and 24; Procop. Vand. 2,13,44, and Aed. 6. 7. 12. 55 Greg. M. epist. 11,12. 56 E. g., Cic. nat. deor. 2,88 (barbaria is used regarding Scythia and Britain); Martial 14,99: barbara de pictis veni bascauda Britannis, / sed me iam mavolt dicere Roma suam (although barbara modifies bascauda, it may be interpreted as hypallage as well). 57 Anth. 237 (Riese, p. 229): Barbara praeruptis inclusa est Corsica saxis, / horrida, desertis undique vasta locis. 58 The entry for Pontianus in the Catalogus Liberianus states: Pontianus episcopus et Yppolitus presbyter exoles sunt deportati in Sardinia, in insula nociva.

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of Lyon, might have been warped into a reference to Sardinia, a famous island notorious for its harshness and use as a place of exile.

Apollinaris’s river journey The second half of the Vita records the river journey that the bishop undertakes prior to his death: he sails down the Rhone from Valence and travels past Avignon to Arles and finally to Marseilles. As stated earlier, his motivations include visiting the shrine of Genesius of Arles and visiting loved ones. Yet, while Apollinaris does reach the site of Genesius’ shrine (Arles), the Vita fails to portray the bishop’s pilgrimage – the shrine receives no mention at all, not even a physical description. Instead, the hagiographer focuses on the journey itself, including Apollinaris’s interaction with the waters of the Rhone, and the bishop’s reception at his various ports-of-call. Features of this second journey display the author’s literary style and interests in the physical world. Krusch complains in his preface about particular aspects of the hagiographer’s style, namely, the personification of cities and use of the first-person plural. However, further examination will show that such characteristics are common in panegyrics and voyage narratives, respectively. Furthermore, the individuals mentioned in this section may also assist in dating the work.

Personification Krusch mentions the personification of cities in the Vita as if this were unacceptable in classical Latin.59 In fact, there is a long tradition of personification – including personification of abstract qualities, regions, rivers, and many other natural elements – in imperial and late antique Latin literature.60 Iconography in late antiquity regularly included personification of cities and provinces.61 Given that cities were often personified in travel literature and panegyric, it may be fruitful to examine the influence these genres may have had on hagiography and on this Vita in particular.

|| 59 KRUSCH, Vita Apollinaris Valentinensis (MGH SRM 3), 196: “Urbibus faciem induit personarum easque agentes patientesque induxit rhetorice: eleganter enim loqui voluit, ideoque sermo nonnumquam est perplexus.” 60 The bibliography on this subject is vast. Concerning the personification of cities in late antique literature, see for example: CAMERON, Claudian, 271–278; ROBERTS, Rome Personified, 533–563. 61 See for example, OSTROWSKI, Les personifications; BÜHL, Constantinopolis und Roma.

168 | Angela Kinney  Krusch’s complaint about personification of cities cites only two examples,62 although Arles is likewise personified. To address his concern about “the citadel at Avignon guiding the way, strengthened by the protection of nature” (VA 8), one need only point to the numerous instances in Rutilius Namatianus where natural features and regions guide the traveler.63 Personified cities are also used by Christian poets, such as Fortunatus, who refers to the city of Metz rejoicing in its twin fishy banks.64 In addition to Krusch’s complaint regarding Valentia flevit,65 Apollinaris’s Vita contains another example of a personified city66 receiving the bishop in an adventus ceremony67 – a ritual display of welcome and submission. Apollinaris’s entry into Arles is marked by the effusive greetings of both secular and ecclesiastical figures, each accompanied by their own retinue: the populace following bishop Caesarius, and the court following the praetorian prefect Liberius. After his stay in Arles, he is invited to Marseille, where he is welcomed warmly. Other imperial and episcopal greeting ceremonies in late antiquity are depicted similarly; the personification of cities in adventus depictions was common practice, both in literature and art.68 For example, Constantius’s fifth-century Vita Germani – the life of a bishop who is constantly traveling on political business – depicts Germanus of Auxerre journeying to the praetorian prefect of Gaul Auxiliarus in Arles. He is received eagerly there by the personified city,69 as well as in other towns on his route, where the populace is depicted as running to meet him.70 The Rhone river is repeatedly personified in both the Vita Apollinaris and the Vita Germani, inviting further comparison both between these episcopal Vitae and with images of personified rivers in panegyric. It is intriguing that Krusch does not link the occasional personifications of cities in the Vita Apollinaris to the heavily personified Rhone river. The Rhone plays a spe|| 62 VA 8: Namque cum iam in conspectu nature firmatam munimine arcem demonstraret Avennio; VA 14: Valentia, quae flevit. 63 For example: Rut. Nam. 1,371: lassatum cohibet vicina Faleria cursum; 1,401: proxima securum reserat Populonia litus; 1,431: incipit obscuros ostendere Corsica montes. 64 Ven. Fort. carm. 3,13,9f.: Hoc Mettis fundata loco speciosa coruscans / piscibus obsessum gaudet utrumque latus. 65 VA 14. 66 VA 10. Arles is personified in the phrase Hoc civitas gavisa (cf. Ven. Fort. carm. 3,13,9f.: Mettis … gaudet); the prayers of the citizens of Marseille receive the bishop similarly: Massiliensium nos vota suscipiunt. 67 MACCORMACK, Change, 721f. 68 Examples from panegyrics abound – for example – Pan. Lat. 10,13,4; 10,14,1; 11,12,1f. Regarding artistic depictions, see BÜHL, Constantinopolis und Roma, 300–307 69 Constantius vita Germ. 6,33: Itaque advenientem beatissimum virum urbs Arelatensis religiosa gratulatione suscepit. See also 6,34. 70 Constantius vita Germ. 2,7: Territorium sane Augustodunense dum præterit, advenienti multitudo indiscretae aetatis et sexus occurrit; 2,10: Concurrebat diversa populi multitudo, benedictionem expertæ sanctitatis opperiens; 5,22: Ibique conveniens ex diversis partibus multitudo excepit sacerdotes.

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cial role in Apollinaris’s life, appearing as a major ‘character’ in both journeys the bishop makes. His first miracle – a personal spring obtained through prayer – occurs when the waters of the Rhone are rendered unfit to drink by a mysterious “fiery heat.”71 In the second half of the life, the river becomes Apollinaris’ main mode of transport, linking all of the cities on his tour; it also becomes a personified entity with a dual nature. The hagiographer describes the river’s legendary fierceness at length, calling it “prone to calamities” and mentioning how the “currents of the brisk Rhone frightened others” but those confident in the virtues of Apollinaris can travel “safely amid the threats of the waves.”72 He then credits God with “subdu[ing] the currents for his saints,” so that “the river, which previously had known how to frighten with its deadly rapacity, learned to serve at the Lord’s command.”73 This topos of wild waters becoming calm and restrained under a divine ruler is one common to late antique panegyric. Claudian’s panegyric on the consulship of Flavius Manlius Theodorus is merely one example of obedient, calm rivers illustrating the tranquilla potestas of the ideal ruler.74 This tranquilla potestas is at work as well in the Vita Apollinaris, where God’s command subdues the normally ferocious waters of the Rhone in the manner of the ideal ruler. Only in the presence of a demon does the river become agitated and cause the ship to toss. When this occurs, Apollinaris is awakened75 and steps into the role of saintly leader: he tells his priest how to expel the evil spirit from its human host, and the priest carries out his instructions. The parallel between the Lord’s command (iussione Dominica) and the bishop’s command (antistitis iussione compulsus) seems deliberate. Both result in calming the river as well as the spirits of the travelers. After the exorcism of the demon, the river serves the saint appropriately: Rodano famulante.76 This episode may be compared to a similar incident in Constantius’s Vita Germani 13, when demons interrupt an otherwise peaceful sea journey. Germanus falls asleep and the tempest worsens (quasi repugnatore cessante). Finally the bishop is

|| 71 VA 4: ab ardenti aestu fluenta Rhodani tepefacta sunt, ut a sitientibus ex eo aqua potari non posset. This is another example of the hagiographer’s interest in the natural world. Perhaps it is a reference to some natural phenomenon that actually occurred. There are many attestations for drinking warm – even hot – waters in antiquity and beyond, and so the emphasis on temperature here seems insufficient. Is this a reference to drought, known to be a late summer problem in the Rhone valley? 72 VA 7: Et quamvis ceteros pernicis Rodani fluenta terrerent, tamen in ipsius sancti pontificis meritis confidentes, inter undarum minas tuti secundis estibus properabant, ut deditum amnem casibus tunc manifestum sit caruisse periculis. 73 VA 7: Sempiterni ergo Regis ammiranda et non ignota potencia tum sanctis suis flumina subdidit, … et fluvius, qui mortifera rapacitate terrere prius noverat, iussione dominica didicit famulari. 74 Claud. 17 (paneg. dictus Mallio Theodoro cos.), 42–53 75 Allusion to Mc. 4,35–41; Mt. 8,23–27; Lc. 8,22–25. 76 VA 10.

170 | Angela Kinney  awakened; he anoints the waves with oil and leads his companions in prayer. The results are striking: Adest divinitas; fugantur inimici. Tranquillitas serena subsequitur; venti contrarii ad itineris ministeria vertuntur. Navigium famulatrix unda prosequitur, decursisque immensis spatiis, brevi optati littoris quiete potiuntur. “God is present; the enemies are put to flight. Peaceful tranquility follows; the adverse winds are turned to the service of the journey. A faithful wave escorts the ship, and after a long period of travel, soon they reposed peacefully on the desired shore.”

The saint’s prayers literally bring God back, and in turn, peace is restored. In this fifth-century life, the water is personified similarly to the Rhone in the Vita Apollinaris, even in terms of the vocabulary used to describe the waters. Apollinaris’s Vita uses the word famulari in terms of the Rhone “learning to obey.”77 In the Vita Germani, famulatrix unda is merely one example of a form of famulo(r) applied to water; later, the Saône is personified with the same ablative absolute as Apollinaris’s watery vehicle, the Rhone. Germanus has the Arari famulante78 while Apollinaris rides upon the Rodano famulante.79 These parallels between the Vita Germani and the Vita Apollinaris show that there are indeed certain topoi that turn up in the Vitae of late antique traveling bishops. Both of these lives include elements drawn from late antique panegyric and travel literature – namely, personified cities and rivers. While these literary elements cannot firmly date the Vita Apollinaris, their presence helps set it within a late antique context. These features also seem to vindicate the author’s education. Instead of peppering the Vita Apollinaris with stale biblical or hagiographical topoi, the author has chosen to use material that draws upon different genres. Perhaps these genres influenced other aspects of the work as well, such as the use of the first-person plural.

Plural problems The author’s use of the first-person plural in two paragraphs80 led Krusch to assume that the author claimed to have been present during Apollinaris’s final journey (hence, his classification of the Vita as a late “forgery” and not merely a later work). But Krusch fails to acknowledge the ancient and Hellenistic tradition of using the

|| 77 VA 7. 78 Constantius vita Germ. 5,22. 79 VA 10 80 VA 10 and 13.

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first-person plural in travel narratives; for example, in the biblical book of Acts, the point of view changes abruptly from third person to first-person plural. There are four sections of Acts narrated in the first-person plural81 and interestingly enough, each section incorporates a journey over water, just as the first-person plurals in the Vita Apollinaris primarily appear in the bishop’s water journey.82 Scholars remain divided over the interpretation of these passages in Acts.83 Some state that the firstperson plural must indicate eyewitness testimony,84 while others believe the author possessed an itinerarium source;85 a third group views the first-person plural pronouns as stylistic insertions86. At least one scholar considers the first-person plural in these passages to be a false authorial claim, and argues that the author is writing a deliberate “forgery”87 (so such arguments are still around today!). But the point is that there are numerous literary interpretations of the first-person plural, all of which may be relevant to the Vita Apollinaris. Krusch’s explanation of the confusion between the first and third person in chapter 13 assumes that the author is being deceptive without considering the context of the passage: “Auctor Ghesquiero fuisse visus est Eladius diaconus. Ita enim in uno codice S. Claudii corrupte vocatur is qui in melioribus Claudius constanter audit, quique in obsequio episcopi fuisse dicitur. At biographus de illo referens tertia persona utitur, unoque loco (c. 13), ubi in deterioribus codicibus scripta sunt: revertens – exquirerem, in melioribus haec extant: Claudius diaconus – exquireret, verbaque sequentia, quae interpolator immutare neglexit, omnibus libris convenientibus, de tertia persona dicta sunt: Tunc sepe dictus diaconus inquit. Igitur neque de Eladio cogitari potest neque de Claudio. Testis autem oculatus auctor fuisse vult, ideoque descripsisset, quae meminisset, si ei credere fas esset.”88

|| 81 Act. 16,10–17; 20,5–15; 21,1–18; 27,1–28,16. 82 The exception is nobis consurgentibus in VA 13, which is discussed in the next paragraph. 83 A helpful overview of this scholarly problem, including additional bibliography, appears in ROTHSCHILD, Luke-Acts, 264–269. 84 For example, CADBURY, ‘We and I’, 128–131; MUNCK, The Acts, xxix–xxxv; HENGEL, Zur urchristlichen Geschichtsschreibung, 60; THORNTON, Zeuge des Zeugen, 192–195. 85 For example, DIBELIUS, Studies in the Acts, 192–206; SCHLEIERMACHER – DE WETTE – BINDEMANN, Verkündigter Verkündiger, 705–720. 86 First suggested by PLÜMACHER, Wirklichkeitserfahrung, 2–22. Others espousing this view including ROBBINS, By Land and By Sea, 215–242; SCHILLE, Apostelgeschichte; WEHNERT, Wir-Passagen. 87 EHRMAN, Forgery, 263–282. 88 “For Ghesquier, a deacon ‘Eladius’ seemed to have been the author. Thus in one manuscript from Saint-Cloud is he erroneously designated, who is always named ‘Claudius’ in better codices and is said to have been in the service of the bishop. But the biographer when mentioning him uses the third person, and in one place (c. 13), where revertens – exquirerem are found in the inferior codices, these words appear in the better codices: Claudius diaconus – exquireret, and the following words, which the interpolator failed to change and regarding which all the codices agree, speak about a third person: Tunc sepe dictus diaconus inquit. So neither Eladius or Claudius comes into

172 | Angela Kinney  So there is some confusion here among the four codices containing the Vita Apollinaris. What Krusch fails to indicate is that this paragraph is Apollinaris’s death scene, reported by a third party. Because it includes both various first- and third-person elements, as well as a lengthy narrative of reported speech, it is easy to see how a scribe could have blundered in copying it or could have tried to correct what he thought was an error (VA 13): Leubaredus quoque archidiaconus ipsius servi Dei eo tempore obsequiis inherebat. Qui dum ad matutinas laudes reddendas, nobis consurgentibus, defuisset, et Claudius diaconus causam ab eo huius inoffitiositatis exquireret: ‘Remotis’, inquit, ‘officiorum sociis sollicitudinis voto ad cellulam domni Apollinaris accessi.’89 The text clearly states that the only real eyewitness to Apollinaris’s death was the archdeacon, Leubaredus. The narrator (included among the nobis consurgentibus) and Claudius, the deacon, hear about the saint’s ecstatic death secondhand. So while it is possible that the narrator wishes to be considered among those who heard the story for the first time, he certainly could not have been the one who witnessed Apollinaris’s death. It seems probable that the first-person singular references in some of the codices were errors introduced by a copyist, given that the firstperson singular is used repeatedly by Leubaredus.

Prosopographical footprints Personages named in a hagiographical text may reveal what information the author had regarding the saint, as well as characteristic names contemporary with either the author or the saint. Some people mentioned in the Vita Apollinaris were the equivalent of ‘stars’ in sixth-century Gaul; for this very reason, their presence in a narrative is not very useful in evaluating authenticity. However, relatively unknown names mentioned in the Vita may reveal much more about the author and date of composition. One such minor character is Arcutamia, who is mentioned in the context of Apollinaris’s journey to visit his Gallic friends before his impending death; she invites the bishop and his retinue to Marseille.90 She is identified in the PLRE as Archotamia,91 the relative of Ennodius of Pavia; his epistolographic corpus

|| question. The author wishes to have been an eyewitness, therefore he would have written down what he had remembered, if it were possible to trust him.” 89 “Leubaredus, the archdeacon of that servant of God, was also engaged in service at that time. When we were rising together to celebrate morning worship, he had been absent, and the deacon Claudius asked him the cause of his neglect. He said, ‘When my companions in service were away, I entered the cell of my lord Apollinaris with dutiful desire.’” 90 VA 10. 91 Also spelled Arcotamia. See PLRE 2, Archotamia.

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contains two letters addressed to her in 508.92 Cassiodorus mentions the same woman as an illustris femina in the context of a lawsuit against her son’s widow.93 Yet the Vita Apollinaris provides two details about Arcutamia that are not present in other attestations: she is called Apollinaris’s propinqua and described as senatrix. The term senatrix is uncommon94 and suggests that Arcutamia was the wife of a politically significant person or perhaps a senatorial woman in her own right. By the sixth century, the term senator had undergone considerable semantic widening; the word could be used to describe someone from a senatorial family, and eventually was used to describe any powerful, rich man.95 However, the term senatrix is much rarer, and for this reason it is prudent to examine its possible connotations. While Arcutamia appears in Ennodius and Cassiodorus, neither of these authors mentions her husband or lineage.96 If the hagiographer knew about Arcutamia solely from these external sources, why use a rare title that implicitly references her marriage or lineage? Why not use terms celebrating her piety or simply describe her as illustris? Furthermore, Arcutamia is mentioned in a section of the Vita where other politically significant people appear: bishop Caesarius of Arles, Liberius97 (praetorian prefect of Gaul), Parthenius (who later became a patrician and magister officiorum),98 and Ferreolus of Rodez (senator).99 The list of people mentioned here emphasizes family connections100 and, implicitly, political clout. In the case of Parthenius and Ferreolus, the author could have easily added material concerning || 92 Ennod. epist. 6,24 and 7,14. 93 Cassiod. var. 4,12. 94 A search for senatrix (including all declined forms of the word, but without any search filters) in the Brepols Cross Database Search Tool returns only nineteen results. 95 The evolution of the meaning of senator in late antiquity is discussed by GILLIARD, Senators, 685–697. 96 Ennod. epist. 7,14 identifies Arcutamia as a widow; the same letter references her son, who had joined a monastery at Lérins. The lawsuit mentioned by Cassiodorus (var. 4,12) reveals that a son of Arcutamia’s had been married and owned property, and that he had died recently. It is unclear whether this is the same son mentioned by Ennodius. 97 Alc. Avit. epist. 35 is addressed to Liberius. 98 His name is spelled Partemio in three of the four VA mss. (1a, 1b, and 2b); Krusch does not give the reading of 2a. MATHISEN, Epistolography, 103, convincingly argues that this Parthenius was Ennodius’s nephew and son-in-law to Agricola, the brother-in-law of Sidonius Apollinaris. He notes the importance of Parthenius’s presence in the Vita Apollinaris: “This identification, furthermore, welds yet another link into the chain of interrelationship connecting the premier epistolographers of late Roman Gaul, in this instance tying together Ruricius, Ennodius, and the Aviti. It is significant, in this context, that in the Vita of Apollinaris of Valence, who was the brother of Avitus of Vienne, Parthenius appears at Arles as Apollinaris’ consanguineus.” 99 Krusch confuses Ferreolus of Rodez (whose father was also a senator named Tonantius Ferreolus) with his grandfather Tonantius Ferreolus (c. 405–after 469), the praetorian prefect of Gaul. 100 VA 10 explicitly states that Apollinaris is related to Parthenius and Ferreolus: a consanguineis suis Partemio et Ferreolo assiduo veneratur.

174 | Angela Kinney  their political achievements,101 but chooses only to mention their blood ties to Apollinaris. In such company, it may be significant that the widow Arcutamia is called senatrix in addition to propinqua. Theoretically, her kinship with Apollinaris would have been sufficient for her inclusion – even Ferreolus, who became a senator, is not referred to as such! Perhaps the Vita Apollinaris preserves an important prosopographical detail about Arcutamia that survives in no other late antique source. The term senatrix seems to indicate that Arcutamia was a woman of political importance in her own right, and this detail seems only to have been relevant in contemporary society. Another revealing name is Leubaredus,102 the archdeacon who gives the account of Apollinaris’ ecstasy before his death in chapter 12. This name is not mentioned by Krusch, who dismisses many of the other named individuals as attested elsewhere. The name is exceedingly rare; the only other attestation appears in the Testamentum S. Remigii, where it is the name of a redeemed captive’s son.103 Remigius (c. 437–533) was bishop of Reims and a contemporary of Apollinaris. Two versions of a will attributed to him survive – a shorter one, transmitted in Hincmar’s Vita sancti Remigii, and a longer one in Flodoard’s Historia Remensis ecclesiae. Krusch considered both wills to be forgeries,104 a controversial opinion. A careful analysis of the shorter will was published by A. H. Jones, P. Grierson, and J. A. Crook, who dismantle most of Krusch’s judgments and argue that Hincmar’s shorter version should be considered authentic.105 If the shorter will is authentic, the appearance of Leuberedus within it suggests that this rare name can safely be associated with sixth-century Gaul.106 Moreover, the role that Leubaredus plays in the Vita Apollinaris is significant. The archdeacon delivers an eyewitness account of the bishop’s ecstatic death – a vision that outshines, literally, all the minor miracles Apollinaris has effected up to this point. This is a plum role in the Vita! Leubaredus’s rare name combined with the essential narrative he provides make it implausible that a later hagiographer could have completely fabricated this character and pulled this rare name from some other source. In effect, the reference to Leubaredus functions like a timestamp

|| 101 Parthenius is the more famous of the two. Greg. Tur. Franc. 3,36 gives an unsympathetic portrait of Parthenius, stating that he was hated by the Franks for taxing them under Theudebert; he was killed by a furious mob in Triers after Theudebert died in 548. 102 Ms. 2b reads Leuburedus. 103 Hincm. Remig. 32: Sunnoveifam quam captivam redemi, bonis parentibus natam, et eius filium Leuberedum. 104 Krusch’s preface to his edition of the Vita S. Remigii (B. KRUSCH, MGH SRM 3, 242–244) explains his reasoning. A longer version of his argument: KRUSCH, Reimser Remigius-Fälschungen, 537–565. 105 JONES – GRIERSON – CROOK, Authenticity, 356–373. 106 A similar name, Leobardus, is attested in Greg. Tur. vit. patr. 20. He was a Gallic hermit who died in 593.

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on this document, further marking it as specific to the setting and time period: sixthcentury southern Gaul.

Conclusion More than enough evidence has been found to encourage reconsideration of Krusch’s condemnation of the Vita Apollinaris as a late forgery. The vocabulary of the Vita does not include any strange neologisms or features belonging to a later period; in fact, some of the anomalies Krusch derides may actually support an early date. Historical details concerning the bishops’ response to the case of Stephanus corroborate canons in the first council of Lyon, and several possible solutions to the “Sardinia crux” have been suggested. The author’s style reveals idiosyncrasies that reveal his own interests (e. g., geographical details, natural phenomena) and genres that influenced his work (e. g., travel literature, late antique panegyric, perhaps lives of other traveling bishops in late antiquity). Prosopographical details, such as the senatrix Arcutamia and the rare name Leubaredus, suggest that the text could only have been written by a contemporary of Apollinaris. The combined weight of this evidence should enable philologists and historians to assess Krusch’s judgment of this Vita carefully before accepting his opinion as truth. The Vita Apollinaris, having been maligned (in its own words) by the indignis suffragiis et iniuriis of Bruno Krusch, deserves a fighting chance against its portrayal in the Monumenta Germaniae Historica.

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[email protected] Institut für Klassische Philologie, Mittel- und Neulatein, Philologisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät, Universität Wien

Hildegund Müller

Zu einigen problematischen Passagen in der sogenannten Vita (vel regula) Pacomii iunioris Die folgenden Bemerkungen sind einer Anzahl von sprachlichen und literarischen Quisquilien gewidmet, wie sie sich beim Edieren spätlateinischer Texte natürlicheroder aber auch bedauerlicherweise immer wieder finden und dem gedeihlichen Fortschritt der Werke in den Weg stellen: Sätze, die keinen Sinn ergeben, Wörter, die es in den Lexika nicht gibt, zweideutige grammatikalische Formen, unklare Zitate und dergleichen mehr. Quisquilien zudem, die auch nach vielfachem Durchdenken eigentlich nicht ‚lösbar‘ scheinen; keine auf der Hand liegende Konjektur, keine schlagende Parallelstelle, kein Gedankenblitz verheißt Aufschluss und stiftet den ersehnten Sinn, sowohl für die Textstelle selbst als auch jene höhere Bedeutung, welche die deprimierende Mühe des Philologendaseins ein ums andere Mal wieder rechtfertigt. Wie schön wäre es, könnte die Editorin solche Passagen einfach überspringen, um sich statt dessen der Suche nach höheren und spannenderen Wahrheiten zu widmen! „Wie nur dem Kopf nicht alle Hoffnung schwindet, / Der immerfort an schalem Zeuge klebt, / Mit gier’ger Hand nach Schätzen gräbt, / Und froh ist, wenn er Regenwürmer findet!“ So ruft Faust (ersichtlich kein Editor) aus angesichts der Pedanterie seines Schülers Wagner. Ist aber Faustens Verachtung so ganz gerechtfertigt? Immerhin ist es Wagner, nicht Faust, der im Verlaufe des Dramas das einzige konkrete wissenschaftliche Resultat, den Homunkulus, erbringt, wohl eben durch seine Detailtreue und seine Konzentration auf das vermeintlich Unwesentliche. Und nicht nur Schätze, auch Regenwürmer haben den Blick des Forschers verdient. Im Folgenden also eine kleine Sammlung sorgfältig präparierter und klassifizierter Regenwürmer. Mögen sie dem CSEL Freude bereiten, insbesondere aber seinem früheren Leiter Kurt Smolak, dem Detailarbeit nicht fremd und geringfügige Resultate nicht verächtlich sind – und den man dem wissenseifrigen Wagner wenigstens in einem getrost vergleichen darf: Mit Eifer hat er sich der Studien beflissen; zwar weiß er viel, doch möcht’ er alles wissen. *** Die anonyme Vita (vel regula) Pacomii iunioris (BHL 6411/6412) ist der Gegenstand einer ausführlichen Analyse von Albrecht Diem und einer künftigen Neuedition im CSEL (CSEL 98).1 Der in vielfacher Hinsicht, nicht nur wegen seiner Genusmischung, interessante Text ist schwer zu datieren und zu lokalisieren, gehört aber vermutlich || 1 DIEM – MÜLLER, Vita, Regula, Sermo (Edition: pp. 258–272); zu (spärlicher) älterer Literatur siehe dort.

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noch der Spätantike an.2 Die bisherige Publikation enthielt eine vorläufige Edition auf schmaler Handschriftenbasis und mit weitaus zu geringer Diskussion der mannigfaltigen sprachlichen und textkritischen Probleme, vor allem aber ließ sie eine philologische Analyse der komplexen inter- und intratextuellen Bezüge des Textes vermissen. Die Diskussion dreier exemplarischer Passagen soll im Folgenden diesem Desiderat zwar keineswegs abhelfen, aber wenigstens aufzeigen, mit welcher Mehrschichtigkeit und intertextuellen Vernetztheit einerseits und mit wie vertrackten sprachlichen Problemen andererseits bei diesem scheinbar so einfachen Text, wohl aber generell in der patristischen Prosa zu rechnen ist – und wenigstens einige geringe Hinweise darauf geben, was dies für die editorische Arbeit an selbst von Umfang und theologischem Gehalt vergleichsweise bewältigbaren Texten der christlichen Spätantike bedeutet.

1 Vita Pacomii iunioris 161/162 Beginnen wir gleich mit einer Passage, die ein offensichtlich unlösbares Problem aufwirft. Der Sprecher, ein dem Mönchsvater Pachomius nachempfundener, aber vielfach auch an den Antonius des Athanasius angelehnter Wüstenabt, hält gleich diesem eine regelartige moralische Ansprache an seine Mönche, in der sich die Aufforderung findet, sich auf die Vorschriften der Bibel zu beschränken, da jedes darüber hinausgehende Wissen gefährlich ist (159f.): Studete igitur conplacere deo, conversationem spiritalem habentes, divina mandata in dilectione eius conservantes. Cum sapientia legis praecepta in tenebris cordium vestrorum sint, ne quidem amplius aliquid sapiatis preter id quod simplicitas confirmat scripturarum dei. Daran schließt sich die folgende problematische Passage (161f.): Multi enim aliter de deo sentientes exciderunt a dilectione dei et proximorum suorum. Qui ergo huiusmodi sunt? A u d i B a r u c p r o ph e t a m d i c e n t e m . S i c e n im a i t : Dilectionem mandavit filiis populi sui, dilectionem fraternitatis, quae si incorrupta manserit inter cunctos, facit eos amicitiae dei fieri socios. Es ist unschwer zu sehen, dass hier etwas ausgefallen sein muss. Auf die stereotype Einleitung Audi Baruc prophetam dicentem. Sic enim ait folgt nicht, wie zu erwarten, ein Zitat aus Baruch, ja es folgt überhaupt kein Bibelzitat. Der Ersteditor der Vita Pacomii iunioris, Heribert Rosweyde,3 versuchte die Lücke mit Bar. 5,4 zu schließen: pax iustitiae et honor pietatis. Es ist unklar, warum Rosweyde gerade diesen Vers gewählt hat, der sich weder zum Vorhergehenden noch zum Folgenden recht zu fügen scheint; weder erklärt er, wer diejenigen sind, die sich von den Gesetzen der Schrift abgewendet haben und sich ihr eigenes Bild von Gott machen, || 2 DIEM – MÜLLER, 251f. 3 ROSWEYDE, Vitae patrum, 233–238.

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noch lässt sich von ihm eine sinnvolle Linie zum Gedanken der brüderlichen Liebe ziehen, die im folgenden Satz angesprochen ist. In Bar. 5,4 verkündet der Prophet vielmehr die künftigen Namen der wiedererstandenen Stadt Jerusalem, und man kann sich kaum eine allegorische Erklärung vorstellen, die diese Namen auf die im Folgenden angesprochene brüderliche Liebe bezogen hätte, erst recht nicht auf diejenigen, die es an Liebe zu Gott und den Nächsten fehlen lassen. Wenn wir freilich Bar. 5,4 beiseite lassen, lässt sich kaum mehr sagen, welcher Vers hier ausgefallen ist. Das Thema der Übertretung der Gebote Gottes findet sich insbesondere in Kapitel 3, mit einer Terminologie, die keine direkte Entsprechung bei unserem Pachomius hat, aber zweifellos monastischen Ohren gefiel: Bar. 3,13: si i n v i a d o m i n i ambulasses habitasses in pace sempiterna; 20f.: iuvenes viderunt lumen et habitaverunt super terram, v i a m autem d i s c i p l i n a e ignoraverunt neque intellexerunt semitas eius ... (23) v i a m autem s a p i e n t i a e nescierunt neque commemorati sunt semitas eius; 27: non hos (sc. gigantas) elegit deus neque v i a m d i s c i p l i n a e dedit eius. All diese Verse haben den negativen Charakter, den der Kontext unserer Stelle erfordert. Eine genaue Betrachtung der Ränder der solcherart festgestellten Lücke lässt einige weitere Aufschlüsse zu. Das Baruchzitat kann nicht das einzige sein, was hier ausgefallen ist. In der Lücke muss vielmehr sich ein Themenwechsel vollzogen haben, und bedauerlicherweise ein ziemlich interessanter. Hier, und nur hier in der gesamten Vita Pacomii ist eine Gruppe von Personen angesprochen, die von den in der Vita formulierten Grundsätzen monastischer Ethik, ja vielleicht sogar von der kirchlichen Lehre divergieren. Es fällt schwer, bei den aliter de deo sentientes nicht an irgendeine Form von Häresie zu denken; aber Häresie ist nicht das Thema des (vorhandenen) Textes. Was immer in der Lücke gestanden ist, hätte uns somit möglicherweise einen Aufschluss über die problematische Herkunft und Datierung der Vita geben können; freilich nur, wenn es nicht durch einen Vorlagetext mechanisch eingeschleppt worden ist. Am anderen Rand der Lücke ist von diesen Abweichlern nicht mehr die Rede, und der biblische Basistext hat sich gewandelt, allerdings auch hier in problematischer Weise. Hinter dem mit dilectionem mandavit ... eingeleiteten Satz steht ohne jeden Zweifel Io. 15,12f.: Hoc est praeceptum meum, ut diligatis invicem sicut dilexi vos. Maiorem hac dilectionem nemo habet, ut animam suam quis ponat pro amicis suis. Vos amici mei estis, si feceritis quae ego praecipio vobis. Ist das Subjekt von mandavit somit Christus, und ist das Johanneszitat der primäre hier paraphrasierte Text? Das ist aus zwei Gründen problematisch. Zum einen hat die Evangelienstelle ein über den Gehorsam hinausgehendes konkretes Thema, das an unserer Stelle (und in unserem Text) überhaupt nicht angesprochen ist, nämlich die Aufopferung für die Brüder bzw. das Martyrium. Es lässt sich kaum vorstellen, wie dieser Gedanke in der Rede des Pachomius hätte Platz finden sollen; das Johanneszitat passt also bestenfalls teilweise hierher. Zum anderen ersetzt die Paraphrase die Jünger, an die Christi Aufforderung gerichtet ist, keineswegs durch die Gemeinschaft der Christen

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oder eben der pachomianischen Mönche, wie naheliegenderweise zu erwarten wäre, sondern durch eine alttestamentarisch angehauchte Gruppe von filii populi (wenn wir nicht populi sui in Analogie zum folgenden fraternitatis als objektiven Genitiv auffassen wollen). Was immer damit nun genau gemeint ist, die Wortwahl spricht für die Paraphrase eines Prophetenverses, nicht des Evangeliums. Also doch wieder Baruch? Filii populi (sui) findet sich nicht in Baruch, sondern – von einer Danielstelle (Dan. 12,1) abgesehen – offenbar ausschließlich bei Ezechiel, wo es mehrfach die Adressaten der Prophetie bezeichnet: so Ezech. 3,11: vade ingredere ad transmigrationem et ad filios populi tui (entsprechend auch 13,17 und 33,2. 12). Es ist also durchaus möglich, dass hinter unserer verlorengegangenen Stelle ein Ezechielzitat steht und dass zur Interpretation des alttestamentarischen Verses Io. 15 herangezogen worden ist. Welcher Vers, und welche Interpretation? Brüderliche Liebe, und überhaupt Liebe, ist ebensowenig ein Thema bei Ezechiel, wie es eines bei Baruch ist; alle Erwähnungen des Doppelgebotes der Liebe in den Ezechielauslegungen des Hieronymus und Gregors des Großen verdanken sich vielmehr einer komplexen allegorischen Auslegung, etwa der doppelten Flügelpaare der Tiere in der Vision von Ezech. 1. Eine derart anspruchsvolle Gedankenführung ist für unsere Passage mit Sicherheit auszuschließen. Wie die Verbindung zwischen einem möglichen Ezechielzitat und den Themen unserer Passage hergestellt worden wäre, ist ganz unklar. Das Problem lässt sich durchaus noch etwas komplizieren. Das biblische Adjektiv incorrupta verweist am ehesten auf eine alttestamentarische Stelle, die mit allen Themen unserer Passage zu tun hat, und das kann schwerlich Zufall sein: der (Nächsten)Liebe, dem Gesetzesgehorsam und der Freundschaft mit (bzw. Nähe zu) Gott als Lohn: Sap. 6,19f.: cura ergo disciplinae dilectio est, et dilectio custoditio legum illius est. Custoditio autem legum consummatio incorruptionis est; incorruptio autem facit esse proximum deo. Von hier eine Linie zu den amicitiae dei ... socios unseres Textes zu ziehen, fällt nicht sehr schwer; und auch mit einem hypothetisch erschlossenen Zitat aus Bar. 3 lässt sich über den Begriff disciplina eine Verbindung herstellen. Sap. 6,19f. könnte also mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ebenfalls Teil einer an unserer Stelle ausgefallenen Passage oder wenigstens in irgendeiner Form in einem Vorlagentext dieser Passage präsent gewesen sein und würde sich gerade wegen der Multiplizität der Bezüge zu anderen sicheren oder möglichen Vorbildtexten ausgezeichnet als Brücke zwischen Baruch, Ezechiel (?) und dem Johannesevangelium eignen. Es liegt auf der Hand, dass der textkritische Ertrag der vorgetragenen Spekulationen gering ist. Je weiter sich die Überlegungen zum Inhalt einer Lücke von einer kurzen und geraden Linie entfernen, desto weniger ist es möglich, den tatsächlich ausgefallenen Wortlaut zu rekonstruieren; ja die Komplexität des hier ausgefallenen Inhalts macht die Lücke selbst wieder fraglich. Es ist durchaus nicht auszuschließen, dass der Verfasser der Vita Pacomii iunioris hier einen komplexen allegori-

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schen Gedankengang ungeschickt gekürzt hat. Kommen wir also hier nicht nur nicht über lacunam notavimus hinaus, sondern nicht einmal mehr so weit? Meines Erachtens lassen sich diesem Negativresultat wenigstens einige kleine positive Aspekte hinzufügen. Wenn der hier ausgefallene oder gekürzte Text in seiner ursprünglichen Form sinnvoll und kohärent gewesen ist, dann stammte er nicht von dem Verfasser der Vita Pacomii iunioris. Die erschließbare Argumentationstechnik mittels untereinander vernetzter und durch Allegorese und Wortparallelen aufeinander bezogener Bibelzitate ist dem Text durchaus fremd. Sie spricht vielmehr für ein Zitat aus einem exegetischen oder homiletischen Vorlagentext ausgesprochen augustinischer Machart. Eine Kombination von Versen, die der hier erschlossenen ähneln würde, ist in den erhaltenen Predigten Augustins freilich nicht nachweisbar. Für unseren Text selbst ist einmal die Abhängigkeit von einer exegetischen oder homiletischen Vorlage von Interesse. Zum anderen aber wirft die vorgetragene hypothetische Rekonstruktion ein methodisches Problem auf, das mit der Natur intertextueller Bezüge und indirekt auch mit der Natur eines Apparatus similium zu tun hat. Wie sehr verkürzen wir die Komplexität textlicher Abhängigkeitsverhältnisse, wenn wir primär nach verbalen Parallelen suchen? Wie weit sollten wir vielmehr im Vergleich des argumentativen Duktus von verwandten Texten gehen, um mehr darüber herauszufinden, nicht nur was, sondern wie der Autor einer spätpatristischen Vita (sive regula) zitiert, wie weit sich seine Argumentationsweise dem kreativen, manchmal aber auch ungeschickten Umgang mit patristischen Vorlagen verdankt? Im Rahmen einer kritischen Edition ist die Antwort auf diese Frage nicht unerheblich (immerhin hat unsere Überlegung eine konkrete Änderung des Apparatus criticus bewirkt), aber ihre konsequente Umsetzung realistisch nicht durchführbar – selbst wenn der Vorlagentext vorliegt und nicht, wie hier, in der Retorte hergestellt worden ist.

2 Vita Pacomii iunioris 193 Sic per omnia tempora ‘mille nocendi artes’ exercuit, quae uno fidei iugo de credentium mentibus destruuntur (distrahuntur, detrahuntur varr. ll.). Das Zitat aus Vergil 7,338 beschreibt im Originalkontext im Mund der Iuno die Furie Allecto und ist hier auf den Teufel übertragen. Diese Verwendung ist in patristischer Zeit durchaus geläufig, etwa bei Hieronymus (epist. 14,4 an Heliodorus: inde me persequitur luxuria, inde avaritia conatur inrumpere, inde venter meus vult mihi deus esse pro Christo, conpellit libido, ut habitantem in me spiritum sanctum fugem, ut templum eius violem, persequitur me, inquam, hostis, cui nomina mille, mille nocendi artes: et ego infelix victorem me putabo, dum capior?), Paulinus von Nola (epist. 24,13 an Sulpicius Severus: excipit nos innumeris anguis insidiis, cui nomina mille, mille nocendi artes, ac saepe aperto certamine violentus adgreditur et candentibus petit telis, si

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latentibus non capit laqueis, vgl. epist. 4,2) und Sulpicius Severus selbst (Vit. Mart. 22,1: frequenter autem diabolus, dum mille nocendi artibus sanctum virum conabatur inludere, visibilem se ei formis diversissimis ingerebat). Der Kontext ist durchwegs asketisch; er beschreibt die Angriffe des Teufels gegen den der christlichen Lebensführung Anhängenden. Mit leichter Variation (auch im Wortlaut) verwendet Augustinus das Zitat zur Beschreibung der Hinterlist der Dämonen, die sich als die paganen Götter ausgeben (civ. 2,10: maligni spiritus … qui humanis erroribus gaudent, pro quibus se etiam colendos mille nocendi fallendique artibus interponunt). Die Invariabilität dieser Zitate lässt die auf den ersten Blick erstaunlich scheinende Frage aufwerfen, wie man eigentlich feststellen kann, ob den Verfassern noch bewusst ist, dass es sich um ein Vergilzitat handelt. Immerhin ist die Furie Allecto in keiner einzigen patristischen Wiederaufnahme des Vergilverses erwähnt, und der offen militärische Kontext der Originalstelle ist zumeist einer subtileren Art von Kriegsführung gewichen. Bei Vergil sind die mille nocendi artes ja eindeutig aggressiv-kriegerischer Natur (Aen. 7,335–338: tu potes unanimos armare in proelia fratres / atque odiis versare domos, tu verbera tectis / funereasque inferre faces, tibi nomina mille, / mille nocendi artes). Aber in der christlichen Spätantike werden die artes durchwegs als hinterlistige Intrigen aufgefasst, insbesondere – wohl angeregt durch die nomina mille – als Gestaltwandel (so bei Augustinus und Sulpicius Severus, implizit bei Paulinus von Nola, der vielleicht mit anguis auf eine weitere gängige Vergilstelle anspielt, die sich ebenfalls gut auf die Hinterlist des Teufels beziehen lässt: ecl. 3,93 latet anguis in herba). Kann man hier noch von einem bewussten Vergilzitat sprechen, oder ist das bereits eine Redefigur der christlichen Latinität, die sich von der Vorbildstelle unabhängig weiterverbreitet? Für die bisher angeführten Autoren ist der vergilische Ursprung sicher noch präsent, nicht nur weil bei ihnen durchwegs die Kenntnis einer zentralen Stelle der Aeneis anzunehmen ist, sondern auch weil sie das Zitat meist noch im vollständigen Wortlaut anführen (cui nomina mille, mille nocendi artes), in dem die Versgestalt noch eindeutig sichtbar ist. Wie aber steht es damit an unserer Stelle? Es handelt sich ja um das einzige sichere und wörtliche Zitat aus einem klassischen Autor in der Vita Pacomii iunioris. Weiß der Autor, was er hier zitiert? Einen interessanten Einblick hierzu liefern die Zitate der Passage in den Sermones des Caesarius von Arles. Ich führe als Beispiel serm. 207,1 an (mit gegenüber CCSL 104 veränderter Interpunktion): quis enim contra tot milia daemonum die noctuque ita stare potuit semper armatus, ut numquam fuerit diaboli calliditate percussus? Quis enim vel cogitare, non dicam enumerare praevaleat dolos et insidias hostis antiqui, d e q u o s c r ip t u m e s t : Cui nomina mille, et (!) mille nocendi artes? Thematisch stimmt diese Stelle – und stimmen sämtliche Zitate des Vergilverses bei Caesarius – mit den oben angeführten patristischen Zitaten vollständig überein. Auch hier ist es (trotz der angedeuteten Belagerungssituation) die mannigfache List des Teufels gegen die Seele des Christen, nicht die offene Gewalt, die im Vordergrund steht. Interessant ist allerdings, dass Caesarius den Originalkontext der Stelle

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nicht nur ignoriert, sondern ihm durch seinen eigenen Kontext sogar widerspricht. Nicht nur leitet er das Zitat zweimal mit dem sonst bei ihm ausschließlich für Bibelzitate verwendeten scriptum est ein, sondern er geht auch offensichtlich davon aus, dass es sich schon im Originaltext auf den Teufel bezieht: hostis iniqui, d e q u o scriptum est (vgl. auch serm. 152,2: toto corde et toto animo diu noctuque contra insidias inimici, de quo scriptum est quod ei sint nomina mille, mille nocendi artes, pugnare fortiter studeamus; epist. 2,1,8). Kann es sich hier um eine christliche Interpretation der Vergilstelle handeln? Weiß also Caesarius noch, dass die Worte im Original an Allecto gerichtet sind, oder ist ihm der Ursprung der Stelle ganz unklar, beziehungsweise ist sogar mit der Möglichkeit zu rechnen, dass er sie allen Ernstes für ein Bibelzitat hält? Es ist wohl am einfachsten anzunehmen, dass er die Stelle mitsamt dem neuen Kontext aus einem patristischen Vorbild übernommen hat und selbstverständlich als biblisch interpretiert, dass ihm also der vergilische Hintergrund nicht mehr bewusst ist. Eine alternative Erklärung, nämlich dass es sich um eine christliche Allegorese der vergilischen Furie als des Teufels handelt, ist aufgrund des femininen Geschlechts der Allecto wohl auszuschließen. Caesarius ist den heidnischen Dichtern nicht besonders freundlich gesonnen, setzt er sie doch mit einer der ägyptischen Plagen gleich, der Froschplage (serm. 99,3: Quod vero in secunda plaga multitudo ranarum, intelleguntur in eis carmina poetarum, quae nulli umquam prodesse potuerunt; vgl. 99,2). Ein rascher Überblick über die spätere Verwendung des Zitats, soweit in den gängigen Konkordanzen ausgewiesen, legt nahe, dass es die Umwidmung auf den christlichen Teufel nie mehr losgeworden ist. Was bedeutet all das für unsere Stelle und für ihre editorische Behandlung? Können wir hier von einem bewussten Zitat, zumal einem Vergilzitat, sprechen, und sind wir folglich verpflichtet, es im Text (durch Anführungsstriche oder, leicht provokant, durch Kursivierung) kenntlich zu machen? In der Vita Pacomii findet sich kein wörtliches Zitat, sondern eine Anspielung mit modifiziertem Wortlaut und ohne Einleitung, die folglich nicht als Fremdkörper kenntlich gemacht ist. Das Subjekt ist selbstverständlich der Teufel, doch scheint es aufgrund der veränderten Syntax schwierig, eine Entscheidung zu treffen. Die Herleitung aus einer Caesariusoder älteren patristischen Stelle liegt jedenfalls sehr nahe. Dazu sei eine (auch nicht sehr aussagekräftige) Parallele aus dem Proömium der Vita Pacomii iunioris angeführt. Der Autor begründet seine literarische Arbeit hier unter anderem wie folgt (1): nos, ne silentio tempora peragamus, idcirco de operibus domini tacere non possumus. Es fällt schwer, hier nicht an den Beginn von Sallusts Bellum Catilinae zu denken: Omnis homines, qui sese student praestare ceteris animalibus, summa ope niti decet, n e v i t a m s i l e n t i o t r a n s ea n t veluti pecora, quae natura prona atque ventri oboedientia finxit. Hat der Autor auch das in einer patristischen Vorlage gefunden? Hieronymus zitiert die Passage in seinem Kommentar zu Ecclesiastes (zu eccl. 6,1: et quidem sepulchrum non fuit ei) sive hoc significat, quod … nihil boni facinoris egerit (sc. dives), ex quo sibi queat apud posteros memoriam comparare, et non vitam silen-

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tio transire velut pecudes, cum habuerit materiam, per quam potuerit apparere quod vixerit. Es ist durch das hinzugefügte velut pecudes ganz eindeutig, dass Hieronymus auf die Salluststelle anspielt; aber ebenso eindeutig, dass diese Stelle nicht die Vorlage für den Verfasser der Vita Pacomii darstellen kann, welche vom Kontext und insbesondere der Position im Text dem Original Sallusts viel näher steht. Falls die Stelle also in der Vita Pacomii indirekt zitiert ist, liegt uns die Zwischenstufe (und dafür hat es sicher viele Kandidaten gegeben) nicht mehr vor. Diese Unsicherheit verringert bedauerlicherweise auch den Nutzen, den wir aus diesen klassischen Schulzitaten vielleicht für die Frage des Bildungsstandes des Autors und weiterhin der Datierung der Vita Pacomii iunioris zu ziehen hofften. Die beiden Passagen verweisen in je spezifischer Weise auf die Grenzen dessen, was wir mit editorischer Behandlung aussagen können: Wir können wohl ein wörtliches Zitat oder eine entfernte Anspielung im Apparat ausweisen, aber schwer kenntlich machen (selbst wenn wir es wüssten), wie genau wir uns die Übernahme vorstellen. Und wir können uns häufig keine Entscheidung darüber anmaßen, was der Autor selbst bei diesem Übernahmeprozess gedacht oder gewusst hat.4

3 Vita Pacomii iunioris 133/134 Funiculum caritatis ante omnia habete inter vos, fidei conexum in se manentis, quoniam ad regni dei festinatis aeternitatem. Cura ergo disciplinae monachorum perfecta dilectio est, haec vinculum caritatis et pacis exortat. Erneut ein weitgehend unlösbares Problem mit einem interessanten Hintergrund, zumal es einiges über die Qualität des Textes zu erkennen gibt. In der Mahnrede des Pacomius an seine Mönche findet sich an einer kritischen Stelle (unmittelbar nach einem der von Albrecht Diem festgestellten Einsprengsel) diese Aufforderung, die evidentermaßen an den narrativen Rahmen der Regel angelehnt ist. Pachomius, von dem wir zuvor erfahren haben dass er sich seinen Lebensunterhalt als Seilflechter verdient, vergleicht die mönchisch als Regelgehorsam gedeutete christliche caritas mit einem Seil; sein Beruf, der ihn wohl ursprünglich nur als einfachen Handwerker kennzeichnen sollte, wird also hier zu einem tieferen Verständnis seiner neuen Berufung symbolisch nutzbar gemacht. Auch als Mönchsvater und Regelverfasser ist Pachomius ein ‚Verflechter‘, nämlich seiner Mönche untereinander durch das Band der monastischen Disziplin.

|| 4 Gegen die in der Edition von DIEM – MÜLLER gewählte Lesart destruuntur ist hier wohl distrahuntur (für klassisch detrahuntur) vorzuziehen; zur Argumentation sei auf die in Vorbereitung befindliche CSEL-Edition verwiesen.

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Die Assoziation erscheint auf den ersten Blick spontan hergestellt, und das mit einigem Geschick; vielleicht noch bemerkenswerter ist aber eben gerade, dass sie das nicht ist, sondern auf eine entlegene und selten zitierte Prophetenstelle zurückgeht. In Os. 11,3f. wird die Fürsorge Gottes für Israel wie folgt beschrieben: ego quasi nutricius Ephraim portabam eos in brachiis meis, et nescierunt quod curarem eos. In f u n i c u l i s Adam traham eos, in v i n c u l is c a r i t a t i s ; et ero eis quasi exaltans iugum super maxillas eorum, et declinavi ad eum ut vesceretur. Die Stelle wird in der Antike nahezu nicht zitiert und auch nicht erklärt; der einzige lateinische Kommentar des Hieronymus gibt ad loc. eine allegorische Deutung, die nichts zum Verständnis unserer Stelle beiträgt: ligabam autem testimoniis scripturarum et disputatione magistrorum ecclesiae … Unde in corruptione hominum videlicet magistrorum, qui eos deceperant contractos perfidiae frigore, extendi calorem fidei, et quasi repugnantes vinculis meae dilectionis astrinxi. Et quia non sua sponte currebant, sed vincti funibus trahebantur, paululum maxillas eorum alapis verberavi, non puniens, sed corrigens et emendans. Demgegenüber wird an unsererer Stelle offenbar nicht so sehr der Fesselals der Bandcharakter des funiculus betont. Eine weitere biblische Erwähnung eines Stricks zu assoziieren läge nahe, zumal der Kontext – brüderliche Verbundenheit und gegenseitiger Beistand – nicht übel auf unsere Stelle passt: eccl. 4,9–12: melius ergo est duos simul esse quam unum; habent enim emolumentum societatis suae. Si unus ceciderit, ab altero fulcietur. Vae soli, quia cum ruerit non habet sublevantem. Et si dormierint duo, fovebuntur mutuo; unus quomodo calefiet? Et si quispiam praevaluerit contra unum, duo resistent ei. F u n i c u l u s t r i p l e x d i f f i c i l e r u m p i t u r . Unter den allegorischen Auslegungen des letzten Verses kommt unserer Stelle die Deutung auf fides, spes und caritas am nächsten, die sich allerdings nur bei Filastrius von Brescia findet und auch dort nur als dritte Alternative (haer. 153: nam et si triplex funiculus debet accipi primum mandati, deinde legis in medio tempore, deinde [de] gratia salvatoris, utilitatis non parvae est; a u t s i d e f i d e , s p e a t q u e c a r i t a t e , ut dixit beatus apostolus [vgl. 1 Cor. 13,13], quis velit accipere, et in hoc non parvi et intellectus prudentioribus ac spiritalia desiderantibus plurimis). Fides und caritas, wenn auch nicht spes, sind auch an unserer Stelle genannt. Der Verfasser der Vita vel regula stellt nicht nur eine Beziehung zwischen der Rahmenerzählung und der Regelrede her, sondern tut dies unter assoziativer (und nicht explizit gemachter) Bezugnahme auf einen wenig gebräuchlichen Prophetenvers und möglicherweise ein weiteres Bibelzitat; die intra- und intertextuellen Bezüge sind also komplizierter als von vornherein anzunehmen. Passagen wie diese haben eine unmittelbare methodologische Konsequenz; sie zwingen die Editoren zu einer nicht-mechanistischen Vorgangsweise beim Erstellen des Apparatus similium, also dazu, über das simple Feststellen übereinstimmender verbaler Junkturen hinauszugehen. Das genaue Verständnis der Stelle hängt allerdings an einem sprachlichen Problem, das sich derzeit nur beschreiben, nicht aber lösen lässt und als Beispiel für

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die zahlreichen sprachlichen Auffälligkeiten der Vita vel regula Pacomii iunioris angeführt sei. Was heißt exortat, das letzte Wort der zitierten Passage? Natürlich ist das keine ‚korrekte‘ Form eines lateinischen Verbums; als Grundform bieten sich nur Verben an, die im klassischen Latein Deponentia sind. Einerseits ist da exhortor, wovon es neben Formen mit passiver Bedeutung (siehe ThlL V 1444,66ff.) gelegentlich auch echte Aktivformen gibt; so schon bei Petron. 76,10: et sane nolente me negotium meum agere exhortavit mathematicus (ThlL V 1445,1f.); später etwa bei Patr. conf. 40 (Blaise ad loc., die Stelle fehlt in ThlL): unde autem valde oportebat retia nostra tendere, ut aut multitudo copiosa et turba deo caperetur et ubique essent clerici qui baptizarent et exhortarent populum indigentem et desiderantem. Diese Deutung führt allerdings auf einen wenig einsichtigen Gedankengang; die monastische Disziplin ermahnt ja nicht nur zu Bruderliebe und Friede, sondern repräsentiert diese oder stellt eine Voraussetzung für sie dar. Diese Überlegung führt auf eine zweite, inhaltlich befriedigendere Lösung, die aber sprachlich erst recht problematisch ist. Setzen wir den Fall, exortat sei vom Perfektstamm des Verbums exorior, exortus abgeleitet und bedeute so etwas wie „hervorbringen, entstehen lassen“. Ein aktives Verbum mit dieser Bedeutung existiert, soweit sich den Wörterbüchern entnehmen lässt, zu keiner Zeit; und um es zu erschließen, sind mehrere Zwischenschritte erforderlich, die jeweils schlecht oder gar nicht zu belegen sind. Zunächst muss ein von exorior abgeleitetes Frequentativum oder Intensivum vom Stamm exort- angenommen werden; die Form wird tentativ angenommen beziehungsweise konjektural hergestellt für Iuv. 6,415 und Apul. Socr. 17. In beiden Fällen scheint die Erklärung weit hergeholt und alles andere als zwingend. Dieses selbst schon kaum belegte Deponens müsste als echtes Passivum mit der Bedeutung „hervorgebracht werden“ aufgefasst worden sein, sodass sich davon ein aktives Verb mit kausativer Bedeutung ableiten ließe. Die Erklärung ist so kompliziert und so wenig belegbar, dass sich das Anführen einzelner zweifelhafter Parallelen von vornherein erübrigt. Alle Ableitungen von weiter entfernt liegenden Stämmen (etwa von artus, artare, also im Sinne von „eine enge Verbindung herstellen“) und alle konjekturalen Änderungen bleiben naturgemäß hochspekulativ. Unter diesen Umständen wird also wohl eine Crux zu setzen sein. *** Die vorgetragenen Stellen haben – neben dem immer wieder überraschenden Tiefgang der Vita Pacomii, welche Albrecht Diem in seiner Analyse des Textes überzeugend hervorgehoben hat – vor allem eine Erkenntnis erbracht, nämlich jene, dass es in der patristischen Philologie, zumal der Editionsphilologie, vielfach an genau jenen Instrumenten mangelt, welche dem klassischen Philologen geläufig und unverzichtbar sind. Das betrifft nicht nur die Erschließung lexikalischer und syntaktischer Eigentümlichkeiten, sondern auch und gerade eine theoretische Fundierung der in der lateinischen Patristik so ungewöhnlich komplexen Inter- und Intratextualität und ihrer Konsequenzen für die Methodologie und die äußere Gestalt kritischer

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Editionen, also etwa die Frage, was genau in einen Apparatus similium aufgenommen werden muss und inwieweit sich die Form des Apparats für nuancierte Aussagen über textliche Abhängigkeiten eignet, also über eine bloße Aufzählung sprachlicher Parallelen (mit dem geringfügigen Unterscheidungskriterium ‚Zitat‘ – ‚ConferZitat‘) hinausgeht. Umgekehrt kann aber das Datenmaterial für eine ernsthafte Auseinandersetzung mit derartigen Fragen (und darauf aufbauend ein signifikanter Erkenntnisfortschritt) kaum anders gewonnen werden als eben durch die Tätigkeit des kritischen Edierens. Es bleibt zu hoffen und zu wünschen, dass die vorbildhafte Rolle des Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum, den Anlass wie den Nährboden für fruchtbare Diskussionen über die Theorie des Edierens und das Verständnis der Details spätantiker Prosa und Poesie zu bieten, noch lange erhalten bleiben wird.

Bibliographie DIEM, A. – MÜLLER, H., Vita, Regula, Sermo: Eine unbekannte lateinische Vita Pacomii als Lehrtext für ungebildete Mönche und als Traktat über das Sprechen, in: Zwischen Niederschrift und Wiederschrift. Frühmittelalterliche Hagiographie und Historiographie im Spannungsfeld von Kompendienüberlieferung und Editionstechnik, edd. R. CORRADINI – M. DIESENBERGER – M. NIEDERKORN-BRUCK, Wien 2010, 223–272. ROSWEYDE, H., Vitae patrum: de vita et verbis seniorum libri X, Antwerpen 1615.

[email protected] Department of Classics, University of Notre Dame

Albrecht Diem

… ut si professus fuerit se omnia impleturum, tunc excipiatur. Observations on the Rules for Monks and Nuns of Caesarius and Aurelianus of Arles1 Bishop Aurelianus of Arles (d. 551) stands in many regards in the shadow of his great predecessor Caesarius (d. 542).2 Four years after Caesarius’ death, after the short episcopacy of a certain Auxanius,3 he became bishop at the young age of twenty-three, long before reaching the canonical age.4 He died only five years later. His epitaph, which is preserved in a later transcription, indicates that he was a relative, most likely the son, of Bishop Sacerdos of Lyon (d. 552).5 He and his father had gained the favor of the Frankish king Childebert I (d. 558) and his wife Ultrogotha (d. 567); Childebert made Aurelianus bishop of Arles and prompted his almost immediate confirmation as papal vicarius for Gaul.6 His appointment took place only ten years after the king had gained control over the city of Arles. Aurelianus’ connection with Childebert and Ultrogotha manifests itself most prominently in the project of founding a monastery for monks in Arles.7 Aurelianus composed a short monastic rule for this monastery, which consists of 54 chapters, an ordo psallendi and an ordo convivii. He subsequently revised and shortened this rule for a second monastic foundation in Arles, a monastery for women, dedicated to Saint Mary.8

|| 1 Bruce Venarde and Matthieu van der Meer commented on different versions of this article. I would like to thank them for their corrections and suggestions. The research for this article was made possible by the SFB F 4202 “Visions of Community”, funded by the Austrian Science Funds (FWF), the Faculty of History and Cultural Sciences of the University of Vienna and the Austrian Academy of Science. 2 On Aurelianus of Arles, see HEINZELMANN, Bischofsherrschaft, 138–152; UEDING, Geschichte der Klostergründungen, 75–79. 3 DUCHESNE, Fastes Épiscopaux, 258; KLINGSHIRN, Caesarius of Arles, 262. 4 On the canonical age, see, for example, Concilium Agathense a. 506, cap. 17 (CCSL 148, p. 201). See also HEINZELMANN, Bischofsherrschaft, 145f. for more examples of Merovingian bishops ordained at a young age. 5 See DUCHESNE, Fastes Épiscopaux, 258f.; HEINZELMAN, Bischofsherrschaft, 138–146. 6 Appointment letter of Pope Vigilius (MGH Epp. 3, pp. 64–66). See also KLINGSHIRN, Caesarius of Arles, 64–66. 7 ATSMA, Die christlichen Inschriften Galliens, 22–32. 8 Edition of Aurelianus’ Regula ad monachos: SCHMIDT, Zur Komposition der Mönchsregel I, 237– 256 (Clavis 1844); Regula ad virgines: PL 68, 399–408 (Clavis 1845). Hope MAYO provided a synoptic edition of both versions of Aurelianus’ Rule in the second part of her unpublished PhD thesis, Three

192 | Albrecht Diem  In this contribution I will formulate some observations on Aurelianus’ rather neglected work and its historical context. I will especially focus on the relation to the rules of his predecessor Caesarius.9 Aurelianus’ Rule is one of roughly thirty preserved late antique and early medieval monastic rules.10 The fact that it is thoroughly influenced by the two monastic rules for monks and nuns written only a couple of years before by his famous predecessor Caesarius may have been one of the reasons why scholars have not a lot done with this rule. At first glance the text does indeed not contain much we cannot find in Caesarius’ rules.11 Moreover, compared to Caesarius’ Regula ad virgines, Aurelianus’ Rule did not have much impact. Only one other monastic rule, written by Bishop Ferriolus of Uzès (d. 581), is partly based upon Aurelianus’ Regula ad monachos.12 Ferriolus’ and Aurelianus’ rules are preserved only thanks to the Carolingian monastic reformer Benedict of Aniane (d. 821), who inserted them into his Codex Regularum, the most extensive early medieval collection of monastic rules. There is only one manuscript of the Codex Regularum from the early ninth century and a copy of it made in the 15th century.13 Bene-

|| Merovingian Rules. Because of its inaccessibility (and in anticipation of a new critical edition to be published in the CSEL) I decided against quoting from this edition. Quotations from both versions of the Rule are checked against the manuscript München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 28118 (Benedict of Aniane’s Codex Regularum). Unfortunately, Schmidt’s edition divides ch. 41 of Aurelianus’ Regula ad monachos into two chapters, which causes a deviation from the original chapter numbering after ch. 41. The original chapter numbering is given between brackets. Another disadvantage of Schmidt’s edition is his omission of Aurelianus’ ordo psallendi and ordo convivii. They are quoted from PL 68, 393–396. Passages that appear in both versions are quoted as Aurelianus, Regula with references to both chapter numberings, e. g. 24/20; 45 (46)/40. If both texts are the same, I follow Albert Schmidt’s edition. Sections that appear only in one version are quoted as Regula ad monachos (= Aurel. reg. mon.) resp. Regula ad virgines (= Aurel. reg. virg.). On the primacy of the male version, see MAYO, Three Merovingian Rules, 86–90. 9 Studies on the Regula Aureliani include BESSE, Les moines de l’ancienne France, 56f. (on the sources of Aurelianus’ Rule); DECLERCQ, La législation religieuse, 79–83 (summary of the content); DIEM, Das monastische Experiment, 203–227 (on Aurelianus’ Rules, other rules produced in 6th-century Gaul and their connections to Caesarius of Arles); DE JONG, In Samuel’s Image, 30–35 (on children in the monastery); MAYO, Three Merovinigan Rules for Nuns, 68–119 (comparison of both versions of Aurelianus’ Rule and synoptic edition); MUSCHIOL, Famula Dei (on the liturgy); RUDGE, Texts and Contexts, 100–104 (comparison to Caesarius’ Rules); PANCER, Au-delà du sexe et du genre, 318– 323 (comparison of both versions of Aurelianus’ Rule); SCHMIDT, Zur Komposition der Mönchsregel II (an extensive commentary and comparison with Caesarius’ rules); DE VOGÜÉ, Histoire littéraire IX, 157–182 (analysis of the content). 10 DE VOGÜÉ, Les règles monastiques anciennes; DIEM, Das monastische Experiment, 131–272. 11 See, for example, SCHMIDT, Zur Komposition der Mönchsregel II, 54. 12 See HOLZHERR, Regula Ferioli, 27–34. 13 München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 28118 (ca. 800), fol. 105v–113v (Regula Ferrioli); 114– 118 (Aurelianus, Regula ad monachos) and 193–196 (Aurelianus, Regula ad virgines); Köln, Stadtarchiv W 231 (1465–1467), fol. 93–106 and 185–188v. On the Munich manuscript, see HAUKE, Katalog der lateinischen Handschriften, 7–13.

Observations on the Rules for Monks and Nuns of Caesarius and Aurelianus of Arles | 193 

dict of Aniane used parts of Aurelianus’ Regula ad monachos and some fragments of his Regula ad virgines in his Concordia Regularum, a thematic collection of monastic norms arranged on the basis of each chapter of the Regula Benedicti.14 From there, nine fragments made it into a commentary to the Regula Benedicti written by Smaragdus of St.-Mihiel (d. ca. 840) about a generation after Benedict of Aniane’s Concordia Regularum.15 These are all the traces that Aurelianus’ Rule left. Aurelianus’ monastic foundations and his Rule are nevertheless worth a thorough investigation for two reasons. Firstly, as revisions of Caesarius’ rules, they give us unique access to the political and societal changes that took place in Arles around the middle of the sixth century and indicate a fundamental shift in monastic ideals and practices. The closer we look at the rules of Caesarius and Aurelianus, the more different they become. Secondly, Aurelianus’ Rule is one of the few preserved Western monastic rules that were written roughly at the same time by the same author in versions for men and women. The differences between both versions and the omissions in his Regula ad virgines, but also the striking similarities between both versions, provide us with important insights in role of gender differences in this phase of the emergence of Latin monasticism. They show us that male and female monastic ideals were, at least in the period of Aurelianus of Arles, mostly congruent.16 Caesarius’ Regula ad virgines was the product of a painstaking decades-long process of providing a normative basis for the monastery he founded in Arles;17 his much shorter Regula ad monachos was written as an episcopal directive for several, maybe even all, communities for monks under Caesarius’ episcopal supervision.18 Aurelianus’ Rule used words and ideas from both rules and, thus, stands in a long sequence of gender revisions: Augustine’s Rule for monks, his Praeceptum, was partly incorporated in Caesarius’ Regula ad virgines,19 which provided the basis for his own Regula ad monachos.20 Aurelianus synthesized both of Caesarius’ rules in

|| 14 Benedict of Aniane, Concordia Regularum (CCCM 168 and 168A). The text quotes 37 chapters of Aurelianus’ Regula ad monachos and five of his Regula ad virgines. 15 Smaragdus of St. Mihiel, Expositio in Regulam S. Benedicti (CCCM 8). The text quotes the Aurelianus, Regula ad monachos 1, lin. 6f.; 1f., lin. 9–13; 13, lin. 23f.; 28, lin. 8f.; 44, lin. 12–15; 45, lin. 15– 17; 49, lin. 27–31; 51, lin. 2–4; 55, lin. 17f. 16 On this question in general see DIEM, The Gender of the Religious; PANCER, Au delà du sex et du genre. 17 Caes. reg. virg. (= Caesarius, Regula ad virgines [SC 345, pp. 35–272]), esp. cap. 48f., on rewriting and extending the Rule. See also DIEM, Das monastische Experiment, 154–193; DE VOGÜÉ – COURREAU, Césaire d’Arles, 45–68. 18 Caes. reg. mon. (= Caesarius, Regula ad monachos [SC 398, pp. 204–226]), esp. 1,4, on its use as general directive. Caesarius’ Regula ad monachos is the only monastic rule that was explicitly written for several monasteries. See also DIEM, Das monastische Experiment, 193–200. 19 DE SEILHAC, L’utilisation par S. Césaire. 20 DE VOGÜÉ, La Règle de Césaire d’Arles pour les moines.

194 | Albrecht Diem  his Regula ad monachos, which he then turned into his Regula ad virgines. Some regulations changed according to gender no less than four times in the course of this process.21 Caesarius’ and Aurelianus’ rules were produced in a period of drastic changes and they may mirror, despite their similarity and the temporal proximity of their production, radically different worlds. Caesarius’ world was one of political turmoil. During his tenure, Arles became part of three different barbarian kingdoms. It had been ruled by the Visigothic kings since 418, was besieged by the Burgundians and Franks in 507/508,22 fell in 508 to the Ostrogothic king Theuderic and came in 536 under the rule of the Frankish king Childebert I. Caesarius, a proud member of an old senatorial Roman family,23 negotiated successfully, though often at risk to his life, with several Arian kings before his bishopric became incorporated in what we could cautiously call a Frankish ‘Landeskirche’ that was increasingly dominated by the Merovingian rulers.24 He would most likely have been appalled by the fact that the new – Catholic – Frankish rulers only a few years after his death used their power to place one of the most powerful monastic sees in Gaul in the hands of an under-aged member of a Roman family that gained its power in Burgundian and Frankish service, making the election clero et populo a mere formality.25 Aside from this shift of episcopal power, Caesarius’ and Aurelianus’ worlds promoted quite distinct monastic ideals and provided profoundly different frameworks for new monasteries. Caesarius’ monastery, which he probably considered among the most important achievements of his life,26 was – in many respects – a revolutionary innovation. It was an attempt to shape a synthesis of Lérinsian asceticism (originally the ideal of the desert fathers transplanted to Gaul)27 and the challenges of the life of urban virgines sacratae.28 Caesarius had a stake in both – as a former

|| 21 SCHMIDT, Zur Komposition der Mönchsregel II, 40. 22 Vita Caes. Arel. I 28 (SC 536); 34; KLINGSHIRN, Caesarius of Arles, 104–110. 23 On his background: Vita Caes. Arel. I 3; 10; KLINGSHIRN, Caesarius of Arles, 16–32. 24 Vita Caes. Arel. I 20–24; 29; 34; 36–38; 42; KLINGSHIRN, Caesarius of Arles, 256–261. 25 Caesarius had explicitly forbidden that even a deacon would be ordained before the age of thirty: Vita Caes. Arel. I 56. Three years after his appointment Aurelianus appears as the first subscriber of the Acts of the Council of Orléans (549), which sanctioned episcopal appointment cum voluntate regis, though bishops formally were still to be elected by clergy and people. See HEINZELMANN, Bischofsherrschaft, 146–152; Concilium Aurelianense a. 549, cap. 10 (CCSL 148A, p. 151). 26 The last thing Caesarius did in his life was paying a visit to the nuns of his monastery, comforting them because of his imminent death. Vita Caes. Arel. II 47. Moreover, he made his monastery the main heir of his possessions: Testamentum (SC 345, pp. 380–396). See also KLINGSHIRN, Caesarius’s Monastery for Women. 27 KASPER, Theologie und Askese. 28 Vita Caes. Arel. I 35.

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monk from Lérins29 and as a bishop who was ex officio responsible for the protection and the discipline of the sacred virgins and widows in his city. It was a private initiative of Caesarius, and most texts related to this monastery indicate resistance to this experimental form of monastic life: his first community was destroyed during the Burgundian siege and had to be rebuilt within the city;30 Caesarius was attacked for alienating church property to his monastery and had to seek for papal privilege protecting his foundation;31 additions and revisions of his Rule point to massive internal disciplinary problems and troubles in the interaction between monasteries and the outside world;32 and both his Rule and his testament express anxiety that Caesarius’ successors might interfere in the discipline and the economic basis of the monastery or destroy it by withdrawing their support.33 Caesarius may have foreseen that his own successor would not be carved from the same wood as he was himself.34 William Klingshirn argued convincingly that the entire Vita of Caesarius was mainly written as yet another attempt to protect his shaky monastic experiment from future harm.35 Aurelianus’ monasteries, on the other hand, were founded under different and presumably more auspicious circumstances. Its founder could now fall back on an already established model – and he expressed this not only by re-writing Caesarius’ rules but also by transferring relics of Caesarius (along with those of Martin of Tours and Hilary of Poitiers) into his first monastic foundation.36 The political turmoil was over and Arles would not have to face other sieges and wars, and his male foundation could expect the material support and protection from the Frankish kings.37

|| 29 Vita Caes. Arel. I 5–17. 30 Vita Caes. Arel. I 28. 31 KLINGSHIRN, Caesarius of Arles, 123f.; 132–135. The privilege (SC 345, pp. 532–538) he obtained from Pope Hormisdas (d. 523) is preserved along with Caesarius, Regula ad virgines in Benedict of Aniane’s Codex Regularum. See also KLINGSHIRN, Caesarius’s Monastery for Women, 456–464, especially 458f. on the resistance of Hormisdas’ predecessor Symmachus (d. 514) and his successor Agapetus (d. 535) against Caesarius’ alienation of Church property for his monastery. 32 DIEM, Das monastische Experiment, 185–190. 33 Caesarius, Testamentum (SC 345, pp. 380–396); reg. virg. 38f.; 53; 64; 73; Vita Caes. Arel. II 47. KLINGSHIRN, Caesarius’s Monastery for Women, 459–464. 34 Caesarius’ critical attitude towards his fellow bishops is, for example, expressed in Vita Caes. Arel. I 18; 20; 33; 45; 47; 54; 60; II 16. 35 KLINGSHIRN, Caesarius’s Monastery for Women. 36 As an addition to Aurelianus’ Regula ad monachos, Benedict of Aniane’s Codex Regularum provides a list of relics placed in Aurelianus’ monastery. Ed. BERNARD, Les diptyques du monastère des Saints-Apôtres, 13f. 37 On the material situation of Aurelianus’ foundations see Aurelianus, Regula 54 (53)/39 (fol. 116vb/194vb): Et quia deo propitio digna et sufficiens vobis facultas conlata est, quae sufficere monasterio vestro possit … . See also Greg. M. epist. 9,213 (MGH Epp. 2, pp. 203f.), confirming a privilege of Pope Vigilius (d. 555) granted at request of King Childebert. The original privilege seems to have

196 | Albrecht Diem  Aurelianus’ community for monks was an innovation too. It was the first monastery that was founded by – or at least in collaboration with – a Frankish king and his wife. Several diplomatic forgeries show that monasteries tried to date the profitable coalition of rulers and monastic communities further back, to the time of King Clovis (d. 511),38 but we can assume that Aurelianus’ monastery in Arles was among the first Frankish ‘royal monasteries’, predated only by the re-foundation of SaintMaurice d’Agaune in 515 which was initiated by a coalition of the Burgundian king Sigismund (d. 524) and Maximus, the bishop of Geneva.39 More royal foundations of religious communities followed soon after Childebert’s and Aurelianus’ monastery in Arles. Childebert founded a xenodocium in Lyon, Radegund (d. 586) her monastery of the Holy Cross in Poitiers, Guntram (d. 592) the Basilica St. Marcellus in Chalons, and Brunhild (d. 613) several religious houses in Autun.40 The t e x t of Aurelianus’ Rule may not have had much of an impact (though we cannot know for sure), but the foundation itself could be seen as a prototype for these later foundations. Only about two generations after Aurelianus, under the Irish monk Columbanus (d. ca. 615), the royal involvement in monastic foundations took off and ‘royal monasteries’ became a prevalent type of monastic foundations.41 Another difference: aside from enjoying royal patronage, Aurelianus’ monastery for monks was among the first monastic communities founded by an outsider who did not have a monastic past (as Caesarius did) or inclinations to enter the community himself. There is, at least, no indication that the young aristocrat Aurelianus had been a member of a monastic community before he ascended to the See of Arles. His epitaph or the prologues of his Regula would most likely have mentioned it. Furthermore, in the sixth century, monasteries became places of intercessory prayer for the benefit of those who supported the monastery for their earthly wellbeing and their eternal salvation but also for prosperity and political stability. Caesarius’ monastery may have already have been viewed as having some of these functions. The Vita Caesarii mentions that the virgins of his monastery contributed with their prayers to the defense of the besieged city, and his Rule assigns the nuns of his foundation to pray for all Christians and especially for the salvation of Caesarius himself.42 Aurelianus’ Rule does not explicitly refer intercessory prayer, except for mentioning that both monasteries had also be founded pro remedio animae nos-

|| protected Childebert’s subsidies to the monastery. Even though the material situation of Aurelianus’ female foundation may have been different, its rule contains the same passage: Aurel. reg. virg. 39. 38 MGH Die Urkunden der Merowinger, 1, 1–38 (no. 1–10). 39 Vita Abbatum Acauenensium cap. 3 (MGH SRM 7, pp. 331f.). See DIEM, Who is Allowed to Pray for the King?; UEDING, Geschichte der Klostergründungen, 167f. 40 UEDING, Geschichte der Klostergründungen, 191–233. 41 DIEM, Monks, Kings and the Transformation of Sanctity. 42 Vita Caes. Arel. I 28; Caes. reg. virg. 1,4–6; 40,1f.; 72.

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trae,43 but Benedict of Aniane combined Aurelianus’ Regula ad monachos with a diptyque that instructed the monks of Aurelianus’ foundation to pray for all deceased abbots and monks and for Childebert and Ultrogotha, the founders of the monastery.44 What we see is a shift from a place that was (at least partly) meant to facilitate self-perfection and pave the road to salvation to a place of service for others, founded for the earthly well-being and the remedy of the souls of those outside it. This points us to a last difference, which regards monastic theology. One of Caesarius’ many concerns was the theological challenge caused by Augustine’s teaching on predestination and the full dependence on divine grace, which undermined any attempt to gain or secure eternal salvation through individual or communal ascetic labor.45 Caesarius’ anxieties were still deeply rooted in the ‘Semi-Pelagian’ debate. His decision to leave Lérins was most likely the result of increasing awareness of the intrinsic contradictions of radical asceticism. He tried to resolve these contradictions in two different manners. At the Council of Orange in 529 he masterminded a compromise that defined ascetic labor for salvation as an e f f e c t , not cause, of God’s grace.46 For his nuns in Arles he came up with a more daring model by defining the monastic space as no longer belonging to the sinful and polluting world, and turning it into the safest possible harbor or waiting room for Paradise in which the nuns, dead to the world, may stay until the arrival of their heavenly husband. As such, he created a monastic alternative to radical ascetic attempts at selfsanctification. Total enclosure, another innovation of Caesarius, played a crucial role in this theological construct. When a nun’s withdrawal from the world was absolutely irreversible, monastic conversion became a point of no return on the path towards salvation. The enclosed space and monastic discipline enforced by an absolutely unchangeable sancta regula became the main vehicles to make sanctity and salvation attainable.47 Aurelianus was, as far as we can see in his texts, unafflicted by Caesarius’ theological anxieties. His monastery is simply founded pro profecto animarum. Regula

|| 43 Aurel. Regula 54 (55)/40. 44 Diptyque of the monastery of St. Peter at Arles (ed. BERNARD, Les diptyques, 10; fol. 118b): Simulque praecantes oramus etiam, Domine, pro animabus famulorum tuorum, patrum atque institutorum quondam nostrorum, Aureliani, Petri, Florentini, Redempti, Constantini, Himiteri, Hilarini, Ianuarini, Reparati, Childeberti, Uultrogotum, vel omnium fratrum nostrorum, quos de hoc loco ad te vocare dignatus es, cunctorumque etiam huius loci memores fidelium, pariterque parentum nostrorum atque servientium huius loci … . On the genre, see JAKOBI, Diptychen als frühe Form der Gedenk-Aufzeichnungen. 45 Vita Caes. Arel. I 60. 46 Concilium Arausicanum a. 529 (CCSL 148A, pp. 55–76). See WEAVER, Divine Grace and Human Agency, 199–234; KLINGSHIRN, Caesarius of Arles, 140–145; MARKUS, The Legacy of Pelagius. 47 Caes. reg. virg. 1; Vita Caes. Arel. I, 35 comparing the monastery to Noah’s ark. See also DIEM, On Opening and Closing the Body, 90–96.

198 | Albrecht Diem  and diciplina guide the monks on the path to perfection leading to the heavenly kingdom: … ut monasterium vobis pro profecto animarum vestrarum construeremus, sicut et fecimus. Et ideo regulam vobis ac disciplinam instituimus, quae vos ad viam perfectionis rectae facerent gradi et ad regna caelorum feliciter pervenire.48

Caesarius had inserted in his rules several disclaimers emphasizing full dependence on divine grace;49 Aurelianus used some of them in his prologue, but did not repeat them throughout his rule.50 Caesarius had paved the path, provided texts and models and may, in the eyes of the young bishop, have already resolved the problem of reconciling dependence on grace with the monastic journey on the via perfectionis.

1 Aurelianus’ Rule – more than a synthesis How do those shifts – in circumstances of foundation, patronage, and purpose of monastic life – manifest themselves in Aurelianus’ Rule? Conversely, and more to the point, does Aurelianus’ Rule confirm that all these shifts really took place and are not just modern historians’ artificial distinctions? The simple fact that Aurelianus founded two new monasteries and wrote two versions of a new monastic rule is remarkable in itself. After all, there was already Caesarius’ monastery for women within the city walls of Arles and at least one monastery for monks in direct vicinity of the city;51 there was a rule for nuns confirmed by six bishops,52 and a generic rule for monks that would have been easily applicable to a new foundation. Why did a young aristocrat of twenty-three – who was not even a monk himself – make all these efforts to found two new monasteries and write a new rule in two versions,

|| 48 Aurel. reg. mon. prol. 7f. (fol. 114vb). His Regula ad virgines, 400A (fol. 193a), gives a slightly different text: … ut monasterium vobis pro profectu animarum vestrarum construeremus, sicut et fecimus. Et ideo regulam vobis ac disciplinam instituimus quae vos per viam mandatorum dei doceret currere et ad regna caelorum faceret feliciter pervenire. See p. 216 of this article. 49 Caes. reg. virg. 1,1f.: Sanctis et plurimum in Christo venerandis sororibus in monasterio, quod deo inspirante et iuvante condidimus, constitutis Caesarius episcopus. Quia nobis dominus pro sua misericordia inspirare et adiuvare dignatus est … Quae ut deo adiuvante custodire possitis …; 4,1: … quae deo inspirante convertitur; 47,2: Credo tamen de dei misericordia …; 48,3: … ita deo inspirante teperata est regula ipsa; 49,2f. 5. 7. 9: … ut deo adiutore fideliter ac feliciter inpleatis, incessanter dei adiutorium inplorantes … Et sic cum dei adiutorio currite … et Christo auxiliante … ut deo inspirante … cum dei adiutorio; 65,5: Sed credimus de dei misericordia … . 50 Aurel. reg. prol. 1 (fol. 114vb): deo miserante; prol. 2: deo inspirante; prol. 7: iubente domino atque operante in nobis. 51 Caesarius’ predecessor as bishop appointed him as abbot of a monastery on a suburban island close to the city of Arles. See Vita Caes. Arel. I 12. 52 Caes. reg. virg. 73.

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and why did Childebert and Ultrogotha not just sponsor what was already there? Some answers may be found in a close comparison of Aurelianus’ Rule with its main sources, Caesarius’ rules. Hope Mayo and Albert Schmidt have already done thorough systematic comparisons and documented differences between both sets of rules.53 Therefore I will restrict myself to analyzing those aspects that might illuminate the ‘watersheds’ mentioned above and give us insights in Aurelianus’ motivations to write a new text.

1.1 Enclosure One of the most striking features of Aurelianus’ Rule is that Aurelianus applied Caesarius’ concept of total enclosure to both of his monastic foundations.54 For Caesarius’ nuns and Aurelianus’ monks a n d nuns, monastic entry did not only imply an irreversible conversion to monastic life but meant that they were not allowed to leave the monastic compound for the rest of their lives. They were permanently detached from the world. Caesarius’ Regula ad virgines is ‘enclosed’ by regulations on enclosure. He writes in the beginning of his Rule: Si qua relictis parentibus suis saeculo renuntiare et sanctum ovile voluerit introire, ut spiritalium luporum fauces deo adiuvante possit evadere, usque ad mortem suam de monasterio non egrediatur, nec in basilicam, ubi ostium esse videtur.55

In the middle, at the beginning of his recapitulatio: Hoc enim est quod specialiter absque ulla diminutione a vobis volumus observari, ut nulla ex vobis usque ad mortem suam de monasterio egredi, vel in ipsam basilicam, in qua ianuam habetis, aut permittatur aut per seipsam praesumat exire.56

At the end: Et quia propter custodiam monasterii aliqua ostia sive in veteri baptisterio, sive in scola vel in textrino vel in turre iuxta pomerium clausi atque damnavi, nullus illa umquam sub qualibet utilitatis specie aperire praesumat, sed liceat sanctae congregationi resistere et, quod famae vel quieti suae incongruum esse cognoscunt, fieri non permittant.57

Aurelianus says it only once, in chapter 2 of his Rule:

|| 53 SCHMIDT, Zur Komposition der Mönchsregel II; MAYO, Three Merovingian Rules, 96–109. 54 DIEM, Das monastische Experiment, 217–222. 55 Caes. reg. virg. 2,3. 56 Caes. reg. virg. 50. 57 Caes. reg. virg. 73.

200 | Albrecht Diem  Exceptus/excepta vero usque ad mortem suam nec praesumat nec permittatur de monasterio egredi propter illud propheticum: Unam petii a domino, hanc requiram ut inhabitem in domo domini omnibus diebus vitae meae [Ps. 26,4].58

This practice of complete enclosure would later be seen as the trademark of Caesarius’ monastic endeavor,59 but even Caesarius did not dare to impose it upon his monks. No other monastic legislator besides Aurelianus considered enclosure feasible for male monasteries.60 Aurelianus’ experiment with ‘male enclosure’ may have been o n e of the reasons why he did not simply adopt Caesarius’ Regula ad monachos, but instead produced a pastiche of regulations from both of Caesarius’ rules.61 But there are other reasons as well.

1.2 The Battle for Salvation and the Hope for Victory Almost every chapter of Caesarius’ Regula ad monachos, in subject matter and even phrasing, is echoed in Aurelianus’ Rule. Aurelianus seems to have composed his Regula by revising Caesarius’ Regula ad monachos first and then adding what he considered missing or better regulated from the Regula ad virgines – including the notion of total enclosure. There are, however, two chapters of Caesarius’ Regula ad monachos, that have (aside from some expressions that appear in different contexts) left no traces in Aurelianus’ Rule: chapter 19 and chapter 26. In these chapters Caesarius laid out his ascetic ideals and his views on the purpose of monastic life. Aurelianus may have found most of Caesarius’ practical regulations useful but he had problems with the Rule’s ascetic program. Chapter 19 expresses vigorously Caesarius’ view that monastic life is a life-long battle fought individually and in fruitful competition with others: … Vos vero sicut certamen habituri eratis, si in pugnam contra gentem aliquam ambulassetis, ut non ibi mortem faceretis, quantum magis in isto spiritale certamine pugnate, ut non vos adversarii animae percutiant. Quanta vitia habueritis, tantos habebitis adversarios. Et ideo certate sicut milites Christi, ut cum ipso regnetis in caelis, qui dixit: Si quis tulerit crucem suam et secutus me fuerit, si quis reliquerit patrem, matrem, uxorem, filios et facultates, centuplum accipiet et vitam aeternam || 58 Aurel. reg. 2 (fol. 114vb–115a/193va). 59 Vita Caes. Arel. I 35; II 26; Vita Rusticulae 10 (MGH SRM 4, p. 344); Baudonivia, Vita Radegundis 24 (MGH SRM 3, p. 393); Greg. Tur. Franc. 9,39 (MGH SRM 1, p. 465). See also KLINGSHIRN, Caesarius of Arles, 265f.; SCHULENBURG, Strict Active Enclosure, 54–56; VAN ROSSEM, De poort in de muur. 60 DIEM, Das monastische Experiment, 217–222. 61 Aurelianus may have used other texts as well, e. g. Augustine’s Praeceptum, Cassian’s Institutiones and Caesarius’ sermons, but they play only a marginal role for the composition of his Rule. See SCHMIDT, Zur Komposition der Mönchsregel II, 51.

Observations on the Rules for Monks and Nuns of Caesarius and Aurelianus of Arles | 201 

possedebit. Hoc certamen habete inter vos, qui alterum vincat per humilitatem, per caritatem, qui sit micior, qui sit in opere dei vigilancior, qui pacienciam habeat maiorem, qui sit tacitus, mitis, blandus, conpunctus, ut letetur deus et angeli eius de vestra sancta conversatione, et confundatur diabolus hostis antiquus, qui semper cogit hominem miserum contra dei facere voluntatem, ne sit ibi, unde ille pro sua praesumptione iactatus est. …62

In the last chapter of his Regula ad monachos, Caesarius expands on the battle theme but also gives it a different direction: The monastery provides the arma spiritalia to fight and to win the fight. Therefore monastic entry is a joyful and triumphant escape from the darkness of the world: Et licet minus idonei bellatores arma vobis spiritalia contra ignitas sagittas diaboli providemus. Gaudete ergo et exultate in domino, venerabiles filii, et gracias illi iugiter uberes agite, qui vos de tenebrosa seculi huius conversatione ad portum quietis et relegionis adtrahere et provocare dignatus est. Cogitate iugiter unde exitis et ubi pervenire meruistis. Reliquistis fideliter mundi tenebras, et lucem Christi feliciter videre coepistis, contempsistis libidinis incendium, et ad castitatis refrigerium pervenistis: respuistis gulam, et abstinentiam elegistis; repudiastis avariciam atque luxoriam, et caritatem vel misericordiam tenuistis. Et quamvis vobis usque ad exitum vitae non deerit pugna, tamen deo donante securi sumus de vestra victoria.63

For Caesarius, this triumphant vision of monastic life was of particular importance. He had used the very same words many years before in an exhortatory letter written to the first community of virgins outside the walls of Arles – a letter that, by the way, had a wide dissemination throughout the Middle Ages in a re-wording directing it to monks.64 In Caesarius’ Regula ad virgines we find similar statements inspired by the same optimism: Quae ut deo adiuvante custodire possitis, iugiter in monasterii cellula residentes, visitationem filii dei assiduis orationibus implorate, ut postea cum fiducia possitis dicere: Invenimus quem quaesivit anima nostra [Cant. 3,4].65 Credo tamen de dei misericordia, quod non pro aliqua neglegentia reatum incurrere, sed pro sancta et deo placita oboedientia ad aeternam beatitudinem possitis feliciter pervenire.66

|| 62 Caes. reg. mon. 19,4–13. 63 Caes. reg. mon. 26,2–8. 64 Caes. epist. ad virg. (‘Vereor’; SC 345, pp. 294–336), esp. 1,10–2,19 the section that is quoted in Caes. reg. mon. 26. 65 Caes. reg. virg. 1,3. 66 Caes. reg. virg. 47,2.

202 | Albrecht Diem  … ut in illa aeterna beatitudine ad consortium angelorum omniumque sanctorum sine confusione veniatis, simul et cum sancta Maria vel cum omnibus reliquis virginibus coronas gloriae accipere et caelestem agnum sequi vos feliciter videre promerear, ut toto corde et toto animo mandata superius conprehensa studeatis inplere, per quae ad aeterna praemia possitis feliciter pervenire.67

Caesarius’ Regula ad virgines puts less emphasis on the notion of monasticism as lifelong battle than his Regula ad monachos does68 – here we see a clear difference between the two rules. Here, Caesarius makes enclosure and the strict obedience to the Regula the bases for the nuns’ salvation. Once they have irrevocably left the world, the nuns are basically safe – and this is reason for joy and confidence.69 Entering the monastery is the best way of being dead (and safe) while still being alive. It is not a painful imprisonment but simply a way of closing the door behind the sinful world and keeping the spiritual wolves outside instead of having to fight against them. Caesarius, the sinner, had every reason to envy those who had already left the world and who had reached a place of the greatest possible safety within a world that was utterly unsafe and dependent on the intercessory prayer of those inside the monastery.70 Aurelianus follows neither the notion of asceticism as a lifelong fight as it is expressed in Caesarius’ Regula ad monachos nor the triumphant optimism and the joy of monastic escape that we find in both of Caesarius’ Rules. Instead he describes entering the monastery in the first place as a sacrifice. It is about abandoning worldly pleasures, not about escaping the spiritual wolves. You are not supposed to do it for fun: Sanctis et in Christo venerandis fratribus in monasterio quod deo miserante ac iubente rege Hildeberto fecimus, constitutis Aurelianus episcopus, et quia deo inspirante, qui nos praevenit ineffabili misericordia sua, visum nobis est, ut repudiatis saeculi voluptatibus ac temporalibus gaudiis contemptis simul vel spretis elegeretis sanctissime vitae nitorem, et virginitatis ac castitatis gratiam conplectentes, amorem dei tota viscerum et cordis aviditate sectantes configere timore dominico carnes vestras; et dicere illud: Iuravi et statui custodire iudicia iustitiae tuae [Ps.

|| 67 Caes. reg. virg. 63,10f. 68 The battle motive, however, is not entirely absent in Caesarius’ Regula ad virgines. See, for example, 63,6f.: Quomodo enim in quocumque carnali certamine tantum unusquisque abiectior erit, quantum eum minor et inferior persona superaverit, ita et in spiritali luctamine in eum, qui neglegens fuerit in minimis, inplebitur illud quod scriptum est … . 69 Other references to monastic life as joy and to confidence in Caesarius’ Regula ad virgines: 1,5: ut cum in regno cum sanctis ac sapientibus virginibus feliciter introibitis; 27,3: fideliter cum zelo et amore dei …; 49,2: ut deo adiutore fideliter ac feliciter inpleatis …; 49,7: et Christo auxiliante non solum fideliter, sed etiam feliciter inplere contendant; 52,7: Et haec fideliter observans secura conscientia dicat …; 65,5: … feliciter ac pariter ad aeterna praemia veniatis … . 70 Caes. reg. virg. 72.

Observations on the Rules for Monks and Nuns of Caesarius and Aurelianus of Arles | 203 

118,106]. Et: Mihi mundus crucifixus est et ego mundo [Gal. 6,14], disposuimus iubente domino atque operante in nobis velle et perficere, ut monasterium vobis pro profecto animarum vestrarum construeremus, sicut et fecimus. Et ideo regulam vobis ac disciplinam instituimus, quae vos ad viam perfectionis recte facerent gradi et ad regna caelorum feliciter pervenire.71

Fitting with the idea of monastic life as sacrifice is Aurelianus’ notion of punishment. His monks and nuns ought to endure punishment because everything punished in this world will not be punished any more in the afterlife – an idea that can only be found in Aurelianus’ text: Si quis pro qualibet culpa aut transgressione regulae increpatur aut disciplinam accipit, arguenti respondere non praesumat: quia peccatum quod hic distringitur, in aeterna examinatione non punitur.72

1.3 The Sancta Regula The understanding of monastic life as a life of battle, fight, mutual competition and, eventually, individual striving for salvation as described in Caesarius’ Regula ad monachos, did not accord with Aurelianus’ views on monastic discipline. What Aurelianus did take over from Caesarius was making the sancta regula a key instrument for achieving perfection. This, in fact, becomes one of the central ideas of Aurelianus’ Rule. Caesarius had dedicated not less than six chapters of his Regula ad virgines to exceedingly nervous and ever repeated admonitions to observe and never change the sancta regula. Clearly the concept of following a rule as salutary monastic precept and a ‘holy’ instrument of discipline was by no means fully implemented when he wrote his Rule.73 For Aurelianus, the authority of the sancta regula was not a matter for anxiety or explanation, he took it for granted. It is a monastic law, and one entered the monastery not after a period of examination and introspection (as it was prescribed by Caesarius)74 but with the simple declaration of submission to this law. Neither enclosure (as in Caesarius, Regula ad virgines) nor perseverantia in battle (as in Caesarius’ Regula ad monachos)75 appear at the beginning and the end of Aurelianus’ Rule. Rather, it underlines the necessity of submitting to the regula. The first chapter begins:

|| 71 Aurel. reg. mon. prol. (fol. 114vb). His Regula ad virgines is slightly different. See pp. 214–216. 72 Aurel. reg. 38/28 (fol. 116b/194b). 73 Caes. reg. virg. 47f. and 62–65. 74 Caes. reg. virg. 4. 75 Caes. reg. mon. 1,1: In primis, si quis ad conversionem venerit, ea condicione excipiatur, ut usque mortem suam ibi perseveret; 26,19: … quia non qui inceperit, sed qui perseveraverit usque in finem, hic salvus erit [Mt. 10,22].

204 | Albrecht Diem  Hoc iubente deo inprimis statuimus tenendum, ut si quis ad conversionem venerit, regula ei in salutatorio legatur; et si professus fuerit se omnia impleturum, tunc excipiatur.76

The Rule ends with the following words: Et vos, sancta congregatio, per profectum vestrum et per deum omnipotentem coniuro, ut omnia quae in hac regula pro remedio animae nostrae et pro animarum vestrarum salute statuimus, integra et inlibata custodiatis. Et ne per oblivionem aliquid neglegatis, semel ea in triginta diebus relegite, it est in kalendis.77

Enclosure comes in second place for Aurelianus. He may have re-appropriated Caesarius’ prohibition against leaving the monastic space, but not the theological concept that had motivated his predecessor to lock up his nuns for life: the safe space, the cella monasterii suitable to wait for the visit of the Son of God, poetically described in the words of the Song of Songs: Invenimus quem quesivit anima nostra.78 For Aurelianus, total enclosure may have had more practical reasons, particularly the safeguarding of the virginitas and castitas he elevated to one of the core requirements of monastic life.79

1.4 Caesarius’ and Aurelianus’ Emotions It is only through juxtaposing Aurelianus much more matter-of-fact approach to monastic conversion and regular life that we get a glimpse of Caesarius’ entrepreneurial excitement. Caesarius’ rules appear in comparison to Aurelianus’ Regula as thoroughly emotional texts. His Regula ad virgines emphasizes several times his love towards his nuns (cum grandi affectu caritatis; pro paterna sollicitudine; cum grandi affectu et cum vera caritate, etc.)80 and, as already stated, the joy of monastic life.81 There is, however, another side to this emotionality. The text is sparked with fear and anxiety and is written in an increasingly nervous tone. Caesarius needed to defend himself, his nuns, and the discipline he imposed upon them. Here is one of many examples: Haec enim ego cum grandi non solum tremore sed etiam tremore cogitans, dum pavescit animus meus, ne vobis aliqua vel minuta peccata subripiant, non solum

|| 76 Aurel. reg. 1 (fol. 114vb/193va). 77 Aurel. reg. 55 (54)/40 (fol. 116vb/194vb). The version for nuns shows some minor differences in phrasing, but not in content. 78 Caes. reg. virg. 1,3. See also Vita Caes. Arel. I 35. 79 See below, pp. 220f. 80 See note 82. 81 See above, p. 201.

Observations on the Rules for Monks and Nuns of Caesarius and Aurelianus of Arles | 205 

ammoneo, sed etiam supplico pariter et contestor, et cum grandi affectu caritatis adiuro …82

Aurelianus used Caesarius’ nervous rhetoric only at two occasions, which were apparently especially important to him. In one place he addresses the problem of uncontrolled contacts between monks, especially at night: Hoc specialius coram deo monemus custodiri;83 in another he emphases the submission of the abbot (and abbess) and the prior under the rule: coram deo et angelis eius te, sancte frater abba, et te, venerabilis quicumque fueris praepositus, ammoneo et contestor.84 In the entire rest of his Rule, the young bishop shows neither excitement nor fear but simply acts as an official legislator.

1.5 Monastic professionals A last, no less fundamental difference between Caesarius’ Rules and Aurelianus’ Regula ad monachos addresses the overall status of his monks. In his Rule for monks, Aurelianus uses the term laici consistently when referring to outsiders.85 Monks were laici no more, even though Aurelianus made very clear that there should not be

|| 82 Caes. reg. virg. 63,8. See also 30,4: Ante omnia coram deo et angelis eius obtestor …; 42,1: Illud ante omnia te, sancta mater, et venerabilis quaecumque fueris praeposita, etiam cuicumque cura committenda est infirmarum, primiceriam etiam vel formariam ammoneo et contestor, ut vigilantissime consideretis …; 43,1f.: Ante omnia observandum est … contestor coram deo et angelis eius …; 47,1: coram deo et angelis eius ammoneo et contestor …; 48,4: Et ideo coram deo et angelis eius contestamur …; 49,2/4: … sine ulla diminutione rogo et moneo … moneo ut omni virtute et vigilantissima sollicitudine …; 50: Hoc enim est quod specialiter absque ulla diminutione a vobis volumus observari …; 55: Moneo specialius …; 59,3: deo medio contestor …; 62,1: Et licet, sanctae filiae et unica mihi in Christo caritate venerabiles, de sanctae pietatis vestrae oboedientia sim securus, tamen pro paterna sollicitudine, qua vos angelis desidero esse consimiles, iterum atque iterum rogo, et per omnipotentem deum vos contestor …; 63,1f.: Et hoc ante omnia rogo, ut ammonitionem nostram non transitorie accipiat sanctitas vestra. … vos cum gradi affectu et cum vera caritate salubriter ammonemus …; 64,4: Praecipue tamen de infra scripta recapitulatione quam manu mea scripsi atque subscripsi, contestor, ut nihil penitus minuatur; 65,4: Hoc ideo dicimus, quia timendum est ne …; 70,4: Ante omnia studendum est …; 72,1: Vos tamen, piissimae sorores, coram domino deo nostro obtestor et deprecor … . 83 Aurel. reg. mon. 35. Aurelianus omitted this passage in his female version. See below, pp. 220f. 84 Aurel. reg. mon. 54 (53) (fol. 115a). The text of the Regula ad virgines 39 (fol. 194b) is very similar: … coram deo et angelis eius te sanctam abbatissam et te venerabilem quaecumque fueris praepositam admoneo et contestor. 85 Aurel. reg. mon. 4 (fol. 115a): Si quis laicus tonsorandus est, de capillis illius in confessione mittatur, ut ei in testimonio sit. Aurelianus uses the term laicus consistently when he refers to non-monks/ nuns. See Aurel reg. mon. 14 (the female version uses viri nec mulieres saeculares); 16 (not in the female version); 19/15 (on lay provisores, also in the female version); 48 (47) (not in the female version).

206 | Albrecht Diem  more than one priest, one deacon and one subdeacon in the monastery.86 Caesarius’ Regula ad monachos contains only one vague reference to laici: monastic entry means to change the vestimenta laica,87 otherwise Caesarius uses this term only to draw a distinction between nuns and laypeople.88 We can see a similar shift if we compare the Regula magistri to the Regula Benedicti – and this could serve a strong argument for placing the Regula magistri after the Regula Benedicti. The term laicus does not appear a single time in Benedict’s Rule, but the Regula magistri draws not less than sixteen times a clear distinction between monks and laici.89 Aurelianus and the author of the Regula magistri may have been among the first who established the notion of monks as a group apart: neither laypeople nor clerics. In some way he assigned them a status that sacred virgins and widows had held already for centuries.90 For a royal monastic foundation Aurelianus needed pure and virginal monastic professionals – so why not modeling them after a kind of professionals that were already there?

1.6 Creating Order out of Chaos The new rigor of Aurelianus’ Rule is also mirrored in the structure of the text. Caesarius’ Rule was written in at least three different stages. The entire last part, the recapitulatio, concerns itself almost exclusively and with great anxiety with keeping total enclosure and the unchangeable nature of the sancta regula.91 The text is redolent of crisis management and plainly chaotic. Caesarius’ Regula ad monachos is, at least partly, patched together out of fragments from other texts and does not show a clear structure either. Aside from all potential disagreements on questions of program and structure, the young monastic founder may just have been unhappy with the fearful, chaotic and improvising attitude in Caesarius’ rules and felt the need to clean up two messy texts, to improve their rustic Latin and give them a stronger

|| 86 Aurel. reg. mon. 46 (45). This chapter appears only in the version for men. 87 Caes. reg. mon. 1,2. 88 Caes. reg. virg. 37; 46,1; 51,2. 89 See Regula mag. 1,6 (SC 105); 7,31; 24,23 (SC 106); 56,1; 56,15; 58,5; 61,12–15; 78,t; 83,9; 87,t; 90,t; 90,83. I would regard it as rather unlikely that the author of the Regula Benedicti consciously erased the term laicus from the Regula magistri in order to stress that monks and laypeople have the same status. 90 The acts of a Council of Arles held in the middle of the fifth century still divide the monks at Lérins into clerici (who are eventually submitted to the bishop’s power) and laici (under the rule of the abbot). See Concilium Arelatense secundum (CCSL 148, 133f.); DIEM, The Gender of the Religious, 439–442. 91 DIEM, Das monastische Experiment, 173–193.

Observations on the Rules for Monks and Nuns of Caesarius and Aurelianus of Arles | 207 

biblical grounding.92 Aurelianus’ Rule shows no traces of emendation or amendment; it was most likely written in one sweep and then revised as rule for women. Its regulations are arranged in clearly discernible thematic blocks:93 monastic life as following the Rule (cap. 1) – enclosure (2) – giving up private possessions (3–8) – transgressions (9–13) – interactions with the outside world (14–16) – entry of children and slaves (17f.) – tasks in the monastery and manual labor (18–24) – shared property and uniform clothing (25–27) – liturgical discipline (28–32) – chastity and internal interactions (33–35) – punishments and transgressions (36–42) – interactions with the outside world (42–47 [41–46]) – meals (47–51 [48–52]) – care for the sick (52 [53]) – responsibility of the abbot and following the rule (53f. [54f.]).94 It may in fact be one of the very few cases of a norm written as a founding document rather than as a text that reacted on circumstances in an already existing institution or that was meant to replace the authority of the living abbot. All these alterations of Caesarius’ Rules, which seem trivial at first glance, reveal a massive shift in the process of establishing and fortifying the concept of a monastic institution and show how much must have changed in the only fifteen years between the moment when Caesarius felt the need to sign the final version of his Regula ad virgines and have it confirmed by six of his fellow bishops and the moment when Aurelianus wrote his Rule from scratch. Both authors stand for decisively different levels of monastic institution formation. What Aurelianus produced was a skillful synthesis of both of Caesarius’ Rules that did its best to resemble neither of its models too much. With all due caution, we could describe Caesarius’ rules as belonging to “Late Antiquity,” the ascetic world of Lérins, of late Roman cities and urban virgines sacratae, while calling Aurelianus’ Rule (despite its stylistic superiority) “early medieval,” representing a world of monastic professionals, intercessory prayer, service to the world and royal patronage.

|| 92 Aurelianus may have received a better literary education than Caesarius. See Vita Caes. Arel. I 2,5f. (praising the eloquence of fishermen rather than that of rhetoricians); WEAVER, Divine Grace and Human Agency, 208 (on Caesarius’ rustic style); SCHMIDT, Zur Komposition der Mönchsregel II, 18 (on the use of rhyme prose in the Rule of Aurelianus). 93 See also DE VOGÜÉ, Histoire littéraire IX, 158. 94 The chapter numbers here refer to the male version of the Rule. The structure of the female version is the same, though several chapters are omitted. See below p. 210–221.

208 | Albrecht Diem 

2 Aurelianus’ Regula – o n e rule for monks and nuns? At this point we should discuss whether (or to what extent) the new monastic programs evolving in both versions of Aurelianus’ Rule were determined by gender differences. Can we indeed speak of one Regula or did Aurelianus just use the same material in order to compose a Regula ad monachos and a – different – Regula ad virgines? Does a close comparison of both versions reveal similar ‘watersheds’ as the comparison between Caesarius’ and Aurelianus’ rules? Benedict of Aniane could be called as witness for both viewpoints. On the one hand, he included both versions of the text in his Codex regularum, one among rules for men and the other one among those for nuns. On the other hand, Benedict of Aniane indiscriminately called them Regula Aureliani. The identifier ad monachos/ad virgines is modern. In his Concordia Regularum Benedict of Aniane identified quotations from both rules uniformly as Ex regula Aureliani episcopi without indicating that they might come from different works or address different genders. Aurelianus’ Regula is, as already stated, one of the few Western monastic rules preserved in versions for men and women that was written by the same author at roughly the same moment.95 The practice of re-writing monastic norms for the other gender, however, was not unusual at all and gender adjustments took place in both directions. Gennadius of Marseille reports that Pachomius (d. 348) had written a Rule for monks and nuns, though only Jerome’s translation of the Rule for men is preserved.96 Shenoute of Atripe (d. 466) wrote very similar normative texts for monks and nuns, which, however, did not have any impact on the Western monastic tradition.97 Evagrius Ponticus wrote two programmatic monastic texts for male and female audiences that were both translated into Latin, but here we have a monastic theologian who develops two entirely different monastic ideals.98 Caesarius’ ‘Proto-Rule’, the above-mentioned Epistola ‘Vereor’ to his nuns, was re-written as a letter to monks, and this secondary version became much more widespread than the original – but we do not know if Caesarius did the revising himself.99 His Regula ad monachos rephrased parts of his Regula ad virgines.100 The monastic rule written by Columbanus existed in a version for women of which a fragment is preserved in the

|| 95 Augustine’s Rule also existed in a male and a female version. See LAWLESS, Augustine of Hippo and his Monastic Rule. 96 Gennad. vir. ill. 7 (ed. BERNOULLI, 63). See also Palladius h. Laus. 33,1 (ed. WELLHAUSEN, 597). 97 On Shenoute, see KRAWIEC, Shenoute; SCHROEDER, Monastic Bodies. 98 DIEM, Das monastische Experiment, 54–62. 99 Caes. epist. ad virg. (‘Vereor’). 100 DE VOGÜÉ, La Règle de Césaire.

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Codex Regularum.101 The Regula Benedicti was revised and re-arranged twice in the middle of the seventh century, and it is striking that those two revisions designed for women, the Regula Donati and the Regula cuiusdam ad virgines, are the very oldest witnesses of Benedict’s Rule.102 Another eighth-century fragment of a Regula Benedicti for nuns shows that there were probably more revisions of Benedict’s Rule produced in the early medieval period,103 and we know of several post-Carolingian revisions aimed at women.104 Benedict of Aniane’s Concordia Regularum transforms all quotations from monastic rules for women to make them ‘male’.105 Adaptations of monastic rules for the other gender range from purely grammatical changes to adjustments for a supposedly weaker sex or concessions to a different legal status of women and men to the development of entirely different monastic programs.106 A close comparison of both versions of Aurelianus’ Rule indicates that Aurelianus’ monastic ideal was not really influenced by gender differences but was rather a synthesis of male and female ascetic traditions applicable equally to monks and to nuns.107 The versions a r e different in some regards, but most alterations are not owed to the fact that Aurelianus revised his Rule for another gender. They simply reveal that his first and his second foundations were created under different legal, economic and spatial circumstances. Comparing both versions says, thus, little about gender differences but it makes some of the specific circumstances in which Aurelianus founded his monasteries visible in the first place. Aurelianus’ Regula ad monachos consists (in its original chapter division) of 54 chapters; his Regula ad virgines contains only 40 chapters. Fifteen chapters are omitted and one appears (partly) only in the version for women.108 Most omissions were probably based on conscious decisions; some of them, however, could simply be text losses. The chapters that appear in both rules usually have the same or a very similar content; only a few seem to be consciously rewritten. There are roughly 75 small textual variants, which mostly have little impact on the content and are probably

|| 101 SEEBASS, Fragment einer Nonnenregel. See also the forthcoming edition by Victoria ZimmerlPanagl in the CSEL and her contribution to this volume. 102 DIEM, New Ideas Expressed in Old Words. 103 MASAI, Fragment en onciale d’une règle monastique. 104 BODARWÉ, Eine Männerregel für Frauen. 105 Benedict of Aniane, Concordia Regularum (ed. BONNERUE, CCCM 168/168A). 106 A comprehensive investigation of these gender adaptations would be a very promising future research project. 107 See also PANCER, Au-delà du sexe et du genre, 319–321. MAYO, Three Merovingian Rules, 80–95 documents all differences between the versions of Aurelianus’ Rule. 108 The first part of Aurel. reg. virg. 38 appears only in this rule; the second part (on burials) appears in the Regula ad monachos at the end of the ordo psallendi (396B/C).

210 | Albrecht Diem  owed to the transmission of the text.109 The density of these minor textual variants (which will not be discussed in-depth here) is no greater than it would be in two random manuscripts of the same text.

2.1 Basilica Sanctae Mariae One of the few instances where differences between the rules reflect a conscious revision of the text appears in chapter 14 of the Regula ad virgines, in which Aurelianus rewrote and replaced two lengthy sections of the Regula ad monachos, c. 14f. Addressing his nuns, he writes very succinctly: Nec viri nec mulieres saeculares in monasterium ingrediantur, praeter in basilicam Beatae Mariae et in salutatorium.110

This passage shows that Aurelianus’ second foundation was not only d e d i c a t e d to Saint Mary but actually directly linked to the Basilica Sanctae Mariae. This is puzzling, since the Basilica Sanctae Mariae, which was built around 624 by Caesarius himself,111 was closely connected to Caesarius’ convent – unless there were two different Basilicae Sanctae Mariae in Arles, which is rather unlikely, especially since Mary was at this time a rather uncommon patron saint.112 The close ties between the Basilica Sanctae Mariae and Caesarius’ monastery are well documented. The church served as burial place for Caesarius’ nuns, and Caesarius himself was buried there.113 The clerici of the Basilica were in charge of the burying deceased sisters,114 and the nuns had the right to determine which priest should serve at this church.115 According to Caesarius’ Regula ad virgines, all embellishments (ornamenta) donated to the monastery should either be sold or given to the Basilica.116 If a sister died, the nuns had to inform the bishop, who would take the body out of the monastery to bury it in the basilica by the clerici de Sancta Maria, but not in the presence of the nuns.117

|| 109 Some examples: Aurel. reg. mon. prol.: … visum n o b i s est, ut repudiatis saeculi voluptatibus ac temporalibus gaudiis contemptis s i m u l v e l spretis …; reg. virg. prol.: … visum v o b i s est ut, repudiatis saeculi voluptatibus ac temporalibus gaudiis contemptis s i v e spretis …. 110 Aurel. reg. virg. 14 (fol. 194a). 111 Vita Caes. Arel. I 57. 112 GRIFFE, Le monastère de Saint-Césaire d’Arles. 113 Vita Caes. Arel. II 50: Sepultus itaque est in basilica Sanctae Mariae quam ipse condidit, ubi sacra virginum corpora de monasterio suo conduntur. 114 Caes. reg. virg. 70,4. 115 Caes. testam. v. 20. 116 Caes. reg. virg. 45,5. 117 Caes. reg. virg. 70,4: Ante omnia studendum est ut, cum aliqua de sororibus defuncta fuerit, sancto episcopo in notitiam deponatur, ut ipse eam usque ad basilicam, ubi ponenda est, psallendo pro

Observations on the Rules for Monks and Nuns of Caesarius and Aurelianus of Arles | 211 

The question where this Basilica Sanctae Mariae was located is still a matter of discussion. Caesarius mentions in his Regula ad virgines that the monastery’s entry was located in a basilica and that the nuns were under no circumstances allowed to enter this – obviously public – place.118 His nuns were supposed to pray their liturgy in different oratoria within the monastic enclosure, which were not accessible to outsiders, except for bishops and priests under exceptional circumstances.119 Several scholars, among them Marc Heijnmans who conducted recent archeological excavations of an early Christian church at the spot right next to the monastery, argue against identifying this basilica with the Basilica Sanctae Mariae, first of all because no graves have been found (yet), and second because of the at that point still valid prohibition of burials intra muros.120 Other scholars, especially William Klingshirn, propose that the Basilica Sanctae Mariae was placed inside the walls of Arles and most likely to be identified with the basilica that forms the entry to Caesarius’ monastery.121 None of them seems to have taken into account that Aurelianus in his Regula ad virgines explicitly addresses the Sanctis et in Christo venerandis sororibus in monasterio Sanctae Mariae quod deo iubente intra muros Arelatensis urbis fecimus constitutis.122 Again, about a century later, Bishop John of Arles addresses the nuns in the monasterium Sanctae Mariae intra muros Aralatensis urbis.123 Since the nuns of Aurelianus’ monastery were supposed to perform most of their liturgy in this church,124 Aurelianus’ Rule and John’s letter provide a conclusive argument for placing the Basilica Sanctae Mariae within the walls of Arles. Founding a new monastery under a different rule but directly attached to the church that belonged to Caesarius’ monastery and served as a burial place for his nuns and for Caesarius himself, must have been a massive provocation. Even in the unlikely case that Aurelianus’ nuns had their own Basilica Sanctae Mariae, we have to assume that there were serious conflicts between the young bishop of Arles and

|| sancta devotione deducat, et clerici de Sancta Maria. Baudonivia, Vita Radegundis 24 (MGH SRM 2, p. 393) reveals a similar arrangement for Radegund’s monastery in Poitiers. Another example of a church forming the only entry to a monastery for nuns can be found in Vita Patrum Iurensium 25 (SC 142, pp. 264–266). 118 Caes. reg. virg. 2,3; 50. 119 Caes. reg. virg. 36,1f.; 38,2. In 69,14–17 Caesarius refers to an oratorium exterius. Regarding the previous regulations, I would not assume that this refers to an oratorium outside the enclosure. 120 HUBERT, La topographie religieuse, 24–26 (312f.); DE VOGÜÉ – COURREAU, SC 345, 105–111; HEIJMANS, L’église paléochrétienne, 86f. 121 BENOÎT, Topographie monastique, 14f.; KLINGSHIRN, Caesarius of Arles, 118; KLINGSHIRN, Caesarius’s Monastery for Women, 444. 122 Aurel. reg. virg. prol. (PL 68, 399A; fol. 193a). 123 John of Arles, epist. ad virg. (PL 68, 859; fol. 196a): Sanctis ac venerandis in Christo sororibus ipsis quibus sancta memoria praecessor noster Aurelianus episcopus monasterium Sanctae Mariae intra muros Aralatensis urbis constituit. 124 See below, p. 212.

212 | Albrecht Diem  Caesarius’ monastery (which was still headed by Caesaria, presumably the founder’s niece). There are four possible reasons for Aurelianus’ decision to found a new monastery. Caesarius’ enclosed monastery could have grown too small to house all the nuns who wanted to enter it. According to the Vita Caesarii, there were two hundred nuns living in Caesarius’ monastery at the time Caesarius died.125 Or perhaps Aurelianus simply was not interested in expanding an institution that on the one hand demanded episcopal support, but could, on the other, reject any interference in disciplinary, personal or economic matters. Thirdly, Caesarius’ nuns may have had control over the Basilica Sanctae Mariae, but they were not allowed to (and probably did not even want to) use this church for their liturgical service. Aurelianus could have decided that this extent of enclosure went too far, because it completely excluded the outside world from the prayer that the nuns performed on its behalf. Lastly, there are the above-mentioned theological differences that manifest themselves in Caesarius’ and Aurelianus’ rules. If Caesarius’ nuns had really followed Caesarius’ nervous exhortations not to change a word of his Rule and to give the bishop more rights of interference, Aurelianus may not have had any choice but to write a new rule for a new community. Both communities would have existed next to each other at least for another century, though at some point they probably merged; only Caesarius’ original foundation survived until the French Revolution.126 Only one section of Aurelianus’ Regula ad virgines does not come from his Regula ad monachos. It addresses the liturgical tasks of the nuns of Aurelianus’ foundation. In contrast to Caesarius’ nuns, they h a d t o use the Basilica Sanctae Mariae, a public place, for most of their monastic Hours. Only at particularly harsh winter days they were allowed to use their own oratorium within the monastery for a part of their liturgy: Cursum diurnum vel nocturnum, id est matutinos, vigilias, nocturnos, vesperam et duodecimam in basilica Dominae Mariae congregatio dicat. Quod si hiems aspera fuerit, matutinos tantum, vesperam et duodecimam in praedicta basilica dicite: secundam vero, tertiam, sextam et nonam in interiori oratorio propter illos qui aut orare cupiunt, aut abbatissae occurrunt, aut parentes suas requirunt.127

Aurelianus may have regarded Caesarius’ notion of the monastery as impenetrable protective bubble and artificial paradise as excessive. An enclosure that restricted the contact between nuns and outsiders but at least allowed that the nuns were heard and seen in the basilica may in his eyes have been sufficient. It served its purpose if its only objective is protecting the nuns’ virginitas and castitas. || 125 Vita Caes. Arel. II 47. 126 The last trace of Aurelianus’ monastery is the exhortatory letter written by Bishop John of Arles, PL 68, col. 859f. John died after 668. See DUCHESNE, Fastes Épiscopaux, 260. 127 Aurel. reg. virg. 38 (fol. 194va–b). See MUSCHIOL, Famula Dei, 114.

Observations on the Rules for Monks and Nuns of Caesarius and Aurelianus of Arles | 213 

The role of the Monastery of Saint Mary as ‘basilical monastery’ that was adjoined to a public church and stood under direct episcopal control128 explains most of the differences between both versions of Aurelianus’ Regula. Before documenting these differences, we should look at the chapters of the Regula ad monachos that were replaced by the succinct chapter 14 of the Regula ad virgines, because they give important insights into Aurelianus’ first monastery, which was founded in collaboration with Childebert and Ultrogotha. This house of monks was not to be under the control of the local bishop. Its founders were keen on maintaining its economic independence and the community’s right to choose its own abbot. We can conclude this from a letter written by Pope Gregory I, which confirms a (lost) privilege granted to the monastery by Pope Vigilius.129 In this respect, Aurelianus’ male foundation was very similar to Caesarius’ convent, which had obtained a privilege that may have been similar to the lost one of Aurelianus’ monastery.130 Yet, different from both female monasteries, Aurelianus’ community for monks had its own basilica, which was n o t accessible to outsiders. It almost sounds as if Childebert and Ultrogotha did not want to share their monks’ prayer with anyone else in the city: Nullus laicus sive nobilis sive ignobilis in basilicam sive in monasterium introire permittatur.131

2.2 The Salutatorium Both of Aurelianus’ foundations had a salutatorium, a place where visitors could meet the inhabitants of the monastery. According to Aurelianus’ Regula ad virgines this salutatorium was considered o u t s i d e the monastery (and we can cautiously assume that the same was the case for his male foundation). The nuns l e f t the monastery in order to enter a liminal space to meet their families under strict control of the abbess, the prior or another trustworthy nun: Nulli liceat ad salutandum exire, nisi cum abbatissa aut praeposita vel certe alia quacumque seniore cui abbatissa praeceperit. Et sic propinquos suos videant aut loquantur, ut ne altiori voce loquantur.132

|| 128 As such, it may be comparable to the community of women directly adjoined to the Basilica of St. Martin in Tours that Gregory of Tours mentions in his Life of Monegundis. See Greg. Tur. vit. patr. 19,2 (MGH SRM 1,2, pp. 287f.). 129 Greg. M. epist. 9,216 (MGH Epp. 2, p. 203): … ut eidem monasterio tam in dispositione rerum, quam in ordinatione abbatis quaedam pariter privilegia largirentur … . 130 Privilege of Pope Hormisdas (SC 345, pp. 352–358). 131 Aurel. reg. mon. 14 (fol. 115vb). 132 Aurel. reg. virg. 12 (fol. 194a).

214 | Albrecht Diem  This notion of the salutatorium as liminal space is expressed in different contexts in Caesarius’ Regula ad virgines. Here the salutatorium serves not only as a place of contact with the outside world, but also the place where aspirant nuns had to stay before they were admitted to the community and where nuns who had committed transgressions serious enough to warrant excommunication and separation from the community were held. Since it was not an option to let a nun return to the world, expulsion became symbolic and went only as far as forcing the nuns into this space of overlap between monastery and world.133 Access to the salutatorium from outside is regulated differently in Aurelianus’ Regula ad monachos: Aurelianus’ nuns were allowed to meet men and women in the salutatorium, albeit under strict supervision. Aurelianus’ monks were allowed to welcome male outsiders, but absolutely no women, not even their mothers or any female relatives.134 There are two possible explanations: either Aurelianus considered his monks’ chastity as more easily endangered by encounters with the opposite sex (another example for endangered m a l e chastity is mentioned below) or he regarded it as impossible to prohibit male relatives from seeing their daughters and sisters.

2.3 The Prologues Now let us look at the possible consequences of the different status of Aurelianus’ first (private, male) and second (basilical, female) foundation. In the first version of his Rule, Aurelianus explains the foundation of his monastery as follows: Sanctis et in Christo venerandis fratribus in monasterio, quod deo miserante ac iubente rege Hildeberto fecimus, constitutis Aurelianus episcopus …135

His Regula ad virgines omits the reference to King Childebert:

|| 133 Caes. reg. virg. 38 (salutatorium as place of contact); 58 (as a place where entering nuns hear the regula and have to wait until they were considered ready for entering the community); 65,1f.: … a sanctae congregationis vestrae conventu eam accensae zelo sancti spiritus removete; et tamdiu in cella salutatorii sit remota, quamdiu dignam paenitentiam agens humiliter veniam petat … . See also Aurel. reg. 1. 134 Aurel. reg. mon. 14 (fol. 115va): Nullus laicus, sive nobilis sive ignobilis, in basilicam sive in monasterium introire permittatur. Sed si quis pro devotione aut parentela occurrere voluerit, in salutatorium monasterii occurrat; 15: Mulieres vero, nec religiosae nec saeculares, nullae omnino, nec abbatis nec cuiuscumque monachi mater aut quaelibet propinqua aut nota ad salutandum aut ad orationem ingredi permittatur, domini et magistri sequentes exemplum, cum dixit: Et quae est mater mea et fratres mei? [Mt. 12,48] Et illud: Si quis non reliquerit patrem aut matrem, non potest meus esse discipulus. [cf. Lc. 14,26] Et alia scriptura: Qui dixerunt matri et patri, non novimus vos, hi custodierunt praecepta tua Domine. [cf. Deut. 33,9] 135 Aurel. reg. mon. prol. (fol. 114va).

Observations on the Rules for Monks and Nuns of Caesarius and Aurelianus of Arles | 215 

Sanctis et in Christo venerandis sororibus in monasterio beatae Mariae quod deo iubente intra muros Arelatensis urbis fecimus, constitutis Aurelianus episcopus.136

The model for both rules was Caesarius’ Regula ad virgines: Sanctis et plurimum in Christo venerandis sororibus in monasterio, quod deo inspirante et iuvante condidimus, constitutis Caesarius episcopus.137

Caesarius emphasizes that his monastery was founded Deo inspirante et iuvante, which is in line with numerous other references to God’s help or mercy within his Rule.138 In his Regula ad monachos, Aurelianus just used a different expression, Deo miserante, and then adds that the monastery was build at the order of King Childebert (iubente rege Hildeberto). His Regula ad virgines applies the same expression, iubente, to God instead of the Frankish king, which sounds odd because it places Childebert and God on the same level. Moreover, the statement that Aurelianus received the o r d er to found his monastery directly from God is rather bold. It may be a result of a somewhat clumsy removal of Childebert from the Rule, in which Aurelianus simply forgot to turn the strong iubente back into the less problematic iuvante. This indicates that Childebert was consciously removed from Aurelianus’ Rule and that the Monastery of Saint Mary was not a royal foundation but exclusively the project of Bishop Aurelianus. Consequently, Aurelianus’ female foundation is not mentioned in the papal privilege that protected his other monastery. What we have instead is an exhortatory letter of one of Aurelianus’ successors who clearly considered himself the main supervisor of the monastery and addressed the nuns in a way a bishop would probably not address a community that had received an exemption from episcopal interference.139 The prologues of both versions of Aurelianus’ Regula contain another interesting alteration that could indicate a slight but significant shift in the ascetic program. In this case, however, we cannot know whether this alteration was made by Aurelianus himself or slipped into the textual transmission. In his Regula ad monachos Aurelianus stated: Et ideo regulam vobis ac disciplinam instituimus, quae vos ad viam perfectionis rectae facerent gradi et ad regna caelorum feliciter pervenire.140

|| 136 Aurel. reg. virg. prol. (fol. 193a). 137 Caes. reg. virg. 1,1. 138 See note 49. 139 John of Arles, epist. ad virg. (PL 68, 859f.; fol. 196ra): … Cum plenissime series regulae vobis constitutae victus vel vestitus qualitatem et quantitatem vestrae sanctitatis contineat, nihilque indignum in ea, quod ad emendationem formulae eius pertineat, inveniatur; tamen pro caritate et cura eiusdem, quam dominus ecclesiae suae commendavit, admonemus … . 140 Aurel. reg. mon. prol. (fol. 114vb).

216 | Albrecht Diem  In his Regula ad virgines we find: Et ideo Regulam vobis ad disciplinam instituimus, quae per vos viam mandatorum dei doceret currere, et ad regna caelorum faceret feliciter pervenire.141

Either Aurelianus or a later copyist of the Regula ad virgines had a problem with the term perfectio, which was probably inspired by the often applied biblical verse Mt. 19,21 (Si vis perfectus esse …).142 There is, after all, quite a theological difference between the idea of achieving salvation by striving for perfectio or by following the mandata Dei.143 Unless a much broader contextualization proves otherwise, I would not necessarily assume that this difference had much to do with the fact that Aurelianus addressed those two versions to religious people of different gender.

2.4 Monastic Property There are a number of other omissions in Aurelianus’ Regula ad virgines which could be explained with the different status of his female foundation and the nuns’ right to have control over their property. Only Aurelianus’ Regula ad monachos orders that surplus produced in the monastery and old vestments should be handed over to the poor or used for ransoming captives. This task has to be performed by the provisor, who acts at the order of the abbot.144 The care of the poor and the ransoming of captives belongs to the core responsibilities of a bishop.145 If Aurelianus’ female foundation was meant to be under complete episcopal control, it only makes sense to omit this regulation, because it would neither be exercised by the monastery’s provisor nor by the order of the abbess, but simply on behalf of the bishop himself. Another chapter that appears only in Aurelianus’ Regula ad monachos prohibits the monks from organizing convivia for bishops, abbots, provisores, or relatives. Exceptions are to be made only for abbots or monks coming from afar. Monks should, as Aurelianus states, concentrate on prayer and lectio and not be distracted by the task of hospitality.146 Even though Aurelianus follows here closely Caesarius’ Regula ad virgines,147 this regulation does not appear in Aurelianus’ Regula ad virgines. This certainly does not imply that the Aurelianus’ nuns were allowed or sup-

|| 141 Aurel. reg. virg. prol. (fol. 193a). 142 Caesarius uses this verse in his Regula ad virgines 5,3 and Regula ad monachos 1,3; Aurelianus in 3,2. 143 The term mandatum/-a dei appears also in Aurelianus’ Regula 3,2. 144 Aurel. reg. mon. 43f. 145 KLINGSHIRN, Charity and Power. 146 Aurel. reg. mon. 47 (48). 147 Caes. reg. virg. 39.

Observations on the Rules for Monks and Nuns of Caesarius and Aurelianus of Arles | 217 

posed to organize convivia. Either the text of this chapter got lost, or Aurelianus considered it superfluous because it would have been the task of the episcopal see to welcome guests and visitors from out of town and to organize convivia for them. That the Regula ad monachos does note this restriction is another hint about towards the independence of Aurelianus’ male monastery: they were forbidden to organize convivia because they c o u l d have done so on their own and, doing so, interfere with the bishop’s tasks. There is a last omission in the Regula ad virgines that could either be a text loss or explained in a similar manner. Aurelianus prohibits his monks (but not his nuns) from having silk blankets and to purchase altar cloth decorated with gold and gems. Gifts that surpass the needs of the monastery are to be sold by the abbot.148 The omission of this passage in the rule for nuns may simply reflect the reality that the abbess of Aurelianus’ foundation had no control over the finances of the community.

2.5 Gendered differences Only one chapter of Aurelianus’ Regula ad monachos is so obviously gender specific that its omission does not require any explanation. Chapter 45 (46) states that there should be no priest in the monastery except for the abbot, unless the abbot explicitly decides otherwise. Only if a member of the community aspires to become a bishop may he leave the monastery. He may not take any other monk with him. This was, obviously, not a potential career path for a nun. Things get more complicated regarding chapter 4, a second seemingly genderrelated omission: the chapter on tonsure: Si quis laicus tonsorandus est, de capillis illius in confessione mittatur, ut ei in testimonio sit. Quod si tonsoratus aut in habitu religioso venerit, non excipiatur nisi, ut superius diximus, cartas de eo quod proprium in saeculo habuerat, faciat; ut nihil sibi reservet quod non a se alienet, et id quod secum exhibuerit, omnia in potestatem tradat abbatis, timens exemplum Ananiae et Saphyrae [Act. 5,11], quae partem obtulerunt, partem sibi infideliter reservaverunt.149

The phrase de capillis illius in confessione mittatur ut ei in testimonio sit is confusing. Albert Schmidt assumes that confessio refers to a receptacle in the altar and that the hair of the first tonsure is stored there as a proof – a strange practice.150 In any case,

|| 148 Aurel. reg. mon. 27, inspired by Caes. reg. virg. 44,4f. 149 Aurel. reg. mon. 4 (fol. 115a). 150 SCHMIDT, Zur Komposition der Mönchsregel II, 20f.

218 | Albrecht Diem  this part of an admission ritual does not appear in his Regula ad virgines and it is not replaced by an analogous ritual for women.151 More striking is that the omission also removes the regulation that no one may be admitted without having sold all property and without having placed under the power of the abbot whatever he brought into the monastery. To some extent, this regulation is redundant, since both the previous and the following chapter (which do appear in both versions) set how property is to be sold before entry and how all received gifts become shared property under the power of the abbot/abbess.152 Nevertheless, the specific aspect of b r i n g i n g objects into the monastery upon entry (et id quod secum exhibuerit) appears only in the omitted chapter 4. I do not assume that this omission has anything to do with a more ‘liberal’ regime in Aurelianus’ female foundation. It may rather be based on the assumption (or experience) that nuns who had forfeited all of their (limited) possession rights were stripped of private property to such an extent that Aurelianus was comfortable with omitting this regulation altogether. But, again, it simply may have been text loss.

2.6 Age of Entry The Regula ad monachos prohibits boys from being given to the monastery if they are younger than ten to twelve years because by that age they did not need to be cared for any more (nutriri) and they could know how to avoid guilt (culpas).153 The Regula ad virgines omits this regulation, which indicates that girls were allowed to be younger than ten at entry. We may assume that the age of entry would have been the same as in Caesarius’ monastery, i. e. six or seven years. According to Caesarius, this was the age at which they could learn to read or to write and obey orders.154 There are several possible explanations for this omission from the Regula ad virgines (aside from the ever present possibility of a text loss). Both versions of Aurelianus’ Rule state that all members of the community need to learn to read.155 Maybe it was more common for boys to receive a literate education. This would imply that it would not cause harm to admit boys who were somewhat older, while it was still advisable to recruit girls at an age most suitable to start learning how to read || 151 Caes. reg. virg. 56 prohibits the nuns from binding their hair higher than a mark Caesarius himself had painted with ink. But this hair regulation has probably nothing to do with monastic entry. See LEYSER, Long-haired Kings and Short-haired Nuns. 152 Aurel. reg. 3/2 and 5/3. 153 Aurel. reg. mon. 17 (fol. 115va): Minori aetate in monasterio non excipiantur nisi ab annis decem aut duodecim, qui et nutriri non egeant et cavere noverint culpas. 154 Caes. reg. virg. 7,3f.: Et si potest fieri, aut difficile aut numquam in monasterio infantula parvula, nisi ab annis sex aut septem, quae iam et litteras discere et oboedientiae possit obtemperare, suscipiatur. 155 Aurel. reg. 32/26.

Observations on the Rules for Monks and Nuns of Caesarius and Aurelianus of Arles | 219 

and write, i. e. six or seven years. Here, again, we see a gender difference that reflected different gender roles o u t s id e the monastery rather than different monastic ideals.156

2.7 Craftsmen According to Aurelianus’ Regula ad monachos, monks were not allowed to learn a handicraft (artificium) at their own discretion.157 In Aurelianus’ Regula ad virgines the term artificium does not appear.158 This c o u l d have been a matter of textual transmission, but here we might indeed point to different gender roles. An argument in favor of a gendered repertoire of special skills is that Caesarius explicitly allowed that construction work and structural repairs in his female foundation were to be exercised by artifices from outside the monastery.159

2.8 Return to bed after Matins Another chapter that does not appear in the Regula ad virgines prohibits monks from returning to bed after Matins; instead they are to start praying Prime immediately afterwards.160 This might be a concession to the supposedly weaker condition of women (or just admit that the original regime was too harsh), but a simple text loss is possible as well. However, the liturgical program of both monasteries is the same with one small difference that indeed addresses the prayer at Prime and Terce. According to the Regula ad monachos, the monks were supposed to sing twelve psalms at Prime; according to the Regula ad virgines, the nuns had to sing only six psalms.161 Prime was, thus, much shorter – maybe in order to give nuns a nap between Matins and Prime.

|| 156 See also DE JONG, In Samuel’s Image, 30–35; RICHE, Éducation et culture, 150–163. 157 Aurel. reg. mon. 23 (fol. 115vb): Artificium vero discendum aut quaelibet opera facienda non pro suo libito elegant; sed in arbitrio abbatis erit quod utile prospexerit imperandum. This regulation follows Caes. reg. virg. 8. 158 Aurel. reg. virg. 19 (fol. 194a–b): Nulla opera pro suo libito eligant facienda, sed quod abbatissa imperavit, hoc faciant. 159 Caes. reg. virg. 36,3f. 160 Aurel. reg. mon. 28. 161 Aurel. reg. mon., ordo psallendi (PL 68, 395A; fol. 117va): Post matutinos ad primam duodecim psalmi dicantur; reg. virg., ordo psallendi (PL 68, 405C; fol. 195va): Quotidianis iterum diebus ad tertiam sex psalmos dicite.

220 | Albrecht Diem 

2.9 Manual work during Vigils An argument in favor of a text loss can be made for chapter 29 of the Regula ad monachos, which is much shorter in the Regula ad virgines. It prescribes that the monks should keep themselves awake with manual work during Vigils. At Sunday and feast days they should just stand up if they are overcome by sleep.162 The Regula ad virgines retains the prescription to stand up in case of tiredness but omits the reference to manual work. The copyist responsible for the preserved version of the Regula ad virgines may have been confronted with a gap and the half-sentence … si vero dominici aut festi dies sunt, cui somnus venerit, aliis sedentibus illa stet ut possit a se somni marcorem repellere; ne in opere dei aut tepida inveniatur aut negligens. He filled the gap by putting these new words in front of the fragment: Ad vigilias nulla dormiat.163

2.10 Chastity Among the most remarkable omissions are chapter 33 and chapter 35f. of the Regula ad monachos. Here we get a glimpse on a gendered view on chastity and sexuality in Aurelianus’ monastic world.164 Aurelianus prescribes his monks to sleep in separate beds165 and prohibits them with an otherwise unseen nervousness from sitting and talking together in secrecy, especially during night hours. Whoever is caught in secrecy is to be most strictly punished, as if he has admitted to a crime (tamquam si crimen admiserit). Exceptions apply only to those who are beyond suspicion due to their age and sanctity: Hoc specialius coram deo monemus custodiri, ut nulli liceat cum alio secretius loqui aut sedere, praecipue vespertinis et nocturnis horis. Si secrete inventi fuerint, tanquam si crimen admiserint, severissime distringantur, absque illis qui probati sunt aetate et sanctitate.166

The prohibition against conversation also applies according to every excommunicated monk.167 All three regulations are omitted in Aurelianus’ Regula ad virgines. We find a similar divergence of male and female rules if we compare the Regula Benedicti with the Regula cuiusdam ad virgines (a thorough revision of the Regula Benedicti written about a century later). Benedict prescribed, like Aurelianus, that

|| 162 Aurel. reg. mon. 29. 163 Aurel. reg. virg. 23. 164 DIEM, Organisierte Keuschheit. 165 Aurel. reg. mon. 33. 166 Aurel. reg. mon. 35 (fol. 116a). 167 Aurel. reg. mon. 36.

Observations on the Rules for Monks and Nuns of Caesarius and Aurelianus of Arles | 221 

monks were not allowed to share beds. The author of the Regula cuiusdam used almost the same words as Benedict but ordered that two nuns, a younger and an older one, were to share one bed.168 The danger of sexual attraction between monks was seemingly regarded more real than the possibility that too close contact between nuns might endanger chastity. Same-sex anxiety was, however, not entirely absent from female monastic rules.169 A last omission addresses corporal punishment and discipline. According to the Regula ad monachos monks should receive no more than 39 lashes with a whip and corporal punishment should be regarded as form of fatherly love. Aurelianus’ Regula ad virgines does not refer to corporal punishment.170 This may indicate a gendered approach to discipline, even though we have evidence from other female monastic rules that physical punishment was not at all uncommon in female monasteries.171

2.11 The unisex model A comparison of both versions of Aurelianus’ Regula would not be complete without referring to those passages in which, against expectations, we do not find gender differences. Especially interesting is Aurelianus’ reference to castitas and virginitas, which appears in both versions.172 Caesarius’ Regula ad virgines does not use either of these terms; his Regula ad monachos refers to the refrigerium castitatis once, in chapter 26, the programmatic section that comes from Caesarius’ Epistola ‘Vereor’.173 What Caesarius probably considered an undisputed condition of monastic life becomes now for monks and nuns alike a choice that forms the basis of monastic conversion. Neither castitas nor virginitas are fully gendered in monastic tradition, but we can tentatively state that virginitas rather comes from a tradition of female religious life which produced numerous treatises ‘De virginitate’, e. g., by Tertullian (d. 255) Cyprian (d. 258), Athanasius (d. 373), Ambrose (d. 397) and Augustine (d. 430). The permanently embattled castitas is elaborated in texts addressing monks and male ascetics, particularly the works of John Cassian (d. 435).174 In order to create his new || 168 Compare Regula Benedicti 22 with Regula cuiusdam ad virgines 14 (PL 68, 1065A–C). See also DIEM, Organisierte Keuschheit, 10f. 169 On same-sex attraction in the Regula Donati, see DIEM, Das monastische Experiment, 214–219; DIEM, New Ideas Expressed in Old Words, 17f. 170 Aurel. reg. mon. 41. 171 For example, Donatus, Regula 17,10; 25; 27 etc. 172 Aurel. reg. prol. (fol. 114v/193a): elegeretis sanctissimae vitae nitorem, et virginitatis ac castitatis gratiam. 173 Caes. reg. mon. 26,5. 174 In Cassian’s Collationes and Institutiones, the term castitas appears 125 times, the term virginitas 9 times. See also FOUCAULT, The Battle for Chastity; DIEM, Das monastische Experiment, 95–111.

222 | Albrecht Diem  notion of monastic professionals, Aurelianus made use of both traditions and applied them on both genders. He is not only the only author of a monastic rule who imposes enclosure on monks, but also the only one who applies the notion of virginitas to monks. The other surprisingly non-gendered part of Aurelianus’ Rule are the regulations on liturgical discipline and the very detailed liturgical order, the ordo psallendi, which are, aside from very minor variations, the same.175 Aurelianus’ monks and nuns had to pray the same liturgy at the same time with the same rigor and discipline, even though one community (the female) performed its prayer in public, the other (the male) in private. Both communities consisted of people who were neither laypeople nor ordained priests. This is obvious for his female community, but Aurelianus stresses this point as well in his Regula ad monachos.176 The workers were of the same status and their identically created product had the same value: it was priceless pure prayer performed by (male and female) virgins. The shift towards priestly ordination of monks and towards an increasing role of votive masses in the liturgical production of male monastic communities, which (though not uncontested) had already started before Aurelianus, may have brought an end to the – quite radical – monastic ‘unisex model’ expressed in Aurelianus’ Rule.177

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|| 175 Aurel. reg. mon., ordo psallendi (PL 68, 393–396); reg. virg. (403–406). 176 See above, p. 205f. 177 See ANGENENDT, Missa specialis; NUSSBAUM, Kloster, Priestermönch und Privatmesse, esp. 39– 83. On conflicts about ordained monks, see DIEM, Who is Allowed to Pray for the King, 59f. Statements against ordained monks can be found in Vita patrum Iurensium 21 (SC 142, pp. 260–262); 133f. (pp. 382–384); Fructuosus of Braga, Regula communis 2 (ed. CAMPOS RUIZ, San Leandro, San Isidoro, San Fructuoso. Reglas monásticas de la España visigoda, Madrid 1971, pp. 175–177).

Observations on the Rules for Monks and Nuns of Caesarius and Aurelianus of Arles | 223 

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[email protected] Maxwell School of Syracuse University

Victoria Zimmerl-Panagl

Elegi pauca e plurimis … Editorische Fragestellungen zur Regula Donati, dem Fragment einer Nonnenregel (CPPM II 3637) und Columban Donats Worte elegi pauca e plurimis1 leiten diesen Aufsatz in zweifacher Hinsicht ein. Zum einen stellen sie Donat als Verfasser einer Regula mixta in seiner Arbeitsweise vor: Im 7. Jh. Bischof von Besançon2 verfasste er für das von seiner Mutter Flavia an der Stelle der heutigen Église Notre-Dame in Besançon gegründete Kloster Jussamoutier eine Klosterregel für Nonnen, deren Inhalt und Wortlaut er aus mehreren Quellen bezog bzw. auswählte (nämlich hauptsächlich aus den Mönchs-Regeln Columbans, des Abtes von Luxeuil und Bobbio, und Benedikt von Nursia sowie aus der Nonnenregel des Caesarius von Arles), die er zu einem neu ponderierten Ganzen zusammenfügte. Zum anderen kann das Zitat auch als Motto für den vorliegenden Beitrag gelten, in dem lediglich wenige von den überaus zahlreichen Fragen besprochen werden können, die sich mir bei der Editions-Arbeit zum in Vorbereitung befindlichen Band CSEL 98 gestellt haben bzw. gegenwärtig noch stellen. Der vorliegende Beitrag widmet sich also Fragestellungen und Problemen aus der Editions-Arbeit an der Regula Donati, in seinem zweiten Teil in Verbindung mit dem anonymen Fragment einer Nonnenregel (CPPM II 3637). Die Edition der Regula Donati war von Michaela Zelzer, die jahrzehntelang für das CSEL verdienstvoll tätig war, vorbereitet worden. Als sie schwer erkrankte, wurde ich ihrem Editionsprojekt zur Unterstützung zugeteilt und übernahm formale, aber auch inhaltliche Arbeiten an dem Band. Michaela Zelzer hatte bis dahin den Münchener Codex Regularum (Clm 28118,3 s. IX = M4), die Edition des Lukas Holstenius (allerdings lediglich einen

|| 1 Mit dem Zitat spielt Donat (epist. 16) auf Caesarius an, der in seiner Regula ad virgines 2,1 schreibt: et quia multa in monasteriis puellarum ac monachorum instituta distare videntur, elegimus pauca de pluribus, quibus seniores cum iunioribus regulariter vivant … . 2 Zu seiner Person vgl. Jonas von Bobbio, Vita sancti Columbani 1,14; JENAL, Donatus; PRINZ, Mönchtum, bes. 149f. (mit Literaturhinweisen); DUCHESNE, Fastes 3, 213f. (Donats Bezeugung als Bischof). 3 Pius Engelbert bereitet eine Faksimile-Edition dieser Handschrift vor und möchte darin auch die bisher gegebenen kodikologischen Informationen ergänzen; bis zum Vorliegen seiner Arbeit ist jedenfalls zu verweisen auf den Katalog der Münchener Handschriften von HAUKE, zu Clm 28118 besonders auf die Seiten 7–13. 4 Im vorliegenden Beitrag werden folgende Siglen bzw. Abkürzungen verwendet: M = Codex München, Clm 28118, s. IX (= Codex Regularum); K = Codex Köln Hist. Archiv 231, s. XV (Abschrift von M); P = Codex Paris BN Lat. 4333B; Donat. = Regula Donati; NFr = Nonnenregel-Fragment (CPPM II 3637); Col. coen. = Columbanus, Regula coenobialis.

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Nachdruck aus dem Jahr 1759),5 die als Dissertation in Wien im Jahr 1977 erstellte kritische Textausgabe durch Ingrid Prischl sowie die 1978 erschienene Edition von Adalbert de Vogüé (beide Editionen sind genannt in der Literaturliste am Ende des Beitrags) kollationiert und auf dieser Basis einen Text erstellt. Besonders erwähnenswert ist Michaela Zelzers Restituierung des Capitula-Index (s. u. Anm. 9), womit sie der Donat-Regel ein spätestens seit dem 9. Jh. verlorenes Stück ihrer originalen Gestalt zurückgegeben hat. Da die Regula Donati für den Text der Regula Benedicti ein wichtiger Sekundär-Zeuge ist,6 lag der Schwerpunkt von Michaela Zelzers editorischem Bemühen auf der Präsentation der Zusammenhänge zwischen der Textform des Donat und den unterschiedlichen Textvarianten der Benedikt-Regel. Im Zuge meiner Arbeiten an der aufgrund vielfältiger Problemstellungen nicht nur philologisch interessanten Regula mixta, die keinesfalls als uninspirierter ‚Cento‘ abgetan werden darf,7 stellte sich heraus, dass für die kritische Edition u. a. der Münchener Codex Regularum (M) noch einmal kollationiert sowie seine Abschrift, der Kölner Codex Hist. Archiv 231, s. XV (= K), beachtet und der erstellte Text an einigen Stellen geändert werden mussten. Ferner wurde es mir mehr und mehr ein Anliegen, die Bedeutung der Regula Donati als Textzeugen der Columban-Regeln nicht zu vernachlässigen wie auch die Zusammenhänge mit dem genannten anonymen Nonnenregel-Fragment (ebenfalls mit der Regula Columbani verwandt) zu beleuchten, und es taten sich immer mehr Punkte als noch ungelöste Fragen auf, || 5 Es handelt sich um einen knapp 100 Jahre nach dem Tod des Holstenius erstellten Nachdruck der Ausgaben aus dem Jahr 1661 bzw. 1663. Sich auf die jüngere Edition zu stützen, erscheint auf den ersten Blick vielleicht naheliegend, und auch Adalbert de Vogüé hatte für seine Edition der Regula Donati die Version aus dem Jahr 1759 herangezogen. Beim Kollationieren der ersten Edition aus dem Jahr 1661 stellte ich allerdings fest, dass die spätere Version gar nicht wenige zusätzliche Fehler gegenüber der ersten Edition aufweist, weshalb zur Dokumentation der eigentlichen Edition des Holstenius (für alle Regel-Texte) die Fassung aus dem Jahr 1661 zu berücksichtigen ist und nicht die späteren (auch nicht jene aus dem Jahr 1663). Da jedoch nicht ausgeschlossen werden kann, dass über die Jahrhunderte auch die Nachdrucke der ersten Edition verwendet wurden und Wirkung zeigten, sollen die Fehler der späteren Ausgaben in der kommenden CSEL-Edition zumindest dokumentiert werden. 6 Michaela Zelzer hat in ihren in der Literaturliste genannten Aufsätzen aus den Jahren 1987 [erschienen 1989] und 2004 ihre Ergebnisse und Überlegungen dazu dargelegt. Auch die Text-Edition in CSEL 98 wird diesem ihrem Schwerpunkt Rechnung tragen und – wie es Michaela Zelzers Intention war – im Quellen-Apparat die größere Verwandtschaft des Donat-Textes mit den Handschriften der Regula Benedicti Oxford, Bodl. Libr. Hatton 48, s. VIII (O) sowie den Escurialenses a I 13, s. X und I III 13, s. IX/X gemeinsam mit London, Brit. Libr. Add. 30055, s. X (die letzten drei unter den Siglen: H1–3) dokumentieren. 7 Aus dem Blickwinkel des Historikers schenkt dieser Regel besonders Albrecht Diem in einigen Studien (in seinem Buch „Das monastische Experiment“ etwa auf den Seiten 252–260, besonders aber in seinem umfassenden Aufsatz aus dem Jahr 2012; siehe Literaturliste) größere Aufmerksamkeit und arbeitet ihre Besonderheiten bzw. Schwerpunktsetzungen heraus. Überlegungen zur Adaptierung von Männer-Regeln für Frauen finden sich in vorliegendem Band im Beitrag von Diem, besonders 208f.

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die ich Michaela Zelzer zum Teil noch darlegen konnte, jedoch ließen ihre Krankheit und ihr Ableben im Mai 2012 eine Diskussion darüber nicht mehr zu. Im Folgenden sollen daher einige dieser mir aus der editorischen Praxis erwachsenen methodischen und inhaltlichen Fragen vorgestellt werden. Vorweg ist auf eine grundlegende ‚Herausforderung‘ bei der Edition der DonatRegel zu verweisen. Dem zu rekonstruierenden Original-Text der Regula Donati muss man sich nämlich von zwei Seiten nähern: Einerseits liegt uns eine Abschrift vor (M, von dem – wie erwähnt – wiederum K eine Abschrift ist), andererseits kennen wir den überlieferten Text von Donats unmittelbaren Quellen nur in mittelalterlichen Codices (geschrieben nach Donat). Bei der Edition sind daher sowohl die direkten Zeugen der Regula Donati (M und K) als auch die Textzeugen von Donats Quellen ins Auge zu fassen, was zu spannenden Problemen führt, wenn Abweichungen vom uns überlieferten Quellentext festzustellen sind. Dann gilt zu beurteilen, ob der in M überlieferte Text ein bewusstes Abweichen Donats von seinem Quellentext dokumentiert, oder ob in M ein Irrtum des Schreibers oder seiner Vorlage vorliegt. Erschwerend kommt aber hinzu, dass uns die Donat vorgelegene Textform seiner Quellen nicht bekannt ist: Es kann sein, dass Donat ‚Fehler‘ aus seiner Quelle übernommen hat, und es kann mitunter sogar der Fall eintreten, dass Donat eine korrekte Lesart seiner Quelle repräsentiert, die allerdings in den heute erhaltenen Handschriften der jeweiligen Quelle verdorben und somit nicht mehr bezeugt ist. Wo es sich um inhaltliche Abweichungen handelt, ist dies manchmal klarer zu entscheiden, weil Donat freilich durch bewusste Auslassung oder Umformulierungen neue Schwerpunkte gesetzt haben kann. Wenn es aber gilt, syntaktische Abweichungen und damit verbunden Donats Stil oder ‚Sprachempfinden‘ (in allen möglichen Facetten) zu beurteilen, wird die Angelegenheit etwas schwieriger: Was kann mit einem gewissen Maß an Sicherheit als authentischer Text des Donat, von dem uns keine weiteren Werke bekannt sind, die für einen Stil-Vergleich herangezogen werden könnten, präsentiert werden, und wie kann umgekehrt eine kritische TextEdition klar aufzeigen, dass sie an einigen Stellen mit Unsicherheiten kämpft? Kann, darf, soll oder muss man annehmen, dass ein Autor, der eine Regula aus Quellentexten dreier in ihrem Stilempfinden unterschiedlich schreibender Autoren mehr oder weniger wörtlich schöpft, beispielsweise syntaktische Phänomene (etwa Infinitiv-Konstruktionen) nach eigenem Empfinden stets vereinheitlicht oder diese je nach dem ihm vorliegenden Quellentext übernimmt? Ist die Tatsache, dass Donat im nicht mehr strikt nach der klassischen Schulgrammatik ‚sprechenden‘ 7. Jahrhundert schrieb, ein Freibrief, alle überlieferten Sonderformen und in modernen Grammatiken für Spätantike/frühes Mittelalter nur irgendwie bezeugten Sonderkonstruktionen als für Donats Stil nicht ausschließbar zu postulieren und daher in den Text zu setzen (der Maxime folgend: Es kann nicht bewiesen werden, dass er es n i c h t in dieser Weise gesagt haben könnte), oder ist eher anzunehmen, dass auch Donat sein Latein weitgehend an den Maßstäben ‚klassischer‘ Grammatik orientierte, weshalb ‚Verstöße‘ dagegen – vor allem dann, wenn sie in den Quellentexten

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zumindest in einem Überlieferungsstrang, den Donat benutzt haben könnte, in sprachlich ‚besserem‘ Latein vorliegen – auch für Donat zu ‚korrigieren‘ sind? 8 Donats Original-Text zu rekonstruieren ist daher ein heikles Unterfangen, und an vielen Stellen muss der Ehrlichkeit halber dem Benutzer der Edition ein gewisses Maß an Unsicherheit angezeigt werden. Die Tatsache, dass uns Donats Quellen bekannt sind (wenn auch – wie gesagt – wohl nicht durchgehend exakt in jenem Wortlaut, der Donat vorgelegen sein wird), kann bei Textentscheidungen durchaus helfen, jedoch umgekehrt auch in die Irre führen. Andererseits vermissen wir an einigen (wenigen) Stellen, an denen Donat weitgehend unabhängig von seinen Quellen formuliert, Informationen, die sonst Donats Quellen bieten. Ein solches inhaltlich-editorisches Problemfeld möchte ich im Folgenden vorstellen, das sich in Kapitel 64 (75)9 findet:10

1 Donats Liturgie-Kapitel (Donat. 64 [75]) In diesem Kapitel handelt Donat von der liturgischen Ordnung, die er dem FrauenKloster vorgibt. Der Text scheint entweder korrupt zu sein, oder man muss annehmen, dass Donat selbst gewisse Unachtsamkeiten unterlaufen sind. Donats Anweisungen für die Liturgie lauten folgendermaßen (zum Text werden hier nur die wesentlichsten textkritischen Varianten im Apparat angezeigt; der Apparat gibt die erwähnten Siglen M für den Codex München, Clm 28118, und K für dessen heute in Köln befindliche Abschrift an, h für die Edition durch Lukas Holstenius, p jene

|| 8 Michaela Zelzers Texterstellung beruhte eher auf der Ansicht, dass Donat an der klassischen Grammatik orientiertes Latein schrieb, was zu einigen Korrekturen in jene Richtung führte; oft handelte es sich um Varianten, die durch den im 17. Jh. lebenden Lukas Holstenius in den DonatText gelangten (also neuzeitliche ‚Korrekturen‘ darstellen, die vielleicht allein daraus resultieren, dass Donat vermeintlich ‚unkorrekte‘ Konstruktionen nicht ‚zugetraut‘ wurden). 9 Sämtliche Kapitel-Angaben zu Donat beziehen sich auf die von Michaela Zelzer vorgenommene Nummerierung. Sie stellte im Zuge ihrer zuvor schon erwähnten Restituierung des Capitula-Index fest, dass die bisher als Kapitel 37–48 gezählten Abschnitte (die zwölf Demutsstufen umfassend) von Donat als großes zusammengehöriges Kapitel konzipiert sind, und aus diesem Grund weicht ab Kapitel 37 die Zählung von jener der früheren Editionen ab. In vorliegendem Beitrag sind daher in Klammer die Kapitel-Nummern der bisherigen Editionen angegeben. Da allerdings der gesamte folgende Abschnitt zur Gänze über Kapitel 64 (nach alter Zählung: 75) handelt, wird bei Nennung von Kapitel 64 auf eine durchgehend doppelte Ausweisung der Kapitel-Nummern verzichtet. 10 Die Probleme des Kapitels und meine hier vorzustellenden Überlegungen dazu habe ich Michaela Zelzer in einem Brief skizziert und ihrem Mann Klaus Zelzer zur Übermittlung übergeben, jedoch kam es nicht mehr zu einem Gespräch über diese Frage. Michaela Zelzer hat allerdings ihren Mann mit den ihr brieflich vorgestellten Fragen zu diesem Kapitel konfrontiert, woraufhin er – ohne meine Überlegungen gelesen zu haben – sich mit dem Kapitel befasste und Ausführungen dazu publizieren möchte.

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durch Ingrid Prischl und v jene durch Adalbert de Vogüé; edd. meint alle bisherigen Editionen, codd. beide Handschriften): 1 De sinaxi id est de cursu psalmorum et

orationum modo canonico iuxta normam regulae nostrae quaedam in breve sunt distinguenda: 2 Ab octavo kalendas octobris crescit cursus usque ad summum eius viginti quinque choris, 3 quas tota hieme, quae a kalendis novembris incipit et finit in kalendis februarii, cantandas in nocturnis vigiliis per noctem sabbati et dominicae patres nostri sanxerunt. 4 Duodecim vero chorae in hieme omni nocte cantandae sunt usque ad VIII kalendas aprilis 5 et post hiemem quindecim chorae in sanctis martyrum vigiliis. 6 Et sicut crescit ita etiam decrescit quinque choris, 7 quod in primo sabbato quinque chorae augendae sunt, ut sint viginti; per alium autem sabbatum una chora augenda est usque kalendas novembris, usque totus cursus compleatur, id est viginti quinque chorae psalmorum. 8 Qui per tres menses hiemis numerus complendus est in duabus supradictis noctibus et post hos decrescit per sabbatum: 9 primo sabbato quinque chorae et singula〈e〉 per alterna sabbata, quia longius spatium est *a fine hiemis usque ad aequinoctium veris in cursu decrescendo quam crescendo, 10 ideo per alterna sabbata singulae decidant chorae usque VIII kalendas aprilis. 11 Duodecim namque chorae tempore aestatis in *sanctarum noctium cursu, id est sabbati et dominicae, cantandae sunt. 12 Octo vero semper reliquis noctibus de aequinoctio in aequinoctium cantandae sunt, id est per sex menses. 13 De aequinoctio veris in aequinoctium autumni viginti quattuor psalmi canendi sunt.

1 sinaxin M K || 5 post] per delib. C. Weidmann || 7 quae M (pc.) K h p || 9 singulae corr. M. Zelzer, singula codd. et edd. priores | a fine C. Weidmann, ad finem codd. et edd. priores || 11 sanctarum edd., sanctorum codd.

Donat legt dar, wie viele Psalmen bei den Vigil-Feiern gesungen werden sollen. Er folgt inhaltlich zwar erkennbar einer seiner drei Hauptquellen, nämlich Columban, Regula monachorum 7,11 formuliert jedoch ab 64,2 entgegen seinen sonstigen Gepflogenheiten sehr frei und gruppiert seine Instruktionen deutlich von der Vorlage abweichend. Für die folgenden Ausführungen ist es wichtig, sich vor Augen zu halten, dass er (in inhaltlicher Analogie zu Columban) zwischen den Vigil-Feiern der

|| 11 SEEBASS, Über Columba, 14f., äußert die Vermutung, dass dieses Kapitel nicht ursprünglicher Bestandteil der Columban-Regel war, sondern dass Columban es zu Beginn des 7. Jh. hinzufügte, als „der Dissensus des schottischen Psalmenkurses von dem in Gallien gebräuchlichen sich fühlbar gemacht“ habe (14); worin dieser Dissensus bestanden haben könnte, wird nicht gesagt. Auffällig ist (so ebenfalls bereits SEEBASS, Über Columba, 11), dass das 7. Kapitel in einigen Handschriften der Regula monachorum überhaupt fehlt. In der Donat vorliegenden Fassung der Regula Columbans dürfte es enthalten gewesen sein, was inhaltliche Anlehnungen, aber auch der nahezu wörtliche Anklang in 64,1 nahelegen.

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Winter- und der Sommermonate und innerhalb dieser wiederum zwischen jenen an Wochentagen einerseits sowie an Samstagen und Sonntagen andererseits unterscheidet und darlegt, dass die Anzahl der jeweils vorgesehenen Psalmen variiert. Darin knüpft Donat inhaltlich an Columban an, der folgende Unterscheidung getroffen und folgende Zahl an chorae (die Abfolge von je drei Psalmen) festgelegt hat:12

WOCHENTAGE: SAMSTAG/SONNTAG:

WINTER: 12 chorae (= 36 Psalmen) 25 chorae (= 75 Psalmen)

SOMMER: 8 chorae (= 24 Psalmen) 12 chorae (= 36 Psalmen)

Eben diese Zahlen finden sich auch bei Donat angegeben, der mit den Gepflogenheiten der Columban-Klöster vertraut war:    

chorae an Wochentagen im Winter: 12 (64,4 duodecim vero chorae in hieme omni nocte cantandae sunt usque ad VIII kalendas aprilis) an Samstagen und Sonntagen im Winter: 25 (64,7 … totus cursus compleatur, id est viginti quinque chorae psalmorum) an Wochentagen im Sommer: 8 (64,12 octo vero semper reliquis noctibus de aequinoctio in aequinoctium cantandae sunt) an Samstagen und Sonntagen im Sommer: 12 (64,11 duodecim namque chorae tempore aestatis in sanctarum noctium cursu, id est sabbati et dominicae, cantandae sunt)

Bis hierher sind noch keine Schwierigkeiten zu erkennen, jedoch werfen folgende Ungereimtheiten nicht nur inhaltliche, sondern auch editorische Probleme auf. Die Problematik dieses Kapitels ergibt sich nämlich, wenn man jeweils die Übergangs-

|| 12 Der Anfang des 7. Kapitels von Columbas Regula monachorum (p. 128/130, ed. Walker) lautet: De synaxi vero, id est de cursu psalmorum et orationum modo canonico quaedam sunt distinguenda, quia varie a diversis memoriae de eo traditum est. Ideo iuxta vitae qualitatem ac temporum successionem varie a me quoque litteris idem insinuetur. Non enim uniformis esse debet pro reciproca temporum alternatione; longior enim per longas noctes, breviorque per breves esse convenit. Inde et cum senioribus nostris ab VIII Kalendas Iulii cum noctis augmento sensim incipit crescere cursus a XII choris brevissimi modi in nocte sabbati sive dominicae usque ad initium hiemis, id est Kalendas Novembris. In quibus XXV canunt antifonas psalmorum [eiusdem numeri duplicis], qui semper tertio loco duobus succedunt psallitis, ita ut totum psalterii inter duas supradictas noctes numerum cantent, duodecim choris ceteras temperantes tota hieme noctes. Qua finita per ver sensim per singulas ebdomadas terni semper decedunt psalmi, ut XII in sanctis noctibus tantum antifonae remaneant, id est cottidiani hiemalis XXXVI psalmi cursus, XXIIII autem per totum ver et aestatem et usque ad autumnale aequinoctium, id est octavo Kalendas Octobris. In quo similitudo synaxeos est sicut in vernali aequinoctio, id est in VIII Kalendas Aprilis, dum per reciprocas vices paulatim et crescit et decrescit.

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zeit zwischen Sommer und Winter betrachtet:13 Die Zahl der chorae an Samstagen und Sonntagen zwischen Sommer und Winter soll nämlich nicht sprunghaft vergrößert bzw. reduziert, sondern in einigen Wochen der Übergangszeit nach bestimmten Vorgaben sukzessive vermehrt bzw. vermindert werden (ein solches Vorgehen schreibt auch Columban vor, z. B. dass ab dem 24. J u n i die Zahl der Psalmen für Samstage und Sonntage kontinuierlich anwachsen soll). Diese Übergangszeit und die Anzahl der in ihr auszuführenden Psalmen beschreibt Donat in Kapitel 64,2 sowie 64,6–10. In Kapitel 64,2 (ab octavo kalendas octobris crescit cursus usque ad summum eius viginti quinque choris) wird ausgesagt, dass die chorae ab dem 24. S e p t e m b er (nicht Juni wie bei Columban!)14 zu ihrer vollen Zahl (nämlich 25) anwachsen, und ab Kapitel 64,6 finden sich nähere Informationen zur ‚Vorgehensweise‘: Der Abschnitt teilt mit, dass der Cursus im Frühjahr um fünf chorae vermindert wird, und zwar analog zu seiner Vemehrung im Herbst um fünf chorae (64,6). Diese Vermehrung der chorae wird in 64,7 klarer ausgeführt: Am ersten Samstag (also jenem rund um den 24. September) werden fünf Chöre hinzugefügt, damit es – wie Donat sagt – 20 sind; und damit gibt Donat indirekt an, dass er vorher, also im Sommer, von einer Zahl von 15 chorae ausgeht. Dies stellt jedoch einen Widerspruch zu der konkreten (und zu Columban analogen) Zahlenangabe in 64,11 dar, nämlich dass 12 chorae für das Sommerhalbjahr vorgesehen sind. Es ergibt sich also die Diskrepanz zwischen der in 64,11 genannten Zahl „zwölf“ und der aus Donats Angaben errechneten Zahl „fünfzehn“. Donat sagt nirgendwo, wie es von den 12 chorae des Sommers zu 15, die vor dem 24. September zu errechnen sind (vgl. 64,6/7), kommen könnte. Ist hier also Donat selbst eine Ungenauigkeit passiert? Und wenn ja, welcher Art?15 Ist davon auszugehen, dass Informationen bzw. einzelne Satzteile fehlen, || 13 Darauf, dass hier eine Diskrepanz besteht, weist kurz in einer Fußnote bereits MUSCHIOL, Famula Dei, 117 Anm. 216, ohne sich dem Problem allerdings ausführlicher zu widmen, hin: „Beim Wachsen des cursus zählt Donatus für den ersten Samstag fünf chorae hinzu und erhält zwanzig. Dann kann er aber nicht von ursprünglich zwölf chorae ausgegangen sein, sondern muß zu irgendeinem Zeitpunkt bereits drei chorae addiert haben. Bei der Abnahme des cursus zum Sommer hin gibt es diese „Rechenprobleme“ nicht.“ Dass das ‚Rechenproblem‘ allerdings auch bei der Abnahme besteht bzw. zu berücksichtigen ist, wird das Folgende zeigen. 14 SEEBASS, Über Columba, 30, überlegt (ohne auf das im Folgenden oben ausgeführte ,Rechenproblem‘ einzugehen), ob bei Donat die Zunahme nicht erst mit VIII Kal. Oct., sondern VIII Kal. Jul. anzusetzen wäre. Paläographisch ließe sich diese Versehen allerdings nicht ganz einfach erklären, denn eine optische oder akustische Verwechslung von Oct. und Jul. bzw. eine optische von VII und X ist nicht unmittelbar naheliegend. 15 Columban (zum Wortlaut seiner Regel vgl. o. Anm. 12) legt folgende Ordnung für die Zeiten zwischen Sommer und Winter fest (vgl. für das Folgende auch die Darstellung bei DE VOGÜÉ, Saint Colomban, 22 Anm. 3): nach dem Winter (25 chorae) ab Anfang Februar eine Reduktion um eine chora pro Woche bis zum 30. April, 1. Mai bis 23. Juni (= Sommer): 12 chorae, von 24. Juni bis 31. Oktober: sukzessives Anwachsen der Zahl bis zum 1. November (Winter = 25 chorae). Es ist also nicht klar zu ersehen, wie viele chorae bei Columban rund um den von Donat gewählten Stichtag des Anwachsens (24. September) auszuführen waren; jedenfalls bereits mehr als 12.

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sind also vielleicht Hinweise ausgefallen, dass zwischen 24. Juni (vgl. Columban) und 24. September (pro Monat?) eine chora hinzukommt, so dass es ein langsames Anwachsen von 12 zu 15 gibt? Antworten auf diese Fragen sind freilich spekulativ. Als Editor jedoch steht man vor dem Problem, wie bei der Rekonstruktion des Original-Wortlautes zu verfahren ist. Blicken wir noch ein wenig genauer auf das Problem. Versucht man, die Angaben Donats (64,7–9) zum Anwachsen bzw. Abnehmen der Zahl der chorae nachzuvollziehen, kommt man zu Folgendem: Nachdem im Herbst am ersten Samstag fünf chorae addiert werden, damit es 20 sind, wird jeden weiteren Samstag jeweils eine chora hinzugefügt, so dass es ab dem 1. November 25 sind, die (64,8) den gesamten Winter hindurch an Samstagen und Sonntag auszuführen sind. Man rechnet also vom 24. September (= „erster Samstag“, der das Winterhalbjahr einleitet, so 64,2) ausgehend; es ergibt sich unter der Annahme, der 24. September sei ein Samstag, folgende Ordnung: 24. September: 20 chorae (das sind die ‚errechneten‘ 15 plus jene 5, die an jenem ersten Samstag dazukommen [64,7]). Jeden weiteren Samstag bis zum 1. November wird eine weitere chora hinzugefügt, also: 1. Oktober: 21; 8. Oktober: 22; 15. Oktober: 23; 22. Oktober: 24 und ab 29. Oktober: 25. Somit werden spätestens ab dem 1. November exakt 25 chorae ausgeführt, wie sie für den Winter als Gesamtzahl angegeben sind. N a c h dem Winter nimmt der Cursus wieder ab. Diese Abnahme im Frühjahr wird analog zur Zunahme im Herbst beschrieben (64,9), und man kann unter der Annahme, dass an jedem Samstag eine chora weniger auszuführen sei, theoretisch die Zahl 12 erreichen: Nimmt man an, dass der 2. Februar (= Ende der drei Wintermonate, vgl. 64,3) der erste Samstag wäre, erhält man bei wochenweiser Abnahme folgende Zahlen: 2. Februar: 20 chorae (= 25 des Winters minus 5); 9. Februar: 19; 16. Februar: 18; 23. Februar: 17; 2. März: 16; 9. März: 15; 16. März: 14; 23. März: 13; an den Samstagen nach dem 25. März: 12. An diesem Punkt aber scheint ein (sprachliches) Detail beachtenswert: Im Frühjahr beansprucht die Abnahme der Zahl der chorae einen etwas längeren Zeitraum als im Herbst für die Zunahme, was Donat selbst in 64,9 auch zur Sprache bringt mit den Worten quia longius spatium est a fine hiemis usque ad aequinoctium veris in cursu decrescendo quam crescendo. Auffällig ist weiters, dass Donat bei der Ergänzung der chorae im Herbst von einer Zunahme per alium sabbatum (64,7), also „jeden Samstag“, spricht, im Frühjahr allerdings bei der Abnahme zweimal die Angabe per a l t e r n a sabbata verwendet (64,9 und 10: primo sabbato quinque chorae et singula〈e〉 per a l t e r n a sabbata, quia longius spatium est a fine hiemis usque ad aequinoctium veris in cursu decrescendo quam crescendo, 10 ideo per a l t e r n a sabbata singulae decidant chorae usque VIII kalendas aprilis). Warum die Änderung von alium zu alterna? Meint Donat, dass im Frühjahr langsamer, nämlich an jedem zweiten Samstag, zu reduzieren sei? (Was würde Donat in 64,9 mit quia longius spatium est a fine hiemis usque ad aequinoctium veris in cursu decrescendo quam crescendo begründen, wenn nicht aufgrund des ein bisschen längeren Zeitraumes ein etwas langsameres Abnehmen der Zahl

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der chorae bzw. was wäre der Gegensatz zum Herbst, der eine zusätzliche Erklärung notwendig macht?16) Wird an jedem zweiten Samstag eine Reduktion um eine chora vorgenommen, ergibt das ungefähr folgende Aufteilung, abermals unter der Annahme, der 2. Februar sei der erste Samstag: 2. Februar: 20 chorae (= 25 chorae im Winter minus die genannten 5); 9. und 16. Februar: 19; 23. Februar und 2. März: 18; 9. und 16. März: 17; 23. März (allerdings nur e i n Samstag!): 16; ab 25. März könnten sich rechnerisch 15 chorae ergeben, womit man also wieder bei der Zahl 15 angelangt ist, die für Donat – zumindest was der für ihn überlieferte Textbestand in 64,7 lehrt – im September vor dem Beginn des Winterhalbjahres Ausgangspunkt gewesen sein muss. Für die Erstellung des Textes ergibt sich also umso deutlicher die Frage, welche Zahlen Donat meinte, und wie dem Benutzer der Edition das im Liturgie-Kapitel anzutreffende Problem am besten anzuzeigen ist. Eine Änderung der absoluten Zahl der chorae für die Sommermonate von XII zu XV in 64,11 würde zwar einen textkritisch/paläographisch nicht allzu großen Eingriff in den überlieferten Text darstellen und das ‚Rechenproblem‘ sozusagen beheben – jedoch wäre es eine inhaltlich (für monastische bzw. liturgiewissenschaftliche Forschung) größere Änderung. Gibt es Anhaltspunkte, dass im fränkischen Raum mehr Psalmen üblich waren, gab es vielleicht eine vom Irisch-Columbanischen abweichende Tradition, die Donat hier mit columbanischen Vorschriften ‚verwoben‘ hat? Zudem bereitet 64,4f. (duodecim vero chorae in hieme omni nocte cantandae sunt usque ad VIII kalendas aprilis 5 et post hiemem quindecim chorae in sanctis martyrum vigiliis) ein gewisses Problem: Die Angabe zu den Märtyrer-Vigilien (64,5) steht – obwohl sie den Sommer betrifft – mitten unter Angaben zum Winterhalbjahr,17 hat kein Pendant im Winterhalbjahr und ist im Vorbildtext (Columban) nicht zu finden; hinzu kommt, dass ausgerechnet hier die Zahl quindecim genannt wird, die im Folgenden (64,6f.) Ausgangspunkt für die Berechnung der Zunahme der chorae ab dem 24. September ist. Ist damit ein wie auch immer gearteter Irrtum begründet? Ferner: Fragt man, warum die Zahl der Märtyrer-Vigilien kein Pendant im Winterhalbjahr hat, müsste man annehmen, dass sie dort mit einer der Zahlen (Wochenenden oder Wochentage) konform geht, dass dagegen für den Sommer explizit erwähnt werden müsste, dass es eine andere Zahl als an Wochenenden oder Wochentagen ist. Für den Winter also wahrscheinlich jene 25 der Wochenenden18 (es ist wohl nicht anzunehmen, dass im Winter 12 chorae

|| 16 Derart scheint auch SEEBASS, Über Columba, 32, diese Worte zu verstehen: „die letztere schreitet, der höheren Wochenzahl gemäss, langsamer vor als die erstere“, ohne jedoch das Zahlen-Problem zu beleuchten. 17 Clemens Weidmann hat daher den Vorschlag gemacht, statt post die Präposition per zu setzen, also statt „nach dem Winter“ per hiemem, somit: „den Winter hindurch“. 18 So schon SEEBASS, Über Columba, 32: „Donat bestimmt nur kurzgefasst, dass diejenigen Märtyrervigilien, welche in die Zeit vom 25. März bis 24. Septbr. fallen, 15, die der Winterszeit aber (Novbr., Dezbr., Jan.) 25 Chorlieder aufweisen sollen.“

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an den Märtyrer-Vigilien auszuführen wären und damit weniger als in den kürzeren Nächten des Sommers), für den Sommer die explizit genannten 15. Warum jedoch müsste dies ausdrücklich, noch dazu an einer in den Kontext kaum passenden Stelle erwähnt werden, wenn im Sommer ohnehin auch 15 chorae an den Wochenenden vorgeschrieben wären (womit die genannte Zahl der Märtyrer-Vigilien vielleicht indirekt ein Hinweis wäre, dass für den Sommer doch 12 chorae korrekt sind?)? Da die Information zu den Märtyrer-Vigilien isoliert und sozusagen im ‚falschen‘ Halbjahr platziert ist, stellt sich die Frage, ob, etwa an der Grenze zwischen 64,4 und 64,5, ein Bruch vorliegt, an dem möglicherweise weitere Informationen ausgefallen sind, die vielleicht nicht alleine die Märtyrer-Vigilien betroffen haben?19 Um damit wieder zur Zahl der chorae in 64,11 zurückzukommen: Zwar sprechen die ‚RechenInformationen‘ und alterna sabbata in 64,9/10 eher für „fünfzehn“ statt „zwölf“, jedoch sind abseits davon einige Unsicherheiten mit Donats Angaben verbunden, und die Analogie der 64,11 genannten Zahl „zwölf“ zu Columban (12 chorae im Sommer) ist ebenso nicht einfach beiseitezuschieben. Hält man aus diesen Gründen an der für Donat überlieferten absoluten Zahl XII fest, muss man den Widerspruch zu 64,6/7 zur Kenntnis nehmen und diesen dem Benutzer der Edition unbedingt klar anzeigen. Dabei ist fraglich, ob sich Donat lediglich unklar ausgedrückt oder gar selbst geirrt hat, oder ob uns Informationen fehlen, oder ob gerade das vorliegende Kapitel möglicherweise mit vielen Abkürzungen (Zahlen- und Monats-Angaben oder Ähnliches betreffend20) versehen in die Überlieferung kam und vielleicht von den Schreibern nicht genau verstanden wurde (auffällig ist doch, dass es sich um eine Passage handelt, die nicht wörtlich auf einem Vorbild beruht und dass daher auch nicht die Möglichkeit bestanden haben kann, dass ein Schreiber den Wortlaut von Donats Quelle kannte und daher in inhaltlichen Details nicht so leicht irren konn-

|| 19 Zur Problematik dieser Stelle und ihrer Kohärenz mit dem Kontext vgl. früher SEEBASS, Über Columba, 32, der sogar vermerkt: „Den dritten und letzten Abschnitt bilden die Bestimmungen über die sommerlichen Matutinen. Nach dem Anfang desselben scheint es fast, als ob jener Passus über die Märtyrervigilien von Donat nicht ursprünglich diesem Kap., wenigstens nicht an der Stelle, wo wir ihn finden, beigegeben sei.“ 20 Ein Versehen die Abkürzung der Monats-Namen betreffend scheint mir in Kapitel 65 (76),6 (a kalendis autem februarii usque ad kalendas novembris secunda, quarta, sexta ieiunandum est) vorzuliegen: aus inhaltlichen Gründen (vgl. dazu die näheren Ausführungen in meiner in Vorbereitung befindlichen Einleitung zur Edition CSEL 98) kann die Nennung des Monats Februar nicht korrekt sein, und es kann nur (wie in Donats Vorlage zu dieser Stelle) der September gemeint sein. Eine paläographische Verwechslung dieser Monatsnamen erscheint zwar nicht naheliegend, blickt man aber auf die Kürzung, nämlich febs. in M, fällt daran das Schluss-s auf, das sonst bei der Kürzung des Monats Februar nicht zu finden ist (gemeint ist ja der Genitiv februarii); bedenkt man weiters, dass anlautendes s- und f- leicht zu verwechseln waren, ist nicht ausgeschlossen anzunehmen, dass septs. (o. Ä.) als Kürzung für septembris vorgelegen sein kann (an anderer Stelle, etwa fol. 190v = Caesarius, reg. virg. 67,2, ist septembris in M als septb gekürzt).

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te21). Wo auch immer der Fehler gelegen sei mag, das Problem 15 gegen 12 für die Zahl der chorae im Sommer besteht. Das Liturgie-Kapitel wirft aber noch mindestens eine weitere Frage auf, nämlich bezüglich 64,13: Im Satz zuvor wird ausgesagt, dass während des Sommerhalbjahres acht chorae (was bekanntlich 24 Psalmen entspricht) zu singen sind, und in Satz 64,13 heißt es nur nochmals, dass im Sommer 24 Psalmen zu singen seien. Nach den recht dichten und bisher stets neue Informationen bringenden Sätzen fällt auf, dass die Information des abschließenden Satzes inhaltlich keinen rechten Neuwert hat, was den Verdacht weckt, es könnte sich um eine Glosse handeln. An keiner Stelle zuvor hat Donat die Angabe der chorae dahingehend erklärt, wie viele Psalmen dabei zur Ausführung kommen, sondern hat stillschweigend zugrundegelegt, dass eine chora drei Psalmen entspricht. Ist die Funktion des letzten Satzes, die Zahl der chorae in Zahl der Psalmen unvermittelt ‚aufzulösen‘ (sozusagen ‚umzurechnen‘)? Mir scheint, dass der Abschnitt 64,12/13 bisher nicht korrekt interpungiert bzw. die Setzung der Gliederungszahl (13) unglücklich vorgenommen wurde. Die Angabe ab id est ergibt problemlos ein Ganzes und könnte einen erklärenden Zusatz darstellen, nämlich: octo vero semper reliquis noctibus de aequinoctio in aequinoctium cantandae sunt, id est: per sex menses 13 de aequinoctio veris in aequinoctium autumni viginti quattuor psalmi canendi sunt. Der gesamte Abschnitt ab id est hat damit erklärende Funktion, indem er den Zeitraum (nämlich sechs Monate von Tag-Nacht-Gleiche des Frühlings bis zur selben des Herbstes) ebenso konkretisiert wie die Zahl der Psalmen. Zwar bleibt auffällig, dass gerade der letzte Satz relativ viele Erklärungen in sich birgt (was den Verdacht aufkommen lassen könnte, dieser Satz stamme von einem Glossator), jedoch scheint die in 13 gegebene Information nicht isoliert gegeben, sondern syntaktisch mit dem Vorhergehenden verknüpft zu sein; die Idee zur ‚Auflösung‘ der chorae in Zahl der Psalmen an dieser Stelle könnte Donat zudem mehr oder weniger direkt von seinem Vorbild, Columban, gewonnen haben, denn auch im 7. Kapitel seiner Regula monachorum wird die Zahl der chorae im Sommerhalbjahr explizit in Psalmen ‚umgerechnet‘ (vgl. das Textzitat oben, Anm. 12).

|| 21 Für den humanistischen Schreiber der Handschrift K, nämlich Arnoldus Losen, meine ich an zumindest einer Stelle zeigen zu können, dass er – ein Augustiner – nicht den Wortlaut seiner Vorlage M für Donats Regel, sondern (unbewusst) den Wortlaut der Augustinus-Regel gesetzt hat. Es handelt sich um 42 (53),4. Die Stelle lautet bei Donat: quaecumque autem … in tantum progressa fuerit, ut occulte litteras ab aliquo … accipiat … . In K findet sich nach fuerit das Wort malum (also: in tantum progressa fuerit malum), und dieses Wort liest man auch in der Quelle Donats, nämlich Caesarius 25, an derselben Stelle. Dass Losen diese Hinzufügung aber nur intuitiv oder entweder unter Rückgriff auf Donats Quelle (Caesarius) oder gar aufgrund der Kenntnis einer anderen DonatHandschrift vorgenommen hat, halte ich nicht für zwingend, wenn man in Betracht zieht, dass für Caesarius (also die Quelle Donats) seinerseits hier Augustinus’ Praeceptum Quelle war. Das Praeceptum kannte wiederum der Augustiner Losen als Ordensregel, und daher mag er einfach dessen Wortlaut im Ohr gehabt und aus diesem Grund das Wort malum an exakt jener Position ergänzt haben.

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2 Regula Donati, Fragment einer Nonnenregel (CPPM II 3637) und Columban Wie eingangs dargelegt, speist sich die Regula Donati über weite Strecken nahezu wörtlich aus Textmaterial der ihr zugrundeliegenden Vorbildtexte, und es ist notwendig, bei der Edition des Donat-Textes die Vorbilder stets klar auszuweisen. Umgekehrt sind selbstverständlich jene wenigen Passagen besonders reizvoll, an denen für Donat k e i n Vorbild festgemacht werden kann – an denen also der Rezipient des Regel-Textes (vermeintlich) ‚echten Donat‘ vor sich hat. An mindestens einer Stelle herrscht darüber allerdings Unklarheit, nämlich bezüglich Kapitel 19,2–5. Adalbert de Vogüé hat in seiner Edition diesen Abschnitt ohne – wie sonst von ihm gegeben – parallel gesetzten Abdruck einer Vorbildstelle präsentiert, was auf den ersten Blick den Eindruck erweckt, als läge ein Stück genuiner Donat-Wortlaut vor.22 In einer Fußnote (p. 263 Anm. 2) verweist er darauf, dass der Text mit jenem eines anonymen Nonnenregel-Fragmentes koinzidiert und nennt Bruno Krusch (der meinte, das Fragment hänge von Donat ab), aber auch den von ihm (de Vogüé) verfassten Lexikon-Artikel zum Nonnenregel-Fragment (zur Forschungsgeschichte siehe hier im Folgenden). Das genannte anonyme Fragment einer Nonnenregel (im Folgenden: NFr) ist wie die Regula Donati allein in M (und dessen Abschrift K) überliefert, und zwar am Ende dieser Handschrift. Über seine Entstehung, seinen Autor oder sein Umfeld ist nichts bekannt. Es ist notwendig, diesen Text und sein Verhältnis zu jenem des Donat im Folgenden näher zu beleuchten: Auch NFr (es beginnt in M, fol. 215, aufgrund von Blattverlust unvollständig) formuliert nicht eigenständig, sondern speist sich in seinem ersten Teil (also jenem Teil,23 dem die im Folgenden zu besprechenden Textstücke entstammen) ausschließlich aus Passagen der Regula coenobialis des Columban, weshalb es als ‚Pseudo-Columban‘ (von einem Schüler Columbans verfasst?) gilt.24 Eine einzige Passage dieses Teils von NFr, nämlich jene, die NFr mit Donat. 19,2–5 gemeinsam hat, lässt sich allerdings in den Handschriften zu Columbans Regula coenobialis nicht finden und somit für Columban nicht nachweisen. Dass die Regula Donati und NFr diese gemeinsame Textpassage aufweisen, hat Otto Seebass bereits 1896 bei seiner Erst-Edition von NFr gesehen, jedoch gingen

|| 22 Auch 1989 nennt DE VOGÜÉ, Saint Colomban, 95 Anm. 5, die betreffende Passage zwar nicht konkret als von Donat verfasst, kennzeichnet sie aber als einen Abschnitt Donats, was Donat indirekt als Autor nahelegt. 23 Was durch SEEBASS, Fragment, als Nonnenregel-Fragment ediert wurde, sind meiner Meinung nach zwei voneinander eigentlich unabhängige Texte, vgl. dazu die Einleitung der in Vorbereitung befindlichen Text-Edition (CSEL 98). Der erste Text ist jener Abschnitt, der sich allein aus Columban-Text speist. 24 Vgl. etwa die Angaben in CPPM II 3637.

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später die Meinungen bezüglich der Bezüge der Texte auseinander: Seebass, meinte, dass Donat aus NFr „oder aus einem Werk, in dem A [sc. NFr] enthalten war, geschöpft [hat], was … nur Columbas Regel gewesen sein kann.“25 Bruno Krusch dagegen sah Donat klar v o r NFr und postulierte, dass umgekehrt NFr Donats eigenen Wortlaut rezipiert habe26 (was sich inhaltlich in einer knappen Aussage der Einleitung zur französischen Übersetzung des anonymen Regel-Fragmentes durch Soeur Lazare de Seilhac und Soeur M. Bernard Saïd auch 1996 noch findet, wo Donats Kapitel 19,2–5 als von Donat selbst formuliert gesehen wird27). Adalbert de Vogüé wiederum schrieb in seinem Lexikon-Artikel zur „Regula Columbani ad virgines“ (damit ist NFr gemeint) von keinem klaren Abhängigkeitsverhältnis und formulierte als Frage, welcher der beiden Forscher (Seebass oder Krusch) Recht habe, wobei er ausdrücklich festhielt, dass die Argumente beider Seiten wenig überzeugend seien.28 2007 vermerkte er in seiner „Histoire littéraire du mouvement monastique“ zur Regula Donati und deren Kapitel 19,2–5 die Frage (Seite 15): „Quel est donc l’emprunteur: Donat de Besançon ou le rédacteur inconnu de ce règlement féminin?“, suggeriert also an dieser Stelle, dass einer der beiden der Verfasser der Worte gewesen sein könnte; später (Seite 25) meint er (gegen Krusch), dass Donats Text nicht NFr vorangegangen sein könne, und schreibt zu der Passage aus Kapitel 19,2–5 (Seite 26f.), dass beide Texte auch auf eine gemeinsame Vorlage zurückgegriffen haben könnten. Er schließt (Seite 30): „… il faut souligner particulièrement la parenté de notre texte [nämlich: NFr] avec celui de Donat. L’un et l’autre reproduisent la Règle conventuelle de Colomban, tantôt sous sa forme primitive, tantôt dans son texte long. De plus, ils insèrent tous deux le même morceau, inconnu par ailleurs, sur la confession du matin. Chez Donat, cette confession de la seconde heure marque la fin du silence nocturne prescrit par Benoît. Dans notre texte anonyme, elle apparaît seulement à propos du changement de vêtements qui se fait aux deux extrémités de la journée. Telle est une des nombreuses informations, difficiles à interpréter, que fournit ce fragment de règle pour des moniales, qui mériterait, ainsi que toute la tradition colombanienne, un examen plus approfondi“, und er verweist auf seine in seinem früheren Artikel bereits formulierten Fragen (hier in Ausschnitten zitiert in Anm. 28). Adalbert de Vogüé zieht also zwar in Erwägung, dass beide Texte für die nur durch sie bezeugte Passage auf eine uns nicht bekannte Vorlage || 25 SEEBASS, Beitrag zur Rekonstruktion, 135; vgl. auch SEEBASS, Über die sogen. Regula coenobialis, 60. 26 Vgl. KRUSCH, Zur Mönchsregel, 150f. 27 SEILHAC – SAÏD, Règles, 275: „… reproduisant un passage propre à la Règle de Donat …“. 28 DE VOGÜÉ, Regula Columbani ad virgines, 1567f.: „La pericope della regola femminile che non ha un parallelo in Colombano … si ritrova in Donato di Besançon (Reg. 19) … La nostra regola ha in proprio soltanto la prima riga (467, 11-2) …“ bzw. 1568 weiter unten: „Rapresenta essa [sc. NFr] … una fase della legislazione colombaniana che sarebbe anteriore alla recensione secondaria del Codex? Oppure … essa non è che un testo tardivo, dipendente non soltanto da Colombano, ma anche da Donato?“

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zurückgreifen und stellt allgemein Bezüge zu Columban her, jedoch gibt auch er für Donat. 19,2–5 keine klare Zuweisung an ein Vorbild. Aus philologischem Blickwinkel soll daher im Folgenden der Frage nach den Zusammenhängen zwischen den Texten nachgegangen und zu klären versucht werden, in welcher Weise zwischen ihnen eine Verbindung besteht. Da beide Nonnenregel-Texte (Donat. und NFr) aus der Regula coenobialis des Columban schöpfen, ist notwendig festzuhalten, dass Columbans Regel nach ihrer Niederschrift nicht unverändert blieb, sondern (nach Columbans Tod) Erweiterungen erfuhr.29 Die Regula coenobialis des Columban liegt uns heute in zwei Fassungen überliefert vor: einer kürzeren (bezeugt durch eine größere Anzahl an Handschriften) und einer längeren, spätere Erweiterungen aufweisenden Form, bezeugt in M (und dessen Abschrift K) sowie im Pariser Codex BN Lat. 4333B;30 dass jedoch eine dieser uns heute bekannten Handschriften der längeren Version exakt jenen Text repräsentiert, der im 7. Jh. Donat bzw. dem Autor von NFr vorgelegen ist (nämlich was den Umfang, also gewissermaßen den Stand der Erweiterungen, aber auch den Wortlaut anbelangt), ist nicht anzunehmen (siehe auch das Folgende). Um Zusammenhänge und Unterschiede der gemeinsamen Textfassungen der drei Regeln herauszuarbeiten, sollen zuerst jene Passagen beleuchtet werden, die in allen d r e i Texten (Columban, Donat, NFr) vorliegen:

2.1 Col. coen. 9, Donat. 33/34 und NFr 1–1231 Dies betrifft zuerst Passagen aus dem 9. Kapitel der Columban-Regel, das sowohl in erweiterter als auch in kürzerer Form überliefert ist. Dass Donat und NFr eine Form von Col. coen. vorgelegen sein muss, in der das 9. Kapitel noch ohne den erweiternden Einschub anzutreffen war, ist aufgrund der Anordnung der aus Columban gewonnenen Passagen klar erkennbar: In den Handschriften zur Columban-Regel ist der erweiternde Einschub nämlich mitten im 9. Kapitel platziert worden (er ist dort in den Textverlauf eingebunden und – wie auch die übrigen Erweiterungen – auch optisch in keiner Weise als Ergänzung erkennbar). Bei Donat jedoch (in seinen Kapi|| 29 Zur Frage nach dem ursprünglichen Bestand der Columban-Regel und ihren Erweiterungen vgl. u. a. DE VOGÜÉ, Regula(e) Columbani, 1611–1614; DE VOGÜÉ, Saint Colomban, 75–115; die Einleitung der Edition durch WALKER, aber auch immer noch SEEBASS, Über Columba. 30 Den Pariser Codex hat Walker für seine Edition der Columban-Regel allerdings nicht gekannt bzw. herangezogen; ein bedauerlicher Mangel, den bereits MUNDÓ, L’edition, 291, hervorhebt. De Vogüé streicht heraus, dass die Handschrift Paris 4333B eine gegenüber dem Münchener Codex ältere Textform präsentiert, vgl. etwa DE VOGÜÉ, Regula(e) Columbani, 1611. Weitere Indizien dafür lassen sich auch bei einem Textvergleich mit NFr finden. 31 Die bisherige Edition von NFr hat keine Zählung eingeführt, weshalb hier der Einfachheit halber jene Zählung der in Vorbereitung befindlichen Edition (CSEL 98) verwendet wird, die sich an der Zählung in der französischen Übersetzung durch SEILHAC – SAÏD, Règles monastiques, orientiert.

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teln 33/34) ebenso wie in NFr (in dessen Abschnitten 1–12) folgt Col. coen. 9 o h n e den erweiternden Einschub als E i n h e i t aufeinander, wie dies auch in der kürzeren Version der Columban-Regel der Fall ist.32 Sowohl Donat als auch besonders NFr kennen allerdings ebenso Abschnitte, die nur in der erweiterten Fassung der Columban-Regel überliefert sind, wenn auch an anderer Stelle; in NFr folgen die erweiternden Abschnitte aus Kapitel 9 der Regula coenobialis unmittelbar n a c h dem ‚ursprünglichen‘ Kapitel 9, was nahelegen könnte, dass NFr in seiner Anordnung eine Zwischenstufe zwischen dem unerweiterten Regel-Text und dem, was uns heute als erweiterter Columban-Text bekannt ist, repräsentiert (was bedeuten würde, dass der Kapitel 9 erweiternde Einschub erst sekundär mitten in Kapitel 9 platziert wurde, wo er in den uns von der längeren Fassung erhaltenen Columban-Handschriften zu finden ist).33 Ein Textvergleich soll Gemeinsamkeiten und Unterschiede der drei Textabschnitte anzeigen (links der Columban-Text nach der Edition durch Walker, dem in Fußnoten die wesentlichsten Abweichungen beigefügt sind, wobei die Angabe versio longior jene durch München Clm 28118 = M und Paris BN Lat. 4333B = P bezeugte meint; in den rechten Spalten der Text von NFr und des Donat, wobei jene Abweichungen gegenüber Columban fett gedruckt sind, die Donat und NFr vorgelegen sein dürften; kursiviert sind individuelle Abweichungen Donats oder des anonymen Autors von NFr):34 Col. coen. 9 p. 154,26–156,2

NFr 4–7

Donat. 34,1–4

Paenitentes fratres et indigentes paenitentia psalmorum – hoc est, cui necesse fuerit ut psalmos adhuc pro visione nocturna decantet, quia pro inlusione diabolica, aut35 pro modo visionis – alii XXX36, alii XXIIII psalmos in ordine, alii XV, alii XII, indigentes paenitentia

Paenitentes sorores et indigentes paenitentia psalmorum, 5 hoc est cui necesse est, ut psalmos pro visione nocturna decantet, quia pro inlusione diabolica pro modo visionis 6 aliae sorores XXIIII psalmos in ordine aliae XV aliae XII indigent paene psalmorum quos

Paenitentes sorores et indigentes paenitentia psalmorum, 2 hoc est quibus necesse est, ut psalmos adhuc pro visione nocturna decantent, quia pro inlusione diabolica ac pro modo visionis 3 viginti sex psalmos in ordine, aliae quindecim, aliae duodecim indigentes paenitentia

4

1

|| 32 Auf dieses Faktum weist bereits SEEBASS, Über Columba, 45, hin; vgl. auch DE VOGÜÉ, Regula Columbani ad virgines, 1567. 33 Dass nach Kapitel 9 der ursprüngliche Platz der Erweiterungen war, schließt auch DE VOGÜÉ, Saint Colomban, 110, aus diesem Befund. Vgl. weiters auch die von DE VOGÜÉ, Regula Columbani ad virgines, 1568 (in inhaltlichem Anschluss an Seebass) formulierte Frage (Zitat oben, Anm. 28). 34 Da ein Vergleich der in Donats Kapitel 33 zu findenden Textpassagen mit den beiden anderen Texten nicht sehr aussagekräftig ist, konzentriert sich das Folgende auf Donats Kapitel 34. 35 Ac nonnulli. 36 Alii XXX om. nonnulli.

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psalmorum, decantare debent; qui37 ergo in nocte dominica et tempore quinquagesimae38 paenitentes genua flectunt39.

cum silentio psallere debent, 7 quamvis ergo in nocte dominica et tempore quinquagesimae38 genu flectant.

psalmos decantare debent, 4 quamvis ergo in nocte dominica et tempore quinquagesimae38 genuflectant.

Col. coen. 9 p. 158,13–21

NFr 8–12

Donat. 34,5–10

In commune autem omnes fratres omnibus diebus ac noctibus tempore orationum in fine omnium psalmorum genua in oratione, si non infirmitas corporis offecerit40, flectere aequo animo debent, sub silentio dicentes: Deus in adiutorium meum intende, domine ad adiuvandum me festina. Quem versiculum postquam ter in oratione tacite decantaverint, aequaliter a flexione orationis surgant, excepto diebus dominicis et a prima die sancti paschae41 usque ad quinquagesimam42 diem, in quibus moderate se in tempore psalmodiae humiliantes, genua non flectentes, sedule43 dominum orent.

8 In commune autem omnes sorores omnibus diebus ac noctibus tempore orationum in fine omnium psalmorum genua ad orationem si non infirmitas corporis nocuerit flectere debent aequo moderamine 9 sub silentio dicentes: Deus, in adiutorium meum intende, domine ad adiuvandum me festina. 10 Quem versiculum postquam ter in oratione tacite decantaverint, aequaliter a curvatione orationis surgant 11 excepto diebus dominicis et a primo die sancto paschae usque ad quinquagesimum diem 12 tantum moderate se in tempore psalmodii humiliantes genua non flectant.

5 In commune autem omnes sorores omnibus diebus ac noctibus tempore orationum in fine omnium psalmorum genua ad orationem, 6 si non infirmitas corporis offecerit, flectere aequo moderamine debent 7 sub silentio dicentes: Deus in adiutorium meum intende, domine ad adiuvandum me festina. 8 Quem versiculum postquam in oratione tacite decantaverint, aequaliter a flexu orationis surgant, 9 excepto diebus dominicis et a prima die sancti paschae41 usque ad quinquagesimum diem, 10 in quo moderate tempore psalmodii humiliantes, genua non flectentes.

Der Vergleich zeigt klar, dass weder Donat direkt aus NFr geschöpft hat noch umgekehrt. Adalbert de Vogüé hat bereits korrekt festgehalten, dass das Fehlen des Wor-

|| 37 Quamvis codd. versionis longioris. 38 Quinquagesimi codd. versionis longioris; auch für NFr und Donat ist die Form quinquagesimi überliefert. 39 Flectant codd. versionis longioris. 40 Hoc fecerit codd. versionis brevioris. 41 Columban u. a.: a prima die sancto paschae codd. nonnulli, a die primo sancti paschae M; a die primum sanctum paschae P. Für Donat ist in M überliefert: a prima die sanctum paschae. 42 Quinquagesimum codd. nonnulli. 43 Sed sedule codd.

Editorische Fragestellungen zur Regula Donati | 241

tes ter bei Donat (34,8) ein Hinweis ist, dass NFr (es hat ebenso wie Columban ter) nicht aus Donat geschöpft hat.44 Als ein weiteres sprachliches Indiz dafür, dass NFr nicht den Donat-Text ‚verwertet‘ hat, möchte ich hinzufügen, dass NFr wie die Columban-Regel in 5 cui … decantet liest (obwohl zuvor der Plural steht) und nicht wie Donat quibus … decantent; hätte der Verfasser von NFr den (gewissermaßen logischeren) Plural, wie ihn Donat setzt, vorgefunden, wäre kaum erklärbar, warum er trotzdem zum Singular cui … decantet gewechselt hätte, wenn dies nicht aus der Vorlage (= Columban) stammen würde. Im zweiten Abschnitt kennt NFr se in (= Columban), was bei Donat fehlt. – Umgekehrt lässt sich aber ebenso klar erkennen, dass auch Donat nicht aus NFr geschöpft, sondern seine Textform aus Columban bezogen hat: Donat kennt Columbans adhuc (Donat. 34,2) und indigentes paenitentia … decantare (34,3), was in NFr (5 bzw. 6) ausgelassen bzw. umformuliert ist und damit anders ponderiert erscheint; ferner zeigen im zweiten Teil (Donat. 34,6) die mit der Columban-Regel übereinstimmende Lesart offecerit gegenüber nocuerit (NFr 8) und die größere Nähe von flexu (Donat. 34,8) zu Columbans flexione gegenüber curvatione (NFr 10), dass Donat NFr keinesfalls als Quelle benutzt hat. Die Indizien sprechen somit zwar evident dagegen, dass die beiden Nonnenregel-Texte voneinander direkt abhängen, jedoch sei ergänzend bemerkt, dass NFr und die Regula Donati in ihrer Textform enger verbunden erscheinen: Beide lassen im ersten Teil am Ende das Wort paenitentes vor genuflectant aus und übernehmen zu Ende des zweiten Teiles nicht die Worte sed sedule dominum orent; beide Texte sind ferner durch die gemeinsame Lesart moderamine (NFr 8 bzw. Donat. 34,6) statt animo (Columban) im zweiten Teil klar verbunden (ebenso, wenn auch schwächer in seiner Aussagekraft, durch ad orationem [NFr 8 bzw. Donat. 34,5] gegenüber Columbans in oratione). Daraus lässt sich folgern, dass beide Nonnenregel-Texte unabhängig voneinander auf eine uns nicht erhaltene Textform der Columban-Regel zurückgehen.

|| 44 DE VOGÜÉ, Histoire, 25: „… ce n’est pas la Règle de Donat qui a précédé notre texte, comme le pensait Krusch, mais plutôt l’inverse, selon la thèse de Seebass“. Dies darf aber nicht derart verstanden werden, dass Donat von NFr anbhängig sein müsste, denn beide Texte können von einer gemeinsamen Vorlage abhängen (was de Vogüé vielleicht mit seinem danach folgenden Satz mitanklingen lassen möchte: „… la Règle colombanienne féminine s’avère, au moins sur ce point, plus proche de Colomban que celle de Donat“). – Es kann theoretisch zwar nicht ausgeschlossen werden, dass beispielsweise ter in Donats Text ursprünglich vorhanden war und erst in der handschriftlichen Überlieferung verlorengegangen ist; da ter aber (wie im Folgenden zu sehen ist) nicht der einzige beide Textformen ‚trennende‘ Punkt ist, ist wenig plausibel anzunehmen, dass hier ein punktueller Fehler passiert sein müsse (nämlich dass in der Donat-Überlieferung ter ausgefallen wäre) und daher bei Donat eine Korrektur vorzunehmen wäre. Ein solcher konjekturaler, also bei Donat ter ergänzender, Eingriff müsste dann vorgenommen werden, wenn es einen Beweis gäbe, dass Donat ohne jeden Zweifel die Quelle für NFr war. Da man dies aber nicht beweisen kann, würde jegliche Angleichung des Wortlautes den Blick für die Charakteristika der Texte verstellen und einen Zirkelschluss ergeben.

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2.2 Col. coen. 15, Donat. 64 (75),14–1645 und NFr 37–39 Die zweite Passage, an der sich die drei Texte in ihrem Wortlaut treffen, ist ein Abschnitt aus Col. coen. 15, Donat. 64,14–16 und NFr 37–39. Im Gegensatz zur zuvor beleuchteten Stelle handelt es sich allerdings um Worte, die nur in jenen ColumbanHandschriften anzutreffen ist, in denen die erweiterte Columban-Regel vorliegt (also n u r in M [sowie dessen Abschrift K] und P).46 An dieser Stelle ist besonders wichtig, die Textform der Columban-Regel zu betrachten, wie sie im von Walker für seine Edition nicht herangezogenen Codex Paris BN Lat. 4333B vorzufinden ist, weil diese Handschrift eine den beiden Nonnenregel-Texten näher verwandte Textform präsentiert als M. Im Folgenden sei daher der Text der Pariser Handschrift (linke Spalte) als Textzeuge für die Columban-Regel gewählt (nicht jener durch Walker edierte), dem in Fußnoten die Abweichungen in M beigefügt sind. In den rechten Spalten finden sich abermals die Textformen von NFr und Donat (auf der Basis von M, Abweichungen sind in Apparaten angegeben; Kennzeichnungen durch Fettdruck und Kursivierungen wie zuvor):

5

10

15

Col. coen. 15 p. 168,4–10 (sec. Paris BN Lat. 4333B)

NFr 37–39

Donat. 64,14–16

In omni loco et opere silentii regula magnopere custodire censetur, et omne quantum valuerit humana fragilitas, quae prono ad vitia praecipitare solet cursu oris, mundemus vitio, aedificationemque potius proximorum, pro quos salvator noster Iesus sanctum effudit sanguinem, quam delacerationem absentium in pectore conceptam et otiosa passim verba, de quibus iusto sumus ra-

In omni loco et opere silentii regula magnopere custodire censetur, 38 ut omne quantum valuerit humana fragilitas, quae prono ad vitia praecipitari solet cursu oris mundemur vitio, 39 aedificationemque proximorum sive proximarum pro quibus salvator noster Iesus suum sacrum effudit sanguinem, quam dilacerationem *absentium in pectore conceptam et quae otiosa passim verba ore promamus.

In omni loco et opere silentii regula magnopere custodire censetur, 15 ut omne quantum valuerit humana fragilitas, quae ad vitia praecipitare solet cursu oris, mundemur vitio 16 *aedificationemque potius proximorum sive proximarum, pro quibus salvator noster Iesus sanctum effudit sanguinem, *quam dilacerationem absentium in pectore concepta〈m〉 et quam otiosa passim verba ore proma-

37

14

|| 45 Im Folgenden meint die Angabe Donat. Kapitel 64 stets nach alter Zählung Kapitel 75. 46 Die Stelle gehört also nicht zu jenen Abschnitten der Columban-Regel, die in der kürzeren Regel-Version überliefert sind und daher eher als ‚ursprüngliche‘ Fassung Columbans gelten. SEEBASS, Über Columba, 54, hielt diese Passage dennoch nicht für eine spätere Erweiterung, sondern für den ursprünglichen Schluss der Regula coenobialis. Ob diese Einschätzung zutrifft oder nicht, ist hier nicht zu entscheiden. Vgl. auch unten, Anm. 65.

Editorische Fragestellungen zur Regula Donati | 243

tionem retributori reddituri, ore promamus.

De quibus iusto sumus retributori rationem reddituri.

mus, de quibus *iusto sumus *retributori rationem reddituri.

3 custodiri M || 6 prona ad vitia unde M | praecipitari P (pc.) M || 7 cursu oris om. M || 11 quo M || 18 retributori (tributori) loco posteriore P

3 custodiri M (pc.) || 8 aedificatione M (ac. m2) || 14 absentio M

8 aedificationique M || 13 quem M || 15 conceptam edd. || 18 iuxto M || 19 retributorem M

20

Zu dem zuvor festgehaltenen Befund, dass NFr nicht direkt aus Donat (woher hätte es in 38 sonst prono bezogen?) bzw. dass Donat nicht direkt aus NFr geschöpft hat (in NFr 39 fehlt potius, und wo NFr suum sacrum hat [39], bietet Donat wie Columban sanctum [64,16]), bringt dieser Abschnitt zumindest kleine Ergänzungen. Beide Nonnenregel-Texte scheinen also auch hier auf Columban bzw. die Erweiterungen seiner Regel zurückzugehen. Allerdings tritt klar hervor, dass beide sich an Nonnen richtende Texte in ihrer Textform gegenüber dem überlieferten Columban-Text auch hier enger verbunden sind: die Hinzufügungen von sive proximarum und weiter unten von quam bzw. quae, aber auch die Änderung der Position von ore promamus sind Indizien (als weitere – kleinere – Gemeinsamkeiten gegenüber dem uns überlieferten Columban-Text sind ut statt et; mundemur statt mundemus sowie quibus statt quos/quo zu nennen). Auch dies lässt darauf schließen, dass beide Nonnenregeln auf eine ähnliche gemeinsame Vorlage zurückgehen, die eine uns nicht erhaltene Überlieferungs-Stufe der erweiterten Columban-Regel repräsentieren könnte (von der beide Nonnenregel-Texte ihrerseits mitunter jeweils durch Fehler abweichen). Wenn auch das bisher Gesagte stärker für die Annahme spricht, beide Nonnenregel-Texte hätten auf Columbans für Mönche verfasste Regel zurückgegriffen, lässt sich doch eine der den beiden Nonnenregel-Texten gemeinsamen Änderungen vielleicht nicht ohne Weiteres auf eine (uns nicht mehr erhaltene) Vorlage des für Mönche geschriebenen Vorbildes zurückführen, nämlich die Hinzufügung sive proximarum (Donat. 64,16 und NFr 39: aedificationemque proximorum sive proximarum);47 es ist kaum anzunehmen, dass (im 7. Jh.) Columbans Mönchsregel, indem auch die Frauen als ‚Nächste‘ hervorgehoben wurden, sozusagen im Sinne der ‚politischen Korrektheit‘ um die weibliche Form ergänzt wurde. Es versteht sich für Nonnenregeln zwar von selbst, maskuline Formen ins Feminine zu übertragen, doch macht an dieser Stelle vielleicht stutzig, dass beide das Wort proximorum nicht durch proximarum ersetzen bzw. dass als Kopula beide Male sive (und nicht z. B. vel, et, enklitisches -que oder Ähnliches) verwenden. Ist dies Zufall, gibt es eine gemeinsame || 47 KRUSCH, Zur Mönchsregel, 150, geht sogar so weit zu konstatieren, dass dieser „in der Männerregel“ Columbans nicht begegnende Zusatz zeige, dass die Beziehung der beiden Nonnenregeln zueinander eine „direkte“ sein müsse.

244 | Victoria Zimmerl-Panagl

Vorlage, oder weist dies – bedenkt man das engere Zusammengehen der Textformen von Donat und NFr gegenüber dem uns greifbaren, überlieferten ColumbanText – etwa doch auf direkte Kenntnis eines der Nonnenregel-Texte vom anderen hin? Vielleicht hilft bei der Frage, wie die Nonnenregel-Texte zum Text des Columban stehen, gerade ein Blick auf jene Passage bzw. den Kontext jener Passage beider Nonnenregel-Texte, für die uns k e i n e Vorbildstelle in Columbans Regula coenobialis erhalten ist und aus der bisweilen Rückschlüsse auf eine wie auch immer geartete Kenntnis der Nonnenregel-Texte voneinander gezogen wurden:

2.3 Donat. 19,2–5 und NFr 33–36 Im Folgenden sollen Donat. 19,2–5 und NFr 33–36 in ihrem jeweiligen Kontext kurz vorgestellt werden; der gemeinsame Beginn in NFr 33 bzw. Donat. 19,2 ist durch einen Doppelstrich gekennzeichnet (Abweichungen im Wortlaut voneinander sind durch Kursivierung markiert, was allerdings für die Frage der Beziehung der RegelTexte zueinander keinen Aussagewert hat): NFr 31–36

Regula Donati 19,1–5

initio diei usque ad noctem commutatio vestimenti non sit, et altera in nocte, altera in die. 32 Interrogentur separatim, id est vespere, quando in lectulis suis debent, antequam pacem celebrent, 33 et || mane post secundam celebratam ad collectionem coenobii venientes. 34 Quo in loco veniam petentes et se accusantes pro cogitationibus carnalibus ac turpibus vel nocturnis visionibus 35 tunc postremum pariter orantes dicant: Fiat, domine, misericordia tua super nos, quemadmodum speravimus in te. Exaudi nos, deus salutaris noster, spes omnium finium terrae et in mari longe. 36 Sic quoque vicissim dicant ad seniorem: ‘Da commeatum mutandi vestimentum, et quod necesse est in exparatione nostra facere.’

Omni tempore omnique loco silentium studere debent ancillae Christi, maxime tamen nocturnis horis. 2 Et ideo exeuntes a completoriis nulla sit licentia denuo loqui cuiquam aliquid usque || mane post secundam celebratam in conventu. 3 Quo in loco veniam petentes ac singulae confessionem dantes pro cogitationibus carnalibus atque turpibus vel nocturnis visionibus, 4 demum pariter orantes dicant: Fiat, domine, misericordia tua super nos, quemadmodum speravimus in te. 5 Sic quoque vicissim dicant ad seniorem: ‘Da commeatum vestimentum mutare et quod opus fuerit fieri.’

31 Ab

1

Wichtig ist der Blick auf die Einbettung der gemeinsamen Passage von NFr und Donat in die ‚nachweisbaren Quellen‘: Bereits de Vogüé hat darauf hingewiesen,48 dass Kapitel 19 der Regula Donati mit zwei Sätzen aus der Regula Benedicti (42,1 +

|| 48 DE VOGÜÉ, Histoire, 26f.

Editorische Fragestellungen zur Regula Donati | 245

8) beginnt, bevor in 19,2 jene Worte folgen, die allein mit NFr parallelisierbar sind (mane … fieri), worauf im nächsten Kapitel bei Donat wiederum Passagen aus der Nonnenregel des Caesarius folgen (nämlich 19,1–20,3). Erwähnenswert erscheint ferner, dass Donat in 19,2 mitten im Satz von Benedikt abgeht (aliquid; siehe Markierung im Text oben), offenbar durch das Wort usque eine Verknüpfung herstellt und mit mane in gegenüber NFr anderem Kontext fortsetzt. Ein ‚Flickwerk‘ also, in dem – wie de Vogüé (s. Anm. 48) korrekt festhält – die in den Quellen sonst nicht nachweisbare Passage von Donat sowohl selbst verfasst als auch von ihm aus einer Quelle übernommen sein könnte. NFr 33–36 dagegen gehen ausschließlich aus der Regula Columbani gewonnene Passagen voran49 (in unten stehender Tabelle die Abschnitte A und B); auch 31/32 lässt sich mit Col. coen. parallelisieren, jedoch der weitere Verlauf von 32 stellt eine für Columban nicht überlieferte Ergänzung dar, bevor 33–36 jene Stelle folgt, die Donats 19,2–5 entspricht, was in Abschnitt C der folgenden Tabelle verdeutlicht wird (die gliedernden Buchstaben in der linken Spalte entsprechen keiner gängigen Zählung, sollen aber für die weitere Beschäftigung mit dem Text und den Zusammenhängen eine Orientierungshilfe sein):

A

B1

B2

C

D

NFr

Col. coen. (ed. Walker)

cf. Donat

1–3 4–7 8–12 13–17 18 19–28

9, p. 154,21f. und 23–25 9, p. 154,26–156,2 9, p. 158,13–20 9, p. 156,11–18 9, p. 156,1950 9, p. 156,23–158,951

29 30 31/32 (ab initio diei … interrogentur separatim) 32 (id est vespere … celebrent 33 et) 33–36 37–39 40/41

9, p. 156,5–752 9, p. 156,8(f.) 9, p. 156,10f.

33,7f. 34,1–4 34,5–10 –– –– (Col. coen. 9 p. 158,3f. = ~ Donat. 34,11) –– –– ––

––

––

–– 15, p. 168, 4–10 15, p. 168, 11–14

19,2–5 64,14–16 –––

|| 49 Auch darauf macht bereits DE VOGÜÉ, Histoire, 27, aufmerksam und vermerkt auch aufgrund der inhaltlichen Gewichtung der Passage: „Ce morceau commun à notre règle féminine et à celle de Donat s’insère donc plus naturellement dans la première que dans la seconde.“ Ähnlich bereits SEEBASS, Ein Beitrag, 135. 50 Col. coen. 9, p. 156,19–22 fehlt in NFr. 51 Col. coen. 9, p. 158,9–12 fehlt in NFr. 52 Col. coen. 9, p. 156,3–5 fehlt in NFr.

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Vorweg sei argumentiert, warum es alleine schon aus dem Kontext heraus nicht plausibel ist anzunehmen, NFr habe den Abschnitt 33–36 aus Donat bezogen. Man muss die Frage stellen (wie dies ähnlich bereits Seebass getan hat53), warum der anonyme Autor aus Donat nicht auch jene dort zuvor anzutreffenden Worte gewinnt, die Donat aus Benedikt bezogen hat – oder pointierter ausgedrückt: Warum hat der anonyme Verfasser akkurat jenen Abschnitt aus Donat übernommen, für den k e i n e unmittelbare Quelle genannt werden kann und mit dem Donats Rückgriff auf die nachweisliche Quelle (nämlich Benedikt), noch dazu mitten im Satz, endet? Zudem knüpft NFr 36 (… da commeatum mutandi vestimentum; ~ Donat. 19,5) inhaltlich an NFr 31 (commutatio vestimenti; ~ Col. coen. 9) an; anders als bei Donat gibt es in dieser Hinsicht also einen Zusammenhang mit einem zuvor stehenden, aus einer uns erhaltenen Quelle stammenden Abschnitt (Donat schreibt zuvor über das Gebot zu schweigen). Betrachtet man außerdem NFr 32/33, erkennt man, dass der Satz ‚drei Urheber‘ haben müsste: interrogentur separatim (= Col. coen. 9), id est vespere, quando in lectulis suis debent, antequam pacem celebrent, 33 et (= NFr selbst) mane post secundam celebratam ad collectionem coenobii venientes (= Donat. 19,2). Wie wahrscheinlich ist es, dass der Autor von NFr eine aus Col. coen. 9 gewonnene Angabe teilweise durch (vermeintliche) Worte des Donat (19,2) erklärt, die ihrerseits in (vermeintliche) Worte des Donat münden (19,5), die zufällig wieder den Ausgangspunkt, also Col. coen. 9 (commutatio vestimenti), aufgreifen? Es ist außerdem für die Abschnitte C und D nicht wahrscheinlich, dass der anonyme Autor von NFr auf bei Donat relativ weit entfernt voneinander stehende Passagen (also 19,2–5 und 64,14–16) zurückgegriffen und bei einer (19,2–5) sogar mit nahezu penibler Genauigkeit die Schnittstelle eruiert hat, an der der zuvor stehende Quellen-Text aufhört.54 Außerdem muss man bedenken, dass im folgenden Abschnitt D (NFr 37–41; Donat 64,14–16; Columban 15) jene Worte, die am Ende von NFr 40/41 folgen, sonst nur in der Columban-Regel zu finden sind, auf keinen Fall aber aus Donat gewonnen worden sein können, der diese ja nicht übernommen hat.55 Abschnitt D bildet außerdem nicht nur in NFr eine Einheit, sondern auch bei

|| 53 SEEBASS, Ein Beitrag, 132, generell zur Annahme, dass der Verfasser von NFr von Donat abhänge (so Kruschs Theorie): „Wäre dem so, so dürfte man … wohl erwarten, daß in A [d. i. das Nonnenregel-Fragment] irgendwo eine Anlehnung auch an solche Abschnitte der Regel Donats hervorträte, die aus den Regeln Benedikts oder Cäsarius’ genommen sind; das ist aber durchaus nicht der Fall.“ 54 Es spricht umgekehrt nichts dagegen anzunehmen, dass Donat – seiner ‚Centonen-Technik‘ folgend – auch in Kapitel 19 zwei ihm in unterschiedlichen Quellen vorliegende Stellen (nämlich Benedikt 42,1 + 8 und jene NFr ähnliche Passage) verbindet. 55 Dass das Fehlen dieser Worte bei Donat ein Indiz dafür sein muss, dass ihm diese noch unbekannt waren, weil der Text um diese noch nicht erweitert gewesen wäre (so DE VOGÜÉ, Histoire, 27), ist zwar eine mögliche Annahme, jedoch nicht z w i n g e n d korrekt: Es stand Donat durchaus frei, wie er dies ja auch sonst tat, aus seinen Quellen das zu wählen, was ihm (aus welchen Überlegungen auch immer) für seinen neuen Regel-Text wichtig erschien und was nicht. Dennoch sei erwähnt,

Editorische Fragestellungen zur Regula Donati | 247

Columban; somit ist die Annahme, Donat habe aus Columban einen (dort womöglich noch nicht ‚fertig ergänzten‘, so die zuvor Anm. 55 zitierte Hypothese) Abschnitt gewonnen, den wiederum der anonyme Verfasser von NFr aus Donat übernommen und dann um den Rest derselben Stelle aus Columban erweitert hätte (wo der Abschnitt inzwischen ‚fertig ergänzt‘ worden sein müsste, sofern die Hypothese stimmt), ausgesprochen kompliziert und in keiner Weise überzeugend.56 Es ergibt sich also eher das Bild, dass NFr seine Textabschnitte aus e i n e r Quelle bezieht, und zwar dem, was der Kompilator als Col. coen. vor sich hatte. Dies würde bedeuten, dass Seebass in seiner Grundidee Recht hat, dass es sich bei (32)/33–36 um ein Stück verlorenen Text der Regula coenobialis handeln könnte – wenn auch wahrscheinlich nicht ‚echten‘, ‚genuinen‘ Columban-Text. Bruno Krusch legte gegen Seebass’ Annahme, es handle sich um eine ‚verlorene‘ Stelle aus Col. coen. aus (wie er herausstreicht) inhaltlichen Gründen etwas polemischen Protest ein:57 Eine dritte Beichte (wie in NFr 33–36 bzw. von Donat. 19,2–5 bezeugt) sei in den Klöstern des Columban nicht Usus gewesen, würde „den reinen Schild der Columbanianer beflecken“ und sei „das äußere Merkmal einer späteren und schon entarteten Klostergenossenschaft“. Kruschs inhaltlicher Einwand lässt sich jedoch schnell entkräften: Jene die dritte Beichte betreffende Passage steht in dem Teil von NFr, der Abschnitte aus den Columban-Erweiterungen enthält, somit also ohnehin Textpassagen rezipiert, die später hinzugefügt wurden, weshalb sich die Frage nicht stellt, ob damit eine Gepflogenheit des Columban angegeben würde, sondern sie würde wohl ohnehin eine spätere Usance repräsentieren. Und dass die dritte Beichte zeitlich von Columban nicht allzu weit entfernt beispielsweise im nach der Columban-Regel lebenden Kloster der Fara/Burgundofara (595–656) geübt wurde, bezeugt (so auch Krusch selbst) die Columban-Vita des Jonas von Bobbio (dort 2,19). Was aber umgekehrt den Hinweis auf das Kloster der Burgundofara betrifft und das Zeugnis des Jonas von Bobbio, sei folgende Überlegung angeschlossen: Da auch Frauenklöster nach der Regula Columbani lebten, könnte die eine oder andere Erweiterung auch (wenn auch nicht ausschließlich!) mit Frauenklöstern in Zusam-

|| dass Donat auch sonst eher wenige Passagen aus den lediglich im erweiterten Columban-Text anzutreffenden Abschnitten bezeugt, siehe dazu unten, Seite 251. 56 Donat hat wohl aus einem längeren Text eine Passage aus Abschnitt C und eine weitere aus Abschnitt D exzerpiert und, seiner Arbeitsweise folgend, mit anderen Quellentexten zu neuen Einheiten verschmolzen. SEEBASS, Ein Beitrag, 135, merkt an, dass die Anordnung in Donats Kapitel 19 einen „derartig selbständigen Charakter“ habe, dass man nicht annehmen solle, Donat habe sie, sonst aus Quellen schöpfend, „aus dem Eigenen“ hinzugefügt, weshalb sie einer der Quellen Donats zuzurechnen wäre, wofür am ehesten Columban in Frage käme 57 KRUSCH, Zur Mönchsregel, 152–154, Zitate: 153 und 154. Gegen Kruschs Überlegungen wiederum SEEBASS, Ein Beitrag, besonders 132f.

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menhang stehen?58 Damit soll Folgendes angedeutet werden: Wir kennen – wie bereits mehrfach betont – jene Textform der Regula Columbani nicht, wie sie dem Kompilator von NFr (und Donat) vorlag. Wir müssen nach dem oben skizzierten Befund aber wohl davon ausgehen, dass es sich um eine Textform handelte, die (in Wortlaut und Abfolge der Abschnitte) von der uns überlieferten erweiterten Fassung von Col. coen. abwich. Könnte es sein, dass sich darin die eine oder andere Hinzufügung fand, die auf die Benutzung der Columban-Regel in einem Frauenkloster (Doppelkloster) hindeutet? Damit gelangen wir wieder zur oben erwähnten vielleicht auffälligen, für eine Mönchsregel nicht sonderlich naheliegenden Hinzufügung von sive proximarum in NFr 39 ebenso wie bei Donat. 64,16: Könnte es sein, dass es sich dabei um eine Ergänzung aus einer NFr und Donat gemeinsamen, ähnlich lautenden Quelle handelt, nämlich in einem Columban-Regel-Text, wie er vielleicht auch für ein Nonnen-Kloster gestaltet worden war?59 Weigert man sich anzunehmen, dass die in beiden Texten anzutreffende erwähnte Hinzufügung sive proximarum unabhängig voneinander in die Texte gelangt sein könnte, böte diese Hypothese eine Erklärungs-Möglichkeit;60 beweisen lässt sie sich nicht, jedoch auch nicht ausschließen, weshalb sie zumindest in Erwägung gezogen werden soll.61 Doch zurück zu Abschnitt C (NFr 33–36 bzw. Donat. 19,2–5) und damit zu jener Passage, zu der wir auf der Suche nach Donats Vorbild sind. Die bisher angestellten Überlegungen haben gezeigt, dass die Wahrscheinlichkeit sehr hoch ist, dass Donat und der Kompilator von NFr Abschnitt C aus Erweiterungen zur Columban-Regel gewonnen haben, allerdings scheint gegen diese Annahme zu sprechen, dass dieser Abschnitt durch die Handschriften der Regula coenobialis für den Columban-Text n i c h t bezeugt wird. Daraus abzuleiten, dass es sich bei Abschnitt C um einen tat-

|| 58 Faremoutiers, gegründet um 620 durch Burgundofara, beispielsweise war ein Doppelkloster, vgl. GUEROUT, Faremoutiers, 294. Die ersten Mönche sind mit Waldebert aus Luxeuil dorthin gekommen. 59 Es soll damit aber nicht angedeutet werden, dass die Hinzufügungen ausschließlich für Nonnen formuliert wurden, und es soll nicht ohne Weiteres angenommen werden, dass der Columban-Text zur Gänze für Nonnen adaptiert gewesen sei. 60 Unwahrscheinlich, jedoch soll die theoretische Möglichkeit nicht unerwähnt bleiben, ist, dass die beiden Texten gemeinsame Hinzufügung von sive proximarum auf den Schreiber des Codex Regularum (oder Benedikt von Aniane) zurückzuführen ist. 61 Über die Umstände der Abfassung von NFr wissen wir nicht Bescheid; es lässt sich nicht sagen, ob diese Regel vielleicht sogar in örtlich mit Donat eng verbundenem Zusammenhang entstanden ist und ob ihr ein eng verwandtes oder möglicherweise sogar dasselbe Exemplar eines ColumbanRegel-Textes zur Verfügung gestanden sein könnte. Aufgabe des anonymen Kompilators war es wohl, die Columban-Regel für Nonnen zu adaptieren. Gesetzt den Fall, es handelte sich um ein bestehendes, bereits nach der Regel des Columban lebendes Frauenkloster, könnte durchaus sein, dass es dort einen Codex gab, in dem eine Abschrift der Columban-Mönchsregel mit kleineren ‚Ergänzungen‘ für Nonnen versehen wurde, bevor man sich entschied, den Regeltext für die Nonnen neu zu kompilieren. Solche Überlegungen führen jedoch sehr weit in den Bereich der Spekulation.

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sächlich ausschließlich für Nonnen verfassten und daher in der Männer-Regel nicht bezeugten Abschnitt handelt, wäre hypothetisch und schwer beweisbar. Mir scheint aber ein Blick auf die Anordnung der Passagen bei Columban und in NFr weitere Denkanstöße und vielleicht einen Schlüssel zur Lösung des Problems zu liefern: Im oben als „A“ bezeichneten Abschnitt von NFr finden sich, wie mehrfach erwähnt, jene Passagen, die heute als die unerweiterte Form von Kapitel 9 der Columban-Regel bekannt sind. Danach folgen B1 und B2, also jene Stellen aus Kapitel 9 der Columban-Regel, die spätere Erweiterungen repräsentieren (und in den Handschriften der erweiterten Columban-Regel mitten in Kapitel 9 platziert sind). Interesse weckt, dass diese Erweiterungen in NFr und in Col. coen. in unterschiedlicher Abfolge erscheinen: In der erweiterten Columban-Regel steht nämlich der Abschnitt B2 (NFr 29–32) v o r B1 (NFr 13–28).62 Es ist also rund um Abschnitt B an zwei Stellen irgendeine Art von Bruch passiert, nämlich zwischen B1 und B2 sowie am Ende von Abschnitt B2 (also: NFr 32, worauf die mit Donat parallelisierbare Passage Donat. 19,2–5 folgt). Am Ende von B2 reicht der Text der erweiterten Regula coenobialis des Columban nur bis zu den Worten interrogentur63 separatim und fügt dann B1 an. Umgekehrt repräsentiert auch NFr die Columban-Erweiterungen (aus welchen Gründen auch immer) nicht vollständig, denn, wie oben in den Anmerkungen 50–52 bereits dargelegt, fehlen in NFr – besonders an der ‚Bruchstelle‘ zwischen B1 und B2 – einige in den Handschriften der Regula coenobialis bezeugte Erweiterungen. Tabellarisch lässt sich der Sachverhalt folgendermaßen darstellen (links von NFr aus ‚gedacht‘, rechts von Columban aus ‚gedacht‘; die Bruchstellen sind fett markiert):

B1

B

2

NFr 13–17 18 –– 19–28 –– –– 29 30 31/32

Col. coen. 9, p. 156,11–18 9, p. 156,19 9, p. 156,19–22 9, p. 156,23–158,9 9, p. 158,9–12 9, p. 156,3–5 9, p. 156,5–7 9, p. 156,8(f.) 9, p. 156,10f.

B2

B1

Col. coen. 9, p. 156,3–5 9, p. 156,5–7 9, p. 156,8(f.) 9, p. 156,10f. 9, p. 156,11–18 9, p. 156,19 9, p. 156,19–22 9, p. 156,23–158,9 9, p. 158,9–12

NFr –– 29 30 31/32 13–17 18 –– 19–28 ––

|| 62 Es gilt hier nicht zu entscheiden, was als ‚ursprüngliche‘ Form für die Abfolge der ColumbanErweiterung anzusehen ist, was künftigen Editoren der Regula coenobialis vorbehalten ist, jedoch lässt sich nicht ausschließen, dass die durch NFr bezeugte Abfolge die ursprüngliche darstellt, denn in Abschnitt A liegt ein Schwergewicht auf Anweisungen zur genuflexio, was eher in B1 seine lose Fortsetzung findet, während in B2 davon nicht die Rede ist. – Überlegungen zur Abfolge bei Columban bei SEEBASS, Über die sogen. Regula coenobialis, 61f. 63 In der Edition der Columban-Regel durch Walker findet sich intermutentur konjiziert, das auch DE VOGÜÉ, Saint Colomban, 142, als „arbitraire“ kennzeichnet.

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Es kann zwar sein, dass inhaltliche Gründe Erklärung für Auslassungen in NFr sind, es ist aber auch nicht auszuschließen, dass in der Überlieferung zu suchende Umstände Ursache dafür sind, dass Textabschnitte vielleicht verlorengingen. Wahrscheinlich darf man sich die Entstehung der Erweiterungen von Col. coen. nicht derart vorstellen, dass die gesamte Regula coenobialis in diesem Zusammenhang neu abgeschrieben und die Erweiterungen fix an Ort und Stelle in den ursprünglichen Text integriert wurden, sondern dass die Erweiterungen wohl zuerst in einem bestehenden Regel-Codex am Rand, an Seiten-Beginn bzw. -Ende, oder auf eingelegten Blättern ergänzt wurden. Wohl erst in einem weiteren Schritt wurden wahrscheinlich Abschriften der erweiterten Columban-Regel erstellt, in welchen die Erweiterungen in den Regel-Text eingegliedert übernommen wurden. Es kann durchaus sein, dass weder die exakte Position der Erweiterungen, noch deren ‚Kohärenz‘ immer klar erkennbar war, weshalb es zu Irrtum und Übersehen einzelner Passagen gekommen sein könnte. Ein Übersehen einer Textpassage oder überhaupt ein ‚Defekt‘ in der Überlieferung an einer der konstatierten ‚Bruchstellen‘ der Erweiterungen (nämlich am Ende von B2) k ö n n t e somit auch die Ursache für das Fehlen des unmittelbar folgenden Abschnittes C in den Handschriften der Regula coenobialis sein – es kann also sein, dass auch in diesen Handschriften (München Clm 28118 und Paris BN Lat. 4333B) nicht der vollständige erweiterte Columban-Text zu finden ist. Es mag aber auch sein, dass die Erweiterungen nicht überall einheitlich übernommen wurden, und es gilt zu bedenken, dass die uns vorliegende erweiterte Fassung der Columban-Regel ihrerseits ein Ergebnis mehrerer Stufen der Erweiterung darstellt:64 Ist bei den unterschiedlichen Erweiterungsstufen und der möglicherweise vorliegenden Komplexität der Genese (unterschiedliche Entstehungsorte?) anzunehmen, dass München Clm 28118 und Paris Lat. 4333B tatsächlich s ä m t l i c h e jemals der Columban-Regel hinzugefügten Erweiterungen umfassen? Auch Abschnitt C könnte also, zumindest in einer lokal verbreiteten und daher vielleicht auch vom uns überlieferten erweiterten Columban-Text abweichenden Form Bestandteil der Columban-Regel (wenn auch nicht ihrer ‚Urform‘) gewesen sein (vielleicht – wie oben überlegt – in Zusammenhang mit einem der Columban-Frauenklöster?).

2.4 Donat. 19,2–5 – Quelle? Es kann also durchaus sein, dass Donat die Abschnitte C (in seiner Nonnenregel also Kapitel 19,2–5) und D in Zusammenhang mit der erweiterten Regula coenobialis kennengelernt und in seine Regel aufgenommen hat – beachtenswert erscheint auch hier wieder der Blick auf die Anordnung der bei Donat und in Col. coen. weit

|| 64 Vgl. dazu etwa DE VOGÜÉ, Saint Colomban, 110–112.

Editorische Fragestellungen zur Regula Donati | 251

auseinanderstehenden Passagen in NFr, denn dort stehen sie, wie erwähnt, in direkter Abfolge; vielleicht ein Indiz dafür, dass diese direkte Abfolge auch in einer NFr und Donat gemeinsamen Vorlage, also einer uns nicht erhaltenen Text-Handschrift von Col. coen., vorgelegen sein könnte?65 Wie oben zu sehen war, hat Donat in Abschnitt A auf Columbans Kapitel 9 in einer NFr ähnlichen Textform (vgl. die genannten Auslassungen sowie u. a. moderamine statt animo) zurückgegriffen, und dies scheint er auch in Abschnitt C und D getan zu haben. Einschränkend muss allerdings darauf hingewiesen werden, dass Donat sonst kaum Passagen aus dem erweiterten Columban-Text bezeugt. Donat ist eher Zeuge für den unerweiterten Text, übernimmt jedoch auch diesen nicht vollständig; er hat also auch aus dem unerweiterten Text nur das ausgewählt, was ihm wichtig oder passend erschien (es fehlt von dem, was als genuiner ‚Kern‘ der Regel Columbans gesehen wird, beispielsweise das gesamte Kapitel 5, und es fehlen größere Abschnitte aus Kapitel 3, 6, 8 und 9 der Regula coenobialis). Umgekehrt lassen sich aber sehr wohl ein paar Spuren dessen finden, was als erweiterte Textfassung von Col. coen. gilt: So zeigen Donats Kapitel 27,4; 29,7 und 32,1 Kenntnis einer (zusammenhängenden) Erweiterung des Columban-Textes (nämlich Col. coen. 8, p. 152,23–26), und 34,11 scheint Col. coen. 9, p. 158,3f. aufzugreifen. Fraglich ist freilich, ob Donat nur wenige Erweiterungen kannte, oder ob ihm – im Columban-Kloster Luxeuil erzogen – womöglich gar bewusst war, was ‚ursprüngliche‘ Bestandteile von dessen Regel waren, weshalb er Hinzufügungen eher spärlich übernahm? Was bedeutet dies für die sich bei der Edition des Donat-Textes stellende Frage, ob und welche Quelle für Donat. 19,2–5 auszuweisen ist? Es ist nicht davon auszugehen, dass es sich bei Kapitel 19,2–5 um genuinen Wortlaut des Donat handelt. Und auch wenn klar scheint, dass es sich bei den Worten auch nicht um genuinen Wortlaut des Columban handelt, so ist wohl doch anzunehmen, dass Donat diesen Abschnitt in Zusammenhang mit seiner Form der erweiterten Regula Columbani kennengelernt hat. Als Text-Quelle für Donat. 19,2–5 ist nach dem Dargelegten somit wohl Columban bzw. konkreter das ‚Wirkungs-Umfeld‘ von dessen Regula coenobialis zu nennen; jedoch besteht das Problem, dass ein Quellenverweis in einer Textedition eigentlich eine möglichst klare und exakte Zuweisung an einen konkreten Autor bieten sollte, dass hier aber ein Paradoxon vorliegt, da auf einen uns in direkter Überlieferung nicht erhaltenen Quellentext zu verweisen ist, den ein uns unbekannter Autor aller Wahrscheinlichkeit nach in Auseinandersetzung bzw. Erweiterung eines uns bekannten Textes (nämlich Col. coen.) verfasst hat. Quelle ist somit wohl eine Textform der Columban-Regel, jedoch weder in ihrer heute überlieferten Form noch von Columban selbst verfasst. Donat scheint jedenfalls auch an

|| 65 DE VOGÜÉ, Saint Colomban, 106 und 110f., nimmt an, dass der NFr und Donat bekannte Abschnitt aus Col. coen. 15 direkt nach den Erweiterungen von Col. coen. 9 seinen Platz hatte, bevor Col. coen. 10–15 (Rest) hinzugefügt wurden.

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dieser, gemessen am Gesamtumfang seiner Regula, kleinen Stelle seinem Motto gefolgt zu sein – und hat die Nachwelt sicher ungewollt vor ein Rätsel gestellt: elegit pauca e plurimis …

Bibliographie DIEM, A., Das monastische Experiment: Die Rolle der Keuschheit bei der Entstehung des westlichen Klosterwesens, Münster 2005 (Vita regluaris, Abhandlungen, 24). DIEM, A., New Ideas Expressed in Old Words: The Regula Donati on Female Monastic Life and Monastic Spirituality, Viator 43/1 (2012), 1–38. DUCHESNE, L., Fastes épiscopaux de l’ancienne Gaule, tome 3 (Les provinces du Nord et de l’est), Paris 1915. GUEROUT, J., Art. Faremoutiers, in: LMA 4 (1989), 294f. HAUKE, H., Katalog der lateinischen Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek München, 4,7: Clm 28111–28254, Wiesbaden 1986. JENAL, G., Art. Donatus, v. Besançon, in: LThK 3 (2006), 334. KRUSCH, B., Zur Mönchsregel Columbans, NA 46 (1926), 148–157. MUNDÓ, A., L’edition des Œuvres de S. Colomban, Scriptorium 12 (1958), 289–293 MUSCHIOL, G., Famula Dei. Zur Liturgie in merowingischen Frauenklöstern, Münster 1994. PRINZ, F., Frühes Mönchtum im Frankenreich: Kultur und Gesellschaft in Gallien, den Rheinlanden und Bayern am Beispiel der monastischen Entwicklung (4. bis 8. Jh.), München-Wien 1965. PRISCHL, I., Die Regula Donati, Diss. Wien (masch.) 1977. SEEBASS, O., Über Columba von Luxeuils Klosterregel und Bussbuch, Dresden 1883. SEEBASS, O., Fragment einer Nonnenregel des 7. Jahrhunderts, ZKG 16 (1896), 465–470. SEEBASS, O., Über die sogen. Regula coenobialis Columbani und die mit dem Pönitential Columbas verbundenen kleineren Zusätze, ZKG 18 (1898), 58–76. SEEBASS, O., Ein Beitrag zur Rekonstruktion der Regel Columbas des Jüngeren, ZKG 40 (1922), 132– 137. SEILHAC, L. de – SAÏD, B., Règles monastiques au féminin, trad., introd. et notes, en collab. avec M. BRAQUET – V. DUPONT, préface par A. de VOGÜÉ, Abbaye de Bellefontaine 1996. VOGÜÉ, A. de, La Règle de Donat pour l’Abbesse Gauthstrude, Benedictina 25 (1978), 219–313. VOGÜÉ, A. de, Art. Regula(e) Columbani, in: DIP 7 (1983), 1607–1615. VOGÜÉ, A. de, Art. Regula Columbani ad virgines, in: DIP 7 (1983), 1566–1569. VOGÜÉ, A. de, Saint Colomban. Règles et Pénitentiels monastiques, introd., trad. et notes par A. de VOGÜÈ, Abbaye de Bellefontaine 1989. VOGÜÉ, A. de, Histoire littéraire du mouvement monastique dans l’antiquité. Première partie: Le monachisme latin, La Gaule franque et l’Espagne wisigothique (VIe–VIIe siècle), Paris 2007. WALKER, G. S. M. (ed.), Sancti Columbani opera, Dublin 21970 (Scriptores Latini Hiberniae, 2). ZELZER, M., Die Regula Donati, der älteste Textzeuge der Regula Benedicti, RBS 16 (1987 [1989]), 23–36. ZELZER, M., Die Regula Donati als frühestes Zeugnis des „monastichen Gebrauchstextes“ der Regula Benedicti, in: Il monachesimo tra eredità e aperture. Atti del simposio «Testi e temi nella tradizione del monachesimo cristiano» per il 50° anniversario dell’Istituto monastico di Sant’Anselmo. Roma, 28 maggio–1° giugno 2002, cur. M. BIELAWSKI – D. HOMBERGEN, Roma 2004 (Studia Anselmiana 140), 753–763. [email protected] FB Altertumswissenschaften, CSEL Universität Salzburg

 

Gottfried E. Kreuz

Helcana de Ramatha … Eine unedierte Regum-Dichtung aus dem 12. Jh. Zwar: Man kann mit einigem Recht die Frage aufwerfen, ob unter den Unmengen mittelalterlicher Texte, die noch ihrer (modernen) Publikation harren, nicht so mancher sich befindet, der dessen nicht, oder zumindest nicht aufgrund seiner Qualitäten als Text, unbedingt würdig ist: und Spreu von Weizen zu trennen ist eine der zentralen, wenngleich nicht immer angenehmen Aufgaben der Philologie. Was indes Spreu ist und was Weizen, lehrt allemal erst ein näherer Blick, und was per se vielleicht kein guter Text ist, kann immerhin noch als Vergleichspunkt für Anderes von Interesse sein. Der Leser sei nun also bekanntgemacht mit einem bislang wenig beachteten,1 doch merkwürdigen Stück mittelalterlicher Dichtung, der anonymen Regumparaphrase des Cod. Paris. BN Lat. 14758, einer Handschrift des 13. Jahrhunderts aus der für den Pariser Universitätsbetrieb wichtigen Bibliothek der Abtei Saint-Victor (im Folgenden Libri Regum genannt).2 In über 3600 Versen zuzüglich einem Prolog von 30 Versen, jeweils elegischen Distichen, und eingeteilt in vier Bücher (die Längen schwanken zwischen 722 Versen im zweiten und 1110 Versen im vierten), findet man darin die vier Bücher der Könige aus dem Alten Testament paraphrasiert, und zwar prinzipiell vollständig, im Einzelnen aber in schwankender Intensität, wie die folgenden Beispielstellen zeigen können: Lib. Reg. 2,99–114: Isboseth audito quod princeps eius obisset 100 concidit et totus Israel occubuit.

|| 1 Abgesehen von den u. Anm. 10 genannten Hinweisen, die sich nur um einige unsignifikante und verstreute Erwähnungen ergänzen ließen, bildet die einzige wesentliche Ausnahme: STELLA, Nuovi testi, 410–435. Seine verdienstvolle Probeedition des Werkbeginns ist freilich, noch ohne zur Konjekturalkritik zu greifen, an folgenden Stellen nach der Handschrift zu korrigieren: Lib. Reg. prol. 3 pro senis] lege semis; Lib. Reg. 1,9 flentes] flentem; 17 faciendos] sacerdos; 19 patet quodcumque] pater quicquam quod; 20 peperit] peperi; 21 referatur] reserentur; 24 tibi] ibi (pc.); 35 lege Phinees et filius; 42 ferit] parit ut videtur; post 56 adde: Cumque puer Samuel templum custodit et archam / dormit et in sacro: vox venit a domino; 61 (63) deum] domini; 78 (80) percuterentur] percutientur; 88 (90) cesa] fortasse recte Stella, in codice vero reperio sensa (an censa?); 90 (92) agat] agant; 142 (144) Baalam] Baalim; 146 (148) Maspbat] Masphat. 2 Zu diesem Codex (olim Victorinus 380 bzw. B 12) vgl. KREUZ, Pseudo-Hilarius, 13f.; OUY, Les manuscrits, 18. Eine Edition des Werkes bereite ich vor und zitiere nach der ihr zugrundeliegenden Arbeitsfassung des Textes, soweit sie bereits gediehen ist.

254 | Gottfried E. Kreuz  * Huius erant servi Recab et Baana Berohite3 in proprij domini funera precipites. Rex in conclavi mergente sopore iacebat: estus erat mediam sole tenente diem. 105 Quemque per officia puerorum cura trahebat far purgando domi sola puella vacat. Intrantes Rechab et Bana spicasque per inguen figentes perimunt et capud eripiunt. David Ebron portant et dicunt: ‚Illius hoc est, 110 qui sibi tale tuum querit habere capud.‘ ‚Non‘ ait ‚aut alio donare morabor honore vos, quam iactantem se iugulasse Saul.‘ Quorum mox capita praecisa manusque iubentur altius appendi: rex sepelitur Ebron. Lib. Reg. 1,797–806: Cumque Philistei contra Saul arma parassent, rex in montanis Gelboe castra locat; Isque sacerdotes divinos atque prophetas 800 consulit: et Dominus certa referre vetat. An Phithonissa velit rogat adduci Samuelem: excitat illa sene〈m〉, venit et ille loquens Israel abiectum; victores predicat hostes, regem sternendum, pignora danda neci. 805 Tristis ad ista Saul: terrę defixus inheret; post gustum panis castra relicta petit. Die erste Stelle mit ihren acht Distichen entspricht den zwölf biblischen Versen von 2 Reg. 4,1–12, die zweite benötigt hingegen nur fünf Distichen, um 1 Reg. 28,4–25

|| 3 Der Text im Cod. Paris. Lat. 14758 ist prinzipiell durch Leerzeilen sowie durch damit stets korrespondierende, meist zweizeilig ausgeführte Lombarden in Abschnitte gegliedert, die nur manchmal mit den Kapitelgrenzen der biblischen Vorlage übereinstimmen und sowohl über Kapitelgrenzen hinweglaufen als auch Kapitel kleinteiliger strukturieren können. Innerhalb dieser Abschnitte erscheinen noch unregelmäßige Untergliederungen durch eine stets gleichbleibende Zierform des Paragraphenzeichens am linken Rand, die vollends bloß narrative Abschnitte abzugrenzen und keinen Zusammenhang mit Ordnungsprinzipien des Bibeltextes zu haben scheinen; in meinen Textbeispielen erscheinen sie als Asterisken (*). Wie weit dieses zweistufige Gliederungssystem der Paraphrase mit Perikopengliederungen des Textes in der mittelalterlichen Liturgie in Verbindung steht, entzieht sich meiner Kenntnis, doch angesichts des wohl nicht sehr hohen Prozentsatzes liturgisch verwendeter Passagen aus den doch recht umfangreichen (und zugleich theologisch nicht sonderlich zentralen) vier Büchern der Könige könnte eine solche Verbindung kaum eine durch den ganzen Text gleichbleibende sein.

Eine unedierte Regum-Dichtung aus dem 12. Jh. | 255 

wiederzugeben, rafft also rein quantitativ fast dreimal so stark. Etwa zwischen diesen Extremen schwankt praktisch der gesamte Text, bewegt sich also im Bereich kürzender bis äquivalenter Paraphrase, während ‚aufblasende‘ Passagen etwa in der Art der Glanzlichter des ‚jeweled style‘ der spätantiken Bibeldichtungen völlig fehlen.4 Schon daraus resultiert ein eher trockener, eventuell als etüdenhaft zu bezeichnender Eindruck, der sich noch verstärkt, wenn man auf die eine oder andere dem Leser, jedenfalls dem nicht bibelfesten, gegenüber doch etwas unfreundliche Stelle trifft: Lib. Reg. 4,619f.: 620

Cuiusdam quidam fugere cadavere iacto, sacraque cum tetigit ossa, revixit homo.

Die Entsprechung hierzu ist 4 Reg. 13,20f.: Latrunculi quoque de Moab venerunt in terra in ipso anno, (21) quidam autem sepelientes hominem viderunt latrunculos et proiecerunt cadaver in sepulchro Helisei; quod ambulavit et tetigit ossa Helisei et revixit homo et stetit super pedes suos. Immerhin: Echte Irrtümer sind selten, wenngleich die oben zitierte Stelle 2,107f. mit ihrem Missverständnis bezüglich der spicae tritici aus 2 Reg. 4,6 doch ein Beispiel bietet (freilich an einer Stelle, die schon in der biblischen Vorlage überlieferungsbedingt gestört gewesen sein kann; immerhin lässt die Deutung, Mifiboseth wäre mithilfe von Getreidehalmen ermordet worden, erfreulicherweise auf einen Autor schließen, der nur eine recht ungefähre Vorstellung davon gehabt zu haben scheint, wie man einen Menschen realistischerweise töten kann). Ein gewisses literarisches Gespür verrät hingegen der Umgang des Autors mit biblischen Eigennamen. Einerseits schwelgt er bisweilen nicht ungern in ihrem exotischen Flair. Lib. Reg. 3,145–148: 145

Huius Azarias, Sadoc Abiazarque sacerdos, Helioreph scriba: frater et huic Ahia; commentis Iosaphat, exercitui Banaias prefuit, et Zabub regis amicus erat.

Andererseits werden längere biblische Namenslisten wie etwa 2 Reg. 5,12–16 die Kinder Davids oder 3 Reg. 4,8–19 die Mitarbeiter und Generäle Salomons ersatzlos gestrichen. Auch andere Gründe können zur Auslassung führen: 3 Reg. 4,21–34 bietet einen Überblick über die Wirtschaftslage unter Salomon, die den mittelalterlichen Paraphrasten wohl herzlich wenig interessierte; bei 2 Reg. 11,14–27 hingegen ist es eine Doublette im Bibeltext, die er vereinfacht, ebenso wie er zu 3 Reg. 1,28–53 den Auftrag zur Salbung Salomons und deren Durchführung in eins zusammenzieht. Offenkundig besteht also bei grundsätzlichem Vollständigkeitsanspruch, der sich ja || 4 Der Terminus geht zurück auf: ROBERTS, The Jeweled Style. Roberts beginnt seine Ausführungen übrigens just mit einem Beispiel aus der anonymen Heptateuchdichtung, obwohl diese mit einigem Recht als das trockenste und ‚schulmäßigste‘ Bibelgedicht der Spätantike gilt. Auf gerade ihre Beziehungen zu den Libri Regum wird unten noch einzugehen sein.

256 | Gottfried E. Kreuz  schon in der Vierzahl der Bücher offenbart, eine Tendenz zur sinnvollen Kürzung dort, wo der Bibeltext dem christlichen Leser des Mittelalters redundant erscheint. Auf eine einzige Ausnahme von dieser ‚Regel‘ wird unten noch näher einzugehen sein. Selten nur finden sich auch Umstellungen, allesamt recht kleinräumig und dazu geeignet, Zusammenhänge klarer hervortreten zu lassen. Diesem Streben nach Übersichtlichkeit verdankt sich wohl auch die Paraphrasierung mancher, doch keineswegs aller, bibelinternen Verweise, zum Beispiel Lib. Reg. 3,903f. (= 3 Reg. 22,39): 903

Cetera que fecit et regia tecta tiranni in regum libro scripta patent alibi.

In alledem zeigt sich die Hand eines vielleicht nicht sonderlich routinierten, doch bemühten Autors, der bei aller Treue gegenüber dem sakrosankten Bibeltext nicht davor zurückschreckt, die schlimmsten Urtümlichkeiten oder Ungeschicklichkeiten seiner Vorlage vorsichtig auszugleichen. Was indes verblüfft, ist die vollkommene Absenz exegetischer Erweiterungen, zumal wenn man bedenkt, dass die Gattung Bibeldichtung seit ihrem Beginn mit Iuvencus (um 330) im Laufe der Spätantike mehr oder minder konsequent bis zu Alcimus Avitus (um 500) immer exegetischer wurde, so ins Mittelalter gelangte und bis zur fast nur mehr aus Exegese bestehenden Aurora des Petrus Riga oder, thematisch nahestehend, dem In libros Regum des Bernhard von Cluny sich entsprechend weiterentwickelte:5 Demgegenüber stellt die Regumparaphrase des Paris. Lat. 14758 geradezu die Ausnahme von der Regel dar. Das äußerste an Erweiterung, das sich finden lässt, betrifft gelegentliche minimale christliche Zuspitzungen des alttestamentlichen Textes, etwa in der Paraphrase von 2 Reg. 12,5–12, wo Vers 290 und v. a. 291 keine unmittelbare Entsprechung in der biblischen Vorlage haben (Lib. Reg. 2,285–296): * Iudicis in vocem rex erumpendo subinfert: ‚Vivit‘ ait ‚Dominus: crimina morte luet. Filius est mortis, qui fecit in Israel hanc rem: reddet et in quadruplum pauperis huius ovem.‘ Subdit et ille: ‚Reus tu rex es criminis huius, 290 quem dominus regem fecerat ex ovibus; sublimes humiles fecit domuitque superbos, et tu cum requie magnus es inter eos.

|| 5 Als Beispiel der Beginn des letztgenannten Bibelgedichtes, entsprechend 1 Reg. 1,1: Olim vir fuit unus et huic fuit Helcana nomen, / Vir de monte Effraim de Ramataque Sophim. / Anna sibi sterilis uxor, fecunda Fenenna: / Lector, ab his et in his mistica sumpta tene. / Elcana namque ‘dei possessio’ voce Latina, / nec minus est ‘altum’ Rama, Sophim ‘specula’: / Qui vult esse dei possessio stet vir in alto, / in mentis specula monteque frugifero … Zu diesem Text vgl.: HALVARSON, Bernardi Cluniacensis carmina.

Eine unedierte Regum-Dichtung aus dem 12. Jh. | 257 

295

Israel uxores dederat tibi nobiliores et quicquid superest, quod dare nemo potest. Tu quoque morte viri gaudens uxore potiri pro dupplici vitio dignus es exicio.‘

Die Absenz exegetischer Erläuterungen, überhaupt das Fehlen aller lehrhaften Gestik machen übrigens auch die Kloster- oder Kathedralschule, genauer: deren Unterricht, als Umfeld und Begründung für die Entstehung dieser Paraphrase sehr unwahrscheinlich. Das Gedicht übertrifft (oder, je nach Sichtweise, unterbietet) darin sogar annähernd gleichzeitige volkssprachliche Texte wie beispielsweise die ‚Jüngere Judith‘, wo zwar auf Exegese im Einzelnen weitgehend verzichtet, die Gesamterzählung aber durchaus in ein didaktisches Beweisziel eingebunden wird; was automatisch auch ein definierteres Hervortreten von Sprech- und Rezipientenperson des Textes mit sich bringt, als es die diesbezüglich selbst im prologus unergiebigen Libri Regum aufweisen.6 Eine weitere, freilich nicht so auffällige Lücke betrifft zeithistorisch-politische Motive. Die Entstehungszeit des Bibelgedichtes, die man schon aus Gründen der äußeren Form auf das Hochmittelalter eingrenzen wird, ließe eine Instrumentalisierung der Bücher der Könige im Kontext des Investiturstreites immerhin möglich erscheinen. Doch außer dem Umstand, dass 1 Reg. 24,7 (propitius sit mihi Dominus, ne faciam hanc rem domino meo, christo Domini, ut mittam manum meam in eum, quia christus Domini est) tatsächlich in der Gestalt ‚Christus‘ ait ‚Domini non cadet ense meo.‘ erscheint (Lib. Reg. 1,668), welche einem dezidiert königsfeindlichen Autor unter Umständen so nicht aus der Feder geflossen wäre, ist auch Derartiges, soweit ich sehe, im Text kaum anzutreffen; womit zunehmend jede naheliegende Erklärung dafür, weshalb jemand überhaupt die theologisch nicht sonderlich bedeutenden Bücher der Könige paraphrasieren sollte, entfällt. Offenbar bestand das recht schlichte Bedürfnis, just diese Bücher in metrischer Form lesen zu können, ohne dass damit ein auf den ersten Blick erkennbarer weiterer Zweck verbunden gewesen wäre. Dies fürs Erste akzeptierend wende ich mich der Autorenfrage zu. Francesco Stella kommt in seiner Studie, gestützt auf die Selbstaussagen der Ich-Instanz im prologus und auf allgemeine Beobachtungen am Text zu folgenden Punkten: (1) Der Autor sei sehr belesen in antiker und mittelalterlicher Literatur. Nun ist der Grad solcher Belesenheit schwer messbar, und manche der Parallelstellen, die Stella zu

|| 6 Vergleichende Studien zur volkssprachlichen und mittellateinischen Bibeldichtung des Hochmittelalters sind rar, daher vgl.: NAUMANN, Dichter und Publikum, 73f. – Zur ‚Jüngeren Judith‘ vgl. LÄHNEMANN, Hystoria Judith, 131–168. – Lateinische Bibeldichtung ohne erklärende Zusätze ist im Hochmittelalter ein Randphänomen, am ehesten ist auf das Pentateuchgedicht eines Hugo von Amiens aus dem 12. Jh. zu verweisen: vgl. MANITIUS, Geschichte 3, 814f.

258 | Gottfried E. Kreuz  der von ihm edierten Textprobe anführt,7 scheinen mir eher den modernen Möglichkeiten der Datenbanksuche als tatsächlichen Kenntnissen des Autors entsprungen: Ich würde die Literaturkenntnisse des Anonymus eher recht durchschnittlich einschätzen. – (2) Der Verfasser deutet im prologus an, er habe bereits ein Makkabäergedicht geschrieben. Deren sind zwei bekannt aus dem Hochmittelalter, eines von Marbod von Rennes, ein weiteres, das aus einer verlorenen Handschrift aus Auxerre unter den Werken des Hildebert von Lavardin (1056–1133) ediert wurde (Walther 16545). Von den beiden scheidet Marbod aufgrund offenkundiger stilistischer und, wie ich mir zugunsten Marbods zu ergänzen erlaube, qualitativer Differenzen sicher aus. Das zweite zeigt mit seinen aufwändigen leoninischen Hexametern und seiner stark narrativen Durcharbeitung des Materials im Grunde einen kaum weniger abweichenden Stil, wird von Stella aber immerhin als Möglichkeit mit dem ansonsten als verloren zu betrachtenden Makkabäergedicht des prologus identifiziert; die Autorschaft Hildeberts für das eine wie das andere Stück sei dann nicht völlig auszuschließen.8 – Zur Stützung dieser doch kühnen Autorenzuweisung deutet Stella (3) die Widmung der Regumparaphrase an einen als Maxime pontificum, Romane signifer aule, / Carnotensis apex et pater urbis ave (prol. 1f.) bezeichneten Bischof von Chartres auf Ivo von Chartres (1090–1115).9 Dieser hatte allerdings, was die zitierte Formulierung aber doch nahelegen würde, nie die Kardinals- oder Legatenwürde inne, wenngleich er wichtiger Parteigänger der Päpste Urban II. (gegen Philipp I. von Frankreich) und Paschalis II. (gegen Ks. Heinrich V.) war. Besser würde meines Erachtens Ivos Nachfolger Gaufridus (Gottfried) II. (1116–ca. 1149) passen, der immerhin zeitweise als apostolischer Legat tätig war. Überdies erwähnt prol. 9 noch einen archidiaconus Robertus, der sich offenbar nicht identifizieren lässt; immerhin aber wurde ein Robert (II.) der mittelbare Nachfolger Gottfrieds als Bischof (1156–1164), kann also ganz gut unter diesem bereits Archidiakon von Chartres gewesen sein. In diesem Zusammenhang ist von Interesse, dass ein Canonicus ausgerechnet von Saint-Victor, Jean Picard († 1617) in einer entlegenen Notiz das erste Distichon des prologus der Libri Regum ausdrücklich auf Bf. Gottfried bezieht und als Autor Matthäus von Vendôme vorschlägt.10 Zu diesem existiert in der Tat eine Verbindung, || 7 STELLA, Nuovi testi, 424; vgl. die Similienstellen, die Stella zu seiner Probeedition auflistet: ebd. 426–435. 8 Ebd., 422f. 9 Ebd., 421f. 10 Sancti Bernardi Claraevallensis abbatis primi, religiosissimi ecclesiae doctoris (…) opera omnia (…) Accesserunt S. Bernardi aliquot Epistulae è Bibliotheca S. Victoris Parisiensis nunquam editae, & notae F. Io. Picardi, eiusdem monasterii Canonici Regularis, in easdem & reliquas S. Bernardi Epistolas. (…), Parisiis, M.DCIX. Dort col. 2225 der Kommentar zur Inscriptio von epist. 55: Fidelissimo ac prudentissimo dei servo Gaufrido Carnotensi episcopo. Nemo autumarit hancce appellationem tantum verbosam, cum legerit l. II. vitae S. Ber. cap. I. II. VI. l. III. cap. V. l. IIII. cap. IIII. Quin ipsummet S. Bern. l. IIII. de considerat. exclamantem: Sed o mihi locum suavem, ubi incidit occasio memorandi

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beginnt doch seine Tobias mit den Worten Ecclesie Turonensis apex, ovium speculator / et speculum, presul Bartholomee, fave. Die Regumparaphrase von Saint-Victor müsste dann ein Jugendwerk des Matthäus sein – nicht auszuschließen, doch wohl auch kaum zu beweisen.11 Immerhin würde man sich dieser Spekulation noch eher anbequemen wollen als der Annahme, das vers- und vor allem reimtechnisch unregelmäßige und inhaltlich unambitionierte Opus gehöre, die Richtigkeit der Datierung unter Gottfried II. von Chartres vorausgesetzt, dem späten Hildebert, wenn es auch in der einzigen erhaltenen Handschrift mit dessen Werken vergesellschaftet ist.12 Weitaus wichtiger erscheinen die Parallelen zwischen den Libri Regum von Saint-Victor und einer weiteren Regumparaphrase (Walther 7690), die (schon wieder) aus einer verlorenen Handschrift aus Auxerre publiziert13 und in PL 171, 1239–

|| et nominandi suavissimi odoris, Episcopum loquor Gaufridum Carnotensem, qui legationem in partibus Aquitaniae propriis sumptibus administravit, idque annos plures, etc. Non abs re igitur Anonymus (forsan Matthaeus Vindocinensis) eum praefatur initio l. I. Reg. Maxime pontificum, Romane signifer aule, / Carnotensis apex et pater urbis, ave. (…) Excessit tandem Gaufridus anno MCXXXVIII. VIII. cal. feb. – Es wäre interessant, worauf Picard diese Zuweisung an Matthäus stützte: auf Spekulationen analog zu meinen, oder auf explizite Information aus der ihm vorliegenden Handschrift, die mit dem heutigen Paris. Lat. 14758 ja nicht identisch gewesen sein muss? Sie wird jedenfalls spätestens in der großen Histoire Littéraire de la France der Mauriner und der Academie, Bd. 15, Paris 1820, 428, zurückgewiesen (s. v. Matthäus von Vendôme im Anschluss an die Besprechung von dessen Tobias): „Nous ne lui attribuerons pas de même, comme l’a fait Jean Picard, une traduction des livres des rois en vers latins, dédiée à Geoffroy, évêque de Chartres, qui se trouvait apparement parmi les manuscrits de la bibliothèque de Saint-Victor. Cet évêque mourut en 1148, et il est évident que Mathieu de Vendôme n’a fleuri que sur la fin de XIIe siècle.“ Dazu vgl. freilich die folgende Anmerkung. 11 Die Lebensdaten des Matthäus von Vendôme sind recht unsicher, doch eine frühe literarische Betätigung vor der Mitte des 12. Jahrhunderts kann keineswegs ausgeschlossen werden. Auch Folgendes ist zu bedenken: Matthäus verbrachte große Teile seines Lebens in Tours, wo nicht lange zuvor († 1133) Hildebert von Lavardin Bischof gewesen war. Sein Lehrer Bernardus Silvestris wiederum war sowohl in Chartres als auch in Tours tätig. Die Überlieferungssituation, in welcher die einem Bischof von Chartres gewidmeten Libri Regum in Gemengelage mit Werken Hildeberts erscheinen und Parallelen zu anderen Werken aufweisen, die unter dessen Namen überliefert sind, bietet nun auch ihrererseits eine Verbindung zwischen Chartres und Tours: Ganz unmöglich erscheint Matthäus’ Verfasserschaft also nicht. 12 STELLA, Nuovi testi (420; ebd. 426–435 die Anm. zu Lib. Reg. Prol 2. 21. 28 und zu Lib. Reg. 1, 27. 43. 55. 107. 111. 130) findet in der Tat einige wörtliche Parallelen zwischen der Regumparaphrase und Hildebert, freilich meist dessen Epigrammata biblica, die bei MANITIUS, Geschichte, 858 ζ, just unter den fraglichen Werken Hildeberts erscheinen. Außerdem ist dieser einer der meistgelesenen und meistnachgeahmten Autoren seiner Zeit: Bei einem wohl etwas anlehnungsbedürftigen Poeten, noch dazu einem im Umfeld von Chartres und damit in der Loireregion sich lokalisierenden, Anleihen Lavardin’scher Provenienz zu finden, überrascht indes nicht, eher wäre das Gegenteil verwunderlich. 13 Venerabilis Hildeberti primo Cenomanensis Episcopi deinde Turonensis Archiepiscopi Opera … Labore et studio S. Antonii Beaugendre (…), Parisiis 1708. Die Handschrift, die dem Prämonstraten-

260 | Gottfried E. Kreuz  1264 zuletzt gedruckt wurde und auf die gleichfalls Stella bereits hingewiesen hat:14 Mögen sie auch nicht sehr zahlreich und weit verstreut sein, sind sie doch in einigen Fällen schlagend; zwei Beispiele: Lib. Reg. 1,1: Helcana de Ramatha de civibus Israel unus Paraphrase Walther 7690,1,1: Helcana de Ramatha Phenennae sponsus et Annae 1 Reg. 1,1f.: Fuit vir unus de Ramathaimsophim de monte Ephraim, et nomen eius Helcana, filius Hieroam filii Heliu filii Thau filii Suph Ephratheus, (2) et habuit duas uxores: nomen uni Anna et nomen secundae Fenenna. Lib. Reg. 4,47f.: Cumque fuere loco, secernitur unus ab uno: igneus igniti currus adest et equi. Paraphrase Walther 7690,4,39f.: Res veniunt mirae, quibus est divisus uterque, Scilicet ex igni currus adest et equi. 4 Reg. 2,11: Currus igneus et equi ignei diviserunt utrumque. Stellas plausibler Einschätzung zufolge sind diese Parallelen stark genug, um entweder die Abhängigkeit von einer gemeinsamen Vorlage anzunehmen, oder aber die Libri Regum das – sehr punktuelle – Vorbild für die Paraphrase Walther 7690 sein zu || serkloster Saint-Martin-lès-Saint-Marien von Auxerre gehörte und deren Alter von Beaugendre mehrfach auf 500 Jahre oder mehr geschätzt wird, enthielt eine ganze Reihe von Gedichten, wie die jeweiligen einleitenden Bemerkungen Beaugendres und sein Syllogus manuscriptorum codicum auf der unpaginierten letzten Seite der Ausgabe zeigen: Neben der Regumparaphrase (Walther 7690; vgl. MANITIUS, Geschichte, 857) das schon erwähnte Makkabäergedicht (Walther 16545), De S. Vincentio (Walther 15156), eine Passio S. Agnetis (Walther 696), De inventione Sanctae Crucis (Walther 16711), die verbreitete Vita beatae Mariae Aegyptiacae (Walther 18159) sowie einige kleinere Gedichte: Walther 5991, 12488 (= 22 Scott), 13106, 17665, 17585, 6509. Eingeschlichen hatte sich in diese Reihe von mehr oder minder echten Hildebertiana noch Walther 7450, ein Gedicht Petrus Rigas zur biblischen Susanna, wie überhaupt die Zusammenstellung Beaugendres bis zu einem gewissen Grad mit dessen Floridus aspectus übereinstimmt: vgl. MANITIUS, Geschichte, 826–831. Zur Quellenlage vgl. auch Beaugendres praefatio, ebd., p. XII: “Sed qui plura nobis Hildeberti carmina protulere, ii praecipue fecerunt manuscriptus codex Sancti Taurini Ebroicensis, Peronianus supra memoratus, et alter manuscriptus Codex Sancti Monasterii Sancti Mariani Altissiodorensis, Praemonstratensis Ordinis, quem nobis a reverendissimo Patre Priore monasterii illius nobis obtinuit doctissimus et reverendissimus Pater Dominus Hubertus Maillard, Prior Sancti Germani Altissiodorensis, in quo videlicet tria vel amplius millia carminum deteximus, in illo fere solo reperta, sicut et in Ebroicensi multa invenimus in nullo alio relata.” 14 STELLA, Nuovi testi, 420f.

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lassen. Immerhin: Diese Paraphrase mit ihrer merkwürdig von Buch zu Buch ansteigenden Verszahl (128–190–416–616) entpuppt sich bei näherem Hinsehen als Epigrammserie, gehört also der Titulitradition und damit einer so verschiedenen Gattung an, dass Differenzen zwangsläufig zu erwarten sind; auch bieten beide Texte biblisches Material, das der jeweils andere auslässt (man vergleiche etwa Lib. Reg. 4,41–78 mit Walther 7690,4,29–54); schließlich ist die Epigrammserie viel regelmäßiger gereimt, wenngleich die Libri Regum durch alle vier Bücher eine ständige Zunahme des Reims aufweisen: Könnte also ein (angehender?) Dichter erst die Libri Regum, dann jene Epigrammserie verfasst haben? Erneut wird man dies für möglich, aber unbeweisbar erklären müssen. Interessante Hinweise bietet schließlich noch die Handschrift der Libri Regum selbst. Der relativ großformatige Codex (355 x 245 mm) besteht bei aller Regelmäßigkeit von Schrift, Zeilenspiegel und allen sonstigen äußeren Merkmalen aus drei bis vier durch Leerseiten voneinander abgegrenzten Teilen. Das Inhaltsverzeichnis, von einer Hand ca. des 15. Jahrhunderts vor Beginn der ersten Lage nachgetragen, umfasst auch den Inhalt der heute verlorenen ersten Lagen, wenn auch nur summarisch: Auf Prudentius (jedenfalls die Psychomachie, vermutlich weitere kleinere Gedichte)15 folgt, grob gesprochen, die neutestamentliche Bibeldichtung der Spätantike

|| 15 Der Codex beginnt heute mit fol. 17; vermutungsweise fehlen also zwei Quaternionen; die Foliierung dürfte von derselben Hand stammen wie der Index: OUY, Les manuscrits, 18, denkt an Claude de Grandrue als Verfasser, was sich für mich der Überprüfbarkeit entzieht. Beginn und Ende desselben lauten wie folgt: Que secuntur hic habentur, scilicet: Plures libri metrice editi a diversis autoribus, scilicet: prudencius 1. sedulii libri quinque super evangelia: primus 8. secundus 10. tercius 12. quartus 14. quintus 15. Aratoris romane ecclesie subdyaconi super actus apostolorum libri duo: primus 20. (…) liber geneseos metricus cypriani: 83. liber sacramentorum super canonem misse: 85. quatuor libri regum metrificati: primus 91. secundus 96. tercius 100. quartus 106. A (?) dixerat hec et leta B (?) cedron tulit horum. C (?) 112 et usque 115. Die letzten drei Einträge betreffen einerseits die leeren Blätter ab 112, andererseits zwei durch Zitate bezeichnete Stellen. Mit cedron tulit horum endet der Vers Lib. Reg. 4,969, der letzte Vers auf fol. 111v, worauf noch ein teilweise beschriebenes Blatt folgt. Das dixerat haec et laeta hingegen wird man im Codex heute vergeblich suchen, es ist der Versbeginn von Prud. psych. 98 und, spiegelbildlich zur vorigen Angabe, höchstwahrscheinlich der erste Vers einer Rectoseite: Denn vor diesem Vers müssen 165 weitere gestanden sein (Prud. psych. praef.: 68 Verse, zuzüglich psych. 1–97), was bei einem Zeilenspiegel von 176 Versen pro Blatt just einem Blatt entspricht, wenn man einige Zeilen für Titel, mögliche Zwischentitel und Leerzeilen zwischen Abschnitten einrechnet. Im Codex stand also nachweislich Prudentius᾽ Psychomachie. Nimmt man an, dass diese auf dem ersten Blatt recto begann, das dixerat haec et laeta also den Beginn von 2r1 bildete, blieben bis zum Beginn des Sedulius irgendwo auf Blatt 8 noch sechs Blätter (zuzüglich eines Teils von fol. 8, das aber mindestens die ersten 78 Verse des ersten Seduliusbuches getragen haben muss, wenn man mit einem vollständigen Seduliustext rechnet und vom Einsatz des Erhaltenen mit Sedul. carm. pasch. 5,172 auf fol. 17v1 her die davor fehlenden 1486 Verse des Carmen paschale zurückrechnet, ohne noch Platz für Buch- und Abschnittstitel oder Leerzeilen zu kalkulieren) zur Verfügung, auf denen man die Psychomachie problemlos unterbringt: Sie würde nur weitere fünf Blätter beanspruchen. Auf den noch übrigen ein bis anderthalb wäre immerhin noch Raum genug für kleinere Texte des Prudentius, am ehesten das in einer direkten Abschrift von Paris BN

262 | Gottfried E. Kreuz  zuzüglich der Epigramme Prospers in der Abfolge Sedulius–Arator–Prosper–Iuvencus (fol. 17r1–64r1). Nach einer Leerseite schließt sich daran ein alttestamentlicher Block (65r1–84v1): Ps.-Hil. Metrum in Genesin, der AT-Teil des Cento Probae, Ps.-Cypr. De Sodoma, die ersten vier Bücher De spiritalis historiae gestis des Alcimus Avitus, Dracontius’ De laudibus Dei (Drac. 1,118–754) in der Rezension des Eugenius und die ersten 165 Verse des Genesisbuches der Heptateuchdichtung, die von diesem Codex aus als Genesis Cypriani ein überlieferungsgeschichtliches Eigenleben zu führen beginnen, das noch zur Edition dieses Fragmentes in von Hartels Cyprianausgabe führte. Nach nur wenigen Zeilen endet dieser letzte Text aber in der ersten Spalte einer sonst freigebliebenen Seite, es scheint also die Vorlage nicht weiter gereicht zu haben. Ein ähnliches Phänomen ist zuvor schon festzustellen, wenn fol. 43r2 die Epigramme Prospers enden, 43v unbeschrieben ist, fol. 44r1 aber der Schluss einer Capitulaliste zum ersten Buch des Iuvencus (cap. 48 nolite thesaurizari in terra – 66 de socru petri) erscheint: Auch den übrigen Büchern des Iuvencus sind im Codex solche Listen vorangestellt, die zum ersten Buch aber ist unvollständig, obgleich fol. 43v Platz für sie gelassen wurde. Wieder also mangelte es anscheinend an der Vorlage, und dieses mehrfache Auftreten desselben Problems deutet m. E. stark auf einen Abschreibprozess in einer Art von Pezienverfahren hin, der wiederum zum Umfeld der Abtei Saint-Victor passt; es dürfte also bei diesen Textabbrüchen wie auch den weiteren Leerseiten in Paris. Lat. 14758 weniger mechanischer Verlust in der Vorlage oder Kompilation aus ganz verschiedenen Quellen die Ursache sein als unregelmäßige Verfügbarkeit einer selbst breits partitionierten Vorlage und dadurch erschwerte Planungsmöglichkeiten für den Schreiber. Von der bisherigen Konzentration auf spätantike und vor allem Bibeldichtung weicht der Codex allerdings ab, indem er 85r1–89r1 Hildebert von Lavardins Versus de mysterio missae, 89r1–89v2 das Gedicht De missa (Walther Nr. 8736) desselben Autors sowie einige anonyme Verse (Walther 17573) bringt, fol. 90 komplett unbeschrieben lässt und sodann (91r1–112v2) ohne weitere Lücken als letzten Text die Libri Regum bietet. Der Codex kombiniert also eine Sammlung vornehmlich neutestamentlicher Bibelgedichte (zuzüglich der Psychomachie des Prudentius, die je nach Leseweise aber als überzeitliches christliches Universalepos gelten kann) mit einer anderen Sammlung von Gedichten zum Buch Genesis, die heute als Kompilation des Wigbod aus karolingischer Zeit bekannt ist; nur dass sie hier mit Vers 165 des Genesisbuches

|| Lat. 14758, Paris BN Lat. 8321, erscheinende, doch dort anders placierte Dittochaeon (192 Verse: gut ein Blatt; auch die Hauptpraefationes mit zusammen 57 Versen wäre noch Platz), eventuell aber auch für den einen oder anderen Hymnus: Derlei Kleinigkeiten verzeichnet der Index nicht, wie er auch die 18v1 beginnenden beiden Hymnen des Sedulius, zwischen die noch das Gedicht Sedulius Domini per culta novalia pergens eingeschoben ist, nicht extra auflistet. – Für Unterstüzung in paläographischen und kodikologischen Belangen danke ich herzlich Eva Kreuz und Lukas Dorfbauer.

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der Heptateuchdichtung abbricht.16 Prinzipiell würde nun die Regumparaphrase sich gut in bzw. an diesen alttestamentlichen Block fügen, stünde nicht jene kleine Gruppe von (Ps.-)Hildeberttexten dazwischen: Diese passen zwar zum literaturgeschichtlichen und vielleicht auch überlieferungsgeschichtlichen Umfeld der Libri Regum, weniger gut aber zum bibelepischen Kontext des Paris. Lat. 14758, wo sie eher als Fremdkörper erscheinen. Wenn man aber bedenkt, dass der Abschreibprozess auch an anderen Stellen offenkundig Schwierigkeiten bereitete, wäre es dann denkbar, dass die Hildebertiana von fol. 85r1–89v2 nur in Ermangelung des eigentlich intendierten Textes als Lückenfüller an die Stelle des offenbar nicht zur Verfügung stehenden weiteren Textes des Genesisbuches aus der Heptateuchdichtung gesetzt wurden, eventuell aufgrund ihrer Vergesellschaftung mit den Libri Regum in der dem Schreiber vorliegenden Überlieferung? Freilich, der vorhandene Platz zwischen jenem Textabbruch von Hept. gen. 165 und dem Beginn der Libri Regum würde maximal für 1056 Verse reichen anstelle von 1333, die nötig wären, um Hept. gen. vollständig unterzubringen: Doch besteht – mit eigenen Augen gesehen habe ich den Codex leider nicht – immerhin die Möglichkeit einer Lagengrenze im fraglichen Bereich, die dem Schreiber ein beliebiges Offenhalten ermöglicht hätte. Betrachtet man nämlich den Beginn der Heptateuchdichtung und die Libri Regum als zusammengehörige Blöcke, so ergeben sich zwei sonderbare Zusammenhänge. Erstens reicht die Heptateuchdichtung,17 wie ihr Name sagt, bis inklusive Iudices; von einst wohl existierenden weiteren Büchern ist bis auf minimale Fragmente nichts erhalten, und dieser Zustand dürfte bereits im Hochmittelalter vorgelegen sein. An Iudices aber schließen sich im AT, abgesehen von dem kleinen Buch Ruth,18 die Bücher der Könige. Die komplette Heptateuchdichtung zusammen mit den Libri Regum in einer Handschrift zu vereinen ergäbe also durchaus Sinn, und die von Wigbod herrührende Überlieferungslinie, auf die Paris. Lat. 14758 im alltestamentlichen Bereich zurückgeht, bot den Heptateuch in der Tat komplett. Zweitens ähneln Heptateuchdichtung und Libri Regum einander hinsichtlich ihrer vergleichsweise trockenen, auf Exegese verzichtenden Paraphrasentechnik, mag auch das mittelalterliche Werk das spätantike darin noch deutlich übertreffen. Trotz dem abweichenden Metrum, das den stark vergilisierenden spätantiken Hexameter durch andeutungsweise gereimte Distichen ersetzt und damit dem Zeitgeschmack huldigt, ließen || 16 Zu Wigbod und zu weiterführender Literatur vgl. zuletzt KREUZ, En habes en promptu, 580–601; DERS., Poeta quid cecinerit audiamus! 17 Zu ihr vgl. HERZOG, Bibelepik, bes. 52–145; PETRINGA, La fortuna, 511–536; DIES., L’attribuzione, 165–182; HOMEY, Anmerkungen zur Heptateuchdichtung, 151–174; JAKOBI, Datierung der Heptateuchdichtung, 124–129. Der Datierungsvorschlag des Letztgenannten (nach der Alethia des Marius Victor[ius]) ist interessant, seine eingangs getroffene Feststellung, der Heptateuchdichter werde est im 12. Jh. als ‚Cyprianus‘ bezeichnet, ist indes irrig: Schon im Cod. Laon BM 279 (9. Jh.), fol. 22v, erscheint das erste Buch als Liber geneseos metricus Cipriani. 18 … das übrigens bereits durch Marbod von Rennes eine metrische Paraphrase erhalten hatte: vgl. MANITIUS, Geschichte, 721.

264 | Gottfried E. Kreuz  sich Heptateuchdichtung und Libri Regum daher ohne weiteres als zusammengehörige, mindestens zusammenpassende Texte lesen. Drittens weist die Heptateuchdichtung eine für die Gattung Bibeldichtung ungewöhnliche Eigenheit auf, die Wiedergabe der für die christliche Liturgie ja bedeutenden biblischen Cantica in gegenüber der restlichen Paraphrase abweichendem lyrischem Versmaß, konkret im Phalaeceus. Die Libri Regum enthalten nun zwar keine Phalaeceen, doch ausgerechnet an der einen Stelle, an der sie ein biblisches Canticum zu bieten hätten (2 Reg. 22: Dominus petra mea), lassen sie, und es ist dies die einzige derart umfangreiche Lücke und zugleich die einzige, die eine inhaltlich relevante Passage betrifft, den gesamten Text aus. Was vorliegt, ist ein merkwürdiges Provisorium, Lib. Reg. 2,655– 672: 655 * Pugna sequens in Goth fuit et de styrpe gigantum Sobbachai gladio de Usati Seph cecidit. * Tercia rursus ibi forteque vir a deo datus Goccheum Goliat Bethleemita necat. * In Geth quarta fuit, ubi vir procerus et ingens 660 qui blasphemavit Israel occubuit; qui senos manibus digitos pedibusque gerebat, percussitque nepos regis eum Ionathan. * Subcubuit bellis David gens facta rebellis, tunc psalmus Domino conditus est ab eo. 665 Psalmographus David doctissimus inter Hebreos; inter tres fortes maximus unus erat. Hic octingentos ruit impetuosus in hostes atque repentina morte peremit eos. * Eleazar socius et in Allophilos furor eius, 670 donec cum gladio diriguere manus. Tercius est Semma, qui cum fugiente caterva lentis agrum servat, agmina versa fugat.

(2 Reg. 21,18) (2 Reg. 21,19) (2 Reg. 21,20f.)

(2 Reg. 21,22) (2 Reg. 22,1) (~ 2 Reg. 23,1) (~ 2 Reg. 23,9) (2 Reg. 23,8) (2 Reg. 23,10) (2 Reg. 23,11)

Man sieht, die Auslassung des Dominus petra mea hat sogar am Text Spuren in Gestalt der wenig sinnvollen Verse 665f. hinterlassen, die den Faden der biblischen Erzählung nur recht holprig und mit einiger Unklarheit, von wem in welchem Vers die Rede ist, wieder aufnehmen; woraus man den Schluss ziehen wird, dass eine Paraphrase des Canticums prinzipiell beabsichtigt war (was ohnedies anzunehmen ist). Da kaum vorstellbar ist, dass ausgerechnet dieser Abschnitt in der Überlieferung ausgefallen ist, bleibt nur die Vermutung, dass der Verfasser selbst in seinem übrigens recht flotten Arbeitsprozess19 fürs Erste auf die Passage verzichtete und

|| 19 Lib. Reg. prol. 3f.: Quattuor et semis confectum mensibus ad te / Non sine te ceptum dirigo, presul, opus.

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später keine Gelegenheit fand, sie nachzutragen. Inhaltliche Gründe für einen solchen Verzicht sind keine zu erkennen: Doch wie wäre es mit technischen Gründen? Ist es unvorstellbar, dass ein eventuell noch junger und/oder ungeübter Dichter die Paraphrase des Canticums verschob oder für einen versierteren Kollegen vielleicht im selben Skriptorium aufsparte, weil er es in einem ihm nicht geläufigen Versmaß wiedergeben wollte? Erneut deutet sich eine Verbindung zur spätantiken Heptateuchdichtung an. Es scheint nach alledem zwar nicht more mathematico beweisbar, doch aus verschiedenen Gründen plausibel, in den Libri Regum ein hochmittelalterliches Supplement zur Heptateuchdichtung und damit einen recht ungewöhnlichen Vertreter der Bibeldichtung zu sehen, zugleich möglicherweise die Fingerübung eines angehenden Poeten. Beides fordert zu eingehenderer Untersuchung dieses Werkes auf, dessen Edition ich, wie oben schon gesagt, für die nächsten Jahre vorbereite.20

|| 20 Als Nachtrag sei noch auf einen anscheinend verlorenen Codex in Cluny hingewiesen, der gemäß dem Katalog dieser Bibliothek ca. aus dem Jahre 1160 folgenden Inhalt bot: Volumen in quo continetur Alchimus episcopus in Eptateuchum versifice, et in libros Regum, Paralipomena, Hester, Iudith, Machabeorum, et opusculum de veteri Testamento, nativitate ac passione domini, excerptum de Virgiliano, de sententia dei, de diluvio mundi, de originali peccato, de transitu maris rubri et de enigmatibus variarum rerum (nach Rudolf Peipers Ausgabe des Alcimus Avitus, MGH AA 6,2, Berolini 1883, LXVIII). Die Handschrift enthielt also entweder neben dem Cento Probae und dem echten, doch um sein letztes Buch verkürzten Alcimus noch eine vollständige(re) Form der Heptateuchdichtung als die heute vorhandene, in der Mühle karolingischer Sammeltätigkeit beschnittene (was recht unwahrscheinlich ist), oder aber sie hatte diese karolingische Sammeltätigkeit und die mit ihr verbundenen Mutationsprozesse durchlaufen, worauf das Fehlen des sechsten Alcimus-Buches hinweisen würde, und ergänzte den Heptateuch um mittelalterliche Paraphrasen, die nicht nur die Bücher der Könige und der Makkabäer betrafen (beides kann mit den Werken des anonymen Dichters der Libri Regum zusammenfallen), sondern auch die restlichen historischen Bücher des AT. Die Hinzufügung von Rätseln, gleichgültig ob es sich dabei um die des Symphosius, um Aldhelms De metris ac enigmatibus oder eine andere Sammlung handelte, könnte auch ihrerseits ein Indiz für eine Herleitung des Codex aus der Schulcorpora-Tradition des achten und neunten Jahrhunderts sein, und schließlich ist weder auszuschließen, dass der Verfasser der Libri Regum (und einer Makkabäerparaphrase) auch noch weitere Bücher des AT versifizierte, noch, dass ein ‚Nachahmungstäter‘ den Schritt zur Komplettierung des alttestamentlich-historisch-epischen Zyklus setzte. Vgl. KREUZ, Poeta quid cecinerit audiamus!

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Bibliographie HALVARSON, K. (ed.), Bernardi Cluniacensis Carmina de trinitate et de fide catholica, de castitate servanda, in libros Regum, de octo vitiis, rec. K. H., Stockholm (u. a.) 1963 (Acta Universitatis Stockholmensis. Studia Latina Stockholmensia 11) HERZOG, R., Die Bibelepik der lateinischen Spätantike. Formgeschichte einer erbaulichen Gattung, Bd. 1, München 1975 (Theorie und Geschichte der Literatur und der schönen Künste. Texte und Abhandlungen 37). HOMEY, H. H., Anmerkungen zur Heptateuchdichtung des Cyprianus Gallus, RhM 152 (2009), 151– 174. JAKOBI, R., Zur Datierung der Heptateuchdichtung,Hermes 138 (2010), 124–129. KREUZ, G. E., Pseudo-Hilarius. Metrum in Genesin, Carmen de Evangelio. Einleitung, Text und Kommentar, Wien 2006 (ÖAW, SBph 752; Veröffentlichungen der Kommission zur Herausgabe des Corpus der Lateinischen Kirchenväter 23). KREUZ, G. E., En habes en promptu, o rex, quod iusseras olim! Wigbods Sammlungen von Bibeldichtungen und Bibelkommentaren, in: Pietas non sola Romana. Studia memoriae Stephani Borszák dedicata, ed. L. HORVÁTH (u. a.), Budapest 2010, 580–601. KREUZ, G. E., Poeta quid cecinerit audiamus! Zum Einfluß karolingischer Sammeltätigkeit auf die Überlieferung spätantiker Bibeldichtungen, Scriptorium 2014 (in Druck). LÄHNEMANN, H., Hystoria Judith. Deutsche Judithdichtungen vom 12. bis zum 16. Jahrhundert, BerlinNew York 2006 (Scrinium Friburgense 20), 131–168. MANITIUS, M., Geschichte der lateinischen Literatur des Mittelalters, 3, München 1931 (HbdA 9,2,3). NAUMANN, B., Dichter und Publikum in deutscher und lateinischer Bibelepik des frühen 12. Jahrhunderts. Untersuchungen zu frühmittelhochdeutschen und mittellateinischen Dichtungen über die kleineren Bücher des Alten Testaments, Nürnberg 1968 (Erlanger Beiträge zur Sprach- und Kunstwissenschaft 30). OUY, G., Les manuscrits de l’abbaye de Saint-Victor. Catalogue établi sur la base du répertoire de Claude de Grandrue (1514), Bd. 2, Turnhout 1999 (Bibliotheca Victorina 10). PETRINGA, M. R., La fortuna del poema dell’‚Heptateuchos‘ tra VII e IX secolo, in: La scrittura infinita. Bibbia e poesia in età medievale e umanistica. Atti del Convegno di Firenze, 26–28 guigno 1997 …, ed. F. STELLA, SISMEL (Firenze) 2001, 511–536. PETRINGA, M. R., L’attribuzione e la cronologia del poema dell’ ‚Heptateuchos‘. Una questione di metodo, Sileno 33 (2007), 165–182. ROBERTS, M., The Jeweled Style. Poetry and Poetics in Late Antiquity, Ithaca 1989 STELLA, F., Nuovi testi di poesia biblica fra XI e XII secolo: un secondo „Liber Regum“ dello pseudoIldeberto. Testo del prologo e dei vv. 1–214, in: Latin Culture in the Eleventh Century. Proceedings of the Third International Conference on Medieval Studies, Cambridge, September 9–12 1998, ed. M. W. HERREN – C. J. MCDONOUGH – R. G. ARTHUR, 2 Bde., Turnhout 2002, 2, 410–435.

[email protected] FB Altertumswissenschaften, Klassische Philologie/Latinistik Universität Salzburg

Franz Römer

Augustinus eremita? Streiflichter aus dem Dauerstreit über ein monastisches Aition* Von den vier großen Bettelorden des Mittelalters konnten drei ihre Gründung bzw. päpstliche Anerkennung auf die frühen Jahre des 13. Jahrhunderts zurückführen: Dominikaner 1206, Franziskaner um 1210, Karmeliter spätestens 1214. Erst um die Mitte des Jahrhunderts schlossen sich mehrere asketische Mönchsgruppen in der Toskana zu einer Gemeinschaft zusammen, die Papst Alexander IV. 1256 mit der Bulle Licet ecclesiae catholicae als Ordo Eremitarum Sancti Augustini anerkannte, nachdem ihn der Heilige selbst – nach einer ab dem 14. Jahrhundert nachweisbaren Legende – in einer Vision dazu inspiriert hatte. Wollte der neue Orden neben den älteren als (mindestens) gleichrangig anerkannt werden, so brauchte er nicht zuletzt eine über jeden Zweifel erhabene, hochangesehene Gründerpersönlichkeit,1 als die er, wenig überraschend, den Heiligen Augustinus selbst in Anspruch nahm. Man ging davon aus, dass Augustinus nicht nur ein mönchisches, ja asketisches Leben geführt, sondern auch den Orden gegründet hatte, was man mit Hilfe von dessen Werken, vor allem der Confessiones, und der Vita Augustini des Possidius beweisen zu können glaubte und dafür auch im mittelalterlichen (biographisch-)hagiographischen Schrifttum einige ‚Vorarbeiten‘ fand. Eine entsprechende Tradition dürfte sich bald gebildet haben, ist aber erst ab etwa 1330 in einander aufgreifenden und ergänzenden Quellen nachweisbar, wie die neuere und neueste Forschung in ausführlichen Analysen gezeigt hat.2 Selbstverständlich sind die Ansprüche der Augustiner-Eremiten nicht ohne Widerspruch geblieben, speziell von Seiten der Regularkanoniker, der Canonici Regulares Sancti Augustini, deren Zusammenschluss, wenn auch in eher lockerer Form, immerhin schon im 11. Jahrhundert erfolgt war. Noch dazu hatte ihnen Papst Honorius III. bereits 1221 die Sorge für die Grabkirche des Heiligen Augustinus, S. Pietro in Ciel d’Oro, in Pavia mit dem dazugehörigen Kloster zugesprochen, aber die wirren (kirchen)politischen Verhältnisse des frühen 14. Jahrhunderts brachten den (besonders papsttreuen) Eremiten Vorteile. Mit der Bulle Veneranda Sanctorum Patrum vom 20. Jänner 1327 übertrug ihnen Johannes XXII. nicht nur die Pflege des Grabes

|| * Der Verfasser dankt Sonja Schreiner für ihre vielfache Unterstützung von der Literaturrecherche bis zur Fahnenkorrektur und entbietet dem Jubilar in beider Namen die besten Glückwünsche: AD MULTOS ANNOS! 1 WALSH, Bettelorden, 591f. 2 SAAK, High Way to Heaven, 187–234: The Creation of the Augustinian Myth; WESJOHANN, Mendikantische Gründungserzählungen, 497–671: Augustiner-Eremiten. – Beide Arbeiten befassen sich ausführlich mit der älteren Literatur.

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und die Messfeier in der Kirche, sondern bewilligte ihnen sogar ein eigenes Kloster neben dem der Kanoniker. Darüber hinaus bestätigte er mit der Formulierung Preceptoris vestri, Patris, Ducis, et Capitis Augustini die Ansprüche der Eremiten hinsichtlich ihres Gründers.3 Diese setzten nun ihrerseits beachtliche publizistische Initiativen und schufen innerhalb von zwei Jahrzehnten einen ‚augustinischen Mythos‘4 mit kühn erschlossenen ‚Fakten‘, die bis ins 17. Jahrhundert Gegenstand heftiger Kontroversen bleiben sollten. Fünf erhaltene Texte zeigen die Verdichtung der ‚Erkenntnisse‘: Eine zwischen 1322 und 1331 in Florenz (Santo Spirito) entstandene Vita Aurelii Augustini Hipponensis Episcopi5 weiß bereits, dass Augustinus bei seiner Taufe von Ambrosius eine Mönchskutte erhalten hat – es ist aber noch nicht ausdrücklich die der späteren Eremiten. Weiters lebte er eine Zeit lang zusammen mit alteingesessenen Mönchen in der Toskana und gab ihnen eine Regel – was aber nicht ausdrücklich mit der Gründung des Eremitenordens verbunden wird. Schließlich gründete er in Afrika mit Unterstützung des Bischofs Valerius ein Kloster innerhalb des Kirchenkomplexes von Hippo. Nach Aussage des um 1330 entstandenen, ebenfalls anonymen Initium sive Processus Ordinis Heremitarum Sancti Augustini hat Augustinus als Eremit (!) gelebt, eine Regel für Eremiten geschrieben und ein Kloster in Italien gegründet. In Afrika gründete er zuerst eines für Eremiten in einem von Valerius geschenkten Garten und dann als Bischof noch weitere Klöster. Nikolaus von Alessandria hielt 1332 in Paris einen Sermo de beato Augustino, um die Priorität der Augustiner-Eremiten vor allen anderen Orden zu erhärten. Danach hat Augustinus seine Regel im Jahr 392 (!) für die toskanischen Eremiten geschrieben. Der Ort seiner italienischen Klostergründung ist Centumcellae, wo er selbst zwei Jahre lang als Eremit lebte, bevor er in Afrika weitere Klöster gründete. Die Kanoniker, meint Nikolaus, dürfen sich nur deshalb Augustiner nennen, weil sie die Regel des Kirchenvaters übernommen haben, aber ihr Habit unterscheidet sie klar von den ‚wahren‘ Augustinern. Die erste Abhandlung, die ausdrücklich zur Verteidigung der von den Augustiner-Eremiten erhobenen Ansprüche geschrieben wurde, ist Heinrich von Friemars Tractatus de origine et progressu ordinis fratrum heremitarum et vero ac proprio titulo eiusdem (1334).6 Nur die Eremiten dürfen sich als Ordo Eremitarum Sancti Augustini bezeichnen, denn nur sie gehen direkt auf Augustinus zurück. Dessen asketischer Habit, seine Klostergründung in Centumcellae und andere ursprünglich strittige Punkte sind für Heinrich längst erwiesene Tatsachen. Die

|| 3 SAAK, High Way to Heaven, 160 mit Anm. 1. 4 So SAAK, High Way to Heaven, dessen Ausführungen bis Jordan von Quedlinburg hier nur kurz zusammengefasst werden. 5 ARBESMANN, Vita, 319–355; Datierung: 331f. 6 ARBESMANN, Henry of Friemar’s Treatise, 37–145. – In den Sukzessionslisten der Generalpriore, die Heinrich im zweiten Teil seines Werks folgen lässt, erklärt er die gewaltige Lücke zwischen Augustinus und dem 13. Jahrhundert notgedrungen mit der negligentia scribentium: JÄKEL, ... usque in praesentem diem, 136.

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Vision Alexanders IV. ist ihm ebenso geläufig wie den zwei zuletzt genannten Schriften. Der intensiven Publizistik der Eremiten hatten die Kanoniker offensichtlich nichts Gleichwertiges entgegenzusetzen, doch völlig verstummt sind auch sie nicht. In den frühen 1330er-Jahren entstand ein Traktat, der die gesamte Geschichtsklitterung der Eremiten vehement ablehnt und alles mit derselben Überzeugung für die Kanoniker in Anspruch nimmt:7 … ipse beatus Augustinus habitum istorum fratrum heremitarum numquam detulit nec portavit … nec cum eis personaliter convixit, sed potius cum regularibus canonicis, quibus … certam r e g u l a m , a q u a r e g u l a r e s c a n o n i c i nuncupantur, tradidit et conscripsit.

Noch größere Zuversicht als seine Vorgänger zeigte der Autor des fünften aus der Sicht der Eremiten verfassten Werks, da er neue Texte in die Diskussion einbringen konnte, als deren Verfasser niemand Geringerer als Augustinus selbst erschien. Jordan von Quedlinburg (Jordanes de Saxonia, † 1380) veröffentlichte sowohl im Rahmen seiner Collectanea Augustiniana (1343) als auch der Vitasfratrum (1357) je eine Vita Augustini. Darin sieht er den Streit mit den Kanonikern so klar im Sinne der Eremiten entschieden, dass er eine versöhnliche Haltung gegenüber den Konkurrenten einnehmen kann. Sicherheit geben ihm die ebenfalls in den Collectanea vorgelegten 22 Sermones ad fratres in eremo, in denen Augustinus zu seinen Mitbrüdern in der Wüste predigt.8 Die Frage der Ordens- bzw. Klostergründung in Centumcellae hat sich jetzt erübrigt, denn die Sermones beweisen, dass Augustinus sein erstes Kloster außerhalb von Hippo errichtet und dort auch den Eremitenorden gegründet hat – dies unter Mitwirkung von zwölf Brüdern, die ihm Simplicianus in Mailand auf den Weg nach Afrika mitgegeben hat. Dort gründete Augustinus noch weitere Klostergemeinschaften, zuletzt als Bischof eine von Priestern, denen er eine eigene Regel gab: die der Canonici Regulares. Die zeitliche Abfolge und damit die Rangordnung innerhalb der Augustiner ist also klar, die Frage nach der Echtheit der Sermones stellt sich für Jordan nicht. Ebensowenig gibt es für einen aufmerksamen Leser, spätestens seit Erasmus, Zweifel an deren Unechtheit, doch ist die Frage nach dem Ursprung der Sermones ad fratres in eremo bis heute nicht vollständig geklärt: Jordan dürfte die Kernsammlung von 22 bzw. 25 Predigten aus Paris erhalten haben, wo Robert de Bardis wohl schon in den frühen 1330er-Jahren die Texte besaß bzw. gesammelt hatte.9 Jedenfalls ste-

|| 7 SAAK, High Way to Heaven, 173f.; ARBESMANN, Henry of Friemar’s Treatise, 59. 8 In den Vitasfratrum kommen neben der erweiterten Vita Augustini drei weitere Sermones ad fratres in eremo hinzu. 9 WALSH, Bettelorden, 599f.; SAAK, High Way to Heaven, 221–226. – Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass Jordan die Sermones schon aus seiner Studienzeit in Italien (vor 1320) mitgebracht hat, aber die Bezeichnung als Sermones ad fratres in eremo könnte auf ihn zurückgehen.

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hen sie in deutlichem Zusammenhang mit der Genese des ‚augustinischen Mythos‘, auch wenn ihre diesbezüglichen Aussagen mit zahllosen trivial-moralisierenden Ergüssen verbunden sind. Später wuchs die Sammlung bis auf 76 Predigten an, wobei die ‚vollständige‘ Fassung auch solche enthält, die andere nur leicht variieren, und vor allem zwei echte Predigten des Kirchenvaters (serm. 355 & 356) – nicht zufällig die beiden, in denen er De communi vita clericorum spricht. Trotz ihrer evidenten Unechtheit sind die Sermones ad fratres in eremo nicht selten zusammen mit echten Predigten des Kirchenvaters in den (durchaus zahlreichen) Handschriften überliefert. Die Leitidee der fiktiven Sermones besteht darin, dass sie von Augustinus vor einer Gemeinschaft von Glaubensbrüdern gehalten wurden, die sich in die Einsamkeit (der Wüste) zurückgezogen hatten. Diese Situation wird von Sermo 1 an präsent gehalten: … Et ideo, fratres dilectissimi, c o m m o r a n t ib u s vo b i s in e r e m o in nomine Dei nostri placeat secundum apostolicam vitam unum sentire, und so beginnt auch Sermo 2: Fratres charissimi, o si sciretis, quanta sit virtus pacis, et quantum v o b i s i n s o l i t u d i n e c o m m o r a n t i b u s necesse sit. Gleich in der ersten Predigt gibt ‚Augustinus‘ auch Anweisungen hinsichtlich des täglichen Lebens der Mönche10 einschließlich disziplinärer Regelungen bei Fehlverhalten. Die Sammlung stellt für Jordan eine Fundgrube von ‚Beweisen‘ für Augustinus als Gründer und Vorbild der Eremiten dar, und entsprechend ausgiebig zitiert er in seinem Tractatus de vita sancti Augustini episcopi aus den Sermones, mit der Bestätigung Hec ipse ibi am Ende jedes Zitats. Im 9. Kapitel (De institutione ordinis eremitarum et edificatione primi monasterii sui) hält er fest: In prefato autem monasterio ipse Augustinus copiosum numerum fratrum congregavit, quibus et modum vivendi secundum formam vite apostolorum tradidit et sic ordinem e r e m i t a r u m i p s e i n s t i t u i t . … De hoc ipse in eodem sermone iam allegato sic dicit: „Perveni in Africam pia matre defuncta et edificavi ut videtis monasterium in quo nunc sumus in solitudine a gentibus segregatum. … Capud [sic] igitur et principium omnium vestrum me dicere non erubesco.“ Hec ipse ibi.11

Jordan vergisst dabei keineswegs die Kanoniker: Im 13. Kapitel (De edificatione tertii monasterii in episcopio) berichtet er: Memorata tria monasteria per eundem sanctum patrem constructa et instructa ipse simul commemorat in sermone ad fratres suos in eremo, qui incipit ‘Ut bene nostis’, ubi sic dicit: „… Et quoniam postquam episcopus factus sum, nec semper hic vobiscum habitare potui nec cum fratribus qui in predicto monasterio in horto sunt, propterea intra domum episcopi mecum habere volui m o n a s t e r i u m

|| 10 Z. B.: si oculi servorum Dei iaciantur in aliquam feminarum, cavete ne in illam figantur. Hier greift der Verfasser Augustins Praeceptum 4 (bzw. epist. 211,10) auf. 11 Zitiert nach SAAK, High Way to Heaven, 795. Jordan zitiert hier aus Sermo 21 fr. er. (PL 40, 1269).

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c l e r i c o r u m et cum eisdem pariter vivere secundum apostolicam traditionem.“ Hec ipse ibi.12

Während die Sermones ad fratres in eremo in der Primär- und Sekundärliteratur immer wieder Beachtung fanden,13 blieb eine Sammlung von (bis zu) 55 „Briefen des Heiligen Augustinus“14 so gut wie unbemerkt.15 In der handschriftlichen Überlieferung erscheinen sie durchwegs als persönliche Schreiben des Kirchenvaters (nur zwei als Antworten an ihn), doch lassen schon die Namen von Adressaten wie Grisarius oder Ricardus Zweifel aufkommen, denn Letzterer ist germanisch und erst seit dem 9. Jahrhundert belegt. Weiters findet man für Krieg das Wort guerra, das nicht vor dem 9. Jahrhundert vorkommt,16 und schließlich unterläuft dem anonymen Briefschreiber bei dem Versuch, seine Bildung zu zeigen, ein arger Lapsus (epist. 42): Epistola beati Augustini episcopi ad Cornelium philosophum. … Quid ergo prodest nobis sapientia mundi? Ubinam, quaeso, fili, sapientia Salomonis? Ubi pulchritudo Absalonis? Ubi potentia Octaviani et Caesaris imperatoris? Ubi fortitudo Samsonis? Ubi Plato et Aristoteles cum suis erroribus? Ubi Socrates, Ovidius, Zeno, Democritus, qui mundum ad casum ponit? Ubi Hippocrates, Galienus et Avicenna? … Nonne omnia pulvis?

Mit dem Namen des arabischen Philosophen Avicenna († 1037) ist ein erster chronologischer Anhaltspunkt gegeben. Die Textstelle ist aber auch repräsentativ für den stark moralisierenden Charakter der ganzen Briefsammlung, der sie beinahe als eine Reihe von Predigten in Briefform erscheinen lässt. Viele Briefe geben sich als Antwort auf eine an Augustinus gerichtete Frage, so dass man häufig Einleitungen wie in epist. 15 findet: Accepi litteras tuas, in quibus dicis te desiderare luxuriam fugere. Neben zahlreichen moralischen Themen greift der Autor gelegentlich auch theologische und exegetische Fragen auf. Dem entspricht der homiletische Stil, der freilich wenig mit der Rhetorik des Kirchenvaters zu tun hat, sondern kaum mehr als schulmäßige Routine bietet. So kumuliert der Autor gerne Ausrufe und ergeht sich in langen Reihen von Beispielen und Autoritäten. Gleich der erste Brief wagt sich an die schwierige Frage, ob die Verdammten in der Hölle sündigen können: Quaestionem aut dubitationem tuam nuper per Dorothe-

|| 12 Zitiert nach SAAK, High Way to Heaven, 800. Jordan zitiert hier aus Sermo 14 fr. er. (PL 40, 1257). 13 Zuletzt bei WESJOHANN, Mendikantische Gründungserzählungen, 545–555. 14 RÖMER, Epistles, 115–154, und IDEM, Epistles, Part II, 147–189 [bedauerlicherweise haben die Herausgeber der Augustinian Studies darauf verzichtet, den Editor nach Abgabe des Manuskripts in den weiteren Prozess der Drucklegung mit einzubinden, was zahlreiche Fehler und ein verzerrtes Druckbild zur Folge hat]; IDEM, Notes, 487–495. – Eine erweiterte Darstellung wird in den Akten der Tagung Pontes 7: Verleugnete Rezeption. Fälschungen antiker Texte, Freiburg 22.–24. Sept. 2011, erscheinen. 15 Kurz erwähnt bei WESJOHANN, Mendikantische Gründungserzählungen, 549. 16 Vgl. z. B. Niermeyer, 1133 s. v. werra.

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um fratrem transmisisti, utrum mali in inferno peccabunt, et per eundem responsionem gratanter suscipe. Die Antwort ist ein klares Nein, denn die Verdammten erleiden bereits ein Maximum an Strafe, das sich nicht mehr steigern lässt. – Der 7. Brief, der ganz der fides (im Leben und im Glauben) gewidmet ist, hat einen überraschenden Zusatz: Anacletus soll den frater Theodoricus vor unmäßigem Genuss von Wein warnen, was mit den bekannten biblischen Beispielen von Noe und Loth17 illustriert wird. – Ein Sammelbecken moralisierender loci communes wäre nicht vollständig, wenn es nicht auch etwas Misogynie bieten würde. In epist. 26 versucht ‚Augustinus‘, einen comes Aurelianus von einer unbedachten Liebschaft abzuhalten, indem er ihn ganz allgemein über das Wesen der Frau aufklärt: Nemini fidem tenet, labilis ut anguilla et plena omni nequitia et dolo, omni stultitia et rancore, omni avaritia et maerore et proditione super omnia viventia sit.

Die Briefe zeigen Augustinus zwar nie direkt als Gründer der Eremiten, verzichten aber nicht ganz auf seinen Rückzug in die Einsamkeit (epist. 40): Dilectissimis fratribus, clero, senioribus et universae plebi ecclesiae Hipponensis cui servio in dilectione Christi Augustinus in domino salutem, quam secundum suam misericordiam meremini. Quoniam propter scelera inaudita quae novissimis diebus deo teste contra nostram conscientiam et voluntatem perpetrastis, ne participes simul vobiscum essemus, me ipsum a vobis elongavi et effugiens cum fratribus meis mansi in solitudine, nec ad vos redire volo, usque quo perfecte emendatos vos esse cognovero.

Demnach hat sich Augustinus, angewidert von lokalen Unstimmigkeiten, gemeinsam mit einigen Brüdern in die solitudo zurückgezogen, doch epist. 41 bringt sogleich eine reumütige Entschuldigung der Hipponenses. Die hier konstruierte Situation entspricht der des Sermo 5 fr. er., wo Augustinus den Hipponenses erklärt: Nec ad vos redire optabam, quousque vos emendatos esse cognovissem (PL 40, 1246). So setzt auch der Verfasser der Briefe einen in der Wüste predigenden Augustinus voraus – der dort nicht nur predigte, sondern auch Briefe schrieb. Überhaupt greift er gerne auf die Sermones ad fratres in eremo zurück, was unter anderem am Beispiel von epist. 29 (an einen episcopus Desiderius) sichtbar wird, wo ganze Sätze aus Sermo 31 übernommen sind, und zwar aus dessen erstem, am stärksten rhetorisch gestaltetem Teil.18 Generell fällt auf, dass der Brief noch weni|| 17 Gen. 9,21; 19,30–38. 18 Sermo 31 De fallacia mundi ist in drei Teile gegliedert und beginnt mit einem geläufigen Bibelzitat (1 Jo. 2,17): Scriptum est, fratres charissimi, quod mundum non diligamus, quoniam mundus transit et concupiscentia eius. Davon ausgehend beklagt der Autor die Nichtigkeit dieser vergänglichen, sündigen Welt, die er gleich fünfmal mit O munde immunde anspricht und der er einen langen Katalog ihrer Laster vorhält. Daran anschließend behandelt der zweite Teil die einzelnen Laster. Der dritte Teil wendet sich den praktischen Konsequenzen der vorangehenden Ausführungen zu und schließt mit mahnenden Worten.

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ger systematisch aufgebaut ist als die Predigt und mehr eine lockere Abfolge von Gedanken und Assoziationen über die Nichtigkeit dieser Welt und die Notwendigkeit der Nachfolge Christi bietet. Zunächst werden die amatores mundi in Form von Ausrufen und rhetorischen Fragen ebenso geschmäht wie der mundus immundus. In einem zweiten Schritt wird dem Adressaten das Beispiel Christi vor Augen geführt, in einem dritten wird er zur militia Christi aufgefordert. An einzelnen Stellen kopiert epist. 29 geradezu den Sermo, so kurz nach Beginn: Vita haec misera est et mors incerta est. Quid ergo vis, o episcope? Ecce mundus transit et concupiscentia eius. (1 Jo. 2,17) Quid ergo vis? Utrum amare temporalia et transire cum tempore aut Christum amare et in aeternum cum eo regnare? E c c e t u r b a t m u n d u s e t a m a t u r , f a l l i t et diligitur, prodit, quia numquam fidelis fuit, e t a m p l e c t i t u r , foetet et aspicitur, spinosus est et in ipso homo conculcatur. O s i f l o r i d u s e s s e t , q u i d f a c e r e n t a m a t o r e s s u i , si semper maneret, quid agerent, si fidem servaret, quomodo diligerent? Denique huius mundi v i n c u l a a s p e r i t a t e m h a b e n t , i o c u n d i t a t e m f a l s a m , certum dolorem, incertam voluntatem, durum laborem, timidam quietem, rem plenam miseriae et spem beatitudinis i n a n e m . O m u n d e i m m u n d e , quid faceres, si maneres?

Ganz ähnlich heißt es in Sermo 31 fr. er. (PL 40, 1290): Scriptum est, fratres charissimi, quod mundum non diligamus, quoniam mundus transit et concupiscentia eius. O m u n d e i m m u n d e , … O m u n d e i m m u n d e , … (ter) Sed e c c e m u n d u s transit et nos t u r b a t , e t a m a t u r ; f a l l i t , et fidelis reputatur; occidit, et velut vita desideratur; flectit, e t a m p l e c t i t u r . O m u n d e i m m u n d e , e t s i f l o r e r e s , q u i d f a c e r e n t a m a t o r e s t u i ? Sed vere non flores, et stabilitatem nullam habes; sed mella tua et dulcedo tua a s p e ritatem habent, iucunditatem falsam, certum dolorem, incertam laetitiam, durum laborem, timidam quietem, rem p l e n a m m i s e r i a e , e t s p e m b e a t i t u d i n i s i n a n e m . Nolite ergo diligere mundum.

Spuren derselben Predigt sind auch in epist. 16 (der Sturz Nebukadnezars), 36 (eine Warnung vor dem Reichtum) und 39 (Fürsorge für die Armen) zu finden. Die Parallelen sind insgesamt so zahlreich (und die Qualität der Briefe um so viel schlechter), dass eine Benützung der Sermones durch den Verfasser der Briefe außer Zweifel steht. Dennoch müssen die Briefe im späten 14. und vor allem im 15. Jahrhundert recht beliebt gewesen sein, denn aus dieser Zeit sind über 60 Handschriften (i. W. italienischer und süddeutscher Herkunft) bekannt, von denen etwa 20 die ganze Sammlung enthalten, andere nur Teile davon oder auch nur wenige Stücke. Die älteste genau datierbare Handschrift (Oxford, Bodl. 240) wurde 1377 in England (Bury St.

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Edmund’s) geschrieben und enthält nur epist. 40 und 41 über das Fehlverhalten der Hipponenses. Da die Handschrift als eine Sammlung von Heiligenviten angelegt ist, kann man annehmen, dass der Kompilator die beiden Briefe aus dem bereits bestehenden Corpus exzerpiert hat und dessen Entstehung daher etliche Jahre vor 1377 anzusetzen ist. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts wurde die 55 Briefe-Sammlung in Venedig gedruckt (Bernardinus Benalius, ca. 1490 und 1494), wenn auch mit geringen Qualitätsansprüchen. Dann verschwand sie völlig von der Bildfläche und erschien bis ins 20. Jahrhundert höchstens noch in Bibliothekskatalogen, lapidar registriert oder mit kurzen skeptischen Anmerkungen der Bearbeiter.19 Die weitere Verbreitung der Sermones verhinderte dagegen nicht einmal das strenge Urteil des Erasmus, das er in einem Brief aus dem Jahr 1529 fällte:20 In omnibus quae illi (sc. Augustino) falso sunt inscripta, nihil insulsius aut impudentius Sermonibus ad Eremitas, in quibus nec verba, nec sententiae, nec pectus, nec omnino quidquam est Augustino dignum; et tamen quisquis hoc opus confinxit, homo suavis sibi promisit futurum ut Augustinus crederetur.

Für Erasmus waren die Sermones – die er trotzdem in seine Ausgabe aufnahm – das erbärmliche Produkt eines Augustiner-Eremiten, der glaubte, damit etwas zum Ruhm seines Ordens beitragen zu können. Die Mauriner stellten in ihrer gelehrten Ausgabe sogar die Möglichkeit in den Raum, dass der Fälscher zu den Konkurrenten der Eremiten zu zählen ist: Indem er dieses evidente Falsifikat in Umlauf brachte, habe er dem Ansehen des gegnerischen Ordens schaden wollen!21 Eine ähnliche Absicht könnte man mit noch größerer Berechtigung hinter den Briefen vermuten, doch sind sie vor allem ein Zeugnis für die Anziehungskraft, die damals von Augustinus (als dem pater eremitarum?) ausging. Die Sermones ad fratres in eremo waren für den Verfasser der Briefe in erster Linie eine Fundgrube für sein extensives Moralisieren, doch dürfte er darüber hinaus auch die Absicht verfolgt haben, das dort entworfene Bild des Ordensgründers und Eremiten-Bischofs epistolographisch zu ergänzen und zu vervollständigen. Weder die ermüdende Breite der Diskussion noch die ‚Entdeckung‘ neuer Dokumente konnte den Vaterschafts- bzw. Erbschaftsstreit zwischen den AugustinerEremiten und den Kanonikern zum Abschluss bringen, im Gegenteil: Die Ersteren hatten mit den Sermones ad fratres in eremo eine weitere Argumentationsbasis gewonnen.22 – Besonders heftig flammte die Kontroverse wieder auf, als 1477 die

|| 19 Als „Machwerk eines Scholastikers“ bezeichnet sie REIFFERSCHEID, Bibliotheca Patrum, 11 Anm. 1. 20 ALLEN – ALLEN, Opus epistolarum, 157 (epist. 2157, ein Geleitbrief zu Erasmus’ Gesamtausgabe der Werke des Heiligen Augustinus an den Erzbischof von Toledo, Alfonso Fonseca). 21 Admonitio in Sermones ad fratres in eremo, PL 40, 1233f. 22 Zu ihnen zählte der vor allem als Historiker bekannte John Capgrave (ca. 1395–1464) mit seiner englischen Bearbeitung von Jordans Augustinus-Vita: SANDERLIN, John Capgrave, 358–362.

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Aufstellung von Statuen der vier Kirchenväter im Mailänder Dom diskutiert wurde.23 Sowohl die Kanoniker als auch die (am Ende erfolgreichen) Eremiten verlangten, dass Augustinus im jeweils ordensspezifischen Habit dargestellt werde. Zunächst sprach Domenico Franchi da Treviso den Eremiten in polemischen Schriften das Recht ab, ihre Gründung auf Augustinus zurückzuführen. 1479 entgegnete ihm Paolo Olmio da Bergamo mit einem Libellus de apologia religionis fratrum heremitarum Sancti Augustini. Publizistisch besonders aktiv wurde Eusebio Corrado (1447–1500), der Olmio noch 1479 antwortete: Responsio adversus fratrem quendam blacteronem ordinis heremitarum pro ... Dominico Canonico Regulari. Dann griff Ambrogio Massari da Cori (1432–1485, seit 1476 Ordensgeneral)24 vehement von Seiten der Eremiten ein. Sein Defensorium ordinis fratrum eremitarum Sancti Augustini responsivum ad maledicta canonicorum assertorum regularium congregationis Frisonariae, das 1481 im Druck erschien, substantiell aber auf die Zeit um 1478 zurückgeht, wurde zur Pflichtlektüre für die Ordensmitglieder.25 Ebenfalls 1481 veröffentlichte Corrado „auf mehrfachen Wunsch“ eine Propagandaschrift für die Kanoniker: De dignitate Canonicorum Regularium deque ipsorum et monachorum differentia.26 Erst Ende 1483 reagierte er auf Massaris Defensorium mit einer Brevis annotatio in errores scribentium S. Augustinum fuisse eremitam. Der in Rom erschienene Traktat wurde 1484 in Venedig und in Padua (hier zusammen mit Corrados Edition von Augustins Sermones de vita clericorum) nachgedruckt, in allen drei Ausgaben mit einer Widmung an Papst Sixtus IV. Massaris Werk ist – wenig überraschend – ebenfalls Sixtus IV. gewidmet, dem er einleitend für seine Förderung der Eremiten dankt.27 Als Anlass für das Defensorium nennt er die skandalösen Angriffe gewisser Kanoniker auf seinen Orden: Canonici ... regulares ... et ex his maxime quidam Dominicus Tarvisinus, deinde Eusebius quidam Mediolanensis nec deum timentes nec homines verentes quam stolidissimis ausis conati sunt hunc tuum ac sancte matris ecclesiae peculiarem ordinem polluto laceratissimoque ore ac infamatoriis libellis nutu eorum eorumque diabolica arte conscriptis denigrare. || 23 WALSH, Bettelorden, 601f.; EADEM, Eusebio Corrado, 412f. 24 FALZONE, Ambrogio Massari, 712–716. 25 WESJOHANN, Mendikantische Gründungserzählungen, 670. – Das umfangreiche Werk enthält unter anderem auch eine Ordenschronik, in der Massari den Gründungsakt von 1256 auf eine organisatorische Maßnahme im Sinne des Zusammenschlusses schon länger bestehender Gruppen reduziert. Durch deren enge Anbindung an das Papsttum gewinnt er eine Frühzeit des Ordens, mit der er die Lücke von gut 800 Jahren (s. Anm. 6) überspielt. Vgl. JÄKEL, ... usque in praesentem diem, 140f. und 145. 26 Ergänzt durch einen Tractatus de processionibus über zeremonielle Besonderheiten der Kanoniker bei Prozessionen (GW 07415). 27 Sixtus IV. (1471–1484, zuvor Ordensgeneral der Franziskaner) hat nach PASTOR, Geschichte der Päpste, 607f., viel für die Bettelorden getan, am meisten allerdings für die Franziskaner und Dominikaner.

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Dann konstatiert er in einer Art Inhaltsverzeichnis sieben veritates, die er im Hauptteil mit großer Ausführlichkeit dokumentieren wird: Prima est quod sanctus Augustinus doctor ecclesie et yponensis antistes vere fuit heremita indutus nigra cuculla et cinctus zona pellicea. Secunda veritas quod sanctus Augustinus doctor ecclesie fuit verus institutor et fundator ordinis, qui dicitur ordo fratrum heremitarum sancti Augustini.

Weiters (3) sind die Eremiten die einzigen echten Augustiner-Mönche, auch wenn noch andere nach derselben Regel leben. Älter ist nur der Orden des Heiligen Basilius. (4) Augustinus persönlich hat mehrere Konvente der Eremiten gegründet und mehrere Jahre lang mit ihnen gelebt. (5) Die canonici regulares gehen nicht auf Augustinus zurück, licet eius regulam imitentur. Der Kirchenvater befand sich nie in ihren Reihen. (6) Der Orden der Eremiten wurde als erster vor allen anderen offiziell bestätigt, mit Ausnahme des Ordens des Heiligen Basilius. – Zuletzt spielt Massari noch einen besonderen Trumpf aus: Septima veritas quod s e r m o n e s , q u i i n t i t u l a n t u r s e r m o n e s s a n c t i Augustini ad heremitas vere fuerunt compositi a sancto A u g u s t i n o doctore sancte matris ecclesie et episcopo yponensi.

Ein gutes Jahrhundert nach ihrer ‚Entdeckung‘ sind die Sermones für einen Augustiner-Eremiten unantastbar geworden! Die nähere Ausführung der einzelnen veritates folgt den seit 1327 entwickelten Linien, wobei die Dichte der zitierten antiken und mittelalterlichen auctoritates größer geworden ist. Mit welcher Schärfe der Diktion die Auseinandersetzung zwischen den rivalisierenden Orden geführt wurde, zeigt die zitierte Stelle aus Massaris Geleitwort ebenso wie Corrados Einleitung:28 Eusebius Conradus … ad … Sixtum quartum pontificem maximum p r o a u f e r e n d o d e e c c l e s i a e r r o r e scribentium Sanctum Augustinum ecclesiae doctorem fuisse heremitam. … Apparuit nostris diebus homo … qui cruditates scripturarum, quas veluti grandes et nimios cibatus inglutitos digerere nequibat, eructare cepit in Christi discipulos, in clericos presertim antiquo apostolorum more viventes, librumque composuit tuo sanctissimo nomini dedicatum, in quo sunt septem conclusiones falsissime codice in magno involute atque resperse.

Der Bezug auf Massari ist evident. Damit sich der Leser aber ein selbständiges Urteil auf gesicherter Textgrundlage bilden kann, ediert Corrado im Folgenden tres sermones dignos Sancti Augustini de moribus et vita clericorum sowie die Augustinus-Vita des Possidius.29 Der Erfolg, den Massari und Corrado mit ihren gegenseitigen Vor-

|| 28 Hier wiedergegeben nach dem in Padua 1484 erschienenen Druck. 29 Vitam quam scripsit sanctus Possidius: nicht Possidonius, wie der Bischof von Calama in den Quellen meist genannt wird.

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würfen beim Papst erzielten, war nicht ganz der, den sie angestrebt hatten: Mit der Bulle Summum silentium verbot Sixtus IV. 1484 jede weitere Diskussion der Prioritätsfrage – wenn auch mit wenig anhaltendem Erfolg. In Deutschland geriet der streitbare Weltpriester Jakob Wimpfeling (1450– 1528)30 unter höchst individuellen Voraussetzungen in einen jahrelangen Konflikt mit den Augustiner-Eremiten. Wimpfeling ist einer der ersten bedeutenden Vertreter des deutschen Humanismus, bahnbrechend durch seine Germania von 1501 und im Bereich der Pädagogik. Er wirkte an einer Reihe von deutschen Universitäten, vor allem in Heidelberg, aber auch als Prediger und Domvikar in Speyer. Im Laufe seines unsteten Lebens focht er zahlreiche politische, religiöse und humanistische, oft jahrelang andauernde Streitigkeiten aus,31 nicht nur mit einzelnen Personen, sondern auch mit ganzen Institutionen, besonders intensiv und erbittert mit den Augustiner-Eremiten. Diesen war er offenbar immer schon kritisch gegenüber gestanden, ihren offenen Hass aber hatte er sich während eines kurzen Aufenthalts in Freiburg 1504 zugezogen, wie er in einem Brief an Maximilian I.32 aus dem Jahr 1507 berichtet: Die dortigen Augustiner-Eremiten hatten sich, dem Wunsch des Herrschers zum Trotz, beharrlich geweigert, an der lokalen Fronleichnamsprozession teilzunehmen, weil sie sich nicht auf eine Ebene mit einem anderen Orden herablassen wollten.33 Daraufhin habe Maximilians früherer Kanzler Konrad Stürtzel, den Wimpfeling seit seiner Freiburger Studienzeit (1464–1466) besonders hoch schätzte, eine Überprüfung ihrer Prioritätsansprüche angeregt, was dieser gerne übernahm: Opere precium itaque visum est et cancellario tuo gratissimum, ostendere ipsos non esse tante vetustatis, quante noster est Augustinus Ambrosio contemporaneus, quem Theodosii predecessoris tui etate vixisse constat. Studui igitur hec de nostro Augustino scribens annuam stationem ampliare, eucharistie decus augere et tibi (cui hec ambicio displicuit) gratificari.

Ausführlicher erzählt er dieselbe Geschichte in einem Dankschreiben an Papst Julius II. aus dem Jahr 1508,34 wo er auch die Folgen seines Fleißes hervorhebt: Obediencia et pietas (sc. gegenüber Stürtzel), quam preceptori et velut alteri patri exhibere || 30 Ein älteres Standardwerk ist KNEPPER, Jakob Wimpfeling. Eine wesentliche Grundlage für die hier folgenden Ausführungen ist die neue Ausgabe vom Wimpfelings Briefwechsel: HERDING – MERTENS, Jakob Wimpfeling. 31 MERTENS, Struktur, 317–329. 32 Nr. 225 bei HERDING – MERTENS, Jakob Wimpfeling, 581–586, die zitierte Stelle: 584. 33 Es handelt sich um die Wilhelmiten, mit denen eine alte Rivalität bestand. Vgl. unten Seite 278 mit Anm. 38 und Seite 280 (Querulosa excusatio, v. 27). 1505 fand man einen Kompromiss: HERDING – MERTENS, Jakob Wimpfeling, 582 Anm. 5a. – KNEPPER, Jakob Wimpfeling, 187 Anm. 3, verlegt den Eklat von Freiburg in Wimpfelings Studienzeit, wobei er vom „Rektor Konrad Stürzel“ mit den Nachforschungen beauftragt worden sei. 34 Nr. 240 bei HERDING – MERTENS, Jakob Wimpfeling, 620–626, die zitierte Stelle: 624.

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conatus sum, magnum in me preter spem odium concitarunt. Weitere Empörung erregte Wimpfeling, als er 1505/6 in De integritate, einem seiner wichtigsten und strengsten Erziehungsbücher, in dem er nicht zuletzt monastische Fehlentwicklungen scharf angreift, besonders dezidiert den Nachweis führte, dass Augustinus nie ein Mönch (mit schwarzer Kutte etc.) gewesen ist. Einige Freunde stimmten ihm brieflich (mit mehr oder weniger Begeisterung) zu,35 die Augustiner-Eremiten aber blieben unversöhnlich, verklagten ihn vor dem Papst und verlangten seine Vorladung nach Rom. Wimpfeling hatte grundsätzlich große Vorbehalte gegen das Mönchswesen seiner Zeit, seine besondere Aversion gegen die Augustiner-Eremiten dürfte aber auch in seiner Verehrung des Heiligen Augustinus begründet sein, dessen geistigem und moralischem Erbe sie seiner Meinung nach in keiner Weise gerecht wurden.36 Die seiner Zeit vorangegangenen Kontroversen und die zahlreichen Streitschriften zur Frage von Augustins Mönchstum sowie seiner Rolle als Ordensgründer scheinen Wimpfeling unbekannt geblieben zu sein – falls er sie nicht bewusst ignoriert.37 Weiters fällt auf, dass er die Augustiner-Eremiten nicht mit den Kanonikern sondern mit den (ihm persönlich näher stehenden) Wilhelmiten konkurrieren lässt, die sich schon im 13. Jahrhundert mit Erfolg gegen eine Eingliederung in den Eremitenorden gewehrt hatten.38 Als Wimpfeling spätestens 1506 von der ihm drohenden Vorladung nach Rom erfuhr, setzte er alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel ein, um die beschwerliche Reise und die mit ihr verbundenen Gefahren abzuwenden. Er stellte eine Dokumentation zum Beweis seines korrekten Verhaltens zusammen39 und bemühte sich – durchaus erfolgreich – um Unterstützung von mehreren Seiten,40 vor allem aber wandte er sich mit einer in Versen verfassten Querulosa excusatio an Papst Julius II. || 35 Drei Schreiben sind 1505/6 datierbar: Pallas Spangel stellt sich nach der Lektüre von De integritate auf die Seite Wimpfelings (Nr. 196 bei HERDING – MERTENS, Jakob Wimpfeling, 520f.). – Heinrich Bebel stimmt Wimpfeling hinsichtlich der Eremiten zu, solange diese keine besseren Beweise vorlegen (Nr. 199 bei HERDING – MERTENS, Jakob Wimpfeling, 524). – Rutger Sicamber behauptet, Beweise dafür zu haben, dass die Sermones ad fratres in eremo von einem anderen Augustinus als dem Kirchenvater stammen (Nr. 200 bei HERDING – MERTENS, Jakob Wimpfeling, 525). – 1507 erhält Wimpfeling von Johannes Trithemius den Rat, sich nicht zu sehr am falschen Ort zu engagieren: quod extra te ac condicionem status tui, nihil ad te. Quid enim ad te pertinet Augustinus cucullatus fuerit an togatus? (Nr. 233 bei HERDING – MERTENS, Jakob Wimpfeling, 604–607, die zitierte Stelle: 606). 36 Vgl. HERDING – MERTENS, Jakob Wimpfeling, 22. 37 Ein Hinweis darauf findet sich bei HERDING – MERTENS, Jakob Wimpfeling, 22f., während die ältere Literatur oft den Eindruck vermittelt, Wimpfeling hätte als Erster den Anspruch der Eremiten bekämpft. – Für eine mögliche Bezugnahme Wimpfelings auf Corrado s. Anm. 64. 38 ELM, Geschichte des Wilhelmitenordens, 108–119: Die Union zwischen Wilhelmiten und Augustiner-Eremiten (1256–1266). 39 Vgl. HERDING – MERTENS, Jakob Wimpfeling, 551 Anm. 2 zu Brief 211. 40 Vgl. KNEPPER, Jakob Wimpfeling, 194f.

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selbst, der 1508 zu seinen Gunsten entschied. Das Rechtfertigungsgedicht sandte Wimpfeling auch an Philipp von Daun und Oberstein (1463–1515, ab 1508 Erzbischof von Köln), der sich in seiner Funktion als Dompropst von Straßburg für ihn in Rom eingesetzt hatte. In seinem Begleitschreiben41 beklagt sich Wimpfeling darüber, dass andere ungestraft gegen jede kirchliche Disziplin verstoßen dürfen, während er wegen seines Strebens nach Sittlichkeit und Wahrheit verfolgt werde: Cumque illi … impune triumphant, ego, quod malos mores, a cucullatis prae ceteris alienos, ex professione mea taxavi, non solum turpissimas invectivas libellosque famosos et odiosissimas detractiones patior, sed etiam sumpta qualicumque de Augustini veste occasione in ius Romam propria in persona sub gravissimis poenis vocatus sum, urgentibus absque omni commiseratione illis, qui procul dubio sciunt tam longinquam profectionem ex aetate et adversa valetudine mihi possibilem non esse.

Wimpfeling ließ die Querulosa excusatio 1507 (vgl. Bibliographie) in Straßburg drucken,42 um sie an seine Freunde (und Feinde) zu versenden.43 In einem kurzen Geleitbrief an Julius II.44 bringt er seine Behauptung, dass die Augustiner ihre Gründung einem Weltgeistlichen verdanken (regulam et nomen ab episcopo saeculari accepisse), geschickt mit der späteren Bestätigung von Mönchsregeln durch Päpste in Verbindung, die – wie Julius selbst – Weltpriester waren. Das fünfzig elegische Distichen umfassende Gedicht wird von Wimpfeling als Elegia hecatosticha eingeführt, womit er eine poetische Spielart anspricht, die prominent von Filelfo vertreten wird.45 Die hundert Verse sind in zwei exakt gleich lange Abschnitte gegliedert, wobei im ersten der Sachverhalt, im zweiten die Person des Autors im Mittelpunkt steht. Nach einer feierlichen Anrede des Papstes und der Bitte um Gehör beklagt sich Wimpfeling darüber, dass die Augustiner seinen Schriften böse Absichten unterstellen und ihn als einen Feind ihres Ordens bezeichnen. In Wirklichkeit bringe er allen Trägern der schwarzen Kutte Achtung entgegen; in der geschickten Formulierung cunctos … / qui sub veste nigra candida corda gerunt (vv. 11f.) kann man freilich auch eine Einschränkung sehen. Als Beweis für sein Wohlwollen führt er unter anderem sein Buch De integritate an, in dem er die vier Bettelorden als ecclesiae plantas novellas (v. 15) bezeichnet und in keiner Weise abge|| 41 Nr. 237 bei HERDING – MERTENS, Jakob Wimpfeling, 615–617, die zitierte Stelle: 616f. 42 Der Druck enthält auch Wimpfelings Brief an Philipp von Daun und den Geleitbrief an Julius II. (Anm. 41 und 43). Ein vollständiger Nachdruck des Gedichts (ohne den Brief an Daun) findet sich bei RIEGGER, Amoenitates, 285–289. Die Verse 21–38 sind bei HERDING – MERTENS, Jakob Wimpfeling, 581f. Anm. 5a zu Brief 225 wiedergegeben. – Für den vollständigen Text s. unten Seite 284–286. 43 Dies vermerkt Johannes Vigilius (Wacker) in seinem Gratulationsbrief an Wimpfeling, Nr. 239 bei HERDING – MERTENS, Jakob Wimpfeling, 618–620. 44 Nr. 238 bei HERDING – MERTENS, Jakob Wimpfeling, 617f. 45 Francesco Filelfo (1398–1481) hat seine Satyrarum hecatosticha in zehn Dekaden zu je zehn Satiren zu je hundert Versen gegliedert.

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wertet hat. Vv. 21–50 erzählt er den Verlauf der Streitigkeiten bis kurz vor seiner Anklage.46 In Freiburg liegen zwei Orden schon seit sex lustra (d. h. seit Mitte der 1470er-Jahre) in heftigem Streit miteinander: v. 27 Hic Augustinum, Guilhelmum predicat alter. Die Augustiner gingen in ihrer Eifersucht gegen die Wilhelmiten47 so weit, dass sie sich weigerten, neben diesen an der Fronleichnamsprozession teilzunehmen: v. 31 Hic sacramento iustum subducit honorem. Nicht einmal Maximilian selbst konnte sie umstimmen, so dass Konrad Stürtzel die auch in den Briefen48 als seine Idee hervorgehobene Anregung zur Überprüfung der Fakten gab. Deren Ergebnis bringt Wimpfeling in Form einer direkten Anrede an den Kirchenvater, vv. 39– 42: mihi pagina multa revelat / …, / Augustine, usus quod nunquam veste cuculla es / nec mendicaris. Die Veröffentlichung seiner Erkenntnisse löste bei den Augustinern einen Sturm der Entrüstung aus, unter dem er sehr zu leiden hatte – causa cuculla fuit! (v. 48) Dass die Mönche die Wahrheit absolut nicht vertrugen, war ganz offensichtlich. Ab v. 51 sucht Wimpfeling seine Vorladung nach Rom abzuwenden: Es gebe keine reguläre Anklage gegen ihn, und vor allem sei ihm die weite Reise aufgrund seines Alters und seiner Beschwerden in keiner Weise zuzumuten, worauf die Gegner aber keine Rücksicht nehmen. Der Propst von Straßburg (Philipp von Daun, v. 59: Argentinus presul) ist ebenso wie weitere Persönlichkeiten von Rang Zeuge für seine Gebrechlichkeit und seine vielen Krankheiten. Auch hat er nie Reiten gelernt. Wäre er noch bei Kräften, so beteuert er vv. 71ff., würde er nichts lieber als Rom aufsuchen und dort dem Papst zu Füßen fallen. Er war immer ein Anhänger Roms und Verehrer der Päpste, was er auch durch die Tat bewies, v. 78: In Crayanensem pro Sixto scripsimus olim. Wimpfeling hat gegen einen Feind Sixtus’ IV., den Erzbischof von Krain Andreas Jamometić, Stellung genommen, wie er auch in mehreren Briefen hervorhebt.49 Nochmals betont er, wie gerne er Rom sehen würde, aber es ist ihm physisch unmöglich. Daher setzt er zu einer peroratio an, in der er Julius um Gerechtigkeit bittet. Mit fulmina non iacias (v. 85) greift er einen Topos des antiken Mythos auf, um die Macht des pontifex ins rechte Licht zu rücken. Sollte er in seinen Schriften aber doch gefehlt haben, so wird er alles widerrufen: Exemplo nobis Aurelianus erit (v. 90). Hier zeigt Wimpfeling seine Belesenheit, denn Eusebius erzählt in seiner || 46 V. 23: Est schola Brisgoici passim celebrata Friburgi findet ein Echo in Wimpfelings Dankschreiben an den Papst (HERDING – MERTENS, Jakob Wimpfeling, 624): Est opidum Friburgense nobili gimnasio decorum. 47 Oben Seite 278 mit Anm. 38. 48 Oben Seite 277. 49 Nr. 215 bei HERDING – MERTENS, Jakob Wimpfeling, 559–563, hier 560f.: Immo contra quendam Andream Craianensem archiepiscopum apostolicae sedis hostem epistolam, cuius exemplar exstat, dedi omnes eius cavillas confutans. Nr. 240 (o. Anm. 34), 625. Nr. 278 bei HERDING – MERTENS, Jakob Wimpfeling, 686. – Jamometić (Zamometić) hatte nach längerer Tätigkeit am päpstlichen Hof Sixtus IV. scharf angegriffen und sogar versucht, in Basel ein neuerliches Reformkonzil zustandezubringen. – Bei PETERSOHN, Kaiserlicher Gesandter, scheint Wimpfeling nicht auf.

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Kirchengeschichte (hist. eccl. 7,30,21), dass Kaiser Aurelian einmal gerade dabei war, ein christenfeindliches Dekret zu unterzeichnen, als ihn die göttliche Gerechtigkeit im letzten Augenblick davon abhielt.50 Zuletzt appelliert Wimpfeling an die Milde des Papstes und deutet noch einmal seine Verdienste an, auf Grund derer er ein gerechtes Verfahren erwarten darf. Julius möge ihm entweder einen Anwalt (patronus) zubilligen oder das Urteil an den Propst delegieren. – Der hundertste Vers ist erreicht. Julius II. ließ sich von den Argumenten Wimpfelings und seiner Fürsprecher überzeugen – seine Meinung über die Querelen der Augustiner mag eine ähnliche gewesen sein wie die Sixtus’ IV. Jedenfalls war es Reuchlin und anderen Helfern gelungen, dass das Gedicht dem Papst vorgelesen und erläutert wurde,51 worauf dieser die Anklage in vollem Umfang verwarf. Selbstverständlich bedankte sich Wimpfeling in einem wortreichen Schreiben52 mit viel Panegyrik persönlich bei Julius II., nicht ohne die gesamte Vorgeschichte, beginnend mit dem Eklat von Freiburg, noch einmal (ganz auf der Linie der Querulosa excusatio) aufzugreifen. In einem der spätesten Briefe, den Wimpfeling 1521 seinem Neffen Jakob Spiegel sandte,53 gibt er noch einmal seiner Erbitterung gegenüber den Augustiner-Eremiten Ausdruck und empfiehlt die Querulosa excusatio: legatur carmen meum ad Julium II, qui me ex faucibus invidiosissimorum Augustini fratricellorum clementer eripuit. Wimpfelings provokante Polemik in De integritate hatte eine Reihe von empörten Protesten und Gegenschriften zur Folge, darunter den zunächst nur handschriftlich überlieferten Traktat Contra deliramenta Jacobi Wimphelingii des Benediktiners Paul Lang.54 Hinsichtlich der umstrittenen Rolle des Augustinus als Ordensgründer begnügt sich Lang damit, die Gründung der Kanoniker durch den Kirchenvater zu konstatieren und auf eine Schrift des Mönchs Petrus Hilger(ius) zu verweisen, die in der Handschrift unmittelbar folgt: Armariolum veritatis contra errorem scribentium Augustinum fuisse heremitam et numquam canonicum regularem.55 In seiner (1508 datierten) Vorrede berichtet Hilger, wie ihn eine Diskussion, die ein doctiloquus Augustiner-Eremit ausgelöst hatte, dazu bewog, die Sachlage selbst zu überprüfen. Er verglich viele echte Werke des Heiligen Augustinus und die Vita des „Possidonius“ mit den Sermones ad fratres in eremo und anderen Texten, auf die

|| 50 Zu den damit verbundenen Vorstellungen vgl. TIMPE, Römische Geschichte, 111. 51 Vigilius, wie o. Anm. 43. 52 Anm. 34. 53 Nr. 348 bei HERDING – MERTENS, Jakob Wimpfeling, 857–859, die zitierte Stelle: 859. 54 Würzburg, Universitätsbibl. cod. M. ch. q. 63, an. 1510, 2r–77v. – SCHLECHT, Wimphelings Fehden, 254–263. 55 Ibid. 78r–95v. 97r–106r folgen Traktate über die Sermones ad fratres in eremo und die in Anm. 56 genannten Texte. – In den Drucken des 17. Jahrhunderts (unten Seite 283) heißt der Verfasser Petrus Heligerius.

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sich die Eremiten stützen,56 und stellte die Unhaltbarkeit von deren Thesen fest. Er will aber zwei errores widerlegen: Errores autem, quos hic ex ordine expugnare mens est, sunt hi: Alii docent Augustinum Eremitam nigra cuculla vestitum. Quem errorem quidam Eremitici ordinis, qui modo (non olim ita) Eremitae Augustini vel Augustinenses vocantur, etiam publice praedicare non verentur. Alii non Canonicum Regularem, sed saecularem, Augustinum proclamant: quorum novus inventor et assertor est quidam M. Iacobus Wimphelingius, alias Sletztatinus.

Die Ergebnisse seiner Studien präsentiert Hilger zunächst in Form von zwölf veritates, wobei er sich methodisch nicht wesentlich von seinen Vorgängern (auf beiden Seiten) unterscheidet: Aus einer Fülle von Belegstellen zu einer Detailfrage werden über deren Rahmen weit hinausgehende, kühne Schlüsse gezogen bzw. Behauptungen aufgestellt. So ‚beweist‘ Hilger in seiner fünften veritas mit vielen Zitaten, dass Augustinus erst im Alter von 33 Jahren getauft wurde,57 um dann kurz festzuhalten: Qui (sc. Ambrosius) piis votis illius annuens ipsum sabbatho Paschae baptizavit candida veste baptizatis dari consueta et non nigra cuculla indutum. Nach elf veritates, in denen er sich auf die Widerlegung gegnerischer Argumente konzentriert, trifft Hilger mit der zwölften eine positive Aussage: Augustinus war ein canonicus regularis. In der folgenden Errorum Sermonum ad Frates in Eremo Expugnatio ist sein zentrales Argument, einer Geistesgröße wie Augustinus können nicht so viele Irrtümer und Widersprüche zu seinen sonstigen (den sicher echten) Werken unterlaufen sein, wie sie die Sermones enthalten. Dieser Abschnitt des Armariolum schließt mit einer Empfehlung: Si placet, lege Eusebium Conrardi [sic], et non sine gemitu, quid Ambrosio Coriolano acciderit, intueberis.58 Im letzten größeren Abschnitt wendet sich Hilger gegen Wimpfelings These, dass Augustinus zwar ein canonicus, aber nicht regularis, sondern saecularis gewesen sei: Expugnatis itaque errantium castris (sc. der Eremiten) obviandum est nunc valido scuto cuidam Iacobo Wimphilingo non tam inimico quam dubio veritatis amico. Hilger spricht Wimpfeling immer wieder direkt an und konfrontiert ihn mit einer Reihe von antiken und mittelalterlichen auctoritates einschließlich des gelehrten Dominikaners Robert Holcot (ca. 1290–1349), den Wimpfeling falsch verstanden habe, unter anderem hinsichtlich Augustins (immateriellen) Testaments.

|| 56 Ps.-Ambrosius, Sermo de conversione et baptismo Augustini und eine Epistola Sigisberti ad Macedonium. Mit diesen beiden Texten argumentierte z. B. Massari. 57 Manche Gegner brauchen ein früheres Datum, um Zeit für die Aktivitäten des g e t a u f t e n Augustinus in Italien zu gewinnen. 58 Dass Ambrogio da Cori 1485 bei Innozenz VIII. in Ungnade fiel (FALZONE, Ambrogio Massari, 715f.), kann damit wohl nicht gemeint sein.

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Zur Zeit der Reformation konnte der Prioritätenstreit zwischen rivalisierenden Augustinern kein vorrangiges Thema sein.59 Er war aber noch immer nicht endgültig beigelegt, was schon daraus ersichtlich ist, dass Hilgers Armariolum im 17. Jahrhundert gedruckt wurde. Nach der editio princeps von 1631 erschien eine weitere Ausgabe im Jahr 1651: R. P. Petri Heligerii Can. Regularis Armariolum veritatis in quo solide convincitur B. Augustinum Canonici Ordinis Instauratorem, non Eremitarum Institutorem esse. Post primi auctoris industriam latuit annis CXX denuo luci redditum a R. P. Joanne Voets Can. Reg. … Lovanii … 1631. Novissime Monachii 1651 strenae ergo a … Augustino Aichnero Praeposito Sacri Ordinis Canonicorum Regularium Dietramizellae.

Aus der Retrospektive mag es erstaunlich wirken, dass der Prior eines von den Wirren des Dreißigjährigen Kriegs heimgesuchten Konvents60 seine Kräfte gerade dafür einsetzte. Die Fortdauer der Diskussion (mit den altbekannten Argumenten) bezeugt ein Traktat des Kanonikers Petrus a S. Trudone 61 Examen Testamenti S. Augustini ad stabiliendam filiorum eius primogenituram aus dem Jahr 1654. Einleitend erzählt er unter Anführung vieler Namen (darunter Ambrosius Coriolanus) die Geschichte des Streits, der im Laufe der Zeit unwürdige Formen annahm: Unde Summus Pontifex Sixtus IV. huiusmodi contentioni finem imponere volens utrisque silentium indixit speciali desuper decreto edito.62 Trotzdem war die Kontroverse damit nur eingedämmt und flammte allmählich wieder auf, was der Verfasser wieder mit zahlreichen Namen (darunter Petrus Hilgerius) belegt. Zuletzt hatten spanische Eremiten ihre Ansprüche vor das Pontificium tribunal gebracht, was eine scharfe Reaktion der Kanoniker und wieder Gegenschriften der Eremiten nach sich zog. Ein P. Lupus hat speziell mit dem ‚Testament‘ Augustins argumentiert, womit sich Petrus a S. Trudone nun genauer befassen will: Conabor ostendere ex vi verborum Testamenti ipsius

|| 59 Martin Luther war selbst Augustiner-Eremit und wusste von dem Prioritätenstreit einschließlich Wimpfelings Engagement, sah hier aber keinen Schwerpunkt seiner Interessen. So bemerkte er ca. 1509 (HERDING – MERTENS, Jakob Wimpfeling, 857 Anm. 2 zu Brief 348): Augustinianae gloriae Zoilus Vimphelingus. – Die neuesten Luther-Monographien, wie zuletzt SCHILLING, Martin Luther, befassen sich weder mit diesem Thema noch mit Wimpfelings späten und spärlichen Kontakten mit dem Reformator (Brief 356 bei HERDING – MERTENS, Jakob Wimpfeling, 876–878). 60 Augustinus II. Aichner war Propst des oberbayerischen Chorherrenstifts Dietramszell (gegr. 1098, aufgehoben 1803) von 1645 bis 1663: KRAUSEN, Das Augustinerchorherrenstift Dietramszell, 271–273. 61 Das Hauptwerk des auch in den Namensformen Petrus Trudonensis / Pierre de Saint-Trond / Pieter van Sint Truiden (1604–1674) bekannten Gelehrten ist der Catalogus scriptorum Windeshemensium (hg. v. W. LOURDAUX – E. PERSOONS, Leuven 1968). – LOURDAUX, Pieter van Sint Truiden, 686–689. 62 Vgl. oben Seite 277.

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manifeste convinci Canonicos Regulares non alienos, sed proprios primogenitos aut potius unigenitos eius esse filios. Die Eremiten aber sind nicht einmal tertiogeniti … So hatten einerseits die Verehrung für den großen Kirchenvater, auf dessen Patronanz man alleinigen Besitzanspruch erhob, anderseits Ehrgeiz und intellektuelle Überheblichkeit, aber auch rein materielle Interessen zur Folge, dass ein monastischer Gründungsmythos vom 14. bis ins 17. Jahrhundert Gegenstand heftiger Kontroversen blieb. Erst im 18. Jahrhundert verlor der Streit zwischen Kanonikern und Eremiten an Interesse, und seit dem Jahr 1963, als der Ordo Eremitarum Sancti Augustini (OESA) seinen Namen zu Ordo Sancti Augustini (OSA) änderte, ist er gegenstandslos geworden. *** Ad Julium secundum pontificem maximum contra indignam Fratrum Augustinensium accusationem Elegia hecatosticha Iacobi Wimphelingii.63

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Summe gregis Christi pastor, pater urbis et orbis, Servator fidei, iustitiaeque parens, Iuli pontificum magnorum summa potestas, Iuli cardineo gloria magna choro, Aspice clementi radiantis lumine frontis, Quam tribuant scriptis sensa sinistra meis, Quos Augustini fratres alit ordo beati. Hostem me dicunt ordinis esse sui, Falso me accusant clamantes ordinis hostem Ac suppressorem, quod reprobemque suos, Cum tamen amplectar cunctos sua vota tenentes, Qui sub veste nigra candida corda gerunt. Id probat ex aliis per multa volumina dictis, Quod posui in nostro de integritate libro Ecclesiae plantas modo quatuor esse novellas, Mendicos fratres simplicitate pios. Plantatos scripsi, scripsi ergo non reprobatos, Nemo etenim plantat, quod reprobare volet. Quid mihi succensent clamantes ordinis hostem, Ecclesiae cum sint planta novella mihi?

|| 63 Der hier gebotene Text folgt mit Ausnahme von zwei Stellen der editio princeps des Jahres 1507 (wie o. Anm. 42) : v. 68 tantam (sc. viam) statt tantum (vgl. v. 62 tantum ... iter); v. 86 virga statt virgo. (Dieser evidente Druckfehler ist auch bei RIEGGER, Amoenitates, korrigiert.) Die Interpunktion wurde normalisiert. – Die editio princeps ist ebenso wie die anderen hier zitierten Drucke des 15.–18. Jahrhunderts als Digitalisat im Internet zugänglich.

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Principium sumpsit fratrum non iusta querela, Quam latrant fictis vafra per ora dolis. Est schola Brisgoici passim celebrata Friburgi, Clara politorum nobilitate virum. Inter diversos istic discordia fratres Conventusque duos sex quasi lustra fuit. Hic Augustinum, Guilhelmum praedicat alter, Certat uterque prior dignior hincque fore, Dignior atque prior sacra in statione videri Claustricolae plebis gestit uterque status. Hic sacramento iustum subducit honorem: Tam fuerant tepidis pectora dura viris. Rex Romanus erit testis (tam corda tumebant) Flectere nec pretio nec potuisse prece. Tum me Conradus Sturtzel clarissimus orat (Quo doctore usa est nostra iuventa bono), Ut relegam historias, ut quaeram, primus uter sit, Ut volvam variis scripta probata libris. Hoc ego dum facio, mihi pagina multa revelat Nescia, cuius erant pectora nostra prius, Augustine, usus quod nunquam veste cuculla es Nec mendicaris: Relligiosus eras, Relligiosus eras Christique ligatus amore, Sed mendicanti nulla cuculla tibi. Hanc praeceptori rem scripsimus ordine nostro, Cui certe poteram iure negare nihil. Haec summa, hinc omnis surgit certaminis ordo, Hinc crucior, patior, causa cuculla fuit. Quam male res fratres pia veraque torserit ipsos, Nullus in hoc nostro climate nescit homo. Et quamvis nullus mihi verbum fecerit ullum, Dixerit et coram iudice nemo diem, Atria nunc egomet heu sum ad Romana citatus, Cum nequeam tantas ipse pedare vias. Non ut conductus pro me respondeat alter, Persona in propria me bonus ordo citat. Non curae senium est, sed nec veneranda senectus, Non canum curat turba severa caput. Argentinus adest praesul cum consule testis Et cum principibus clara caterva piis, Quod iam sim variis morbis confectus et annis Et quod sim ad tantum non satis aptus iter.

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Et labor et studium, pituita, podagra et orexis Iam pridem vires destituere meas. Quid quod me tenerum chari genuere parentes Et macie affectum corporeque exiguum. Hinc fit, ut aut pedibus vel equo vel, qualiter itur, Non facient tantam languida membra viam. Porro me iuvenem nemo quia vidit equestrem, Esse senex possem qualis equester ego? Si mihi suppeterent vires invisere Romam, Quam cuperem pedibus oscula ferre tuis Cernere et antiquae monumenta et moenia Romae Atque actae vitae facta piare meae. Semper ego Romam dilexi atque illius altos Pontifices colui semper honore pio. In Crayanensem pro Sixto scripsimus olim: Sedis Apostolicae tantus amor mihi erat. Gratius haud quicquam nobis contingere posset Visere quam Romae scripta vetusta tuae, Sed quia decrepiti, quia viribus omnibus hausti, Exoptant mollem corpora nostra thorum. Iuli, pontificum magnorum gloria summa, Oro iustitiam cum pietate tuam: Fulmina non iacias, claves suspende, precamur Filiolum haud ledat virga paterna tuum. Servet et orantem Christi communio plebis, Si servant rectam pectora nostra fidem. Quod si (ceu perhibent) scriptis peccavimus, ipse Exemplo nobis Aurelianus erit, Quippe recantetur versis palinodia verbis Nostraque vertemus scripta sequendo ducem. Te moveat senium, nostri miserere laboris, Emeriti moveant militis arma tui. Si noster Petri sudor fuit utilis agro, Si quicquam assidui summa laboris habet, Fac ut, quod saevos admittunt iura per hostes, Aequa libretur causa bilance mea. Aut mihi patronum faveas aut scribito, praesul Iudicis ut noster nobile munus agat.

Die editio princeps enthält zahlreiche Marginalien, die meist nur den Inhalt skizzieren, z. B. zu v. 83 Ad Iulium peroratio. Von größerem Interesse ist die Anmerkung zu vv. 40ff.: Augustinus enim 30. anno primum baptizatus, vixit sub Theodosio et Valen-

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tiniano Caesaribus annos Christi cccc.52 [sic]. Mendicantes autem diu post introducti sunt post annum Christi M.cc.et.xx. sub Honorio papa et Friderico II. Eusebio teste et Platina.64 Zu vv. 89ff. notiert Wimpfeling: Licet secutus sim Possidonium, Robertum Holkot Dominicum Mediolanensem et ceteros fide dignos.65

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|| 64 Ist hier neben Platina (Bartolommeo Sacchi, 1421–1481), dessen Liber de vita Christi ac omnium pontificum 1479 erschien, Eusebio Corrado (o. Seite 275f.) gemeint, dann waren Wimpfeling seine ‚Vorgänger‘ doch nicht ganz unbekannt (vgl. o. Seite 278 mit Anm. 37). 65 Zu Holcot, auf den sich Hilger bei seiner Kritik an Wimpfeling beruft, o. Seite 282.

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[email protected] Institut für Klassische Philologie, Mittel- und Neulatein, Philologisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät, Universität Wien

Christine Harrauer

„ … die Akademie ist in eine sehr fatale Lage gekommen.“ Schlaglichter aus den Anfängen des CSEL Die Geschichte der Kirchenväterkommission an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), die Umstände ihrer Gründung im Jahr 1864 – auf Antrag des Klassischen Philologen Johannes Vahlen (1830–1911)1 unter der Bezeichnung „Commission zur Herausgabe eines Corpus kritisch berichtigter Texte der lateinischen Kirchenväter“ –, ihre Entwicklung und Namensänderungen im Lauf der Zeit sowie ihre Aufgabenstellung und die von ihr herausgegebenen Editionen, sind durch die Arbeiten von Rudolf Hanslik bzw. Michaela Zelzer2 (vgl. Bibliographie) bis in die jüngere Zeit hinlänglich beschrieben.3 Basis dafür bot ihnen wohl auch das Aktenmaterial, dessen überaus reicher historischer Bestand gegen Ende des Jahres 2012

|| 1 Zum Gründungsprotokoll vgl. o. Seite VI und XI. – Vahlen war Mitglied der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften Wien (ab 1860 korrespondierendes, ab 1862 wirkliches Mitglied, von 1869– 74 Sekretär der phil.-hist. Klasse) und der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften (ab 1874, von 1893–1911 deren Sekretär der phil.-hist. Klasse). Er hatte in Bonn studiert und lehrte – abgesehen von Wien (1858–1874; 1873 zum Rektor gewählt) – zuvor an den Universitäten Breslau und Freiburg sowie ab 1874 (als Nachfolger von Moriz Haupt) an der Universität Berlin, wo er 1886/87 auch als Rektor tätig war (seine Nachfolger in Berlin wurden Ulrich Wilamowitz-Moellendorff, Hermann Diels und Eduard Norden). – Zu seinen Schülern zählten u. a. die für das CSEL tätigen Alois Goldbacher (1837–1924; für das CSEL edierte er die Augustinus-Briefe [CSEL 34, 44, 57 und 58]), Isidor Hilberg (1852–1919; für das CSEL übernahm er die Ausgabe der Hieronymus-Briefe [CSEL 54–56]), Wilhelm von Hartel (Cyprian, Ennodius, Lucifer Calaritanus und Paulinus von Nola [CSEL 3, 6, 14, 29 und 30]) und Josef Zycha (er edierte für das CSEL eine Reihe von AugustinusWerken [CSEL 25, 28, 41, 42 und 60]), von dem später in diesem Beitrag noch näher zu handeln ist. Alle diese finden sich mit Beiträgen (Hartel mit dem Vorwort) auch vertreten in der zum 70. Geburtstag Vahlens von seinen Schülern verfassten Festschrift HARTEL (praef.), Festschrift (der u. Anm. 37 in Zusammenhang mit den Akten des Archivs der Universität Wien erwähnte Vatroslav Jagić steuerte ebenfalls einen Beitrag dazu bei). Zu Vahlen vgl. u. a. Deutsche Biographische Enzyklopädie Online; WILAMOWITZ-MOELLENDORFF, Gedächtnisrede; THOMAS, Vahlen. 2 Der Wiener Klassische Philologe und Universitätsprofessor Rudolf Hanslik (1907–1982) war von 1964–1982 Obmann der Kirchenväterkommission; zu seiner Person vgl. u. a. RÖMER, Hanslik. Eine seiner Schülerinnen war Michaela Zelzer (1939–2012), die ab 1965 an der Kirchenväterkommission tätig war, der sie bis zu ihrem Tod nahestand (für das CSEL edierte sie Band 85, Augustinus, Contra Julianum opus imperfectum, sowie – nach dem Ableben von Otto Faller – die Ambrosius-Briefe, CSEL 82, und kümmerte sich um die Überarbeitung der Bände 62 und 64, ebenfalls Werke des Ambrosius). 3 Alle Ausgaben seit der Gründung bis in die Gegenwart sowie laufende Editions-Projekte finden sich genannt unter: www.csel.eu.

290 | Christine Harrauer  geschlossen dem Archiv der ÖAW übergeben wurde und nun der systematischen und sachgerechten Aufarbeitung harrt.4 Bei einem ersten, groben Überblick über das Erhaltene fällt der riesige Anteil an Korrespondenz in der Kaiserzeit – Originale und Briefentwürfe (für offizielle Ausfertigung durch die Kanzlei der Akademie) bzw. Briefkopien (von abgesandten Schreiben) – seit der Gründung der Kommission ins Auge; dies ist jedoch nicht verwunderlich, weil es ja, wie bereits die Schreiben aus den ersten Jahren nach der Gründung zeigen, schon damals vor allem um den Zugang zu Handschriften, um Kollationierung für die Erstellung von Ausgaben und deren Drucklegung ging. Erst aus späteren Jahren liegen Privatbriefe an zahlreiche Forscherpersönlichkeiten vor, die für die Kommission tätig waren.5 Beide Briefsorten, offizielle und private gemeinsam betrachtet, können aber auch besondere Ereignisse beleuchten, gewissermaßen einen Blick ‚hinter die Kulissen‘ gewähren – und davon soll hier ein wenig erzählt werden. Die offizielle Korrespondenz wurde jeweils von Mitgliedern des Akademie-Präsidiums bzw. vom Kommissionsobmann gezeichnet und gehört zu den (mit laufenden Nummern versehenen) sog. ‚Allgemeinen Akten‘ der Akademie: Diese Briefe ergingen an Stellen im In- und Ausland und bestehen seit 1865 in der Regel aus Anträgen an das Ministerium für Aeußeres um diplomatische Hilfe für Entlehnungen alter Handschriften von ausländischen Bibliotheken nach Wien6 – ein heute kaum mehr vorstellbares Unterfangen; noch unvorstellbarer ist jene Praxis, von der Rudolf Hanslik (1907–1982) mehrfach erzählte, nämlich dass in den Notzeiten nach dem 2. Weltkrieg die Entlehnung solcher Handschriften quer durch Europa dann am sichersten war, wenn die Versendung per Post mit dem damals üblichen Vermerk „Muster ohne Wert“ erfolgte, weil dann das Paket mit Sicherheit nicht geöffnet wurde. Der Zugang zur Einsicht in einschlägige Handschriften war im 19. Jh. noch erheblich schwieriger als heute, weil entsprechende Kataloge damals in wesentlich

|| 4 Die Akten waren (wie bei den ältesten Kommissionen der phil.-hist. Klasse üblich) von Beginn an im Besitz der Kommission verblieben. Ihre Übergabe an das ÖAW-Archiv erfolgte durch die Kommission anlässlich der Übertragung des CSEL an die Universität Salzburg im Juli 2012 durch die Akademie. Den entsprechenden Archivbehelf wird Frau Mag. Petra Aigner, Mitarbeiterin von BAS:IS (Bibliothek, Archiv, Sammlungen: Information & Service an der ÖAW) – der ich für etliche wertvolle Hinweise herzlich danke – erarbeiten. 5 Viele dieser gelehrten ‚Mitarbeiter‘ der Kommission waren, wie schon HANSLIK, 100 Jahre CSEL, 25, ausführt, bis in das 20. Jh. hinein hauptberuflich Gymnasiallehrer. 6 Zunächst vom Präsidenten selbst beantragt (z. B. ÖAW Allg. Akten Nr. 454/1865 von Th. G. v. Karajan für einen Codex der Pariser Nationalbibliothek zu Aug. civ. Dei), dann vom Generalsekretär oder vom Sekretär der phil.-hist. Klasse, später generell vom Generalsekretär. – Die Codices wurden nach ihrem Einlangen in Wien jeweils entweder in der k. k. Hofbibliothek oder in der k. k. Universitätsbibliothek verwahrt und dort den Forschern zugänglich gemacht, wie zahlreiche Akten belegen; auch ihre Rücksendung ist, soweit ich sehe, so gut wie lückenlos dokumentiert.

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geringerer Zahl existierten.7 Aber auch Bibliotheken, die Verzeichnisse hatten, waren gelegentlich nicht bereit, Codices nach Wien zu verborgen,8 und so mussten sich die mit Editionen beauftragten Forscher auf die Reise machen; die Akademie wies ihnen Geld an (als Stipendium, für Collationen im Ausland oder als Reisekostenersatz);9 viele solcher Schreiben sind in diesen Akten enthalten. Erst in späteren Jahren dürfte man die Notwendigkeit von Empfehlungsschreiben erkannt haben, wie deren Häufigkeit in den Folgezeiten zeigt.10 Gelegentlich gibt der Briefverkehr

|| 7 S. dazu HANSLIK, 100 Jahre CSEL, 26f. 8 Z. B. waren von den drei für Adolf Mussafia zur Fortsetzung seiner Studien über die Marienlegende – so Generalsekretär Heinrich Siegel an das Außenministerium – erbetenen Codd. Parisini nur zwei (Paris BN Lat. 12593 und 14463) entlehnbar, nicht hingegen Cod. Paris. BN Lat. 2333A: s. ÖAW Allg. Akten Nr. 519/1886 (intus: Nr. 66/1886). Der Romanist und Universitätsprofessor Mussafia (1835– 1905; zu seiner Person u. a. KANDUTH, Mussafia) war ab 1871 Mitglied der ÖAW und entlehnte lateinische Codices nur gelegentlich. Der bekannte Jurist Heinrich Siegel (1830–1899; Begründer der Wiener Schule der Rechtsgeschichte; zu Leben und Wirken zuletzt DUSIL, Siegel) war bedeutender Förderer der Herausgabe mittelalterlicher Quellen und behandelte solche Ansuchen ganz genauso wie die Entlehnwünsche der Kirchenväterkommission (weshalb auch die entsprechenden Akten an diese weitergegeben wurden). 9 Das Procedere bis zur Genehmigung eines solchen Reisestipendiums ist etwa in ÖAW Allg. Akten Nr. 707 aus 1867 gut nachvollziehbar; es handelte sich dabei um Durchführung der Collation des ältesten Parisinus in der k. Bibliothek zu Paris, einer Cyprian-Handschrift (BN Lat. 10592), wofür der Editor Wilhelm v. Hartel 150 Gulden bekam (der in Wien wirkende Klassische Philologe und Universitäts-Professor v. Hartel [1839–1907], seit 1871 korrespondierendes, seit 1875 wirkliches Mitglied der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften Wien, war Obmann der Kirchenväterkommission von 1891–1907, ab 1891 Direktor der Hofbibliothek, 1900–1905 Minister und 1900–1907 Vize-Präsident der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften Wien; u. a. begründete er auch gemeinsam mit Karl Schenkl die philologische Zeitschrift „Wiener Studien“ [Schenkl, 1827–1900, ab 1863 korrespondierendes, ab 1868 wirkliches Mitglied der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, ab 1857 Universitätsprofessor in Innsbruck, ab 1863 in Graz und ab 1875 in Wien, war ebenfalls für die Kirchenväterkommission tätig und edierte einige Texte der Poetae Christiani minores, CSEL 16, sowie nicht wenige Werke des Ambrosius, CSEL 32,1. 2 und 4, wobei der letzte Band von seinem Sohn Heinrich Schenkl, der von 1859 bis 1919 lebte und ebenfalls Klassischer Philologe und Universitätsprofessor in Graz und später Wien war, fertiggestellt wurde]; Hartels für das CSEL erstellte Editionen sind aufgelistet im CSEL-Verzeichnis, s. o. Anm. 3). 10 Die Empfehlungsschreiben wurden meist vom Präsidenten gezeichnet. Ein besonders illustratives Beispiel dafür ist Nr. 347 aus 1885 der Allg. Akten: Der damalige Präsident Alfred Ritter v. Arneth (1819–1897, österreichischer Historiker und Politiker) verfasste im Mai dieses Jahres eine Empfehlung für Rudolf Beers Handschriften-Reise zu spanischen Bibliotheken (insbesondere in Madrid, Barcelona, Zaragoza, Sevilla, Toledo, Escurial und Salamanca); Beer (1863–1913) war dafür besonders geeignet, weil er nicht nur (evangelischer) Theologe, sondern auch Spanisch-Lektor war (s. Deutsche Biographie, GND 11610838X). Arneth ersucht in diesem Schreiben die Herren Vorstände der Bibliotheken ausdrücklich, Beer die unbeschränkte Benützung der Handschriften zu gestatten, bezüglich der Arbeitszeit, wenn irgend möglich, über das normirte Maaß hinauszugehen, bei der Katalogisierung der noch ganz unbekannten Sammlungen von Seite der Bibliotheksorgane wohlwollende Unterstützung angedeihen zu lassen und so die Lösung der ihm gestellten Aufgabe zu ermöglichen. Intus befindet sich der entsprechende Antrag durch Beer an die Akademie vom April 1885, aus dem auch

292 | Christine Harrauer  mit der Verlagsbuchhandlung Carl Gerold’s Sohn, die zu Ende 1866 mit dem Druck des 1. Bandes die Reihe des CSEL eröffnete, einen Einblick in das Geschäftsgebaren und in den Fortschritt der Editionen.11 Genau 19 Jahre später, Ende 1885, kam es zu Unstimmigkeiten hinsichtlich der Preisgestaltung des aktuellen Bandes CSEL 13/2 sowie künftiger Bände;12 derartige Diskussionen dürften wesentlich dazu beigetragen haben, dass die Akademie eine andere Geschäftsverbindung anstrebte und schließlich, ab Band 16 (1888ff.), bei Tempsky & Freytag drucken ließ.13

|| hervorgeht, dass er für diese Reise ein Stipendium von 1000 Gulden erhielt; weiters (mit Nr. 675) ein Dankschreiben an Wilhelm v. Hartel, dem Beer laufend Berichte für die hochlöbliche Kirchenväterkommission zu senden verspricht, samt einem Konzept mit Angabe der gesuchten Autoren, welches von Präsident Arneth und Generalsekretär Siegel gegengezeichnet ist. Beer arbeitete zwei Jahre lang in Spanien, wie aus der Publikation BEER, Handschriftenschätze Spaniens, 46f., hervorgeht. 11 Der Aufbau dieser neuen Geschäftsbeziehung mit Gerold – der ja bereits seit 1858 den ALMANACH der Akademie in Commission vertrieb – erfolgte harmonisch und professionell: Am 25. November 1866, nach Drucklegung von CSEL 1 (Sulpicius Severus, ed. C. HALM), richtet Gerold unter Uebersendung der vertragsmäßig stipulirten 40 Freiexemplare an die Verehrl. Kais. Academie der Wissenschaften hier die Frage, wem nun das für diesen Band I. (18 ¼ Bogen à f 20) entfallende Honorar von fl 365 von uns zu zahlen ist (ÖAW Allg. Akten Nr. 1008/1866); intus befinden sich mehrere dazugehörige Stücke: (1.) die genaue Überprüfung dieser Aufstellung (mehrseitige Bemerkungen) durch Johann Spitzka (damals Buch- und Rechnungsführer der Akademie); – (2.) als Beilage dazu ein vierseitiger (von Gerold gedruckter und im Selbstverlag der Akademie o. J. erschienener) Sonderdruck, der keinen Titel, jedoch den Hinweis auf die Kaiserliche Academie aufweist: Es handelt sich dabei um das ‚Programm‘ des CSEL, das mit der Bemerkung abschließt, dass die phil.-hist. Classe über Honorirung der Mitarbeiter, sowie über die Drucklegung der Ausgaben … sich die näheren Bestimmungen vorbehält und betont, dass Druck und Verlag der Editionen in Wien sein … wird; beides ist durch Bleistiftkennzeichnung (für Spitzka?) am Rand besonders hervorgehobenen; – (3.) ein Schreiben des Generalsekretärs Anton Schrötter von Kristelli (1802–1875, österreichischer Chemiker und Mineraloge, einer der Begründer der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien, ab 1805 deren Generalsekretär) an das Löbliche kk. Universal-Cameral-Zahlamt mit der Mitteilung, dass die Akademie mit Beschluss der Herausgabe des CSEL den Druck und den Verlag dieses Werkes Gerold überlassen habe; das Amt wolle demnach einen Conto mit dem Titel: ‚Aequivalent für den Erlös aus dem Verkaufe des Corpus script. eccles. Lat.‘ eröffnen und darauf alle Beträge verbuchen … 12 ÖAW Allg. Akten Nr. 976 aus 1885 (mit vier Schreiben vom November und Dezember): Gerold begründet im Schreiben vom 21. November an Generalsekretär Siegel die Tatsache, dass der von uns festgesetzte Ladenpreis von f 7.50krz für den II Theil des 13. Bandes (es handelt sich um Cassian, ed. M. PETSCHENIG) von der löbl. Kaiserl. Akdemie der Wissenschaften zu hoch befunden worden, mit den Gestehungs- und Vertriebskosten bei einem festen Kundenkreis von 293 Exemplaren (Petschenig [1845–1923] edierte eine beachtliche Zahl an CSEL-Bänden, nämlich 7, 13, 17, 51, 52, 53, 62, 64 und eines der Werke aus CSEL 16; zu seiner Person vgl. SMOLAK, Petschenig). 13 Im soeben genannten Akt ist auch die von Siegel konzipierte Antwort an Gerold vom 3.12.1885 erhalten, in der es zu Ende heißt: … Was das Verlangen der geehrten Verlagshandlung [sic!] betrifft, denselben Ladenpreis … auch für die nächste Zeit beizubehalten, so genehmigt die [am Rand hinzugefügt: Classe über Antrag der] Kirchenväter-Commission diesen Satz für die im Druck befindlichen 5 Bände (9, 12, 14, 15 u. 16), behält sich dagegen für die weiteren Bände ihre Entschließung vor (vgl. auch die Sitzungsprotokolle der Kirchenväterkommission vom 30. März und 27.

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Die Kontakte zu Bibliotheken gestalteten sich von Beginn an unterschiedlich: Manche stellten der Kirchenväterkommission eine Liste ihres einschlägigen Besitzes zur Verfügung bzw. vervollständigten das Wissen darum. So übersandte schon am 20. Oktober 1866 der Bibliothekar der Stiftsbibliothek Einsiedeln, P. Gall Morel14 (1803–1872, Benediktiner, Lehrer und Bibliothekar), ein Verzeichnis von Codices der latein. Kirchenväter bis zum IX. Jahrhundert (so am Umschlag); es möchte dasselbe, so merkt der Bibliothekar im intus liegenden Schreiben an, einige Lücken in dem von H. Dr. Halm gefertigten ‚Verzeichniß der ältesten Handschriften lateinischer Kirchenväter in den Bibliotheken der Schweiz‘ (Wien 1865) ausfüllen.15 Die Gewohnheit, diplomatische Missionen im Ausland einzuschalten, ergab sich aus Vorsichtsmaßnahmen wohl vieler Bibliotheken, wie das Schreiben zeigt, das Das koenigliche Bibliothekariat Bamberg am 13. Dezember 1866 an die Akademie richtete: Franz Ritter v. Miklosich (1813–1891), damals Secretär der phil. hist. Cl. der k Akademie,16 hatte offenkundig dort direkt angefragt, doch die Antwort war (mit aller Höflichkeit) abschlägig; es heißt nämlich: die Akademie beehrte unter dem 10ten Dezember Nro. 1053 die Direction der königl. Bibliothek in Bamberg mit dem dienstfreundlichen Gesuche, ihr auf 3 Monate den Codex Cyprian zur Revision einer beabsichtigten

|| Juni 1886). Dies wurde eingehalten mit Ausnahme des 16. Bandes, der nicht mehr bei Gerold erschien. 14 Zu seiner Person: KÜHNE, Gall Morel; RIES, Morel. 15 ÖAW Allg. Akten Nr. 975/1866; gleichfalls intus befindet sich ein Gutachten zu diesem Verzeichnis, verfasst am 13. Januar 1867 durch Johannes Vahlen (als Berichterstatter, wie damals die Obmänner genannt wurden: s. ALMANACH 16 [1866], 40), das von den Kommissionsmitgliedern Albert Jäger (1801–1891, Benediktiner und Historiker, Begründer des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung), Hermann Bonitz (1814–1888, Philologe, Philosoph und Schulreformer, ab 1849 Professor für Klassische Philologie in Wien) und Franz v. Miklosich (Begründer der wissenschaftlichen Slavistik; zu seiner Person siehe weiter unten) mitunterzeichnet ist: darin erklärt die Kommission, trotz mangelnder Möglichkeit einer Überprüfung und trotz formalen Abweichungen von der von Reifferscheid in seinen Berichten eingehaltenen Methode, den Abdruck des Verzeichnisses in den Sitzungsberichten der Classe antragen zu sollen; die Drucklegung von MOREL, Einsiedler-Handschriften, fand noch in demselben Jahr statt und wurde mit dem Zusatz „Supplement zu K. Halm, Verzeichniss der älteren Handschriften …“ versehen. Halms Publikation ist bei ZELZER, Ein Jahrhundert, 82, ohne Morels Ergänzung erwähnt. – Karl Felix (Ritter von) Halm (1809–1882) war Professor für Klassische Philologie in München und ab 1844 Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften; für das CSEL edierte er die ersten beiden Bände (Sulpicius Severus / Pseudo-Sulpicius Severus sowie Firmicus Maternus und Minucius Felix); zu seinem Leben s. CHRIST – LAUBMANN, Halm; PAUER, Halm. 16 Diese Funktion hatte Miklosich (seit 1851 wirkliches Mitglied der Akademie) von 1866 bis 1869 inne; er war, wie gesagt, auch Mitglied der Kirchenväterkommission, der er – wie auch im Folgenden immer wieder deutlich wird (vgl. u. Anm. 33) – bis zu seinem Tod eng verbunden bleiben sollte. Zu Werdegang und Leistungen dieses bedeutenden, slowenisch-stämmigen und multilingualen Gelehrten s. HAFNER, Miklosich, 293–307; zur Beschreibung seiner wissenschaftlichen Veröffentlichungen s. MURDAROV, Wiener Slawistik, 39–53.

294 | Christine Harrauer  Textes-Recension nach Wien übersenden zu wollen17 – aber: Mit dem größten Vergnügen würde der ergebenst Unterzeichnete der gestellten Bitte allsogleich entsprechen, wenn nicht die Bibliotheks-Statuten die ausdrückliche Bedingung als Vorschrift enthielten, bei Verleihungen ihrer Codices ausserhalb Bayerns habe jedes Mal die Nachsendung durch Vermittlung der betreffenden Gesandtschaften zu geschehen.18 *** Eine andere Bibliothek war hingegen durchaus bereit, das junge Forschungsunternehmen der Akademie durch Entlehnung auch ohne diplomatische Vermittlung zu unterstützten: die Stiftsbibliothek St. Gallen. Schon am 27. Mai 1867 schlug der Stiftsbibliothekar, P. Franz Buchegger, eine bessere Abwicklung der Entlehnung vor:19 Er bot dem Secretär der philos. histor. Cl. Miklosich auf dessen Anfrage vom 18. Mai20 an, zur Beschleunigung der Angelegenheit jeweils eine Erklärung mit Angabe des Codex zu unterschreiben und an die Bibliothek zu senden, weil, wie Buchegger richtig vermutet, für die Herausgabe der latein. Kirchenväter noch mehrere hiesige Handschriften consultiert werden; denn, so fügt er hinzu: Früher sind solche Versendungen gewöhnlich unter Vermittlung und Garantie der resp. Gesandtschaften in der Schweiz bewerkstelligt worden, was die Sache immer in die Länge gezogen hatte.21 Seinem Schreiben legte er eine vom Stift verfasste (im Akt erhaltene) Vorlage mit dem Titel Eventueller Verpflichtungsschein bei: Die Unterschrift darin seitens der Akademie bedeutete die Garantie dafür, 1. dass erwähnte Handschrift, welche von der Verwaltung der Stiftsbibliothek in St. Gallen der Post und dem jeweiligen Inhaber gegenüber zu 500 f /: fünfhundert Gulden :/ gewerthet wird, in einem feuerfesten Locale ihrer Anstalt aufbewahrt werde; 2. dass die Handschrift vom Tage der Versendung an gerechnet, innert drei Monaten wieder unbeschädigt an die Stiftsbibliothek in St. Gallen zurückgesendet werde. Dies wurde von der Akademie gern akzeptiert, wie das diesem Akt beigelegte Originaldokument mit Oblatensiegel beweist, unterzeichnet von Karajan als Präsident und Miklosich als Sekretär der phil.-hist. Klasse (ein weiteres Exemplar wurde nach St. Gallen geschickt). In der Folge wurde gegen || 17 Unter der genannten Aktennummer 1053 aus 1866 notiert Miklosich mehrere Angelegenheiten für die offizielle Ausfertigung, darunter als einen der letzten Punkte auch die Entlehnung aus Bamberg. 18 ÖAW Allg. Akten Nr.1087/1866; die zweite Seite mit der Unterschrift fehlt. 19 ÖAW Allg. Akten Nr. 552/1867. 20 Das handschriftliche und (durch Miklosich selbst) vielfach korrigierte Konzept ist – samt dessen Grundlage, W. v. Hartels Notiz zu den beiden von ihm benötigten Cyprian-Codd. Sangall. 89 und 454 – als ÖAW Allg. Akt Nr. 515/1867 erhalten; in dem hier gleichfalls beigelegten Brief vom 14.4. versichert H. Bonitz erfahren zu haben, dass St. Gallen Handschriften entlehne; der Hochgeehrte Freund solle das Gesuch dafür an Hochwürden Dr Franz Buchegger | Director der Stiftsbibliothek in St Gallen richten. 21 Eine zweifellos richtige Beobachtung, denn aus einer Reihe der Allgemeinen Akten ist ersichtlich, dass die entlehnten Codices erst nach ungefähr ½ Jahr in Wien eingesehen werden konnten.

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(unversehrte) Rückgabe eines entlehnten Codex eine weitere Entlehnung von der Stiftsbibliothek akzeptiert und nach Übersendung durch die Post der Akademie gegen Revers ausgehändigt,22 die ihrerseits eine der Wiener Bibliotheken für die ordnungsgemäße Verwahrung verständigte; die Rückgabe erfolgte jedes Mal wiederum mit den jeweiligen Bestätigungen (in umgekehrter Reihenfolge). Ausgerechnet gegenüber dieser hilfreichen Bibliothek passierte – beinahe 20 Jahre danach – ein peinlicher Eklat: Josef Zycha (1843–1918),23 der im Auftrag der Kirchenväterkommission an Augustinus’ Contra Faustum Manichaeum arbeitete, richtete am 7. Jänner 1886 an das Praesidium der Kirchenväter-Commission die Bitte, es wolle ihm zum Zwecke der Herausgabe dieses Werks die Codd. Sangall. 173 (saec. IX) und Sangall. 172 (saec. X24) möglich machen;25 am Rand dieses Schreibens notiert W. v. Hartel am folgenden Tag: Die Kirchenväter-Commission ersucht das hohe Präsidium die bezeichneten Hss. zur Benüzung in den Räumen der Universitätsbibliothek zu bestellen. Generalsekretär Siegel fasste auch prompt (am 9.1.) ein entsprechendes Schreiben an die Stiftsbibliothek ab (Vermerk am oberen Rand: Exped. 11/I); schon am 19. Jänner 1886 langten beide Codices gegen Revers in Wien ein, sodass Siegel sie am 25.1. mit der Bitte zur Verwahrung der Universitätsbibliothek übersenden konnte, wovon er auch, wie am Rand vermerkt, mittels Correspondenzkarte Zycha verständigte. Als beide Codices – in gewohntem Procedere (nach rund drei Monaten) – wieder zurückgegeben und in der Stiftsbibliothek St. Gallen eingetroffen waren, sah sich der dortige Bibliotheksleiter veranlasst, an Generalsekretär Siegel – der inzwischen, am 13. Mai, die Entlehnung des Codex 153 (zur Kollationierung durch den Gymnasial-Professor und Klassischen Philologen Pius Knöll [1844–1929] in der Hofbibliothek) erbeten hatte26 – am 28. Mai 1886 folgende Mitteilung zu machen (Abb. 1):27 || 22 Vgl. z. B. ÖAW Allg. Akten Nr. 338/1878 mit dem Revers vom 20. März (intus), in welchem Generalsekretär Siegel für jede Eventualität hinsichtlich dieses Codex volle Garantie zu leisten bescheint mit Amtssigill und Unterschrift; der Codex (Sangall. 573, Paulini versus, etc.) wurde – mit Wissen der Stiftsbibliothek – nicht in Wien gelesen, sondern nach Brünn transferiert, wo Josef Zechmeister ihn in der Bibliothek des k. k. polytechnischen Institutes benützen durfte. 23 Im übergebene Archiv der Kirchenväterkommission befinden sich einige Dokumente aus dem Nachlass des Wiener Gymnasial-Lehrers Josef Zycha und seiner Familie; er war Vater u. a. des Juristen und in Bonn wirkenden Universitäts-Professors Adolf Zycha (zu dessen Person: WIEDERHOLD, Adolf Zycha, 603–640). Auch einige Dokumente von Adolf Zycha sind in diesem ArchivMaterial (‚Teilnachlass Fam. Zycha‘) zu finden (u. a. Schulzeugnisse). 24 Die Handschrift wird heute ins 9. Jahrhundert datiert. 25 ÖAW Allg. Akten Nr. 24/1886. – Zycha war hauptberuflich Professor am Wiener CommunalGymnasium in der Sperlgasse; seine Augustinus-Ausgaben sind im CSEL-Verzeichnis (wie o. Anm. 3) angeführt. 26 ÖAW Allg. Akten Nr. 448/1886; P. Knöll brauchte, wie er am 28. April an W. v. Hartel schrieb, diesen aus dem 9. Jh. stammenden Cod. Sangall. für seine Arbeit an den Retractationes des Augustinus. Abgesehen von diesem Werk (CSEL 36) edierte er für die Kirchenväterkommission: CSEL 9 (Eugippius), 33 (Aug. conf.) und 63 (Aug. c. acad.; beat. vit. und ord.). 27 Beigelegt dem Allg. Akt Nr. 499/1886.

296 | Christine Harrauer  Hochgeehrter Herr Generalsekretär! Sie erhalten hiemit laut Ihrem Gesuche vom 13. d. M. den gewünschten cod. No 153.28 Nach Empfang werden Sie höflichst gebeten, beiliegenden Revers gütigst ausfüllen & unterzeichnen zu wollen & so denselben unmittelbar darnach wieder anher zurücksenden zu lassen. Nebstdem erlaube ich mir, die hochverehrte Direktion der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften hiemit ergebenst zu bitten, den Benützern unserer Handschriften möglichst sorgfältige Behandlung derselben zu empfehlen. Die letzten 2 von Herrn Profeßor Zycha benützten codices z. B. (Noo 172 & 173, Augustin contra Faustum enthaltend,) sind nicht unbeschädigt zurückgekommen.29 So sehr bereitwillig wir immer sind, mit Allem, was wir haben, der Wissenschaft überall zu dienen, so muß meine Oberbehörde es doch als ihre hohe Pflicht betrachten, [Seite 2] unser gegenwärtiges Besitzthum auch der Nachwelt möglichst unversehrt zu bewahren. Ich hoffe zuversichtlich, daß Sie diese unsere [sic] Bitte weder zürnen noch unbeachtet lassen werden. Mit ausgezeichneter Hochachtung Der Bibliothekar: Idtensohn30

|| 28 Die Bestätigung dafür von Seiten der Akademie erfolgte durch den Generalsekretär am 1. Juni (ÖAW Allg. Akten Nr.448/1886). 29 Dieser Satz sowie die folgenden beiden Zeilen sind (wohl von Generalsekretär Siegel) am Rand durch zwei starke Längsstriche mit hellblauem Farbstift markiert. Die Unterstreichung mit roter Tinte stammt wahrscheinlich vom Kanzleibeamten, der die entsprechenden älteren Akten zusammensuchte und (gleichfalls mit roter Tinte) am Rand auf Akt 24 ex 1886 verweist. – Später hat offenbar derselbe Beamte am unteren Rand noch nachgetragen: Siehe ad N. 499 ex 1886, Rechtfertigung Zycha | Brief ádo. [= á dato] Wien 4. Juni 1886 (s. dazu weiter unten). 30 Zu Idtensohn teilt Herr Dr. Karl Schmuki, der Leiter des Bereichs Wissenschaft an der Stiftsbibliothek St. Gallen – dem ich sehr herzlich für seine prompten und sorgfältigen Nachforschungen danke – Folgendes per e-mail mit: Johann Nepomuk Idtensohn (1827–1892) leitete die Stiftsbibliothek von 1876 bis zu seinem Tod; er war, wie alle Bibliotheksleiter in St. Gallen bis 1981 (mit Ausnahme der Jahre zwischen 1855 und 1861), gelehrter geweihter Priester. – Bei der Oberbehörde, von der Idtensohn spricht, handelt es sich um die Stiftsbibliothekskommission als Aufsichtsbehörde der Bibliothek.

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Abb. 1a

Brief des Bibliothekars Idtensohn (St. Gallen) vom 28. Mai 1886, Archiv ÖAW, Allg. Akten Nr. 499/1886 (recto), © ÖAW.

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Abb. 1b

Brief des Bibliothekars Idtensohn (St. Gallen) vom 28. Mai 1886, Archiv ÖAW, Allg. Akten Nr. 499/1886 (verso), © ÖAW.

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Am oberen Rand dieses Schreibens ist mit dem Vermerk praes. 1. Juni das Datum des Eintreffens im Präsidium fixiert. Siegel muss von diesem Schreiben äußerst betroffen gewesen sein, denn er unternahm sofort das Nötige: Am 2. Juni 1886 legte er in der Sitzung der phil.-hist. Klasse das Problem vor – und es war dies (auffallenderweise) der einzige Punkt, der im sog. ‚Vertraulichen Teil‘ behandelt wurde; im Protokoll (gezeichnet von Präsident Arneth und Generalsekretär Siegel) wurde Folgendes dazu festgehalten:31 Die Stiftsbibliothek von St. Gallen bittet den Benützern ihrer Handschriften möglichst sorgfältige Behandlung zu empfehlen, nachdem die letzten 2 von Herrn Prof. Zycha benutzten Codices nicht unbeschädigt zurückgekommen sind. Auf Antrag des wirklichen Mitgliedes Herrn Hofrathes v. Sickel32 wird der Bibliothek das Bedauern ausgesprochen und auf Antrag des Hofrathes v. Miklosich seitens der Kirchenväter Commission33 den einzelnen Bearbeitern die größte Sorgfalt anempfohlen werden. Noch am selben Tag verfasste Siegel ein Konzept an die Direction der Stiftsbibliothek zu St. Gallen, dessen ausgefertigtes Original am 5. Juni 1886 expediert wurde; es enthält zu Ende auch eine wichtige Anfrage:34 Der Gefertigte beehrt sich im Anschluße das von ihm unterschriebene Recepisse über das Einlangen des für Herrn Professor Dr. Pius Knöll entlehnten Codex No 153 zurückzusenden und zugleich zu bitten, das Bedauern, welches die philos.-historische Classe in der Sitzung vom 2. Juni d. J., nachdem ihr die Mittheilung gemacht worden, dass die vom Professor Dr. Zycha benützten Codices N 172 und 173 nicht unbeschädigt zurückgekommen seien, ausgesprochen hat, sowie die seitens der Kirchenväter-Commission abgegebene Erklä-

|| 31 ÖAW SPph XIV/1886 (1137). 32 Theodor Ritter v. Sickel (1826–1908) war Professor der Geschichte und ihrer Hilfswissenschaften an der Wiener Universität und wirkliches Mitglied der Akademie seit August 1870 (s. ALMANACH 36 [1886], 16), zudem 1875–1893 Mitglied der MGH, Leiter der Abteilung Diplomata, und, 1881 maßgeblich an der Öffnung des Vatikanischen Archivs beteiligt, Begründer des Istituto austriaco di studii storici; zu seiner Person vgl. u. a. STELZER, Sickel, 309–311. 33 Miklosich war seit 1875 ihr Obmann und stand der Kommission bis 1891 – also insgesamt 16 Jahre lang – vor; zwar bemerkt HANSLIK, 100 Jahre CSEL, 24f., mit Recht, dass W. v. Hartel während dieser Zeit „praktisch die Agenden“ der Kommission betreut hat und ihr „Motor“ war, aber zu ihrer Etablierung hat der angesehene Slavist Miklosich, der schon Gründungsmitglied war (gemeinsam mit Vahlen, Bonitz und Jäger ernannt am 24. Februar 1864: ALMANACH 14 [1864], 36), gewissermaßen ‚von außen‘ – und nicht nur in seiner Zeit als Generalsekretär der Akademie – zweifellos wesentlich beigetragen. 34 ÖAW Allg. Akten Nr. 499/1886.

300 | Christine Harrauer  rung, den einzelnen Bearbeitern der Handschriften die größte Sorgfalt bei Benützung derselben empfehlen zu wollen, zur freundlichen Kenntnis zu nehmen. Am Rand fügte Siegel hinzu: Nicht unerwünscht wäre es mir, | wenn die Geehrte Direction die Ge=|fälligkeit hätte, die Art der [darunter eingefügt: stattgefundenen] Be=|schädigung mitzutheilen. Und ebenso am 2. Juni schrieb Miklosich – der sich als Obmann der Kirchenväterkommission natürlich verantwortlich fühlte – selbst, in zwar höflichem, aber sichtlich gereiztem Ton, einen blauen Karten-Brief an Josef Zycha, adressiert an dessen Arbeitsstätte, das Gymnasium in der Wiener Sperlgasse (Abb. 2):35 Geehrtester Herr Professor, die Akademie ist wegen der St Gallener | Codices in eine sehr fatale Lage gekommen. | Der dortige Bibliothekar erhebt Beschwerde, daß | ihm dieselben ‘in beschädigtem Zustand’ | zurückgestellt worden seien. Ist in der | That dem Codex irgend etwas geschehen | u. was? Ich bitte Sie dringend mich | durch einige Zeilen in Kenntniß | zu setzen, weil wir mit St Gallen, das | wir sehr brauchen, uns auseinandersetzen | müssen. Mit besten Grüßen Ihr ergebenster Miklosich Zycha war natürlich klar, welche Konsequenzen dies haben konnte, und retournierte postwendend am 4. Juni (auf Briefpapier des Gymnasiums) folgende – nicht ungeschickt eingeleitete – Sachverhaltsdarstellung (Abb. 3):36

|| 35 ÖAW, FE KVK Zycha-Akte, Fachkorrespondenz, 2. Juni 1886. 36 Beigelegt dem ÖAW Allg. Akt Nr. 499/1886; am oberen Rand in roter Tinte der sorgfältige Vermerk eines Kanzleibeamten: zu Nr. 24/ex 1886 (Bitte Siegels an die Wiener Universitätsbibliothek, abgeschickt am 26.1.1886, die Codd. 172 und 173 in sichere Verwahrung zu übernehmen und Herrn Professor Zycha zum Zwecke der Collation in ihren Räumen verfügbar zu halten). – Zu der (gleichfalls in roter Tinte angemerkten) Vorlage des Briefes beim Präsidium s. weiter unten.

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Abb. 2

‚Kartenbrief‘ von Miklosich an Zycha vom 2. Juni 1886, Archiv ÖAW, FE KVK Zycha-Akte, Fachkorrespondenz, © ÖAW.

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Abb. 3a Antwort von Zycha an Miklosich vom 4. Juni 1886, Archiv ÖAW, Allg. Akten Nr. 499/1886 (recto), © ÖAW.

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Abb. 3b Antwort von Zycha an Miklosich vom 4. Juni 1886, Archiv ÖAW, Allg. Akten Nr. 499/1886 (verso), © ÖAW.

304 | Christine Harrauer  Hochverehrter Herr Professor! Bevor ich auf die Sache eingehe, gestatten Sie mir, daß ich Ihnen meine Glückwünsche ausspreche zu der Ihnen gewordenen Auszeichnung,37 und den Anlaß benütze Ihnen meinen herzlichen Dank auszusprechen für die Gunst und Gewogenheit, welche Sie mir jederzeit entgegengebracht haben und entgegenbringen. Und nun zur Sache. Es ist mir äußerst peinlich, daß die Codicesx) beschädigt worden sind.38 Wo die Beschädigung stattgefunden hat, weiß ich nicht. Ich kann nach bestem Wissen und Gewissen erklären, daß durch meine Schuld nicht der geringste Schaden entstanden ist: kein Tinten- oder Bleistiftflecken, keine Verbind39 Verbiegung oder sonstige Beschädigung, selbst der Deckel nicht. Ich benützte die Codices in der Universitätsbibliothek stets unter Aufsicht. Gegen Ende April war ich fertig und fragte den Beamten Herrn Dr. Kukula, ob ich für die Transferirung der Handschriften nach dem Academiegebäude Sorge

|| 37 Miklosich hat im Verlauf seines Gelehrtenlebens zahlreiche hohe Auszeichnungen erhalten; die hier angesprochene ist, soweit ich sehe, sonst nicht erwähnt, es dürfte sich also um eine weniger bedeutende Ehrung gehandelt haben. Vom zeitlichen Rahmen her gesehen käme nur ein Dekret vom 7. Mai 1886 in Betracht, durch Paul Gautsch v. Frankenthurn (1851–1918; zu seiner Person: WEYRICH, Freiherr von Frankenthurn), den Minister für Cultus und Unterricht, eigenhändig unterschrieben (Archiv der Universität Wien , Phil. Dek. Akt 110 aus 1885/86, Nr. 081): es gewährt die kaiserliche Genehmigung, dass bis zum Dienstantritte des neuernannten Professors der slavischen Philologie, Dr Jagić, der Hofrath im Ruhestande, Dr Ritter von Miklosich, mit den Funktionen eines Examinators aus der slawischen Philologie … betraut werde; dies bedeutete die außerordentliche Prüfungsbefugnis für Doktoranden und Habilitanden, obwohl Miklosich bereits seit Ablauf des Sommersemesters 1885 als Professor der slavischen Philologie und Literatur an der Wiener Universität emeritiert worden war (unter Zuerkennung des Ordens der eisernen Krone zweiter Classe, s. UWA, Phil. Dek. Akt 842 aus 1884/85; vgl. auch ALMANACH 35 [1885], 15, ‚Personalstand‘ vom August 1885). Miklosich hatte aber – als von ministerieller Seite am 20. Oktober 1885 ohne besondere Modalitäten genehmigter Honorarprofessor (UWA, Phil. Dek. Akt 110 aus 1885/86, Nr. 075 und 077) – den Lehrbetrieb während des folgenden Studienjahres aufrecht erhalten (vgl. etwa auch den letzten Absatz im Brief von Davorin Nemanič an Miklosich in STURM-SCHNABL, Briefwechsel, Nr. 568 mit Anm. 5); die finanziellen Verhandlungen der Behörde mit dem von Miklosich favorisierten und noch in St. Petersburg weilenden Vatroslav Jagić (1838–1923) – der laut Bericht der Kommission zur Wiederbesetzung der Lehrkanzel vom 13. Juni 1885 einstimmig berufen wurde (UWA, Phil. Dek. Akt 594 aus 1884/85, Prot., Nr. 068) – gestalteten sich in der Folge so schwierig, dass dieser, wie sein Briefwechsel mit Miklosich zwischen März und April 1886 zeigt, erst dann und zur großen Erleichterung von Miklosich bereit war, den Ruf nach Wien anzunehmen (s. STURM-SCHNABL, bes. Nr. 574– 576). 38 Unterstreichung in roter Tinte durch den Kanzleibeamten, der in derselben Farbe auch über das Wort Codices die Kennzeichnung x) setzte und unter Wiederholung dieser Markierung am unteren Rand der 1. Seite hinzufügte: Stadtbibl. [sic] St. Gallen 172 & 173. 39 Tilgung durch Zycha.

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tragen solle. Der Beamte erklärte mir, das sei Sache der Universitätsbibliothek, nur müsse ich die Kosten der Verpackung und das Porto tragen, was ich natürlich that. Mit letzterer Bemerkung will ich nicht im Geringsten die Verantwortung auf Herrn Dr Kukula wälzen; ich constatiere nur den Sachverhalt. Fand also eine Beschädigung statt, so konnte es nach meiner Überzeugung (äußerlich) nur während des Transportes geschehen. Ich gestehe übrigens, in einem Punkte gefehlt zu haben, nämlich daß ich mir von der Direction der Univ.bibl. nicht eine Bestätigung [Seite 2] geben ließ, daß die codices integri von meiner Hand abgeliefert worden sind. Durch Schaden wird man eben klug; künftig passiert mir so etwas nicht. Ich bedauere unendlich, daß die Academie Verlegenheiten hat, aber ich erkläre nochmals: innerlich war nicht die geringste Beschädigung vorhanden! Mit dem Ausdrucke ausgezeichneter Hochachtung bin ich Euer Hochwohlgeboren ganz ergebener J. Zycha Miklosich zeigte sich zufrieden und nun offensichtlich auch, wie schon die Anrede erkennen lässt, freundlich gestimmt (Karten-Brief vom 4. Juni 1886; Abb. 4):40 Lieber Herr Professor, Besten Dank für Ihre freund-|lichen Glückwünsche. Den andern Inhalt Ihres | Briefes theile ich sofort dem | Bureau der Akademie mit. Ich zweifle nicht, daß Sie ganz | außer Schuld sind u. daß sich | die Sache aufklären wird. Zunächst | müssen wir erfahren, was beschädigt | worden sei. Mit bestem Gruß Ihr ergebenster Miklosich Miklosich hielt Wort: Er übergab Zychas Brief dem Präsidium und legte wohl auch seine Sichtweise (schriftlich oder mündlich) dar, denn schon am 5. Juni sandte Generalsekretär Siegel – samt Rücksendung des von P. Knöll eingesehenen Codex 153 – ein Schreiben an die Direction der Stiftsbibliothek zu St. Gallen.41 Nach dem Dank für die Entlehnung der nun retournierten Handschrift heißt es hier:

|| 40 ÖAW, FE KVK Zycha-Akte, Fachkorrespondenz. 41 ÖAW Allg. Akten Nr. 499/1886.

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Abb. 4

‚Kartenbrief‘ von Miklosich an Zycha vom 4. Juni 1886, Archiv ÖAW, FE KVK Zycha-Akte, Fachkorrespondenz, © ÖAW.

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Zugleich erlaubt sich der Gefertigte, den in der Zuschrift vom 2. Juni d. J. ausgesprochenen Wunsch, es wolle die geehrte Direction die Gefälligkeit haben, die Art der Beschädigung an den von Professor Dr. Zycha benützten Codices Nr 172 du 173 mittheilen, zu erneuern, da von Professor Dr. Zycha behauptet, die beiden Handschriften unversehrt der Wiener Universitätsbibliothek nach jedesmaliger Benützung übergeben zu haben. Die ‚Direktion‘ (bzw. Stiftsbibliothekskommission) des Stifts St. Gallen dürfte ihrem Bibliothekar gegenüber – der Siegels Bitte nicht sofort entsprochen hatte – gleichfalls einigen Unmut geäußert haben;42 dies kann man aus dessen Antwortschreiben vom 10. Juli 1886 schließen, das er nunmehr nicht (nur) an Siegel richtete, sondern (Abb. 5):43 An Die Kaiserliche Akademie der Wissenschaften in Wien Mit Rüksendung [sic] des beiliegenden Reverses bescheinige [ich] dankbarst den richtigen Rückempfang unseres cod. 153, welcher vollkommen unversehrt zurückgekommen ist. Ihre Anfrage in betreff der Hss.bände 172 und 173, die s.Z. [seinerzeit] für Herrn Professor Dr. Zycha abgesendet worden waren, so fanden sich in dem einten derselben nach der Rükkunft am 4. Mai: mehrere kleine Tintenklekse, zwar nicht im Texte, sondern bloß am Rande, ebenso ein paar vergriffene Stellen, so nämlich, als wären die Blätter am Rande von schweißigen oder öligen oder sonst nicht ganz reinen Fingern berührt worden. – Ich kann Ihnen das Genauere: Seitenzahl etc nicht mehr angeben; ich weiß mich nur mehr zu erinnern, daß ich diese beiden Bände unmittelbar nach Oeffnung des Packetes inspizierte und mich dann mehr als eine Stunde damit beschäftigte, jene Klekse (4–6) auszuradiren & die beschädigten Stellen auszureinigen. Ich erinnere mich zwar auch, daß in dem einten der zwei Bände einige solcher Rasuren von alten

|| 42 Dies vielleicht durch ein Mitglied in ebenso inoffizieller Art, wie Miklosich es bei Zycha tat, denn „erstaunlicherweise“, wie auch Dr. Schmuki (o. Anm. 30) die Sachlage beurteilt, findet sich weder in den Protokollen noch im Jahresbericht der Stiftsbibliothekskommission eine Spur davon. Er fand nur im Sitzungsprotokoll vom 29. Juli 1886 den Vermerk unter Tractandum 4b – dem Bericht des Bibliothekars über viele per Post ins Ausland versandte Codices –, dass am 20. Januar die Codices 172 & 173, Augustinus Schriften enthaltend, an die kaiserl. Akademie in Wien zur Benüzung für Professor Jos. Zycha [ausgeliehen wurden]; zurückerhalten am 4. Mai. Herr Schmuki hat dafür eine Erklärung – dies jedoch erst weiter unten. 43 ÖAW Allg. Akten Nr. 448/1886.

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Abb. 5a

Brief des Bibliothekars Idtensohn (St. Gallen) vom 10. Juli 1886, ÖAW, Allg. Akten Nr. 488/1886 (recto), © ÖAW.

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Abb. 5b Brief des Bibliothekars Idtensohn (St. Gallen) vom 10. Juli 1886, ÖAW, Allg. Akten Nr. 488/1886 (verso), © ÖAW.

310 | Christine Harrauer  Kleksen mitten im Texte vorkamen; aber diese Beschädigungen waren offenbar alt während mir jene ganz frisch und neu erschienen.44 [Seite 2] Das ist, was ich darüber berichten kann. – Es würde nichts nützen, den codex aufzuschlagen, weil ich die schadhaften Stellen sofort ausgebessert habe, so gut ich immer nur konnte. Um ja keinem Herrn Benützer einer Handschrift Unrecht zu thun, werde ich in Zukunft diese kleinen Defekte, die oft weder in unserem gedrukten noch in dem (viel weitläufigeren) geschriebenen Hss. Kataloge bezeichnet sind, unten am Reverse oder sonst irgendwie genau bemerken, wie ich es z. B. das letzte Mal auf Ihrem (hier ebenfalls beiliegenden) Briefe vom 23. Mai alhie für mich gethan. Mit ausgezeichneter Hochachtung Der Bibliothekar: Idtensohn Tatsächlich ist dieser von Idtensohn ‚beigelegte‘ Originalbrief der Akademie (in welchem Generalsekretär Siegel den Cod. 153 für P. Knöll bestellt hatte) in demselben Akt erhalten – und nun ist auch klar, weshalb das Original zurückkam und durch wen darauf mit Bleistift die (alten) Schäden des Cod. 15345 vermerkt wurden. Idtensohns Schreiben an die Akademie trägt rechts oben den Vermerk (des Akademiebüros): C. 1141 Zur Kenntniß & ad acta. Dies bezieht sich auf das Protokoll der Sitzung der philosophisch-historischen Classe vom 14. Juli 1886,46 welches gleich als ersten Punkt im sog. ‚Vertraulichen Teil‘ folgendes vermerkt: Die Stiftsbibliothek von St. Gallen macht auf das wiederholte Ansuchen, die Art und Weise der angeblichen Beschädigung einer von dort entliehenen Handschrift zu bezeichnen eine Mittheilung, welche zur Kenntnis genommen wird, da kein Anlaß vorliegt, einen weiteren Schritt in der Sache zu thun. Für die Akademie war die Sache also erledigt – für die Stiftsbibliothek St. Gallen, wie gezeigt, kein Thema mehr. Das kann wohl nur einen Grund gehabt haben: Die Stiftsbibliothek war nämlich zu eben derselben Zeit mit einem vergleichbaren, jedoch noch weitaus gravierenderen Problem konfrontiert, wie Dr. Schmuki in seiner

|| 44 Die drei Unterstreichungen mit hellblauem Farbstift stammen offenkundig nicht vom Bibliothekar Idtensohn, sondern wurden als die für die Akademie markantesten Punkte – wohl durch ein Präsidiumsmitglied (Generalsekretär Siegel?, vgl. o. Anm. 29) – angebracht. 45 Idtensohn notierte: Die letzten 12 bll. sind fleckig. – | am Anfang (4) & am Ende (2) blttr. wurmstichig | Di[tto] S 2–96 oben fettflekig. 46 ÖAW SPph XVIII/1886 (C 1141).

Schlaglichter aus den Anfängen des CSEL | 311

e-mail aus St. Gallen47 mitteilt: Er hält es für „wahrscheinlich, dass die Auseinandersetzungen mit Wien“ wegen der „gleichzeitig eingetretenen massiveren Beschädigungen von mehreren hochkarätigen St. Gallener Codices (unter anderem des einzig erhaltenen Exemplars des Psalters Notkers des Deutschen) untergingen, die an das Victoria & Albert Museum in London für eine Ausstellung ausgeliehen worden waren. Da gab’s gravierende Ölflecken in mehreren der ausgeliehenen Codices, die von St. Gallen aus zurecht beanstandet wurden. Jene Auseinandersetzung fällt genau in die Zeit der Ausleihe der Codices 172 und 173 nach Wien und erstreckte sich noch über mehrere Jahre.“ Wie so oft im Leben, kann auch hier nicht mit letzter Sicherheit beurteilt werden, was tatsächlich geschah und ob die Schäden in Wien entstanden oder nicht.48 Zycha konnte jedenfalls, soviel wir wissen, unbehelligt weiterarbeiten und publizierte Contra Faustum gemeinsam mit anderen kleineren Werken Augustins in CSEL 25 (1891/92). Eines aber bewahrheitet sich: der Spruch quod non est in actis, non est in mundo – lebendig wird Geschichte durch die Hebung von Schätzen der Archive, so auch die Geschichte des verdienstvollen CSEL, das nunmehr 150 Jahre alt geworden ist.

Bibliographie ALMANACH = Almanach der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien: Die feierliche Sitzung der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, 1851–1917; ab 1918: Akademie der Wissenschaften, Wien: Almanach; ab 1948: Österreichische Akademie der Wissenschaften: Almanach. BEER, R., Handschriftenschätze Spaniens. Bericht über eine im Auftrag der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in den Jahren 1886–1888 durchgeführte Forschungsreise, Wien 1894. CHRIST, W. v. – LAUBMANN, G., Art. Halm, Karl, in: ADB 49 (1904), 723–731 (Deutsche Biographie, GND: 100158463) [Onlinefassung: http://www.deutsche-biographie.de/sfz27903.html] DUSIL, St., Art. Siegel, Heinrich Joseph, in: NDB 24 (2010), 338f. (Deutsche Biographie, GND: 117360384) [Onlinefassung: http://www.deutsche-biographie.de/sfz121660.html] HAFNER, S., Franz Miklosich, 1813–1891, in: Wegbereiter der deutsch-slawischen Wechselseitigkeit, ed. E. WINTER – G. JAROSCH, Berlin 1983 (Quellen und Studien zur Geschichte Osteuropas 26), 293–307. HANSLIK, R., 100 Jahre Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum, in: Anzeiger der ÖAW phil.hist. Klasse 101,4 (1964), 21–35.

|| 47 S. oben Anm. 30. 48 Die Stiftsbibliothek St. Gallen blieb (wie weitere Entlehnungen zeigen) den Wiener Forschern gewogen, und sie ist es auch heute noch, wenn auch in anderer Weise: Wir alle, die wir mit Kurt Smolak einst das Stift besuchten, erinnern uns gern an die Freude unserer Studierenden, als ihnen die Gelegenheit geboten wurde, einige schöne Codices nicht nur zu sehen, sondern auch in ihnen blättern und lesen zu dürfen.

312 | Christine Harrauer  [HARTEL, Wilhelm v. (praef.)], Festschrift Johannes Vahlen, zum siebenzigsten Geburtstag, gewidmet von seinen Schülern, Berlin 1900. KANDUTH, E., Art. Mussafia Adolf, in: ÖBL 7 (1978), 3f. KÜHNE, B., Gall Morel, ein Mönchsleben aus dem 19. Jahrhundert, Einsiedeln 1874. MOREL, G., Einsiedler-Handschriften der Lateinischen Kirchenväter bis zum IX. Jahrhundert, Supplement zu K. Halm, Verzeichniss der älteren lateinischen Kirchenväter in den Bibliotheken der Schweiz, Sitzungsberichte phil.-hist. Cl. der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften 55, Wien 1867, 243–261. MURDAROV, V., Die Wiener Slawistik und die bulgarische Sprachwissenschaft 1822–1849–1918, Wien 2001 (Miscellanea Bulgarica 14), 39–53. PAUER, M, Art. Halm, Karl Felix Ritter von, in: NDB 7 (1966), 570f. (Deutsche Biographie, GND: 100158463) [Onlinefassung: http://www.deutsche-biographie.de/sfz27903.html] RIES, M., Art. Morel, Gall, in: NDB 18 (1997), 96f. (Deutsche Biographie, GND: 117143308) [Onlinefassung: http://www.deutsche-biographie.de/sfz65385.html] RÖMER, F., Rudolf Hanslik, Gnomon 55 (1983), 284–286. SMOLAK, K., Art. Petschenig Michael, in: ÖBL 8 (1983), 10. STELZER, W., Art. Sickel, Friedrich Adolf Theodor Ritter von, in: NDB 24 (2010), 309–311 (Deutsche Biographie, GND: 118797026) [Onlinefassung: http://www.deutschebiographie.de/sfz74802.html] STURM-SCHNABL, K., Der Briefwechsel Franz Miklosich’s mit den Südslaven, Maribor 1991. THOMAS, E., Vahlen, Johannes, in: Biographisches Jahrbuch und Deutscher Nekrolog, Bd. 16 vom 1. Januar bis 31. Dezember 1911, ed. A. BETTELHEIM, Berlin 1914, 236–247. WEYRICH, M. M., Paul Gautsch, Freiherr von Frankenthurn. Jugend, Unterrichtsminister, Ministerpräsident 1897/98 Diss. Wien 1956. WIEDERHOLD, St., Adolf Zycha, in: Die Juristen der Universität Bonn im „Dritten Reich“, ed. M. SCHMOECKEL, Köln 2004 (Rechtsgeschichtliche Schriften 18), 603–640. WILAMOWITZ-MOELLENDORFF, U. v., Gedächtnisrede auf Johannes Vahlen. Sitzungsberichte der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften 1912 II, 617–622. ZELZER, M., Ein Jahrhundert (und mehr) CSEL. Evaluation von Ziel und Veröffentlichungen, SE 38 (1998/1999), 75–99.

[email protected] Institut für Kulturgeschichte der Antike Österreichische Akademie der Wissenschaften / Institut für Klassische Philologie, Mittel- und Neulatein, Philologisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät, Universität Wien

Indices 1 Stellenindex 1.1 Bibel Iob 24,14: 43. 51 Ps. 1,1: 137 1,2: 120. 134 17,12: 130 18,6: 135. 136f. 23,8: 136 44,3: 136 67,19: 136 103: 45–47. 52 103,20–30: 50f. 109,7: 137 110–117: 91 117,24: 128 Eccl. 4,9–12: 187 10,9: 131 Sap. 6,19f.: 182 Is. 53,8: 134 63,1: 136 Bar. 3: 181 3,38: 128 5,4: 180f. Ez. 3,11: 182 Os. 11,3f.: 187 Mt. 1,1: 128 13,42: 143 17,1–6: 129

22,8: 135 Mc. 16,19: 138 Lc. 2,1–4: 152 Io. 1,1–3: 128 10,30: 130 14,28: 130 15,12f.: 181f. Act. 2,37: 134 Rom. 5,5: 136 8,17: 132 1 Cor. 6,20: 120. 132 10,24: 73 13,7: 73 2 Cor. 11,2: 135 12,2–4: 73 12,15: 132 Phil. 1,23: 73 2,4.21: 73 2,6: 131 2,6–8: 134 2 Tim. 4,7f.: 73 1 Io. 5,20: 134 Apoc. 4,8: 152 7,5–9: 154 7,9–17: 152

1.2 Lateinische/griechische Autoren Ambrosius in psalm. 36,15: 43 in Luc. 7,73: 43 hex. 5,24,88: 44 Hel. 10,36: 74

hymn. 1: 41. 46f. 51f. 1,9–24: 42 1,11: 41. 43f. 1,23: 41 5: 123 Ambrogio Massari da Cori Defensorium ordinis fratrum eremitarum sancti Augustini: 275f.

314 | Indices  Anonymus Carmen de resurrectione s. Carmen de resurrectione Expositio Iohannis iuxta Hieronimum s. Expositio Iohannis iuxta Hieronimum (CPPM II 2409) Fragment einer Nonnenregel (CPPM II 3637) s. Regulae monialium fragmentum (CPPM II 3637) Liber de numeris s. Liber de numeris Libri regum s. Libri regum Vita Apollinaris s. Vita Apollinaris Valentinensis Vita (vel regula) Pacomii iunioris s. Vita (vel regula) Pacomii iunioris (BHL 6411/6412) Apuleius apol.: 118 Athanasius (vgl. Euagrius, vita Anton.) vita Antonii: 65f. Augustinus conf.: 267 c. Faust.: 295f. 311 c. Iulian. 3,66: 74 corrept.: 101. 102. 106 cur. mort. 15,18: 73 doctr. christ. libb. 1–3: 86 lib. 4: 86 2,12,2f.: 89 2,14,4–7: 89 epist. 137,11: 112. 114. 119. 120. 130 164,4: 116 in epist. Ioh.: 87 in evang. Ioh. 1–19. 23–54: 87 20–22: 87 55–124: 92 gen. c. Manich.: 105 grat.: 101–109 11. 13. 16. 21. 22. 30. 33. 34. 41. 44: 102. 106 41. 44: 105 31. 40. 42. 44: 103f.

4. 10. 24. 34. 41: 104 nat. et grat.: 106 persev.: 106 praed. sanct.: 106 perf. iust.: 106 in psalm.: 87 89,17,7–10: 88f. 105,1,11–13: 88 110–118: 81–99 110–117: 90–92 110: 91 110,3,10f.: 95 110,4,2–4: 97 110,7,6f.: 97 110,8,2–4: 95 111: 91 111,5,3f.: 95 111,5,9: 95 112,2,4: 91 112,2,17–19: 95 114,1,4: 91 114,6,9f.: 97 114,8,15–17: 96 118: 88. 92 118, prooem. 1–3: 87 118, prooem. 19–21: 92 118,I,2,41: 96 118,V,2,13–15: 97 118,VI,1,6–10: 94 118,VI,4,6–9: 94 118,VI,5,4f.: 94 118,XVIII,1,9f.: 97 118,XXVI,4,7–9: 97 118,XXVII,4,3–5: 96 123,8,2f.: 89 138,1,1–4: 88 quaest. Dulc. 4,2: 90 serm.: 87 195: 123 355: 270 356: 270 371 s. Eucherius, serm. 1 372 s. Eucherius, serm. 2 380: 113. 119f. 122. 127–129 Dolbeau 5: 87 Dolbeau 5,7: 87 Dolbeau 23: 87 sermones Erfurt: 87

Indices | 315

spir. et litt. 28,49: 94 Pseudo Augustinus epist. spur.: 271–274 1: 271f. 7: 272 15: 271 16: 273 26: 272 29: 272f. 36: 273 39: 273 40: 272. 274 41: 272. 274 42: 271 serm. Caillau II,79 (CPPM 1A, 1385): 35 serm. Caillau II,80 (CPPM 1A, 1386) 1: 33–37 serm. Mai 58 (CPPM 1A, 1665) = serm. Caillau II,84 (CPPM 1A, 1390) 2: 31–33. 34 serm. Mai 59 (CPPM 1A, 1555 = 1666) 1: 33–37 serm. app. 169: 120 serm. erem.: 269f. 276. 281 1: 270 2: 270 5: 272 31: 272f. Aurelianus Arelatensis reg. mon. prol.: 198. 202f. 214f. 221 prol. 7f.: 198 1: 204 2: 199 3: 218 4: 205. 217 5: 218 14: 214 17: 218 23: 219 27: 217 28: 219 29: 220 32: 218 33: 220 35: 205

35f.: 220 38: 203 41: 221 43f.: 216 46 (45): 206 47 (48): 216 54 (53): 205 55 (54): 204 ordo psallendi: 219. 222 reg. virg. (PL 68) prol.: 198. 211. 215f. 221 1: 204 2: 199. 218 3: 218 12: 213 14: 210. 214 19: 219 23: 220 26: 218 28: 203 38: 211f. 39: 205 40: 204 ordo psallendi: 222 Bullae Veneranda sanctorum patrum (Iohannes XXII., 20. 1. 1327): 267 Summum silentium (Sixtus IV., 1484): 277 Caesarius Arelatensis reg. mon. 1,2: 206 26,5: 221 reg. virg. 1,1: 215 1,3: 201. 204 2,3: 199 7,3f.: 218 19,4–13: 200f. 26,2–8: 201 36,3f.: 219 39: 216 44,4f.: 217 47,2: 201 50: 199 63,8: 204f. 63,10f.: 201f. 73: 199

316 | Indices  serm. 175: 120 207,1: 184f. Carmen de resurrectione 161–173: 153f. Cassianus coll. 5,11,2: 74 Cicero fin. 2,60: 13 Claudianus Mamertus anim. 2,9: 111f. 116–118. 126. 130f. Columbanus reg. coen. cap. 9: 238–241. 245–251 cap. 15: 242–244. 245–251 reg. mon. cap. 7: 229–235 Pseudo Columbanus, Regulae monialium fragmentum s. Regulae monialium fragmentum (CPPM II 3637) Constantius vita Germani: 168–170 Concilium Arausicanum (529): 197 Carthaginense (399): 91 Lugdunense (518/523) can. 1: 163. 164 can. 4 (6): 163 Donatus (episc. Vesontinus) 19,2–5: 236–238. 244–252 34,1–10: 239–241 64 (75),2: 229. 231–235 64 (75),4/5: 229. 233–235 64 (75),6–10: 229. 231–235 64 (75),11: 229. 231–235 64 (75),12/13: 229. 234f. 64 (75),14f.: 242–244. 246

Echnatonhymnus: 47–53 44–83: 49f. Erasmus Rotterdamensis Admonitio in Sermones ad fratres in eremo: 274 Euagrius vita Anton. 49f.: 69 50: 72 53: 71. 75. 77 56: 72 60: 72 67: 72 72 (74. 77): 69. 72 89: 67 90f.: 72 91f.: 67. 73 93: 74 Eucherius serm. 1 (= Aug. serm. 371): 112–117. 122. 126– 132 2 (= Aug. serm. 372): 122f. 133–138 Eusebio Corrado Responsio adversus fratrem quendam blacteronem ordinis heremitarum: 275 De dignitate Canonicorum Regularium deque ipsorum et monachorum differentia: 275 Brevis annotatio in errores scribentium S. Augustinum fuisse eremitam: 275f. Eusebius Gallicanus hom. 36–45: 119 Expositio Iohannis iuxta Hieronimum (CPPM II 2409) 1,1 (p. 163 Brearley): 22f. 1,18 (p. 164 Brearley): 23 2,8f. (p. 168 Brearley): 24f. Faustus Reiensis epist. 7: 123

Indices | 317

Fortunatianus Aquileiensis in evang. cap. Mt. 16: 32f. cap. Mt. 54: 35–37 cap. Mt. 73: 19 praef. Io.: 27–31 cap. Io. 1: 22f. cap. Io. 10: 23 cap. Io. 15: 32f. cap. Io. 18: 24f. Fulgentius mythographus Virg. cont. p. 90,3–7 (Helm): 7 Gregorius Nazianzenus epigr. 21–23 (PG 38): 55–63 or. 28,22: 116 Heinrich von Friemar Tractatus de origine et progressu ordinis fratrum heremitarum et vero ac proprio titulo eiusdem: 268 Heiricus Autissiodorensis hom. hiem. 11,364–374: 121. 126. 130f. Hieronymus in Matth. 7,1: 6f. nom. hebr. p. 66,11 (Lagarde): 74 tract. psalm. 115: 75 vir. ill. 97: 17. 38f. vita Hilar. 1,6: 66 vita Pauli 1: 67 1,4: 66 2,1: 75 3,1: 75 3,1–4: 74 4,1: 68. 76 4–6: 67–70

5,1f.: 68 6,1.2: 67. 70 7,4: 76 7,4–6: 71. 75f. 8,1–5: 71. 75 8,6: 75. 77 9,2: 76 9,4: 73 9,5: 73 10,1: 73 11,3: 73 12,2: 73 12,4: 73 13,1: 73 14,2: 72 16,1: 72 16,8: 67. 74 18: 74 Hilarius in Matth. 5,8,14f.: 117 31,7,18–20: 117 Pseudo Hilarius tract. 2 (CPPM 1B, 5210) 1–4: 27–31 Homiliarium Agimundus: 31. 34 Alanus Farfensis: 26. 31. 34 Anon. Sermo Alanus 1,25: 26–31 Eginonis Veronensis: 26. 31. 34 S. Petri: 26 Veronense 1: 114. 126 1,59–62: 115 1,62–67: 115. 128 1,508–511: 115 1,511–514: 115. 129 Horatius carm. 3,7,13–16: 13 Initium sive processus Ordinis Heremitarum sancti Augustini: 268

318 | Indices  Johannes Arelatensis epist. (PL 68, 859): 211. 215 Jordan von Quedlinburg (Jordanes de Saxonia) collectanea Augustiniana: 269 Vitasfratrum: 269 Tractatus de vita sancti Augustini episc. cap. 9: 270 cap. 13: 270f. Lang, Paul Contra deliramenti Jacobi Wimphelingi: 281 Liber de numeris (PL 83) 1297C–1298B: 20 Libri Regum prol. 1f. 9: 258 1,1: 260 1,668: 257 1,797–806: 254 2,99–114: 253–255 2,285–296: 256f. 2,655–672: 264f. 3,145–148: 255 3,903f.: 256 4,47f.: 260 4,619f.: 255 Libri Regum (Walther 7690; PL 171,1239–1264): 259–261 1,1: 260 4,39f.: 260 Livius 1,4,6: 76f. Marius Victorinus rhet. 1 praef.: 8 Pseudo Maximus Taurinensis 45: 113. 127 Nikolaus von Alessandria Sermo de beato Augustino: 268 Nonnenregel-Fragment s. Regulae monialium fragmentum (CPPM II 3637)

Orientius comm. 2,275–318: 142–147 2,277f.: 143 2,243–248: 154 2,347–374: 147–155 2,353f.: 148–151 2,355–358: 149. 152f. Paschasius Radbertus vita Adalh. 33: 1 43: 1 Paolo Olmio da Bergamo Libellus de apologia religionis fratrum heremitarum sancti Augustini: 275 Petrus Hilgerius Armariolum veritatis contra errorem scribentium Augustinum fuisse heremitam: 281–283 Petrus Trudonensis Examen Testamenti S. Augustini ad stabiliendam filiorum eius primogenituram: 283 Plinius nat. 7,35: 75 Possidius indic. X4: 87 X4.2: 90 vita Aug.: 267. 276. 281 5,3: 86 7,1: 86 7,3: 86 9,1: 86 15,1–5: 88 31,4: 86f. Prudentius cath. 1: 41 1,37–48: 44f.

Indices | 319

ham. 922–924: 143 perist. 2,353f.: 145 5,207: 145 5,221–224: 145 Regula Benedicti 22: 221 Regula cuiusdam ad virgines (PL 68) 14: 221

2,8f.: 7 6,15: 9–12 16,24: 11 21,5: 14f. 21,16: 15 22,6: 14 22,12: 9 scorp. 12,10: 11 Testamentum sancti Remigii: 174 Tractatus regularium canonicorum: 269

Regula Ferrioli: 192 Regula magistri: 206 Regulae monialium fragm. (CPPM II 3637) 1–41: 245 1–12: 238–241 13–33: 249f. 31–36 (33–36): 244–251 32/33: 246 37–39/41: 242–244. 246. 250f. Sallustius Catil. 1: 185f. Seneca epist. 41,3: 68 Tertullianus cult. fem. 2,5: 5 castit. 12,5: 3 ieiun. 1,1: 1 monog. 12,6: 9 17,7: 14f. pudic. 1,3: 12–14 1,6: 8f.

Vergil Aen. 7,338: 183–186 Vincentius Lerinensis exc. 6f.: 120 Vita Apollinaris Valentinensis 2: 162–164 3–6: 164–167 4: 169 7–10: 167–170 13: 170–172 Vita Aurelii Augustini Hipponensis episcopi (a. 1322–1331): 268 Vita (vel regula) Pacomii iunioris (BHL 6411/6412; Diem – Müller) 1: 185f. 133f.: 186–188 159–162: 180–183 193: 183–186 Wimpfeling, Jakob Epistula ad Maximilianum I.: 277 Epistulae ad Iulium II.: 277–279. 281 Epistula an Philipp von Daun-Oberstein: 279 Epistula ad Jacobum Spiegel: 281 De integritate: 278. 281 Querulosa excusatio: 278–281.284–287

320 | Indices 

2 Personen (Auswahl) In diesem Index finden sich nur Namen jener Personen genannt, die nicht bereits über den StellenIndex auffindbar sind. Auf im Vorwort genannte Personen wird hier nicht verwiesen. Arcutamia (Archotamia), noble Verwandte des Apollinaris von Valence: 172–174 Arneth, Alfred Ritter v.: 291. 299 Augustiner-Eremiten: 267–288 Avicenna: 271 Barclay, John: 4f. Bédier, Joseph: 83 Beer, Rudolf: 291 Bonitz, Hermann: 293f. Borromeo, Carlo, Erzbischof von Mailand: 5f. Buchegger, P. Franz: 294 Burton, Robert: 3f. Canonici Regulares Sancti Augustini: 267–284 Childebert I., Frankenkönig: 191. 194. 196– 198. 213–215 Domenico Franchi da Treviso: 275 Gaufrid (Gottfried) II., Bischof von Chartres: 258f. Goldbacher, Alois: 289 Halm, Karl Felix Ritter v.: 293 Hanslik, Rudolf: 289f. Hartel, Wilhelm v.: 289. 291f. 294–296. 299 Hilberg, Isidor: 289 Hildebert von Lavardin: 258 Holcot, Robert: 282 Idtensohn, Johann Nepomuk: 296–298. 307– 310 Ivo von Chartres: 258

Leubaredus, Erzdiakon und Gefährte des Apollinaris von Valence: 172. 174f. Maas, Paul: 83–85 Marbod von Rennes: 258 Matthäus von Vendôme: 258f. Maximilian I. von Habsburg: 277 Miklosich, Franz Ritter v.: 293f. 299–307 Montaigne, Michel de (Michael Montanus): 2f. Moreau Tourangeau, Pierre (Petrus Morellus Turonensis): 2 Morel, P. Gall: 293 Mussafia, Adolf: 291 Pasquali, Giorgio: 81. 82. 84. 85. 89 Petschenig, Michael: 292 Philipp II. von Daun und Oberstein, Erzbischof von Köln: 279 Picard, Jean: 258f. Piccart, Michael: 4 Quentin, Henri: 83 Robert de Bardis: 269 Robert II., Bischof von Chartres: 258 Schenkl, Karl: 291 Schwartz, Eduard: 83 Sickel, Theodor Ritter v.: 299 Siegel, Heinrich: 295. 299f. 305 Stürtzel, Konrad: 277. 280. 285 Ultrogotha, Gattin von Childebert I.: 191. 196– 198. 213

Jäger, Albert: 293 Jansen, Cornelius: 7 Johannes XXII., Papst: 267 Julius II., Papst: 277–286

Vahlen, Johannes: 289. 293 Valier, Agostino, Bischof von Verona: 5f.

Knöll, Pius: 295. 298f. 305. 310

Zelzer, Michaela: 225–228. 289 Zycha, Adolf: 295 Zycha, Joseph: 289. 295. 299–310

Lachmann, Karl: 81–83. 85

Wilhelmiten: 278

Indices | 321 

3 Handschriften Angers, BM 275 (266): 21. 25

München, BSB Clm 28135: 20

Benevento, Bibl. Cap. 18: 126 Berlin, SBB-PK theol. lat. fol. 269: 126. 133 Bern, Burgerbibl. 176: 102. 108 Bonn, Univ. u. Landesbibl. S 317: 126 Bourges, BM 83 (73): 102. 108 Bruxelles, BR 218: 126. 133 Bruxelles, BR 5485-98: 126. 133 Bruxelles, BR 5560: 96 Bruxelles, BR II 1420: 126. 133

Napoli, Bibl. naz. VIII. AA. 1: 126 Napoli, Bibl. naz. VI. C. 18: 126. 133 Oxford, Bodl. Libr. 240: 273 Oxford, Bodl. Libr. Clark. 12: 57–63 Oxford, Bodl. Libr. Laud. Misc. 133: 104–108 Oxford, Bodl. Libr. Hatton 48: 226

Firenze, Bibl. Laur. Plut. VII,10: 57–63 Firenze, Bibl. Laur. Plut. XIV,1: 126. 133 Firenze, Bibl. Laur. San Marco 662: 103. 108

Paris, BNF graec. 2875: 57–63 Paris, BNF lat. 974: 103f. 106–108 Paris, BNF lat. 2095: 101–104 107. 108 Paris, BNF lat. 2718: 101. 104. 106f. 109 Paris, BNF lat. 4333B: 238f. 242f. 250 Paris, BNF lat. 5353: 160 Paris, BNF lat. 5594: 159f. Paris, BNF lat. 8321: 262 Paris, BNF lat. 9544: 103f. 106f. 109 Paris, BNF lat. 12205: 101–104. 106f. 109 Paris, BNF lat. 14758: 253f. 259. 261–263 Paris, BNF lat. 15436: 159 Paris, BNF lat. n.a. 547: 140 Paris, BNF lat. n.a. 1449: 104. 106f. 109

Köln, Erzb. Diözes.- und Dombibl. 17: 17. 23– 25. 29. 38 Köln, Erzb. Diözes.- und Dombibl. 80: 104–108 Köln, Hist. Archiv 231: 192. 226–229. 236. 238. 242 Kraków, Bibl. Kap. Kated. 140 (43): 27

Saint-Omer, BM 254: 102. 104. 107. 109 Salisbury, Cath. Libr. 117: 103f. 107. 109 St. Gallen, Stiftsbibl. 153: 295–299. 305–310 St. Gallen, Stiftsbibl. 172: 296–310 St. Gallen, Stiftsbibl. 173: 296–310 St. Gallen, Stiftsbibl. 573: 295

London, Brit. Libr. Add. 30055: 226 Lucca, Bibl. Cap. Fel. Pl.I 85: 126. 133 Lyon, BM 608: 101– 104. 106–108

Toledo, Bibl. cated. 48-12: 35

Cava dei’ Tirreni, Bibl. abb. 5: 126 † Chartres, BM 115 (63): 159 Chicago, Newberry Lib. 1 (Phillipps 1326): 34 Douai, BM 275: 103 Escorial a I 13: 226 Escorial I III 13: 226

Mantova, Bibl. com. Teres. 376: 126 Milano, Ambros. H 45 sup.: 56–63 Milano, Ambros. H 99 sup.: 104. 106–108 Monte Cassino, Bibl. abb. 12: 31. 114 Monte Cassino, Bibl. abb. 104: 35 Monte Cassino, Bibl. abb. 123: 35 Montpellier, Bibl. interuniv. [med.] 152: 18–20 München, BSB Clm 6434: 20 München, BSB Clm 8107: 103f. 106–108 München, BSB Clm 28118: 192. 225–229. 236– 243. 250

Vaticano, BAV graec. 482: 57–63 Vaticano, BAV lat. 216: 26 Vaticano, BAV lat. 1267: 126. 133 Vaticano, BAV lat. 4222: 27. 126 Vaticano, BAV Ottob. lat. 25: 9. 13 Vaticano, BAV syriacus 105: 56–63 Venezia, Bibl. Marc. II.46 (2400) : 20 Wien, ÖNB phil. graec. 149: 57–63 Würzburg, Univ.Bibl. M. ch. q. 63: 281 Zürich, Zentralbibl. C 64: 17. 23–25 Zürich, Zentralbibl. Rh. 140: 20