Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen 9783486709599

Die Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR) bilden das zentrale System mit volkswirtschaftlichen Statistikergebniss

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Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen
 9783486709599

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Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen von

Dieter Brümmerhoff Universität Rostock und

Michael Grömling

Institut der deutschen Wirtschaft Köln, Internationale Fachhochschule Bad Honnef/Bonn

9., überarbeitete und erweiterte Auflage

Oldenbourg Verlag München

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2011 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Telefon: (089) 45051-0 www.oldenbourg-verlag.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Lektorat: Thomas Ammon Herstellung: Constanze Müller Titelbild: iStockphoto Einbandgestaltung: hauser lacour Gesamtherstellung: Grafik + Druck GmbH, München Dieses Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706. ISBN 978-3-486-70262-0 eISBN 978-3-486-70959-9

Vorwort zur 9. Auflage Die Flut der amtlichen (und nichtamtlichen) Wirtschaftsdaten wächst ständig. Allein schon die Europäische Union (EU) verlangt, immer neue, höchst genau gemessene und zeitnahe Daten zu veröffentlichen. Viele, wenn nicht die meisten, stammen aus den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR) – wie etwa Wirtschaftswachstum, Beschäftigte, Arbeitslosenquote, Produktivität oder Defizitquote. Größte Aufmerksamkeit erzielt aber die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und seiner Komponenten wie Verbrauch und Investitionen oder Leistungsbilanzsaldo. Anhand solcher Größen versuchen Ökonomen wirtschaftliche Trends zu analysieren und vorherzusagen. Was dort gemessen wird, dient als Grundlage der Politik und beeinflusst diese. Sind die Daten fehlerhaft, können auch die Entscheidungen fehlerhaft ausfallen. Es ist daher wichtig, dieses zentrale System volkswirtschaftlicher Statistikergebnisse kennen zu lernen und zu verstehen. Die Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen werden in dieser Einführung vorgestellt. Sie weist in ihrer 9. Auflage viele Änderungen, Ergänzungen und natürlich Aktualisierungen auf, mehrere Kapitel wurden neu geschrieben. Die Überarbeitung war infolge der theoretischen Entwicklungen, der Revisionen und weiterer Diskussionen erforderlich. Ferner sollen den Nutzern noch stärker als bisher die Verwendungsmöglichkeiten und -grenzen der VGR deutlich werden. Durch die Beteiligung von Michael Grömling als Mitautor wird dies weiter ausgebaut. Zunächst werden in der Neuauflage die Entwicklungen berücksichtigt, die aus den Revisionen des Systems Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen der Vereinten Nationen (SNA 1993) und des Europäischen Systems Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen (ESVG 1995), der internationalen Wirtschafts- und Güterklassifikationen usw. sowie der Erstellung von Satellitensystemen für die nationalen VGR folgen. Vertieft werden die Abgrenzung des Produktionsbegriffs und die alte Diskussion des BIP als Wohlstandsindikator. Das führt zur Beyond-GDP-Diskussion, den Ergebnissen der Stiglitz-Kommission sowie der deutschen und französischen Sachverständigenräte und wird vertieft in der Behandlung der zusammengefassten Indikatoren (Composite Indicators) und von Satellitensystemen zu den VGR, in denen diese Diskussion schon ihren Niederschlag findet. Es geht auch um die Ausrichtung und Bedeutung der jüngeren Revisionen der VGR für ihre Ersteller und Nutzer. Die Ausführungen hierzu können als Versuch einer politischen Ökonomie der VGR verstanden werden. Die präsentierten Daten dienen der Erläuterung und Veranschaulichung des Textes. Außerdem werden die englischen Bezeichnungen wichtiger Begriffe aufgeführt. Am Ende der Kapitel sind Aufgaben und Kontrollfragen vorgeschlagen. Für ergänzende Information sei wieder auf das von Brümmerhoff/Lützel herausgegebene „Lexikon der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen“ (2002) verwiesen.

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Vorwort

Die Verfasser danken Petra Dilling für die komplette Durchsicht und für die vielfältige technische Unterstützung. Einzelne Kapitel wurden – wie in vorhergehenden Auflagen – von vielen Kollegen durchgesehen. Auch ihre Kommentare und Vorschläge sind in die endgültige Fassung des Textes eingeflossen.

Rostock/Köln, im Januar 2011

Dieter Brümmerhoff/Michael Grömling

Inhaltsverzeichnis Vorwort zur 9. Auflage

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Inhaltsverzeichnis

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Einleitung Literatur zu den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen 1. Einige Monographien 2. Zeitschriften 3. Lexikon

XIII XIV XIV XV XV

Erster Teil: Die Grundlagen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR)

1

1. Kapitel: Ziele, Aufgaben und Geschichte der VGR 1. Der Begriff Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen 2. Ströme und Bestände 3. Notwendigkeit der Aggregation 4. Aufgaben, Verwendung und Bedeutung der VGR 5. Grenzen der Erstellung Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen 6. Eine kurze Geschichte der VGR Literatur zum 1. Kapitel Aufgaben zum 1. Kapitel

1 1 1 2 3 7 8 9 9





2. Kapitel: Grundlagen der Vermögensrechnung Literatur zum 2. Kapitel Aufgaben zum 2. Kapitel

11 12 13

3. Kapitel: Grundlagen der Kreislaufdarstellung 11. Der Begriff des (Wirtschafts-)Kreislaufs 12. Das einfachste Kreislaufmodell 13. Arten der verbuchten Transaktionen und sonstigen Vorgänge 14. Sparen und Investieren 15. Die Darstellungsformen des Kreislaufs 16. Aspekte der Einkommensverteilung 17. Der Staat im Kreislauf 18. Das Ausland im Kreislauf 19. Die Finanzierungsaktivitäten der Sektoren 10. Die Beziehung zwischen Strömen und Beständen 11. Das Kontensystem der VGR 12. Die Bedeutung der Kreislaufmodelle Literatur zum 3. Kapitel Aufgaben zum 3. Kapitel

14 14 14 16 17 19 21 23 24 25 27 28 29 30 30

VIII

Inhaltsverzeichnis

Zweiter Teil: Die Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen in Deutschland

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4. Kapitel: Konten und Standardtabellen der VGR 1. Der Darstellungsrahmen 2. Die Abgrenzung der Volkswirtschaft und der Sektoren a) Institutionelle, örtlich fachliche und homogene Einheiten b) Die Markt-/Nichtmarktproduktion c) Die Sektoren 3. Strom- und Bestandsgrößen, Transaktionsarten 4. Das Kontensystem der VGR a) Die Verbuchungsregeln b) Überblick über das Kontensystem c) Die Konten der Sektoren im Einzelnen 5. Die Berechnung von Inlandsprodukt und Nationaleinkommen a) Die Entstehungsrechnung b) Die Verteilungsrechnung c) Die Verwendungsrechnung 6. Kennziffern aus Ergebnissen der VGR 7. Die Berichtsperiode der Transaktionen 8. Die regionalen VGR Literatur zum 4. Kapitel Aufgaben zum 4. Kapitel

31 31 32 32 33 35 38 39 39 40 42 54 56 62 69 75 76 77 80 81

5. Kapitel: Einzelheiten und Probleme der Verbuchung bei den Konten und Standardtabellen 1. Die Abgrenzung der Sektoren 2. Der Produktionsbegriff a) Der marktbestimmte Produktionsbegriff b) Der materielle Produktionsbegriff c) Der umfassende Produktionsbegriff d) Der Produktionsbegriff der VGR e) Abschließende Bemerkungen zum Produktionsbegriff der VGR 3. Der Einkommensbegriff 4. Unterstellte und abgewandelte Transaktionen 5. Die Bewertung a) Grundsätzliches b) Bewertung bei Nichtmarktproduzenten und finanziellen Marktproduzenten c) Verschiedene Preiskonzepte d) Die Deflationierung 6. Die Periodisierung 7. Die Problematik von Doppelzählungen 8. Laufende und vermögenswirksame Vorgänge 9. Die Berechnung der Abschreibungen

82 82 84 84 84 85 85 96 98 99 101 101 102 104 105 112 114 118 122

Inhaltsverzeichnis

IX

10. Die Erstellung regionaler Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen 11. Die Datengrundlage der VGR und ihre Bearbeitung 12. Ein Beispiel für die Fortschreibung Literatur zum 5. Kapitel Aufgaben zum 5. Kapitel

125 128 131 132 134

6. Kapitel: Die Finanzierungsrechnung 1. Begriff und grundlegende Zusammenhänge 2. Die Sektorenbildung und Instrumentengliederung 3. Aufbau der deutschen Finanzierungsrechnung 4. Die Quellen der Finanzierungsrechnung 5. Die Verwendung der Finanzierungsrechnung Literatur zum 6. Kapitel Aufgaben zum 6. Kapitel

136 136 138 140 144 145 147 148

7. Kapitel: Die Vermögensrechnung 1. Verschiedene Vermögensbegriffe 2. Die Bedeutung des Vermögensbegriffs 3. Die Bewertung der Vermögensobjekte 4. Die Verknüpfung zweier Vermögensbilanzen 5. Die Vermögensrechnung in Deutschland a) Das Anlagevermögen b) Das Umweltvermögen als Teil des Anlagevermögens c) Das Gebrauchsvermögen der privaten Haushalte d) Die Geldvermögensrechnung 6. Die personelle Vermögensverteilung Literatur zum 7. Kapitel Aufgaben zum 7. Kapitel

149 149 154 156 157 158 158 165 166 168 169 172 173

8. Kapitel: Die Input-Output-Rechnung 1. Begriff und Aufbau 2. Die Abgrenzung der Bereiche 3. Die Bewertung 4. Datengrundlage und Integration in die Inlandsproduktrechnung 5. Analytische Auswertungen und Anwendungsbeispiele Literatur zum 8. Kapitel Aufgaben zum 8. Kapitel

175 175 179 182 183 186 189 190

9. Kapitel: Die Zahlungsbilanz 1. Der Begriff der Zahlungsbilanz 2. Aufbau und Verbuchungsweise 3. Bewertung und Zeitpunkt der Erfassung 4. Der Aufbau der deutschen Zahlungsbilanz a) Die Leistungsbilanz b) Die Handelsbilanz c) Die Dienstleistungsbilanz

192 192 193 195 196 197 198 200

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Inhaltsverzeichnis

d) Die Bilanz der Erwerbs- und Vermögenseinkommen e) Die Bilanz der laufenden Übertragungen f) Die Vermögensübertragungsbilanz g) Die Kapitalbilanz h) Saldo der statistisch nicht aufgliederbaren Transaktionen (Restposten) 5. Veröffentlichungsrahmen, Revisionen und Datengrundlage 6. Interpretation und Verwendung der Zahlungsbilanzergebnisse 7. Ergänzung der Zahlungsbilanz: Die Darstellung des Auslandsvermögens Literatur zum 9. Kapitel Aufgaben zum 9. Kapitel

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Dritter Teil: Die Verwendung der VGR für wirtschaftspolitische Zwecke

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10. Kapitel: Statistische Daten und Wirtschaftspolitik 1. Ziele der Wirtschaftspolitik 2. Aktualität und Genauigkeit der Daten der VGR 3. Die Bedeutung der Messprobleme und Revisionen Literatur zum 10. Kapitel Aufgaben zum 10. Kapitel

217 217 219 226 227 228

11. Kapitel: Die Verwendung der VGR für Struktur-, Wachstums- und Konjunkturfragen 1. Strukturfragen a) Die Strukturberichterstattung b) Strukturdaten c) Staatswirtschaftliche Quoten und Beziehungszahlen d) Subventionen 2. Das Produktionswachstum und seine Determinanten a) Der Produktionsfaktor Arbeit b) Arbeitsproduktivität und Lohnstückkosten c) Kapitalstock, Kapitalproduktivität und totale Faktorproduktivität d) Die Schätzung des Produktionspotenzials 3. Die Beurteilung der konjunkturellen Entwicklung a) Verschiedene Indikatoren b) Vierteljahresangaben und saisonbereinigte Daten c) Prognosen gesamtwirtschaftlicher Größen 4. Der Ost-West-Vergleich Literatur zum 11. Kapitel Aufgaben zum 11. Kapitel

229 229 229 229 232 236 238 238 241 247 250 252 252 258 260 262 263 264

12. Kapitel: Die Darstellung der Einkommensverteilung 1. Objekte der Verteilungsanalyse 2. Der Einkommensbegriff 3. Die Arten der Einkommensverteilung a) Die funktionelle Verteilung b) Die personelle Verteilung

265 265 266 267 267 271

Inhaltsverzeichnis

XI

Literatur zum 12. Kapitel Aufgaben zum 12. Kapitel

277 278

13. Kapitel: Probleme der Wohlstandsmessung 1. Die Eignung des Bruttoinlandsprodukts als Wohlstandsmaß 2. Alternativen der Wohlstandsdarstellung 3. Wohlstandsmaße durch Korrektur am BIP 4. Sozialindikatoren 5. Zur Kritik am Bruttoinlandsprodukt als Wohlfahrtsmaß Literatur zum 13. Kapitel Aufgaben zum 13. Kapitel

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14. Kapitel: Satellitensysteme zu den VGR 1. Begriff und Ziel 2. Das Haushaltssatellitensystem 3. Die Sozio-ökonomischen Gesamtrechnungen und die Sozialrechnungsmatrix 4. Die Umweltökonomischen Gesamtrechnungen (Umweltsatellitensystem) 5. Die Nachhaltigkeitsberichterstattung: Eine Anwendung 6. Beurteilung von Satellitensystemen Literatur zum 14. Kapitel Aufgaben zum 14. Kapitel

289 289 290

15. Kapitel: Der internationale Vergleich gesamtwirtschaftlicher Größen 1. Die Bedeutung internationaler Vergleiche 2. Konventionen internationaler Organisationen 3. Vergleichsgrößen 4. Der Vergleich absoluter Größen von Produktion und Einkommen a) Die Verwendung von Wechselkursen b) Die Verwendung von Kaufkraftparitäten 5. Der Vergleich von Quoten 6. Strukturindikatoren der EU 7. Sozialindikatoren und der Human Development Index 8. Das Indikatorensystem von SVR und CAE 9. Zusammengefasste Indikatoren Literatur zum 15. Kapitel Aufgaben zum 15. Kapitel

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16. Kapitel: Europäische Rechnungen 1. Das VGR-Programm und andere Statistiken 2. Politische Ökonomie der europäischen VGR Literatur zum 16. Kapitel

327 327 331 337

Literaturverzeichnis

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Stichwortverzeichnis

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Einleitung Die Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR) bilden das zentrale System mit volkswirtschaftlichen Statistikergebnissen. Ihnen können für die meisten Fragestellungen gesamtwirtschaftlicher Art Zahlenangaben entnommen werden. Die VGR werden daher – mit unterschiedlichen Schwerpunkten – im akademischen Unterricht in der Regel im Rahmen der Grundlagen der Makroökonomie, der Wirtschaftsstatistik, der Wirtschaftspolitik und in eigenen Veranstaltungen behandelt. Das vorliegende Buch soll Interessenten aus diesen Bereichen ansprechen. Es stellt die wesentlichen Bausteine der VGR dar. Darüber hinaus soll das Verständnis für verschiedene Probleme geweckt werden, die mit der Erstellung und Verwendung solcher Rechnungen verbunden sind. Damit wird der Blick des Lesers geschärft für das, was dieses Informationssystem leistet. Auch Ansätze zur Weiterentwicklung der VGR werden behandelt. Im ersten Teil werden Grundlagen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen gelegt. Zunächst werden einige wesentliche Begriffe vorgestellt sowie Aufgaben und Verwendung des Rechenwerks erläutert. Die VGR hängen wesentlich von den Fragestellungen der Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik ab. Es wird deutlich gemacht, dass nationale Gesamtrechnungen – wie die deutsche – international abgestimmtes Rahmenwerk umsetzen (müssen). Dem folgt die Beschreibung der einfachsten Form der Vermögensrechnung, anschließend wird in die Kreislaufbetrachtung eingeführt. Hier werden – ausgehend vom einfachsten Kreislaufmodell – zunehmend Differenzierungen vorgenommen, die die Voraussetzung für aussagekräftige Analysen sind. Im zweiten Teil werden die in Deutschland verwendeten Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen dargestellt, die das System of National Accounts der UN (SNA 1993) bzw. das Europäische System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen (ESVG 1995) umsetzen. Zunächst werden das Kontensystem der VGR und die Rechenwege zur Ermittlung zentraler Produktions- und Einkommensgrößen erläutert. Nur wenn man weiß, was die verschiedenen Aggregate der VGR beinhalten, lassen sich Aussagekraft und Verwendbarkeit der Statistiken beurteilen. Die unreflektierte Verwendung der mit den Zahlen verbundenen Begriffe ohne Verständnis für den theoretischen Hintergrund und ohne Kenntnis der statistischen Umsetzung verführt nur allzu leicht zu Irrtümern und Fehlurteilen (Grohmann 2002). Daher werden auch einige wichtige Probleme u.a. bei der Erstellung der in Konten und Standardtabellen nachgewiesenen Daten behandelt. Das gilt insbesondere im Hinblick auf den Produktions- und den Einkommensbegriff, die Bewertung der Güter und der Faktorleistungen, die Periodisierung, die Abschreibungen und die Deflationierung. Neben Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen auf nationaler Ebene werden regionale VGR erstellt, deren Darstellungsbereich und Probleme behandelt werden. Auch auf die Datengrundlage und die Genauigkeit der Rechnungen sowie auf die zunehmende Anwendung von Modellen bei der Erstellung Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen ist einzugehen. Anschließend werden die Input-Output-Tabellen, die Vermögensrech-

XIV

Einleitung

nung und die Finanzierungsrechnung erläutert. Ferner wird die Zahlungsbilanz dargestellt, die historisch und institutionell bedingt nicht den VGR zugerechnet wird, aber mit diesen vollständig abgestimmt ist. Im dritten Teil geht es um die Informationen, die Volkswirtschaftliche Gesamtrechungen für verschiedene wirtschaftstheoretische und -politische Fragestellungen geben können. Hierbei stehen die Stabilität der Wirtschaftsentwicklung, Strukturfragen, die Einkommensverteilung und der Wohlstand der Gesellschaft im Vordergrund. Letztere – nicht neue – Fragestellung hat mit der Veröffentlichung des sogenannten Stiglitz-Reports (Stiglitz/Sen/Fitoussi 2009) im Jahr 2009 deutlich an Aufmerksamkeit gewonnen. Dann werden einige Erweiterungen des Kerns der VGR um Satellitensysteme (insbesondere die Umweltökonomische und die Sozio-ökonomische Gesamtrechnung) und die Nachhaltigkeitsberichterstattung vorgestellt. Immer wichtiger wird der internationale Vergleich gesamtwirtschaftlicher Größen. Das gilt speziell für die Europäische Union und die Europäische Währungsunion, die Druck bei der Weiterentwicklung der VGR ausüben und supranationale Rechnungen aufbauen. Die Darstellung folgt in diesem Buch regelmäßig den in der amtlichen Statistik verwendeten Begriffen, Abgrenzungen usw. Besonderheiten der Statistiken, z.B. der Wirtschaftsforschungsinstitute, werden nur gelegentlich dargestellt; sie können für verschiedene Fragestellungen durchaus zweckmäßiger als die amtlichen Statistiken sein. In diesem Zusammenhang ist die Pionierfunktion dieser Institute hervorzuheben, die in vielen Fällen (Input-Output-Tabellen, Vermögensrechnungen, Berechnung von Vierteljahreswerten usw.) für die amtliche Statistik bahnbrechende Vorarbeiten geleistet haben. In den meisten Fällen erfolgt inzwischen eine Abstimmung zwischen den verschiedenen privaten und staatlichen Statistikanbietern. Deren Zusammenarbeit dürfte – auch in Anbetracht der Stellenkürzungen – eher noch verstärkt werden. An verschiedenen Stellen wird – wie bereits erwähnt – deutlich, dass die Entwicklung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen keineswegs abgeschlossen ist. So wurde trotz der erst kürzlich (1999, 2005) erfolgten Anpassung der deutschen VGR an das für die Europäische Union verbindliche ESVG 1995 die nächste umfassende Revision des weltweiten Systems (SNA) vorbereitet und im Jahr 2008 von der Statistischen Kommission der Vereinten Nationen als 2008 SNA verabschiedet. Nach seiner Umsetzung für europäische Zwecke soll es als ESVG 2009 von 2014 an in der EU Anwendung finden.

Literatur zu den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen 1. Einige Monografien Eine Darstellung und Analyse des SNA 1993 geben Lequiller/Blades (2006) und der von Kendrick (1996) herausgegebene Band. In das SNA 1993 und in das ESVG 1995 führt auch Jackson (2000) umfassend ein. Eine ausführliche Diskussion der Weiter-

Einleitung

XV

entwicklung des SNA findet sich in dem von Jorgenson, Landefeld und Nordhaus (2006) herausgegebenen Sammelband.

2. Zeitschriften Die Zeitschrift „Review of Income and Wealth“ ist die wichtigste Publikation, in der die Diskussion zu Stand und Entwicklung der VGR verfolgt werden kann. Über die aktuellen Arbeiten des Statistischen Bundesamtes an den deutschen Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen berichtet seine Zeitschrift „Wirtschaft und Statistik“. In dessen Textteil finden sich sowohl die mehr theoretischen Abhandlungen als auch die neuesten Ergebnisse der Berechnungen. Interessenten für die US-amerikanische Diskussion seien verwiesen auf „Survey of Current Business“.

3. Lexikon Über die exakten Definitionen der in den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen auf Basis des ESVG 1995 in Deutschland verwendeten Größen gibt auch das von Brümmerhoff/Lützel (2002) in 3. Auflage herausgegebene „Lexikon der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen“ Auskunft.

Erster Teil Die Grundlagen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR) 1. Kapitel Ziele, Aufgaben und Geschichte der VGR 1. Der Begriff „Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen“ Als Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen (national accounts) werden gesamtwirtschaftliche Rechenwerke bezeichnet, die eine umfassende, systematische quantitative Beschreibung gesamtwirtschaftlicher Größen einer Volkswirtschaft für eine abgelaufene Periode geben. Sie sollen das für empirische Analysen gesamtwirtschaftlicher (makroökonomischer) Fragen benötigte, korrekt aufbereitete Datenmaterial liefern. Hierbei müssen in einem ersten Schritt die Grundlagen des Rechenwerks als eines Systems exakter, in sich konsistenter Definitionen und Abgrenzungen der zu erfassenden volkswirtschaftlichen Ströme und Bestände entwickelt werden, in einem zweiten Schritt ist es empirisch umzusetzen mit bereits für andere Zwecke erhobenen Daten. Die Bezeichnung „Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen“ soll zum Ausdruck bringen, dass es sich um ein statistisches Werk mit mehreren Teilrechnungen handelt. Im Mittelpunkt stehen die Entstehungs-, Verteilungs- und Verwendungsrechnung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und des Bruttonationaleinkommens (BNE)1 sowie die Darstellung der Umverteilungs- und Vermögensbildungsvorgänge einer vergangenen Periode. Das BIP wird als wichtiges Produktions-, das BNE als wichtiges Einkommensmaß angesehen. Über diesen „Kern“ hinaus schließen die VGR bei den Strömen die Finanzierungsrechnung und die Input-Output-Tabellen ein. Beide zeigen in tieferer Gliederung spezielle Arten von Vorgängen. Schließlich enthalten die VGR die Vermögensrechnung und Angaben über Erwerbstätige, Arbeitnehmer und Arbeitsstunden. Diese verschiedenen Darstellungen sind prinzipiell so aufeinander abgestimmt, dass sie ein System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen ergeben. Hinzu kommt die Zahlungsbilanz, die praktisch in die VGR integriert ist, diesen aber nicht zugerechnet wird. Hierfür sind primär institutionelle Zuständigkeiten und weniger sachliche Gründe maßgeblich, so dass die Zahlungsbilanz hier mitbehandelt wird.

2. Ströme und Bestände Die VGR sollen umfassende Informationen über das Wirtschaftsgeschehen der Volkswirtschaft in einer abgelaufenen Periode liefern. Sie geben also eine ex postDarstellung der von Wirtschaftssubjekten ausgeübten zahlreichen ökonomischen Akti1

Das BNE hat den früher verwendeten Begriff des Bruttosozialprodukts (BSP) ersetzt, der vom Statistischen Bundesamt noch ergänzend (in Klammern) verwendet wird.

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Erster Teil: Die Grundlagen der VGR

vitäten, die in ökonomischen Transaktionen und sonstigen Vorgängen ihren Ausdruck finden. Eine ökonomische Transaktion liegt vor, wenn ein Gut (= Ware oder Dienstleistung) und/oder eine Forderung von einer Wirtschaftseinheit auf eine andere übergeht1. Als Wirtschaftseinheit(-subjekt) gelten Personen, Gruppen oder Institutionen, die wirtschaftliche Tätigkeiten ausüben. Die VGR beschränken sich aber nicht auf den Nachweis von Strömen, die wirtschaftliche Aktivitäten (wie Produktion und Sparen) zum Ausdruck bringen. Sie liefern auch Informationen über Bestände. Die beiden Arten von Größen unterscheiden sich durch ihren zeitlichen Bezug und entsprechend in ihrer Dimension. Ströme (flows) sind zeitraumbezogene Größen (z.B. von einem Jahr); sie haben die Dimension Euro/Periode. Beispiele sind das Bruttoinlandsprodukt, der Konsum oder die Investitionen. Bestände (stocks) sind für einen bestimmten Zeitpunkt definiert (z.B. Sachvermögen der Unternehmen in EUR am 31.12.10); sie haben die Dimension Euro/Zeitpunkt2.

3. Notwendigkeit der Aggregation Das volkswirtschaftliche Rechenwerk soll Grundlage sein, um gesamtwirtschaftliche Aussagen machen zu können. Daher muss Ordnung in die große Zahl wirtschaftlicher Transaktionen (und anderer Vorgänge) gebracht werden, die täglich Millionen von Wirtschaftssubjekten tätigen. Hierbei ist der Komplexität der gegenseitigen Abhängigkeiten in einer Volkswirtschaft Rechnung zu tragen. Überschaubarkeit gewinnt man, indem aus beobachteten Transaktionen und sonstigen ökonomischen Vorgängen wichtige Aggregate errechnet werden. Hierbei kann man stärker auf die Wirtschaftseinheiten oder auf die ökonomischen Aktivitäten abstellen, die nach bestimmten Kriterien zu möglichst gleichartigen (homogenen) Sektoren oder Strömen zusammengefasst (aggregiert) werden. Entsprechendes gilt für die Bestandsgrößen. Durch die Zusammenfassung von Wirtschaftseinheiten werden Aggregate nach institutionellen Gesichtspunkten gebildet, wobei man auf natürliche Personen als Einzelpersonen oder private Haushalte und auf sozio-ökonomische Gesichtspunkte wie Alter, Beruf usw. abstellen kann. Bei Unternehmen kann z.B. auf die Rechtsform, auf Wirtschaftsregionen oder Wirtschaftsbereiche abgestellt werden. In den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen ist es üblich, Wirtschaftseinheiten nach Art der von ihnen (überwiegend) ausgeübten wirtschaftlichen Tätigkeiten zu Sektoren zusammenzufassen. Aber auch die Rechtsform spielt eine Rolle. So wird in der VGR seit dem ESVG 1995 zwischen privaten Haushalten, Kapitalgesellschaften und Staat unterschieden. Hierbei entsprechen nur Kapitalgesellschaften dem, was landläufig als Unternehmen verstanden wird, nämlich Einheiten, die Güter produzieren oder Finanz1

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Hier sind also zwei Einheiten an einer Transaktion beteiligt. Nach dem ESVG werden aber auch bestimmte andere Vorgänge nachgewiesen. Zu den Bestandsgrößen gehören auch die Bevölkerung und die Erwerbspersonen.

1. Kapitel: Ziele, Aufgaben und Geschichte der VGR

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dienstleistungen erbringen und diese gegen Entgelt verkaufen. Der andere Teil der so verstandenen Unternehmen (nämlich die ohne eigene Rechtspersönlichkeit, also Selbständige) wird in den VGR mit den privaten Haushalten in einem Sektor zusammengefasst. Der Staat produziert ebenfalls Güter, die er in der Regel unentgeltlich zur Verfügung stellt; er finanziert sich hauptsächlich durch Zwangsabgaben. Die privaten Haushalte werden in erster Linie als verbrauchende Einheiten interpretiert; sie beziehen ihr Einkommen vor allem aus dem Entgelt für die Zurverfügungstellung von Arbeitskraft. In diesen Sektor einbezogen werden aber, wie oben erwähnt, die Selbständigen als Produzenten. Ergänzend wird das Ausland in einem Sammelkonto dargestellt, auf dem die Gegenbuchungen der grenzüberschreitenden Transaktionen der inländischen Sektoren geführt werden. Statt auf institutionelle Gesichtspunkte kann auch auf die Art der ökonomischen Transaktionen (z.B. Produktion, Vermögensbildung, Finanzierung) und weniger auf die sie vollziehenden Wirtschaftssubjekte abgestellt werden. Allerdings ist die Grenze zwischen den beiden Aggregationsweisen fließend. Regelmäßig werden beide Aspekte (Zusammenfassung von Wirtschaftseinheiten und von ökonomischen Transaktionen) kombiniert. Neben der Fragestellung bestimmen die theoretische Abklärung, die Möglichkeit der statistischen Erfassung, die Kosten der Sammlung und Interpretation sowie die gewünschte Aktualität und Genauigkeit der Daten die Aggregationsweise. So erschweren etwa sehr detaillierte und komplexe Darstellungen den Gesamtüberblick über makroökonomische Zusammenhänge und sind daher weniger klar. Sehr starke Aggregierungen bedeuten hingegen einen Verlust wertvoller Informationen über die innere Struktur der Aggregate, da die Beziehungen zwischen den darin enthaltenen Elementen herausfallen. Daher muss stets ein Kompromiss gefunden werden, der den unterschiedlichen Aspekten der Bereitstellung von Daten Rechnung trägt. Sobald aber die Entscheidungen über die grundlegenden Prinzipien der Aggregation getroffen sind, müssen diese konsistent in dem Rechnungswesen umgesetzt werden. Nicht unerwähnt bleiben soll bereits an dieser Stelle, dass der Standard für die nationale Statistik inzwischen ausschließlich durch internationale Organisationen festgelegt wird.

4. Aufgaben, Verwendung und Bedeutung der VGR Grundsätzlich hängen Konzeption und Ausgestaltung einer Gesamtrechnung wie jedes Rechenwerk von den (insbesondere wirtschafts)politischen Vorstellungen der Gesellschaft und von der Wirtschaftsordnung des jeweiligen Landes ab, in dem sie erstellt werden. So wichen die Grundkonzeptionen der westlichen und der früheren östlichen gesamtwirtschaftlichen Rechnungssysteme erheblich voneinander ab (Ludwig 2009; Heske 2005). Tatsächlich unterscheiden sich die Grundlagen der in Deutschland verwendeten Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen nicht (mehr) von denen in der restlichen Welt. Der Grund hierfür ist, dass die Einrichtung und Ausgestaltung der VGR nicht im Belieben der deutschen Statistikbehörden steht. Vielmehr sind diese

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Erster Teil: Die Grundlagen der VGR

– wie alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) – verpflichtet, das Europäische System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen (ESVG 1995)1 im Hinblick auf Definitionen und methodische Grundlagen umzusetzen. Das ESVG 1995 beruht auf dem System of National Accounts (SNA 1993) der Vereinten Nationen. Natürlich sind für Konzeption und Ausgestaltung des internationalen Rahmens der VGR die Fragestellungen entscheidend, zu deren Beantwortung das Rechenwerk herangezogen werden soll. In der öffentlichen wirtschaftspolitischen Debatte steht der konjunkturpolitische Aspekt im Vordergrund. Hier dominieren Wachstumsraten, insbesondere die gerade realisierten und die prognostizierten für das Bruttoinlandsprodukt. Weitere wichtige Größen sind in diesem Zusammenhang u.a. die Zahl der Erwerbstätigen, die Arbeitslosenquote, die Veränderungsrate der Verbraucherpreise und der staatliche Finanzierungssaldo. Die Konzentration der wirtschaftspolitischen Debatte auf ein Ziel wird der Bedeutung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen aber nicht gerecht. Es gibt vielmehr andere volkswirtschaftliche Aufgabenbereiche, zu deren Analyse die gesamtwirtschaftlichen Daten der VGR verwendet werden. Zu den wichtigsten gehören die2 • • • • • • • • •

Messung der monetären Gesamtnachfrage; Analyse der Entwicklung des Wirtschaftswachstums; Analyse des Produktionspotenzials und der Produktivität; Analyse der Wirtschaftsstruktur; regionalen Analysen und internationalen Vergleiche; Analyse der Finanzierungsstruktur; Messung der Einkommensverteilung; mittelfristige Finanzplanung und Steuerschätzung; Analyse der Wohlfahrtsentwicklung.

Die VGR sind das zentrale volkswirtschaftliche Statistiksystem, das Daten für die meisten dieser gesamtwirtschaftlichen Fragestellungen liefert. Aussagen über die Wohlfahrtsentwicklung können mit den gegenwärtig gültigen Konzepten jedoch nur sehr eingeschränkt gemacht werden (vgl. das 13. Kapitel). Jede effiziente Wirtschaftspolitik erfordert eine Datenbasis, die es ermöglicht, Erfolg oder Misserfolg der Politik zu beurteilen. Die im Stabilitätsgesetz von 1967 festgelegten wirtschaftspolitischen Ziele, zu deren Realisierung im Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung Stellung zu nehmen ist, werden weitgehend in Größen der VGR ausgedrückt. Um die Vergangenheit beurteilen zu können und eine Grundlage für die laufende Wirtschaftspolitik zu haben, müssen die Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen so aufgebaut sein, dass sie die Träger der Wirtschaftspolitik über Stand und Veränderung der wirtschaftspolitisch relevanten Größen und ihre wechselseitigen Beziehungen informieren. Die VGR sind dabei wegen ihres umfassenden Charakters _______ 1 2

In der englischen Bezeichnung „European System of Integrated Economic Accounts“ (ESA). SNA 1993, par. 1.22. und ESVG 1995, para 1.03 weisen teils explizit auf die Zielsetzungen der Rechnungen hin.

1. Kapitel: Ziele, Aufgaben und Geschichte der VGR

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und konsistenten Aufbaus ein besonders wichtiges Hilfsmittel der Wirtschaftspolitik. Hierbei gilt, was wir messen, beeinflusst das, was wir verfolgen, und was wir verfolgen, bestimmt, was wir messen. Das Datenmaterial der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen ist einmal auf nationaler Ebene als gesamtwirtschaftliche Entscheidungsgrundlage und zum Erkennen der Handlungsspielräume von Bedeutung. Das gilt für die verschiedenen staatlichen Institutionen – insbesondere Bund, Länder und Gemeinden, Deutsche Bundesbank, Sozialversicherungen und Bundesagentur für Arbeit. Die Daten sind aber auch für nichtstaatliche Stellen von Bedeutung. So werden die Angaben zur Einkommens-, Produktivitäts- und Preisniveauentwicklung etwa von den Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden für ihre Politik herangezogen. Auch den volkswirtschaftlichen Abteilungen von Produktionsunternehmen, Banken, Versicherungen und Kammern dienen Informationen aus den VGR als Planungsgrundlage. Verschiedene Wirtschaftsforschungsinstitute sind für ihre zweimal im Jahr erstellten Gemeinschaftsgutachten, der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung für seine Jahresgutachten ebenso wie andere Institutionen für ihre Forschungsberichte und Analysen auf die Ergebnisse des gesamtwirtschaftlichen Rechenwerks angewiesen. Zunehmendes Interesse gewinnen neben nationalen auch regionale Daten. Verschiedene Probleme, die sich bei einer Regionalisierung der VGR stellen, ähneln sich, wenn man die nationalen Daten im internationalen Zusammenhang sieht. Ebenfalls große Bedeutung haben die Ergebnisse der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen auf internationaler Ebene (etwa EU, Europäische Währungsunion, OECD, UN oder Weltbank) bei der Beurteilung, Ausgestaltung und Koordinierung der Wirtschaftspolitik. Wichtige Größen dienen z.B. internationalen Vergleichen. So sind die von den EU-Mitgliedstaaten an das Statistische Amt der Europäischen Gemeinschaften (Eurostat) zu übermittelnden VGR-Daten (sog. Lieferprogramm) Grundlage für die Überprüfung der Einhaltung der Bedingungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts. Dazu sind zuverlässige und in der EU vergleichbare Ergebnisse erforderlich. Diesen Bedarf hat natürlich auch die Europäische Zentralbank, die für die Geldpolitik der Mitgliedstaaten der Europäischen Währungsunion verantwortlich ist. VGR-Daten bilden auch die Grundlage zur Ermittlung der Finanzierungsbeiträge an internationale Organisationen und der Leistungen (z.B. in der europäischen Regionalpolitik) von diesen. Das gilt insbesondere für die Berechnung der EU-Eigenmittel, soweit die an den Haushalt der Europäischen Union zu leistenden nationalen Finanzierungsbeiträge auf Basis des Bruttonationaleinkommens ermittelt werden. Für diesen Zweck sind gerade dessen absolute Werte maßgeblich. Interessanterweise wirken umfassende Revisionen der VGR meist erhöhend auf die Bemessungsgrundlage der Beiträge. Aus der Zusammenstellung von Statistiken kann noch nichts über die Ursachen bestimmter Entwicklungen, z.B. die Veränderung des Preisniveaus oder der Beschäftigtenzahl, ausgesagt werden. Die VGR-Daten sind daher nur ein Baustein in der Analyse von Ursachen-Wirkungs-Zusammenhängen. Hinzu kommen muss eine Theorie, mit der die wesentlichen Größen für einen Problembereich bestimmt und ihre Beziehungen

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Erster Teil: Die Grundlagen der VGR

analysiert werden. Zweckgerecht zusammengestellte Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen bieten die Möglichkeit, makroökonomische Hypothesen zu prüfen und so zu einer wirklichkeitsnahen Theorie zu gelangen. Die Beziehungen zwischen Theorie und VGR sind aber wechselseitig: Die bereitgestellten Daten können Anstöße für die Formulierung neuer Theorien geben, und die Theorie kann ihrerseits wichtige Hinweise für die Ausgestaltung der VGR liefern. So schreibt Stahmer (1988, S. 58) im Hinblick auf die Umweltberichterstattung, was auch für die VGR gilt: „Klare theoretische Konzepte könnten wesentliche Anstöße auch für eine Verbesserung der Datenlage geben. Ebenso könnten dann aber auch Fortschritte auf dem Gebiet der Statistik die Arbeiten an einer modellmäßigen Darstellung der ökonomisch-ökologischen Zusammenhänge unterstützen“. Um erfolgreich zu sein, müssen die Klassifikationen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen also theoretischen und praktischen Kriterien genügen: Die statistische Begriffsbildung soll sich grundsätzlich an einer möglichst umfassenden und anerkannten Theorie orientieren und weitgehend mit den theoretischen Begriffen übereinstimmen1. Zugleich müssen die statistischen Begriffe so beschaffen sein, dass sich für jede reale Erscheinung eindeutig feststellen lässt, ob sie unter den betreffenden Begriff fällt oder nicht. Der tatsächlichen Umsetzung dieser Forderungen steht eine Reihe von Schwierigkeiten entgegen, die als Adäquationsproblem bezeichnet werden. So liefert die Theorie nicht die in die Praxis umsetzbaren fertigen Begriffe. Und die „mannigfaltige, vielgestaltige und wandelbare Realität kennt keine reinen Typen. Eine volle Übereinstimmung zwischen theoretischen und statistischen Begriffen ist deshalb nicht möglich“ (Grohmann 2002, S. 7). Das zeigt sich insbesondere in den verwendeten Konzepten und statistischen Einheiten. Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen erfassen reale wirtschaftliche Sachverhalte. Hierzu verwenden sie ein konkretes statistisches Modell, das in einem möglichst widerspruchsfreien System gesamtwirtschaftlicher Konten und Tabellen seinen Niederschlag findet. Das System beruht notwendig auf einer großen Zahl von Konventionen2. Dazu rechnen die Definitionen und Klassifikationen, die Abgrenzung der verwendeten Größen im Detail, die Methoden der Datenerhebung und die Verfahren, mit denen die Basisdaten den VGR-Definitionen möglichst entsprechend umgesetzt werden. Diese Konventionen sind weitgehend international abgestimmt. Sie erweisen sich für die jeweilige Fragestellung durchaus nicht immer als zweckmäßig, so dass dann entweder keine befriedigende statistische Grundlage gefunden werden kann, oder aber die Daten der VGR müssen vom jeweiligen Verwender nach anderen Abgrenzungen umgerechnet werden. Ein für alle Aufgaben gleichermaßen hilfreiches gesamtwirtschaftliches Rechnungswesen kann es nicht geben. Seine Nützlichkeit erweist sich aber durch seine vielfältige Verwendbarkeit. Das Statistiksystem der Volkswirtschaftlichen 1

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Tatsächlich ist der Bezug zwischen VGR und ökonomischer Theorie nicht so eindeutig (siehe Vanoli 2005, S. 455-471). Diese werden von mehreren internationalen Organisationen festgelegt – neben UN und EU sind dies der Internationale Währungsfonds (IWF), die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und die Internationalen Arbeitsorganisationen (ILO).

1. Kapitel: Ziele, Aufgaben und Geschichte der VGR

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Gesamtrechnungen soll daher möglichst flexibel sein. Dem dienen Tabellen und Untergliederungen, „die den Benutzer der Daten in die Lage versetzen, sich wie in einem Baukasten (man spricht vom ‘building-block approach’) die Ergebnisse so zusammenzusetzen, wie es für seinen speziellen Verwendungszweck erforderlich ist“ (Lützel 1986, S. 11). Andererseits bedeutet aber ein für die verschiedensten Fragestellungen verwendbares System auch die Gefahr, dass das Rechenwerk ein „mixtum compositum“ darstellt (Bombach 1956/57, S. 347), mit dem keine der Fragestellungen hinreichend untersucht werden kann1. Zur Erstellung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen wird praktisch auf das gesamte verfügbare Ausgangsmaterial der Wirtschafts-, Sozial- und Finanzstatistik und ähnliche Informationen zurückgegriffen, die von amtlichen und privaten Organisationen bereitgestellt werden. Es handelt sich um Daten unterschiedlicher Verlässlichkeit. Die VGR haben dabei einen wichtigen Rahmen für die Koordinierung und Weiterentwicklung des gesamten statistischen Instrumentariums geliefert, insbesondere für die Feststellung von Lücken im statistischen System und Mängeln in der Übereinstimmung von Definitionen und Klassifikationen. Die konzeptionellen Unterschiede wurden auf ein Minimum beschränkt.

5. Grenzen der Erstellung Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen Dem statistischen Nachweis im Rahmen der VGR sind natürlich Grenzen gesetzt. Sie rühren daher, dass – wie oben ausgeführt – theoretische Konzepte nicht in wünschenswerter Weise operational umgesetzt werden können. Vielfältige Zwecke erschweren die Aufgabe. Fehlende Daten in Basisstatistiken tragen zu dem erheblichen Modellcharakter der VGR bei, den die Anwender in der Regel nicht kennen (Richter 2002a). Von Bedeutung ist auch, dass die statistischen Ämter nicht die Haushaltsmittel haben, um weiteres VGR-Material bereitzustellen, andererseits aber aufwendige Statistiken (z.B. im Agrarbereich) erstellt werden müssen. Da offensichtlich das an die EU per Dekret zu liefernde Datenmaterial zunimmt, wird bei gleichbleibenden oder gar sinkenden nationalen Ressourcen, insbesondere Arbeitsstunden, der Spielraum für die amtliche Bereitstellung von VGR-Daten speziell für den deutschen Verwender immer enger. Wenn die Verpflichtung zunimmt, das bestehende Informationssystem durch immer stärker ausdifferenzierte VGR-Daten auszuweiten und gleichzeitig immer aktuellere Zahlen vorzulegen (z.B. BIP-Schnellschätzung), muss folglich bei bestehender Datenbasis die Qualität der veröffentlichten Ergebnisse leiden. So ist zu befürchten, dass ein zunehmender Teil der VGR nicht in relativ harten Angaben besteht, sondern allenfalls mit vagen Schätzungen ermittelt werden kann, die deshalb eher den Charakter von Set1

Siehe die Literaturhinweise bei Richter (1994, S. 107). Bombach (1960, S. 228) weist auf eine weitere Gefahr hin. Wenn die Frage nach dem Endzweck der VGR in den Hintergrund trete, bestehe die Gefahr, dass wichtige Entscheidungen im luftleeren Raum getroffen werden und „etwa die Aufrechterhaltung der Symmetrie eines bestimmten Kontensystems wichtiger erscheint als die analytische Leistungsfähigkeit“.

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Erster Teil: Die Grundlagen der VGR

zungen haben. Darauf weist das Statistische Bundesamt zu Recht hin (Strohm 2003). Allerdings sind solchen Anmerkungen Grenzen gesetzt, weil hierdurch die Verlässlichkeit der Statistik insgesamt zu stark Zweifeln ausgesetzt wird.

6. Eine kurze Geschichte der VGR Stellt man auf die systematische Darstellung ab, kann Luca Pacioli als Vorläufer der VGR angesehen werden. Er hat die doppelte Buchhaltung vor über 500 Jahren (1494) veröffentlicht. Pacioli war Mönch und Mathematikprofessor sowie ein Zeitgenosse von Leonardo da Vinci und Columbus. Rund 200 Jahre später hat Francois Quesnay den zentralen Anstoß für die systematische, jetzt makroökonomische Darstellung gegeben. Als Hauptvertreter der Physiokraten, die den Reichtum des Landes mehren wollten, entwickelte er um 1758 in seinem Hauptwerk „Tableau Economique“ rein deduktiv einen geschlossenen Güter- und Wirtschaftskreislauf. Zentraler Baustein jeder VGR, die Klassifikationen, war bei ihm die Einteilung der Bevölkerung in drei Sektoren oder Klassen: die produktive Klasse der Landwirte, die Klasse der Bodeneigentümer und die sterile Klasse der Händler und Gewerbetreibenden sowie der zwischen ihnen fließenden Ströme. Die Landwirtschaft galt als die einzige Wohlstandsquelle, die das Gesamtprodukt hervorbringt. Erste bekannte Schätzungen von Volkseinkommen und Vermögen hatte zuvor schon Sir William Petty (1665, 1675) für England vorgelegt, weitere Schätzungen folgten wenig später für England und Frankreich. In Deutschland gab es frühe Schätzungen des Nationaleinkommens durch Leopold Krug (1805) für Preußen. Im Nationaleinkommen („Nationalreichtum“) fasste Krug Beiträge verschiedener Wirtschaftsbereiche zur gesamtwirtschaftlichen Produktion zusammen. Die Klassifikation folgte der Reihung Land- und Forstwirtschaft, Fischerei, gewerbliche Produktion und Handel. Sie war im ersten Bereich stärker ausdifferenziert, weil dieser zu der Zeit von Krug mehr als 80 %, der gewerbliche Bereich hingegen weniger als 3 % der Produktion ausmachte. Weitere Schätzungen des Volkseinkommens insbesondere für einzelne deutsche Länder erfolgten seit Mitte des 19. Jahrhundert bis Anfang des 20. Jahrhundert. Umfassende Angaben für Deutschland legte besonders das Statistische Reichsamt nach dem Ersten Weltkrieg vor. Seine Volkseinkommensrechnung stützte sich im Wesentlichen auf die Steuerstatistik. Das trifft auch u.a. auf die im Jahr 1934 unter der Leitung von Simon Kuznets vorgelegte Einkommensrechnung für die USA zu. Wesentliche Impulse zur Weiterentwicklung der Kreislauftheorie lieferte Karl Marx (1867). Er stellte auf die Klassen der Arbeiter und der Kapitalisten ab. Mit der Produktion wurde die Einkommensverteilung auf diese Gruppen bestimmt. Irving Fisher (1906) schlug die Verwendung der doppelten Buchhaltung für die Volkswirtschaft und auch die Aggregation individueller zu nationalen Konten vor. Systematisch weiterentwickelt wurde die Kreislauftheorie insbesondere von J. M. Keynes (1936), aber auch von Carl Föhl (1937) und anderen deutschen Kreislauftheoretikern. International wurden allerdings die Arbeiten von Keynes als Grundlage für die internationalen Systeme

1. Kapitel: Ziele, Aufgaben und Geschichte der VGR

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verwendet. Diese wurden für die OECD (1950, 1952) bzw. UN (1947, 1953, 1960, 1964, 1968) in verschiedenen Fassungen bzw. Auflagen vor allem von Richard Stone entwickelt. Gegenwärtig wird noch die 3. Auflage des „System of National Accounts“ (SNA 1993) der UN verwendet, in ihrer europäischen Version ist es das „Europäische System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen“ (ESVG 1995). Die neueste Version des weltweiten Systems ist das SNA 2008. Sie ist 2014 in der entsprechenden europäischen Version des ESVG in Deutschland umzusetzen. Bereits in den 1950er-Jahren und spätestens seit 1960 verfügte Deutschland über weltweit führende Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen.

Literatur zum 1. Kapitel Die Verwendung der VGR skizzieren Kendrick (1996, ch. 1.1) und Lequiller/Blades (2006). Verschiedene Fragestellungen, zu deren Untersuchung die VGR herangezogen werden, behandelt Holub (2002c). Überlegungen, eine möglichst große Flexibilität durch Einführung von „building-blocks“ und „core accounts“ zu erreichen, stellen schon früh Bochove/Tuinen (1986) an. Weiterentwicklungen in dieser Richtung behandelt das 14. Kapitel unter dem Aspekt der Satellitensysteme zu den VGR. Wie stark die VGR Modellcharakter haben, stellt insbesondere Richter (knapp 2002a, ausführlich 2002b) dar. Die Entwicklung bis zu den Vorläufern des SNA zeigt Studenski (1958) umfassend, Stobbe (1980) bezieht das SNA 1968 mit ein. Die Geschichte der VGR behandelt auch der von Kenessey (1994) herausgegebene Band, einen kurzen Überblick zur VGRGeschichte gibt Reich (2002). Eine intensive Interpretation der Entwicklung der weltweiten VGR-Systeme in den letzten 50 Jahren bis hin zur aktuellen internationalen Diskussion gibt Vanoli (2005). Die deutschen Beiträge zur Entwicklung der VGR stellt Reich (1994) vor, zu den deutschen VGR seit 1949 bis zur Umsetzung des SNA 1993 bzw. ESVG 1995 siehe auch Statistisches Bundesamt (2004b) und Voy (2009). Die deutschen VGR auf Basis des ESVG 1995 beschreibt das Statistische Bundesamt (2007).

Aufgaben zum 1. Kapitel 1. Was kennzeichnet Stromgrößen, was Bestandsgrößen? 2. Wann liegt eine ökonomische Transaktion vor? 3. Enthalten die VGR nur Größen, die sich auf die Vergangenheit beziehen, oder stellen sie auch auf künftige Perioden bzw. Zeitpunkte ab? 4. Für welche Zwecke kann die Aufstellung der VGR von Interesse sein? 5. Was kann aus der Zusammenstellung von Statistiken über die Ursachen bestimmter Entwicklungen ausgesagt werden? 6. Welche Beziehungen bestehen prinzipiell zwischen den VGR und der ökonomischen Theorie?

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Erster Teil: Die Grundlagen der VGR

7. Was versteht man unter dem Adäquationsproblem? 8. Warum ist die Bildung von Aggregaten erforderlich? 9. Nach welchen beiden Gesichtspunkten kann man gesamtwirtschaftliche Aggregate bilden? Welche Vor- und welche Nachteile sind mit einem hohen bzw. einem niedrigen Aggregationsgrad verbunden? 10. Grundsätzlich gilt, dass man Definitionen, konkrete Abgrenzungen usw. abhängig von der Fragestellung wählt. a) Sind die deutschen VGR prinzipiell nach diesem Gesichtspunkt aufgebaut? b) Welche Konsequenzen hat es für analytische Zwecke, wenn ein Rechnungssystem wie die VGR mit ihren Definitionen usw. vorgegeben sind?

2. Kapitel Grundlagen der Vermögensrechnung Jede Volkswirtschaft ist mit bestimmten Vermögensbeständen ausgestattet, die für das volkswirtschaftliche Geschehen bedeutsam sind. Da die Begriffe auch für die folgende Kreislaufbetrachtung wichtig sind, werden sie hier kurz erläutert. Die Vermögensbestände werden in einer Vermögensrechnung (balance sheet) erfasst. Die Vermögensrechnung (eines Wirtschaftssektors oder der Volkswirtschaft) ist die Zusammenfassung aller Vermögenswerte und Schulden an einem Stichtag. In einfachster Form enthält die in einer Bilanz dargestellte Vermögensrechnung beispielsweise eines Sektors die folgenden Aktiva (Vermögenswerte) und Passiva (Verbindlichkeiten und Reinvermögen): Bilanz eines Sektors Aktiva Passiva Vermögensgüter Verbindlichkeiten Gesamtvermögen Forderungen

Saldo: Reinvermögen

Das Gesamtvermögen als Summe der Aktiva umfasst Vermögensgüter und Forderungen. Vermögensgüter bestehen in einem einfachen Grundschema der Vermögensrechnung in Sachanlagen (Bauten, Ausrüstungen, Nutztiere), immateriellen Anlagegütern (wie Computerprogramme, Urheberrechte) und Vorräten. Forderungen (als Summe auch Geldvermögen genannt) haben einen in Währungseinheiten ausgedrückten Nennwert. Das gilt ebenso für die Verbindlichkeiten (Schulden), die die andere Seite einer Kreditbeziehung ausdrücken. Beispiele für verschiedene Formen von Forderungen z.B. der privaten Haushalte sind deren Bestände an Bargeld (= Banknoten und Münzen), Spareinlagen und Aktien1. Saldiert man die Forderungen und Verbindlichkeiten eines (Wirtschaftssubjekts oder) Sektors, erhält man dessen Nettogeldvermögen (Nettoposition). Es ist positiv (negativ), wenn die Forderungen größer (kleiner) als die Verbindlichkeiten sind. Während die linke Seite der Bilanz die Form der Vermögenswerte angibt, weist die rechte Seite die Eigentumsverhältnisse nach. Das Reinvermögen ist der Saldo (Ausgleichsposten) aus dem Gesamtvermögen eines Sektors und seinen Verbindlichkeiten (oder die Summe aus Vermögensgütern und Nettoposition). Übersteigen die Verbindlichkeiten die Aktiva, erhält man ein negatives Reinvermögen („Überschuldung“). Es sei bereits an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die Höhe des Reinvermögens davon abhängt, wie umfassend das Gesamtvermögen abgegrenzt wird. Gerade die Ab-

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Das Bargeld wird volkswirtschaftlich gleichzeitig als Verbindlichkeiten der Zentralbank angesehen; die Spareinlagen stellen Verbindlichkeiten der Kreditinstitute dar; die von den Unternehmen ausgegebenen Aktien gelten als deren Verbindlichkeiten.

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Erster Teil: Die Grundlagen der VGR

grenzung der Vermögensgüter wurde in den VGR in den letzten Jahrzehnten ständig ausgeweitet. Darauf wird im 6. Kapitel ausführlich eingegangen. Das bisher in Form der Bilanz gezeigte Grundschema einer Vermögensrechnung kann auch in Staffelform Vermögensgüter + Forderungen – Verbindlichkeiten = Reinvermögen oder in Gleichungsform Vermögensgüter + Forderungen – Verbindlichkeiten = Reinvermögen dargestellt werden. Die Vermögensrechnung ist immer ausgeglichen, weil von den vier in Beziehung stehenden Größen die letzte sich erst als der Saldo der drei anderen ergibt. In einer geschlossenen Volkswirtschaft, die durch fehlende Außenwirtschaftsbeziehungen gekennzeichnet ist, gleichen sich die Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen den Wirtschaftssubjekten (d.h. hier: Inländern) aus. Die Nettoposition der geschlossenen Volkswirtschaft ist daher null. Das Volksvermögen, d.h. die Summe der Vermögenswerte von Inländern, entspricht in diesem Fall dem gesamten Sachvermögen: Vermögensgüter = Volksvermögen. In der offenen Volkswirtschaft hingegen, für die Außenwirtschaftsbeziehungen vorliegen, werden sich in der Regel die Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen Inländern und Ausländern nicht ausgleichen (siehe auch 9. Kapitel zur Zahlungsbilanz). Die Differenz wird als Nettoforderungen gegenüber der übrigen Welt (oder Nettoauslandsposition) bezeichnet. Das Volksvermögen ergibt sich dann als Vermögensgüter + Nettoauslandsposition = Volksvermögen.

Literatur zum 2. Kapitel Literaturangaben zur Vermögensrechnung enthält das 6. Kapitel, dem eine ausführliche Behandlung der Vermögensrechnung vorbehalten ist.

2. Kapitel: Grundlagen der Vermögensrechnung

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Aufgaben zum 2. Kapitel 1. 2. 3. 4.

Was ist Gegenstand einer Vermögensrechnung? Wie ist das Reinvermögen definiert? Nennen Sie die beiden Vermögensarten der VGR und geben Sie jeweils Beispiele. Wie wirken sich Forderungen und Verbindlichkeiten auf das Volksvermögen einer geschlossenen Volkswirtschaft aus? 5. Wie ist das Volksvermögen einer offenen Volkswirtschaft abgegrenzt?

3. Kapitel Grundlagen der Kreislaufdarstellung 1. Der Begriff des (Wirtschafts-)Kreislaufs Grundlage für die systematische Beschreibung des Wirtschaftsprozesses und damit für die Aufstellung der VGR ist die Vorstellung eines (Wirtschafts-)Kreislaufs (economic circulation). Er besteht in Strömen, die die Wirtschaftstätigkeit eines Gebietes, z.B. eines Landes oder einer Region, in einem bestimmten Zeitraum zum Ausdruck bringen. Damit verbunden sind bestimmte Bestände (Vermögen). Das zirkuläre Element liegt im gleichzeitigen Geben und Nehmen gleicher Werte zwischen Gruppen von Wirtschaftssubjekten. ,,Die Kreislaufidee liefert eine Ordnungsvorstellung, die es ermöglichen soll, die vielen vom Ökonomen als relevant erachteten Vorgänge der Realität in einen überschaubaren widerspruchsfreien Zusammenhang zu bringen, ohne dabei auf die Abbildung der oft komplexen wechselseitigen Verflechtungen zu verzichten. Diese Transformation von zunächst ungeordneten und verwirrenden Einzelvorgängen in ein quantifizierbares und handhabbares System, das zudem über Umformungen vielfältige Einblicke in seine strukturellen Details erlaubt, hat das Instrument des Wirtschaftskreislaufes zu einem unverzichtbaren Bestandteil der modernen Wirtschaftstheorie gemacht. Dabei sind es gerade die indirekten Zusammenhänge oder (erwünschten oder unerwünschten) Wirkungen, die bei ökonomischen Fragestellungen besonderes Interesse beanspruchen und die ohne die Kreislaufvorstellung quantitativ nicht in den Griff zu bekommen sind“ (Holub 2000, S. 802). Die Erstellung eines Kreislaufs ist somit eine methodische Vorgehensweise. Sie bedingt eine adäquate Definition der Größen und die systematische Erfassung der wechselseitigen Ströme. Dies setzt eine Klassifikation der Wirtschaftssubjekte und der ökonomischen Aktivitäten voraus. Eine Grundvoraussetzung der Kreislaufanalyse ist die Forderung nach einem geschlossenen Kreislauf. Jeder einem Pol (Sektor) zufließende Strom muss in irgendeiner Weise von einem anderen Pol abfließen. Die Forderung ist erfüllt, wenn für jeden Pol die Wertgröße aller hineinfließenden gleich der Wertgröße aller herausfließenden Ströme ist (Kreislaufaxiom). So ist gewährleistet, dass alle Kreislaufströme ohne Lücken und Doppelzählungen erfasst werden.

2. Das einfachste Kreislaufmodell Der systematische Aspekt wird bereits im einfachsten Kreislaufschema (-modell) deutlich. Hierzu wird angenommen, dass die gesamte in einer Volkswirtschaft in einer Periode stattfindende Produktion in Unternehmen erfolgt und die produzierten Güter vollständig an die privaten Haushalte (im Folgenden kurz: Haushalte) abgegeben werden. Von Staat, Ausland und Vermögensbildung wird zunächst abgesehen. Die Vielzahl der möglichen Ströme einer Volkswirtschaft wird dann auf vier reduziert.

3. Kapitel: Grundlagen der Kreislaufdarstellung

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In Abb. 3-1 werden die Sektoren grafisch als Pole erfasst, zwischen denen durch Pfeile gekennzeichnete Ströme fließen. Die Spitze des Pfeils legt die Richtung eines Stroms eindeutig fest, d.h., er besitzt einen Ausgangs- und einen Endpunkt. Bei quantitativer Betrachtung haben Ströme auch eine Strombreite, d.h. dem Strom kann ein bestimmter Zahlenwert zugeordnet werden. Die inneren, unterbrochenen Linien stellen die Güter- und Faktorleistungsströme (häufig auch als realer Kreislauf bezeichnet), die äußeren, nicht unterbrochenen Linien die Einnahmen-/Ausgabenströme (kurz: monetärer Kreislauf) dar. Innerhalb der Pole stattfindende Ströme werden nicht beachtet. Die inneren Ströme zeigen, dass die Unternehmen Produktionsfaktoren (Arbeit und Kapital, z.B. Maschinen) einsetzen und so Güter produzieren, die an die Haushalte abgegeben werden. Abb. 3-1 Einfachstes Kreislaufschema Konsumausgaben (C)

Konsumgüter

Unternehmen

Haushalte

Faktorleistungen

Einkommen (Y)

Die gleichen zweiseitigen Beziehungen zwischen den Sektoren werden auch durch die entgegengerichteten Einnahmen-/Ausgabenströme (äußere Linien) abgebildet. So stellt das Entgelt für den Einsatz der Produktionsfaktoren bei den Unternehmen Aufwand (Löhne, Gehälter, Gewinne) und bei den Haushalten Einkommen dar. Das Einkommen wird zum Kauf von Konsumgütern (Konsumausgaben) verwendet und führt zu Einnahmen der Unternehmen in gleicher Höhe. Die Strombreite stimmt bei beiden Kreislaufdarstellungen überein, denn die Güter- und Faktorleistungsströme bestehen aus Transaktionen von verschiedenartigen (heterogenen) Gütern und Faktorleistungen, die durch Verwendung von Preisen gewichtet und erst so zu einem Gesamtstrom – zu einer Wertgröße – zusammengefasst werden können. Die monetären Ströme dürfen nicht mit Bargeldströmen gleichgesetzt werden. Die Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen zeichnen Veränderungen der Forderungen, also der wertmäßigen Ansprüche auf, wobei Bargeld (= Banknoten und Münzen) als eine bestimmte Form der Forderungen gilt. Die Abwicklung der ökonomischen Transaktionen geschieht in einer Marktwirtschaft über Märkte. So werden auf den Gütermärkten (und entsprechend: Faktormärkten) durch Angebot an und Nachfrage nach Gütern (Faktoren) deren Preise gebildet.

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Erster Teil: Die Grundlagen der VGR

Zentrale Aufgabe der VGR ist der Nachweis der Höhe der Produktion und des Einkommens einer Periode. Aus dem stark vereinfachten Kreislaufschema von Abb. 3-1 kann abgelesen werden, dass der Wert der Konsumgüterproduktion (Y) dem Aufwand an Faktorleistungen (Y), dem Einkommen (Y) und den Konsumausgaben (C) entspricht. Zu beachten ist, dass der Kreislauf nur eine Hilfskonstruktion zur systematischen Darstellung der vielfältigen Ströme einer arbeitsteiligen Volkswirtschaft ist. Tatsächlich findet ein Fließen im kreislaufmäßigen Sinne allenfalls beim Bargeld statt. Ansonsten werden laufend neue Güter produziert, neue Faktorleistungen eingesetzt usw. Abb. 3-1 legt nahe, dass man den Kreislauf durch Güter- und Faktorleistungsströme und alternativ durch Ströme der monetären Transaktionen erfassen kann. Das trifft aber in den Fällen nicht zu, in denen Aktivitäten nur in einer der beiden Arten von Strömen ihren Niederschlag finden. Die Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen verbuchen in ihrer Produktions- und Einkommensrechnung nur monetäre Transaktionen, nicht hingegen die Güter- und Faktorleistungsströme. Entsprechend wird in den folgenden Darstellungen verfahren. Der Grund hierfür liegt neben der Fragestellung darin, dass auch einseitige monetäre Transaktionen (z.B. Steuern) stattfinden und nur auf der Basis monetärer Ströme eine systematische Darstellung aller Kreislaufvorgänge möglich erscheint1. Der Nachweis auch dieser Ströme ist aber für die meisten Zwecke der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen unverzichtbar. In einer Teilrechnung, den in die VGR integrierten Input-Output-Tabellen (Kapitel 8), stehen andererseits gerade die Güter- und Faktorleistungsströme und weniger die monetären Ströme im Vordergrund.

3. Arten der verbuchten Transaktionen und sonstigen Vorgänge Das bisher verwendete Kreislaufschema ist in mehrfacher Hinsicht stark vereinfacht und daher nur wenig aussagekräftig. So fehlen mit dem Staat und dem Ausland wichtige Sektoren. Von den bisher berücksichtigten Strömen wurde angenommen, dass sie monetär und real dargestellt werden können, zweiseitig und intersektoral ablaufen und als tatsächlich vollzogene Transaktionen zu kennzeichnen sind. Mit diesen Annahmen wird man der Vielfalt ökonomischer Vorgänge nicht gerecht. Im Folgenden werden verschiedene wirtschaftliche Transaktionen und sonstige Vorgänge unterschieden. • Ströme können nur monetär (z.B. Steuerzahlung) oder nur nichtmonetär2 (z.B. Gütertausch, unentgeltliche Leistungsabgabe des Staates, Abschreibungen) sein. Im ESVG werden sämtliche Transaktionen in Geldeinheiten ausgewiesen. Die nichtmonetären Ströme müssen daher indirekt erfasst oder in anderer Weise geschätzt werden. • Transaktionen sind einseitig (ihnen entsprechen keine ökonomischen Gegenleistun1

2

Es gibt andererseits auch reale Ströme wie die unentgeltlich abgegebenen staatlichen Leistungen, denen keine monetären Ströme entsprechen. Nur soweit die Güter- und Faktorleistungsströme in Abb. 3-1 keine finanziellen Gegenströme haben, gelten sie als nichtmonetäre Transaktionen (non-monetary transactions).

3. Kapitel: Grundlagen der Kreislaufdarstellung

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gen – z.B. Steuerzahlung) oder zweiseitig (für die Leistungen werden Gegenleistungen bereitgestellt wie bei Kauf, Lohn- oder Zinszahlung)1. • Transaktionen können mit Wirtschaftssubjekten des gleichen Sektors (intrasektoral) oder außerhalb eines Sektors (intersektoral) stattfinden. • Leistungs- und Finanztransaktionen sind zu unterscheiden. Leistungstransaktionen führen zu Einnahmen und Ausgaben, d.h. zu einer Veränderung der Höhe der Nettoposition (= Forderungen abzüglich Verbindlichkeiten) der beteiligten Wirtschaftssubjekte. So führt z.B. der Verkauf einer Maschine zu einer Einnahme (= Zunahme der Nettoposition) des Verkäufers und zu einer Ausgabe (= Abnahme der Nettoposition) des Käufers. Hierbei spielt die Art der Zahlung keine Rolle. Finanztransaktionen lassen die Nettoposition der beteiligten Wirtschaftssubjekte der Höhe nach unverändert; sie verändern nur die Zusammensetzung, d.h. Forderungen und Verbindlichkeiten werden umgeschichtet (z.B. Kauf von Anleihen, Darlehen, Tilgungszahlung). Wird z.B. der Kauf der oben erwähnten Maschine auf Kredit vorgenommen, so stellt die Tilgung dieses Kredits eine Finanztransaktion dar. Einige ökonomische Vorgänge sind keine Transaktionen, weil bei ihnen kein Paar von Forderungen und Verbindlichkeiten entsteht (z.B. Tausch Ware gegen Ware, Abschreibungen). Sie sind aber in der Regel entweder von geringer praktischer Bedeutung oder erfahren eine besondere Interpretation (z.B. die unentgeltlich abgegebenen staatlichen Leistungen). Die VGR stellen überwiegend eine Einnahmen-/Ausgabenrechnung dar, d.h., es kommt auf die Leistungstransaktionen an. Die Zahlungsströme, also die kassenmäßigen Zu- und Abgänge, sind insoweit unerheblich. In einer Teilrechnung – der Finanzierungsrechnung – stehen gerade die Finanztransaktionen im Mittelpunkt des Interesses. Für die Ermittlung der staatlichen Defizitquote ist die Zuordnung von Strömen auf Leistungs- und Finanztransaktionen von zentraler Bedeutung. • Transaktionen können die Höhe des Reinvermögens verändern (= vermögenswirksame Vorgänge) oder nicht verändern (= laufende Vorgänge). Diese fünf Gruppen von Eigenschaften können in verschiedenen Kombinationen auftreten.

4. Sparen und Investieren Im folgenden Kreislaufschema (Abb. 3-2) wird berücksichtigt, dass im Wirtschaftsprozess Vermögen gebildet wird. Von Staat und Ausland wird weiter abgesehen. Wenn Haushalte einen Teil ihres Einkommens nicht für Konsumgüterkäufe verwenden, kommt es in Höhe des Nichtverbrauchs zum Sparen (S). Sparen ist damit definiert als nicht für Konsumausgaben verwendeter Einkommensteil. Die (Anlage-)Form des Sparens, also z.B. Bargeld, Sichteinlagen oder Wertpapiere, ist hierbei unwichtig. Dem Sparen entspricht der nicht an Haushalte abgesetzte Teil der Produktion der Periode (Investitionen, I). Die Differenzströme Y - C = I und Y - C = S finden ihren Nieder1

Das ESVG spricht hier von „transactions with and without counterparts“.

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Erster Teil: Die Grundlagen der VGR

schlag in einem zusätzlichen Pol Vermögensänderung. Dieser ist im Gegensatz zu den institutionellen Polen der Unternehmen und Haushalte ein funktionaler Pol. Abb. 3-2 Wirtschaftskreislauf mit Sparen und Investieren Vermögensänderung

I

S

Unternehmen

Haushalte Y

C

Wenn nicht für jeden Sektor die Summe der hineinfließenden und die Summe der herausfließenden Ströme – also die Einnahmen und Ausgaben – übereinstimmen, liegt ein offener Kreislauf vor. Durch Einführung eines zusätzlichen Pols (oder ggf. auch mehrerer Pole), der die Salden der anderen Sektoren aufnimmt, wird der Kreislauf geschlossen. In Abb. 3-2 geschieht dies durch den Pol ,,Vermögensänderung“. Die Beziehung von Sparen und Investitionen spielt in der Wirtschaftstheorie eine bedeutsame Rolle, wobei S und I – anders als in diesem Kreislaufschema – vor allem als geplante (oder ex-ante-)Größen betrachtet werden. In diesem (ex-ante-)Fall braucht die Gleichheit von I = S nicht mehr zu bestehen. Die aus Abb. 3-2 ersichtliche Gleichheit von Sparen und Investitionen besteht hingegen ex post definitionsgemäß immer. Voraussetzung hierfür ist, dass die Definitionen der makroökonomischen Größen des Systems konsistent miteinander sind. So muss I zur Gewährleistung der Konsistenz als Differenz aus Y und C definiert sein. Entsprechendes gilt für S. Zum Verständnis der Beziehung ist es zweckmäßig, sich klarzumachen, was die darin nachgewiesenen Investitionen enthalten. Sie schließen nämlich neben der realisierten Nachfrage der Unternehmen nach Investitionsgütern zur Erweiterung ihrer Produktionskapazität (Anlageinvestitionen) auch die Vorratsveränderungen ein. Ein Teil der Vorratsveränderungen kann – wegen fehlender Nachfrage – aus unfreiwilliger Lagerbildung bestehen. Diese ist zwar als solche statistisch nicht nachweisbar, spielt aber für den Ausgleich von I und S die entscheidende Rolle. Investitionen stellen die Veränderung des am Anfang der Periode bestehenden Sachvermögens1 dar. Es kann offenbar in einer Periode nur um den Teil der Produktion wachsen, der nicht verbraucht wird. Zu beachten ist, dass die Änderung des Bruttoanlagevermögens einer Volkswirtschaft durch die Bruttoanlageinvestitionen erfolgt. Die1

Tatsächlich ist der in den VGR verwendete Vermögensbegriff weiter.

3. Kapitel: Grundlagen der Kreislaufdarstellung

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ses Sachvermögen unterliegt aber der Wertminderung durch produktionsbedingten Verschleiß und wirtschaftliches Veralten. Sie wird durch Abschreibungen (D) rechnerisch erfasst. Es gilt daher (3-1) In = Ib – D mit Ib als den Bruttoinvestitionen. Die bisher nicht näher gekennzeichnete Größe ,,I“ brachte (und bringt im Folgenden) die Nettoinvestitionen (In) zum Ausdruck. Berücksichtigt man auch Abschreibungen, so ist die Beziehung zwischen den Polen Unternehmen und Vermögensänderung von Abb. 3-2 zu spezifizieren: Abb. 3-3 Abschreibungen der Unternehmen Ib Unternehmen

Vermögensänderung D

5. Die Darstellungsformen des Kreislaufs Bisher wurde zur Darstellung des Kreislaufs als eines geordneten Systems von Polen, zwischen denen Ströme fließen, die grafische Methode verwendet. Sie ist anschaulich, wird aber mit zunehmender Differenzierung der Sektoren und Aktivitäten, spätestens mit mehr als sechs Sektoren, unübersichtlich. Alternativ kann der Kreislauf aber auch in Form von Gleichungen, Konten, Matrizen und Tabellen wiedergegeben werden: • Gleichungen. Sie sind das bevorzugte Mittel der mathematischen Darstellung und der Wirtschaftstheorie. Für die in Abb. 3-2 enthaltenen Beziehungen gilt (3-2) Y = C + I (3-3) Y = C + S (3-4) I = S. Man kann aus den drei oben stehenden Gleichungen erkennen, dass aus jeweils zwei Gleichungen die dritte ableitbar ist. So ergibt sich die dritte Gleichung aus den ersten beiden Gleichungen, wobei der Wert der Produktion (Y) und des Einkommens (Y) gleich sind. Allgemein gilt: Stimmen die Einnahmen und Ausgaben in n-1 Polen überein, so gilt dies auch für den n-ten Pol. • Konten. Auf der rechten Seite (,,Haben“) erscheinen die mit einer Einnahme, links (,,Soll“) die mit einer Ausgabe verbundenen Ströme1. Im Kontensystem der VGR findet man diese Darstellungsform. Grundsätzlich ist es gleichgültig, ob man die Zuflüsse auf der linken oder auf der rechten Kontenseite verbucht. Man muss nur darauf achten, dass alle Buchungen konsistent (widerspruchsfrei) mit einer einmal getroffenen Entscheidung ausgeführt werden. Für Abb. 3-2 können folgende Konten gebildet werden: 1

Im ESVG werden, abhängig von der Kontenart, mehrere Bezeichnungen verwendet.

20

Erster Teil: Die Grundlagen der VGR

Unternehmen Y

Haushalte C S

C I

Y

Vermögensänderung I

S

Konten haben den Vorteil der Übersichtlichkeit, allerdings nur so lange die Zahl der Sektoren und verbuchten Transaktionen nicht zu groß wird. • Matrixform. Es handelt sich hierbei um eine Tabelle, in der die Sektoren in Kopfzeile und -spalte in gleicher Reihenfolge angeordnet sind. Für die Ströme von Abb. 3-2 gilt: an

Unternehmen

Haushalte

C I

Y -

C+I

Y

von Unternehmen Haushalte Vermögensänderung ∑

Vermögensänderung

S -



Y C+S I

S

Zeilenweise werden hier die Abflüsse (Ausgaben), spaltenweise die Zuflüsse (Einnahmen) verbucht. Die einzelnen Spalten- und Zeilensummen der Summen-Kästchen sind einander gleich. Bei den mit einem Strich gekennzeichneten Feldern handelt es sich um intrasektorale Ströme, die hier nicht dargestellt werden1. Die Leerfelder besagen, dass zwischen den entsprechenden Sektoren keine Transaktionen und sonstigen Vorgänge stattgefunden haben. Im Gegensatz zur Kontenform braucht bei der Matrixdarstellung jeder Strom nur einmal verbucht zu werden. Jede Größe kann waagrecht und senkrecht als Ausgabe oder Einnahme gedeutet werden. Die Leerfelder sind ausfüllbar, wenn das System weiter differenziert dargestellt wird (z.B. durch Berücksichtigung des Sparens der Unternehmen) oder Größen negativ werden (z.B. negatives Sparen der Haushalte). Jede dieser Darstellungsformen gewährleistet eine doppelte Verbuchung. Jeder Buchung beispielsweise der Einnahme eines Sektors muss eine gleich große Ausgabe desselben oder eines anderen Sektors gegenüberstehen. • In der Praxis werden vorwiegend nichtsymmetrisch angeordnete Tabellen verwendet. Nachteilig ist, dass unter Umständen der zusammenhängende Überblick mit ihnen nicht erreicht wird2. 1

2

Sie sind aber für besondere Fragestellungen von Bedeutung. Das zeigt die Input-Output-Tabelle im 8. Kapitel. Die Sozialrechnungsmatrix (SAM) zeigt allerdings, dass gerade in einer Tabelle eine umfassende Sicht ökonomischer Zusammenhänge erreicht werden kann; vgl. Kapitel 14.4.

3. Kapitel: Grundlagen der Kreislaufdarstellung

21

6. Aspekte der Einkommensverteilung Die Verteilung der in einer Periode entstandenen Einkommen kann unter verschiedenen Aspekten dargestellt werden. Eine Möglichkeit besteht darin, nach den Entgelten für die verschiedenen Arten von Faktorleistungen zu differenzieren. So kann das Einkommen aufgespalten werden in (3-5) Y = L + G, wobei L die Arbeitseinkommen und G die Kapitaleinkommen oder Gewinne bezeichnen. Angenommen, beide in der Produktion entstandenen Einkommensarten werden in voller Höhe an die Haushalte verteilt1, dann braucht beispielsweise der Einkommensstrom von Abb. 3-2 nur folgendermaßen aufgespalten zu werden: Abb. 3-4 Die funktionelle Einkommensverteilung L Unternehmen

Y

{

Haushalte G

Hier noch nicht berücksichtigte, von Staat und Ausland bezogene Faktoreinkommen können in gleicher Weise dargestellt werden. Die Aufspaltung nach Art der Entgelte der am Produktionsprozess beteiligten Faktoren wird als funktionelle Einkommensverteilung bezeichnet. Die Faktoren können (vgl. das 12. Kapitel) verschieden gegliedert werden. In der statistischen Praxis werden mit L nicht die gesamten Arbeitseinkommen, sondern nur die Arbeitnehmerentgelte nachgewiesen. G wird als Restgröße (Y - L) ermittelt und enthält die Unternehmens- und Vermögenseinkommen und ist daher umfassender abgegrenzt als üblicherweise die Gewinne. Abb. 3-5 Die personelle Einkommensverteilung

Unternehmen

Y1

1

Y2

2

Y{

Haushalte Y3 n

Die Einkommen aus der Produktion2 können aber auch nach bestimmten bei den Haushalten liegenden Merkmalen erfasst werden (personelle Einkommensverteilung).

1 2

Von Staat und Ausland wird noch abgesehen. Transfers, die der Einkommensumverteilung zugerechnet werden, bleiben hier noch unberücksichtigt.

22

Erster Teil: Die Grundlagen der VGR

Ein interessierendes Merkmal könnte die Höhe der den i = 1, 2 ... n verschiedenen Haushalten zufließenden Einkommen sein (Abbildung 3-5). Es gilt (3-6) Y = ∑ Yi . Andere Merkmale können z.B. die Haushaltsgröße (Ein-Personen- und MehrPersonen-Haushalte) oder die Stellung des Haushaltsvorstands (Arbeiter-, Angestellten-, Selbständigenhaushalte usw.) sein. Die Aspekte der funktionellen und der personellen Einkommensverteilung können auch kombiniert werden. Abb. 3-6 Die sektorale Einkommensverteilung Vermögensänderung

I

Unternehmen

SH

SU

YH

Haushalte

CH

Die in der Periode entstandenen Einkommen brauchen nicht (unmittelbar) den Haushalten zuzufließen. Berücksichtigt man die einbehaltenen Gewinne der Unternehmen, die in voller Höhe als gespart gelten (SU) ergibt sich das Bild einer sektoralen Einkommensverteilung (bei Vernachlässigung des Sektors Staat). In diesem Fall ist in Abb. 3-6 abzulesen, dass (3-7) Y = YH + YU, wobei YU = SU. Das Sparen der Haushalte (SH) ist hingegen Teil von YH. Ferner können die im Zuge der Produktion der Unternehmen entstandenen Einkommen von den den Haushalten zufließenden Faktoreinkommen abweichen, weil auch beim Staat Faktoreinkommen entstehen und an ihn geleistet werden. Außerdem fließen in der inländischen Produktion entstandene Einkommen an das Ausland bzw. werden entsprechend von dort bezogen. Neben den in der Produktion entstandenen Einkommen sind schließlich die der Umverteilungssphäre zuzurechnenden Transfers zu berücksichtigen. Sie verändern zusammen mit den zu leistenden Transfers (z.B. Steuern) der Haushalte und Unternehmen deren verfügbare Einkommen.

3. Kapitel: Grundlagen der Kreislaufdarstellung

23

7. Der Staat im Kreislauf In einem weiteren Schritt soll mit dem Staat ein neuer Sektor in das Kreislaufmodell einbezogen werden. Der Staat empfängt Transfers (Übertragungen) mit den bei den Haushalten (TH) und Unternehmen (TU) erhobenen Steuern. Er verwendet die Mittel zur Bezahlung der bei ihm Beschäftigten (YStH), für seine Käufe (hier vereinfachend ohne Investitionen) von den Unternehmen (VLSt), und für die von ihm geleisteten Transfers, die an die Unternehmen (Z) und an die Haushalte (Tr) fließen1. Als Transfers gelten einseitige Transaktionen in Form von Sach- oder Geldleistungen, für sie wird also keine direkte ökonomische Gegenleistung erbracht. Abb. 3-7 Der Staat im Kreislauf Vermögensänderung

I

SU

SH

SSt

YU H Unternehmen

Haushalte CH

VLSt

Tr

Z

Y St H

TH

TU

Staat

Am Pol des Sektors Staat ist abzulesen (3-8) TH + TU = YStH + VLST + Tr + Z + SST. Die linke Seite der Gleichung zeigt die Einnahmen; sie bestehen hier allein aus den vom Staat empfangenen Steuern. Die rechte Seite weist die Ausgaben und den Finanzierungssaldo nach. Bei den Ausgaben sind zwei Arten zu unterscheiden: mit VLSt und YStH Ausgaben für Güter und Faktorleistungen einerseits und mit Tr und Z geleistete öffentliche Transfers andererseits. Die Differenz aus den gesamten Einnahmen und den gesamten Ausgaben eines Sektors ist sein Finanzierungssaldo. Er entspricht nur unter besonderen Bedingungen dem Sparen (SSt)2. 1

2

Vorleistungen sind Käufe nicht dauerhafter Güter (z.B. Material, Strom). Sie werden in allen Produktionsprozessen eingesetzt und später erklärt. In Abb. 3-7 sind die staatlichen Dienstleistungen nicht berücksichtigt; sie werden später unter der Bezeichnung „Konsumausgaben des Staates“ eingeführt. Die Erklärung dafür, dass diese Leistungen überwiegend in solchen Kreislaufbildern nicht zu erfassen sind, wird im 5. Kapitel, 5d) gegeben. SSt ist als Saldo der laufenden Einnahmen und laufenden Ausgaben des Staates definiert. An dieser Stelle erfolgt noch keine Aufspaltung der Einnahmen und Ausgaben, die hier also insgesamt

24

Erster Teil: Die Grundlagen der VGR

In Abb. 3-7 kennzeichnen des Weiteren CH und SH jetzt den Konsum bzw. das Sparen der Haushalte und YUH die von den Unternehmen bezogenen Entgelte der Haushalte für ihren Faktoreinsatz (insbesondere Arbeitsleistungen). 8. Das Ausland1 im Kreislauf Wichtige ökonomische Transaktionen finden auch mit dem Ausland statt. Daher wird nun das Modell einer Wirtschaft ohne Außenwirtschaftsbeziehungen (= geschlossene Volkswirtschaft) verändert, indem das Ausland als weiterer Sektor eingeführt wird. Es ergibt sich das Bild einer offenen Volkswirtschaft (Abb. 3-8). Typische güterwirtschaftliche Transaktionen mit dem Ausland sind die Exporte (X) und die Importe (M). Bei den Exporten (Ausfuhr) werden die Entgelte für die an das Ausland verkauften Güter verbucht. Diese Güter umfassen Waren (z.B. Kühlschränke) und Dienstleistungen (z.B. Transport einer Ware ins Ausland). Bei den Importen (Einfuhr) fließen die Ströme in entgegengesetzter Richtung. Hier sind neben Waren ebenfalls Dienstleistungen (z.B. die Ausgaben bei Auslandsaufenthalten deutscher Touristen) enthalten. Abb. 3-8 gibt ein stark reduziertes Bild der außenwirtschaftlichen Ströme. So wird u.a. angenommen, dass Exporte und Importe allein über die Unternehmen laufen. Einkommensströme und Transfers an das/aus dem Ausland finden nicht statt. Bei X = M wird die Zusammensetzung der Güterströme beeinflusst, nicht hingegen ihr Gesamtwert. Was geschieht aber, wenn Exporte und Importe wertmäßig nicht übereinstimmen? Im Falle eines Importüberschusses (M > X) sind die Ausgaben des Inlands an das Ausland größer als die Einnahmen des Inlands aus dem Ausland. Es entsteht netto eine Zunahme der Verpflichtungen gegenüber dem Ausland bzw. eine Zunahme der Forderungen des Auslands. Bei einem Exportüberschuss (X > M) stellt sich netto eine Zunahme der Forderungen gegenüber dem Ausland bzw. eine Abnahme der Verbindlichkeiten ein. Der gesamtwirtschaftliche Vermögensänderungspol zeigt (3-9) SH + SSt + SU = I + (X –M). Für die Interpretation von Abb. 3-8 und Gleichung (3-9) ist wichtig, dass der Export aus der Sicht des inländischen Sektors (hier der Unternehmen) eine Einnahme darstellt. So wird der Strom hier aus dessen Sicht interpretiert. Für das Ausland stellt derselbe Vorgang natürlich einen Import, also eine Ausgabe dar. Bei X > M wird ein Teil des inländischen Sparens für die Güterversorgung des Auslands verwendet. M > X kann als positives ausländisches Sparen (SA) interpretiert werden, das neben inländischem

1

als laufend behandelt werden. Weil daher von den vermögenswirksamen staatlichen Ausgaben (insbesondere Investitionen, vgl. Abb. 3-9) und den vermögenswirksamen Einnahmen abgesehen wird, entspricht SSt hier dem Finanzierungssaldo. Im ESVG spricht man von der „übrigen Welt“.

3. Kapitel: Grundlagen der Kreislaufdarstellung

25

Sparen (SH + SSt + SU) zur Finanzierung der inländischen Sachvermögensbildung (I) herangezogen wird. Das wird deutlicher, wenn man (3-9) umformt: (3-10) SH + SST + SU +SA = I. Abb. 3-8 Das Ausland im Kreislauf I SU Vermögensänderung Ausland M-X>0

X

SSt

SH

M YU H

Unternehmen

Haushalte CH

VLSt

Tr

Z

TU

Y St H

TH Staat

9. Die Finanzierungsaktivitäten der Sektoren Bisher wurde ausschließlich ein gesamtwirtschaftlicher Vermögensänderungspol berücksichtigt. Löst man diesen auf und ordnet jedem Sektor seinen eigenen Vermögensänderungspol zu, erhält man das Kreislaufschema von Abb. 3-9.1 Die Vermögensänderungspole von Unternehmen, Haushalten, Staat und Ausland sind als ΔVU, ΔVH, ΔVSt und ΔVA gekennzeichnet. Laufende Vorgänge werden zwischen den übrigen Polen erfasst. Durch die Auflösung des gesamtwirtschaftlichen Vermögensänderungspols kommt die finanzielle Seite des Wirtschaftsablaufs zum Vorschein. So wird deutlich, dass es zu Kreditbeziehungen kommt und/oder dass sich bestehende Kreditbeziehungen ändern. Sie schlagen sich in Finanzierungssalden der Sektoren nieder. Ein Finanzierungssaldo liegt vor, wenn die Einnahmen eines Wirt-

1

Vgl. Richter (1982), S. 33. Das Schema enthält die Grundstruktur der im 6. Kapitel behandelten Finanzierungsrechnung (als Stromrechnung).

26

Erster Teil: Die Grundlagen der VGR

schaftssektors größer (Finanzierungsüberschuss) oder kleiner (Finanzierungsdefizit) als seine Ausgaben sind. Abb. 3-9 Finanzierungsströme der Sektoren

M

YU H

Ausland X M-X>0 VA FU A

SU Unternehmen

Z

FU H

VU

IU

VH

SH

Haushalte

F St H VSt

I St

Tr SSt VLSt TU

Staat

Y St H TH

CH

In Abb. 3-9 sind die erstmals erfassten Kreditänderungstransaktionen durch gestrichelte Linien gekennzeichnet. Es wurde – vereinfachend – angenommen, dass sich der U Staat (ΔFSt H ) und die Unternehmen (ΔFH) bei den Haushalten und die Unternehmen zuU sätzlich beim Ausland (ΔFA) – netto – verschulden, d.h. Nettoforderungen der Haushalte und des Auslands gegenüber Unternehmen und Staat entstehen. In Wirklichkeit gibt es natürlich viel mehr und kompliziertere Kreditänderungstransaktionen. Zu beachten ist, dass Abb. 3-9 statt der bisher erfassten gesamten Investitionen der Volkswirtschaft nun die Investitionen der Unternehmen (IU) und des Staates (ISt) nachweist. IU und ISt werden jeweils durch das Sparen und die Nettokreditaufnahme dieser Sektoren finanziert. Wenn man annimmt, dass bei den privaten Haushalten keine Sachvermögensbildung stattfindet, steht dem Sparen der Haushalte (SH) ihre Nettokreditvergabe gegenüber. Diese Finanzierungsaktivitäten können an den Vermögensänderungspolen

3. Kapitel: Grundlagen der Kreislaufdarstellung

27

der Haushalte (3-11)

SH = ΔFHU + ΔFHSt

der Unternehmen (3-12)

S U + ΔFAU + ΔFHU = I U

des Staates (3-13)

SSt + ΔFHSt = ISt

des Auslands (3-14)

M − X = ΔFAU

abgelesen werden, wobei sich M – X > 0 als Sparen des Auslands (SA) deuten lässt. Abb. 3-9 kann leicht um die Abschreibungen als weiterer Finanzierungsmöglichkeit der (dann: Brutto-!)Investitionen ergänzt werden.

10. Die Beziehung zwischen Strömen und Beständen Der Nachweis der Vermögensänderungen ist bisher nur in einfachster Form mit Konten, ansonsten im Kreislaufdiagramm erfolgt. Später wird stärker die Konten- oder Tabellenform verwendet. Die Vermögensänderungen stellen eine Verbindung zu den Vermögensbe-ständen der Sektoren (bzw. der Volkswirtschaft) her (siehe Kapitel 2). Die am Anfang einer Periode verbuchten Bestände des Gesamtvermögens und seiner Teile nehmen in der Periode zu oder ab: Die linke Seite eines Vermögensänderungskontos zeigt die Änderung im Wert der Aktiva durch Änderung der Vermögensgüter (= Bruttoinvestitionen) und der Forderungen. Die Änderung der Forderungen und der Verbindlichkeiten ist im Finanzierungssaldo saldiert. Die Änderung des Reinvermögens erfolgt über das Sparen1. Für alle Positionen des Kontos gilt folgender Zusammenhang zu den Bestandsgrößen der Bilanz: Anfangsvermögen + Zugänge – Abgänge = Endbestand2 Veränderungen (Ströme)

1 2

Später wird auch der Saldo der Vermögenstransfers berücksichtigt. Dies gilt nur, wenn es keine preisbedingten Änderungen am Bestand gibt (z.B. bei der Bewertung zu Anschaffungspreisen).

28

Erster Teil: Die Grundlagen der VGR

Die Zusammenstellung der Differenzen zwischen zwei Bestandsgrößen heißt Bestandsänderungsrechnung. Es gelten die in der folgenden Übersicht dargestellten Beziehungen zwischen Beständen und Strömen, die teilweise später erläutert werden. Hierbei sind die Bestände am Ende der Periode ohne Index und die Bestände am Anfang der Periode mit Index versehen. Die Stromgrößen gelten für die Periode zwischen den Zeitpunkten. Übersicht 3-1 Ströme und Bestände Bestand Kapital (K)1 Reinvermögen (V) Nettogeldvermögen (F)3 Nettoauslandsposition (FA) Staatsschuld (FSt)4 1 2 3 4

Strom Investitionen (I)1 Sparen (S)2 Finanzierungssaldo (ΔF) Leistungsbilanzsaldo (LB) Finanzierungssaldo (ΔFSt)

Beziehung: Δ Bestand = Strom K – K-1 = I V – V-1 = S F – F-1 = ΔF FA – FA-1 = LB FSt – FSt-1 = ΔFSt

Alle Größen können jeweils brutto oder netto dargestellt werden. Zuzüglich Saldo der Vermögenstransfers. Kann (ebenso wie ΔF) positiv oder negativ sein. Tatsächlich ist das Nettogeldvermögen des Staates in den letzten Jahrzehnten negativ; es besteht folglich in einer Staatsschuld.

11. Das Kontensystem der VGR In Abb. 3-9 sind schon die wesentlichen Bausteine des deutschen Kontensystems der VGR enthalten. Wie Übersicht 3-2 zeigt, unterscheidet es sich von der bisherigen Darstellung vor allem dadurch, dass die VGR nur mit den Kapitalgesellschaften einen reinen Unternehmenssektor enthalten. Im Sektor der privaten Haushalte werden hingegen auch Unternehmensaktivitäten (der Selbständigen u. Ä.) erfasst1. Grob vereinfacht enthält das System die inländischen Sektoren Kapitalgesellschaften, Staat und private Haushalte, ihnen steht die übrige Welt (Ausland) als weiterer Sektor gegenüber. Für die Sektoren werden Konten mit den Aktivitäten Produktion, Einkommen (Verteilung), Vermögensänderung und Finanzierung erstellt2. Ferner werden gesamtwirtschaftliche Konten nachgewiesen, die die Ergebnisse der Sektoren zusammenfassen. Die übrige Welt ist zwar kein eigener Sektor, wird im Kontensystem aber wie ein solcher behandelt. Da hier die Gegenbuchung für die Transaktionen inländischer Sektoren mit dem Ausland aufgezeichnet werden, wird auch bei der übrigen Welt die gleiche Kontenfolge gewählt. Ferner sieht das System Vermögensbilanzen vor, die in der Übersicht nicht aufgeführt sind.

1

2

Im nächsten Kapitel wird erläutert, warum die privaten Haushalte im ESVG auch produzierende Einheiten sind. Hierbei wird Einkommen noch weiter differenziert nach Einkommensentstehung, -verteilung, -umverteilung und -verwendung.

3. Kapitel: Grundlagen der Kreislaufdarstellung

29

Übersicht 3-2 Kontensystem der VGR (inländische) Sektoren Kontenfolge

Gesamtwirtschaft

Haushalte1

Kapitalgesellschaften

Staat

Übrige Welt

Produktion Einkommen Vermögensänderg. Finanzierung 1

Einschließlich private Organisationen ohne Erwerbszweck.

12. Die Bedeutung der Kreislaufmodelle In diesem Kapitel wurden einige einfache Kreislaufmodelle dargestellt. Es steht jedem frei, je nach Fragestellung andere Definitionen und andere Aggregate zu wählen, die dann natürlich auch zu anderen Beziehungen führen. Welche Darstellung schließlich für empirische Zwecke verwendet wird, hängt auch vom jeweils verfügbaren statistischen Datenmaterial ab1. Grundsätzlich ergeben sich aus der Anwendung des Kreislaufgedankens zwei charakteristische Vorteile, die bereits anfangs genannt wurden. Krelle (1967, S. 72 f.) hat sie prägnant formuliert: 1. „Die Methode zwingt einmal zu klaren und konsistenten Definitionen der Größen, mit denen man arbeiten will. Unklare, sich widersprechende Definitionen, das Vergessen gewisser Größen, nicht vollständig festgelegte Modelle und ähnliche Fehler werden unnachsichtig aufgedeckt. Man kann daher einem Volkswirtschaftler nur dringend raten, zu Beginn seiner Überlegungen das Kreislaufmodell, an dem er argumentieren will, auch explizit festzulegen. Viele Fehler, Unklarheiten und Missverständnisse werden dadurch vermieden. 2. Ist das Kreislaufmodell festgelegt und sind alle darin vorkommenden Größen definiert, so ergeben sich aus dem Kreislaufzusammenhang notwendige Beziehungen zwischen den darin vorkommenden Strömen, die zu Schlüssen über sachliche, volkswirtschaftliche Zusammenhänge ausgenutzt werden können“. Wenn man „bei einer volkswirtschaftlichen Argumentation an Hand eines Kreislaufmodells die Wirkung von Veränderungen einiger Stromgrößen auf andere kennt, kann man möglicherweise die unbekannten Wirkungen auf die übrigen Stromgrößen allein aus dem Kreislaufzusammenhang bestimmen. Ob das im konkreten Fall zutrifft, kann nur nach Kenntnis des zugrunde gelegten Kreislaufs und der Verteilung der bekannten und unbekannten Abhängigkeiten in diesem Kreislauf entschieden werden. Keinesfalls genügt der Kreis1

Diesen Punkt erwähnt auch das ESVG 1995 (Tz. 1.09) mit der Bemerkung, dass es operationelle Konzepte verwende, die unter Berücksichtigung ihrer Realisierbarkeit entwickelt wurden.

30

Erster Teil: Die Grundlagen der VGR

laufzusammenhang allein, um zu sachlichen Schlussfolgerungen über Wirkungen volkswirtschaftlicher Maßnahmen zu gelangen. Man kann sich auch volkswirtschaftlich nicht an seinem eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen. Vielmehr braucht man sachliche Informationen, die nicht aus dem Kreislaufmodell stammen. Der Vorteil der Kreislauftheorie ist nun, dass man solche faktischen Informationen nicht über alle Größen braucht, sondern nur über eine gewisse Anzahl. Die übrigen Größen sind dann durch den Kreislaufzusammenhang allein bestimmt“ (ESVG 1995, Tz. 1.08). Daher ist es nicht verwunderlich, dass Kreislaufmodelle ein unentbehrliches Werkzeug der theoretischen Analyse und die wesentliche Grundlage für die VGR als empirische Umsetzung solcher Modelle sind.

Literatur zum 3. Kapitel Der Kreislaufzusammenhang wird besonders klar von Krelle (1967) herausgearbeitet. Wegen des Zusammenhangs zur Finanzierungsrechnung und Zahlungsbilanz siehe auch Richter (1982). Ausführliche Auseinandersetzungen mit dem Kreislaufaspekt liefert Reichardt (1967); siehe ferner Bombach (1960) und Holub (2002b).

Aufgaben zum 3. Kapitel 1. Was ist die entscheidende Aufgabe der Kreislaufidee? 2. Warum wählt man i.d.R. den Einnahmen-/Ausgabenkreislauf und nicht den Güterund Faktorleistungskreislauf zur Darstellung der gleichen Zusammenhänge? 3. Welche Arten ökonomischer Transaktionen werden unterschieden? Geben Sie Beispiele. 4. Beurteilen Sie, ob in folgenden Fällen eine Leistungstransaktion vorliegt: - ein Haushalt schenkt einem anderen eine Waschmaschine; - ein Unternehmen erlässt einem anderen eine Forderung; - ein Unternehmen tilgt einen Kredit; - private Haushalte kaufen Schatzbriefe; - eine Kreditgewährung; - Beiträge an die Vereinten Nationen. 5. Haushalte verwenden einen Teil ihres Einkommens zum Auffüllen ihres ,,Sparstrumpfes“. Liegt Sparen vor? 6. Wie erklärt sich, dass in einer geschlossenen Volkswirtschaft Sparen und Investieren immer übereinstimmen müssen? 7. Zeigen Sie, dass I=S auch bei Einbeziehung von Staat und Ausland gilt. 8. Was ist der Finanzierungssaldo eines Sektors? Wie kann er alternativ berechnet werden? 9. Welche Beziehung besteht zwischen Vermögensänderungskonto und Bilanz eines Sektors oder der Volkswirtschaft?

Zweiter Teil Die Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen in Deutschland 4. Kapitel Konten und Standardtabellen der VGR 1. Der Darstellungsrahmen Grundlage der (weitgehend)1 vom Statistischen Bundesamt aufgestellten deutschen Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen sind die Rahmen, die die Vereinten Nationen mit dem System of National Accounts (SNA 1993) bzw. die Europäische Union mit dem Europäischen System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen (ESVG 1995) für die EU-Staaten festgelegt haben. Konzeptionell deckt sich das ESVG 1995 voll mit dem SNA 1993, ist aber stärker auf die Gegebenheiten und den Datenbedarf der Europäischen Union ausgerichtet. Die Gliederungen sind so gestaltet, dass die nach beiden Systemen veröffentlichten Zahlen nicht voneinander abweichen. Daher ist für die von verschiedenen – nationalen und internationalen – Institutionen vorgelegten Analysen, Prognosen und Projektionen der Wirtschaftsentwicklung auch die methodische Vergleichbarkeit gewährleistet. Die Ausführungen hier beziehen sich auf die deutschen Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen bzw. das ESVG 1995. Die Ergebnisse der deutschen VGR werden in Kontenform und in (Übersichts- und Standard-)Tabellen nachgewiesen. Die Tabellen enthalten auch Informationen, die aus dem Kontensystem nicht direkt ermittelt und/oder häufig nur mit hohem Aufwand zusammengestellt werden können. Die in den Tabellen dargestellten Tatbestände stimmen in den Konzepten, Definitionen usw. grundsätzlich mit denjenigen in den Konten überein und bringen für möglichst lange Zeiträume vergleichbare Angaben. Veröffentlicht werden Jahres- und für ausgewählte Größen Vierteljahreswerte (Letztere auch saisonbereinigt). Die Angaben über Stromgrößen, die auch in der Input-Output-Rechnung, Finanzierungsrechnung und Zahlungsbilanz enthalten sind, werden ergänzt um Ergebnisse über die Produktionsfaktoren (Erwerbstätige, Anlagevermögen) und die in der Finanzierungsrechnung nachgewiesenen Bestandsgrößen. Die wichtigsten Bausteine des Systems sind • die statistischen Einheiten und ihre Zusammenfassung (Kapitel 4.2); • Strom- und Bestandsgrößen (Kapitel 4.3 sowie 6., 7. und 9. Kapitel); • das Kontensystem und die volkswirtschaftlichen Aggregate (Kapitel 4.4 und 4.5); • das Input-Output-System (8. Kapitel).

1

Für Teile der VGR (Finanzierungsrechnung, Zahlungsbilanz) ist die Deutsche Bundesbank zuständig, für die regionalen VGR der Arbeitskreis VGR der Länder.

32

Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

2. Die Abgrenzung der Volkswirtschaft und der Sektoren1 a) Institutionelle, örtlich fachliche und homogene Einheiten In den VGR werden die gesamte Volkswirtschaft und die Sektoren folgendermaßen abgegrenzt: Volkswirtschaft (national economy) wird als die wirtschaftliche Betätigung aller gebietsansässigen Einheiten (Inländer, resident units) verstanden. Diese haben ihren ständigen Sitz bzw. Wohnsitz im Wirtschaftsgebiet. Ein Wirtschaftsgebiet (economic territory) können die gesamte Bundesrepublik Deutschland (Inland) oder ein Teil davon (z.B. ein Bundesland) sein. Die Region außerhalb des jeweiligen Wirtschaftsgebietes wird nicht als Ausland, sondern als „übrige Welt“ bezeichnet. Für die Volkswirtschaft decken sich beide Begriffe. Für die Abgrenzung der Inländer ist im Allgemeinen die Staatsangehörigkeit ohne Bedeutung. Ferner ist es unerheblich, „welche Rechtsform die Wirtschaftseinheiten haben. Ständig im Inland befindliche Produktionsstätten, Verwaltungseinrichtungen usw. zählen deshalb zu den inländischen Wirtschaftseinheiten, unabhängig von den Eigentumsverhältnissen; umgekehrt gehören ständig im Ausland gelegene Produktionsstätten, Verwaltungseinrichtungen usw. im Eigentum von Inländern nicht zu den inländischen Wirtschaftseinheiten. Ausnahmen von dieser Regel bilden u.a. diplomatische und konsularische Vertretungen sowie Streitkräfte“. Studenten sind stets Gebietsansässige ihres Heimatlandes, auch wenn sie länger als ein Jahr im Ausland studieren. Für die Ausgestaltung der VGR ist die Bestimmung der kleinsten rechtlich selbständigen Wirtschaftseinheit wichtig, die der Darstellung zugrunde gelegt werden soll. Diese statistische Einheit hängt grundsätzlich von der jeweiligen Fragestellung und der statistischen Umsetzbarkeit ab. Das ESVG verwendet drei Typen statistischer Einheiten: • institutionelle Einheiten (institutional units), • örtliche fachliche Einheiten (örtliche FE, local kind-of-activity units), • homogene Produktionseinheiten (units of homogeneous production). Die statistischen Einheiten werden für die Konten als institutionelle Einheit abgegrenzt und zu institutionellen volkswirtschaftlichen Sektoren zusammengefasst. Sie dienen vor allem der Darstellung der Einkommens-, Vermögensbildungs- und Finanzierungsvorgänge. Eine institutionelle Einheit liegt vor, wenn sie zum einen wirtschaftlicher Entscheidungsträger ist, d.h. eigenverantwortlich Produktionsentscheidungen trifft, Aktiva erwirbt und Verbindlichkeiten eingehen kann, und zum anderen über ein vollständiges Rechnungswesen mit Informationen über die Verwendung/Verteilung des

1

Die Ausführungen des 4. Kapitels beruhen auf Eurostat (1996) und Statistisches Bundesamt (1999a, 1999b, 2000; 2007). Für weitere Einzelheiten siehe dort. Zitate und Anmerkungen aus Eurostat (1996) werden kurz als ESVG 1995, Tz. angegeben. Zitate ohne weitere Angaben sind diesen Quellen entnommen; das gilt auch für die ohne entsprechenden Hinweis meist wörtlich übernommenen Definitionen.

4. Kapitel: Konten und Standardtabellen der VGR

33

Betriebsüberschusses einschließlich Vermögensbilanz verfügt1. Besonders wichtig ist das letztgenannte Kriterium. Für die Zusammenfassung der kleinsten Darstellungseinheiten zu Gruppen und Sektoren sind in erster Linie die Art und Kombination der in ihnen vereinigten Tätigkeiten, ihre Stellung zum Markt und ihre Finanzierungsmöglichkeiten maßgeblich. Für eine institutionelle Einheit können mehrere örtliche fachliche Einheiten (FE) nachgewiesen werden. So wird eine tiefer gegliederte Darstellung der Produktionsvorgänge möglich. Örtliche FE können gebildet werden, wenn die institutionelle Einheit über ein Informationssystem verfügt, mit dem für jede örtliche Einheit mindestens folgende Größen festzustellen oder zu berechnen sind: Produktionswert, Vorleistungen, Arbeitnehmerentgelte, Betriebsüberschuss, Beschäftigte und Bruttoanlageinvestitionen. Der vollständige Produktionswert und die Vorleistungen einer örtlichen FE schließen auch unternehmensinterne Lieferungen ein. Da in Deutschland Angaben aus dem betrieblichen Rechnungswesen überwiegend nur für das gesamte Unternehmen verfügbar sind, fällt in der Regel das Unternehmen als kleinste rechtlich selbständige Einheit mit der örtlichen FE zusammen. Der tiefer gegliederten Darstellung der Produktionsvorgänge dienen die homogenen Produktionseinheiten. Sie sind durch eine einheitliche Tätigkeit gekennzeichnet, die mithilfe der eingesetzten Produktionsfaktoren, des Produktionsprozesses und der produzierten Güter identifiziert werden kann. Diese Einheiten produzieren ausschließlich die Güter einer Gütergruppe und sind im Allgemeinen nicht Gegenstand unmittelbarer Beobachtung. Vielmehr müssen die Angaben aus statistischen Erhebungen so umgeformt werden, dass man Ergebnisse für „analytische“ homogene Produktionseinheiten erhält. Homogene Produktionseinheiten werden für Input-Output-Tabellen verwendet (vgl. 8. Kapitel).

b) Die Markt-/Nichtmarktproduktion Sowohl auf der Ebene der institutionellen Einheiten als auch auf der Ebene der örtlichen FE sieht das ESVG eine Differenzierung nach Markt- bzw. Nichtmarktproduktion vor. Sie ist für den formalen Aufbau und den Inhalt der Konten wichtig. Das wesentliche Kriterium für Marktproduktion (market production) ist, dass Güter für den Markt hergestellt und zu „wirtschaftlich signifikanten“ Preisen verkauft werden. Der Produktionswert institutioneller Einheiten gilt nur dann als zu wirtschaftlich signifikanten Preisen verkauft, wenn die Verkaufserlöse mehr als die Hälfte der Produktionskosten decken (50%-Kriterium)2.

1

2

Private Haushalte erfüllen nicht eindeutig diese Voraussetzungen. Für sie bestimmt das ESVG, dass sie Entscheidungsfreiheit in der Ausübung ihrer Hauptfunktionen genießen. Daher gelten Haushalte als institutionelle Einheiten, auch wenn sie keine vollständige Rechnungsführung besitzen. Das SNA 1993 vermeidet diese im ESVG 1995 vorgenommene Spezifizierung.

34

Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

Die Nichtmarktproduktion wird in „Nichtmarktproduktion für die eigene Verwendung“ (vor allem Wohnungseigennutzung im Sektor Private Haushalte, ferner von Landwirtschaftlichen Haushalten aus dem Betrieb entnommene Erzeugnisse und selbsterstellte Anlagen bei den übrigen Sektoren) sowie „Sonstige Nichtmarktproduktion“ (Staat und Organisationen ohne Erwerbszweck) unterteilt. Die Sonstige Nichtmarktproduktion stellt die unentgeltlich abgegebenen Leistungen vor allem des Staates dar. Übersicht 4-1 Verschiedene Produktionskomponenten

Produktion

Marktproduktion

Nichtmarktproduktion

Nichtmarktproduktion für die eigene Verwendung

Sonstige Nichtmarktproduktion

Die Unterscheidung nach der Marktbestimmung ist für die Bewertung der Produktion wichtig1. Die Art der Produktion wird im Top-down-Verfahren festgestellt, also zuerst für eine institutionelle Einheit und anschließend für die ihr zugehörigen örtlichen FE überprüft. Die gesamte Produktion einer institutionellen Einheit setzt sich aus den Produktionswerten ihrer örtlichen FE zusammen; falls bei diesen Einheiten sowohl Marktals auch Nichtmarktproduktion ermittelt wird, findet das Schwerpunktprinzip Anwendung. Als Marktproduzent wird demnach eine Einheit bezeichnet, die – überwiegend – Marktproduktion betreibt. Entsprechendes gilt für Nichtmarktproduzenten (nonmarket producers) für die Eigenverwendung und für Sonstige Nichtmarktproduzenten (other non-market producers)2. An dieser Stelle eine Anmerkung zu „Sonstige“ (other): Das ESVG verwendet diese Bezeichnung häufig. Wenn eine Position untergliedert wird (z.B. Nichtmarktproduktion), werden ein oder zwei Positionen mit einer speziellen Bezeichnung versehen (hier: Nichtmarktproduktion für die Eigenverwendung), der Rest wird dann „Sonstige“ genannt, ohne dass er quantitativ weniger bedeutsam sein muss. Die große Zahl von Größen mit solchen Bezeichnungen ist allerdings sprachlich unglücklich und dient nicht der Überschaubarkeit.

1 2

Entweder zu Herstellungspreisen oder über die Kosten. Die Regeln des ESVG für institutionelle und fachliche Einheiten sowie für Markt- und Nichtmarktproduktion unterscheiden sich erheblich insbesondere von der früheren Verbuchung des Staatssektors. Jetzt ist auch beim Staat auf der Ebene der örtlichen FE zwischen Markt- und Nichtmarktproduktion zu differenzieren. Damit tritt der Fall nicht mehr auf, dass beispielsweise bei den kommunalen Entsorgungsbetrieben die Verkaufserlöse die Kosten übersteigen und negativer Staatsverbrauch entsteht.

4. Kapitel: Konten und Standardtabellen der VGR

35

c) Die Sektoren Die Sektorbezeichnung des ESVG 1995 lautet bei Zugrundelegung der groben Struktur:1 Übersicht 4-2 Grobgliederung der Sektoren Gesamte Volkswirtschaft (S.1) Nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften (S.11) Finanzielle Kapitalgesellschaften (S.12) Staat (S.13) Private Haushalte (S.14) Private Organisationen ohne Erwerbszweck (S.15) Übrige Welt (S.2)

Sämtliche Sektoren (sectors) sind systematisiert und mit einem Code für den jeweiligen Sektor versehen. Die Sektoren werden aus institutionellen Einheiten gebildet, wobei die Sektoren S.11 und S.12 ausschließlich Marktproduzenten, die Sektoren S.13 und S.15 ausschließlich öffentliche bzw. private Nichtmarktproduzenten entsprechend dem Produktionsschwerpunkt der institutionellen Einheit und der Haushaltssektor S.14 sowohl Marktproduzenten (Selbständigen- bzw. Unternehmerhaushalte) als auch Nichtmarktproduzenten für die Eigenverwendung und Haushalte ohne Produktionstätigkeit (also nur als Konsumenten) enthalten. Die institutionellen Nichtmarktproduzenten des Staates und der Privaten Organisationen ohne Erwerbszweck (oE) können auch Marktproduzenten auf der Ebene der örtlichen FE enthalten. Übersicht 4-3 stellt die Sektoren und Untersektoren ausführlicher dar. Zu den Nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften (non-financial corporations) gehören die Kapitalgesellschaften im engeren Sinne wie Aktiengesellschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haftung und Genossenschaften, die als Marktproduzenten in der Haupttätigkeit Waren und nichtfinanzielle Dienstleistungen produzieren. Die Abgrenzung wird dadurch fließend, dass der Sektor S.11 auch Quasi-Kapitalgesellschaften (quasi-corporations) ohne eigene Rechtspersönlichkeit bzw. mit beschränkter Rechtsfähigkeit, aber mit weitgehender Entscheidungsautonomie und einem vollständigen Rechnungswesen umfasst. Für die statistische Umsetzung dieses konzeptionellen Ansatzes wird als Hilfsmerkmal auf die Rechtsform der Unternehmen zurückgegriffen. Bei Personengesellschaften wie der Offenen Handelsgesellschaft (OHG) und der Kommanditgesellschaft (KG) sowie abgeleiteten Rechtsformen (etwa GmbH u. Co KG) kann davon ausgegangen werden, dass die genannten Merkmale einer Quasi-Kapitalgesellschaft vorliegen und sie zu S.11 zu zählen sind. Auch rechtlich selbständige Eigenbetriebe des Staates und der privaten Organisationen oE wie Krankenhäuser2 und Pflegeheime sowie Wirtschaftsverbände rechnen zu diesem Sektor. 1

2

Das ESVG 1995 sieht keinen Unternehmenssektor vor, in dem alle unternehmerischen Tätigkeiten zusammengefasst sind. Die Krankenhäuser müssen aufgrund des Krankenhaus-Finanzierungsgesetzes und weiterer abgeleiteter Rechtsnormen ein spezielles und umfassendes Buchhaltungssystem anwenden. Auch be-

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Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

Übersicht 4-3 Die Sektoren und Untersektoren S.1 Gesamte Volkswirtschaft S.11 Nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften Aktiengesellschaften (AG) Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) Genossenschaften Quasi-Kapitalgesellschaften Kommanditgesellschaften (KG) Offene Handelsgesellschaften (OHG) Rechtlich unselbständige Betriebe des Staates und der Organisationen o.E. mit Entscheidungsautonomie und selbständigem Rechnungswesen (insbesondere öffentliche und freigemeinnützige Krankenhäuser sowie sonstige kommunale „Netto“-Betriebe), Organisationen oE, soweit von S.11-Einheiten finanziert (z.B. Berufsverbände, Kammern) S.12 Finanzielle Kapitalgesellschaften S.121 Zentralbank Deutsche Bundesbank S.122 Kreditinstitute Kreditinstitute gemäß Definition der Europäischen Zentralbank (EZB) S.123 Sonstige Finanzinstitute (ohne Versicherungsgesellschaften und Pensionskassen) z.B. Leihhäuser, Factoring-Kapitalgesellschaften (soweit nicht als Banken unter S.122), Venture Capital Gesellschaften, Investmentfonds (ohne Kapitalanlagegesellschaften) S.124 Kredit- und Versicherungshilfsgewerbe z.B. Versicherungsmakler und -berater, Renten- und Anlageberater, Dienstleister für Finanzmärkte (Gesellschaft für Zahlungssysteme, Schufa u.a.), Kapitalanlagegesellschaften (nicht deren Investmentfonds), Deutsche Börsen AG, Regionalbörsen, Verbände der Banken und Versicherungsunternehmen einschließlich angeschlossener Einrichtungen S.125 Versicherungsgesellschaften und Pensionskassen z.B. aufsichtsunterstellte Unternehmen, Zusatzversorgungseinrichtungen der Gebietskörperschaften, Postbeamtenkrankenkasse, Krankenversorgungskasse der Bundesbahnbeamten, Versorgungswerke der kammerfähigen Berufe, sonst. berufsständige Versorgungseinrichtungen, Niederlassungen von Versicherungsgesellschaften aus EU-Ländern S.13 Staat S.1311 Bund (Zentralstaat) S.1312 Länder S.1313 Gemeinden S.1314 Sozialversicherung S.14 Private Haushalte S.141/ Selbständigenhaushalte (mit und ohne Arbeitnehmer) Land- und Forstwirte, Einzelgewerbetreibende, Angehörige der freien Berufe, selbstän142 dige Heimarbeiter, sonstige selbständig tätige Personen S.143 Arbeitnehmerhaushalte S.1441 Haushalte von Vermögenseinkommensempfängern S.1442 Haushalte von Renten- und Pensionsempfängern S.145 Sonstige private Haushalte Anstaltshaushalte S.15 Private Organisationen ohne Erwerbszweck z.B. Sport- und Freizeitvereine, wissenschaftliche Gesellschaften, Forschungseinrichtungen, Gewerkschaften, Parteien, Religionsgemeinschaften, Hilfswerke, karitative Einrichtungen S.2 Übrige Welt S.21 Europäische Union S.211 Mitgliedstaaten der Europäischen Union S.212 Institutionen der Europäischen Union S.22 Drittländer und internationale Organisationen

Quelle: Statistisches Bundesamt. sitzt das Krankenhausmanagement weitgehende Entscheidungsautonomie in der Wirtschaftsführung und in den Pflegesatzverhandlungen mit den Krankenkassen.

4. Kapitel: Konten und Standardtabellen der VGR

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Der Sektor Finanzielle Kapitalgesellschaften (financial corporations) umfasst die Kapitalgesellschaften und Quasi-Kapitalgesellschaften, deren Hauptfunktion in der finanziellen Mittlertätigkeit liegt und/oder die hauptsächlich im Kredit- und Versicherungshilfsgewerbe tätig sind. Zu diesem Sektor werden daher nicht nur Banken und Versicherungen gerechnet, hinzu kommt auch das Kredit- und Versicherungshilfsgewerbe, das unter anderem Versicherungs-, Finanz-, Effektenmakler, Renten- und Anlageberater, Kapitalanlagegesellschaften (nicht jedoch deren Investmentfonds) und die Börsen umfasst. In den Sektor einbezogen werden auch die Zusatzversorgungseinrichtungen der Gebietskörperschaften, die – wie etwa die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) – Körperschaften des öffentlichen Rechts sind und die Merkmale von Quasi-Kapitalgesellschaften besitzen. Der Sektor Staat (general government) umfasst alle institutionellen Einheiten, die zu den sonstigen Nichtmarktproduzenten zählen, deren Produktionswert für den Individualund Kollektivkonsum bestimmt ist, die sich primär mit Zwangsabgaben von Einheiten anderer Sektoren finanzieren und/oder die Einkommen und Vermögen umverteilen. Als Teilsektoren (sub-sectors) werden Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherung nachgewiesen1. Die sog. Bruttobetriebe des Staates, deren Ausgaben und Einnahmen in den öffentlichen Haushalten veranschlagt und abgerechnet werden, rechnen zum Staat. Der Sektor Private Haushalte (households) umfasst Einzelpersonen und Gruppen von Einzelpersonen in ihrer Funktion als Konsumenten und auch in ihrer Eigenschaft als Marktproduzenten, soweit nicht Quasi-Kapitalgesellschaften gebildet werden. Im Gegensatz zu den nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften besteht die Trennung der Unternehmenssphäre von den Eigentümerhaushalten als Unterscheidungskriterium nicht. Alle Einzelunternehmer, -kaufleute, -gewerbetreibenden, selbständigen Landwirte, Händler, Gastwirte, die Angehörigen der freien Berufe, selbständige Heimarbeiter und sonstige selbständig tätige Personen sind dem Haushaltssektor zuzuordnen, auch wenn sie Kooperationsformen „unterhalb“ der genannten Personengesellschaften – etwa BGB-Gesellschaften, Praxisgemeinschaften von Freiberuflern – eingehen2. Der Sektor Private Organisationen ohne Erwerbszweck (non-profit institutions serving households) wird aus statistischen Gründen in der Regel mit den privaten Haushalten zusammengefasst. Er enthält institutionelle Einheiten wie Gewerkschaften, Fachverbände, politische Parteien, Kirchen und Religionsgemeinschaften, Forschungseinrichtungen und wissenschaftliche Gesellschaften, kulturelle und soziale Vereinigungen, Sport- und Freizeitvereine und andere gemeinnützige Organisationen. Die inländischen Sektoren werden zur gesamten Volkswirtschaft (total economy) zusammengefasst. Ihnen wird die übrige Welt (rest of the world) gegenübergestellt, unterteilt in Europäische Union – nochmals differenziert nach Mitgliedstaaten der EU 1 2

Neben den 16 Ländern gibt es rund 16 000 Gemeinden. Der überwiegende Teil der mehr als drei Mio Unternehmen in Deutschland wird dem Sektor „Private Haushalte“ zugerechnet; es gibt ca. 35 Mio Private Haushalte im engeren Sinne.

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Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

und Institutionen der EU – sowie Drittländer und internationale Organisationen (third countries and international organisations). „Übrige Welt“ und „Ausland“ stimmen, wie erwähnt, nur aus nationaler Sicht überein. Aus regionaler Sicht – beispielsweise des Bundeslandes Hessen – gilt alles außerhalb von Hessen als übrige Welt.

3. Strom- und Bestandsgrößen, Transaktionsarten Der zweite Aspekt für die Bildung des Kontensystems und der volkswirtschaftlichen Aggregate sind Strom- und Bestandsgrößen. Die Bestände, d.h. zeitpunktbezogene Größen, werden im Rahmen der Vermögens- und Finanzierungsrechnung behandelt1. Die wirtschaftlichen Ströme umfassen im ESVG Transaktionen und Sonstige Vermögensänderungen. Übersicht 4-4 Ströme Ströme

Transaktionen

Sonstige Vermögensänderungen

Transaktionen spielen sich meist zwischen institutionellen Einheiten ab. Einbezogen werden aber auch bestimmte Vorgänge, die innerhalb von institutionellen Einheiten stattfinden und „sinnvollerweise“ als Transaktionen behandelt werden, da die jeweilige Einheit in zwei verschiedenen Eigenschaften agiert2. Auch Abschreibungen gelten als Transaktionen. Die in den Konten zu verbuchenden Transaktionen werden systematisiert. Das ESVG sieht vier Arten von Transaktionen bzw. Bestandsänderungen vor, die mit einem Buchstabencode (P, D, F oder K) versehen sind. Alle Arten von Salden haben den Code B (balancing item = Saldo), also B.1, B.2, usw. Übersicht 4-5 Die vier Transaktionsarten des ESVG Code P D F K

1

2

Name Gütertransaktionen (transactions in products) Verteilungstransaktionen (distributive transactions) Finanzielle Transaktionen (transactions in financial instruments) Sonstige Transaktionen (transactions not included in the three groups above)

Beispiele P.1 Produktionswert P.2 Vorleistungen D.3 Subventionen D.4 Vermögenseinkommen F.2 Transaktionen in Bargeld und Sichteinlagen K.1 Abschreibungen K.2 Nettozugang an nichtproduzierten Vermögensgütern

Siehe 6. und 7. Kapitel; hinzu kommt ergänzend zur Zahlungsbilanz (9. Kapitel) der Auslandsvermögensstatus. Beispiel: Eigenverbrauch der Landwirte, d.h. von Landwirten als Produzenten erstellte Güter, die sie in ihrer Eigenschaft als Konsumenten verbrauchen.

4. Kapitel: Konten und Standardtabellen der VGR

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• Gütertransaktionen beschreiben die Herkunft (Inlandsproduktion oder Importe) und die Verwendung (Vorleistungen, Konsum, Bruttoinvestitionen oder Exporte) von Gütern; • Verteilungstransaktionen stellen dar, wie die im Rahmen der Produktion entstandene Wertschöpfung auf Arbeit, Kapital und den Staat verteilt wird und wie Einkommen und Vermögen durch Einkommen- und Vermögensteuern und sonstige Transfers umverteilt werden; • Finanzielle Transaktionen beschreiben für jede Kategorie von Finanzinstrumenten den Nettozugang an Forderungen bzw. Verbindlichkeiten; • Sonstige Transaktionen umfassen die Abschreibungen und den Nettozugang an nichtproduzierten Vermögensgütern1. Gütertransaktionen und Verteilungstransaktionen sind maßgeblich für die unten dargestellte Berechnung von Inlandsprodukt und Nationaleinkommen. Diese volkswirtschaftlich wichtigen Größen ergeben sich aus bestimmten für die gesamte Volkswirtschaft aggregierten Salden der einzelnen Sektorkonten. Die Sonstigen Vermögensänderungen als zweite Gruppe von Strömen gehen nicht auf Transaktionen zurück. Soweit Vermögensänderungen auf Umbewertungen von Bestandsgrößen beruhen, werden sie gegenwärtig in den deutschen VGR nicht nachgewiesen. Erfasst werden aber Sonderabschreibungen vom Anlagevermögen (z.B. Kapazitätsabbau wegen der Werftenkrise im Schiffbau oder Elbe-Flutschäden)2.

4. Das Kontensystem der VGR a) Die Verbuchungsregeln In den Konten werden für einen bestimmten Aspekt des Wirtschaftsgeschehens das Aufkommen und die Verwendung von Gütern und finanziellen Mitteln bzw. die Veränderungen von Aktiva und Passiva während des jeweiligen Rechnungszeitraumes und die damit verbundenen Bestände an Aktiva und Passiva am Anfang und am Ende dieses Zeitraums gebucht. Für die Verbuchung gelten als Regeln: • Laufende Konten sind wie folgt aufgebaut: Die rechte Seite wird als Aufkommen (resources) bezeichnet. Hier werden die Transaktionen gebucht, die für eine Einheit und für einen Sektor zu einer Wertzunahme führen. Ferner wird von Einnahmen (receipts) oder von empfangenen ... (received; z.B. bei Transfers) gesprochen. Die linke Seite weist die Transaktionen nach, die für eine Einheit oder für einen Sektor einen Werteabfluss bewirken. Hier wird von Verwendung (uses), Ausgaben (disbursements) und geleisteten ... (made) gesprochen. 1

2

Die Sonstigen Transaktionen (Abschreibungen und Nettozugang an nichtproduzierten Vermögensgütern) bilden zusammen mit den Sonstigen Vermögensänderungen (other changes in assets) die Sonstigen Ströme (other flows). Sie gelten als „sonstige reale Veränderungen an Vermögensgütern“.

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Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

• Die rechte Seite der Vermögensänderungskonten wird als Veränderungen der Passiva (changes in liabilities and net worth), die linke Seite mit Veränderungen der Aktiva (changes in assets) überschrieben. • Bei Bestandskonten gilt links Aktiva (Vermögen, Sachkapital, Forderungen) und rechts Passiva (Verbindlichkeiten und Reinvermögen). Die bisherige Darstellung sollte zeigen, dass die VGR ein kohärentes und vollständiges System volkswirtschaftlicher Konten darstellen. Jede zwischen den Wirtschaftssubjekten stattfindende ökonomische Transaktion findet vierfach ihren Niederschlag in den Sektorkonten. So gehen mit jeweils dem gleichen Betrag beispielsweise Zinszahlungen des Staates an Haushalte in die laufenden Konten beider Sektoren (Einkommensverteilung) und in deren Finanzierungskonten ein. Folgende Systembedingungen werden damit erfüllt: • Für jeden Sektor ist die Summe seiner Transaktionen, die als „Aufkommen“ oder „Veränderung der Passiva“ aufgezeichnet wird, den gesamten Transaktionen gleich, die als „Verwendung“ oder „Veränderung der Aktiva“ verbucht werden (Budgetidentität). • Für die Volkswirtschaft und den Rest der Welt stimmen das gesamte Aufkommen (oder die Veränderung der Passiva) einer Transaktionsart mit der gesamten Verwendung (oder Veränderung der Aktiva) dieser Transaktionskategorie überein. So ist die Summe der Zinsausgaben gleich den gesamten Zinseinnahmen (Transaktionsidentität). • Die Änderungen in den Vermögensbilanzen werden vollständig durch Transaktionen und andere Änderungen in den Stromkonten beschrieben (Konsistenz zwischen Strömen und Beständen).

b) Überblick über das Kontensystem Das Kontensystem der VGR liefert den allgemeinen Rahmen für den Aufbau der VGR. Übersicht 4-6 gibt einen Überblick über die im ESVG vorgesehene Kontenabfolge (sequence of accounts). Die Konten fassen Transaktionen gleicher Art zusammen. Sie sind in bestimmter Folge so miteinander verbunden, dass der Saldo auf der linken Seite eines Kontos die Eröffnungsposition auf der rechten Seite im nächstfolgenden Konto ist. Die Kontensalden stellen jeweils volkswirtschaftlich wichtige Größen dar, wie die Bruttowertschöpfung, das Sparen oder der Finanzierungssaldo. Das Kontensystem enthält: • Sektorenkonten, die vom Produktionskonto über das Einkommensentstehungskonto, das primäre Einkommensverteilungskonto, das Konto der sekundären Einkommensverteilung (Ausgaben- und Verbrauchskonzept) bis zum Einkommensverwendungskonto (Ausgaben- und Verbrauchskonzept) reichen. Diese fünf Konten (current accounts) beschreiben laufende Transaktionen. Ihnen folgt mit dem Reinvermögensänderungskonto, Sachvermögensbildungskonto und Finanzierungskonto die Darstellung der

4. Kapitel: Konten und Standardtabellen der VGR

41

Übersicht 4-6 Konten und Kontensalden Konten für Sektoren I. Produktionskonto II. Einkommensverteilungs- und -verwendungskonto II.1 Konten der primären Einkommensverteilung II.1.1 Einkommensentstehungskonto II.1.2 Primäre Einkommensverteilungskonten II.1.2.1 Unternehmensgewinne II.1.2.2 Verteilung sonstiger Primäreinkommen II.2 Konten der sekundären Einkommensverteilung (Ausgabenkonzept) II.3 Konten der sekundären Einkommensverteilung (Verbrauchskonzept) II.4 Einkommensverwendungskonten II.4.1 Einkommensverwendungskonten (Ausgabenkonzept) II.4.2 Einkommensverwendungskonten (Verbrauchskonzept)

Kontensalden B.1

Wertschöpfung

B.2 B.3

Betriebsüberschuss Selbständigeneinkommen

B.4

Unternehmensgewinn

B.5

Primäreinkommen

B.6 B.7

Verfügbares Einkommen (Ausgabenkonzept) Verfügbares Einkommen (Verbrauchskonzept)

B.8

Sparen

B.8

Sparen 1

III. Vermögensänderungskonten III.1 Vermögensbildungskonten III.1.1 Konten der Reinvermögensänderung durch Sparen und Vermögenstransfers III.1.2 Sachvermögensbildungskonto III.2 Finanzierungskonto III.3 Konten sonstiger Vermögensänderungen III.3.1 Konto sonstiger realer Vermögensänderungen III.3.2 Umbewertungskonto (mit Unterkonten)

B.10.1 B.9 B.9 B.10.2 B.10.3

Reinvermögen durch Sparen und Vermögenstransfers Finanzierungssaldo Finanzierungssaldo Reinvermögensänderung durch sonstige reale Vermögensänderungen Reinvermögensänderung durch sonstige reale Vermögensänderungen 2

IV. Vermögensbilanzen IV.1 Bilanz am Jahresanfang IV.2 Änderung der Bilanz IV.3 Bilanz am Jahresende

B.90 B.10 B.90

Reinvermögen Reinvermögensänderung Reinvermögen

B.11

Außenbeitrag

B.12

Saldo der laufenden Außentransaktionen

Konten für die gesamte Volkswirtschaft 0. Güterkonto V. Außenkonten V.I. Außenkonto der Gütertransaktionen V.II. Außenkonto der Primäreinkommen und Transfers V.III. Außenkonten der Vermögensveränderungen (mit Unterkonten) V.IV. Außenkonto für Vermögen und Verbindlichkeiten (mit Unterkonten) 1

B.10.1 Reinvermögensänderung B.9

Finanzierungssaldo

Grenze zwischen laufenden Konten (I + II) und Vermögensänderungskonten (III) in der Stromrechnung der inländischen Sektoren. 2 Grenze zwischen Strom- und Bestandsgrößen inländischer Sektoren.

Quelle: Statistisches Bundesamt (1999a), S. 269; ergänzt.

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Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

Transaktionen, die Vermögensänderungen darstellen (accumulation accounts). Ferner sieht das ESVG Vermögensbilanzen vor. • Für die gesamte Volkswirtschaft ein Güterkonto (goods and services account), das einen umfassenden Überblick über die Herkunft und Verwendung der Güter in der Volkswirtschaft gibt, sowie Außenkonten (external transactions accounts) für die Güter-, Einkommens- und Vermögensänderungstransaktionen mit der übrigen Welt1. „Da die übrige Welt innerhalb des Kontensystems eine ähnliche Rolle spielt wie ein institutioneller Sektor, werden die Konten der übrigen Welt aus der Sicht der übrigen Welt erstellt. Was in den Konten der übrigen Welt auf der Aufkommensseite gebucht wird, erscheint auf der Verwendungsseite der Konten der Volkswirtschaft und umgekehrt. Ein positiver Saldo bedeutet für die übrige Welt einen Überschuss und für die Volkswirtschaft ein Defizit. Im Falle eines negativen Saldos ist es umgekehrt“ (ESVG, Tz. 1.64). Die Kontenabfolge stellt so nach der Produktion den Einkommenskreislauf dar. Jedes Konto unterscheidet sich von den weiteren durch eine andere Perspektive der Volkswirtschaft. Mit der Unterscheidung nach laufenden Transaktionen und Vermögensveränderung werden Konsum, Verteilung und Umverteilung bzw. Vermögensbildung und ihre Finanzierung deutlich. Aus dem umfangreichen und umfassenden Kontensystem darf nicht geschlossen werden, dass – wie in der Unternehmensbuchhaltung – jeder einzelne volkswirtschaftliche Vorgang in der Rechnung seinen Niederschlag findet. In den VGR beruhen die Daten auf verschiedenen Quellen mit unterschiedlicher Genauigkeit. Sie müssen für die Konten und die Konsistenz abgestimmt werden und sind eher als Approximation, Schätzung und Revision zu beschreiben (vgl. ausführlich Kapitel 5).

c) Die Konten der Sektoren im Einzelnen (1) Die Produktionskonten Produktionskonten (production accounts) enthalten die Transaktionen, die den Produktionsprozess abbilden. Grundsätzlich wird zwar Markt- und Nichtmarktproduktion unterschieden, aber in den Konten des Staates, der privaten Organisationen oE und privaten Haushalte wird diese Trennung nicht vorgenommen und nur der Produktionswert ausgewiesen. Bei der Marktproduktion werden Güter hergestellt und verkauft. Die Verkäufe bestehen in Vorleistungen an andere inländische Sektoren (gehen also dort in den Produktionsprozess ein), Konsumgütern an die privaten Haushalte, Investitionsgütern an alle anderen Sektoren und Gütern an die übrige Welt. Marktproduktion wird bei allen Sektoren gebucht. Sie ist dort allerdings von unterschiedlicher Bedeutung. Am größten fällt die Marktproduktion der Nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften aus. Die Nichtmarkt1

Die Stromgrößen in den Außenkonten entsprechen denen der Zahlungsbilanz. Neben Transaktionen werden, sofern relevant, die entsprechenden Bestände an Aktiva und Passiva dargestellt.

4. Kapitel: Konten und Standardtabellen der VGR

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produktion für die Eigenverwendung besteht in selbst erstellten Anlagen und Vorratsveränderungen aus der eigenen Produktion. Bei den Privaten Haushalten fallen unter diese Position die von landwirtschaftlichen Haushalten aus dem Betrieb entnommenen Erzeugnisse. Bedeutsamer sind allerdings die von den privaten Haushalten erstellten Wohngebäude (Investitionen) und die Nutzung eigener Wohnungen, die beide als Produktion gelten. Die Sonstige Nichtmarktproduktion ist beim Staat und bei den Privaten Organisationen zu verbuchen. Die Marktproduktion des Staates ist von geringer Bedeutung. Sie spielt nur auf kommunaler Ebene eine gewisse Rolle. Der Produktionswert des Staates besteht praktisch in Nichtmarktproduktion. Entsprechendes gilt für die Privaten Organisationen. Die Leistungen beider Sektoren werden fast ausschließlich unentgeltlich bereitgestellt. Hierzu rechnen beim Staat z.B. die Leistungen der inneren und äußeren Sicherheit oder im Verkehrs- und Bildungsbereich. Da diese Leistungen also keine Preise aufweisen, stellt sich die Frage, ob sie denn überhaupt erfasst werden sollen. Man könnte annehmen, dass diese Leistungen einen Wert von null haben, eben weil sie unentgeltlich bereitgestellt werden. Diesem Gedanken folgen die VGR nicht. Vielmehr wird unterstellt, dass diese Leistungen mindestens so viel wert sind wie an Kosten für ihre Bereitstellung angefallen sind. Und entsprechend diesen Kosten wird die Sonstige Nichtmarktproduktion nachgewiesen. Das Produktionskonto weist für die einzelnen Sektoren (außer bei der Nichtmarktproduktion) keine Unterschiede auf. Es enthält folgende Positionen: Produktionskonto eines Sektors Verwendung Vorleistungen Produktionswert Saldo: Bruttowertschöpfung Abschreibungen Saldo: Nettowertschöpfung

Aufkommen

Der Produktionswert gibt den Wert der von inländischen Sektoren in der Berichtsperiode produzierten Güter an. Er ist allerdings als Maß für die wirtschaftliche Leistung nur bedingt brauchbar, weil in die Produktion auch die von anderen (Wirtschaftseinheiten oder) Sektoren produzierten Vorprodukte einfließen. Um diese Doppelzählungen zu beseitigen, werden vom Produktionswert die Vorleistungen abgezogen. Dadurch ergibt sich die Bruttowertschöpfung. Die Bruttowertschöpfung ist mithin der Wert der von inländischen Wirtschaftseinheiten in der Berichtsperiode produzierten Güter nach Ausklammerung der von anderen Sektoren bezogenen Güter. Anstelle des Saldos der Produktionskonten „Bruttowertschöpfung“ kann der Saldo des Kontos auch in der Nettowertschöpfung bestehen. Hierzu müssen auf der linken Seite zusätzlich die Abschreibungen abgezogen werden. Durch Abschreibungen wird die Wertminderung von Anlagegütern durch Verschleiß und wirtschaftliches Veralten rechnerisch erfasst. Abschreibungen sind wie auch im betrieblichen Rechnungswesen kalkulatorische Größen, d.h. sie beruhen auf einer Modellrechnung.

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Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

Die Bewertung des Produktionswertes erfolgt zu Herstellungspreisen. Der Herstellungspreis ist der Betrag, den der Produzent je Einheit eines Gutes erhält, wobei die Gütersteuern (entsprechend Gütersubventionen) nicht enthalten sind. Gütersteuern sind auf die produzierten oder gehandelten Waren und Dienstleistungen bezogen (z.B. Umsatzsteuer, Verbrauchsteuern wie Mineralölsteuer). Die Bewertung des Produktionswertes erfolgt also nicht zu den Marktpreisen, so wie sie sich für die Endverbraucher von Gütern darstellen. Allerdings gehen in den Herstellungspreis die Sonstigen Produktionsabgaben ein, die auf die Produktion nicht güterspezifisch erhoben werden. Für den Nachweis der Marktproduktion können die Verkäufe erfasst werden. Bei der Sonstigen Nichtmarktproduktion erfolgt die Berechnung des Produktionswertes über die Kosten. Sie beginnt daher, wie die weiteren Ausführungen zeigen, nicht auf der rechten Seite des Produktionskontos, sondern im Verteilungskonto. Kontenabschluss kann alternativ – je nachdem, ob die Abschreibungen abgezogen sind oder nicht – die Brutto- oder die Nettowertschöpfung sein. Die Wertschöpfung stellt eine der wichtigsten Salden des Systems dar, aus der als volkswirtschaftliche Gesamtgröße das Inlandsprodukt ermittelt wird (vgl. Kapitel 4.5).

(2) Die Einkommensentstehungskonten In den Einkommensentstehungskonten (generation of income accounts) der Sektoren werden die im Zuge der inländischen Produktion entstandenen Einkommen gezeigt. Hierzu werden von der (Brutto- bzw. der) Nettowertschöpfung als Gegenbuchung zum Saldo des Produktionskontos die (Abschreibungen und die) Sonstigen Produktions- und Importabgaben (abzüglich der Sonstigen Subventionen) abgezogen. Das Konto zeigt nun auf der linken Seite die Zusammensetzung dieser Einkommen. Zieht man ferner das Arbeitnehmerentgelt ab, ergeben sich als Kontenabschlüsse die Selbständigeneinkommen und die Betriebsüberschüsse aus Vermietung und Eigennutzung von Wohnraum im Haushaltssektor sowie die Betriebsüberschüsse bei Kapitalgesellschaften (jeweils brutto oder netto). Der Betriebsüberschuss ist als das Einkommen zu interpretieren, das auf den Produzenten aus seiner eigenen Produktion entfällt. Auch beim Staat und bei den privaten Organisationen oE erscheinen im geringen Umfang Betriebsüberschüsse aus ihrer Marktproduktion. Für die Produzenten im Sektor Private Haushalte wird die entsprechende Größe als Selbständigeneinkommen bezeichnet1. Das Arbeitnehmerentgelt stellt die Entlohnung der in den Sektoren beschäftigten Arbeitnehmer dar. Es schließt die Bruttolöhne und -gehälter (darin enthalten die Sozialbeiträge der Arbeitnehmer) sowie die Sozialbeiträge der Arbeitgeber ein. Überraschend und ökonomisch nicht nachzuvollziehen ist die Behandlung der Sonstigen Produktions1

Von Selbständigeneinkommen wird gesprochen, weil diese Saldengröße bei den Einzelunternehmern und Selbständigen auch eine Vergütung für die von ihnen und den mithelfenden Familienangehörigen geleistete Arbeit enthält.

4. Kapitel: Konten und Standardtabellen der VGR

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abgaben (minus Sonstige Subventionen) als Teil der Einkommensentstehung. Es handelt sich bei ihnen um nichtgüterbezogene Steuern, die in der Bewertung zu Herstellungspreisen enthalten sind. Nur aus diesem Grund werden hier die Sonstigen Produktionsabgaben anders als die Gütersteuern verbucht. Einkommensentstehungskonto eines Sektors Verwendung Sonstige Produktionsabgaben Nettowertschöpfung minus Sonstige Subventionen Arbeitnehmerentgelt • Bruttolöhne und -gehälter • Sozialbeiträge der Arbeitgeber Saldo: Betriebsüberschuss/ Selbständigeneinkommen

Aufkommen

(3) Die Konten der primären Einkommensverteilung Bei der primären Einkommensverteilung (primary distribution of income accounts) wird gezeigt, welche Einkommen aus inländischer Produktion im Sektor verbleiben und welche aus der Beteiligung an in- und ausländischer Produktion hinzukommen bzw. herausfließen. Die Konten unterscheiden sich für die einzelnen Sektoren und werden daher gesondert dargestellt. Primäres Einkommensverteilungskonto für Nichtfinanzielle und Finanzielle Kapitalgesellschaften Verwendung Aufkommen Geleistete Vermögenseinkommen Betriebsüberschuss Saldo: Primäreinkommen Empfangene Vermögenseinkommen

In dem Konto der Primäreinkommen für die Kapitalgesellschaften wird der Betriebsüberschuss um die empfangenen Vermögenseinkommen ergänzt, die geleisteten Vermögenseinkommen werden abgezogen, der Saldo des Kontos wird als Primäreinkommen bezeichnet. Primäreinkommen stellen das Einkommen dar, das Inländern aufgrund ihrer unmittelbaren Teilnahme am Produktionsprozess zufließt. Zu den Primäreinkommen rechnet auch das Einkommen, das der Eigentümer eines Vermögenswertes oder eines nichtproduzierten Sachvermögensgegenstandes als Gegenleistung dafür erhält, dass er einer anderen institutionellen Einheit finanzielle Mittel oder nichtproduziertes Sachvermögen zur Verfügung stellt. In einer Nebenrechnung werden die primären Einkommensverteilungskonten der Kapitalgesellschaften und der privaten Haushalte weiter unterteilt in Unternehmensgewinnkonten und Konten der Verteilung sonstiger primärer Einkommen. Die Unternehmensgewinnkonten zeigen sozusagen als Zwischensumme im primären Einkommenskreislauf die Unternehmensgewinne. Hier wird eine Größe ermittelt, die in etwa dem in der betrieblichen Buchführung verwendeten Konzept des laufenden Gewinns vor Ein-

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Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

kommensteuern und Verwendung entspricht. Das Konto der Verteilung sonstiger Primäreinkommen dient dem Übergang vom Unternehmensgewinn auf das Primäreinkommen. Es weist bei den Kapitalgesellschaften die Gewinnverwendung, d.h. die Ausschüttungen nach, und bei den Privaten Haushalten die empfangenen Arbeitnehmerentgelte sowie die empfangenen und geleisteten Vermögenseinkommen, die nicht zur Unternehmenssphäre zählen (z.B. Zinsen auf Konsumentenkredite). Auf die weitere Darstellung dieser Unterkonten wird hier verzichtet. Primäres Einkommensverteilungskonto für den Staat Verwendung Aufkommen Geleistete Vermögenseinkommen Betriebsüberschuss Empfangene Produktions- und Importabgaben • Gütersteuern • Sonstige Produktionsabgaben Geleistete Subventionen • Gütersubventionen • Sonstige Subventionen Saldo: Primäreinkommen Empfangene Vermögenseinkommen

Überraschend ist wieder, dass im Konto der primären Einkommensverteilung für den Staat nun die (gesamten) von ihm empfangenen Produktions- und Importabgaben abzüglich der geleisteten Subventionen (als negatives Aufkommen gebucht) Primäreinkommen darstellen. Das ist systematisch, nicht ökonomisch zu erklären. Der Staat nimmt in Höhe dieser Nettoeinnahmen nicht am Produktionsprozess teil bzw. stellt keine Leistungen zur Verfügung. Überzeugender wäre es, die Nettoproduktionsabgaben ökonomisch als Umverteilung zu behandeln. Anzumerken ist, dass die zu den Primäreinkommen rechnenden drei Eigenmittel der EU1 nicht als Aufkommen und Verwendung im primären Einkommensverteilungskonto des Staates, sondern als Primäreinkommen von den anderen Sektoren der Mitgliedstaaten direkt an die Übrige Welt gebucht werden. Ferner erfolgt die Gegenbuchung für die an Staat und übrige Welt geleisteten Gütersteuern (abzüglich Gütersubventionen) im Kontensystem nicht explizit. Sie werden bei den Produzenten erhoben, aber nicht dort verbucht. Sie gehen in die Einkommensverwendung ein, ohne explizit nachgewiesen zu werden. Nur im gesamtwirtschaftlichen Güterkonto findet man die Nettogütersteuern. Das Konto der primären Einkommensverteilung für die privaten Haushalte (zusammen mit den Privaten Organisationen oE) hat folgendes Aussehen:

1

Hierzu rechnen die Abschöpfungen u.ä. im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik, die Zölle und die Mehrwertsteuer-Eigenmittel. Die vierte Quelle (BNE-Eigenmittel) als zusätzliche Einnahmen zur Restfinanzierung des EU-Haushalts erscheint als laufende Transfers des Staates an die Übrige Welt im Rahmen der sekundären Einkommensverteilung.

4. Kapitel: Konten und Standardtabellen der VGR

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Primäres Einkommensverteilungskonto der privaten Haushalte Verwendung Geleistete Vermögenseinkommen

Saldo: Primäreinkommen

Aufkommen Betriebsüberschuss/Selbständigeneinkommen Arbeitnehmerentgelt • Bruttolöhne und -gehälter • Sozialbeiträge der Arbeitgeber Empfangene Vermögenseinkommen

Der Abschluss aus dem vorhergehenden Einkommensentstehungskonto, mit dem die Darstellung in diesem Konto beginnt, ist bei den privaten Haushalten das Selbständigeneinkommen sowie der Betriebsüberschuss aus der Eigennutzung von Wohnraum. Hinzu kommen in geringem Umfang Betriebsüberschüsse aus der Marktproduktion der Privaten Organisationen oE. Hier werden auch die gesamten Arbeitnehmerentgelte der Inländer erfasst, ferner die empfangenen abzüglich geleisteten Vermögenseinkommen.

(4) Die Konten der sekundären Einkommensverteilung In den Konten der sekundären Einkommensverteilung (secondary distribution of income accounts) werden die Transaktionen dargestellt, die als Umverteilung gelten. Hier wird für die institutionellen Sektoren gezeigt, wie das von ihnen empfangene Primäreinkommen (als Ausgangspunkt des Kontos) durch Umverteilungsvorgänge verändert wird. Die Umverteilung erfolgt über Einkommensteuern u. Ä., monetäre Sozialleistungen, Sozialbeiträge und sonstige laufende Transfers. Nicht zur Phase der sekundären Einkommensverteilung (= Umverteilung der Einkommen) rechnen, wie zuvor gezeigt wurde, die Produktions- und Importabgaben abzüglich Subventionen. Diese werden der primären Einkommensverteilung zugeordnet. Weiterhin ist zu beachten, dass in diesem Konto nur laufende Transaktionen verbucht werden, nicht jedoch Vermögenstransfers. Vermögenstransfers werden später im Zusammenhang mit den Vermögensänderungskonten erläutert. Als Saldo des Kontos ergibt sich jeweils das Verfügbare Einkommen. Es stellt das Einkommen nach der Umverteilung dar. Das ESVG verwendet bei den Konten der sekundären Einkommensverteilung und bei den Einkommensverwendungskonten das Ausgaben- und das Verbrauchskonzept. Das Ausgabenkonzept umfasst den Individualkonsum der privaten Haushalte. Beim Verbrauchskonzept erhöhen sich das Verfügbare Einkommen und die eigenen Konsumausgaben um den individualisierbaren Teil der Konsumausgaben des Staates. Das Verfügbare Einkommen der Privaten Haushalte erhöht sich durch die sozialen Sachtransfers in gleichem Umfang, d.h. beide Verbrauchskonzepte führen zu gleich hohen Beträgen für das Sparen dieses Sektors. Beim Sektor Staat bleibt als Kollektivkonsum der nichtindividualisierbare Teil der Konsumausgaben des Staates übrig. Diese Unterscheidung beider Konzepte fehlt hier vereinfachend bei den folgenden Konten, um die Überschaubarkeit nicht zu sehr zu beeinträchtigen. Beide Konzepte werden in der Verteilungs- und

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Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

Verwendungsrechnung des BIP behandelt. Hier wird nur das Ausgabenkonzept dargestellt. Auch die Konten der sekundären Einkommensverteilung sollen für die einzelnen Sektoren dargestellt werden, da sie sich teilweise unterscheiden. Zunächst wird das Konto der sekundären Einkommensverteilung der Nichtfinanziellen und Finanziellen Kapitalgesellschaften gezeigt. Konto der sekundären Einkommensverteilung der Nichtfinanziellen und Finanziellen Kapitalgesellschaften Verwendung Aufkommen Einkommen- und Vermögensteuern Primäreinkommen Monetäre Sozialleistungen Sozialbeiträge • aus privaten Sicherungssystemen • Tatsächliche Sozialbeiträge der Arbeitgeber • Sonst. Sozialleist. d. Arbeitgeber Sonstige laufende Transfers der Arbeitnehmer • Nettoprämien f. Schadenversich. • Unterstellte Sozialbeiträge Sonstige laufende Transfers • Übrige laufende Transfers • Schadenversicherungsleistungen Saldo: Verfügbares Einkommen • Übrige laufende Transfers

Für die Analyse der Einkommensumverteilung ist das folgende Konto des Staates von besonderem Interesse (allerdings unter Einschluss der Produktions- und Importabgaben sowie Subventionen im Primäreinkommen): Konto der sekundären Einkommensverteilung für den Staat Verwendung Aufkommen Monetäre Sozialleistungen Primäreinkommen Sonstige laufende Transfers Einkommen- und Vermögensteuern Sozialbeiträge • Nettoprämien für Schadenversicherungen Sonstige laufende Transfers • Laufende Transfers im Rahmen der • Schadenversicherungsleistungen internationalen Zusammenarbeit • Laufende Transfers im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit • Übrige laufende Transfers Saldo: Verfügbares Einkommen • Übrige laufende Transfers

In den laufenden Transfers im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit werden auch die Mittelabflüsse an die EU aus den BNE-Eigenmitteln (der vierten Quelle von EU-Eigenmitteln) verbucht. Ob das Verfügbare Einkommen für den Staat sinnvoll zu interpretieren ist, ist durchaus fraglich. Bedeutsam ist dieser Einkommensbegriff vor allem für die privaten Haushalte.

4. Kapitel: Konten und Standardtabellen der VGR

49

Konto der sekundären Einkommensverteilung für private Haushalte Verwendung Aufkommen Einkommen- und Vermögensteuern Primäreinkommen Sozialbeiträge Monetäre Sozialleistungen Monetäre Sozialleistungen • Geldleistungen d. Sozialversicherung Sonstige laufende Transfers • Aus privaten Sicherungssystemen • Nettoprämien f. Schadenversich. • Sonst. Sozialleist. der Arbeitgeber • Übrige laufende Transfers • Sonst. Soziale Geldleistungen Sonstige laufende Transfers • Schadenversicherungsleistungen Saldo: Verfügbares Einkommen • Übrige laufende Transfers

(5) Die Einkommensverwendungskonten In den Einkommensverwendungskonten (use of disposable income accounts) werden das Verfügbare Einkommen, die Konsumausgaben und das Sparen dargestellt. Für die Kapitalgesellschaften gibt es keine Konsumausgaben. Einkommensverwendung der Nichtfinanziellen und Finanziellen Kapitalgesellschaften Verwendung Aufkommen Zunahme betrieblicher Versorgungs- Verfügbares Einkommen ansprüche Saldo: Sparen

Die Zunahme der betrieblichen Versorgungsansprüche erscheint auf der Verwendungsseite bei den Kapitalgesellschaften und auf der Aufkommensseite der privaten Haushalte. Durch diese Buchungen gelangen die zusätzlichen Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung bereits in das Sparen der Haushalte. Es handelt sich bei den Kapitalgesellschaften um Rückstellungen für Betriebspensionen, auf die die privaten Haushalte Ansprüche erworben haben. Einkommensverwendungskonto für den Staat Verwendung Aufkommen Konsumausgaben Verfügbares Einkommen Saldo: Sparen

Auch das Einkommensverwendungskonto der privaten Haushalte ist besonders wichtig. Zu beachten ist, dass das Verfügbare Einkommen erst nach Korrektur um die Zunahme der betrieblichen Versorgungsansprüche der Verwendung aus Konsumausgaben und Sparen entspricht. Das Konto enthält folgende Positionen: Einkommensverwendungskonto für die Privaten Haushalte Verwendung Aufkommen Konsumausgaben Verfügbares Einkommen Zunahme betrieblicher VersorSaldo: Sparen gungsansprüche

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Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

(6) Die Konten der Reinvermögensänderung Das Reinvermögensänderungskonto (change in net worth due to saving and capital transfers account) ist zweigeteilt. Aufbau und Inhalt des Kontos sind für alle Sektoren weitgehend identisch. Im ersten Teil wird das Sparen um den Saldo der Vermögenstransfers erweitert. Vermögenstransfers beruhen im Gegensatz zu den laufenden Transfers auf einmaligen, nicht sich ständig wiederholenden Vorgängen. Beispiele für Vermögenstransfers sind vermögenswirksame Steuern (z.B. Erbschaftsteuer; nicht hingegen die Vermögensteuer, die als laufend erhoben gilt), Investitionszuschüsse oder sonstige Vermögenstransfers wie Vermächtnisse, Schenkungen oder Schuldenerlass. Konten der Reinvermögensänderung durch Sparen und Vermögenstransfers für alle Sektoren Veränderung der Aktiva Veränderung der Passiva Geleistete Vermögenstransfers Sparen Saldo: Reinvermögensänderung Empfangene Vermögenstransfers durch Sparen und Vermögenstransfers

Den zweiten Teil des Reinvermögensänderungskontos eines Sektors bildet das Sachvermögensbildungskonto (acquisition of non financial assets account). Es knüpft an dem Saldo „Reinvermögensänderung durch Sparen und Vermögenstransfers“ an. Das Konto zeigt letztlich, wie die Bruttoinvestitionen und der Nettozugang an nichtproduzierten Vermögensgütern finanziert werden, nämlich durch die Reinvermögensänderung, die Abschreibungen und einen negativen Finanzierungssaldo. Ein positiver Finanzierungssaldo bedeutet eine Geldvermögensbildung. Sachvermögensbildungskonto für alle Sektoren Verwendung Aufkommen Bruttoinvestitionen Reinvermögensänderung durch Nettozugang an nichtproduzierten Sparen und Vermögenstransfers Vermögensgütern Abschreibungen Saldo: Finanzierungssaldo

(7) Die Finanzierungskonten Die Finanzierungskonten (financial accounts) der Sektoren weisen die Änderung der Forderungen und die Änderung der Verbindlichkeiten einer Periode nach. Diese Konten beziehen sich also nur auf finanzielle Transaktionen. Finanzierungskonto für alle Sektoren Verwendung Aufkommen Änderung der Forderungen Finanzierungssaldo Änderung der Verbindlichkeiten

4. Kapitel: Konten und Standardtabellen der VGR

51

(8) Die Vermögensbilanzen Die Vermögensbilanzen (balance sheets) schließen das Gesamtbild der Sektoren ab. Vermögensbilanzen sind zum Jahresanfang und zum Jahresende für die Sektoren und für die gesamte Volkswirtschaft aufzustellen. Hierbei werden die wirtschaftlichen Vermögenswerte (Aktiva) den Verbindlichkeiten gegenübergestellt. Als Saldo der Vermögensbilanz ergibt sich das Reinvermögen. Der grundlegende Aufbau der Vermögensbilanzen und ihr Zusammenhang für zwei aufeinanderfolgende Zeitpunkte ist folglich: Bilanz am Jahresanfang Aktiva Vermögensgüter Forderungen

Passiva Verbindlichkeiten Saldo: Reinvermögen

Änderung der Bilanz Aktiva Passiva Gesamte Veränderung der Aktiva Gesamte Veränderung der Passiva • Vermögensgüter • Verbindlichkeiten • Forderungen • Saldo: Reinvermögensänderung durch Sparen und Vermögenstransfers Bilanz am Jahresende Aktiva Vermögensgüter Forderungen

Passiva Verbindlichkeiten Saldo: Reinvermögen

(9) Die Außenkonten In den Außenkonten werden die Transaktionen zwischen Inländern und Ausländern nachgewiesen. Die Kontenabfolge für die übrige Welt entspricht derjenigen für die institutionellen Sektoren der Volkswirtschaft. Außenkonten werden erstellt für die Gütertransaktionen (Export und Import von Waren und Dienstleistungen), Primäreinkommen und Transfers, Vermögensänderung (Reinvermögensänderung durch Sparen und Vermögenstransfers, Sachvermögensbildung), Finanzierungsströme und Vermögensbilanzen. Die Außenkonten werden aus der Sicht der übrigen Welt, also wie ein inländischer Sektor, behandelt. Was daher für die übrige Welt zum Aufkommen gehört, ist für die Volkswirtschaft eine Verwendung (und umgekehrt). So werden z.B. im Außenkonto der Gütertransaktionen die Importe auf der Aufkommensseite und die Exporte auf der Verwendungsseite gebucht. Der Saldo wird als Außenbeitrag bezeichnet. Ein positiver Saldo bedeutet für die Volkswirtschaft ein Defizit und für die übrige Welt einen Überschuss (und umgekehrt bei einem Negativsaldo). Entsprechendes gilt für die Bilanz. Eine Forderung der übrigen Welt ist für die Volkswirtschaft eine Verbindlichkeit, dementsprechend ist eine Verbindlichkeit der übrigen Welt eine Forderung der Volkswirtschaft.

52

Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

Fasst man den Außenbeitrag und den Saldo der Primäreinkommen und Transfers zusammen, erhält man den Saldo der laufenden Außentransaktionen. Diesem folgt der Saldo der Reinvermögensänderung durch Sparen und Vermögenstransfers. Schließlich ergibt sich der Finanzierungssaldo der übrigen Welt anhand folgender Positionen: Finanzierungskonto der übrigen Welt Veränderung der Aktiva Veränderung der Passiva Nettozugang an nichtproduzierten Reinvermögensänderung durch Sparen Vermögensgütern und Vermögenstransfers Nettozugang an Forderungen Nettozugang an Verbindlichkeiten Finanzierungssaldo

Das Außenkonto der Finanzierungsströme entspricht in seinem Aufbau dem Finanzierungskonto der inländischen Sektoren. Der Saldo dieses Kontos ist dem Betrag nach gleich der Summe der Finanzierungsüberschüsse bzw. -defizite der inländischen Sektoren, allerdings mit umgekehrtem Vorzeichen.

(10) Das gesamtwirtschaftliche Güterkonto und die zusammengefassten Konten für die Volkswirtschaft Den Konten für die Volkswirtschaft wird ein gesamtwirtschaftliches Güterkonto vorangestellt, das einen umfassenden Überblick über die Herkunft und Verwendung der Güter in der Volkswirtschaft gibt. In diesem Konto, das keinem Sektor zugeordnet ist, werden links die Quellen genannt, aus denen das Angebot (Aufkommen) an Gütern gespeist wird: Produktionswert (= inländische Produktion) und Importe. Die Positionen auf der rechten Seite stellen die verschiedenen Arten der Nachfrage (Verwendung) der im Inland erstellten Güter (Zwischen- und Endverwendung) dar. Das gesamtwirtschaftliche Güterkonto ist ausgeglichen, enthält also im Gegensatz zu den bisher betrachteten Konten keinen Saldo. Schließlich werden für die gesamte Volkswirtschaft zusammengefasste Konten erstellt: Das sind die Transaktionskonten, die Vermögensänderungskonten und die Vermögensbilanzen. Dabei werden in einer Tabelle die Konten aller institutionellen Sektoren der Volkswirtschaft und der Übrigen Welt dargestellt und sämtliche Stromgrößen sowie Aktiva und Passiva ausgeglichen. Die Konten stellt das Statistische Bundesamt mit Ausnahme der Finanzierungskonten auf, für die die Deutsche Bundesbank zuständig ist. Die Bedeutung der Sektorkonten zeigt sich darin, dass sie nun auch neben der EZB explizit von der Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose (2010) für ihre Berechnungen veröffentlicht werden.

4. Kapitel: Konten und Standardtabellen der VGR Tab. 4-1 Die Hauptaggregate in den Sektorenkonten 2009, Mrd Euro

Quelle: Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose (2010), S. 62.

53

54

Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

5. Die Berechnung von Inlandsprodukt und Nationaleinkommen Die Kreislaufdarstellungen im 3. Kapitel und das Kontensystem der VGR zeigen, dass die Ergebnisse der wirtschaftlichen Tätigkeit eines abgelaufenen Wirtschaftsprozesses unter mehreren Gesichtspunkten betrachtet werden können. Das gilt speziell für die zentrale gesamtwirtschaftliche Größe „Bruttoinlandsprodukt“ (BIP), deren Nachweis im Mittelpunkt der vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Tabellen steht. Das Bruttoinlandsprodukt (gross domestic product) ist ein zusammengefasstes Maß für den Wert der wirtschaftlichen Leistung, die aus der Produktionstätigkeit im Inland in einer Periode entsteht. Es zeigt in gütermäßiger Sicht den Wert der im Inland in einer Periode erzeugten Endprodukte, d.h. Waren und Dienstleistungen nach Abzug des Wertes (ohne Einfuhrabgaben) der im Produktionsprozess als Vorleistungen verbrauchten sowie importierten Güter. Die Schreibweise der Definition des BIP in Übersicht 4-7 veranschaulicht die Komplexität dieses Maßes. In diesem Abschnitt und vor allem im 5. Kapitel werden die einzelnen Komponenten dieser Definition ausführlich diskutiert. Übersicht 4-7 Definition des Bruttoinlandsprodukts „Das Bruttoinlandsprodukt ist der Wert aller finalen Güter, die in einer Periode im Inland produziert werden.“

Das Bruttoinlandsprodukt wird auf drei Wegen nachgewiesen, die die Übersicht 4-8 verdeutlicht: • Der Entstehungs- oder Produktionsansatz (production approach) stellt die Bruttowertschöpfung der Produzenten in den einzelnen Wirtschaftsbereichen dar. Die Summe dieser Bruttowertschöpfung ergibt ergänzt um die Nettogütersteuern das Bruttoinlandsprodukt. Die Rechnung gibt Antwort auf die Frage, was ist wo und von wem erzeugt worden, aber auch, welche Einkommen im Inland entstanden sind². • Der Einkommensansatz (income approach) erfasst die Erwerbs- und Vermögenseinkommen. Er gibt, ausgehend von dem Aggregat „Volkseinkommen“, Antwort auf die Frage, welche Einkommensarten, nämlich Arbeitnehmerentgelte sowie Unternehmensund Vermögenseinkommen, Inländern letztlich zugeflossen sind. • Der Nachfrage- oder Verwendungsansatz (expenditure approach) weist die Endnachfrage (oder Verwendung) der produzierten Waren und Dienstleistungen nach. Über diese Rechnung ist das BIP die Summe der Konsumausgaben der privaten Haushalte, der privaten Organisationen oE und des Staates, der Bruttoanlageinvestitionen, der Vorratsveränderungen und des Nettozugangs an Wertsachen sowie des Außenbeitrags.

4. Kapitel: Konten und Standardtabellen der VGR

55

Übersicht 4-8 Drei Berechnungsarten in den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen I. Entstehungsrechnung Produktionswert - Vorleistungen = Bruttowertschöpfung + Gütersteuern - Gütersubventionen

= + = III. Verteilungsrechnung = + = =

II. Verwendungsrechnung Konsumausgaben Private Konsumausgaben Konsumausgaben des Staates + Investitionen Ausrüstungsinvestitionen Bauinvestitionen Sonstige Anlagen Vorratsveränderungen und Nettozugang an Wertsachen + Außenbeitrag Exporte von Waren und Dienstleistungen (+) Importe von Waren und Dienstleistungen (-) Bruttoinlandsprodukt Saldo der Primäreinkommen mit der übrigen Welt Bruttonationaleinkommen Abschreibungen

Nettonationaleinkommen (Primäreinkommen) Produktions- und Importabgaben an den Staat Subventionen vom Staat Volkseinkommen Arbeitnehmerentgelt Unternehmens- und Vermögenseinkommen

Das Inlandsprodukt und entsprechend andere Größen wie Nationaleinkommen und Volkseinkommen können prinzipiell mit den drei Rechenmethoden unabhängig voneinander geschätzt werden (Prinzip der fundierten Schätzung). Dies ermöglicht es, die eine Art der Berechnung durch die anderen zu überprüfen. Die drei Ansätze führen zwar konzeptionell zum gleichen Ergebnis. In der Praxis kommt es aber zu einer (nicht ausgewiesenen) statistischen Diskrepanz, weil die einzelnen Ansätze auf weitgehend unabhängigen und unterschiedlich exakten Quellen beruhen und nicht die gleichen Schätzmethoden verwenden. Soweit die Ergebnisse der autonomen ersten Rechenschritte nicht völlig übereinstimmen, werden die Angaben in einem kreislaufmäßigen Abstimmungsprozess so lange auf ihre Plausibilität überprüft, auf Informationsschwachstellen abgesucht, in eventuell notwendigen Schätzteilen variiert, bis Übereinstimmung erzielt ist. Allerdings lassen sich nur die Ergebnisse des Entstehungs- und des Verwendungsansatzes in getrennten Rechenschritten ermitteln. Eine eigenständige Berechnung über die Einkommensseite ist nicht möglich, weil die Basisdaten über die Unternehmenseinkommen fehlen. Sie setzt daher beim Bruttoinlandsprodukt an, von dem der Saldo der Primäreinkommen der übrigen Welt, die Abschreibungen sowie die Produktions- und Importabgaben an den Staat (abzüglich der Subventionen) abgezogen

56

Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

werden. Ergebnis ist dann das Inländern zufließende Einkommen als Arbeitnehmerentgelt bzw. Unternehmens- und Vermögenseinkommen.

a) Die Entstehungsrechnung (1) Der Rechenweg In die Entstehungsrechnung gehen nur die Transaktionen im Zusammenhang mit der Produktion von Waren und Dienstleistungen ein (siehe Übersicht 4-7). Hier wird die Bruttowertschöpfung (gross value added) der einzelnen Wirtschaftsbereiche (industries) als Kennzahl wirtschaftlicher Leistung erfasst1. Zur Berechnung der jeweiligen Bruttowertschöpfung zieht man vom Produktionswert die Vorleistungen ab. Der Produktionswert ist der Wert aller Güter, die im Rechnungszeitraum produziert werden. Bei Marktproduzenten entspricht der Produktionswert dem Wert der Verkäufe von Waren und Dienstleistungen aus eigener Produktion an andere (in- und ausländische) Wirtschaftseinheiten, vermehrt um die Vorratszunahme an eigenen Erzeugnissen und um den Wert der selbsterstellten Anlagen. Zu den Verkäufen (sales) rechnen in den VGR auch die Einnahmen aus der Vermietung von Wohnungen. Im Rahmen der Nichtmarktproduktion für die eigene Verwendung werden im Produktionswert der Eigenkonsum der Unternehmer (im eigenen Unternehmen produzierte und im privaten Haushalt des Unternehmers konsumierte Erzeugnisse), die Eigenleistungen im Wohnungsbau sowie unterstellte Mieten für eigengenutzte Wohnungen berücksichtigt. Die Produktionswerte der Nichtmarktproduzenten aus den Sektoren Staat und Private Organisationen ohne Erwerbszweck, deren Leistungen der Allgemeinheit überwiegend ohne spezielles Entgelt zur Verfügung gestellt werden, werden durch Addition der Aufwandsposten dieser Institutionen ermittelt. Produktionswerte werden in der Regel zu Herstellungspreisen bewertet. Der Herstellungspreis (basic price) ist der Betrag, den der Produzent je Einheit eines Gutes erhält, einschließlich der Sonstigen Nettoproduktionsabgaben, aber ohne die auf die Güter zu zahlenden Steuern (Gütersteuern) und zuzüglich der empfangenen Gütersubventionen. Produktionswerte sind nur bedingt als Maß für die wirtschaftliche Leistung zu verwenden, weil in ihnen auch die von anderen Wirtschaftseinheiten produzierten Vorprodukte enthalten sind. Um diese Doppelzählungen zu beseitigen, werden von den Produktionswerten die Vorleistungen abgezogen. Unter Vorleistungen (intermediate consumption) ist der Wert der von anderen Wirtschaftseinheiten bezogenen und im Produktionsprozess verbrauchten, verarbeiteten oder umgewandelten Güter zu verstehen. Vorleistungen sind zu Anschaffungspreisen (purchaser’s prices) bewertet.

1

Den Wirtschaftsbereichen liegt ein anderes Klassifikationskriterium als den Sektoren zugrunde. Der Zusammenhang wird unter (2) erläutert.

4. Kapitel: Konten und Standardtabellen der VGR

57

Beim Staat und bei den Privaten Organisationen oE setzt die Entstehungsrechnung (bei der Nichtmarktproduktion) nicht am Produktionswert an; hier wird der Produktionswert vielmehr über die Bruttowertschöpfung1 und die Vorleistungen ermittelt. Die Bruttowertschöpfung ist zu Herstellungspreisen bewertet. Um zum Bruttoinlandsprodukt zu gelangen, müssen daher – wie Übersicht 4-8 zeigt – die Gütersteuern hinzugerechnet und die Gütersubventionen abgezogen werden. Übersicht 4-9 zeigt die verschiedenen die Produktion belastenden Steuern (entsprechend gegliedert: Subventionen). Als Produktions- und Importabgaben gelten produktionsbezogene Zwangsabgaben (taxes on production), die der Staat oder Institutionen der EU ohne Gegenleistung bei inländischen Produzenten erheben2. Übersicht 4-9 Produktions- und Importabgaben1

Produktions- und Importabgaben

Gütersteuern 1

Sonstige Produktionsabgaben

entsprechend Subventionen.

Zu den Gütersteuern (taxes on products) zählen alle Steuern und ähnliche Abgaben, die pro Einheit einer produzierten oder gehandelten Ware oder Dienstleistung zu entrichten sind. Sie umfassen die Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer), Importabgaben (wie Zölle, Verbrauchsteuern und Abschöpfungsbeträge auf eingeführte Güter) und sonstige Gütersteuern (Verbrauchsteuern wie Mineralöl- und Tabaksteuer, Vergnügungsteuern, Versicherungsteuer usw.). Sonstige Produktionsabgaben (other taxes on production) werden nicht – wie die Gütersteuern, die praktisch wie ein durchlaufender Posten behandelt werden – als produktbezogen angesehen. Hierzu zählen die Gewerbesteuer, die Grundsteuer und die Kfz-Steuer der Unternehmen und bestimmte staatliche Gebühren, soweit sie Unternehmen belasten. Unter Subventionen (subsidies)3 werden laufende Zahlungen ohne Gegenleistung verstanden, die der Staat oder Institutionen der Europäischen Union an gebietsansässige Produzenten leisten, um den Umfang der Produktion dieser Einheiten, ihre Verkaufspreise oder die Entlohnung der Produktionsfaktoren zu beeinflussen. Subventionen werden parallel zu den Produktions- und Importabgaben in Gütersubventionen und Sonstige Subventionen untergliedert. Gütersubventionen (subsidies on products) sind Subven1 2

3

Genauer: Die Rechnung beginnt dort mit dem Arbeitnehmerentgelt im Verteilungskonto. Sie beziehen sich auf die Produktion und die Einfuhr von Waren und Dienstleistungen, die Beschäftigung von Arbeitskräften oder das Eigentum an oder den Einsatz von Grundstücken, Gebäuden oder anderen im Produktionsprozess eingesetzten Aktiva. Sonstige Subventionen (other subsidies on production) können Nichtmarktproduzenten nur empfangen, wenn für Marktproduzenten die gleichen Regelungen gelten. Dies trifft zum Beispiel für Zuschüsse bei Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen zu, die an staatliche oder gemeinnützige Einrichtungen geleistet werden. Durch ABM-Zuschüsse an Nichtmarktproduzenten sinken daher die Bruttowertschöpfung und die Konsumausgaben des Staates und der privaten Organisationen oE.

58

Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

tionen, die bei produzierten oder eingeführten Waren oder Dienstleistungen geleistet werden, also auch produktbezogen sind. Der Saldo aus Gütersteuern und Gütersubventionen wird als Nettogütersteuern (taxes less subsidies on products) bezeichnet. Gütersteuern sind ein Teil der Produktions- und Importabgaben. Der andere Teil, die Sonstigen Produktionsabgaben (other taxes on production), geht in den Herstellungspreis ein. Tab. 4-2 Bruttowertschöpfung nach Wirtschaftsbereichen und Bruttoinlandsprodukt in jeweiligen Preisen 1991-2009, Mrd Euro 1991

1995

2000

2005

2009

19,2 510,0 426,5 83,5 863,5 249,4 324,5 289,6

21,3 537,4 424,5 113,0 1 113,0 300,3 441,5 371,3

23,5 561,6 465,3 96,2 1 271,2 337,3 510,9 423,0

17,5 589,9 509,8 80,1 1 416,5 357,5 593,7 465,3

17,3 566,5 474,4 92,1 1 556,8 373,7 666,7 516,4

Alle Wirtschaftsbereiche + Gütersteuern - Gütersubventionen

1 392,7 151,6 9,7

1 671,7 188,6 11,8

1 856,2 216,7 10,4

2 023,9 225,0 6,7

2 140,6 262,9 6,4

Bruttoinlandsprodukt

1 534,6

1 848,5

2 062,5

2 242,2

2 397,1

Land- und Forstwirtschaft, Fischerei Produzierendes Gewerbe ohne Baugewerbe Baugewerbe Dienstleistungsbereiche Handel, Gastgewerbe, Verkehr Finanzierg, Vermietg, Unterndienstl. Öffentliche und private Dienstleister

Quelle: Statistisches Bundesamt (2010b), Tab. 2.1.14, 2.2.1.

Tab. 4-1 verdeutlicht für einzelne Jahre 1991-2009, wie das Bruttoinlandsprodukt über die Bruttowertschöpfungen der Wirtschaftsbereiche berechnet wird. Hier werden die Bruttowertschöpfungen nominal, d.h. in jeweiligen Preisen (current prices) gezeigt. Hier erfolgt die statistische Erfassung mit den Werten, die die Größen in der Berichtsperiode hatten. Tab. 4-3 Bruttowertschöpfung nach Wirtschaftsbereichen in % der gesamten Bruttowertschöpfung in jeweiligen Preisen Land- und Forstwirtschaft, Fischerei Produzierendes Gewerbe ohne Baugewerbe Baugewerbe Dienstleistungsbereiche Handel, Gastgewerbe, Verkehr Finanzierg, Vermietg, Unterndienstl. Öffentliche und private Dienstleister

1991

1995

2000

2005

2009

1,4 36,6 30,6 6,0 62,0 17,9 23,3 20,8

1,3 32,1 25,4 6,8 66,6 18,0 26,4 22,2

1,3 30,3 25,1 5,2 68,5 18,2 27,5 22,8

0,9 29,1 25,2 4,0 70,0 17,7 29,3 23,0

0,8 26,5 22,2 4,3 72,7 17,5 31,1 24,1

Quelle: Statistisches Bundesamt (2010b), Tab. 2.2.1.

Besonderen Aussagewert haben Anteilswerte, die zeigen, wie stark die einzelnen Wirtschaftsbereiche zur Bruttowertschöpfung der Volkswirtschaft oder zum BIP beige-

4. Kapitel: Konten und Standardtabellen der VGR

59

tragen haben. Da eine unmittelbare Beziehung zwischen der Bruttowertschöpfung der einzelnen Bereiche und dem Bruttoinlandsprodukt nicht besteht, ist es zweckmäßig, Anteilswerte für die Bruttowertschöpfung auf die Bruttowertschöpfung insgesamt zu beziehen. Tab. 4-2 zeigt für den Zeitraum 1991 bis 2009 die Anteile der Sektoren an der gesamten Bruttowertschöpfung in jeweiligen Preisen. Erhebliche Strukturverschiebungen werden sichtbar: In jeweiligen Preisen sind seit 1991 die Anteile der Land- und Forstwirtschaft, Fischerei von 1,4 auf 0,8 % und des Produzierenden Gewerbes von 36,6 auf 26,5 % im Jahre 2009 gefallen. Dem steht eine deutliche Zunahme der Dienstleistungs-bereiche von 62,0 auf 72,7 % gegenüber. Hierbei hat insbesondere die Bedeutung des Bereichs Finanzierung, Vermietung und Unternehmensdienstleister zugenommen, der von 23,3 auf 31,1 % in 2009 angestiegen ist. Schaltet man für die in jeweiligen Preisen berechneten Größen von Tab. 4-1 die Preisniveauänderungen aus, erfolgt prinzipiell ein Übergang zur realen Bruttowertschöpfung und zum realen Bruttoinlandsprodukt. Tab. 4-3 zeigt diese Größen preisbereinigt und verkettet1. Hierzu wird die Volumenentwicklung eines Jahres (sie berücksichtigt Mengen- und Qualitätsänderungen) mit den Preisen des jeweiligen Vorjahres bewertet. Bei dem Verfahren werden die realen Größen der Bruttowertschöpfung und deren Anteile wegen fehlender Additivität2 nicht (mehr) veröffentlicht. Vergleichbar sind daher nur die Veränderungen gegenüber dem Vorjahr der einzelnen Größen in jeweiligen Preisen und preisbereinigt (verkettet). Um vollständige Reihen zu berechnen, werden die in der Tabelle nicht aufgeführten Veränderungsraten ermittelt. Tab. 4-4 Preisbereinigte Bruttowertschöpfung nach Wirtschaftsbereichen, Kettenindex (2000 = 100) Land- und Forstwirtschaft, Fischerei Produzierendes Gewerbe ohne Baugewerbe Baugewerbe Dienstleistungsbereiche Handel, Gastgewerbe, Verkehr Finanzierg, Vermietg, Unterndienstl. Öffentliche und private Dienstleister Insgesamt

1991 97,1 99,4 97,1 108,5 78,0 82,1 71,8 82,6 84,8

1995 88,1 94,5 90,1 115,9 87,8 87,0 85,3 91,4 89,8

2000 100 100 100 100 100 100 100 100 100

2005 103,3 101,6 106,3 79,3 105,3 106,9 106,1 103,1 104,2

2009 100,9 91,0 93,9 76,5 113,4 111,8 116,8 110,4 106,4

Quelle: Statistisches Bundesamt (2010b), Tab. 3.2.2.

1

2

Zum Verfahren siehe Kapitel 5, 5d. Vor der Revision 2005 wurden die Bruttowertschöpfungen und das Bruttoinlandsprodukt in konstanten Preisen, d.h. in Preisen eines Basisjahres berechnet. Additivität bedeutet, dass ein um x % erhöhtes Preisniveau der Teilgrößen zu einer Erhöhung der Gesamtgröße um x % führen muss. Bei der Preisbereinigung auf Vorjahresbasis sind die verketteten Absolutwerte nicht additiv; d.h. die Summe der verketteten Teilaggregate weicht vom Wert des verketteten Gesamtaggregats ab. Die Problematik tritt in der Entstehungs- und Verwendungsrechnung auf.

60

Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

(2) Die Beziehung zwischen Wirtschaftsbereichen und Sektoren Wirtschaftsbereiche werden nur in der Entstehungsrechnung zur Darstellung der Produktionsvorgänge verwendet. Sie sind im Gegensatz zu den Sektoren nach ihrer Haupttätigkeit abgegrenzt, so dass eine Zusammenfassung der Wirtschaftsbereiche zu Sektoren nicht unmittelbar möglich ist. Grundlage der Darstellung nach Wirtschaftsbereichen ist die Klassifikation der Wirtschaftszweige von 2003 (WZ 2003)1. Übersicht 4-10 veranschaulicht das zweidimensionale Feld der Wirtschaftsbereiche und Sektoren. Wie oben schon begründet, bilden die Unternehmen – zumindest die Kapital- und QuasiKapitalgesellschaften – in Deutschland aus statistischen Gründen in der Regel die Darstellungseinheiten der Sektoren S.11, S.12 und S.14. Sie werden mit allen Nebentätigkeiten entsprechend ihrer Haupttätigkeit, d.h. Tätigkeit mit dem höchsten Bruttowertschöpfungsanteil, einem Wirtschaftsbereich zugeordnet. Die örtlichen fachlichen Einheiten innerhalb des Staatssektors sind die oben beschriebenen organisatorischen Einheiten, die mit eigenen Haushaltskapiteln bzw. -abschnitten die formalen Voraussetzungen des ESVG für örtliche FE erfüllen. Bei den privaten Haushalten werden aus analytischen Gründen wichtige ökonomische Bereiche (z.B. Wohnungsnutzung) separat nachgewiesen. Die nach Wirtschaftsbereichen gegliederten Tatbestände (u.a. Bruttowertschöpfung, Arbeitnehmerentgelt, Arbeitnehmer, Bruttoanlageinvestitionen) können sich grundsätzlich auf alle Sektoren aufteilen2: • So sind die Produktionsvorgänge des Bereichs Land- und Forstwirtschaft, Fischerei (agriculture, forestry and fishing) auch im Sektor Staat zu finden. Die Landwirtschaft wird von den betrieblichen Einheiten her und nicht in enger funktionaler Abgrenzung gesehen, d.h. landwirtschaftsnahe Nebentätigkeiten einschließlich Gastgewerbe (Ferien auf dem Bauernhof) zählen zum Wirtschaftsbereich Landwirtschaft – mit Ausnahme der Eigennutzung und Vermietung von Wohnraum. Auch die landwirtschaftliche Produktion der privaten Haushalte ist diesem Bereich zuzuordnen, nicht hingegen die landwirtschaftliche Nebentätigkeit von Unternehmen anderer Branchen (beispielsweise eigene Erzeugung der Lebensmittelindustrie, Versuchsgüter der Chemischen Industrie). • Die gesamte Wohnungsvermietung ist ebenfalls in allen inländischen Sektoren (als Marktvorgänge) enthalten. Sie wird in einem Wirtschaftsbereich „Grundstücks- und Wohnungswesen“ nachgewiesen. Das gilt auch für die Vermietung z.B. von Werkswohnungen als Nebentätigkeit und für Versicherungsunternehmen. Dort stellt die Wohnungsvermietung eine wichtige Form der Renditeerwirtschaftung dar. Sie sollte jedoch statistisch vom reinen Versicherungsgeschäft getrennt sein, so dass manches für die wirtschaftsfachliche Trennung der beiden Bereiche auf der Ebene der örtlichen FE spricht. Beim Staat erscheinen Werkswohnungen ebenfalls unter „Grundstücks- und Wohnungswesen“. Die Eigennutzung und Vermietung von Wohnraum durch private 1

2

Sie werden unmittelbar aus der europäischen Klassifikation der Wirtschaftszweige NACE Rev. 1 abgeleitet, die wiederum auf UN-Ebene der ISIC Rev. 3 entspricht. Ab September 2011 wird die WZ 2008 bzw. NACE Rev. 2 eingeführt. Siehe zum Folgenden auch Grömling (1999) und Statistisches Bundesamt (2007), Kapitel 3.

4. Kapitel: Konten und Standardtabellen der VGR

61

Haushalte sind im Wirtschaftsbereich Wohnungswesen zusammengefasst, die Eigenleistung der privaten Haushalte im Wohnungsbau wird im Wirtschaftsbereich Baugewerbe gebucht. Aus statistischen Gründen erscheint es zweckmäßig, die Wohnungsvermietung der privaten Organisationen oE ebenfalls zusammengefasst beim Grundstücks- und Wohnungswesen darzustellen. • Der Wirtschaftsbereich öffentliche und private Dienstleister (other service activities) umfasst auch die gewerblich oder freiberuflich erbrachten Leistungen in den Bereichen Erziehung und Unterricht, Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen sowie die Erbringung von sonstigen öffentlichen und persönlichen Dienstleistungen. Übersicht 4-10 Wirtschaftsbereiche und volkswirtschaftliche Sektoren Sektoren Wirtschaftsbereich WZ 2003 A B

Bezeichnung Land- und ForstWirtschaft, Fischerei

C bis E

Produzierendes Gewerbe ohne Baugewerbe

F

Baugewerbe

G H I

Handel, Gastgewerbe, Verkehr

J

Kredit- und Versicherungs-gewerbe

K

Grundstückswesen, Vermietung Dienstleist. f. Untern.

L

Öffentliche Verwaltung

M N O

Erziehung, Unterricht Gesundheit, Sozialw. Sonstige öffentl. u. priv. Dienstleister

P

Häusliche Dienste

S. 11

S. 12

S. 13

S. 14

S. 15

Nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften

Finanzielle Kapitalgesellschaften

Staat

Private Haushalte

Private Organisationen ohne Erwerbszweck

Kapitalgesellschaften: Aktiengesellschaften (AG), Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH), Genossenschaften

örtliche fachliche Einheiten bei: - Forstwirtschaft - Wasserversorgung

Quasi-Kapitalgesellschaften: Personengesellschaften

- Hilfs- u. Nebentätigkeiten im Verkehr

Banken, Versicherungen Hilfsgewerbe Offene HandelsGesellschaft (OHG), Kommanditgesellschaft (KG)

Vermietung (örtliche fachl. Einheit bei Versicherungsgesellsch.)

Rechtlich unselbständige Eigenbetriebe des Staates und der Organisationen oE, Wirtschaftsverbände

Selbständige Landwirte Einzelunternehmer Im Produzierenden Gewerbe, Handwerker (einschl. Eigenleistung beim Bau) Händler, Gastwirte, selbst. Verkehrsunternehmer selbständige Versicherungsvertreter u.a.

- Grundstückswesen - Forschung Bund, Länder Gemeinden/Gv., SozialverSicherungsträger - Erziehung - Gesundheit - Entsorgung - Kultur

Vermietung und Eigennutzung von Wohnraum, „Dienstleister“ als Einzelunternehmer

Selbständige, „Freiberufler“

Wohnungsvermietung (örtl. fachl. Einheiten) Forschungseinrichtung

z.B. Politische Parteien, Gewerkschaften, Kirchen Wohlfahrtsverbände Vereine

Quelle: Statistisches Bundesamt (2007), S. 52.

Die Analyse des wirtschaftlichen Geschehens – wie etwa die Konjunkturbeobachtung oder die Strukturanalyse über längere Zeiträume hinweg – erfordert in erster Linie Daten für Wirtschaftsbereiche und weniger sektorbezogene Zahlen. Diese Priorität zeigt sich auch im branchenorientierten Aufbau des wirtschaftsstatistischen Instrumentariums. Die gesamtwirtschaftliche Einkommensverteilung und -verwendung wird hingegen in den VGR sektorbezogen dargestellt. Weil die produzierenden Einheiten der Wirtschaftsbereiche nicht mit den institutionellen Einheiten der Sektoren identisch sind, werden Übergangstabellen erforderlich. Sie verknüpfen die Produktionsvorgänge mit den Einkommenstransaktionen und ermöglichen es, auch das Produktions- und das Einkommensentstehungskonto für die einzelnen Sektoren zu erstellen. Es müssen also Matrix-

62

Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

tabellen gemäß Übersicht 4-11 für die Produktionswerte, die Vorleistungen und sämtliche Wertschöpfungskomponenten berechnet werden.

b) Die Verteilungsrechnung Das Bruttonationaleinkommen (gross national income) ergibt sich ausgehend vom Bruttoinlandsprodukt durch Addition der aus der übrigen Welt empfangenen Primäreinkommen und durch Abzug der an die übrige Welt geleisteten Primäreinkommen. So beziehen deutsche Grenzgänger, die z.B. in Deutschland wohnen, aber in der Schweiz arbeiten („Auspendler“), aus der Schweiz Arbeitnehmerentgelte, die (in der Schweiz zum Inlandseinkommen) in Deutschland zum Nationaleinkommen gerechnet werden. In entgegengesetzter Richtung fließen etwa die Arbeitnehmerentgelte von Franzosen („Einpendler“), die täglich zur Arbeit nach Deutschland fahren. Entsprechendes gilt für Vermögenseinkommen, wenn z.B. Kapitalerträge aus einem Unternehmen in Deutschland an die Eigentümer in den USA überwiesen werden. Zu beachten ist, dass die Primäreinkommen weit definiert werden und nicht mit Faktoreinkommen gleichgesetzt werden dürfen. Sie umfassen neben Arbeitnehmerentgelt, Unternehmens- und Vermögenseinkommen auch den Saldo der Produktions- und Importabgaben an die EU einerseits und der von der EU empfangenen Subventionen andererseits1. Übersicht 4-11 Inlandsprodukt und Nationaleinkommen Inlandsprodukt Empf. Primäreink. aus übriger Welt

In der Inlandsproduktion entstandene Primäreinkommen von Inländern

Gel. Primäreink. an übrige Welt

Nationaleinkommen

Zieht man vom Bruttoinlandsprodukt die Abschreibungen ab, ergibt sich das Nettoinlandsprodukt (net domestic product). Zum Nettonationaleinkommen (net national income) gelangt man, indem wie bei den Bruttogrößen der Saldo der Primäreinkommen mit der übrigen Welt herausgerechnet wird. Übersicht 4-11 verdeutlicht den Zusammenhang. Die einzelnen Produktionsgrößen nach dem Inlandskonzept2 können also (brutto und netto) durch Korrektur um den Saldo der Primäreinkommen mit der übrigen Welt in entsprechende Größen nach dem Nationaleinkommenskonzept (= Inländerkonzept) umgerechnet werden. Tab. 4-4 zeigt, dass 1991-2009 in Deutschland der 1

2

Die an die Europäische Union geleisteten Produktions- und Importabgaben umfassen insbesondere die traditionellen Eigenmittel der EU, also die Zolleinnahmen aus dem Handel mit Drittländern, die Einnahmen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik und die Mehrwertsteuereigenmittel – nicht hingegen die Einnahmen im Rahmen der auf dem BNE (früher BSP) basierenden vierten Eigenmittelquelle (GNI based fourth own resource), die als übrige laufende Transfers (miscellaneous current transfers) an die EU zu buchen sind und das Verfügbare Einkommen der Volkswirtschaft verändern. Es bezieht sich auf Produktion im Inland und im Inland entstandene Einkommen.

4. Kapitel: Konten und Standardtabellen der VGR

63

Saldo der Primäreinkommen und damit die Differenz aus BIP und BNE gering waren. Sie machten beispielsweise im Jahre 2009 (2000) 33,8 (-19,3) Mrd Euro oder etwa 1 % aus, wobei das BIP mal kleiner oder mal größer als das BNE war. Tab. 4-5 Inlandsprodukt und Nationaleinkommen 1991-2009, Mrd Euro

1991 1995 2000 2005 2009

Bruttoinlandsprodukt 1 534,6 1 848,5 2 062,5 2 242,2 2 397,1

Saldo 7,0 -13,7 -19,3 26,6 33,8

Primäreinkommen aus der übr. an die übr. Welt Welt 68,9 61,9 67,1 80,8 118,3 137,6 170,8 144,2 174,5 140,7

Bruttonationaleink. 1 541,6 1 834,8 2 043,2 2 268,8 2 430,9

Abschreibungen 214,4 270,5 308,5 335,9 366,1

Nettonationaleink. 1 327,1 1 564,3 1 734,7 1 932,9 2 064,9

Quelle: Statistisches Bundesamt (2010b), Tab. 2.1.2.

Während mit dem Inlandsprodukt eine Produktionsgröße gemessen wird, stellt das (Netto-)Nationaleinkommen eine Einkommensgröße dar und zeigt damit den Übergang zur Verteilungsrechnung auf1. Für die Verteilungsrechnung ist allerdings nicht das Primäreinkommen, sondern das Volkseinkommen von Interesse. Der Grund ist folgender: Das Nettonationaleinkommen entspricht der Summe der Primäreinkommen der inländischen Sektoren. Das ESVG 1995 (Tz. 8.22.) definiert Primäreinkommen (primary income) als „das Einkommen, das gebietsansässige Einheiten aufgrund ihrer unmittelbaren Teilnahme am Produktionsprozess erhalten, sowie das Einkommen, das der Eigentümer eines Vermögenswertes oder eines nichtproduzierten Sachvermögensgegenstandes als Gegenleistung dafür erhält, dass er einer anderen institutionellen Einheit finanzielle Mittel oder nichtproduziertes Sachvermögen zur Verfügung stellt“. Tab. 4-5 zeigt, dass sich das Primäreinkommen aus Betriebsüberschuss/Selbständigeneinkommen, Arbeitnehmerentgelt und Vermögenseinkommen zusammensetzt, beim Staat zusätzlich aus empfangenen Nettoproduktionsabgaben. Überraschend ist, dass die gesamten vom Staat empfangenen Produktions- und Importabgaben (abzüglich Subventionen) als Primäreinkommen behandelt werden2. Damit gilt der Staat rechnerisch auch in Höhe dieser Position als an der Produktion beteiligt, was systematisch erklärt wird, aber ökonomisch keinen Sinn macht. Die Primäreinkommen stellen ansonsten Faktoreinkommen dar, also Einkommen aus der Produktion. Überzeugender wäre es, die Nettoproduktionsabgaben ökonomisch als Umverteilung zu behandeln, die an der Produktion anknüpft.

1

2

Formal ist das BIP auch die Summe der im Inland im Zuge der Produktion in einer Periode entstandenen Primäreinkommen, zuzüglich Abschreibungen. Anzumerken ist, dass die an den Staat fließenden Nettoproduktionsabgaben, also der Saldo, zu seinen Primäreinkommen rechnen. Hier sind nicht die drei Eigenmittel der EU eingeschlossen, die konventionsgemäß von den Sektoren direkt an die übrige Welt fließen.

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Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

Tab. 4-6 Verteilung der Primäreinkommen nach Sektoren 2009, Mrd Euro Gesamte Volkswirtschaft

Gegenstand der Nachweisung

Betriebsüberschuss/Selbständigeneink.

533,0

NichtFinanfinanzielle zielle Kapitalgesellschaften 308,0 18,9

Staat

-4,1

Private Haushalte u. priv. Org. oE 210,2

Übrige Welt -126,6

+ Arbeitnehmerentgelt + Nettoproduktionsabgaben + Vermögenseinkommen (Saldo)1

1 225,9 304,5 33,0

-279,9

-3,7

304,5 -42,5

1 225,9 359,1

8,0 5,7 -33,0

= Primäreinkommen

2 064,9

28,1

15,1

226,4

1 795,2

-152,3

1

Saldo aus empfangenen abzüglich geleisteten Vermögenseinkommen.

Quelle: Statistisches Bundesamt (2010b), Konto.

Zur Berechnung des Volkseinkommens werden vom Nettonationaleinkommen (Primäreinkommen) die Produktions- und Importabgaben an den Staat abgezogen und die Subventionen hinzugerechnet. Das Volkseinkommen ist damit die Summe aller den Inländern in einer Periode zugeflossenen Erwerbs- und Vermögenseinkommen1. Es umfasst das von Inländern empfangene Arbeitnehmerentgelt und die ihnen zufließenden Unternehmens- und Vermögenseinkommen (vgl. Tab. 4-6). Die Unternehmens- und Vermögenseinkommen werden als Restgröße ermittelt, indem vom Volkseinkommen das Arbeitnehmerentgelt abgezogen wird. Aus diesem Rechenweg entsteht keineswegs eine ökonomische Aufgliederung der Einkommen nach der Art der eingesetzten Produktionsfaktoren, wie im 12. Kapitel erläutert wird. Tab. 4-7 Nationaleinkommen und Volkseinkommen 1991-2009, Mrd Euro Jahr

1991 1995 2000 2005 2009

Nettonationaleinkommen

Nettoproduktionsabgaben an den Staat

1 327,1 1 564,3 1 734,7 1 932,9 2 064,9

134,6 167,1 210,3 238,2 273,0

Volkseinkommen Insgesamt 1 192,6 1 397,2 1 524,4 1 694,7 1 791,8

Arbeitnehmerentgelt 847,0 997,0 1 100,1 1 129,9 1 225,9

Unternehmensu. Vermögenseinkommen 345,6 400,2 424,4 564,8 566,0

Quelle: Statistisches Bundesamt (2010b), Tab. 2.1.3.

Das Arbeitnehmerentgelt (compensation of employees) setzt sich aus den Bruttolöhnen und -gehältern (wages and salaries) sowie den Sozialbeiträgen der Arbeitgeber (employer’s social contributions) zusammen (Tab. 4-7). Arbeitnehmerentgelt sind sämtliche Geld- und Sachleistungen, die von Arbeitgebern an Arbeitnehmer als Entgelt für die von diesen in einer Periode geleistete Arbeit erbracht werden. Zu den Geldleistungen rechnen auch Zuschläge für Überstunden, Urlaubszuschläge, Trinkgelder, Zahlungen zur Vermögensbildung sowie anlässlich des Ausscheidens von Arbeitnehmern, 1

Das in den deutschen Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen nachgewiesene Volkseinkommen wird nicht im ESVG 1995 beschrieben und ist international nicht gebräuchlich.

4. Kapitel: Konten und Standardtabellen der VGR

65

Zuschüsse zum Essen in bar. Sachleistungen (Naturalentgelt) schließen Erzeugnisse des Arbeitgebers wie Deputatkohle, Bier, Freifahrten, verbilligte Mahlzeiten sowie Essensgutscheine, freie Wohnung und Unterbringung für die ganze Familie des Arbeitnehmers, Fahrzeuge und Geräte zur persönlichen Nutzung und Zinsverbilligungen ein1. Zieht man von den Bruttolöhnen und -gehältern die Abzüge der Arbeitnehmer ab, erhält man die Nettolöhne und -gehälter. Die Sozialbeiträge der Arbeitnehmer2 werden nach tatsächlich und unterstellt gegliedert: Die tatsächlichen Sozialbeiträge (actual social contributions) werden von privaten Haushalten im Inland und in der übrigen Welt an Institutionen (Sozialversicherung, Versicherungsunternehmen) gezahlt, die soziale Leistungen gewähren. Hierzu rechnen die gesetzlich vorgeschriebenen und die freiwillig übernommenen Beiträge zur gesetzlichen Renten-, Kranken-, Arbeitslosen-, Pflege- und Unfallversicherung sowie an Lebensversicherungsunternehmen, Pensionskassen und Versorgungswerke. Tab. 4-8 Arbeitnehmerentgelt (Inländer) 1991-2009, Mrd Euro Jahr

Arbeitnehmerentgelt

1991 1995 2000 2005 2009

847,0 997,0 1 100,1 1 129,9 1 225,9

Sozialbeiträge Arbeitgeber 154,0 191,7 216,7 217,8 233,5

Bruttolöhne u. -gehälter 693,0 805,3 883,4 912,1 992,4

Abzüge der Arbeitnehmer insSozialLohngesamt beiträge steuer 211,9 276,2 313,8 309,7 353,2

99,1 126,0 142,5 152,3 176,3

112,8 150,3 171,3 157,3 176,8

Nettolöhne und -gehälter 481,1 529,1 569,6 602,4 639,2

Quelle: Statistisches Bundesamt (2010b), Tab. 2.1.8.1.

Unterstellte Sozialbeiträge (imputed social contributions) stellen den Gegenwert von sozialen Leistungen dar, die von Arbeitgebern direkt an die Begünstigten gezahlt oder für diese zurückgestellt werden. Hierzu rechnen unterstellte Sozialbeiträge für die Beamtenversorgung und die Aufwendungen der Arbeitgeber im Zusammenhang mit Betriebsrenten. Unterstellte Sozialbeiträge werden verbucht, weil sie ebenfalls als Kosten für den Produktionsfaktor Arbeit angesehen werden, und da sonst die Einkommen (insbesondere der Beamten) nicht mit denen anderer Arbeitnehmergruppen vergleichbar wären. In der Regel entsprechen die in einer Periode unterstellten Sozialbeiträge denen in derselben Periode tatsächlich gezahlten Sozialleistungen.

1

2

Nicht als Arbeitsentgelt, sondern als Vorleistungen der Arbeitgeber werden Trennungsentschädigungen, Umzugsvergütungen, Ersatz von Reisekosten, Kindergärten, Erholungsheime u. Ä. verbucht. Das Arbeitnehmerentgelt in Form von Waren und Dienstleistungen wird zu Herstellungsbzw. zu Anschaffungspreisen bewertet. Die Beiträge zur staatlich geförderten privaten Altersvorsorge (Riester-Rente) werden in den VGR als Sozialbeiträge der Arbeitnehmer dargestellt. Sie sind Bestandteil der Bruttolöhne und -gehälter bzw. des Arbeitnehmerentgelts. Ab 2009 besteht Krankenversicherungspflicht für alle Arbeitnehmer und Selbständigen. Sämtliche Beiträge an die Privaten Krankenversicherungen (als Teil der Sozialschutzsysteme), also auch die der Selbständigen, werden ab diesem Zeitpunkt als Sozialbeiträge gebucht.

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Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

Die Berechnung der Nettolöhne und -gehälter durch Abzug der Sozialbeiträge der Arbeitnehmer und der Lohnsteuer ist fragwürdig, weil die Lohnsteuer keine eigenständige Abgabe ist, sondern eine Erhebungsform der Einkommensteuer mit zahlreichen Verrechnungen. Jedenfalls sagt die Berechnung nicht das aus, was sie vorgibt1. Da die Bundesregierung für die Rentenberechnung diese Größe wünscht, muss sie (egal wie fragwürdig) nachgewiesen werden. In einer Zwischenrechnung innerhalb der primären Einkommensverteilung werden die Unternehmensgewinne (entrepreneurial income) der volkswirtschaftlichen Sektoren vor Verteilung und vor Steuern ermittelt (vgl. Tab. 4-8). Diese Gewinne ergeben sich, wenn für die Kapitalgesellschaften zum Betriebsüberschuss (operating surplus) oder bei den Selbständigeneinkommen (mixed income) die empfangenen Vermögenseinkommen hinzugezählt und die geleisteten Zinsen, die Vermögenseinkommen aus Versicherungsverträgen sowie die gezahlten Pachten abgezogen werden. Nach Berücksichtigung der Ausschüttungen und Gewinnentnahmen erhält man die Primäreinkommen der Unternehmen. Tab. 4-9 Unternehmensgewinne im Jahre 2009, Mrd Euro Gegenstand der Nachweisung

Betriebsüberschuss Selbständigeneinkommen

Gesamte Volkswirtschaft 370,1 162,8

NichtFinanfinanzielle zielle Kapitalgesellschaften 308,0 18,9 -

Staat

-4,1 -

Private Haushalte u. priv. Org. oE 47,4 162,8

Übrige Welt -126,6 -

+ empf. Vermögenseinkommen – gel. Vermögenseinkommen

453,5 410,3

86,1 59,9

362,8 307,4

-

4,5 43,0

2,3 -

= Unternehmensgewinne

576,1

334,2

74,2

-4,1

171,8

-124,3

+ Arbeitnehmerentgelt + Produktions- u. Importabgaben + empf. Vermögenseinkommen - Subventionen - gel. Vermögenseinkommen

1 225,9 304,5 425,5 31,5 435,6

306,1

59,1

304,5 19,7 31,5 62,2

1 225,9 405,8 8,3

8,0 5,7 124,7 6,4 160,0

= Primäreinkommen

2 064,9

28,1

15,1

226,4

1 795,2

-152,3

Quelle: Statistisches Bundesamt (2010b), Konto.

Für die privaten Haushalte werden allerdings zur Berechnung der Unternehmensgewinne nur die betrieblich bedingten Vermögenseinkommen erfasst, das sind die auf Betriebskredite geleisteten Zinsen (nicht die Zinsen auf Konsumentenschulden) sowie im geringen Umfang empfangene Zinsen aus der vorübergehenden Anlage von Betriebsmitteln. Daher müssen die Zinsen und Dividenden aus dem Geldvermögen der Unternehmerhaushalte und die empfangenen Vermögenseinkommen aus Versicherungsverträgen, ferner die Arbeitnehmerentgelte hinzugerechnet werden, um zum Primärein1

Auch kann die Größe durch Sondereinflüsse verzerrt werden, so z.B. bei Wegfall des Kinderfreibetrages bei gleichzeitiger Aufbesserung des Kindergeldes. Eine ähnliche Wirkung tritt auf, wenn der Sonderausgabenabzug durch Prämien ersetzt wird.

4. Kapitel: Konten und Standardtabellen der VGR

67

kommen zu gelangen. Für den Staat und die privaten Organisationen oE ist eine Zuordnung bestimmter empfangener und geleisteter Vermögenseinkommen zum Bereich ihrer Marktproduktion nicht möglich, so dass für diese Sektoren nur der Betriebsüberschuss in die Rechnung eingeht. Nach dieser Nebenrechnung wird nochmals an Tab. 4-6 angeknüpft. Dort wurde z.B. für 2009 ein Nettonationaleinkommen (= Primäreinkommen der Volkswirtschaft) in Höhe von 2064,9 Mrd Euro nachgewiesen. Erhöht man das Nettonationaleinkommen um die empfangenen laufenden Transfers aus der übrigen Welt und zieht die geleisteten laufenden Transfers an die übrige Welt ab, so ergibt sich das Verfügbare Einkommen (disposible income) der Gesamtwirtschaft. Wegen des negativen Transfersaldos war in Deutschland (vgl. Tab. 4-9) das Verfügbare Einkommen der Volkswirtschaft (2032,5 Mrd Euro) niedriger als das Nettonationaleinkommen (2064,9 Mrd Euro). Durch entsprechende Korrektur der Primäreinkommen der Sektoren um den Saldo der Transfereinkommen erhält man jeweils deren Verfügbares Einkommen als Ergebnis der Einkommensumverteilung (sekundäre Einkommensverteilung). Zu den Transfers rechnen die Einkommen- und Vermögensteuern (nicht die Produktions- und Importabgaben)1, die Sozialbeiträge, die sozialen Leistungen und die sonstigen laufenden Transfers2. Tab. 4-10 Einkommensumverteilung im Jahre 2009 nach Sektoren, Mrd Euro Transaktionen und Aggregate

Primäreinkommen Empfangene laufende Transfers Einkommen- und Vermögensteuern Sozialbeiträge Monetäre Sozialleistungen Sonstige laufende Transfers dar.: BNE-Eigenmittel Geleistete laufende Transfers Einkommen- und Vermögensteuern Sozialbeiträge Monetäre Sozialleistungen Sonstige laufende Transfers dar.: BNE-Eigenmittel Verfügbares Einkommen Ausgabenkonzept

Gesamte Volkswirtschaft

NichtFinanfinanzielle zielle Kapitalgesellschaften

Staat

Private Haushalte u. priv. Org. oE

Übrige Welt

2 064,9

28,1

15,1

226,4

1 795,2

-152,3

260,0 497,8 490,3 151,5 -

20,6 8,2 -

66,8 56,4 -

260,0 409,9 13,3 -

0,5 490,3 73,6 -

0,2 1,6 6,0 35,4 14,9

255,9 496,7 495,9 183,5 14,9 2 032,5

16,1 15,3 13,4 12,1

0,3 36,5 56,7 45,3

443,5 45,2 14,9 420,9

239,6 496,7 0,5 68,6 1 554,3

4,3 2,7 0,4 3,5 -120,0

Quelle: Statistisches Bundesamt (2010b), Konto. 1

2

Die Produktions- und Importabgaben werden in der Verteilungssphäre verbucht. Daher erscheinen sie nicht als laufende Transfers in der Umverteilung. Unter den Sonstigen laufenden Transfers findet man Nettoprämien für Schadensversicherungen, Schadensversicherungsleistungen, laufende Transfers im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit und übrige laufende Transfers (z.B. Geldstrafen und gebührenpflichtige Verwarnungen, die für Lotterielose, Wetten, Spiele gezahlten Beträge ohne das darin enthaltene Dienstleistungsentgelt) und Überweisungen von Gastarbeitern an ihre Heimatländer. Auch die vierte Quelle der EUEinnahmen, die BNE-basierten Eigenmittel, ist hier enthalten – anders als die zu den Primäreinkommen rechnenden drei EU-Eigenmittel (Abschöpfungen, Zölle, Mehrwertsteueranteil).

68

Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

Die analytisch wichtigste Einkommensgröße nach der Umverteilung, also nach Korrektur um empfangene und geleistete laufende Transfers (Transfereinkommen), ist das Verfügbare Einkommen der privaten Haushalte. Wegen unzureichender Informationen über die Transferbeziehungen zwischen privaten Haushalten und privaten Organisationen oE erfolgt in Deutschland nur ein gemeinsamer Ausweis beider Sektoren. Ein überwiegender Teil des Verfügbaren Einkommens wird konsumiert, der Rest ist Sparen (saving) und Zunahme betrieblicher Versorgungsansprüche1. Sparen bezogen auf die Summe aus Verfügbarem Einkommen nach dem Ausgabenkonzept und Zunahme der betrieblichen Versorgungsansprüche wird als Sparquote bezeichnet. Die Hinzurechnung der betrieblichen Versorgungsansprüche im Nenner ist erforderlich, weil diese über die Verwendungsseite bei den Arbeitgebern auf die Aufkommensseite der privaten Haushalte und so in das Sparen der privaten Haushalte gelangen. Sie werden aber nicht in das Verfügbare Einkommen eingerechnet2. Tab. 4-11 Verfügbares Einkommen und Sparen der privaten Haushalte1, Mrd Euro Verfügbares Einkommen davon Zeitraum

insgesamt2

1991 1995 2000 2005 2009

1000,5 1188,0 1322,2 1463,7 1554,3

Primäreink.3 1182,1 1402,2 1558,5 1653,1 1795,2

gel.mon gel. gel. empf. empf. Soz.l. Eink.- Sozialmonet. sonst. u.sonst. beiu. Soziallfd. lfd. leistgn.4 Transf. Verm.st. träge5 Transf. 258,3 43,5 147,6 290,0 45,8 347,8 58,2 180,1 377,1 62,9 409,3 66,0 217,0 427,0 67,6 459,3 74,6 200,4 447,3 75,7 490,3 74,2 239,6 496,7 69,2

Konsumausgaben2

Zunahme betriebl. Versorgungsleistgn.

879,9 1067,2 1214,2 1325,4 1411,1

9,6 11,0 15,2 17,4 33,6

Sparen

Sparquote6

130,2 131,7 123,2 155,6 176,8

12,9 11,0 9,2 10,5 11,1

1

Einschließlich privater Organisationen ohne Erwerbszweck. 2 Ausgabenkonzept. 3 Selbständigeneinkommen, Betriebsüberschuss, empfangene Arbeitnehmerentgelte, empfangene Vermögenseinkommen abzüglich geleistete Zinsen und Pachten. 4 Geldleistungen der Sozialversicherungen, Sozialleistungen aus privaten Sicherungssystemen, sonstige Sozialleistungen der Arbeitgeber sowie sonstige soziale Geldleistungen (u.a. Sozialhilfe, Arbeitslosenhilfe). 5 Tatsächliche und unterstellte Sozialbeiträge. 6 Sparen in % des Verfügbaren Einkommens (Ausgabenkonzept) einschließlich der Zunahme betrieblicher Versorgungsansprüche.

Quelle: Statistisches Bundesamt (2010b), Tab. 3.4.4.1.

Neben dem Verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte wird für analytische Zwecke das Masseneinkommen berechnet. Hierzu werden von den Bruttolöhnen und -gehältern zunächst die Lohnsteuer der Arbeitnehmer und die Arbeitnehmersozialbeiträge abgezogen (= Nettolöhne und -gehälter) und dann die empfangenen Sozialleistungen hinzugerechnet. Ferner werden die Abgaben auf soziale Leistungen und die verbrauchsnahen Steuern abgezogen. Das Masseneinkommen wird als kurzfristiger Indikator verwendet, der die Kaufkraftentwicklung breiter Bevölkerungsschichten widerspiegelt. Tab. 4-11 zeigt die Berechnung des Masseneinkommens und darüber hinaus den Zu1 2

Adjustment for the change in the net equity of households in pension funds reserves. Insofern ist in Tab. 4-10 die Summe aus Konsumausgaben und Sparen größer als das Verfügbare Einkommen.

4. Kapitel: Konten und Standardtabellen der VGR

69

sammenhang zwischen Masseneinkommen und Verfügbarem Einkommen der privaten Haushalte. Tab. 4-12 Masseneinkommen und Verfügbares Einkommen der privaten Haushalte, Mrd Euro Jahr

Nettolöhne und -gehälter

1991 1995 2000 2005 2009

481,1 529,1 569,6 602,4 639,2

1

Monetäre Sozialleistungen Abgaben auf soz. der Geder der ArbietsSozialbeitgeb. u. Leistungen, körperversipriv. Sicherung schaften2 cherungs- verbr.nahe Steuern systeme 171,5 39,9 46,9 40,4 236,9 54,2 56,7 64,7 268,4 71,6 69,3 69,3 287,8 91,2 80,4 80,7 290,5 96,4 103,4 87,0

Einschl. private Organisationen oE.

2

Masseneinkommen

Betriebsüberschuss/ Selbst.eink.

Weitere empf. abzügl. geleistete Transfers

Verfügbares Einkommen

698,9 812,1 909,5 981,0 1042,5

335,1 405,2 458,4 523,3 569,4

-33,5 -29,4 -45,8 -40,6 -57,6

1000,5 1188,0 1322,2 1463,7 1554,3

Einschl. der übrigen Welt.

Quelle: Statistisches Bundesamt (2010b), Tab. 2.1.9 und 3.4.4.2.

c) Die Verwendungsrechnung In der Verwendungsrechnung wird die Aufteilung der Produktion auf die großen Endverwendungskategorien nachgewiesen. Dabei unterscheidet man als (letzte) inländische Verwendung den Konsum der privaten Haushalte und privaten Organisationen o.E. und des Staates sowie die Bruttoinvestitionen. Rechnet man zur inländischen Verwendung den Außenbeitrag hinzu, ergibt sich das Bruttoinlandsprodukt. Der Außenbeitrag ist der Saldo aus den Exporten und Importen. Der Nachweis der Verwendungsaggregate erfolgt – wie auch bei den meisten anderen VGR-Größen – als absolute Größen und, meist von besonderem Interesse, deren Veränderung in %. Der Konsum (final consumption) wird nach dem Ausgaben- und Verbrauchskonzept berechnet. Für Tab. 4-12 ist nur das Ausgabenkonzept relevant. Nach dem Ausgabenkonzept werden private und staatliche Konsumausgaben unterschieden. Private Konsumausgaben sind die Summe der Konsumausgaben der privaten Haushalte und der privaten Organisationen ohne Erwerbszweck. Als Konsumausgaben privater Haushalte (households’ final consumption expenditures) werden die Waren- und Dienstleistungskäufe der inländischen privaten Haushalte für Konsumzwecke bezeichnet. Neben den tatsächlichen Käufen, zu denen u.a. Entgelte für häusliche Dienste und an den Staat gezahlte Benutzungsgebühren gehören, sind auch bestimmte unterstellte Käufe inbegriffen. Nicht der Konsum wird unterstellt, sondern ein Kauf, also die Transaktion. Hierzu zählen der Eigenkonsum der Unternehmer, der Wert der Nutzung von Eigentümerwohnungen und kleiner Reparaturen in Wohnungen, Naturalentgelte für Arbeitnehmer (Deputate) sowie Aufwendungen für die Verpflegung und Bekleidung der Bundeswehr. Von den Prämien der privaten Haushalte an Lebens-, Schadens-, private Unfallsowie Krankenversicherungsunternehmen geht nur das hierin enthaltene Dienstleistungsentgelt in den privaten Konsum ein. Das Gleiche gilt für Ausgaben der privaten Haushalte für Lotto, Toto u.ä. Der Konsum auf Geschäftskosten wird nicht zu den Kon-

70

Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

sumausgaben privater Haushalte gerechnet, sondern zu den Vorleistungen. Die Konsumausgaben der privaten Organisationen oE bestehen aus dem Eigenverbrauch dieser Organisationen1. Tab. 4-13 Die Verwendung des Inlandsprodukts1 1991–2009 1991

1995

2000

2005

2009

in jeweiligen Preisen, Mrd Euro und Anteile in % Bruttoinlandsprodukt Inländ. Verwendung Konsumausgaben Priv. Konsumausg. Konsumausg. Staat Bruttoinvestitionen Anlageinvestit. Vorratsveränd.1 Außenbeitrag Exporte Importe

1534,6 1540,7 1172,5 879,9 292,6 368,2 356,8 11,5 -6,1 395,5 401,6

100,0 100,4 76,4 57,3 19,1 24,0 23,2 0,7 -0,4 25,8 26,2

1848,5 1839,8 1429,0 1067,2 361,8 410,8 405,0 5,8 8,7 442,8 434,1

100,0 99,5 77,3 57,7 19,6 22,2 21,9 0,3 0,5 24,0 23,5

2062,5 2055,3 1606,1 1214,2 391,9 449,2 442,4 6,8 7,3 688,4 681,1

100,0 99,6 77,9 58,9 19,0 21,8 21,5 0,3 0,4 33,4 33,0

2242,2 2123,3 1745,0 1325,4 419,6 378,3 390,1 -11,8 118,9 921,8 802,9

100,0 94,7 77,8 59,1 18,7 16,9 17,4 -0,5 5,3 41,1 35,8

2397,1 2278,6 1883,2 1411,1 472,1 395,4 422,7 -27,3 118,5 978,8 860,3

100,0 95,1 78,6 58,9 19,7 16,5 17,6 -1,1 4,9 40,8 35,9

preisbereinigt, Kettenindex (2000 = 100) Bruttoinlandsprodukt Inländ. Verwendung Konsumausgaben Priv. Konsumausg. Konsumausg. Staat Bruttoinvestitionen Anlageinvestit. Vorratsveränd.1 Außenbeitrag Exporte Importe

85,4 85,9 84,4 84,3 84,7 90,9 85,1 x x 60,0 60,4

90,5 92,0 92,0 91,5 93,4 92,1 88,7 x x 65,0 68,2

100 100 100 100 100 100 100 x x 100 100

103,0 97,9 101,7 101,6 102,0 84,2 90,7 x x 135,1 120,3

105,2 100,8 105,0 103,3 110,2 85,6 94,5 x x 144,5 132,3

1

Einschließlich Nettozugang an Wertsachen.

Quelle: Statistisches Bundesamt (2010b), Tab. 2.3.1 und Tab. 2.3.2.

Die Konsumausgaben des Staates (government’s final consumption expenditure) entsprechen dem Wert der vom Staat selbst produzierten Güter aus Sonstiger Nichtmarktproduktion, jedoch ohne selbsterstellte Anlagen und Verkäufe, aber zuzüglich der Ausgaben für Güter, die als soziale Sachtransfers den privaten Haushalten für ihren Konsum zur Verfügung gestellt werden. Die Sonstige Nichtmarktproduktion wird über ihre Bestandteile, nämlich Vorleistungen, Arbeitnehmerentgelt, Abschreibungen und geleistete Sonstige Produktionsabgaben abzüglich empfangene Sonstige Subventionen, berechnet.

1

Wert ihrer produzierten Güter abzüglich selbsterstellte Anlagen und Verkäufe sowie der Ausgaben für Güter, die als soziale Sachtransfers den privaten Haushalten für ihren Konsum zur Verfügung gestellt werden.

4. Kapitel: Konten und Standardtabellen der VGR

71

Die Investitionen werden brutto und netto nachgewiesen. Bei den Bruttoinvestitionen (gross capital formation) werden von den Bruttoanlageinvestitionen keine Abschreibungen abgesetzt. Von Nettoinvestitionen spricht man, wenn Abschreibungen von den Anlageinvestitionen in Abzug gebracht werden. Als Bruttoanlageinvestitionen (gross fixed capital formation) wird der Wert der Käufe neuer Anlagen (einschließlich aller eingeführten und selbsterstellten Anlagen) sowie der Käufe von gebrauchten Anlagen und Land nach Abzug der Verkäufe von gebrauchten Anlagen und Land verstanden. Die Käufe und Verkäufe von gebrauchten Anlagen und Land saldieren sich weitgehend in der Volkswirtschaft. Als Anlagen werden in diesem Zusammenhang alle dauerhaften produzierten Produktionsmittel angesehen, mit Ausnahme nur militärisch nutzbarer Anlagen und Güter, die in die Konsumausgaben des Staates eingehen. Ihre Nutzungsdauer beträgt mehr als ein Jahr; sie werden normalerweise in der betriebswirtschaftlichen Buchführung aktiviert. Nicht zu den Anlagen zählen Finanzanlagen sowie dauerhafte Güter, die in den privaten Konsum eingehen. Ausgenommen sind auch geringwertige Güter, vor allem solche, die periodisch wiederbeschafft werden, auch wenn sie eine längere Nutzungsdauer als ein Jahr haben (z.B. kleinere Werkzeuge, Reifen, Büromittel). Größere Reparaturen, die zu einer wesentlichen Steigerung des Wertes einer Anlage führen, sind dagegen Bestandteile der Bruttoanlageinvestitionen. Die Bruttoanlageinvestitionen werden unterschieden nach: • Ausrüstungen (machinery and equipment) beziehen sich auf Maschinen, maschinelle Anlagen, Geräte, Fahrzeuge, Betriebs- und Geschäftsausstattungen u.ä., die nicht fest mit Bauten verbunden sind. • Die Bauten (buildings) betreffen Gebäude und sonstige Bauten, wie Straßen, Brücken, Tunnel, Eisenbahnstrecken, Flugplätze, Kanäle oder Sportplätze, und werden nach Wohnbauten und Nichtwohnbauten unterschieden. • Die Sonstigen Anlagen schließen u.a. Nutzvieh und Nutzpflanzungen sowie Computersoftware ein. Die Vorratsveränderung (changes in inventories) wird anhand von Bestandsangaben für Vorräte berechnet, die zunächst von Buchwerten auf eine konstante Preisbasis umgerechnet werden. Die Differenz zwischen Anfangs- und Endbeständen zu konstanten Preisen wird anschließend mit jahresdurchschnittlichen Preisen bewertet. Die so ermittelte Vorratsveränderung ist frei von Scheingewinnen und -verlusten, die aus preisbedingten Änderungen der Buchwerte resultieren. Zusammengefasst mit den Vorratsveränderungen wird der Nettozugang an Wertsachen (acquisitions less disposals of valuables) veröffentlicht, der aus den Käufen abzüglich Verkäufen der privaten Haushalte von Goldbarren und nichtumlauffähigen Goldmünzen besteht. Ferner werden jetzt auch Schmuck, Edelsteine, Kunstgegenstände und Antiquitäten einbezogen. Der Außenbeitrag ergibt sich als Saldo zwischen den Exporten und Importen von Waren und Dienstleistungen. Als Exporte und Importe gelten alle Waren- und Dienstleistungsumsätze mit Wirtschaftseinheiten, die ihren ständigen Sitz (Wohnsitz) außerhalb Deutschlands haben. Nicht eingeschlossen sind die grenzüberschreitenden Primäreinkommen zwischen Inländern und der übrigen Welt. Der Wert der eingeführten Waren an der deutschen Grenze (cif) wird mittels Schätzung auf den Wert frei Grenze (fob)

72

Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

der Herkunftsländer umgerechnet1, d.h. die im Gesamtwert an der deutschen Grenze enthaltenen Fracht- und Versicherungskosten ausländischer Transport- und Versicherungsunternehmen werden in die Dienstleistungskäufe umgesetzt. Mit der Verwendungsrechnung werden die für die (End-)Nachfrage relevanten Komponenten dargestellt. In Gleichungsform gilt b

(4-1) BIP = C pr + C st + I + X − M Hierbei sind Cpr die privaten, Cst die staatlichen Konsumausgaben, Ib die privaten und staatlichen Bruttoinvestitionen und (X-M) der Außenbeitrag. Damit wird Cst also genauso als Bestandteil der (End-)Nachfrage behandelt wie etwa Cpr. Zwei Anmerkungen sind im Hinblick auf den Staat erforderlich. Bei Cst handelt es sich nicht um eine (End-)Nachfrage auf dem Gütermarkt; das sind beispielsweise auch selbsterstellte Anlagen im privaten Sektor nicht. Allenfalls die in CSt enthaltenen Käufe an Vorleistungen des Staates sind Nachfrage auf dem Gütermarkt, nicht aber seine Wertschöpfung. Letztere (entspricht weitgehend dem Arbeitnehmerentgelt) ist Teil der Faktornachfrage auf dem Arbeitsmarkt. In der amerikanisch geprägten makroökonomischen Literatur wird mit Cst und Ist unbefriedigend umgegangen. Obwohl Ist auch in den VGR der Vereinigten Staaten (seit 1996) explizit nachgewiesen werden, werden die staatlichen Investitionen meist mit Cst in G als Ausgaben ohne Transfers zusammengefasst. Das mag kurzfristig zweckmäßig sein. Langfristig macht es keinen Sinn, wenn es um Produktivität und Wachstum geht und insbesondere zu den öffentlichen vergleichbare private Investitionen (z.B. Straßenbau) in die Analyse einbezogen werden. Tab. 4-12 weist die Verwendung des Bruttoinlandsprodukts 1991-2009 zunächst in jeweiligen Preisen nach. Die Ergebnisse werden hier in absoluten Größen und als Anteil an der Gesamtgröße „Bruttoinlandsprodukt“ gezeigt. So lag in dem Zeitraum der Anteil der Privaten Konsumausgaben am BIP bei etwa 57-59 %. Der Anteil der Konsumausgaben des Staates bewegte sich um rund 19 %, der Anteil der Investitionen („Investitionsquote“) sank von rund 24 % auf knapp 17 %. Die Vorratsveränderungen waren anteilsmäßig gering.2 Die Anteile der Exporte („Exportquote“) und der Importe („Importquote“) am BIP schwankten (Abbildung 4-1). Aus ihnen ist zu ersehen, welcher Anteil der inländischen Produktion im Ausland verkauft wurde bzw. welcher Anteil der inländischen Verwendung aus der übrigen Welt stammt. Der Durchschnitt beider Quoten zeigt den Offenheitsgrad einer Volkswirtschaft und wird als Maß ihrer außenwirtschaftlichen Verflechtung interpretiert. Er machte im Jahr 2009 knapp 40 % des BIP aus, in den vorhergehenden Jahren lag er deutlich über 40 % des BIP. 1

2

Soweit es sich um von inländischen Unternehmen beim Import von Waren erbrachte Transportund Versicherungsleistungen handelt, müssen sie bei der Fob-Bewertung als Exporte dieser Dienstleistungen erfasst werden. Die Buchungen wirken sich nicht auf die Höhe des Außenbeitrags aus. Die Vorratsveränderungen können aber einen großen Einfluss auf die Veränderung des BIP haben (Grömling 2002).

4. Kapitel: Konten und Standardtabellen der VGR

73

Abb. 4-1 Export- und Importquote Deutschlands Anteil der Exporte und Importe am BIP in % 50,0 40,0 30,0 20,0 Exportquote

10,0

Importquote

0,0 1991

1993

1995

1997

1999

2001

2003

2005

2007

2009

Quelle: Statistisches Bundesamt (2010b).

Auch in der Verwendungsrechnung des BIP erfolgt ein Nachweis preisbereinigt, verkettet. Die Größen werden nicht (mehr) als absolute Werte und wegen fehlender Additivität auch nicht als Anteilswerte berechnet, sondern nur als Index (2000=100) nachgewiesen. Die Veränderung gegenüber dem Vorjahr in % zeigt die wirtschaftspolitisch bedeutsame Wachstumsrate der gesamtwirtschaftlichen Produktion gemessen am realen BIP. Berechnet werden ferner die Wachstumsbeiträge zum Bruttoinlandsprodukt in %-Punkten (Tab. 4-14). Der Wachstumsbeitrag zeigt den Anteil eines Verwendungsaggregats am realen BIP-Zuwachs gegenüber der Referenzperiode und macht maßgebliche Impulse der Wirtschaftsentwicklung sichtbar. Im Zeitraum 2004 bis 2009 lagen durchgängig hohe Wachstumsbeiträge der Exporte vor, die die auch negativen Effekte anderer Verwendungen, darunter Importe, meist überkompensierten. Anders war dies im Jahr 2009: Hier kompensierte der positive Wachstumsbeitrag der Importe teilweise den negativen Effekt der Exporte. Um die Größenordnung zu verstehen, mache man sich deutlich, dass der Unterschied beispielsweise von 1 %-Punkt beim Wachstum des BIP in 2009 gering scheint, allerdings macht 1 Prozent von rund 2400 Mrd Euro in jeweiligen Preisen immerhin 24 Mrd Euro aus. Die Berechnung der Wachstumsbeiträge lässt sich vereinfacht an der Verwendungsgleichung des BIP in Periode t BIPt = Ct + It und der absoluten Veränderung ∆BIPt = ∆Ct + ∆It zeigen (Lequiller/Blades 2006, S. 28). Teilt man beide Seiten durch BIPt-1, erhält man: ∆BIPt / BIPt-1 = ∆ Ct / BIPt-1 + ∆ It / BIPt-1. Teilt und multipliziert man jeden Term auf der rechten Seite durch seinen Wert in t-1 und formt um, ergibt sich: ∆BIPt / BIPt-1 = (Ct-1 / BIPt-1)(∆Ct / Ct-1) + (It-1 / BIPt-1)(∆It / It-1). Der Wachstumsbeitrag des Verwendungsaggregats Konsum (C) entspricht also dem Anteil dieser Variablen (Ct-1 / BIPt-1) multipliziert mit der Wachstumsrate dieser Variablen (∆Ct / Ct-1).

74

Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

Tab. 4-14 Wachstumsbeiträge zum Bruttoinlandsprodukt in %-Punkten Bruttoinlandsprodukt Inländ. Verwendung Konsumausgaben Priv. Konsumausgaben Konsumausg. d. Staates Bruttoinvestitionen Anlageinvestitionen Vorratsveränderungen1 Außenbeitrag Exporte Importe 1

2004

2005

2006

2007

2008

2009

1,2 -0,1 -0,1 0,1 -0,1 -0,1 -0,1 0,0 1,4 3,7 -2,3

0,8 0,0 0,3 0,2 0,1 -0,3 0,1 -0,4 0,8 3,0 -2,2

3,4 2,3 1,0 0,8 0,2 1,3 1,4 -0,1 1,1 5,4 -4,3

2,7 1,2 0,2 -0,1 0,3 1,0 0,9 0,1 1,5 3,5 -2,0

1,0 1,1 0,8 0,4 0,4 0,3 0,5 -0,2 -0,1 1,2 -1,3

-4,7 -1,8 0,4 -0,1 0,5 -2,2 -1,9 -0,3 -2,9 -6,8 3,9

Einschl. Nettozugang an Wertsachen.

Quelle: Statistisches Bundesamt (2010b), Tab. 2.3.2.

Der Konsum der privaten Haushalte nach dem Ausgabenkonzept in Tab. 4-13 ist nicht identisch mit ihrem gesamten Individualkonsum (individual consumption). Der Grund hierfür besteht, grob gesprochen, in den zwei Arten von Dienstleistungen, die der Staat bereitstellt. Die einen sind kollektiv, z.B. Sicherheit. Die anderen sind individuell, d.h. dem Einzelnen unmittelbar zurechenbar, z.B. Erziehungs-, Gesundheits- und ähnliche Leistungen (soziale Sachtransfers)1. Sie werden letztlich von privaten Haushalten verbraucht, ohne dass bei ihnen dafür Ausgaben anfallen, und sie sind daher eine wesentliche Komponente, die zusammen mit den privaten Konsumausgaben den Individualkonsum (oder privaten Konsum nach dem Verbrauchskonzept) ergibt. In den privaten Konsum eingeschlossen und konventionsgemäß Teil des Individualkonsums ist der Eigenverbrauch der privaten Organisationen oE (final consumption expenditure of NPISHs). Er besteht aus dem Wert der von diesen Organisationen produzierten Güter abzüglich selbsterstellter Anlagen und Verkäufe sowie den Ausgaben für Güter, die als soziale Sachtransfers den privaten Haushalten für ihren Konsum zur Verfügung gestellt werden. Der Übergang vom Ausgaben- zum Verbrauchskonzept beim privaten Verbrauch erfolgt entsprechend für den Staat. Vermindert man die Konsumausgaben des Staates um die von ihm geleisteten sozialen Sachtransfers, erhält man eine Größe als Rest, die auch als Kollektivkonsum (collective consumption) bezeichnet wird2. Tab. 4-15 zeigt den Konsum nach beiden Konzepten. Die Konsumausgaben der privaten Haushalte und des Staates werden auch disaggregiert nachgewiesen. Die Konsumausgaben der privaten Haushalte im Inland werden in jeweiligen Preisen und preisbereinigt, verkettet nach Lie1

2

Hierzu rechnen soziale Sachleistungen (= Erstattungen der Sozialversicherung für zunächst selbst bezahlte Leistungen) und individuell zurechenbare Sachleistungen. Von ihm wird angenommen, dass er allen Mitgliedern der Bevölkerung oder allen Angehörigen einer bestimmten Bevölkerungsgruppe, beispielsweise allen privaten Haushalten einer bestimmten Region, gleichzeitig zur Verfügung gestellt wird.

4. Kapitel: Konten und Standardtabellen der VGR

75

ferbereichen1, nach Verwendungszwecken und nach der Dauerhaftigkeit der Güter dargestellt. Tab. 4-16 verdeutlicht Strukturverschiebungen im Zeitraum 1991 bis 2009 – in jeweiligen Preisen gemessen – in den großen Verwendungsbereichen vor allem zugunsten der Mietzahlungen, Wasser und Energie und zulasten der Nahrungsmittel, Getränke, Tabakwaren. Der Nachweis der langlebigen Güter ist einmal von Interesse für die Vermögensrechnung, weil sie die Bestandsänderung darstellen. Zum anderen ist ihr Nachweis für die Konjunkturanalyse von Interesse, wenn sie im Konjunkturzyklus ähnlich variabel wie die Investitionen der Unternehmen sind. Tab. 4-15 Konsum nach Ausgaben- und Verbrauchskonzept, jeweilige Preise, Mrd Euro Konsumausgaben (Ausgabenkonzept) Jahr

insgesamt

1991 1995 2000 2005 2009 1

1 172,5 1 429,0 1 606,1 1 745,0 1 883,2

Private Konsumausgaben Priv. OrgazusamPrivate nisationen men Haushalte oE 879,9 859,4 20,5 1 067,2 1 037,6 29,6 1 214,2 1 180,3 33,8 1 325,4 1 288,8 36,7 1 411,1 1 371,6 39,4

Konsumausgaben (Verbrauchskonzept)

Staat zusammen

dar. für Individualkonsum

Individualkonsum

KollektivKonsum1

292,6 361,8 391,9 419,6 472,1

158,1 205,6 224,8 246,8 284,8

1 037,9 1 272,8 1 439,0 1 572,3 1 695,8

134,5 156,2 167,1 172,7 187,4

Konsumausgaben des Staates abzüglich darin enthaltener Teil für den Individualkonsum.

Quelle: Statistisches Bundesamt (2010b), Tab. 2.3.4.

6. Kennziffern aus Ergebnissen der VGR Für verschiedene Zwecke ist es sinnvoll, die Ergebnisse der VGR nicht nur in absoluten Zahlen oder gesamtwirtschaftlichen Quoten, sondern auch als Beziehungszahlen darzustellen. Während eine Quote das Verhältnis einer Teilmenge zu einer Gesamtmenge darstellt (z.B. Investitionsquote), ist bei einer Beziehungszahl die Größe im Zähler nicht oder nicht vollständig im Nenner enthalten. So können absolute Größen, bei denen das Inländerkonzept (Wohnortkonzept) zugrunde liegt, auf die Wohnbevölkerung bezogen werden. Auf diese Weise werden z.B. das Volkseinkommen je Einwohner oder der Private Verbrauch je Einwohner berechnet. Ist die eine Größe der Kennziffer hingegen nach dem Inlandskonzept abgegrenzt, ist dies auch für die Bezugsgröße erforderlich. Tab. 4-17 zeigt die Entwicklung verschiedener solcher Kennziffern für das Bruttoinlandsprodukt und das Bruttonationaleinkommen2. Die Relation „BIP/Einwohner“ entspricht nicht dieser Regel, weil das BIP nach dem Inlandskonzept berechnet wird, die Einwohner nach dem Inländerkonzept. Korrekt gebildet ist das BIP je Erwerbstätigen, weil hier Verzerrungen aufgrund von Pendelbewegungen ausgeschaltet sind. Aus1

2

Die Berechnung der Konsumausgaben der privaten Haushalte nach der Lieferantenmethode, d.h. als Anteil der privaten Haushalte am Umsatz der einzelnen Lieferbereiche, ist der wichtigste Ansatz vor allem für die Ermittlung kurzfristiger Angaben. Vgl. Statistisches Bundesamt (2003a), Kapitel 3.6. Weitere Kennziffern, die zum Standardrepertoire der Wirtschaftsbeobachtung gehören, werden insbesondere im 11. und 12. Kapitel behandelt.

76

Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

schließlich nach dem Inländerkonzept sind hingegen die in den beiden letzten Spalten gezeigten Relationen berechnet. Tab. 4-16 Konsumausgaben der privaten Haushalte im Inland – in jeweiligen Preisen nach Verwendungszwecken und nach Dauerhaftigkeit der Güter 1991

Nahrungsmittel, Getränke, Tabakwaren Bekleidung, Schuhe Wohng, Wasser, Strom, Gas u.a. Brennst. Einrichtgsgegenst., Geräte f. d. Haushalt Gesundheitspflege Verkehr Nachrichtenübermittlung Freizeit, Unterhaltung, Kultur Beherbergungs-, Gaststättendienstleist. übrige Verwendungszwecke Konsumausg. priv. Haush. im Inld. insg.

150,6 67,4 162,6 71,2 24,5 127,0 14,8 79,9 48,5 100,7 847,1

Verbrauchsgüter Kurzlebige Güter Langlebige Güter Dienstleistungen Konsumausg. priv. Haush. im Inld. insg.

261,5 111,2 121,7 352,7 847,1

Nahrungsmittel, Getränke, Tabakwaren Bekleidung, Schuhe Wohng, Wasser, Strom, Gas u.a. Brennst. Einrichtgsgegenst., Geräte f. d. Haushalt Gesundheitspflege Verkehr Nachrichtenübermittlung Freizeit, Unterhaltung, Kultur Beherbergungs-, Gaststättendienstleist. übrige Verwendungszwecke Konsumausg. priv. Haush. im Inld. insg.

17,8 8,0 19,2 8,4 2,9 15,0 1,7 9,4 5,7 11,9 100,0

Verbrauchsgüter Kurzlebige Güter Langlebige Güter Dienstleistungen Konsumausg. priv. Haush. im Inld. insg.

30,9 13,1 14,4 41,6 100,0

1995 2000 2005 2009 nach Verwendungszwecken, Mrd Euro 163,1 172,4 182,2 192,9 67,3 69,5 65,9 69,9 227,7 266,5 301,1 327,5 84,0 90,5 86,0 88,6 38,8 47,4 58,3 67,3 137,1 157,7 178,0 191,2 19,9 28,7 36,4 37,9 93,8 115,9 117,7 124,6 57,4 65,7 68,4 76,4 124,4 135,4 163,0 162,0 1013,3 1149,7 1256,9 1338,3 nach Dauerhaftigkeit, Mrd. Euro 289,2 320,6 352,5 374,4 117,2 124,8 120,0 125,3 127,3 141,2 145,8 158,9 479,7 563,1 638,7 679,6 1013,3 1149,7 1256,9 1338,3 in % der Konsumausgaben der privaten Haushalte 16,1 15,0 14,5 14,4 6,6 6,0 5,2 5,2 22,5 23,2 24,0 24,5 8,3 7,9 6,8 6,6 3,8 4,1 4,6 5,0 13,5 13,7 14,2 14,3 2,0 2,5 2,9 2,8 9,3 10,1 9,4 9,3 5,7 5,7 5,4 5,7 12,3 11,8 13,0 12,1 100,0 100,0 100,0 100,0 28,5 11,6 12,6 47,3 100,0

27,9 10,9 12,3 49,0 100,0

28,0 9,5 11,6 50,8 100,0

28,0 9,4 11,9 50,8 100,0

Quelle: Statistisches Bundesamt (2005a, 2010b), Tab. 3.3.3, eigene Berechnungen.

7. Die Berichtsperiode der Transaktionen Die volkswirtschaftlich interessierenden Transaktionen können für unterschiedliche Zeiträume (insbesondere Jahr, Vierteljahr, Monat) dargestellt werden. Um die aktuelle wirtschaftliche Situation einschätzen zu können, bedarf es nicht nur der möglichst

4. Kapitel: Konten und Standardtabellen der VGR

77

schnell vorliegenden Jahresangaben. Für wichtige Tatbestände der VGR werden auch Vierteljahresergebnisse veröffentlicht. Die vierteljährlichen VGR werden im 11. Kapitel behandelt. Darüber hinaus liefert das Statistische Bundesamt auch Halbjahreszahlen. Tab. 4-17 BIP, BNE und Volkseinkommen je Erwerbstätigen bzw. Einwohner, in 1000 Euro Bruttonationaleinkommen

Bruttoinlandsprodukt Jahr

1991 1995 2000 2005 2009

in jeweiligen Preisen je Erw.tätigen

je Einwohner

39,7 49,2 52,7 57,7 59,5

19,2 22,6 25,1 27,2 29,3

preisbereinigt (Index 2000=100) je Erw.je Eintätigen wohner 86,5 94,3 100,0 103,8 102,2

87,7 91,1 100,0 102,7 105,6

Volkseinkommen

in jeweiligen Preisen je Einwohner 19,3 22,5 24,9 27,5 29,7

14,9 17,1 18,5 20,6 21,9

Quelle: Statistisches Bundesamt (2010b), Tab. 2.1.4.

8. Die regionalen VGR Für viele Fragen kann eine räumliche Disaggregation und damit neben der Bereitstellung nationalstaatlicher Daten auch die großräumlicher und regionaler Daten erforderlich sein1. Berechnungen auf dem Gebiet der VGR unterhalb der nationalen Ebene (Bundesländer und darunter) bezeichnet das ESVG als regionale Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen (regional accounts). Sie sind Teil des Lieferprogramms an die EU und werden in Deutschland in den ,,Gemeinschaftsveröffentlichungen der Statistischen Landesämter“ vorgelegt. Hier ist der Arbeitskreis ,,Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder“ (VGRdL) verantwortlich, in dem die Statistischen Landesämter der 16 Bundesländer, das Statistische Bundesamt und das Bürgeramt, Statistik und Wahlen der Stadt Frankfurt a.M. als Vertreter des Deutschen Städtetags vertreten sind. Grundlage der regionalen Berechnungen sind die vom Statistischen Bundesamt vorgelegten nationalen Angaben. Die Veröffentlichungen enthalten in detaillierter Bereichsgliederung Ergebnisse der Entstehungsrechnung, die am Beginn der regionalen Berechnungen steht. Ferner werden Daten der Verteilungs- und Umverteilungsrechnung sowie der Verwendungsrechnung des Bruttoinlandsprodukts auf regionaler Ebene gezeigt. Darüber hinaus werden Kreisergebnisse für die Bruttowertschöpfung sowie für die Primäreinkommen und das Verfügbare Einkommen der privaten Haushalte berechnet. Regionale Daten zu Kapitalstock, Anlagevermögen, Abschreibungen und Erwerbstätigen in Form jahresdurchschnittlicher Länder- und Kreisergebnisse werden ebenfalls 1

Auch multinationale Rechnungen sind von Interesse. Das gilt für institutionalisierte Gebilde wie die EU oder die WWU oder z.B. nach geographischer Lage oder Entwicklungsstand zusammengefasste Räume (siehe hierzu das 15. und 16. Kapitel).

78

Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

vorgelegt. Die Bedeutung solcher Regionalzahlen (insbesondere als regionale Leistungskennziffern) ist für regionalökonomische Analysen groß. Die vom Arbeitskreis berechneten Daten auf Vorjahrespreisbasis sind nicht länderspezifisch deflationiert, weil die basisstatistischen Voraussetzungen fehlen. Üblicherweise werden die Aggregate anhand der Bundesdeflatoren in tiefster wirtschaftsfachlicher Gliederung abgeleitet oder durch Koordinierung gewonnen. Die Länderrechnungen partizipieren damit mittelbar an veränderten Bundesmethoden. Tab. 4-18 Bruttoinlandsprodukt der Länder in jeweiligen Preisen, Anteil an Deutschland in % Jahr 1991 1995 2000 2005 2009

BW 15,1 14,1 14,4 14,4 14,3

BY 17,1 16,5 17,4 17,8 17,9

BE 4,1 4,3 3,8 3,5 3,7

BB 1,3 2,1 2,2 2,2 2,2

HB 1,2 1,1 1,1 1,1 1,1

HH 3,7 3,5 3,5 3,6 3,6

HE 9,2 8,8 8,9 9,0 9,0

MV NI 0,9 9,1 1,5 8,7 1,5 8,7 1,4 8,6 1,5 8,5

NW 24,1 22,6 22,0 21,8 21,7

RP 4,8 4,5 4,4 4,3 4,3

SL 1,3 1,3 1,2 1,2 1,2

SN 2,3 3,8 3,7 3,8 3,9

ST 1,3 2,1 2,1 2,1 2,1

SH 3,3 3,2 3,1 3,0 3,0

TH 1,1 1,9 2,0 2,0 2,0

Quelle: VGR der Länder.

Von Ausnahmen abgesehen gibt es nur länderscharfe Ergebnisse (siehe Tab. 4-18 und 4-19), auf deren Grundlage Zusammenfassungen für mehrere Länder und insbesondere zu den Großraumregionen Ost und West vorgenommen werden können. Angaben für Berlin-West und Berlin-Ost stehen nicht mehr zur Verfügung, daher wird Berlin im West-Ost-Vergleich zu den westdeutschen oder ostdeutschen Bundesländern zugeordnet. „Der Nutzer der Daten kann je nach Fragestellung zwischen ihnen wählen. Aus der Sicht der geografischen Lage ist sicher eine Zusammenfassung der neuen Länder mit Berlin zu Ostdeutschland sinnvoll. Aus der Sicht der wirtschaftlichen Lage und Entwicklung ist eine solche Aggregation derzeit jedoch noch verfrüht“ (Brautsch/Ludwig 2002, S. 20). Der Arbeitskreis VGRdL stellt auch eine Regionalrechnung für kreisfreie Städte und Landkreise auf; sie erlaubt u.a. einen (länderübergreifenden) Vergleich von Städten1. Hier werden mit Tab. 4-20 einige Ergebnisse für die 15 größten deutschen Städte gezeigt. Es ist zu erkennen, dass bei der relativen Wirtschaftskraft (BIP/Erwerbstätige) Frankfurt/M, Düsseldorf, Hamburg und München im Jahre 2008 die Spitzenposition einnahmen, bei der Entwicklung 2000 bis 2008 einige Städte im Ruhrgebiet herausragten, während Köln und besonders Berlin deutlich weniger zulegen konnten.

1

Zu den Problemen bei der Erstellung regionaler Rechnungen siehe Kapitel 5, 11.

4. Kapitel: Konten und Standardtabellen der VGR

79

Tab. 4-19 BIP der Länder insgesamt, je Einwohner und je Erwerbstätigen im Jahr 2009 BIP in Mrd € BW BY BE BB HB HH HE MV NI NW RP SL SN ST SH TH D

343,7 429,9 90,1 53,9 26,8 85,8 216,5 35,2 205,6 521,7 102,5 28,9 92,9 51,5 73,4 48,9 2407,2

Veränderung 2000 bis 2009 in % 15,6 19,6 15,0 19,8 21,0 18,2 18,2 17,2 14,1 14,9 12,6 16,6 22,7 18,9 13,2 20,4 16,7

BIP je Einwohner in € 31982 34397 26265 21422 40529 48229 35731 21264 25877 29159 25511 28133 22228 21744 25935 21653 29406

Veränderung 2000 bis 2009 in % 12,8 16,7 13,4 23,8 21,2 13,7 18,2 26,1 13,7 15,5 12,9 21,7 30,5 32,3 11,3 30,1 17,2

BIP je Erwerbstätigen in € 61678 64650 54116 50992 68441 76235 69456 48168 55914 60157 55284 56967 47898 50965 57319 48112 59784

Veränderung 2000 bis 2009 in % 11,0 13,8 8,8 20,6 19,9 9,5 15,4 20,1 9,4 12,2 7,1 16,7 24,8 24,6 10,1 26,0 13,5

Quelle: VGR der Länder; eigene Berechnungen.

Tab. 4-20 BIP insgesamt und je Erwerbstätigen in den 15 größten deutschen Städten Gebietseinheit

Berlin Hamburg München Köln Frankfurt am Main Stuttgart Dortmund Essen Düsseldorf Bremen Hannover1 Duisburg Leipzig Nürnberg Dresden Deutschland 1

in Mio € 2008 88585 87482 73776 43108 53573 34427 19115 22321 42802 23640 62845 15411 13802 23483 15379 2495800

BIP Veränderung 2000 bis 2008 in % 13,0 20,6 18,8 15,0 21,3 20,2 30,1 25,1 24,8 24,7 17,9 26,4 29,6 20,8 34,5 21,6

Statistische Region Hannover.

Quelle: VGR der Länder; eigene Berechnungen.

BIP je Erwerbstätigen in € Veränderung 2000 2008 bis 2008 in % 54080 8,7 78519 12,8 77338 14,5 65056 9,0 86805 15,9 73005 18,0 64171 21,5 71269 23,4 88017 18,7 72254 24,6 60626 17,2 68500 25,0 47426 21,5 63072 16,6 50194 23,1 61963 17,6

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Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

Literatur zum 4. Kapitel Die deutschen Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen setzen den vom Statistischen Amt der Europäischen Gemeinschaften (Eurostat 1996) im Europäischen System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen, ESVG 1995, vorgegebenen Rahmen um. Dort sind Aufbau und Definitionen umfassend dargestellt. Das ESVG wiederum setzt die Empfehlungen der Vereinten Nationen (System of National Accounts – SNA 1993, United Nations, 1993) für Zwecke der EU um. Beide Systeme ihrerseits beruhen auch auf Ausarbeitungen der OECD bzw. ihrer Vorgängerorganisation (OEEC 1952). Eine Darstellung der Konventionen der amtlichen VGR liefert das Statistische Bundesamt in seiner jährlich aktualisierten Fachserie 18, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen, Reihe 1: Konten und Standardtabellen. Detaillierte Erläuterungen gibt auch die 3. Auflage des von Brümmerhoff/Lützel (2002) herausgegebenen Lexikons der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen. Grundsätzliche Aspekte werden ferner in der Monatszeitschrift des Statistischen Bundesamtes ,,Wirtschaft und Statistik“ behandelt, darunter Berichte zur Anpassung an das ESVG 1995 in Heft 4/1999 und 6/1999 sowie zur letzten Revision im Jahr 2005 in Heft 5/2005 und 10/2006. Lange Reihen, die bis 1950 zurückreichen, und Ergebnisse für Wirtschaftsbereiche werden ebenfalls in der Fachserie 18 veröffentlicht – nach Stand der letzten Revision von 2005 wurden Berechnungen für Deutschland zurück bis 1991 und für das frühere Bundesgebiet bis 1970 vorgelegt. In der Reihe 18 erscheinen unregelmäßig Veröffentlichungen zu Spezialfragen (z.B. der Staat in den VGR). Zur Abgrenzung der Sektoren siehe ESVG 1995, Kapitel 2, die für die Entstehungs- und Verteilungsrechnung des BIP maßgeblichen Begriffe der Güterund Verteilungstransaktionen beschreiben Kapitel 3 und 4, Abschreibungen und andere Ströme behandelt Kapitel 6, das Kontensystem wird in Kapitel 8 erläutert. Der Methodenband des Statistischen Bundesamtes (2007) umfasst auch die Revision von 2005. Zur Darstellung der VGR auf Länderebene und für regionale Einheiten siehe Leibing (2002), Treeck (2002), Kohlhuber (2002, 2000) und die Gemeinschaftsveröffentlichung der Statistischen Landesämter. Weitere Beiträge finden sich in den statistischen Publikationen der Landesämter (z.B. Statistisches Monatsheft BW, Bayern in Zahlen, Berliner Statistik). Der Arbeitskreis VGRdL hat eine Methodenbeschreibung vorgelegt (Stand 4/2007), die an die Revision 2005 angepasst ist. Das Datenangebot des Arbeitskreises steht im Internet für die wichtigsten Aggregate kostenlos zur Verfügung (http://www.vgrdl.de). Möglichkeiten und Grenzen der Regionalisierung der VGR behandeln Geppert/Görzig (1988). Daten auf Kreis- und Städteebene enthalten die Veröffentlichungen der VGR der Länder und des Deutschen Städtetags; siehe auch Münzenmaier (2006). Das ESVG 1995 erläutert in Kapitel 13 Regionale Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen.

4. Kapitel: Konten und Standardtabellen der VGR

81

Aufgaben zum 4. Kapitel 1. Was ist das Abgrenzungskriterium für die Volkswirtschaft der Bundesrepublik? 2. Rechnen Gastarbeiter, Grenzgänger, amerikanische Touristen, deutsche Diplomaten im Ausland, IBM-Deutschland zu den Inländern? 3. Welche Sektoren und Untersektoren enthalten die VGR? 4. Was sind die entscheidenden Merkmale zur Kennzeichnung der Nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften, Finanziellen Kapitalgesellschaften und des Staates? 5. Wann liegt Marktproduktion im ESVG vor? 6. Sollte die Sozialversicherung nicht besser dem Sektor Kapitalgesellschaften (und hier den Versicherungsunternehmen insbesondere) zugerechnet werden? 7. Was unterscheidet die privaten Organisationen oE vom Staat, was haben beide gemeinsam? 8. Welchem Sektor werden folgende Wirtschaftseinheiten zugeordnet: Bundeswehr, Lufthansa, Bundesbahn, Barmer Ersatzkasse, private Krankenversicherungen, ein Gesangsverein e.V., Deutscher Gewerkschaftsbund, Bundesverband der Deutschen Industrie, Universität Rostock? 9. Stellen Sie die verschiedenen Wege zur Berechnung des Inlandsprodukts dar. 10. Definieren Sie Produktionswert, Bruttowertschöpfung und Vorleistungen. 11. Gibt es einen Wirtschaftsbereich „Staat“? 12. Welche Zusammenhänge bestehen zwischen Produktionswert (PW), Umsatz (U), Bruttowertschöpfung (BWS), Nettowertschöpfung (NWS) und weiteren zu ergänzenden Größen? 13. Lässt sich beim Staat wie bei den Kapitalgesellschaften der Produktionswert aus seiner Nichtmarktproduktion auch als Summe der Verkäufe und Bestandsänderungen berechnen? 14. In welchem Konto setzt die Berechnung des Produktionswertes des Staates aus seiner Nichtmarktproduktion an? 15. Stimmt die Aussage: Die Summe der Bruttowertschöpfungen der Wirtschaftsbereiche ergibt das BIP? 16. Welche Produktions- und Importabgaben fehlen im Herstellungspreis? 17. Das Statistische Bundesamt unterscheidet zwischen dem Privaten Konsum nach dem Ausgaben- und nach dem Verbrauchskonzept. Worin liegt der Unterschied? Welche Konten werden tangiert, wenn neben dem Ausgaben- das Verbrauchskonzept berücksichtigt wird? 18. Warum kommt die Summe der Produktionswerte nicht als gesamtwirtschaftliches Produktionsmaß in Betracht? 19. Trifft die Aussage zu: Je höher die Beamtengehälter ausfallen, desto höher ist ceteris paribus die staatliche Wertschöpfung? 20. Warum ist die Bezeichnung „Konsumausgaben des Staates“ unzutreffend? 21. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften (2009, 2.4) schreibt: „Studien zufolge haben die Bürger gelegentlich das Gefühl, dass das BIP steigt und dennoch der Eindruck herrscht, dass die Verfügbaren Einkommen sinken und öffentliche Dienstleistungen abgebaut werden“. Welcher einfach zu erklärende Fall kann die unterschiedliche Entwicklung vom BIP und Verfügbarem Einkommen erklären?

5. Kapitel Einzelheiten und Probleme der Verbuchung bei den Konten und Standardtabellen Die Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen ruhen auf drei Pfeilern (Strohm 2003): • Konzepten (Definitionen, Abgrenzungen, Klassifikationen u. Ä.), die durch SNA 1993, ESVG 1995 und Handbücher festgelegt werden; • Basisdaten (Statistiken über Umsätze, Produktion, Investitionen, Preise, Beschäftigte, Kostenstrukturen, Löhne, Verbrauchsausgaben usw.); • Methoden (technische Verfahren, Rechenmethoden, personelle und sachliche Ressourcen usw.). Das ESVG 1995 gibt die Konzepte vor, die für die Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen in Deutschland maßgeblich sind. Diese Konzepte sind das Ergebnis jahrzehntelanger Diskussionen, wie theoretisch der Wirtschaftsprozess abzubilden und der empirische Nachweis vor allem von Produktion und Einkommen erfolgen sollen1. Da die Konzepte vor dem Hintergrund mehrerer Ziele entwickelt wurden2 und international abgestimmt werden mussten, waren Kompromisse erforderlich, die einem konsequenten und konsistenten Aufbau im Hinblick auf einzelne Ziele entgegenstehen. Das wird im Folgenden deutlich, wenn Einzelheiten der Verbuchung, grundlegende Fragen wie die Abgrenzung von Sektoren und Aktivitäten, die Bewertung und Periodisierung sowie Quellen, methodische Fragen und die Genauigkeit der Ergebnisse behandelt werden.

1. Die Abgrenzung der Sektoren Zahl und Art der (Wirtschaftsbereiche und) Sektoren sind mitentscheidend für den Informationswert der vorgelegten Angaben. Die Abgrenzung der Sektoren hängt zwar prinzipiell von der Fragestellung und den verfügbaren Daten, letztlich aber von den international bestehenden Konventionen ab. Für verschiedene Fragen kann es durchaus zweckmäßig sein, Sektoren anders als in den VGR üblich abzugrenzen. Allerdings ist das vom Statistischen Amt der Europäischen Gemeinschaften (Eurostat) vorgeschriebene Veröffentlichungsprogramm für die einzelnen Mitgliedstaaten der EU sehr umfassend, so dass bei gegebenen Ressourcen wenig Spielraum für nationale Besonderheiten besteht. Ein Merkmal der früheren deutschen VGR, die Zusammenfassung der gesamten (Markt-)Produktion in einem Sektor (Unternehmen) des Wirtschaftskreislaufs, ist im ESVG nicht vorgesehen. Soweit Unternehmen nicht Kapitalgesellschaften darstellen, 1 2

Das hat die kurze Geschichte der VGR im 1. Kapitel gezeigt. Siehe Kapitel 1.4 Im SNA (para 1.29) heißt es: „The SNA ... is a multipurpose system ... designed for economic analysis, decision-taking and policy making“.

5. Kapitel: Verbuchungsprobleme

83

werden sie gegenüber dem traditionellen Unternehmenssektor ausgegrenzt und dem Sektor private Haushalte zugewiesen. Dadurch sind die privaten Haushalte Konsumenten und Produzenten. Für diese Verfahrensweise dürfte eine Rolle gespielt haben, dass in anderen hochentwickelten Staaten die Bedeutung der Kapitalgesellschaften erheblich größer ist als in Deutschland. Ferner ist die Grenze zwischen der Unternehmensund Haushaltseigenschaft bei den Selbständigen u. Ä. nur schwer zu ziehen. Dennoch scheint aus dem Zuordnungskriterium, nämlich der Sicht der kleinsten Darstellungseinheit, in Deutschland die Zuweisung der Selbständigen usw. in einen Unternehmenssektor (zumindest ergänzend) sinnvoll. Ein in den deutschen VGR traditionell fehlender Nachweis der öffentlichen Unternehmen hat zwischenzeitlich an Bedeutung verloren. Sie werden – wie bisher – nicht gesondert nachgewiesen, weil es schwierig ist, eine befriedigende, operationalisierbare Abgrenzung festzulegen. Als Kriterien kommen insbesondere die staatliche Beteiligung und/oder das Ausmaß der öffentlichen Kontrolle in Betracht. Das ESVG 1995 unterscheidet als Teilsektoren private, öffentliche und ausländische Kapitalgesellschaften. Öffentliche Unternehmen (public corporations) sind also ein Teilsektor der Kapitalgesellschaften. Die Zuordnung erfolgt in der Reihenfolge: (1) Sie sind eigene institutionelle Einheiten, die (2) vom Staat kontrolliert werden und (3) das 50 %-Kriterium erfüllen. Das Kriterium hilft, wenn es um die Berechnung des BIP geht und zu entscheiden ist, ob der Output zu Preisen oder zu Kosten bewertet wird. Bei der ökonomischen Beurteilung der staatlichen Aktivität hilft es aber weniger, denn auch ein öffentliches Unternehmen, das 51 % seiner Kosten deckt, ist ohne staatliche Hilfe nicht lebensfähig und sein Verhalten dürfte eher dem des Staates als dem der privaten Unternehmen entsprechen. Erhebliche Schwierigkeiten bereitet die Abgrenzung des Staates gegenüber dem privaten Sektor mit den vielen Formen der Entstaatlichung, Privatisierung, des Outsourcings oder beispielsweise der Public Private Partnership (PPB)1. In der verschiedensten Art und Weise wird die Erfüllung (ehemaliger und weiter bestehender) öffentlicher Aufgaben in privatrechtlicher Form realisiert. In manchen Fällen mag die Zuordnung zu Sektoren überraschend sein. So erfordert die Verbuchung der von Eigentümern genutzten Wohnungen als Investition und Sachvermögen, dass die Eigentümer als Produzenten gebucht werden, die an sich selbst in der Eigenschaft als Konsumenten Wohnungen vermieten. Die der Sektoreneinteilung zugrunde liegenden Definitionen lassen sich nicht immer konsequent umsetzen. Daher sind in erster Linie einmal getroffene Konventionen für die Zuordnung der Wirtschaftseinheiten maßgeblich, die nur in größeren Revisionen verändert werden (können), weil sonst Probleme der zeitlichen Vergleichbarkeit der Daten auftreten. Umrechnungen führen ferner zu Kosten und beeinträchtigen – nicht abgestimmt – die internationale Vergleichbarkeit. 1

Ein Handbuch von Eurostat (2002) soll in diesen Fällen zur Klärung beitragen. Siehe auch OECD (2009).

84

Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

2. Der Produktionsbegriff Wie sind ökonomische von nichtökonomischen Aktivitäten, Produktion gegenüber Umverteilung abzugrenzen? Übersicht 4.7 im 4. Kapitel zur Definition des BIP zeigt, dass es beim BIP um produzierte Güter geht. Es geht letztlich um Fragen zur Festlegung der Produktionsgrenze im Rahmen eines volkswirtschaftlichen Rechenwerks. Die Antworten hierauf und daher auch der zu wählende Produktionsbegriff werden je nach Zielsetzung (zu den wichtigsten siehe Kapitel 1.4) unterschiedlich ausfallen. Im Anschluss an Studenski (1958) werden häufig drei Produktionsbegriffe (oder Produktionskonzepte) unterschieden: • Das Konzept der Marktproduktion („restricted market production concept“); • das Konzept der materiellen Produktion („restricted material production concept“); • das umfassende Produktionskonzept („comprehensive production concept“).

a) Der marktbestimmte Produktionsbegriff Das auf Marktaktivitäten beschränkte Konzept misst als Produktion die Erstellung von Sachgütern und Dienstleistungen, für die es zu Marktvorgängen kommt. Die auf dem Markt angebotenen Güter bilden dort ihren Preis, die Einkommen werden dort erzielt und verwendet. Über den Markt können auch Präferenzen der Wirtschaftssubjekte zum Ausdruck kommen. Marktvorgänge zwischen Institutionengruppen haben sicher in einer Wirtschaftsordnung wie der der Bundesrepublik Deutschland eine zentrale Bedeutung. Sie stehen hier im Vordergrund und sind zudem einfach zu verbuchen. Allerdings vollziehen sich wesentliche Teile des Wirtschaftsgeschehens auch außerhalb des Marktes. Dies wurde erst jüngst im sogenannten Stiglitz-Sen-Fitoussi-Bericht akzentuiert (Stiglitz et al. 2009, S. 124 ff.). Diese Vorgänge können für verschiedene Fragen durchaus bedeutsam sein. Eine Beschränkung auf den marktbestimmten Produktionsbegriff erscheint daher nur für bestimmte Fragestellungen zweckmäßig. Hier ist zu bedenken, dass ein Teil der Güterversorgung (durch den Staat oder durch private Organisationen oE) ohne direktes Entgelt erfolgt. Ferner fallen im privaten Bereich Einkommen aus der Bereitstellung solcher nicht auf dem Markt angebotener Leistungen an (z.B. Beamtenbesoldung). Blieben diese Vorgänge unberücksichtigt, wäre das Bild der Güterversorgung und der Einkommensverteilung offensichtlich unvollständig. So würde nicht erfasst, dass einige Leistungen nur vom Staat, andere zusätzlich zum privaten Sektor und teilweise in Konkurrenz zu diesem bereitgestellt werden.

b) Der materielle Produktionsbegriff Der materielle Produktionsbegriff ist enger als der marktbestimmte Produktionsbegriff. Er beruht auf der insbesondere von Karl Marx und schon früher von Adam Smith vertretenen Auffassung, dass allein Arbeit in der materiellen Produktion produktiv sei. Das Konzept der materiellen Produktion lag dem System der materiellen Produktion

5. Kapitel: Verbuchungsprobleme

85

(Material Product System, MPS) zugrunde, das in den früheren sozialistischen Zentralverwaltungswirtschaften Anwendung fand. Ob das MPS Marx korrekt interpretiert, soll hier nicht untersucht werden. Jedenfalls misst es grundsätzlich nur Produkte bzw. Waren und Dienstleistungen, die mit der Produktion und Verteilung der Waren verbunden sind, nicht dagegen personenbezogene Dienstleistungen. Einkommen entsteht nur in produktiven Bereichen. Entgelte für unproduktive Leistungen stellen lediglich Umverteilungen dar. Dienstleistungen gelten also im Rahmen dieses Produktionskonzepts nur insoweit als produktiv und werden gemessen, soweit sie in unmittelbarem Zusammenhang mit der materiellen Produktion (Montage, Reparaturen, Transport, Nachrichtenübermittlung usw.) stehen1. Eindeutig ausgeschlossen aus diesem Produktionsbegriff sind viele staatliche Dienstleistungen (z.B. in den Bereichen Verteidigung oder innere Sicherheit). Auch im Rechensystem der VGR ist die Unterscheidung zwischen Sachgütern und (immateriellen) Dienstleistungen für verschiedene ökonomische Fragestellungen wichtig. Um Produktion und Einkommen abzugrenzen, wird die Unterscheidung jedoch für irrelevant gehalten. Die im Produktionsprozess erstellten Sachgüter und Dienstleistungen können Bedürfnisse befriedigen, einen Preis erzielen und verursachen Herstellungskosten. Dienstleistungen werden daher in die Ermittlung der gesamten Produktion und des Einkommens eingeschlossen. Vielen materiellen Gütern fehlt ferner die klare Verwendungsmöglichkeit, wenn man von Dienstleistungen absieht, die zu ihnen in enger Verbindung stehen (Pilat/Wölfl 2005; Grömling 2008b).

c) Der umfassende Produktionsbegriff Der umfassende Produktionsbegriff ist weiter definiert als der marktbestimmte und erst recht als der materielle Produktionsbegriff. Er berücksichtigt grundsätzlich die Erstellung der Güter unabhängig davon, ob sie den Markt berühren oder nicht – umfasst also Markt- und Nichtmarktproduktion. Auch ist es für diesen Produktionsbegriff unerheblich, ob es sich um Waren oder Dienstleistungen handelt. Entscheidend ist für ihn, ob die Produktion Teil der volkswirtschaftlichen Arbeitsteilung ist. Merkmal ist die Entlohnung in Geld.

d) Der Produktionsbegriff der VGR Historisch gesehen war der Produktionsbegriff aus den verschiedensten Gründen (z.B. herrschendes Theoriegebäude, herrschende Moralvorstellungen, statistische Messbarkeit) starken Wandlungen unterworfen und keinesfalls ein für allemal festgelegt. Diese Aussage gilt grundsätzlich auch für das Produktionskonzept der jetzt herrschenden VGR (Holub 2002a, S. 301). Zwar beruht deren Grundlage, das SNA, auf einer „Theo1

Bei anderen Dienstleistungen wurde in der Praxis der Rechnungssysteme, soweit diese in den früheren sozialistischen Staaten zur Anwendung kamen, allerdings keineswegs einheitlich verfahren. Es bestand eine Tendenz, immer mehr Bereiche als produktiv anzusehen.

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Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

rie der VGR“ (Reich 2003), die Produktionsgrenze wird aber zumindest in den Grenzfällen pragmatisch, durch Konventionen, statt aufgrund theoretischer Überlegungen festgelegt1. Bei der Festlegung der Produktionsgrenze geht es insbesondere um folgende Nichtmarktvorgänge: • Haushaltsproduktion und ehrenamtliche Tätigkeiten; • Sachleistungen der Unternehmen an ihre Arbeitnehmer und für den Eigenverbrauch der Unternehmerhaushalte; • Aktivitäten der Schattenwirtschaft; • nichtbezahlte Leistungen dauerhafter Konsumgüter im Eigentum privater Haushalte; • Selbstnutzung von Eigentümerwohnungen und öffentlichen Verwaltungsgebäuden; • Leistungen von Banken und Versicherungen; • unentgeltlich abgegebene Leistungen von Staat und privaten Organisationen oE; • Externalitäten; • Vorratsveränderung an eigenen Erzeugnissen und selbst erstellte Anlagen. Das ESVG regelt, welche dieser Aktivitäten als Produktion gelten. Hier ist zu beachten, dass das System primär auf Transaktionen und damit auf Produktion(stätigkeit) und weniger auf Produkte abstellt. Daher kann die Einbeziehung der o.g. Fälle in die Produktion durchaus konsequent sein. Denn auch bei Nichtmarktaktivitäten liegen Transaktionen vor. Das ist z.B. bei den als Staatskonsum bezeichneten unentgeltlich abgegebenen staatlichen Dienstleistungen der Fall. Entscheidend für das Vorliegen von Produktion ist die Erwerbsarbeit. (1) Nichtbezahlte Arbeitsleistungen in privaten Haushalten (Haushaltsproduktion) und ehrenamtliche Tätigkeiten Eine Reihe von Gründen spricht für die Erfassung der Haushaltsproduktion (Selbstversorgungswirtschaft) im gesamtwirtschaftlichen Produktionsnachweis: • Wenn man die Versorgung mit Gütern darstellen möchte oder unter Wohlfahrtsgesichtspunkten sind sie sicherlich zu berücksichtigen.2 • In den meisten Fällen werden vergleichbare Leistungen sowohl über den Markt bezogen als auch im Haushalt erbracht. Kommt es zu einer Substitution in die eine oder andere Richtung, so verändert sich das berechnete Produktionsergebnis, ohne dass tatsächlich mehr oder weniger Güter erstellt worden sind. Der Wert des Inlandsprodukts sollte aber nach dem Invarianzprinzip unabhängig von bloßen sektoralen Pro-

1

2

Grundsätzlich ist Reich zuzustimmen, der insbesondere mit fünf Axiomen zeigt, dass die VGR nicht auf einzelnen Konventionen beruhen, die theoretischer Beliebigkeit unterliegen, sondern auf Bausteinen, die zusammenhängen und aufeinander logisch aufbauen. Dennoch dürfte die Beurteilung von Bombach (1960, S. 227) hinsichtlich der Vorgängerversion des SNA auch auf die aktuelle Version des SNA 1993 zutreffen: Bei konkreten Entscheidungen seien Forscher zusammengetroffen, die ganz verschiedene Dinge im Auge hatten (z.B. Einkommensstatistiker und Modelltheoretiker). Ein guter Teil der schließlich festgelegten Konventionen seien eindeutig Kompromisslösungen, die der ernsthaften Analyse nicht immer dienlich gewesen seien. Dies betont auch der Stiglitz-Sen-Fitoussi-Report (Stiglitz et al. 2009, S. 124 ff.).

5. Kapitel: Verbuchungsprobleme

87

duktionsverlagerungen1, also institutionellen Bedingungen sein. So können die gleichen medizinischen Leistungen vom Staat oder privat bereitgestellt werden. Viele früher im Haushalt erbrachte Leistungen werden heute von Marktproduzenten bezogen. Ein Teil der Veränderung des Inlandsprodukts im Zeitablauf kann daher auf die Substitution nichtbezahlter durch bezahlte und von einer anderen Institution erbrachte vergleichbare Leistungen zurückgeführt werden. So dürften beispielsweise auch der Anteil der Frauen an den Erwerbstätigen und seine Veränderung maßgeblich die Höhe und das Wachstum des traditionell gemessenen Inlandsprodukts bestimmen. Mit der Ersetzung zuvor erfasster Marktleistungen durch eigene Handwerksarbeit im Haushalt (Hobbywerken) findet allerdings auch eine Substitution in umgekehrter Richtung statt. Neben der langfristig erfolgenden Substitution können auch kurzfristig Fluktuationen auftreten, indem etwa bei Wirtschaftsabschwüngen eine zunehmende Betätigung im Haushalt zu beobachten ist. • Durch die Einbeziehung der Haushaltsproduktion wären internationale Vergleiche des Inlandsprodukts invariant gegenüber unterschiedlichen Verhältnissen der Haushaltsproduktion zu den traditionell in den VGR erfassten Produktionstätigkeiten. • Die Vernachlässigung des Produktionsaspekts der privaten Haushalte wird spätestens seit der produktionstheoretischen Interpretation der Zeit im Haushalt durch Becker (1965) als unbefriedigend angesehen. Danach verbrauchen die Haushalte nur einen Teil der am Markt gekauften Güter unmittelbar. Viele Güter werden mit Hausarbeitszeit, Humanvermögen, langlebigen Gebrauchsgütern und unentgeltlich staatlich bereitgestellten Gütern kombiniert, ehe sie endgültig verbraucht werden. Nutzenstiftende Güter werden nach dieser Theorie sogar überwiegend erst in den Haushalten produziert. Für die Nutzen der Haushalte bzw. die Gesamtversorgung der Gesellschaft spielt die Herkunft der Güter keine Rolle. • Auch unter Verteilungsgesichtspunkten ist die nichtmarktbestimmte Produktionstätigkeit der privaten Haushalte von Bedeutung. Es ist plausibel anzunehmen, dass der Anteil der Einkommen aus nichtmarktbestimmter Haushaltsproduktion bei Armen, Frauen, Älteren und in der Landwirtschaft Tätigen größer ist (Eisner 1989, S. 4). Die nichtmarktbestimmte Haushaltsproduktion und ehrenamtliche Tätigkeiten werden nicht in den Kern der VGR eingeschlossen2. Aus der Sicht der Kreislauftheorie handelt es sich bei ihrer Produktionstätigkeit um Vorgänge, die lediglich innerhalb eines Sektors stattfinden. Hier werden zwar Güter erzeugt, aber nicht im Rahmen der volkswirtschaftlichen Arbeitsteilung. Konsequent werden allerdings in Höhe der tatsächlich gezahlten Entgelte für ihre Hausangestellten die privaten Haushalte als Produzenten nichtmarktbestimmter Güter erfasst.

1

2

Auf die Beeinträchtigung zeitlicher und internationaler Vergleiche bei fehlender Einbeziehung der Haushaltsproduktion hat bereits das Statistische Reichsamt (1932, S. 14) hingewiesen. In die Inlandsproduktsberechnung werden allerdings die Produktion in Haus- und Schrebergärten, die investiven Eigenleistungen im Wohnungsbau, die unentgeltlich geleistete Bautätigkeit im Rahmen privater Organisationen (z.B. Bau von Vereinsheimen durch Vereinsmitglieder) und die unterstellten Mieten für die Eigennutzung von Eigentümerwohnungen einbezogen.

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Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

Die Ergebnisse der VGR werden überwiegend zur Darstellung der kurz- und mittelfristigen Wirtschaftsentwicklung mit dem Schwerpunkt der Marktvorgänge verwendet. Für die allgemeine Wirtschaftspolitik (und hier etwa für die Messung der kaufkräftigen Nachfrage), Finanzpolitik (z.B. für Steuerschätzungen) und Sozialpolitik kommt es darauf an, zuverlässige aktuelle Informationen über die monetäre Wirtschaftsentwicklung zu erhalten, um möglichst frühzeitig Entwicklungstendenzen zu erkennen. Dabei kommt den jährlichen Zuwachsraten meist eine wesentlich größere Bedeutung zu als den absoluten Werten. Allerdings gibt es auch eine zunehmende Tendenz, für einzelne Fragestellungen gerade die absoluten Werte in den Mittelpunkt zu stellen: Das gilt z.B. für die Berechnung der Beitragszahlungen an die EU, für Mittelzuweisungen aus dem EU-Regionalfonds oder die Berechnung der staatlichen Defizitquote. Weil die Haushaltsproduktion einen erheblichen Teil eines über die Geldwirtschaft hinausgehenden Produktionsbegriffs darstellt, wird sie in ergänzenden Tabellen – in Satellitensystemen zu den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen – dargestellt1. Die wichtigsten Verwender der Ergebnisse der VGR aus Ministerien, Wirtschaftsforschungsinstituten oder vom Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung fordern nicht, das gegenwärtige Produktionskonzept „wesentlich zu erweitern. Sie wehren sich dagegen, in die Berechnungen Tatbestände einzubeziehen, die nur mit vagen Schätzungen und entsprechend großen Unsicherheitsmargen ermittelt werden können und die für die Analyse konjunktureller Entwicklungen nur von untergeordneter Bedeutung sind. Es wird vielmehr befürchtet, dass bei einer Einbeziehung statistisch unzureichend abgesicherter Tatbestände die Angaben über die aktuellen Zuwachsraten so fehlerbehaftet sein könnten, dass sie für Analysen der kurzfristigen Wirtschaftsentwicklung weitgehend unbrauchbar würden“ (Lützel 1983, S. 261/262; siehe dazu auch Brümmerhoff/Grömling 2010). (2) Naturaleinkommen der Arbeitnehmer und Unternehmer Unternehmen leisten Naturaleinkommen an ihre Arbeitnehmer und an Unternehmerhaushalte. Bei der kostenlosen oder verbilligten Abgabe von Sachleistungen an Arbeitnehmer handelt es sich um Lohneinkommen, die nicht in Geld, sondern in Waren und Dienstleistungen geleistet werden, wobei diese Art der Entlohnung in der Regel vertraglich vereinbart ist. Wären die VGR eine reine Einnahmen-Ausgaben-Rechnung, dürften Naturalentgelte2 grundsätzlich nicht als Einkommen ausgewiesen werden. Tatsächlich wird der Wert bestimmter Sachleistungen, wie die Deputate im Bergbau, die Nutzung von Firmenwagen, verbilligten Bezug von Neuwagen im Produktionswert und als Teil des Arbeitnehmerentgelts erfasst, das dann wiederum zum „unterstellten“ Kauf der Güter verwendet wird (ohne Wirkung auf Sparen und Finanzierungssaldo). Auch die Entnahmen von Gütern für den Eigenverbrauch der Unternehmer (= im eigenen Unternehmen produzierte und im privaten Haushalt des Produzenten verbrauchte Erzeugnisse) werden verbucht. Beim Eigenverbrauch kommt ein Verkauf 1 2

Zum Haushaltssatellitensystem siehe das 14. Kapitel. Es sind Forderungen in Ware statt in Geld.

5. Kapitel: Verbuchungsprobleme

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bzw. Kauf deswegen nicht zustande, weil in der Hand des Unternehmers zwei verschiedene Institutionen, nämlich Unternehmen und privater Haushalt im engeren Sinne, vereinigt sind. In den VGR wird primär der Eigenverbrauch der Landwirtschaft erfasst. Zunächst wird die landwirtschaftliche Produktion auf der Grundlage eines Menge-Preis-Modells geschätzt1. Die geschätzte Position Eigenverbrauch wird dann hinsichtlich Produktion und Verwendung der Güter auf zwei Institutionen verteilt, zwischen denen Transaktionen (Einkommen und Verkäufe) unterstellt werden. Als entscheidend für die Erfassung des Eigenverbrauchs der Unternehmer wird angesehen, dass die Produzenten einen Teil ihrer Produktion des betreffenden Gutes verkaufen. Während der Produktionszeit ist noch nicht klar, welcher Teil des Outputs verkauft wird. In der Höhe des Wertes der entnommenen Waren wird der Betriebsüberschuss erhöht, der dann zum Kauf dieser Waren für den Privaten Konsum verwendet wird. Sparen und Finanzierungssaldo bleiben also von dieser unterstellten Transaktion unberührt. (3) Nutzung langlebiger Konsumgüter im Besitz privater Haushalte Güter gelten mit ihrem Übergang an private Haushalte in der Regel als verbraucht, soweit sie nicht von den Selbständigen (in ihrer Eigenschaft als Produzenten) erworben werden. Sie erscheinen dann nicht mehr im Kreislauf. Nicht alle Sachgüter gehen allerdings in der Periode physisch unter. Sie können langlebige Konsumgüter sein und im Extremfall über viele Perioden unverändert erhalten bleiben und genutzt werden – z.B. Wohnungseinrichtungen oder Autos. Daher ist zu fragen, ob sie zutreffend dargestellt sind oder nicht eher den Charakter von Kapitalgütern haben und so in den VGR auch dargestellt werden müssten. Beziehen innerhalb des Sektors Haushalte die Selbständigen als Produzenten vergleichbare (Sach-)Güter, können sie zu deren abschreibungsfähigem Sachvermögen rechnen. Ihre Nutzung ist dann Teil der Produktion. Erfasst man die Käufe langlebiger Gebrauchsgüter in den VGR generell als vermögensbildenden Vorgang und nicht als Konsum, ist andererseits ein Wert für die Nutzung dieser Güter (vergleichbar den Abschreibungen) als Bestandteil des privaten Konsums auszuweisen2. Eine Ausnahme von der Regel, wonach Güter mit ihrem Übergang an private Haushalte (soweit sie nicht Produzenten sind) als verbraucht gelten, stellen Eigenleistungen im Wohnungsbau und selbstgenutzte Wohnungen und Häuser dar. Die Nutzung gilt als (Nichtmarkt-)Produktion und geht in den eigenen Konsum ein, die erstellten Wohnungen und Ausbauten gelten als eigene Bruttoanlageinvestitionen in der Nichtmarktproduktion für die Eigenverwendung. 1

2

„Vereinfacht gesagt wird dabei die Anbaufläche (in Hektar) unterteilt nach Art der angebauten Pflanzen, mit einem durchschnittlichen Hektarertrag und dann mit den erhobenen Preisen multipliziert. Auch bei der tierischen Produktion wird ein solches Menge-Preis-Modell genutzt, um den Produktionswert zu bestimmen“ (Braakmann 2004, S. 13). Das Verfahren ist ähnlich dem der Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens in der Grundsteuer A. Der Nachweis des Gebrauchsvermögens der privaten Haushalte als Teil eines Haushaltssatellitensystems wird nur in größeren Abständen vom Statistischen Bundesamt vorgelegt (z.B. Deutsche Bundesbank/Statistisches Bundesamt 2010).

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Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

(4) Mietwerte für selbstgenutztes Wohneigentum und öffentliche Verwaltungsgebäude Für das selbstgenutzte Wohneigentum werden keine Mieten gezahlt, dennoch werden in den VGR hierfür Mieten verbucht. Somit wird eine Produktion von Dienstleistungen unterstellt, allerdings ohne Einsatz von Arbeitsleistungen1. Es wird nur eine Entlohnung des Produktionsfaktors Kapital angenommen. Als Begründung für die Konvention, die Nutzung von Miet- und Eigentumswohnungen gleichermaßen auszuweisen, wird insbesondere angeführt, dass sich so unterschiedliche Anteile von Mietwohnungen in den einzelnen Ländern, aber auch Verschiebungen der Anteile in einem Land im Zeitablauf nicht auf das BIP auswirken (Invarianzprinzip). Sonst sinkt beispielsweise das BIP, wenn Mieter die Wohnung kaufen. Theoretisch oder systematisch begründet ist die unterschiedliche Behandlung von selbstgenutztem Wohneigentum und Gebrauchsvermögen nicht. Den unterstellten Mieten liegen auch keine Transaktionen zugrunde. Hier wurde der Weg einer aus dem VGR-System heraus nicht begründeten Konvention gewählt, mit der rein pragmatisch die Produktionsgrenze festgelegt wird. Die für die weitgehende Ausklammerung der Haushaltsproduktion angeführten Argumente gelten auch hier. Die Invarianzproblematik gilt in gleicher Weise für die öffentlichen Verwaltungsgebäude, die – wie auch Straßen, Brücken, Tunnel u. Ä. – als Sachvermögen des Staates nachgewiesen werden. Soweit der Staat Eigentümer ist, wird für ihre Nutzung allerdings keine Miete unterstellt. Die Nutzung des Sachvermögens durch den Staat wird daher je nach den Eigentumsverhältnissen unterschiedlich erfasst2. Um eine gegenüber dem selbstgenutzten Wohneigentum abweichende Verbuchung beim Staat zu vermeiden, wäre konsequenterweise entweder die Ausnahme bei den privaten Haushalten abzuschaffen3 oder auch für den Staat ein Nettomietwert für Verwaltungsgebäude, Schulen, Krankenhäuser usw. zu schätzen. Dabei könnte ähnlich wie bei den unterstellten Mieten für das private Wohneigentum verfahren werden. Diese Verbuchung wurde für das SNA 1993 mehrfach erwogen, jedoch schließlich (damit auch für das ESVG) abgelehnt. Gerade statistische Probleme dürften den Ausschlag gegeben haben, dass keine unterstellten Mieten für staatliche Verwaltungsgebäude ausgewiesen werden4. (5) Leistungen der Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen, Lotterien usw. Banken und Versicherungen werden im Sektor finanzielle Kapitalgesellschaften nachgewiesen. Ihre Sonderstellung zeigt sich in der Art, wie ihre Produktionstätigkeit bestimmt wird. So erbringen Banken Dienstleistungen, ihre Produktionsleistung kommt 1

2

3 4

Das hat interessante Folgewirkungen. So wird z.B. die Arbeitsproduktivität in diesem Bereich praktisch unendlich. Zudem wird kritisiert, dass die Kapitalnutzungskosten mit den Abschreibungen nur unzureichend dargestellt werden (siehe Harrison 2005). Als Begründung wurden die fehlenden Arbeitsleistungen genannt. Die anstehende Revision des SNA sieht eine neue Darstellung der Kapitalkosten vor, die über die Abschreibungen hinaus den Ertrag (Opportunitätskosten) des Kapitals einschließt.

5. Kapitel: Verbuchungsprobleme

91

aber nur zum geringeren Teil in den direkt erzielten Einnahmen wie beispielsweise Kontoführungs- und Safegebühren oder Provisionen für Beratungsleistungen zum Ausdruck. Belässt man es bei diesen Größen, übersteigen in Deutschland die Vorleistungen den Produktionswert der Banken. Der Saldo ihres Produktionskontos weist dann eine negative Bruttowertschöpfung aus, wobei noch die zu zahlenden Arbeitnehmerentgelte zu berücksichtigen sind (Kopsch 1987b, S. 38). Der Wert der Bankdienstleistungen wird seit der VGR-Revision 2005 unter der Bezeichnung Finanzserviceleistung, indirekte Messung (FISIM)1 anders verbucht. FISIM wird den Anlegern und Kreditnehmern zugerechnet, als ob sie diese Bankdienstleistungen in Anspruch nehmen. Zur Berechnung von FISIM wird folgendes Modell verwandt: Ausgangspunkt ist die Zinsspanne zwischen Soll- oder Kreditzinsen und Haben- oder Einlagenzinsen, die als Dienstleistungsentgelt interpretiert wird. Die Zinsspanne wird nunmehr in zwei Teile zerlegt, um die jeweilige Inanspruchnahme der Finanzdienstleistungen zu zeigen. Hierzu werden die tatsächlichen Einlagen- und Kreditzinsen einem hypothetischen freien Zins als Referenzzins gegenübergestellt, der keine Dienstleistungs- und Risikozuschläge enthält. Gleichzeitig wird angenommen, dass Kreditnehmer einen höheren Zins als den Referenzzins bezahlen. Dieser Zinsaufschlag entspricht dem Entgelt für die Kreditverwaltung. Die Einleger erhalten einen niedrigeren Zins als den Referenzzins, weil die Banken das den Einlegern zugerechnete Dienstleistungsentgelt gleich einbehalten. Als Referenzzinssatz gilt der durchschnittliche Interbankenzinssatz. Abb. 5-1 verdeutlicht das Verfahren. Um den gesamten Wert der Bankdienstleistungen (Produktionswert) nachzuweisen, müssen die sichtbaren Entgelte zu FISIM ergänzt werden. Die Bankdienstleistungen werden in den Konsumausgaben und den Einkommen der privaten Haushalte oder den Vorleistungen von Unternehmen und Staat gegengebucht. Abb. 5-1 Die FISIM-Berechnung FISIM auf Kredite FISIM auf Einlagen

Kredit- und Einlagenzinsen zum Referenzzinssatz

Kreditzinsen Einlagenzinsen

Quelle: Eichmann (2005), S. 711, ergänzt.

Der Produktionswert der Zentralbank wird als Summe der „administrativen Kosten“ berechnet, die im Wesentlichen der Summe aus Vorleistungen, Abschreibungen und Arbeitnehmerentgelten entsprechen.

1

Financial intermediation services indirectly measured.

92

Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

Auch bei den Versicherungsunternehmen tragen die direkt als Dienstleistungsverkäufe identifizierbaren Transaktionen wenig zur Wertschöpfung bei. Versicherungen haben Beitragseinnahmen ihrer Kunden und leisten im Versicherungsfall an diese. Da den Zahlungen keine unmittelbare Gegenleistung gegenübersteht, gelten sie jeweils als Transfers. Um aber eine Produktionstätigkeit der Versicherungsunternehmen berechnen zu können, aus der die Arbeitnehmerentgelte und die Unternehmenseinkommen entstehen, wird zwischen Bruttoprämien und Nettoprämien unterschieden. Als Bruttoprämie wird die gesamte Beitragseinnahme bezeichnet. Zieht man den Teil der Beitragseinnahme ab, der zur Finanzierung des angefallenen Risikos verwendet wird (die Nettoprämie), erhält man einen Rest, der als Entgelt für erbrachte Dienstleistungen der Versicherungen behandelt wird. Die bei Lotterien, Wetten, Spielen eingesetzten Beträge umfassen ebenfalls zwei Teile: das Dienstleistungsentgelt an den Veranstalter und einen weiteren Teil, der als laufender Transfer an die Gewinner ausgezahlt wird. (6) Ohne spezielles Entgelt abgegebene staatliche Dienstleistungen Der Staat gibt einen Teil seiner Dienstleistungen gegen spezielles Entgelt (insbesondere Benutzungsgebühren) ab. Diese Verkäufe sind, wenn auch mit Einschränkungen (insbesondere bei Verwaltungsgebühren), mit den Verkäufen der Marktproduzenten vergleichbar und können daher in die Vorleistungen der Unternehmen und in die Käufe für den Privaten Konsum eingehen. Der weitaus größte Teil der staatlichen Leistungen wird aber unentgeltlich bereitgestellt. Entsprechendes gilt für die privaten Organisationen als weitere Nichtmarktproduzenten. Bei einer Beschränkung des Produktionsbegriffs auf tatsächliche Markttransaktionen könnte für diese staatlichen Leistungen kein Produktionswert nachgewiesen werden. So wäre es zum Beispiel auch nicht möglich, die Einkommensverwendung und die Güterverwendung in Einklang zu bringen. Da die staatlichen Leistungen aber einen wesentlichen Teil der Güterversorgung einer Volkswirtschaft ausmachen und Erwerbseinkommen aus der staatlichen Tätigkeit entstehen, rechnen die ohne spezielles Entgelt zur Verfügung gestellten Dienstleistungen des Staates zur Produktion. Diese staatlichen Leistungen können allerdings nicht direkt über den Marktwert ermittelt werden. Daher wird der Produktionswert anhand der laufenden staatlichen Aufwendungen gemessen. Hierzu zählen die Arbeitnehmerentgelte der beim Staat Beschäftigten, ferner die Abschreibungen und die Vorleistungskäufe dieses Sektors1. Der Konsum des Staates ergibt sich dann nach Abzug des Wertes der Verkäufe und der selbst erstellten Anlagen von seinem Produktionswert. Zu den Vorleistungskäufen und damit zum Produktionswert des Staates rechnen auch die Arzt- und Krankenhausleistungen und die Medikamente, die die Sozialversicherung und andere staatliche Institutionen bei Ärzten, Krankenhäusern und Apotheken kaufen, um sie ihren Versicherten

1

Die laufenden Aufwendungen schließen nicht die Zinsen auf die öffentliche Schuld ein, weil Zinsen (= Vermögenserträge) generell nicht als Entgelt für Dienstleistungen gelten, folglich nicht der Produktion, sondern der Einkommensverteilung zugerechnet werden. Gleichwohl werden gemäß dem FISIM-Konzept Dienstleistungsentgelte aus den Zinsen herausgerechnet.

5. Kapitel: Verbuchungsprobleme

93

als soziale Sachleistungen zukommen zu lassen. Sie stellen ökonomisch eigentlich Privaten Konsum dar und werden als solcher im Konsum nach dem Verbrauchskonzept dargestellt. Die Produktionskosten des Staates werden aber nur unzulänglich erfasst. So bleibt, wie erwähnt, ein kalkulatorischer Zins für die Nutzung des staatlichen Sachvermögens unberücksichtigt. Die Zinsen auf öffentliche Schulden (interest on public debt) – wie für die Nutzung von geliehenem Geld auch sonst in den VGR – rechnen ,,grundsätzlich zu den Einkommensverteilungsvorgängen und stellen nicht etwa, wie zum Beispiel die Mieten als Entgelt für die Nutzung von Wohnungen, gewerblichen Räumen, Ausrüstungen u.a., ein Dienstleistungsentgelt dar“ (Kopsch 1987b, S. 38). Sie gelten zwar als geleistete Vermögenseinkommen, aber ohne Bezug zur staatlichen Produktionstätigkeit und gehen daher nicht in den Produktionswert und in die Konsumausgaben des Staates ein. Diese Konvention lässt sich damit begründen, dass Zinsen nur die Staatsverschuldung, nicht aber das effektiv eingesetzte Sachvermögen zum Ausdruck bringen1. (7) Externalitäten Bei Externalitäten handelt es sich um jene allgegenwärtigen Wirkungen der Produktion und des Verbrauchs, für die die verursachenden Wirtschaftssubjekte nicht oder nicht vollständig die (sozialen) Kosten tragen oder nicht oder nur teilweise die (sozialen) Erträge erzielen. Dann gilt: soziale Kosten > private Kosten und soziale Erträge > private Erträge. Beispiele für negative Externalitäten sind Luft- und Wasserverschmutzung, wenn für diese nicht gezahlt wird. Solange man für die Schädigungen nicht eintreten muss, werden diese Wirkungen über den Markt nicht bewertet und nicht in die individuellen Rechnungen einbezogen. Wenn kein Preis z.B. für die Freude an der Besichtigung alter sehenswerter Häuser gezahlt wird, liegt eine positive Externalität vor. Externalitäten werden in den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen nicht berücksichtigt, sie sind allerdings ein wichtiger Berichtsgegenstand im Rahmen des Umweltsatellitensystems zu den VGR, das im 14. Kapitel behandelt wird. (8) Vorratsveränderung an eigenen Erzeugnissen und selbsterstellte Anlagen Bei der Vorratsveränderung an eigenen Erzeugnissen handelt es sich um Waren, die noch nicht, bei den selbsterstellten Anlagen um Waren, die überhaupt nicht am Markt erscheinen. Vorratsveränderungen stellen typische zeitliche Korrekturposten zu den Marktvorgängen dar, um die Produktion und den Verbrauch periodengerecht zurechnen zu können. Sie gehen daher in den Nachweis der Produktion ein. (9) Kapitalgewinne Kapitalgewinne (Scheingewinne) und Kapitalverluste stellen Veränderungen der relativen Preise dauerhafter Güter dar2. Sie werden in den VGR nicht mit der Produktion nachgewiesen, weil sie nicht auf Produktion, sondern auf Tauschgeschäften beruhen. Da die Produktion das Einkommen mitbestimmt, beeinflusst diese Abgrenzung 1 2

Ursprünglich wurde darauf verwiesen, dass hier Kriegsschulden vorliegen. Kapitalgewinne entstehen auch bei Forderungen, z.B. bei Aktien.

94

Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

auch die Aussagekraft von Einkommensverteilungsmaßen für eine Volkswirtschaft und den Vergleich der Einkommensverteilungen verschiedener Volkswirtschaften. So können beispielsweise relative Preisänderungen zugunsten des Öls große Wirkungen auf die gegenwärtigen und erwarteten künftigen Einkommen verschiedener Länder haben (Eisner 1988, S. 1624). (10) Schattenwirtschaft Die Einschätzung der Schattenwirtschaft ist für die Beurteilung von Inflationsrate, Arbeitslosigkeit, Wirtschaftswachstum, der Entwicklung der Arbeitsproduktivität und schließlich auch des Wohlstands wichtig. Hierbei ist meist die Veränderung der Indikatoren und weniger das Niveau von Bedeutung. Bei der Schattenwirtschaft (hidden oder irregular economy) handelt es sich um statistikfreies Wirtschaftsgeschehen. Sie betrifft bestimmte Vorgänge, die grundsätzlich zur Produktion im Sinne der VGR gerechnet werden können, amtlichen Stellen aber nicht oder nur teilweise zur Kenntnis gelangen – etwa, um Steuern und andere Abgaben zu sparen. Diese Vorgänge gehen, wenn überhaupt, nur unzureichend in die den VGR zugrunde liegenden Statistiken ein, selbst dann nicht, wenn sie einen Marktpreis aufweisen. Das ESVG 1995 sieht aber vor, dass Tätigkeiten auch dann einzubeziehen sind, wenn sie den Behörden verborgen bleiben. „Bei der Abgrenzung der in den VGR zu erfassenden wirtschaftlichen Aktivitäten (innerhalb der Produktionsgrenze) spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob eine wirtschaftliche Tätigkeit erlaubt oder verboten ist, ob sie regulär ausgeübt wird oder mit Abgabenhinterziehung verbunden ist, ob sie offen oder verborgen stattfindet, ob sie regelmäßig oder gelegentlich ausgeübt wird, oder ob für den Markt oder den Eigenbedarf produziert wird. Auch Lücken und Untererfassungen in Fachstatistiken etwa aufgrund von Abschneide- oder Meldegrenzen, sind in den VGR schätzungsweise zu schließen“ (Statistisches Bundesamt 2003a, S. 27). Zur Schattenwirtschaft werden in der Regel zwei Komponenten gerechnet: die Untergrundwirtschaft und die Selbstversorgungswirtschaft. In die Untergrundwirtschaft gehen Sachgüter und Dienstleistungen ein, die illegal gehandelt werden, obwohl ihre Produktion grundsätzlich legal ist. Beispiele sind Schwarzarbeit, Beschäftigung illegaler Einwanderer oder Schmuggel. Hinzu kommen Aktivitäten, die grundsätzlich – also auch deren Produktion – verboten sind (z.B. bestimmte Drogen). Ferner werden bestimmte Einkommen in Güterform teilweise falsch erfasst: sie werden in den VGR als Vorleistungen der Unternehmen verbucht, obwohl sie faktisch Konsum der Haushalte darstellen (z.B. private Nutzung von Einrichtungsgegenständen der Unternehmen, darunter Firmenwagen für private Zwecke, Materialdiebstahl durch Angestellte). Das Statistische Bundesamt versucht ein möglichst vollständiges BIP unter Einschluss der Untergrundwirtschaft zu berechnen. So werden explizite Zuschläge vor allem in den Bereichen vorgenommen, für die nur in größeren zeitlichen Abständen Großzählungen (Handwerk, Handel, Gaststätten) vorliegen. Auch für Trinkgelder werden Sonderrechnungen durchgeführt1. Eine implizite Erfassung der schattenwirtschaftlichen 1

Ein Zuschlag für die Schattenwirtschaft erfolgt z.B. für ausgewählte Zweige des Verarbeitenden Gewerbes. Hier werden anhand der Bußgeldliste des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks Faktoren ermittelt, mit deren Hilfe die Umsätze gemäß Kostenstrukturerhebung aufgeschätzt

5. Kapitel: Verbuchungsprobleme

95

Aktivitäten erfolgt vielfach durch die Berechnungsmethode selbst. So werden die landwirtschaftliche Produktion anhand der angebauten Flächen und jeweiligen Durchschnittserträge, die Wohnungsmieten anhand des Bestandes an Wohnungen – untergliedert nach Größe und anderen Merkmalen – sowie Quadratmetermieten errechnet. Auch die oben behandelte Haushaltsproduktion1 (Selbstversorgungswirtschaft) umfasst Aktivitäten, die zur gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung beitragen können und bei denen zudem in der Regel kein Verstoß z.B. gegen Abgabenverpflichtungen vorliegt. Konventionsgemäß wird sie aber nicht als Produktion ausgewiesen. Übersicht 5-1 zeigt, dass die gegenwärtig amtlich gemessene Produktion das Inlandsprodukt nicht ganz erfasst. Dabei könnte ein Teil der Untergrundwirtschaft durchaus im BIP enthalten sein, wenn z.B. trotz falscher Steuererklärungen durch Heranziehung anderer Statistiken fehlerhafte Größen letztlich doch korrekt in die Rechnungen eingehen. Schon jetzt werden die Zinseinkommen nicht anhand der Steuererklärungen, sondern mithilfe der Geldvermögensbestände ermittelt. Das Problem der Untergrundwirtschaft ist also, wie schon festgestellt, im Rahmen der VGR weitgehend eine Frage der Vollständigkeit der Ausgangsstatistiken. Je größer die Möglichkeiten sind, durch Verwendung verschiedener unabhängiger Statistiken die Schätzungen der Produktion zu vergleichen und so die angestrebte Vollständigkeit zu erreichen, um so geringer wird das Problem der Untergrundwirtschaft für die Erstellung der VGR. Übersicht 5-1 Die Abgrenzung der Schattenwirtschaft offizielle Wirtschaft öffentliche Wirtschaft öffentliche Haushalte

private Wirtschaft

öffentliche Untern.

private Haushalte

private Untern.

Gesamtwirtschaft inoffizielle Wirtschaft = Schattenwirtschaft i.w.S. Untergrundwirtschaft Selbstversorgungswirtschaft (Schattenwirtschaft i.e.S.) (Hauswirtschaft) private Haushalte und private Haushalte private Unternehmen private Organisationen wi r ts cha ft li c he Akti vi tä te n illegal legal illegal legal

legal ohne Abgabenhinterziehung, trotz Abgabenpflicht

mit Abgabenhinterziehung

legal illegal ohne Abgabenhinterziehung, weil keine Abgabenpflicht

ausgewählte Beispiele Erbringung von Verwaltungsleistungen

Produktion von marktbestimmten Waren und Dienstleistungen

bezahlte Arbeit

Produktion von marktbestimmten Waren und Dienstleistungen

Vortragstätigkeit ohne Steuerzahlung

Schwarzarbeit, Handel mit verbotenen Waren

Verkauf regulärer Waren ohne Rechnung

Einnahmen aus nichtgenehmigter Verleihung von Arbeitskräften

Hausarbeit, Nachbarschaftshilfe, ehrenamtliche Tätigkeiten

Installation elektischer Leitungen

im Inlandsprodukt erfasst

nur zum Teil erfasst

nicht erfasst

Quelle: Wirtschaft und Statistik 8/1985, S. 620, leicht modifiziert.

In Deutschland liegt keine getrennte amtliche Schätzung vor, wie hoch die im BIP erfasste Schattenwirtschaft ist. Zur Schätzung der Selbstversorgungswirtschaft außerhalb des BIP wird vor allem auf Zeitbudgetstudien zurückgegriffen. Inoffizielle Schätzungen stellen insbesondere auf Ausmaß und Entwicklung der Untergrundwirtschaft ab. Sie beruhen entweder auf direkten Befragungen, auf der Erstellung von Zeitbudget-

1

werden (Statistisches Bundesamt 2007, S. 80). Schwarzarbeit an Bauwerken ist Bestandteil der Bauinvestitionen. Der Eigenverbrauch der Unternehmer rechnet nicht nur Haushaltsproduktion.

96

Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

studien oder (bei der indirekten Methode) auf Indikatorenansätzen, wobei zwischen bestimmten makroökonomischen Größen (insbesondere BIP) und der Schattenwirtschaft ein Zusammenhang angenommen wird. So wird etwa (1) anhand der Entwicklung des Bargeldumlaufs auf die Entwicklung der Schattenwirtschaft geschlossen; (2) an der Differenz von offizieller und tatsächlicher „normaler“ Erwerbsquote angesetzt; (3) aus Differenzen der VGR bei der Berechnung des Inlandsprodukts von der Entstehungs- und Verwendungsseite auf die Schattenwirtschaft geschlossen; (4) im Rahmen von Erklärungsmodellen aus der zeitlichen Entwicklung von Erklärungsgrößen (Ursachen) auf die Entwicklung der Schattenwirtschaft geschlossen. Die Ergebnisse der Schätzungen schwanken je nach verwandter Methode stark. Sie erlauben nicht immer eine klare Trennung zwischen Untergrund- und Selbstversorgungswirtschaft. Das Ausmaß der Untergrundwirtschaft dürfte weniger bedeutsam als das der Haushaltsproduktion sein.

e) Abschließende Bemerkungen zum Produktionsbegriff der VGR Von zentraler Bedeutung ist der Produktionsbegriff des ESVG, das den expliziten Nachweis von Marktproduktion und Nichtmarktproduktion (Letztere noch unterschieden für die Eigenverwendung und sonstige Nichtmarktproduktion) vorsieht. Welche Aktivitäten jeweils zur Produktion rechnen, wird durch internationale Konventionen bestimmt. Sie können nicht einfach geändert werden, selbst wenn sie sich für verschiedene Fragestellungen als unzweckmäßig erweisen, sind aber meist Teil des längerfristigen Revisionsprozesses. SNA und ESVG stellen primär auf Transaktionen des Arbeitsmarktes und damit auf Produktionstätigkeit und nicht auf Produkte des Gütermarktes ab. Daher kann die Einbeziehung von Nichtmarktaktivitäten durchaus konsequent sein, soweit diese mit Transaktionen verbunden sind. Jede Ausdehnung über den marktmäßigen Produktionsbegriff hinaus erfordert, dass bei nicht vorliegenden Einnahmen und Ausgaben unterstellte Transaktionen berücksichtigt werden1. Hierbei folgt die Konkretisierung nicht immer dem Prinzip, dass für Produktion eine Erwerbsarbeit vorliegen muss. Vielmehr folgt sie häufig dem Invarianzprinzip, Aktivitäten nämlich nicht unberücksichtigt zu lassen, deren Wert oder Umfang durch rein institutionelle oder auch organisatorische Veränderungen beeinflusst werden kann. Für bestimmte Fragestellungen (etwa die Messung der kaufkräftigen Nachfrage oder Steuerschätzungen) wäre eher ein auf Marktaktivitäten beschränkter Produktionsnachweis zweckmäßig. Wenn Tatbestände außerhalb des Marktgeschehens als Produktion berücksichtigt werden, ist jedenfalls wegen der erforderlichen Unterstellungen und Umrechnungen in den VGR die Darstellung der reinen Marktvorgänge sowie eine Verknüpfung von Makro- mit Mikrodaten nicht mehr möglich. 1

Allerdings beziehen sich etwa bei der Nichtmarktproduktion des Staates die Unterstellungen weniger auf die Input- als auf die Outputseite.

5. Kapitel: Verbuchungsprobleme

97

Tab. 5-1 Verbuchung verschiedener Nichtmarkttransaktionen in den VGR1 Nichtmarkttransaktionen

1. Selbsterstellte Anlagen 2. Vorratszunahme an eigenen Erzeugnissen 3. Vorratszunahme an gekauften Erzeugnissen (Vorleistungsgüter) 4. Produktion für den Eigenbedarf (Entnahmen) 5. Naturalvergütung 6. Firmeninterne Lieferungen 7. Konsolidierung innersektoraler Güterkäufe 8. Handels- und Transportspannen 9. Soziale Sachleistungen 10. Unterstelltes Entgelt für Bankdienstleistungen 11. Versicherungsdienstleistungen 12. Nichtmarktbestimmte Dienst3 leistungen 13. Saldierung der Transaktionen mit Land und vorhandenen Gebrauchsgütern 14. Saldierung von Übertragungen innerhalb eines Sektors 15. Tatsächliche Arbeitgeberbeiträge 16. Unterstellte Sozialbeiträge 17. Saldierung der reinen Finanztransaktionen

Verwendung Entstehung Verteilung Aufkommen von Waren und Dienstleistungen von Einkommen Vorleis- Letzter ProdukArbeit- Betriebs- Arbeit- Untern.- u. InvestiVertuntionsnehmerTransfers nehmer- Vermög. übertionen brauch gen wert entgelt eink. entgelt schuss + . . + . + . + . +

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Quelle: Lützel (1986), S. 15; leicht modifiziert.

Tab. 5-1 zeigt, wie sich Unterstellungen im Gesamtrechnungssystem auswirken (können). Hierbei werden zu den Markttransaktionen nur solche Transaktionen gezählt, die zwischen Wirtschaftseinheiten tatsächlich stattgefunden haben, und zwar zu den Beträgen, die effektiv gezahlt wurden (z.B. Umsatzerlöse aus dem Verkauf eigener Erzeugnisse und nicht Produktionswert; die Konsumausgaben des Staates und nicht der Kollektivkonsum). Unter Punkt 4 wird nochmals auf Unterstellungen eingegangen. Tab. 5-2 zeigt die Produktionswerte und ihre Aufteilung nach Marktproduktion und Nichtmarktproduktion1. Die Finanziellen und Nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften sind immer Marktproduzenten2. Daher wird Nichtmarktproduktion nur bei den privaten Haushalten3 als Nichtmarktproduktion für die eigene Verwendung sowie bei Staat und privaten Organisationen als Sonstige Nichtmarktproduktion nachgewiesen. Während die Marktproduktion bei Staat und privaten Organisationen keine Rolle spielt, ist sie bei den privaten Haushalten in ihrer Eigenschaft als Produzenten (Selbständige usw.) die Hauptposition. Der hohe Anteil der Nichtmarktproduktion bei den privaten Haus-

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3

+ +

1 "+" bedeutet, dass die Transaktion in den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen höher nachgewiesen wird als anhand der reinen Markttransaktionen beobachtbar ist. 2 Zunahme bei privaten Haushalten und entsprechende Abnahme beim Staat. 3 Der Betriebsüberschuss ist vereinbarungsgemäß null.

1

Sparen

Hierbei ist Nicht-Marktproduktion enger gefasst als in Tab. 5-1. Bei ihnen fällt aber auch Nichtmarktproduktion für die Eigenverwendung in Form eigener Bruttoanlageinvestitionen an. Darunter verbergen sich von Landwirtehaushalten entnommene landwirtschaftliche Produkte, Mietwerte für selbstgenutztes Wohneigentum und Dienste von Hausangestellten.

. +

98

Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

halten besteht weitgehend in den (unterstellten) Mieten der Eigentümerwohnungen. Solche unterstellten Transaktionen können nicht Gegenstand der Analyse sein (außer die Methode ihrer Verbuchung), daher auch nicht die Entwicklung von Wert und Preis, sondern allein ihr Preis. Je größer der Anteil der unterstellten Transaktion an der Gesamtgröße ist, umso mehr gilt das für die Gesamtgröße, und die Anteile müssten isoliert und separat gezeigt werden (Bos 2007, S. 11). Tab. 5-2 Produktionswert, Marktproduktion, Nichtmarktproduktion, Mrd Euro Staat Produktionswert Marktproduktion Nichtmarktproduktion Private Haushalte Produktionswert Marktproduktion Nichtmarktprod. f. Eigenverw. Private Organisationen oE Produktionswert Marktproduktion Nichtmarktproduktion

1991

1995

2000

2005

228,0 13,4 214,7

269,6 17,4 252,3

279,7 14,1 265,6

297,2 12,5 284,7

529,5 451,6 78,0

636,4 522,2 114,2

650,3 515,8 134,5

659,6 508,9 150,7

38,7 0,7 38,0

53,2 0,9 52,3

62,3 0,9 61,5

68,5 0,9 67,5

Quellen: Angaben des Statistischen Bundesamtes, Stand August 2006; eigene Berechnungen nach Statistisches Bundesamt (2005a).

3. Der Einkommensbegriff Die Höhe des in der Produktion entstandenen Einkommens hängt von der Wahl des Produktionsbegriffes und den jeweiligen Konventionen ab, wie diese die Produktionsgrenze festlegen. Das Einkommen ist vorwiegend an Marktströmen orientiert, wird aber durch vielfältige Ergänzungen (beispielsweise Eigenverbrauch der Landwirte, selbsterstellte Anlagen, unterstellte Mieten) erweitert. Wertveränderungen am vorhandenen Vermögen (Kapitalgewinne) sind ausgeschlossen. Das Kontensystem und die Tabellen zeigen aber, dass die VGR zum Nachweis des Einkommens nicht nur einen, sondern mehrere Einkommensbegriffe für verschiedene Aspekte verwenden. Hierbei wird grundsätzlich ein Zusammenhang zwischen Produktion und Einkommen mit der Gleichheit von (Netto-)Wertschöpfung1 und entstandenen Einkommen hergestellt. Sie ergibt sich allerdings nur dann, wenn – wie bei der Berechnung des Volkseinkommens – die Produktions- und Importabgaben herausgerechnet werden. Diese fallen zwar im Zusammenhang mit der Produktion an, reflektieren aber keine Leistung. Neben diesen Abgaben werfen die Subventionen ähnliche Probleme auf. Sie alle stehen zwischen Marktpreis und Faktorkosten, und mit dieser, von 1

Zu Faktorkosten, nicht zu Herstellungspreisen, denn Letztere enthalten die sonstigen Produktionsabgaben (abzüglich sonstigen Subventionen). Im ESVG 1995 spielt die Berechnung zu Faktorkosten keine Rolle. Das hängt mit dem Konzept der Primäreinkommen zusammen.

5. Kapitel: Verbuchungsprobleme

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der Theorie bisher nicht reflektierten Spaltung des Wertbegriffs, haben die VGR das Postulat der Identität von Wertschöpfung und Einkommen formal hergestellt, indem diese Positionen quasi als durchlaufender Posten behandelt werden. Tatsächlich hat jede Produktions- und Importabgabe Auswirkungen, die sich in der Restgröße „Betriebsüberschuss“ niederschlagen1. Den VGR fehlt eine einheitliche, der Theorie entnommene Definition des Einkommens. Sie lehnt sich teilweise an die Hicks’sche Definition von Einkommen als dem maximalen Wert an, der in einer Periode verbraucht werden kann, ohne am Ende dieser Periode schlechter als am Anfang gestellt zu werden2. Das schlägt sich z.B. bei der Berechnung der Abschreibungen nieder. Bei dieser Ermittlung des Einkommens durch Vermögensvergleich unter Berücksichtigung des Verbrauchs ist zu fragen, was als Vermögen gilt und wie es zu bewerten ist. So gelten gegenwärtig das selbstgenutzte Wohneigentum als Kapital, nicht aber das Gebrauchsvermögen. Staatliche Verwaltungsgebäude gelten als Vermögen, aber ohne Nachweis der Kapitalnutzung in den Vermögenseinkommen. Ferner wird davon ausgegangen, dass das Vermögen real erhalten bleibt. Daher werden die Verringerung des Sachvermögens durch Vorratsentnahme und der Wertverlust der Produktionsanlagen zu Wiederbeschaffungspreisen bewertet. Eine Besonderheit betrifft die privaten Haushalte. Obwohl die unentgeltlich abgegebenen staatlichen Leistungen ihnen unmittelbar zugute kommen (z.B. Ausbildung), werden sie nach dem Ausgabenkonzept nicht ihrem Konsum (oder ihren Investitionen) und damit nicht ihrem Einkommen (auch nicht Transfereinkommen) zugerechnet. Dies dürfte neben den nur pauschal lösbaren Zuordnungsproblemen daran liegen, dass das Einkommen grundsätzlich an Zahlungsströmen orientiert ist (von den o.g. Ausnahmen abgesehen). Allerdings wird der Konsum auch nach dem Verbrauchskonzept berechnet und dadurch das entsprechende Verfügbare Einkommen der privaten Haushalte erhöht.

4. Unterstellte und abgewandelte Transaktionen Die Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen enthalten verschiedene Transaktionen, die überhaupt nicht stattgefunden haben oder anders verbucht werden, als sie sich tatsächlich darstellen. Unterstellte Transaktionen (imputed transactions)3 werden typischerweise bei Nichtmarktvorgängen verwendet. Das gilt etwa für die oben geschilderten Buchungskonsequenzen des selbstgenutzten Wohneigentums oder des Eigenverbrauchs der Landwirtschaft, die im Produktions-, Einkommensentstehungs-, Einkommensverteilungs- und Einkommensverwendungskonto ihren Niederschlag haben. Unterstellt werden auch Sozialbeiträge für Beamte oder Bankdienstleistungen.

1 2

3

Vgl. hierzu auch Reich (1988), bezogen auf das alte ESVG. Diese Interpretation hat Tradition. Bereits 1932 hat das Statistische Reichsamt in Anlehnung an Hermann und Schmoller entsprechend definiert (vgl. Pfleiderer 1934, S. 2 f.). Meist spricht man treffender von zugerechneten Transaktionen.

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Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

Für die Interpretation, ob und inwiefern eine Unterstellung vorliegt, ist daran zu erinnern, dass im Mittelpunkt des ESVG zunächst die Aktivitäten und nicht die Produkte (Produktionsergebnisse) stehen. Unter diesem Aspekt ist etwa die Nichtmarktproduktion des Staates grundsätzlich Produktion, mit der auf der Inputseite Transaktionen einhergehen. Die Abgrenzung und Bewertung sind dann andere Probleme. Wenn man allerdings Unterstellungen vornimmt, muss erstens gefragt werden, ob sie allen Zielen der VGR gleichermaßen gerecht werden. So mögen hinsichtlich der Güterversorgung und für Wohlstandsvergleiche Unterstellungen zweckmäßig sein. Zur Darstellung der monetären Nachfrage oder für Konjunkturanalysen (siehe Brümmerhoff/Grömling 2010) sind sie meist ungeeignet. Zweitens muss gefragt werden, ob denn systematisch bei vergleichbaren Tatbeständen in gleicher Weise unterstellte Transaktionen verbucht werden. Das ist nicht der Fall und zeigt sich in widersprüchlichen Begründungen für die Berücksichtigung/Nichtberücksichtigung der zu entscheidenden Vorgänge. So liegt die Haushaltsproduktion außerhalb der Produktionsgrenze1, vergleichbare Leistungen von Hausangestellten nicht. Krelle hat zu Recht bemängelt, dass hier leicht die Grenze zwischen statistischem Nachweis und Analyse verwischt wird. So benötigte man für unterstellte Mieten staatlicher Verwaltungsgebäude bei einer Bewertung mit vergleichbaren Marktmieten Angaben über die Fläche der selbstgenutzten Gebäude. Bei einer unterstellten Verzinsung des gebundenen staatlichen Eigenkapitals wären Kenntnisse über die Höhe der gegenwärtig in diesen Gebäuden gebundenen Mittel erforderlich. „Ein wirklicher Marktwert existiert meist nicht, und damit ist man auf Schätzungen angewiesen, die aber in Wirklichkeit wegen ihrer prinzipiellen Unüberprüfbarkeit Festsetzungen sind. Wer will z.B. den wirklichen Nettomietwert von staatlichen Verwaltungsgebäuden feststellen, die niemals vermietet worden sind oder vermietet werden? Hier werden Zahlen eingesetzt, mit denen man nicht viel anfangen kann, und damit bekommen Begriffe wie Löhne, Gewinne usw. eine Bedeutung, die sie im normalen Sprachgebrauch nicht haben und die man nur noch nach eingehendem Studium der angewandten Berechnungsmethoden erfassen kann“ (Krelle 1967, S. 185). Diese Kritik trifft die VGR generell, denn sie sind eine Modellrechnung. Kaum jemand kennt all die angewendeten (Teil-)Modelle für Abschreibungen, unterstellte Wohnungsmieten usw. und ist in der Lage, sie hinsichtlich ihrer Konsistenz zu prüfen. Die Arbeiten von Richter (z.B. 2002a, 2002b) sind hierzu eine Fundgrube. Unterstellte Transaktionen haben Auswirkungen auf die Höhe der nachgewiesenen Produktion, nicht hingegen abgewandelte Transaktionen (rearranged transactions). Diese können Umleitung oder Aufteilung sein. Bei Umleitungen (rerouting) handelt es sich um Transaktionen, die tatsächlich stattgefunden haben, aber anders verbucht werden, als sie sich abgespielt haben. Das wichtigste Beispiel sind die Beiträge zur Sozialversicherung, die in den VGR nicht als direkte Zahlung von Arbeitgebern (z.B. Kapi1

Entsprechend wird bei der Abgrenzung des Vermögensbegriffs verfahren, so beispielsweise bei Forschung und Entwicklung (künftig Vermögen) und Humankapital (kein Vermögen).

5. Kapitel: Verbuchungsprobleme

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talgesellschaften) an die Sozialversicherung dargestellt werden. Stattdessen werden zwei Transaktionen gebucht: eine Zahlung an private Haushalte als Bestandteil des Arbeitnehmerentgelts, in einer weiteren führen die Arbeitnehmer dieselben Beiträge an die Sozialversicherung ab. Mit solchen Buchungen sollen die den Transaktionen zugrunde liegenden wirtschaftlichen Beziehungen deutlicher erkennbar werden. So sind die gesamten Sozialbeiträge den Arbeitnehmern vorenthaltener Teil ihres Einkommens1 und Kosten für die Arbeitgeber. Ein weiteres Beispiel sind bestimmte EUBeiträge, die tatsächlich zunächst an den Staat geleistet und von diesem weitergeleitet werden. Im ESVG werden sie als unmittelbare Zahlung an die übrige Welt (EU) gebucht. Ein anderer Fall abgewandelter Transaktionen ist neben der Umleitung die Aufteilung (partitioning). Hier wird eine als einzige wahrgenommene Transaktion in zwei oder mehr Transaktionen verbucht, die unterschiedlichen Kategorien zuzuordnen sind. Aufteilung bedeutet in der Regel nicht, dass zusätzliche Einheiten als Transaktionspartner eingeführt werden. Die Buchung der Schadensversicherungsprämien ist ein typisches Beispiel. Obwohl die Versicherungsnehmer und die Versicherer derartige Prämienzahlungen als eine einzige Transaktion wahrnehmen, werden sie im ESVG in zwei völlig verschiedene Transaktionen (Gegenleistung für empfangene Versicherungsdienstleistungen und Versicherungsnettoprämie) aufgeteilt.

5. Die Bewertung a) Grundsätzliches Erst durch Bewertung, d.h. die Zuordnung eines Geldbetrages zu Objekten oder Vorgängen, können Güter oder Faktorleistungen trotz ihrer Heterogenität ökonomisch vergleichbar und einer Aggregierung zugänglich gemacht werden. Wie die Begriffswahl hängt das Bewertungsverfahren vom Ziel der Darstellung, von der Art der Objekte, Transaktionen und den verfügbaren Daten ab. Je nach gewähltem Verfahren kann der Wert ein und desselben Vorgangs variieren. Grundsätzlich bestehen zwei Möglichkeiten der Bewertung: Entweder erfolgt die Bewertung mit Preisen oder man wählt andere Bewertungsmaßstäbe (z.B. Arbeitsstunden). In einem weitgehend auf dem Marktmechanismus beruhenden Geschehen werden Güter und Faktorleistungen mit ihren marktmäßig erzielten Preisen bewertet. Das ist auch – allerdings mit Modifikationen – die Standardbewertung in den VGR. Die Bewertung entspricht so den tatsächlichen Vorgängen. Welche Kritik auch an den Marktpreisen geltend gemacht werden mag, ein einfacheres Bewertungssystem gibt es nicht. Marktpreise sind auch eindeutig und vergleichsweise objektiv (das heißt von Konventionen weniger abhängig). Sie stellen ein theoretisch überzeugendes Bewertungsverfahren dar: Werden vollkommene Märkte und rationales Verhalten unterstellt, 1

Somit fallen auch die Abgabenbelastungen der privaten Haushalte höher aus.

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Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

können die Marktpreise die relativen marginalen Grenznutzen der Käufer und die relativen Grenzkosten wiedergeben. Allerdings ist dies tatsächlich aufgrund vielfältiger Marktunvollkommenheiten und staatlicher Eingriffe nur eingeschränkt erfüllt.1 Wegen der Vorzüge der Marktpreise sind andere Messverfahren, wie z.B. die zur Produktion aufgewendete Arbeitszeit, von Spezialfragen abgesehen ohne Bedeutung geblieben. Aber auch bei einer Bewertung mit der Arbeitszeit stellt sich die Frage der Gewichte, denn die Arbeitsstunde etwa eines Hilfsarbeiters und die eines leitenden Angestellten sind nur schwer gleichzusetzen. Die Verwendung von Marktpreisen zur Bewertung von Produktionswerten und Vorleistungen (Umsatzmethode) ist in den VGR in der Regel nur bei (nichtfinanziellen) Marktproduzenten möglich. Aber auch hier gibt es Ausnahmen, ferner sind bei den Nichtmarktproduzenten weitere Methoden erforderlich. Diese werden in Übersicht 5-2 zusammengestellt2. Übersicht 5-2 Verfahren zur Berechnung der Bruttowertschöpfung

Marktproduzenten

Ermittlung der Ermittlung der Bruttowertschöpfung Produktionswerte Subtraktionsmethode Umsatzmethode Differenzmethode Bewertungsmethode

Produzenten für die Eigenverwendung Sonstige Nichtmarktproduzenten

Additionsmethode

Ansatz zu Herstellungspreisen Additionsmethode

Beispiele Nichtfinanzelle Unternehmen (Regelfall) Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen Land- und Forstwirtschaft, Wohnungsvermietung Eigennutzung der Wohnung, häusliche Dienste Öffentliche Verwaltung, Private Organisationen oE

Quelle: Statistisches Bundesamt (2007), S. 55.

b) Bewertung bei Nichtmarktproduzenten und finanziellen Marktproduzenten Bei Nichtmarktaktivitäten versagt die Bewertung mit Marktpreisen. In diesen Fällen müssen Schattenpreise bestimmt werden, das heißt Preise, die potenziellen Marktpreisen nahe kommen. Hierbei gibt es in der Regel nicht nur einen einzigen Wert. Vielmehr sind (z.B. je nach unterstellter Nutzung) mehrere alternative fiktive Preise möglich, die auf mehr oder weniger zweifelhaften Annahmen beruhen können. Möglichst nahe an vergleichbare Marktpreise gelangt man bei einigen Nichtmarktvorgängen, wie z.B. dem Mietwert der eigengenutzten Wohnungen.

1

2

So ist etwa als Ausgang für eine Wohlstandsanalyse die Bewertung zu Marktpreisen dann problematisch, wenn es sich nicht um Wettbewerbspreise handelt und externe Effekte oder andere Verzerrungen auftreten. Darauf weisen jüngst auch Stiglitz et al. (2009, S. 86 ff.) hin. Die bei Kreditinstituten und Versicherungsunternehmen verwendete Differenzmethode wurde bei der Diskussion des Produktionsbegriffs der VGR unter Punkt (5) behandelt.

5. Kapitel: Verbuchungsprobleme

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Probleme ergeben sich insbesondere bei der Bewertung unentgeltlich abgegebener staatlicher Leistungen, der Nichtmarktproduktion des Staates. Zwar liegen für die vom Staat getätigten Käufe an Vorleistungen und für das Arbeitnehmerentgelt Marktpreise vor. Bei den ohne spezielles Entgelt abgegebenen Dienstleistungen fehlt aber ein solches Bewertungsschema. Nun kann man sich vorstellen sie mit PseudoMarktpreisen, also mit Preisen zu bewerten, die bei einer entgeltlichen Abgabe dieser Leistungen erzielt würden. Das ist das theoretisch überzeugendste Verfahren. Es ist aber nicht praktikabel, weil sich Pseudo-Marktpreise selten etwa durch Rückgriff auf die Preise vergleichbarer privater Güter bestimmen lassen. Auch Befragungen sind aus theoretischen Gründen (z.B. bewusste oder mangels Informationen unbewusste Fehldarstellungen1) und hinsichtlich der Kosten der Befragungen kaum geeignet. In der Praxis der VGR werden die Nichtmarktproduktion des Staates und der privaten Organisationen oE mit den Aufwendungen bewertet. Die unentgeltlich abgegebenen staatlichen Leistungen sind der Gemeinschaft demnach gerade so viel wert, wie sie insbesondere in Gestalt von Vorleistungen und an Arbeitnehmerentgelt gekostet haben (Additionsmethode)2. Die Bewertung mit Inputpreisen stellt aber keine vergleichbare Bewertung dar wie sie sich mit Marktpreisen bei tauschwirtschaftlichen Prozessen ergeben würde (Knappheitsindikator, Abstimmung von Angebot und Nachfrage). Die Nutzer unentgeltlich abgegebener staatlicher Leistungen können auch nicht wie bei Marktgütern mit Anpassungen reagieren. Anzumerken ist, dass der Private Konsum nach dem Verbrauchskonzept neben den (weitgehend) marktbewerteten Konsumausgaben auch die mit den Aufwendungen bewerteten individuell zurechenbaren Leistungen des Staates enthält. Bei der Eigenproduktion der Landwirtschaft, die nicht über den Markt geht und daher keinen expliziten Preis hat, könnte man versuchen, den Preis nichtverkaufter landwirtschaftlicher Produkte zu schätzen. Oder man könnte von den Aufwendungen ausgehen und (wie bei der allerdings nicht berücksichtigten Haushaltproduktion) der aufgewendeten Arbeit einen Wert zuordnen und einen Ertrag auf Land und Ausrüstung ansetzen. Tatsächlich bewertet man die Eigenproduktion wie die Gesamtproduktion der Landwirtschaft mit Durchschnittspreisen3. Bei der Nutzung von Eigentümerwohnungen wird ähnlich verfahren. Hier ergibt sich die Summe fiktiver Mieten wie bei den vermieteten Wohnungen aus Fläche und m2-Mietpreis unter Verwendung der gleichen Gliederungstiefe.4

1 2 3

4

Befragungen ohne Budgetrestriktionen führen daher häufig zu überhöhten Preisangaben. So hat es das Parlament beschlossen. Für die Bereiche Land- und Forstwirtschaft werden die Produktionswerte und Vorleistungen größtenteils im Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft berechnet und vom Statistischen Bundesamt übernommen und ergänzt. Es gibt eine eigene Landund Forstwirtschaftliche Gesamtrechnung. Das aus Wohneigentum entstehende Einkommen kann als Kapitalertrag angesehen werden. Ein entsprechendes Einkommen aus staatlichen Verwaltungsgebäuden usw. wird nicht berechnet. Bei staatlicher Nichtmarktproduktion entstehen nach der gegenwärtigen Konvention nur Arbeitseinkommen.

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Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

Wegen der nicht einheitlichen Bewertung der Güter im Markt- und Nichtmarktbereich ist auch das Bruttoinlandsprodukt aus unterschiedlich bewerteten Größen zusammengesetzt, was seine Verwendbarkeit und Aussagekraft einschränkt.

c) Verschiedene Preiskonzepte Selbst wenn grundsätzlich eine Bewertung mit Preisen möglich ist, bleibt noch die Wahl zwischen verschiedenen Preiskonzepten. Dabei geht es zunächst um verschieden abgegrenzte Marktpreise. Marktpreise sind tatsächliche beobachtbare Preise, die die Nettoproduktionsabgaben einschließen. Diese Bewertung wird in der Verwendungsrechnung des Bruttoinlandsprodukts bei der Marktproduktion benutzt. Der Herstellungspreis ist der Betrag, den der Produzent ohne die pro Einheit eines Gutes zu zahlenden Steuern (Gütersteuern) erhält, aber zuzüglich der empfangenen Gütersubventionen. Dieses Konzept wird bei Komponenten der Entstehungsrechnung des BIP verwendet und ist insbesondere für regionale und sektorale Strukturuntersuchungen wichtig. Bei der Bewertung der Einfuhr spielt zusätzlich eine Rolle, ob die Versicherungs- und Transportkosten zwischen der Ausfuhr- und Einfuhrgrenze berücksichtigt werden (fob- oder cif-Preise).1 In den deutschen VGR wird zusätzlich zwischen Marktpreisen und Faktorkosten unterschieden. Zu den Faktorkosten gelangt man, indem von den Marktpreisen die Produktions- und Importabgaben ab und die Subventionen hinzugerechnet werden. Beide Bewertungen kommen für unterschiedliche Fragestellungen in Betracht, wobei es zu Zielkonflikten kommen kann2. So ist z.B. bei einer Bewertung des Eigenverbrauchs der Landwirtschaft zu Herstellungskosten die Produktionsleistung der Landwirte richtig bemessen, nicht aber deren Privater Konsum. Eine vergleichbare Bewertung des Privaten Konsums von Haushalten der Landwirte und anderer Personen würde eine Bewertung des Eigenverbrauchs zu Einzelhandelspreisen (Marktpreisen) verlangen. Das Berechnungsergebnis hängt bei den zu Faktorkosten bewerteten Größen davon ab, was zu den Produktions- und Importabgaben (frühere Bezeichnung: indirekte Steuern) bzw. zu den Subventionen gerechnet wird und welche Verhaltensannahmen hinsichtlich dieser Transfers getroffen werden. Je umfassender die Produktions- und Importabgaben interpretiert werden, desto geringer wird ceteris paribus das zu Faktorkosten bewertete Volkseinkommen, weil die Unternehmens- und Vermögenseinkommen als Restgröße entsprechend niedriger ausfallen. Daher stellt sich die Frage nach der theoretischen Begründung für das praktizierte Verfahren. Bei der Abgrenzung der Produktions- und Importabgaben gegenüber den Einkommen- und Vermögensteuern (früher: direkte Steuern) wird danach unterschieden, wer die Steuern zahlt, und außerdem das Kriterium der steuerlichen Abzugsfähigkeit (als Betriebsausgaben oder Werbungskosten) bei der Gewinnermittlung in der Einkommen- und Körperschaftsteuer zugrun1 2

Siehe die Ausführungen in Kapitel 9 (Zahlungsbilanz, Abschnitt 4b). Hier kann auf eine alte Diskussion zurückgegriffen werden, die vor allem mit Hicks (1940) eingesetzt hat.

5. Kapitel: Verbuchungsprobleme

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de gelegt. Die Frage der Überwälzbarkeit wird zwar nicht direkt angesprochen, letztlich wird aber davon ausgegangen, dass Produktions- und Importabgaben im Preis weitergewälzt werden, was in der Realität sicher nur teilweise gelingt. Bei den Einkommen- und Vermögensteuern wird hingegen keine Überwälzung unterstellt. Ohne diese Hypothese wäre es sinnlos, zwischen beiden Steuern zu unterscheiden. Nun ist die steuerliche Abzugsfähigkeit verschieden regelbar. Ferner sind einzelne Steuern (z.B. Gewerbesteuer) hinsichtlich der Wirkung auf die Gewinne nicht anders zu beurteilen als die Körperschaft- oder die Einkommensteuer, gelten aber als Produktionsund Importabgaben. Die Abgrenzung ist folglich eine rein rechnungsmäßige oder formale Unterscheidung, die keine hinreichende ökonomische Begründung zur Ableitung einer besonderen gesamtwirtschaftlichen Größe (Volkseinkommen) darstellt. Das Faktorkostenkonzept ist daher in seiner Aussagefähigkeit zweifelhaft.

d) Die Deflationierung (1) Die Zielsetzung Die Deflationierung stellt einen gewissen Übergang zur Bewertung mit unterstellten Preisen dar. Hier wird allerdings auch (soweit das möglich ist) mit tatsächlichen Preisen gerechnet, nur werden diese Preise auf Größen anderer Perioden bezogen. Bei den in den VGR dargestellten Aggregaten (wie beispielsweise BIP, Investitionen oder Privater Konsum) handelt es sich weitgehend um Produktsummen aus Mengen und Preisen. Aus der Entwicklung solcher in jeweiligen Preisen bewerteten („nominalen“) Größen ist nicht zu erkennen, ob sie auf Mengen-, Qualitäts- oder Preisveränderungen beruhen. Ziel einer Umbewertung der in jeweiligen Preisen nachgewiesenen Größen ist es, die nominalen Aggregate in eine Preis- und Volumenskomponente zu zerlegen. Das Verfahren, mit dem die produktionsbedingte Entwicklung von Größen sichtbar gemacht werden soll, nennt man volumenorientierte Deflationierung. Hierbei werden mit Hilfe spezifischer Preisindizes die absoluten Veränderungen der Einzelpreise herausgerechnet. Praktisch wird die Entwicklung des Produktionsvolumens sichtbar, indem die nominellen Größen durch ihre zugehörigen Preisindizes geteilt werden. So kann man die Veränderung des Volumens1, d.h. die nach Menge und Qualität noch zu differenzierende Produktionsänderung messen. Später wird mit der realwertorientierten Deflationierung eine andere Methode dargestellt, bei der mit einem universalen Deflator die Geldwertänderung der Nominalwerte herausgerechnet wird.

1

Unter der Annahme gleichbleibender Qualität stimmen Mengen- und Volumenänderungen überein. Da die Annahme aber meist nicht zutrifft, muss man Qualitätsänderungen herausrechnen, die – siehe (2) – als Mengenänderungen interpretiert werden.

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Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

(2) Möglichkeiten zur Darstellung der Preisentwicklung Grundsätzlich können verschiedene Indizes konstruiert werden, um die Preisentwicklung eines Aggregats zu messen. Angenommen, es gäbe nur zwei Güter 1 und 2, für die ein Preisindex berechnet werden soll. Der Wert (w) der Güter bestimmt aus Menge (q) mal Preis (p) des jeweiligen Gutes sei im Jahre 2006

p 2006 (5-1) w 2006 = q12006 p12006 + q 2006 2 2 Der Wert beider Güter im Jahre 2005 ist entsprechend (5-2) w 2005 = q12005 p12005 + q 2005 p 2005 2 2 Im Wertindex (5-3) W 2006 = w 2006 / w 2005 können sich alle Bestandteile gegenüber 2005 (oder einem anderen Vergleichsjahr, z.B. 2000) geändert haben. Mit dem Preisindex von Laspeyres PL wird die Frage beantwortet, wie sich die Preise des Aggregats im Jahre 2006 gegenüber einem Basisjahr (2000) verändert haben, wenn man das Mengenschema des Basisjahres zugrunde legt. Hierzu verwendet man feste Gewichte des Basisjahres. (5-4) PL,2006 =

q12000 p12006 + q 2000 p 2006 2 2 q12000 p12000 + q 2000 p 2000 2 2

Für das Basisjahr 2000 stimmen die Größen im Zähler und Nenner überein, so dass der Indexwert gleich 100 (üblicherweise statt 1) ist, bei steigendem Preisniveau ist der Indexwert im Jahre 2006 größer als 100 und für die vor 2000 liegenden Jahre kleiner als 100. Der Preisindex von Paasche PP verwendet hingegen die Gewichte des aktuellen Jahres und zeigt an, wieviel teurer die Gütermengen des Jahres 2006 gegenüber den Preisen des Jahres 2000 geworden sind. (5-5) PP,2006 =

q12006 p12006 + q 2006 p 2006 2 2 q12006 p12000 + q 2006 p 2000 2 2

Auch hier zeigt ein Index von über 100 einen Anstieg der Preise des Aggregats gegenüber dem Jahre 2000 an. In der Regel ist PL,2006 ≠ PP,2006 zu erwarten. Das ist eine Folge der Änderung der Güter- und Preisstruktur zwischen 2000 und 2006.

5. Kapitel: Verbuchungsprobleme

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• Wegen der festen Gewichte erlaubt der Laspeyres-Index einen direkten Vergleich zwischen den einzelnen Jahren. Es besteht allerdings die Gefahr, dass PL nicht mehr die aktuellen Ausgabengewohnheiten widerspiegelt. Durch auch kurzfristig sinkende Preise etwa für Computer und steigende Preise für Dienstleistungen (z.B. Friseur, Restaurant) oder Mineralöl ändert sich die Preisstruktur, wodurch Substitutionen ausgelöst werden können, die der Laspeyres-Index nicht erfasst. • Der Paasche-Index erlaubt nur einen Vergleich von Berichts- und Basisjahr, aber nicht mit den dazwischen liegenden Jahren. Hier wird zwar das aktuelle Gewichtsschema zugrunde gelegt, nur kann das von dem Schema des Basisjahres abweichen, für das der Index = 100 gesetzt wird. Bei beiden Indexreihen weichen folglich mit zunehmendem Abstand zwischen Berichts- und Basisjahr die Gewichte voneinander ab. Um die jeweils aktuellen Preisrelationen zu berücksichtigen, kann eine jährlich wechselnde Preisbasis verwendet werden. Hierbei kann man für jedes zu erfassende Berichts-jahr das Mengengerüst des vorangegangenen Jahres dem Vorjahresvergleich zugrunde legen (Laspeyres-Index), oder man wählt die Gewichte des jeweils aktuellen Jahres (Paasche-Index). Tatsächlich wird bei der Methode der Vorjahrespreisbasis1 der Laspeyres-Index verwendet, wobei die Wertangaben eines Jahres mit Preisindizes deflationiert werden, die immer auf den Jahresdurchschnitt des Vorjahres normiert sind. So erhält man zunächst eine Sequenz von Jahresergebnissen in konstanten Preisen des Vorjahres mit dazu passenden Messzahlen. Durch Verkettung (Chain-linking) dieser Messzahlen kann für jedes Merkmal dann auch eine vergleichbare lange Zeitreihe von sog. Kettenindizes2 ermittelt werden. Mit der Vorjahrespreisbasis soll die Berechnung der realen Veränderungsraten genauer und treffsicherer als bei der Festpreisbasis sein3. Bei dieser Deflationsmethode weist das Statistische Bundesamt das reale BIP und seine Komponenten nicht (mehr) als Niveaugrößen, sondern nur als Indizes nach. Zwar lassen sich Niveauangaben konstruieren, „indem der nominale BIP-Wert eines beliebigen Jahres mit der realen Zuwachsrate der Folgeperioden fortgeschrieben wird. Wegen der von Jahr zu Jahr variierenden Gewichte lassen sich diese Zahlen allerdings nicht mehr so einfach interpretieren“ wie bei von einem Basisjahr ausgehenden konstanten Preisen. Weil die preisbereinigten Teilaggregate des BIP nicht mehr zu dem Wert des preisbereinigten Aggregats addiert werden können, ist auch eine Ermittlung des preisbereinigten Außenbeitrags nicht mehr möglich. 1

2

3

Das Statistische Bundesamt spricht von der Methode der Vorjahrespreisbasis, weil für die preisbereinigten Veränderungsraten einer Periode allein die Preisentwicklung gegenüber dem Vorjahr bedeutsam ist. „Ein Kettenindex ist ein spezieller Indextyp, der sich aus der zeitlichen Verknüpfung (Multiplikation) von Teilindizes ergibt; diese beziehen sich jeweils auf das Vorjahr und haben damit ein jährlich wechselndes Wägungsschema. Kennzeichnend ist, dass ein beliebiger Zwei-Periodenvergleich (zwischen Zahl 0 und t) indirekt hergestellt wird, nämlich als Produkt der jährlichen Teilindizes, und nicht direkt, also allein unter Beteiligung von Daten der Perioden 0 und t, wie bei einem direkten Volumen- oder Preisindex. Zur Darstellung wird der Kettenindex auf ein bestimmtes Referenzjahr bezogen“ (Statistisches Bundesamt 2006f, S. 34). Das Verfahren ist methodisch sowie hinsichtlich seiner Begründung und der Verwendungsempfehlungen des SNA umstritten (siehe Lippe 2000 und 2007).

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Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

(3) Die Preisbereinigung in der Entstehungs- und Verwendungsrechnung Zur besseren Vergleichbarkeit der Preis- und Volumenberechnung zwischen mehreren Ländern über bestimmte Zeiträume ist die Verwendung des gleichen Referenzjahres vorgesehen (bei Preisen eines Basisjahres ein möglichst aktuelles Jahr). Das ist nicht erforderlich, soweit die EU die Vorjahrespreisbasis und die Verwendung von Kettenindizes festgelegt hat. Die Berechnung des preisbereinigten Bruttoinlandsprodukts erfolgt entstehungs- und verwendungsseitig mit der Methode der doppelten Deflationierung. Sie wird dann gewählt, wenn Wertgrößen als Ganzes nicht in eine Volumenund in eine Preiskomponente aufteilbar sind, weil sie in jeweiligen Preisen als Saldo zweier Güterströme ermittelt werden. So wird das BIP durch getrennte Deflationierung der letzten Verwendung von Gütern und der Einfuhr berechnet. Der Preisindex für die Differenzgröße BIP wird folglich als Relation des Saldos zweier Preisindizes nachgewiesen. Im Rahmen der Entstehungsrechnung erhält man die preisbereinigten Bruttowertschöpfungen mit der Methode der doppelten Deflationierung als Differenz zwischen den jeweils preisbereinigten Produktionswerten und Vorleistungen. Eine direkte Preisbereinigung der nominalen Wertschöpfung mit Hilfe spezieller Preisindizes ist nicht möglich. Problematisch ist, dass die Wertschöpfung kein Güterbündel darstellt, das in eine Preis- und eine Volumenkomponente zerlegt werden kann. Das Verfahren ist also eine Annäherungslösung um abzuschätzen, wie sich die Leistung der einzelnen Wirtschaftsbereiche (gemessen an deren Bruttowertschöpfung) bzw. der Gesamtwirtschaft (gemessen am BIP) gegenüber dem Vorjahr verteuert oder verbilligt haben. Beim Wertschöpfungsdeflator wird der kombinierte Einfluss von Output- und Inputpreisen (bei Produktionswert bzw. Vorleistungen) wirksam. Man kann auf diese Weise die Veränderung der Terms of Trade für einen einzelnen Wirtschaftszweig feststellen. Bei der Deflationierung der Verwendungsseite des BIP werden Preisindizes mit wechselnder Wägung verwandt, denen der Warenkorb des jeweiligen Berichtsjahres zugrunde liegt (Paasche-Formel). Die Preisentwicklung gegenüber dem jeweiligen Vorjahr lässt sich aus ihnen – wegen der wechselnden Wägung – nur mit Einschränkung ablesen. Der Preisindex für das BIP stellt die Preisentwicklung der von der Wirtschaft erbrachten Produktionsleistung dar, die als Differenz zwischen allen von der Volkswirtschaft erzeugten Waren und Dienstleistungen und der Summe aller Vorleistungen (einschließlich eingeführte Güter) errechnet wird. Auf die Preise der in die inländischen Verwendung eingehenden Güter wirkt sich so auch die Preisentwicklung der eingeführten Güter aus (Statistisches Bundesamt 2006b, S. 26). Weil die Exportpreise das Ausland betreffen, ergeben sich keine sinnvoll interpretierbaren Aussagen für die Preisniveauentwicklung im Inland. Bei den Importen ist schwer zu verstehen, dass steigende Einfuhrpreise – wegen negativen Vorzeichens in der Verwendungsrechnung – den Preisniveauanstieg verringern. Die Preisbereinigung erweist sich auch aus anderen Gründen als problematisch. „Da die von Preisänderungen zu bereinigenden Größen inhaltlich meist nicht die gleichen

5. Kapitel: Verbuchungsprobleme

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sind wie bei den üblichen Preisindices, müssen zahlreiche Umrechnungen vorgenommen werden. Das kann z.T. nur in gröberer Form geschehen. Auch liegt nicht für alle Tatbestände gutes Preismaterial vor. Das gilt besonders für einen Teil der Einkaufspreise und für die meisten Dienstleistungen. Gerade bei den Dienstleistungen bereitet auch häufig die Aufspaltung der Werte in Menge und Preis besondere gedankliche Schwierigkeiten (was ist z.B. bei den Dienstleistungen der Banken, der Versicherungen, der Rechtsanwälte usw. als Mengeneinheit anzusehen?) ... Trotz aller notwendigen Einschränkungen dürften die Berechnungen aber doch einen einigermaßen guten Anhaltspunkt über Richtung, Struktur und in etwa auch das Ausmaß der Preisveränderungen geben“ (Bartels 1963, S. 17). Schwierigkeiten bei der Deflationierung gibt es ferner bei einem Teil der Konsumausgaben der privaten Haushalte und des Staates sowie bei intrasektoralen Strömen (Eigenheimbau, Vorräte), für die keine Marktpreise vorliegen. Hier wird die gleiche Preisentwicklung wie für über den Markt laufende Produkte angenommen. Wenn keine vergleichbaren Leistungen bestimmt werden können (bei unentgeltlich abgegebenen Leistungen von Staat und privaten Organisationen oE, aber auch anderen Dienstleistungen), wird die Preisentwicklung der Aufwendungen als Näherungslösung gewählt. Diese Berechnungen sind daher mit denen in anderen Bereichen nur begrenzt vergleichbar. Für alle Wirtschaftsbereiche bzw. Sektoren ist die Kenntnis ihrer Produktivitätsentwicklung wichtig1. Je nach Annahme über die Produktivitätsentwicklung unterscheidet sich der Verlauf der deflationierten Zeitreihen beispielsweise der staatlichen Inputs mehr oder weniger stark vom Verlauf der deflationierten Zeitreihen des (unbekannten) staatlichen Outputs. Um eine bessere Vorstellung von der Output- und Produktivitätsentwicklung zu bekommen, verlangen europäische Rechtsakte eine direkte Messung der individualisierbaren (nicht der kollektiven) Nichtmarktleistungen des Staates (und der privaten Organisationen) anhand von Volumenindikatoren. Eine solche direkte Outputmessung wird in den deutschen VGR in den Wirtschaftsbereichen „Erziehung und Unterricht“ und in Teilbereichen des Gesundheitswesens implementiert (siehe Heinig 2010). Hierdurch geht allerdings der methodische Zusammenhang zwischen nominaler und realer Berechnung verloren und die impliziten Outputpreisindizes sind nur schwer zu interpretieren. „Dieses Problem verschärft sich noch für die reale Bruttowertschöpfung, die als Differenz zwischen realem Output und preisbereinigten Vorleistungen (Deflationierung mit Inputpreisen) bestimmt. Außerdem stellt sich bei der direkten Outputmessung das Problem einer expliziten Qualitätsmessung für die Produktion“ (Räth/Struck/Voy 2009, S. 224).

1

Staatliche Mitarbeiter können effizienter geworden sein und z.B. schneller und besser Bescheide austeilen. Dann benötigt der Staat weniger Arbeitnehmer für dieselbe Tätigkeit. Allerdings wird der Preis für die Bescheide nicht auf einem Wettbewerbsmarkt bestimmt. Auch werden die Gehälter der öffentlich Bediensteten (weitgehend) durch Steuern finanziert. Das BIP gibt aber lediglich die (mit Löhnen bewertete) Zahl der Beschäftigten oder die von ihnen geleisteten Stunden wieder.

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Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

Erhebliche Probleme bereitet die Messung der Qualitätsänderungen. Will man nicht einfach Qualitätsänderungen unbereinigt in die Preiskomponente übernehmen oder veränderte Güter bei der Indexermittlung ausschließen, kommt insbesondere eine explizite Bereinigung des Preises durch Schätzung der Qualitätsänderung in Betracht. Es ist international üblich, Veränderungen der Qualität nicht als Preis-, sondern als Volumenänderung zu rechnen, die somit Mengen- und Qualitätsentwicklungen zum Ausdruck bringt. Zur Messung von Qualitätsänderungen1 werden zunächst Produkteigenschaften (Charakteristika) herausgearbeitet (z.B. gewaschene statt ungewaschene Kartoffeln), die unterschiedliche Preise begründen. Qualitätsänderungen sind bei sich rasch ändernden Produkten (z.B. Computern) erheblich, und es ist immer zu prüfen, inwieweit sich die zunehmende Leistungsfähigkeit neuer Generationen (vintages) von Computern in Korrekturen der Preisstatistik umsetzen lässt. Hierzu wurde die sog. Ausstattungsbereinigung eingeführt. Erhält etwa ein für die Preisbereinigung herangezogener PC einen größeren Arbeitsspeicher, wird der am Markt vorgefundene Preis für eine Speichervergrößerung indexsenkend angerechnet. Auch bei Druckern und Pkws geht man in der Verbraucherpreisstatistik so vor. Bei diesem sog. hedonischen Verfahren werden die Produkte in ihre wesentlichen Komponenten (Speicherkapazität, Geschwindigkeit usw.) zerlegt und die Preisänderungen heterogener Produkte regressionsanalytisch anhand der unterschiedlichen Ausstattungsmerkmale erklärt. Die Methode ist aufwändig (vgl. Mayer 2001). Die Einführung hedonischer Verfahren resultiert aus der Befürchtung vor allem in den USA (siehe Boskin et al. 1997 und Boskin/Jorgenson 1997), dass die Gefahr der Unterschätzung von Qualitätsänderungen besteht, was als gleichbedeutend mit einer Überschätzung der Inflationsrate und Unterschätzung von realer Produktion und Realeinkommen gesehen wird. In Europa wurde demgegenüber eher die Gefahr einer Unterschätzung der („gefühlten“) Inflation gesehen, weil der persönliche Warenkorb als Messgrundlage sehr viel eingeschränkter ist als der amtliche (Brachinger 2011). Die Deflationierung wird fraglich, wenn sie auch auf rein monetäre Transaktionen, die nicht in Preis und Volumen zerlegbar sind (z.B. Subventionen, Steuern), angewendet wird. Im ESVG 1995 (Tz. 10.47., 10.48.) wird zwar eingeräumt, dass sich das System der Preis- und Volumensmessung primär auf Gütertransaktionen beziehe, dennoch könnten „auch einige andere Transaktionen in Preis- und Volumenkomponenten aufgeteilt werden. Dazu zählen insbesondere die Gütersteuern und Gütersubventionen, die sich direkt auf den Wert oder die Menge von Waren oder Dienstleistungen beziehen und Bestandteil bestimmter Transaktionen werden“. Bei Mengensteuern bereite die Aufteilung in die beiden Komponenten „keinerlei Probleme. Die Volumenkomponente wird durch die Mengenänderungen des besteuerten Gutes bestimmt. Die Preiskomponente entspricht der Veränderung des Steuermessbetrages“. Entsprechend verfährt das Statistische Bundesamt. Zweifel nach dem Sinn dieser Form von Deflationierung sind allerdings angebracht.

1

Es geht letztlich um die Frage, was das Gut bei gleichbleibender Qualität gekostet hätte.

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Tab. 5-3 zeigt die Preisentwicklung des Bruttoinlandsprodukts und seiner Verwendung für die Zeit 1991-2009. Die impliziten Preisindizes (Deflatoren) für das Inlandsprodukt und die darin enthaltenen Größen erhält man durch Division der Ergebnisse in jeweiligen Preisen durch die entsprechenden preisbereinigten Größen. In der Tabelle sind auch die Terms of Trade (Realaustauschverhältnis) aufgeführt. Sie messen in den VGR die Entwicklung der Ausfuhrpreise in Relation zur Entwicklung der Einfuhrpreise von Waren und Dienstleistungen1. Steigen die Ausfuhrpreise relativ zu den Einfuhrpreisen, spricht man von einer Verbesserung der Terms of Trade, weil für die gleiche Exportgütermenge mehr Importgüter eingeführt werden können. Tab. 5-3 Preisentwicklung der Verwendung des BIP (Index 2000 = 100)1 Bruttoinlandsprodukt Inländ. Verwendung Konsumausgaben Priv. Konsumausg. Konsumausg. Staat Bruttoinvestitionen Anlageinvestitionen Terms of Trade Exporte Importe

1991 87,2 87,3 86,5 85,9 88,2 90,2 94,7 98,1 95,8 97,7

1995 99,0 97,3 96,8 96,0 98,9 99,3 103,2 105,9 98,9 93,5

2000 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100

2005 105,5 105,5 106,8 107,4 104,9 100,0 97,2 101,2 99,1 98,0

2009 110,5 110,0 111,7 112,5 109,3 102,8 101,1 103,1 98,4 95,5

1

Implizite Preisindizes (Deflatoren): Division der zu Messzahlen (2000 = 100) umgerechneten Ergebnisse in jeweiligen Preisen durch die entsprechenden preisbereinigten Größen (Kettenindizes, 2000 = 100).

Quelle: Statistisches Bundesamt (2010b), Tab. 2.3.3.

Neben der Berechnung preisbereinigter Größen in der Entstehungs- und Verwendungsrechnung des Bruttoinlandsprodukts sieht das ESVG auch eine realwertorientierte Deflationierung (Realwertrechnung) vor2, die mit einem universalen Deflator die Geldwertänderung der Nominalwerte herausrechnet. So wird das Realeinkommen der Volkswirtschaft berechnet3. Da Einkommen nicht in eine Preis- und eine Mengenkomponente aufgeteilt werden können und es folglich keinen speziellen Preisindex für Einkommen gibt, muss auch hier ein Deflator verwendet werden, der die Güter repräsentiert, die normalerweise mit dem Einkommen gekauft werden bzw. der die allgemeine Kaufkraftänderung des Geldes misst. Für die Volkswirtschaft ist auch hier ein Preisindex zu wählen, der einen breiten Güterkorb zugrunde legt. Das Statistische Bundesamt benutzt als Deflator den Preisindex für die (letzte) inländische Verwendung von Waren und Dienstleistungen. Ausgangspunkt der Berechnungen des Real1 2

3

In der Außenhandelsstatistik beziehen sich die Terms of Trade nur auf Waren. Das ESVG unterscheidet zwischen realen Größen und Größen in konstanten Preisen (preisbereinigt) als Ergebnis der Deflationierung. In der deutschen Übersetzung ist diese Abgrenzung verwischt. Die Realwerte von BIP, BNE und verfügbarem Einkommen werden dem Begriff „Realeinkommen“ untergeordnet, was für das BIP fragwürdig ist, weil es gerade nicht als Einkommens- sondern als Produktionsmaß gilt.

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Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

wertes des Verfügbaren Einkommens ist das preisbereinigte BIP. Die weiteren Berechnungsstufen und damit die Realeinkommensaggregate zeigt der in Übersicht 5-3 dargestellte Zusammenhang. Die Angaben werden mit einem Index (2000 = 100) bzw. als Veränderung gegenüber dem Vorjahr in % veröffentlicht. Übersicht 5-3 Verschiedene Realwertgrößen Bruttoinlandsprodukt preisbereinigt + Terms-of-Trade-Effekt = Realwert des Bruttoinlandsprodukts + Realwert der Primäreinkommen aus der übrigen Welt - Realwert der Primäreinkommen an die übrige Welt = Realwert des Bruttonationaleinkommens + Realwert der laufenden Transfers aus der übrigen Welt - Realwert der laufenden Transfers an die übrige Welt = Realwert des Verfügbaren Einkommens, brutto - Abschreibungen in konstanten Preisen = Realwert des Verfügbaren Einkommens

Die Problematik der Realwertberechnung besteht in der Willkür der Verwendungsannahme. So ist der Preisindex für die inländische Verwendung keine überzeugende Wahl, weil das Einkommen zum Kauf von Konsumgütern oder zum Sparen verwendet werden kann. Beim Sparen entscheidet die Anlageform (beispielsweise Sachinvestitionen oder Finanzinvestitionen) über den geeigneten Index der Realwertmessung. Es kann nicht als selbstverständlich von aufgeschobenem Konsum ausgegangen werden. Beim Konsum könnte sich ferner die Frage stellen, welche Güter nachgefragt werden.

6. Die Periodisierung Grundsätzlich können ökonomische Transaktionen in verschiedenen Stadien ihrer Abwicklung erfasst und dargestellt werden. So lassen sich Güterströme in folgenden, in der Regel auseinanderfallenden Zeitpunkten verbuchen: (1) zum Zeitpunkt der Produktion, (2) zum Zeitpunkt des Eigentumsübergangs, (3) bei tatsächlicher Lieferung bzw. Bezug, (4) bei Rechnungserstellung, (5) zum Zeitpunkt des Entstehens einer Forderung bzw. Verbindlichkeit, (6) bei Fälligkeit der Forderung bzw. Verbindlichkeit, (7) bei Zahlungsein- bzw. -ausgang. Diese Stadien können in verschiedene Rechnungsperioden des Inlandsprodukts fallen. Um eine konsistente Verbuchung zu gewährleisten, muss ein Stadium für die Erfassung der Transaktionen festgelegt werden. Stromgrößen werden konventionsgemäß nach dem Grundsatz der periodengerechten Zuordnung (accrual basis) gebucht, d.h. zu dem Zeitpunkt, zu dem ein wirtschaftlicher Wert geschaffen, umgewandelt oder aufgelöst wird bzw. zu dem Forderungen oder Verbindlichkeiten entstehen, umgewandelt oder aufgehoben werden. Es kommt also nicht auf die Zahlungsvorgänge, sondern auf die mit dem wirtschaftlichen Vorgang verbundenen Einnahmen und Ausgaben an. Die Konvention erweist sich immer dann als unbefriedigend, wenn für die jeweilige

5. Kapitel: Verbuchungsprobleme

113

Fragestellung ein anderer Gesichtspunkt der zeitlichen Zuordnung wünschenswert ist. So interessiert unter dem Aspekt der Nachfrageanalyse insbesondere das erste Stadium in der Kette Verkauf-Lieferung-Rechnung-Bezahlung. Zur Beurteilung der Liquiditätsentwicklung sind hingegen die Kassenveränderungen durch Einzahlungen und Auszahlungen bedeutsam. Neben solchen grundsätzlichen Einwänden gegen den gewählten Zeitpunkt der Verbuchung gibt es auch praktische Schwierigkeiten den Grundsatz zu realisieren. So legt das statistische Ausgangsmaterial in vielen Fällen andere Kriterien zugrunde. Daher muss versucht werden, diese Daten schätzungsweise auf den Zeitpunkt des Entstehens von Forderungen und Verbindlichkeiten umzurechnen. Das ist umso schwieriger, je kürzer der Beobachtungszeitraum ist. In vielen Fällen muss auf die Umrechnung ganz verzichtet werden, da die erforderlichen statistischen Unterlagen fehlen oder nur mit erheblichen Kosten zu beschaffen sind: So werden Ein- und Ausfuhrstatistiken aus Nicht-EU-Ländern weitgehend für den Zeitpunkt des Grenzübergangs erstellt. Zinsen sind periodengerecht entsprechend dem Auflaufen und nicht zum Fälligkeitszeitpunkt zu verbuchen. Bei der Buchung wird also davon ausgegangen, dass Zinsen auf den ausstehenden Kapitalbetrag dem Gläubiger kontinuierlich bis zum jeweiligen Fälligkeitstermin als Einnahmen zufließen1. Das hat beispielsweise auch zur Folge, dass in Fällen der Schuldenübernahme die von dem übernehmenden Sektor bei Fälligkeit zu zahlenden Zinsen zeitanteilig dem abgebenden Sektor anzulasten sind und die bis zur Schuldenübernahme aufgelaufenen Zinsverbindlichkeiten den zu buchenden Vermögenstransfer erhöhen. Bei den Steuern ist zum Zeitpunkt, in dem die Steuerverbindlichkeiten entstehen, zu buchen. Tatsächlich fallen die Einnahmen erst mit verschiedenen Verzögerungen an. Deshalb wird für den Nachweis der Steuereinnahmen das phasenverschobene Kassenaufkommen gewählt. Die eindeutige zeitliche Abgrenzung der Einnahmen und Ausgaben hat in jüngster Zeit eine prominente Rolle bei der staatlichen Defizitermittlung gespielt. Tab. 5-4 zeigt, wie die Daten der Finanzstatistik als einer Kassenrechnung in das Einnahmen/Ausgabenkonzept der VGR überführt werden. Dabei müssen rein finanzielle Transaktionen (z.B. Kauf/Verkauf von Wertpapieren) herausgerechnet, Phasenverschiebungen bei den Steuern berücksichtigt und der Bundesbankgewinn korrigiert werden, soweit er auf Bewertungsveränderungen beruht. Die hier interessierenden Phasenverschiebungen richten sich nach den in den jeweiligen Steuergesetzen vorgesehenen Terminen, bis zu denen die Steuerpflichtigen die Steuern an den Staat abliefern müssen. So wird z.B. die Lohnsteuer, die im Januar eines Jahres kassenwirksam wird, aber ökonomisch dem Dezember zugeordnet ist, dem Vorjahr zugerechnet2. Bauinvestitionen werden nicht nach den tatsächlichen Zahlungen, sondern nach dem Baufortschritt gebucht. Abschreibungen können als periodisier1 2

Ein ähnliches Problem tritt in der Zahlungsbilanz auf (vgl. Kapitel 8.3). Genauer: Die Daten der Finanzstatistik wurden bei der Lohnsteuer für das Jahr 2009 folgendermaßen korrigiert: Lohnsteuer 2009 (VGR) = Lohnsteuer 2009 + Differenz Lohnsteuer Januar 2010 und Januar 2009 (alle Finanzstatistik).

114

Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

ter Verzehr des Anlagevermögens verstanden werden. Die Erzeugung landwirtschaftlicher Produkte ist so zu buchen, als würden sie kontinuierlich über die gesamte Wachstumszeit produziert (nicht nur zur Erntezeit pflanzlicher bzw. zur Schlachtzeit tierischer Erzeugnisse). Tab. 5-4 Vergleich der Finanzierungssalden 2009 nach VGR und Finanzstatistik, Mrd Euro Gegenstand der Nachweisung Finanzierungssaldo laut Finanzstatistik + Zusetzungen aus Finanzstatistik Gewährung von Darlehen Erwerb von Beteiligungen Tilgungsausgaben

Bund1

Länder

-55,2

-29,8

20,9

16,3

4,8

0,4

42,5

2,5 18,4 0,0

3,1 12,5 0,7

0,7 3,7 0,4

0,0 0,4 0,0

6,4 35,0 1,2

Gemein- Sozialverden sicherung -7,2 -14,7

Staat -106,9

– Absetzungen aus Finanzstatistik

3,8

4,2

2,1

0,1

10,2

Darlehensrückflüsse Veräußerung von Beteiligungen Schuldenaufnahmen

1,6 2,2 0,0

3,0 1,0 0,2

1,0 0,6 0,5

0,1 0,0 0,0

5,7 3,9 0,7

-38,1

-17,7

-4,4

-14,3

-74,6

+ Zu- und Absetzungen aus den VGR

-1,0

1,5

0,5

1,0

1,9

Phasenverschiebung Bauten Steuern und Sozialbeiträge Zinseinnahmen Zinsausgaben Kindergeld Schuldenerlass Korrektur des Bundesbankgewinns2 Sonstige Abweichungen3

0,2 -0,8 -0,0 -0,1 -0,0 -0,0 0,0 -0,2

0,1 -0,7 -0,1 0,4 -0,0 -0,4 0,0 2,2

-0,5 -0,2 -0,3 0,2 -0,0 -0,0 0,0 1,3

0,0 -0,4 -0,3 -0,0 0,0 0,0 0,0 1,7

-0,2 -2,2 -0,7 0,4 -0,0 -0,5 0,0 5,0

-39,2

-16,2

-4,0

-13,3

-72,7

= Bereinigter Saldo Finanzstatistik

= Finanzierungssaldo laut VGR 1

Einschließlich der Sondervermögen des Bundes. 2 Bundesbankgewinn, soweit er auf Gold- und Devisentransaktionen und auf die Auflösung von Rückstellungen und Rücklagen zurückgeht. 3 Einschließlich Schätzabweichungen am aktuellen Rand und Rundungsdifferenzen.

Quelle: Angaben des Statistischen Bundesamtes.

7. Die Problematik von Doppelzählungen Für den Produktions- und Einkommensbegriff ist auch die Grenze zwischen Vorleistungsgütern und Gütern der letzten Verwendung wichtig. Wenn man sämtliche (tatsächlichen oder unterstellten) Produktionswerte einer Periode addiert, wird die Produktion verzerrt in diesem Zeitraum nachgewiesen. Der Grund liegt darin, dass die gleichen Güter in verschiedenen Stadien erfasst und so mehrfach gezählt werden. Doppeloder Mehrfachzählungen stellen also aus der sachlichen Abgrenzung resultierende fehlerhafte Erfassungen dar.

5. Kapitel: Verbuchungsprobleme

115

Um das zentrale Interesse an der Höhe der Produktion (und des Einkommens) einer Periode befriedigen zu können, stellt man daher prinzipiell auf Endprodukte als Produktionsmaß ab (siehe auch Übersicht 4-7). Hierzu müssen die im Produktionswert enthaltenen Vorleistungen (intermediate consumption) herausgerechnet werden. Unter Vorleistungen ist der Wert der Güter (Waren und Dienstleistungen) zu verstehen, die inländische Wirtschaftseinheiten von anderen (in- und ausländischen) Wirtschaftseinheiten bezogen haben und im Berichtszeitraum im Zuge der Produktion verbrauchen. Dagegen werden Endprodukte (oder Güter der Endnachfrage) nicht im Berichtszeitraum im heimischen Produktionsprozess eingesetzt. Um Endprodukte praktisch abzugrenzen, kann man sie als in der Rechenperiode nicht wieder verkaufte Güter festlegen. Diese Regel ist allerdings in verschiedenen Fällen problematisch. Ein Beispiel soll die Problematik verdeutlichen (Abb. 5-2): Zur Produktion rechnen die Herstellung von Stahl, die Produktion von Autos und die Dienstleistungen des Handels. Werden aber die Produktionswerte der Stahlerzeugung und der Autoproduktion und des Handels addiert, so rechnet man die Stahlproduktion dreimal und die Autoproduktion doppelt. Die gesamte wirtschaftliche Leistung soll aber unabhängig von der Zahl der Produktions- und Handelsstufen gemessen werden, was mit der Summe der Produktionswerte nicht gewährleistet ist. Das Produktionsniveau hängt vom Grad der Arbeitsteilung und von der vertikalen Konzentration ab: Je mehr durch Marktvorgänge getrennte Stufen das Produkt durchläuft, desto höher ist die Summe der Produktionswerte. Um Mehrfachzählungen zu vermeiden, muss der Wert der Produktion daher über die Wertschöpfungen der einzelnen Bereiche oder über die in der Produktion entstandenen Einkommen oder über die Endprodukte (hier beim Verkauf durch den Handel) berechnet werden. Die einzelnen Rechenwege des Inlandsprodukts zeigen, dass diese Ansätze nebeneinander verfolgt werden. So wird das BIP über die Summe der Bruttowertschöpfungen und als Wert aller Endprodukte (also der einem letzten Verwendungszweck zugeführten Produkte Konsum, Investitionen und Außenbeitrag) gemessen. Exporte von Waren und Dienstleistungen stellen hierbei Endprodukte dar; sie werden bei der Inlandsproduktberechnung mit den Importen verrechnet, deren Wert in den Endverkäufen eingeschlossen ist. Zu den Endprodukten rechnen auch die Vorratsveränderungen, die in der laufenden Periode produzierte, aber nicht verkaufte Güter darstellen. Vorleistungen können aus der laufenden Inlandsproduktion, aus einem Lagerabbau und aus dem Import stammen. Abb. 5-2 zeigt eine Bruttodarstellung der Produktionswerte, d.h. im letzten Wirtschaftsbereich ist der Produktionswert einschließlich Handelsware (gesamter Kasten) nachgewiesen. Das ESVG schreibt allerdings die sog. Nettostellung der Handelsware vor; danach werden die Vorleistungen und die Produktionswerte der einzelnen Wirtschaftsbereiche um den Einsatz an Handelsware (hier unterbrochene Linien) gekürzt; insofern würde bei der Aggregation der Produktionswerte keine Doppelzählung durch die Handelsware, wohl aber über die verbleibenden Vorleistungen (wie z.B. den Ein-

116

Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

satz von Energie) herbeigeführt werden1. Der Produktionswert ohne Handelsware entspricht also beim Einzelhandel der Summe aus den verbleibenden Vorleistungen und der Bruttowertschöpfung. Die Bruttowertschöpfung wird durch die jeweilige Rechnung nicht verändert2. Begründet wird die Nettostellung damit, dass durch Handelstätigkeit Waren nur verteilt, jedoch nicht mehr – durch Produktion – verändert würden3. Abb. 5-2 Vorleistungen, Wertschöpfung und Endprodukt im Produktionsprozess

Konto der Stahlproduktion Vorleistungen Löhne

Stahl (PW)

Konto der Autoproduktion Vorleistungen von Stahl

Autos (PW)

Gewinne andere Vorleist.

Produktionskonto Einzelhandel Vorleis- Handelstungen ware von Autoproduktion Bruttodarstellung

Löhne Gewinne Nettostellung der Handelsware

andere PW Vorleist. ohne Löhne Handelsware Gewinne

Häufig ist die Grenze zwischen Vorleistungen und Endprodukten schwer zu ziehen. Das gilt vor allem für die vom Staat und von den privaten Organisationen ohne Erwerbszweck unentgeltlich abgegebenen Leistungen (Nichtmarktproduktion). Bei ihnen erfolgt keine Zurechnung über den Markt. Kommt die Nichtmarktproduktion den privaten Haushalten zugute, geht sie dort unter und erscheint nicht mehr im Produktionsprozess. Werden die unentgeltlich bereitgestellten Leistungen von den Unternehmen genutzt, schlägt sich das aber nicht in deren Rechnungen nieder. Dennoch können diese Leistungen als Kostenreduktionen ohne explizite Aufzeichnung angesehen werden. So dient ein Teil von ihnen unmittelbar den Unternehmen bzw. einer für die private Produktion wichtigen Erhaltung des Systems und der Infrastruktur. Von einer Doppelzählung wird gesprochen, wenn die Leistungen als staatliche Produktion und außerdem mit der privaten Produktion nachgewiesen werden. Werden z.B. private Sicherheitsleistungen für Unternehmen durch die Polizei übernommen, steigt das BIP, selbst wenn die Polizisten – nun im öffentlichen Dienst – den gleichen Job ausüben. Sind 1 2 3

Das Statistische Bundesamt veröffentlicht auch eine Bruttodarstellung der Produktionswerte. Aber die Vorleistungsquote (Verhältnis von Vorleistungen zu Produktionswert) wird verändert. Netto gestellt werden auch die Wiederverkäuferumsätze von Energie, die Bruttomieten in der Wohnungsvermietung (ohne „kalte“ Nebenkosten) und die Umsätze von Reisevermittlern durch die Reduzierung auf die Vermittlungsprovisionen.

5. Kapitel: Verbuchungsprobleme

117

aber die staatlichen Leistungen nicht genauso Vorleistungen wie private? Die Frage hat bedeutsame Konsequenzen insbesondere, wenn man an die (gerade in den Ländern wie den USA) bedeutsamen Militärausgaben denkt. Ist es nicht intermediär, wenn die Fähigkeit eines Landes Endprodukte zu produzieren, verteidigt wird? Die Diskussion um die Zurechnungsproblematik bewegt sich zwischen praktisch möglichen, aber theoretisch unbefriedigenden bzw. theoretisch korrekten, aber praktisch undurchführbaren Lösungsvorschlägen. So wurde der Vorschlag einer Unterstellung gemacht, dass die Unternehmen und die privaten Haushalte jeweils in dem Umfang staatliche Leistungen empfangen, in dem sie Steuern zahlen. Bei diesem sog. Tax payments approach (Kuznets 1951) wird von der sektoralen Gültigkeit des Äquivalenzprinzips ausgegangen, das heißt die Sektoren zahlen jeweils soviel, wie sie vom Staat an Leistungen empfangen. Dieser Ansatz lässt sich aber theoretisch nicht halten, da zwischen den von den Sektoren zu zahlenden Steuern und den empfangenen staatlichen Leistungen keine direkte Beziehung besteht. Steuern sind kein spezielles Entgelt für staatliche Leistungen. Ferner stellt sich die Frage, wie die übrigen nichtsteuerlichen Einnahmen und die vom Staat geleisteten Transfers, ferner wie Haushaltsüberschüsse und -defizite zu berücksichtigen wären. Man könnte auch unterstellen, dass die staatlichen Leistungen voll den Unternehmen zugute kommen und in deren Produktionswert eingehen. In diesem Fall dürfen staatliche Leistungen nur beim Staat oder als Teil der Produktion der Unternehmen verbucht werden. Theoretisch befriedigen kann eigentlich nur der sog. Specific approach (Kuznets), wonach jede staatliche Leistung daraufhin untersucht wird, ob sie den Haushalten als Endprodukt oder den Unternehmen als Vorleistung zugute kommt. Dieser Ansatz ist praktisch nur eingeschränkt anwendbar, da befriedigende Aufteilungsschlüssel allenfalls für einzelne Bereiche gefunden werden können; und diese Schlüssel dürften aus Kostengründen auch nur im Wege der Konvention für Leistungsblöcke möglich sein und ferner nach Zeit und Raum unterschiedlich ausfallen. Dadurch wird die Vergleichbarkeit der Rechnung beeinträchtigt. Die Schwierigkeiten werden deutlich, wenn man bedenkt, dass etwa Straßen, Sicherheitsleistungen usw. von den Sektoren gemeinsam genutzt werden. Die Problematik dieses Vorgehens zeigt sich auch bei dem Versuch, die Fiktion des Kollektivkonsums auf wenige Bereiche einzuschränken. Hierzu werden – soweit möglich – die nach dem Kriterium „Wer tätigt die Ausgaben“ (Ausgabenkonzept) zunächst erfassten Staatsausgaben nach dem Kriterium „Wer verbraucht die bereitgestellten Güter“ (Verbrauchskonzept) ausgegliedert. So soll die Zuordnung der in den Individualkonsum einfließenden Nutzungen staatlicher Güter zu einem erweiterten Privaten Konsum erfolgen (Kopsch 1984). Als individuell zurechenbar werden Leistungen angesehen, die zugunsten und in der Regel mit Zustimmung einzelner Personen oder klar abgrenzbarer Personengruppen erbracht werden, d.h. wenn der Verbraucher der Leistungen individuell zu identifizieren ist. Die den Unternehmenssektor unmittelbar begünstigenden Staatsausgabenteile werden hierbei als nicht individualisierbar behandelt und voll dem Kollektivkonsum zugerechnet. Würde man mit ähnlichen Schlüsseln eine

118

Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

Zuordnung staatlicher Leistungen auf Unternehmen vornehmen, käme es zu einer weiteren Reduzierung des Kollektivkonsums. Sie wird aber nicht vorgenommen, weil damit wohl erhebliche systematische Abgrenzungsprobleme entstünden. In den VGR werden – egal, ob Ausgaben- oder Verbrauchskonzept – sämtliche unentgeltlich abgegebenen Staatsleistungen als Endnachfrage (final demand approach, Kuznets) angesehen. Es wird nicht nach Vor- bzw. Endprodukt aufgespalten. Mangels besserer Lösungen werden bewusst Doppelzählungen in Kauf genommen1. Das BIP wird also überschätzt. Das Verfahren ist aber nicht ohne Nebenwirkungen: Änderungen der Abgabepraxis staatlicher Leistungen (entgeltlich versus unentgeltlich) verändern die Höhe des BIP. Die Wirkung tritt auch ein, wenn der Staat unentgeltlich Dienstleistungen abgibt, die vorher mit Preisen von (z.B. öffentlichen) Unternehmen angeboten wurden (und umgekehrt). Quantitativ weniger bedeutsam sind Abgrenzungsprobleme, die auftreten, wenn private Haushalte und Selbständige/Kapitalgesellschaften gleichzeitig dieselben Güter nutzen: So können beispielsweise Fahrtkosten, Hotel- und Gaststättenspesen bei den letztgenannten als Vorleistungen in die Rechnungen eingehen (und steuerlich als „Betriebsausgaben“ geltend gemacht werden). Werden allerdings höhere Arbeitnehmerentgelte gezahlt, aus denen Arbeitnehmer Dienstreisen u.a. selbst bestreiten, werden die so erfolgenden Ausgaben der Haushalte als Privater Konsum gerechnet. Die Kosten der Einkommenserzielung, wie Fahrtkosten oder Berufskleidung, können aber auch für Arbeitnehmer Vorleistungen darstellen. Der überwiegende Teil solcher im deutschen Einkommensteuerrecht als „Werbungskosten“ geltenden Ausgaben rechnet in den VGR zum Arbeitnehmerentgelt und nicht als Vorleistungen. Daher werden die Ausgaben als Konsum betrachtet. Demgegenüber sind in den Unternehmens- und Vermögenseinkommen die Kosten der Einkommenserzielung bereits abgezogen. Würde man bei den Arbeitnehmerentgelten auch Vorleistungen zulassen, fielen die entstandenen Einkommen entsprechend niedriger aus. Als weitere bedeutsame Form der Doppelzählung können Ausgaben zur Behebung von Umwelt- und Unfallschäden interpretiert werden.

8. Laufende und vermögenswirksame Vorgänge Die Charakterisierung von Transaktionen und sonstigen Vorgängen als laufend oder als vermögenswirksam, d.h. ohne oder mit Folgen für die Höhe des Vermögens, ist für verschiedene Fragestellungen von Bedeutung. Einkommen und Güter können innerhalb einer Berichtsperiode verbraucht und als laufender Vorgang verbucht werden, sie können aber auch als Nichtverbrauch zur Vermögensbildung beitragen. Je nach der definitorischen Abgrenzung der laufenden gegenüber den vermögenswirksamen Ein1

Die Argumentation, der Vorleistungsanteil sei wenig bedeutend, der relative Anteil zeitlich konstant und die eingegangenen Ungenauigkeiten seien einer mehr oder weniger willkürlichen Korrektur vorzuziehen (Bombach 1956/57, S. 369), überzeugt nicht.

5. Kapitel: Verbuchungsprobleme

119

nahmen/Ausgaben fällt der Umfang des Sparens unterschiedlich aus. Die Abgrenzung ist, wie unten gezeigt wird, in vielen Fällen umstritten. Abb. 5-3 Laufende und vermögenswirksame Einnahmen/Ausgaben laufend (1) Einnahmen vermögenswirksam (2)

Ausgaben

laufend (3) vermögenswirksam (4) Saldo (5)

Abb. 5-3 verdeutlicht, dass je nach Verbuchungsweise die Investitionen eines Sektors und ihre Finanzierung durch Sparen/Vermögenstransfers verschieden ausfallen können, ohne dass allerdings der Finanzierungssaldo des Sektors (5), also die Differenz aus seinen gesamten Einnahmen und Ausgaben, hiervon berührt wird1. Es gilt immer E – A = (1 - 3) + (2 - 4), das heißt nur die Salden der laufenden und der vermögenswirksamen Vorgänge sind von der jeweiligen Aufspaltung der Einnahmen (E) und Ausgaben (A) abhängig, nicht hingegen der Finanzierungssaldo. Die Differenz (1 - 3) ist als Sparen definiert. Allgemeine Voraussetzungen um in den VGR als Anlageinvestition zu gelten sind Nichtgeringwertigkeit sowie wiederholter oder kontinuierlicher Einsatz im Produktionsprozess länger als ein Jahr. Zunächst wurde ein enger Investitions- und Vermögensbegriff zugrunde gelegt, der praktisch nicht über Investitionen in Sachanlagen und Vorratsveränderungen hinausging. Gegenwärtig ist der Investitionsbegriff nicht auf physische Güter und den Wert der Dienstleistungen beschränkt, die mit der Herstellung oder dem Kauf von Investitionsgütern (z.B. Installation von Ausrüstungsgütern) verbunden sind. Er schließt (produzierte) immaterielle Anlagegüter, darunter Aufwendungen für Suchbohrungen, für EDV-Software2 oder für die Urheberrechte (von geistigem Eigentum) ein. Diese so abgegrenzten Investitionen werden, wie Übersicht 5-5 zeigt, bei den Bruttoanlageinvestitionen in verschiedener Gliederung veröffentlicht. „Im Vordergrund steht üblicherweise die Betrachtung der Investitionen nach Güterarten, also die Frage nach dem Investitionsobjekt, bei der zunächst zwischen Ausrüstungen, Bauten und sonstigen Anlagen differenziert und schließlich nach weiteren Gütergruppen unterschieden wird. Darüber hinaus werden die Anlageinvestitionen sowohl nach Wirtschaftszweigen als auch nach Sektoren dargestellt, um die Investoren der Anlagegüter zu zeigen und für die jeweilige Wirtschaftsbranche das Bild über ihre wirtschaftliche Entwicklung zu vervollständigen“ (Bolleyer 2005, S. 700). Die Geldanlage in 1

2

Zu beachten ist, dass in der Abbildung rein definitorische Zusammenhänge dargestellt werden, also nichts über Größenordnungen angedeutet wird. Die vermögenswirksamen Einnahmen/Ausgaben machen normalerweise nur einen geringen Prozentsatz der Einnahmen/Ausgaben aus. Die Erfassung der Software als Investitionen bedeutet u.a., dass Vorleistungen geringer werden, Investitionen, Vermögen und Abschreibungen zunehmen.

120

Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

finanzielle Titel wird in den VGR nicht zu den Investitionen gezählt, weil die Investitionen die Güterebene und nicht die Finanzierungsebene betreffen, ferner gleichen sich Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen Inländern in der Volkswirtschaft aus. Übersicht 5-5 Investitionen in den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen Bruttoinvestitionen

Vorratsveränderungen

Bruttoanlageinvestitionen

Ausrüstungen

Bauten

einschließlich Nettozugang an Wertsachen

Sonstige Anlagen

Weitere Gliederungen nach

Gütergruppen

Wirtschaftsbereichen (Investoren)

Bauten nach - Bauarten - Produzenten

Sektoren

Bundesländern (VGR der Länder)

Insbesondere Staat als Investor: Investitionen nach - Anlagearten - Aufgabenbereichen

Quelle: Bolleyer (2005), S. 701.

Eine weitergehende Interpretation der Investitionen wird häufig diskutiert1. So haben manche FuE-Ausgaben stärker den Charakter einer wirtschaftlichen Investition in künftigen Output als die traditionell abgegrenzten Investitionen. Ähnliches mag auch für Bildungsausgaben2,3 gelten. Noch werden allerdings die aufgewandten Beträge für Bildung, Ausbildung und Erziehung nicht in einer Vermögensrechnung aktiviert (und abgeschrieben). Es bleibt also unberücksichtigt, dass die Verbesserung der Qualität der Arbeit den Charakter einer Investition hat. Bildungsausgaben gelten in den VGR als Konsum, mithin wird Bildung nicht als Veränderung des Einkommenserzielungspoten1 2

3

Vgl. Kapitel 7.1. So rechnen z.B. Hochschulgebäude zu den Investitionsgütern, die Hochschullehrerbesoldung stellt dagegen Verbrauch dar. „Perhaps the most important provision for the future in economies hoping to compete in a technologically advancing world is the education and training of its people. This might well be viewed as investment, but it is not in our central income and product accounts. Yet any government looking to the allocation of resources between consumption and investment in the future would be foolish indeed to ignore critical investment in education and in knowledge generally” (Eisner 1996, S. 95).

5. Kapitel: Verbuchungsprobleme

121

zials angesehen. Das gilt gleichermaßen für „Investitionen“ eines Individuums in eigenes Humankapital wie für die „Investitionen“ von Individuen und Institutionen (z.B. Unternehmen und Staat) in fremdes Humankapital. Entschiede man sich für die Verbuchung der Humanvermögensbildung bei den privaten Haushalten, so müssten in gleicher Höhe CH sinken und SH (brutto vor Abschreibungen) steigen. Auch Abschreibungen der Haushalte wären dann zu verbuchen: Einkommensverwendungskonto CH YH brutto SH +

Vermögensveränderungskonto netto SH + IHb + } SH brutto DH +

„+“ bedeutet, dass der Vorgang höher als bei oder zusätzlich zu der bisherigen Verbuchung nachgewiesen wird, „-“ zeigt einen geringeren Nachweis an. Die konzeptionellen und empirischen Probleme der Schätzung von Investitionen in das Arbeitsvermögen sind allerdings groß, so dass ein Nachweis eher in Zusatzrechnungen zu den VGR in Betracht käme. Hierbei ist u.a. zu entscheiden, ob nur die Schulausgaben der Privaten und des Staates herangezogen werden oder ob nicht auch die Opportunitätskosten der Ausbildungszeit (gerade beim Studium) wichtig sind. Und ist nicht ein Teil der Ausbildungszeit als Konsum anzusehen? Ähnlich wäre z.B. bei den Gesundheitsausgaben zu klären, welcher Teil der laufenden Erhaltung dient bzw. Investitionen darstellt und die künftige Produktivität erhöht. Auch die Ausgaben privater Haushalte für langlebige Gebrauchsgüter werden in der Standardrechnung nicht als vermögenswirksamer Vorgang gerechnet1. Die Folge ist, dass gleichartige Güter je nach Käufer teils dem Konsum, teils den Investitionen zugerechnet werden (beispielsweise Autos, PCs). Die Behandlung der dauerhaften Konsumgüter ist eine Konsequenz der Produktionsgrenze, die Haushaltsproduktion nicht vorsieht. Folglich dürfen hier keine Kapitalgüter verbucht werden. Während das ESVG 1995 im Hinblick auf Humankapital und Gebrauchsvermögen einen eher engen Investitionsbegriff vorsieht, wählt es an anderer Stelle einen weiten Investitionsbegriff, indem staatliche Vermögensgüter bzw. staatliche Investitionen militärische Güter umfassen, soweit sie auch zivil nutzbar sind. Ab 2014 wird sogar diese Beschränkung aufgehoben, der Investitionsbegriff des Staates also erweitert. Jede Änderung in der Abgrenzung zwischen Konsum und Investitionen des Staates ändert im Übrigen nicht unmittelbar die Höhe des BIP (Abb. 5-4). Wenn mit größeren Investitionen auch größere Abschreibungen berechnet werden, kommt es mittelbar über höhere Cst zu einem höheren BIP; netto ändert sich nichts.

1

Allerdings werden das Gebrauchsvermögen der privaten Haushalte und seine Veränderung in der Vermögensbilanz als „Position unter dem Strich“ (siehe Übersicht 7-1) und in Zusatztabellen (Statistisches Bundesamt/Deutsche Bundesbank 2010) nachgewiesen.

122

Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

Abb. 5-4 BIP und die Verwendung des Staates Cpr

Ex – Im

I Ipr

Ist Ist + Cst

BIP

Zur Berechnung des Inlandsprodukts über die Bruttowertschöpfung müssen bestimmte Übertragungen hinzugerechnet und andere abgezogen werden. Die jeweilige Zuordnung zu den laufenden Transfers bzw. zu den Vermögenstransfers kann die Höhe des Inlandsprodukts beeinflussen. Transfers1 können von den beteiligten Wirtschaftssubjekten unterschiedlich eingeschätzt werden. Um als vermögenswirksam und nicht als laufend zu gelten, müssen in den VGR Transfers zumindest für einen der beteiligten Transaktionspartner eine unmittelbare Vermögenszu- oder -abnahme darstellen. Hierbei ist ausschlaggebend, wie die jeweils kleinere Einheit den Vorgang wirtschaftlich beurteilt, z.B. Kapitalgesellschaften und private Haushalte, wenn der Staat der Partner ist. Der jeweilige Vorgang wird parallel gebucht, er gilt also für beide Seiten als vermögenswirksam oder als laufend und wird daher auf zwei Vermögensänderungs- oder zwei laufenden Konten aufgezeichnet. Zu den Vermögenstransfers rechnen vermögenswirksame Steuern (Erbschaftsteuer) einerseits sowie Investitionszuschüsse und sonstige Vermögenstransfers andererseits. Investitionszuschüsse sind dazu bestimmt, den Erwerb von Anlagevermögen institutioneller Einheiten ganz oder teilweise zu finanzieren2. Sonstige Vermögenstransfers bewirken eine Ersparnis- oder Vermögensumverteilung zwischen verschiedenen (Teil-) Sektoren der Volkswirtschaft oder mit der übrigen Welt. Hierzu rechnen vom Staat geleistete Spar- und Wohnungsbauprämien sowie Arbeitnehmersparzulagen, Wiedergutmachungsleistungen, Leistungen an Flutgeschädigte, aber auch Hilfsmittelzuweisungen an Einfuhr- und Vorratsstellen, Prämien für die Schlachtung von Kühen, Prämien und Zuschüsse für die Stilllegung von Kohlebergwerken, Abwrackprämien für Schiffe u.a.3.

9. Die Berechnung der Abschreibungen Die Höhe von Wertschöpfung und Einkommen einer Periode (wie auch verschiedener Vermögenswerte) hängt davon ab, ob Abschreibungen nachgewiesen und wie diese 1

2

3

Es können Geld- oder Sachtransfers sein. Zu den Sachtransfers rechnet das ESVG auch den Gläubigerverzicht auf eine Forderung. Vom Staat gewährte Zinszuschüsse rechnen nicht zu den Investitionszuschüssen. Die Übernahme eines Teils der Zinsbelastung durch den Staat bildet, wie der Zinsstrom selbst, eine Einkommensverteilungstransaktion (außer der Zuschuss wird auch zur Tilgung verwandt). Auch die Übernahme der bis Ende 1994 angefallenen Schulden der Treuhandanstalt im Jahre 1995 und eines Teils der Altschulden der Wohnungswirtschaft der ehemaligen DDR fällt unter Vermögenstransfers. Entsprechend rechnet die Kapitalübernahme der Deutschen Kreditbank AG 1995 als von Kapitalgesellschaften empfangene Vermögensübertragung des Staates.

5. Kapitel: Verbuchungsprobleme

123

berechnet werden. Abschreibungen messen in den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen die Wertminderung des Anlagevermögens durch normalen Verschleiß und wirtschaftliches Veralten, unter Einschluss des Risikos für Verluste von Anlagevermögen durch versicherbare Schadensfälle1. Sie stellen eine Rechentechnik dar, mit der der Wert der Nutzung bzw. der Verzehr von in den VGR aktivierten Produktionsanlagen periodengerecht als Aufwand erfasst wird. Übersicht 5-6 Das Abschreibungskonzept der deutschen VGR Abschreibungsrelevante Grundfragen - Funktion der VGR-Abschreibungen - Abgrenzung des Kapitalbegriffs Der Faktor "Alter" Abgangsfunktion - mittlere Nutzungsdauer - Verteilung der Nutzungsdauer (Gesamtverteilung)

Investitionsjahrgänge - Güterarten - Sektoren

Abschreibungsmethode - das linerare Verfahren

Abschreibungsverteilung

Preiskonzepte - Anschaffungspreise - konstante Preise - Wiederbeschaffungspreise

VGR-Abschreibung

Quelle: Ziebarth (2002), S. 1123.

Übersicht 5-6 zeigt die Bausteine des Abschreibungskonzepts2. Abschreibungen sind keine direkt messbare Größe, sondern ein kalkulatorischer Posten, der nach bestimmten festgelegten Grundsätzen berechnet wird. „Die Berechnungs- und Bewertungsgrundsätze richten sich im Wesentlichen nach den angestrebten Aussagezielen, die für die Abgrenzung des Abschreibungsgegenstandes, die Wahl des Abschreibungsverfahrens und die Bewertungsmethode sowie für die Länge der geschätzten Abschreibungsdauer von Bedeutung sind“ (Schäfer/Schmidt 1983, S. 919). Abschreibungen werden auf das gesamte Anlagevermögen berechnet, also sowohl auf Sachanlagen (einschließlich öffentlicher Tiefbau) als auch auf immaterielles Anlagevermögen (wie Suchbohrungen, Computerprogramme) sowie auf Bodenverbesserungen und aktivierte Grundstücksübertragungskosten, jedoch nicht auf Tiere. Abgeschrieben werden nur produzierte Güter, also nicht Grund und Boden, Naturschätze, oder Parks. Parks und Außenanlagen sind allerdings prinzipiell insoweit eingeschlossen, wie die Aufwendungen zu ihrer Erstellung als Investitionen erfasst werden.

1

2

Geringwertige langlebige Güter werden, selbst wenn sie über mehrere Jahre hinweg nutzbar sind, bereits im Jahre ihrer Anschaffung voll als Vorleistung verbucht. Die Ausgaben für derartige Güter gelten bis zu einer Grenze von 500 Euro (in Preisen von 1995) je Stück oder beim Erwerb einer größeren Menge je Kauf als Vorleistungen. Siehe auch Kapitel 7.5, in dem wichtige Begriffe erläutert werden.

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Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

Abgeschrieben wird linear, d.h. die Höhe der Abschreibungen wird in der Regel durch gleiche Aufteilung des Anschaffungswertes des Anlagegutes auf seine gesamte Nutzungsdauer berechnet. Als erwartete wirtschaftliche Nutzungsdauer ist der durchschnittliche Zeitraum definiert, der zwischen Erstzugang und endgültigem Ausscheiden aus dem Produktionsvermögen liegt. Versicherbare Schadensfälle werden bei der Festlegung der Nutzungsdauer berücksichtigt. Bei wirtschaftlichen und technischen Sonderentwicklungen sind Verkürzungen der Nutzungsdauer oder Sonderabschreibungen nicht zulässig. Die Messung der Abschreibungen ist im Falle der Marktproduktion ohne Auswirkungen auf das BIP von der Entstehungs- und Verwendungsseite her. Bei der Nichtmarktproduktion steigen hingegen mit zunehmenden Abschreibungen z.B. die über die Aufwendungen ermittelten Konsumausgaben des Staates und damit das BIP. Die Auswirkungen erhöhter Abschreibungen auf das Nettoinlandsprodukt und das Nettonationaleinkommen sind anders. Beide sinken im Falle der Marktproduktion, bleiben bei der Nichtmarktproduktion aber gleich. Diese Wirkungen ergeben sich auch für das Verfügbare Einkommen sowie die Unternehmens- und Vermögenseinkommen. Als Einkommen wird, wie oben erwähnt, der Betrag angesehen, der nach Erhaltung des realen Produktionsvermögens verbleibt. Reale Werterhaltung soll also gewährleistet sein. Die entstandenen Einkommen werden daher als Rest ermittelt: So ergeben sich die Unternehmenseinkommen aus der Bruttowertschöpfung nach Abzug der Abschreibungen, Arbeitnehmerentgelte und Vermögenseinkommen1. Um Werterhaltung zu gewährleisten, werden die Abschreibungen zu Wiederbeschaffungspreisen der Anlagegüter in der Berichtsperiode bewertet. Dieses Konzept für die Bewertung der Abschreibungen steht im Einklang mit der Bewertung der übrigen Kosten in der Inlandsproduktberechnung (in jeweiligen Preisen), bei der grundsätzlich von den im Berichtsjahr geltenden (Markt-)Preisen ausgegangen wird. Deshalb werden Wiederbeschaffungspreise bei den Abschreibungen auch als jeweilige Preise bezeichnet. Unter dem Ziel der Einkommensmessung mag das so angewendete Konzept der Erhaltung des realen Produktionsvermögens adäquat sein. Als Grundlage für die Produktionsanalyse „wird das Konzept der volkswirtschaftlichen Abschreibungen den Anforderungen nicht im selben Maße gerecht. Für die Produktionsanalyse wird der Faktoreinsatz an Kapital in der Periode benötigt, die vom Kapitalstock ausgehenden Leistungen (services), nicht das geringer werdende zukünftige Produktionspotenzial“ (Richter 2002b, S. 130)2. Die Berechnung der Abschreibungen in den VGR unterscheidet sich hinsichtlich ihrer Berechnungs- und Bewertungsgrundsätze von der im einzelwirtschaftlichen Rechnungswesen (Handels-, Steuerbilanz, Preiskalkulation). Die Abschreibungen in der Inlandsproduktberechnung sind daher als fiktive Größe anzusehen; sie haben mit den

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„Abschreibungen werden im ESVG den Kosten zugerechnet und sind eine wichtige Transaktion innerhalb von Einheiten“ (ESVG, Tz. 1.34). Im künftigen SNA 2008 ist vorgesehen, in Zusatztabellen außerhalb des Kernsystems die Kapitalkosten durch Abschreibungen und Kapitalverzinsung darzustellen.

5. Kapitel: Verbuchungsprobleme

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Abschreibungen der wirtschaftlichen Praxis wenig gemeinsam1. Zur Messung der Abschreibungen entfernen sich die VGR fast vollständig vom Informationsvorrat auf der Mikroebene. Daher „können ökonometrische Modelle und Prognosen, welche die volkswirtschaftlichen Abschreibungen als zentrale erklärende Variable enthalten, nichts über das unternehmerische Verhalten – z.B. in Bezug auf die Investitionstätigkeit – aussagen, es sei denn, daß ein starker Zusammenhang zwischen volks- und einzelwirtschaftlichen Abschreibungen besteht“ (Rinne 1967, S. 55). Allerdings haben frühere Simulationsrechnungen des Statistischen Bundesamtes (Schäfer/Schmidt 1983) gezeigt, dass sich die Ergebnisse trotz verschiedener Rechnungen stark angleichen. Der Grund hierfür liegt darin, dass die Bewertung zu Wiederbeschaffungspreisen in den VGR die längeren Abschreibungszeiträume sowie den Effekt gewisser steuerlicher Sonderabschreibungen in den Erfolgsrechnungen der wirtschaftlichen Praxis weitgehend kompensiert. Je nach Fragestellung haben brutto oder netto nachgewiesene Größen ihre Berechtigung. Da die Nachfrage nach Investitionsgütern auf dem Markt brutto erscheint, sind für Zwecke der Nachfrageanalyse Bruttoinvestitionen das geeignete Aggregat, zur Messung des Einkommens sind hingegen Nettogrößen zu wählen.2

10. Die Erstellung regionaler Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen Die regionalen VGR werden für alle Bundesländer unter Verwendung gleicher Methoden und gleicher Quellen erstellt, so dass ihre Ergebnisse interregional voll vergleichbar sind. Für die EU-Staaten ist rechtsverbindlich vorgeschrieben, die Gebietsystematik für die Statistik NUTS (Nomenclatures of Territorial Units for Statistics) zu verwenden, hierbei bezeichnen NUTS 1 die Bundesländer, NUTS 2 die Regierungsbezirke und NUTS 3 die Kreise Deutschlands. Die Einbettung der regionalen Ebene in das EU-Regelwerk ist mit dem Bedarf der EU an harmonisierten VGR-Indikatoren für die Regionen Europas vor allem für ihre Regionalpolitik zu erklären, also für die Abgrenzung der Fördergebiete, die Mittelverteilung und die Bewertung der Maßnahmen im Rahmen der Struktur- und Kohäsionsfonds3. Es wurde bereits festgestellt, dass die Datenbasis immer schlechter wird, je näher sie sich am aktuellen Rand bewegt. Das gilt in gleicher Weise für regionale Rechnungen. Zum Teil verschärfen sich die Probleme bei der Berechnung gesamtwirtschaftlicher Aggregate auf Länderebene und für kleinere regionale Einheiten. So können bei Unternehmen Unternehmenssitz und Betriebsstätte, bei Personen Wohnort und Arbeits1

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Steuerliche Abschreibungen sollen in den VGR gerade nicht herangezogen werden, weil sie oft als wirtschaftspolitische Instrumente, z.B. der Investitionsförderung, verwendet werden. Auch diese hinreichend bekannte Feststellung wurde jüngst im Stiglitz-Report (Stiglitz et al. 2009, S. 91) wiederholt. So stellen die Programme der Regionalpolitik im EU-Budget mit fast 30 % der Gesamtausgaben nach dem Agrarbereich den zweitgrößten Ausgabenblock dar, was die hohe fiskalpolitische Tragweite der regionalen VGR unterstreicht.

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Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

stätte auseinanderfallen. Die dadurch entstehenden grenzüberschreitenden Transaktionen lassen sich meist nur indirekt erfassen und daher schwer einzelnen Regionen zurechnen. Je mehr Regionen (entsprechend: Wirtschaftsbereiche) betrachtet werden, desto größer wird die für die Beschreibung erforderliche Zahl der zu erfassenden Vorgänge. Bisher innersektorale Beziehungen, die durch Konsolidierung herausfallen, werden zu Beziehungen zwischen den Regionen und sind nun zu erfassen. Es ist fast immer einfacher Indikatoren zu finden, die eine Bundessumme auf die Regionen verteilen, als Grundlagen für grenzüberschreitende Transaktionen festzulegen. Im Allgemeinen liegen über die interregionalen Güter-, Leistungs- und Finanzströme keine Informationen vor. Die regionalen VGR kommen daher ohne eine Reihe weiterer fundierter Schätzungen nicht aus. Welche Probleme aus volkswirtschaftlicher Sicht zu lösen sind, macht der Fall eines Unternehmens deutlich, dass „für die Lieferung eines (End-)Produkts der einen Tochter an eine andere Tochter interne Preise (Marktpreise?) vereinbart, die niedriger als die Summe der Bruttolöhne und -gehälter der produzierenden Tochter sind. Die derzeitige Verfahrensweise sieht vor, dass die Wertschöpfung des Unternehmens in Anlehnung an die Verteilung der Produktionsfaktoren Arbeit (gemessen an der Bruttolohnund -gehaltsumme) und Kapital (gemessen an den Investitionen) regionalisiert wird. Welche Wirklichkeit ist nun zutreffender? Die, die den statistischen Definitionen und Konventionen entspricht, oder die, die der Sicht des am Markt agierenden Unternehmens entspricht (noch ganz unabhängig von der Frage, was ein Unternehmen zu einer solch abweichenden Bewertung führt). Die regionale VGR weist möglicherweise einer Region eine Wertschöpfung zu, in der aus Sicht des Unternehmens Verluste entstehen. Diese Frage stellt sich aus Sicht der Regionalrechnung, wo einzelne Unternehmen die Wertschöpfung beeinflussen können, mit größerem Gewicht als in der nationalen Rechnung, wo sich Einzelangaben saldieren können und dadurch ein gewisser Ausgleich entsteht“ (Meister-Scheufelen/Seitz 2005, S. 24). Der Berechnungsablauf in den VGR in Deutschland ist „nicht eine Summierung der kleinsten regionalen Ebene bis hin zum nationalen Ergebnis für Deutschland, sondern genau umgekehrt eine Aufteilung des nationalen Ergebnisses auf die Regionen. Dies bedeutet, dass zuerst nationale, vom Statistischen Bundesamt erstellte Ergebnisse für Deutschland vorliegen, die dann auf die einzelnen Regionen, angefangen bei den Bundesländern, aufgeteilt werden“ (Arbeitskreis VGRdL 2007, S. 4). Ideal wären nach der Bottom-up-Methode erstellte regionale VGR. Hierbei werden Informationen über Einheiten, die in der Region ansässig sind, regional-hierarchisch „von unten nach oben“ addiert, bis der regionale Wert des Aggregats festgestellt ist. Die Summe der regionalen Werte muss gleich dem entsprechenden nationalen Wert sein. Diese Methode lässt sich aber nur selten in reiner Form anwenden1, weil das Datenmaterial regional unzureichend verfügbar ist. Daher ist eine Koordinierung erfor1

Sie wird insbesondere im Produzierenden Gewerbe praktiziert, das mit Basisstatistiken gut ausgestattet ist.

5. Kapitel: Verbuchungsprobleme

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derlich, um Bundes- und Landeswerte in Übereinstimmung zu bringen. Hierzu wird die rechnerische Abweichung zwischen Bundeswert und Ländersumme proportional aufgeteilt. Schwierigkeiten bereitet vor allem die regionale Zuordnung der Wertschöpfung von Unternehmen mit Betriebsstätten in mehreren Regionen. Die Top-down-Methode1 ordnet nationale Aggregate mittels geeigneter verfügbarer Indikatoren den einzelnen Regionen zu, ohne dass der Versuch einer Zuordnung zu einzelnen in der Region ansässigen Einheiten unternommen wird. Das Verfahren gewährleistet die wertmäßige Übereinstimmung zwischen den nationalen und den regionalen VGR. Die Schätzungen werden hierbei nicht anhand von direkt verfügbaren Daten vorgenommen, sondern mit geeigneten Schlüsselgrößen, von denen angenommen wird, dass sie mit den zu berechnenden Größen korrelieren. Selbst wenn auf Bundesebene eine solide und zuverlässige Datenbasis vorliegt, die eine differenzierte Berechnung der Aggregate zulässt, reicht das aber für die Beurteilung der Genauigkeit der geschätzten regionalen Werte nicht aus. Wie für die Gesamtwirtschaft gilt auch hier, dass der Warenverkehr zwischen verschiedenen Regionen (z.B. Ost- und Westdeutschland) nicht erfasst werden kann. Ferner lässt sich die Wertschöpfung der einzelnen Wirtschaftsbereiche auch deshalb nur halbwegs genau ermitteln, weil eine Kontrollrechnung von der Verteilungs- und Verwendungsseite sich auf zentrale Indikatoren beschränkt. Für die Regionalisierung erweist sich die Bewertung von Produktionswert, Bruttowertschöpfung usw. zu Herstellungspreisen als hilfreich, weil die im BIP enthaltenen Gütersteuern bei regionaler Darstellung verzerrende Wirkungen haben. Das gilt insbesondere für Mineralölsteuer und Tabaksteuer2. Bei der Umsatzsteuer ist eine regionale Zurechnung nicht möglich. Eine Hilfslösung sind daher Länderangaben für das BIP, bei denen die (Netto-) Gütersteuern proportional zur Bruttowertschöpfung je Land verteilt werden. Maßgeblich für die Berechnung des BIP sind Vorgaben der EU. Entsprechend wird verfahren, wenn Korrekturen der nationalen Daten (z.B. des BIP) vorgenommen werden. Da die Summe der Länderwerte mit der Bundesrechnung übereinstimmen muss, wird die Differenz aus ursprünglichem und neuem Wert anteilig auf die Länder verteilt. Problematisch ist auch das BIP je Einwohner als Indikator der regionalen Wirtschaftsleistung (siehe Tab. 4-19). Die Berechnung des BIP erfolgt nach dem Inlandskonzept. Daher weist die Relation auf der Ebene der kreisfreien Städte und Kreise Verzerrungen auf, die aus der Nichtübereinstimmung von Arbeitsort (Erwerbstätige) und Wohnort (Einwohner) beruhen. Zur regionalen Analyse ist neben dem räumlichen Unterschied zwischen Arbeiten und Wohnen auch die Erwerbsbeteiligung der Bevöl1

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Dies wird vor allem in den Bereichen Verkehr, Nachrichtenübermittlung, Kredit- und Versicherungsgewerbe sowie öffentliche und private Dienstleister angewendet. Sie werden bei Marktpreisbewertung der Region zugeordnet, wo sie produktionsmäßig anfallen. Die Folge sind Verzerrungen der nachgewiesenen Wirtschaftskraft z.B. bei der Mineralöl- bzw. Tabakverarbeitung in Berlin, Hamburg und Köln.

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Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

kerung von Bedeutung. Zerlegt man die Größe „BIP je Einwohner“ in zwei erklärende Teilkomponenten BIP/Einwohner = (BIP/Erwerbstätige) · (Erwerbstätige/Einwohner) zeigt sich, dass die Erwerbsbeteiligung der Bevölkerung einer Region und die Arbeitsproduktivität der Einwohner dieser Region die Wirtschaftsleistung der Einwohner bestimmen. Die Arbeitsproduktivität der Einwohner einer Region muss aber nicht der Arbeitsproduktivität der Erwerbstätigen in einer Region entsprechen.

11. Die Datengrundlage der VGR und ihre Bearbeitung Die Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen beruhen nicht auf eigens für ihre Zwecke durchgeführten Erhebungen. Sie sind vielmehr eine Sekundärstatistik, es muss also auf bereits vorhandenes, primär für andere Zwecke bestimmtes Datenmaterial zurückgegriffen werden. Hierbei handelt es sich um Unterlagen aus praktisch allen Gebieten der Wirtschafts- und Finanzstatistik und verwandter Statistikbereiche. Der Datenbedarf der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen prägt die Ausgestaltung vieler anderer Statistiken. Dennoch können die primär für andere Zwecke erhobenen Daten nicht unverändert in die VGR übernommen werden, weil sie Lücken und Überschneidungen aufweisen. Die Daten haben eher den Charakter von Bausteinen, die noch bearbeitet, d.h. in Begriff, Abgrenzung usw. angepasst und bei fehlenden Teilen durch Inter- und Extrapolation ergänzt werden müssen. Das Ziel, aus Teilstücken ein vollständiges und widerspruchsfreies Gesamtbild zu erhalten, ist weitgehend nur mit Hilfe von Annahmen und Schätzungen zu erreichen. Das Statistische Bundesamt weist in verschiedenen Einzelbeiträgen in seiner Monatszeitschrift „Wirtschaft und Statistik“ und in seiner Fachserie 18, „Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen“ auf wichtige Rechnungsgrundlagen und auf die Problematik der jeweiligen Daten hin. Eine umfassende Übersicht der Quellen und ihrer methodischen Verarbeitung zur BIP-Berechnung hat das Statistische Bundesamt (2007) vorgelegt. Hier sollen nur beispielhaft einige Berechnungsgrundlagen aufgeführt werden, um die Vielzahl der Quellen anzudeuten. „Die zuverlässigsten und detailliertesten Berechnungsgrundlagen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen sind Angaben aus Großzählungen, die meist in mehrjährlichen Abständen durchgeführt werden. Die Ergebnisse dieser Erhebungen, die häufig erst relativ spät zur Verfügung stehen, stellen das Fundament des Berechnungssystems Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen dar, auf dem alles Weitere aufgebaut ist“ (Statistisches Bundesamt 1999b, S. 449/450). Für das Produktions- und Einkommensentstehungskonto der Kapitalgesellschaften und der privaten Haushalte als Produzenten werden vor allem die monatlichen Umsatzstatistiken und Produktionsindizes im Bergbau und verarbeitenden Gewerbe, die vierteljährliche Produktionserhebung, die jährlichen Kostenstruktur- und Investitionserhebungen und die zweijährliche Umsatz-

5. Kapitel: Verbuchungsprobleme

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steuerstatistik herangezogen. Sie werden durch Angaben über landwirtschaftliche Produktionswerte, Verkaufserlöse, Betriebsausgaben, Handwerks- und Wohnungszählungen, Gewinn- und Verlustrechnungen der Aktiengesellschaften, Statistiken über das Prämienaufkommen der Versicherungsunternehmen und Preisstatistiken ergänzt. Neu als Basisstatistiken herangezogen werden können die Strukturerhebungen (für Kleinunternehmen) im Bergbau und verarbeitenden Gewerbe sowie im Baugewerbe, die Pflegestatistik und die insbesondere für die Entstehungsrechnung wichtige erstmals für 2000 durchgeführte Dienstleistungsstatistik. Für diese Statistik werden Unternehmen befragt, die stichprobenhaft aus dem Unternehmensregister, der zentralen Unternehmensdatei der amtlichen Statistik, ausgewählt wurden. Hinzuweisen ist auf die besondere Berechnung der Wertschöpfung in einzelnen Wirtschaftsbereichen. So sind in der Land- und Forstwirtschaft gütermäßige Rechenansätze üblich: der Wert der Produktion wird nicht direkt bei den Produzenten erhoben, sondern anhand der Bewertung der erzeugten Gütermengen, der Erntemengen, die sich aus den Anbauflächen und den jeweiligen Durchschnittserträgen ableiten, mit entsprechenden Preisen errechnet (Menge-Preis-Verfahren). Bei tierischen Produkten geht man von den Anlieferungen bei den Abnehmern bzw. Verwendern aus. Bei der Wohnungsvermietung werden Anzahl und Flächen der Wohnungen nach Merkmalen mit Durchschnittsmieten bewertet, die auch für die Berechnung der fiktiven Eigenmieten herangezogen werden. Übersicht 5-7 zeigt exemplarisch die Berechnung der Bruttowertschöpfung für drei Zweige des Produzierenden Gewerbes aus dem statistischen Ausgangsmaterial. Die Angaben über die aus inländischer Produktionstätigkeit entstandenen Arbeitnehmerentgelte stammen hauptsächlich aus den Beitragsunterlagen der Sozialversicherungsträger und den Zahlen der Finanzstatistik (Beamtengehälter). Für Berechnungen der Arbeitnehmerentgelte in bestimmten Wirtschaftsbereichen dienen die in mehrjährigen Abständen durchgeführten Bereichszensen wie die Handwerkszählung, die Handels- und Gaststättenzählungen, die jährlichen oder vierteljährlichen Kostenstrukturerhebungen und die alle zwei Jahre stattfindende Agrarberichterstattung. Zur Berechnung des Einkommens von Personen und Haushalten werden u.a. die dreijährlichen Lohn- und Einkommensteuerstatistiken, die alle fünf Jahre durchgeführten Einkommens- und Verbrauchsstichproben und der jährliche Mikrozensus herangezogen. Die erforderlichen Angaben über die Umverteilung durch den Staat werden aus der jährlichen Finanzstatistik von Bund, Ländern und Gemeinden sowie laufenden Statistiken über Einnahmen und Ausgaben der Gebietskörperschaften, Statistiken über Sondervermögen des Bundes, Zusammenstellungen über Einnahmen und Ausgaben der Sozialversicherungen gewonnen. Der Schätzung des Privaten Verbrauchs dienen jährliche Umsatzstatistiken, monatliche Einzelhandelsumsatzsteuerstatistiken, Produktions- und Handelsstatistiken, Angaben über Mieten aus Wohnungsstatistiken, über die Zulassung von Kraftfahrzeugen, über Einnahmen und Leistungen der Verkehrsträger, ferner die Ergebnisse aus Befragungen der privaten Haushalte z.B. in Einkommensund Verbrauchsstichproben.

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Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

Übersicht 5-7 Berechnung der BWS in den Zweigen des Verarbeitenden Gewerbes sowie des Bergbaus und der Gewinnung von Steinen und Erden

Quelle: Statistisches Bundesamt (2007), S. 77.

Die Angaben über die übrige Welt sind der Außenhandelsstatistik und der Zahlungsbilanzstatistik der Deutschen Bundesbank entnommen. Grundlage für die Erwerbstätigenrechnungen bilden Mikrozensus, Beschäftigtenstatistik, Personenstandsstatistik, Wirtschaftsbereichstatistiken und andere Quellen wie die Geschäftsstatistiken über das Personal bei Bahn, Post und im Kreditgewerbe. Die Ergebnisse der Arbeitsvolumenrechnung werden vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung übernommen. Die VGR-Daten beruhen also auf einer Zusammenstellung wichtiger Indikatoren für die Entwicklung der einzelnen makroökonomischen Größen und auf Schätzungen. Das

5. Kapitel: Verbuchungsprobleme

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Ausgangsmaterial ist von verschiedener Verlässlichkeit und fällt in unterschiedlichen Abständen an. Die ursprünglichen Daten müssen in Kenntnis ihrer Genauigkeit an die Anforderungen der VGR angepasst werden. Hierbei kann es zu methodischen Fehlern kommen, wobei die subjektive Beurteilung des Bearbeiters eine bedeutsame Rolle spielt. Den „wahren“ Wert z.B. des Bruttoinlandsprodukts kennt niemand. Die unterschiedliche und unvollständige Datenbasis der VGR hat zur Folge, dass praktisch keines der Aggregate und Teilaggregate ohne mehr oder weniger starke Schätzung festgelegt werden kann. Für die Schätzungen stehen dem Gesamtrechner in jedem Erstellungsschritt stets mehrere, teils konkurrierende Modelle zur Verfügung. Daher „können bei gegebenen Informationsbausteinen unterschiedlichste Lösungen resultieren“ (Richter 2002b, S. 125). Also ist die Kenntnis der Methode für den Nutzer der VGR-Daten unabdingbar. Dies wird insbesondere bei Methodenumstellungen deutlich. Der Umstand, dass zur Erstellung der VGR auf die Daten verschiedenster Statistikbereiche zurückgegriffen werden muss, hat allerdings auch eine wichtige Koordinierungsfunktion für die gesamte amtliche Statistik: Die VGR bilden über ihren eigentlichen Zweck hinaus einen nützlichen, weitgehend von der Europäischen Kommission (Eurostat) festgelegten Rahmen für die Koordinierung und Weiterentwicklung der gesamten amtlichen Statistik. Das schließt aber nicht aus, dass in den VGR und in den übrigen Statistikbereichen z.B. verschiedene Aggregationsebenen verwendet werden und darunter die Vergleichbarkeit der Statistiken insgesamt leidet.

12. Ein Beispiel für die Fortschreibung Hinsichtlich der Berechnungsverfahren ist zwischen Originärberechnung und Fortschreibung zu unterscheiden. Bei der Originärberechnung, z.B. der Bruttowertschöpfung, wird in der Regel auf Produktions- und Umsatzzahlen sowie Vorleistungsdaten zurückgegriffen. Das ist für die endgültigen Jahresergebnisse möglich. Für kurzfristige Ergebnisse bedient man sich der Fortschreibungen. Hierbei werden z.B. originär berechnete Wertschöpfungsgrößen aus der jüngsten Vergangenheit mittels geeigneter Entwicklungsreihen extrapoliert. So wird für die Schätzung der kurzfristigen Produktionsentwicklung die Indikatorenlage, besonders im Produzierenden Gewerbe, als günstig angesehen1. Der mit Abstand wichtigste monatliche Indikator ist der Produktionsindex im Bergbau und Verarbeitenden Gewerbe sowie der Energieversorgung. Als erste Hypothese wird in den VGR die preisbereinigte Bruttowertschöpfung in diesen Bereichen mit der Veränderungsrate des Produktionsindex (global) fortgeschrieben. Da der Produktionsindex in der Fortschreibung nur die Ergebnisse von Betrieben mit 20 und mehr Beschäftigten berücksichtigt, wird für die Entwicklung der kleineren Unternehmen die Veränderung der preisbereinigten Umsätze aus der vierteljährlichen Handwerksberichterstattung zusätzlich herangezogen. Die Verwendung des 1

Die Ausführungen folgen Strohm (1997), S. 687; siehe auch Kapitel 10.2.

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Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

Produktionsindex als Fortschreibungsindikator ist zweifelsohne eine Behelfslösung, allerdings eine recht gut vertretbare. Es gibt im deutschen Statistiksystem keine Basisdaten, die es ermöglichen, die Bruttowertschöpfung vierteljährlich direkt zu messen, deshalb muss auf indirekte Verfahren zurückgegriffen werden. Der Produktionsindex hat die Aufgabe, kurzfristig (monatlich oder vierteljährlich) die preisbereinigte Wertschöpfung der einzelnen Wirtschaftszweige und ihrer verschiedenen Gruppierungen und Zusammenfassungen bis hin zum produzierenden Gewerbe insgesamt zu messen. Diese Aufgabenstellung entspricht zwar voll den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen, faktisch geht aber nur die Gewichtung der Bruttowertschöpfung in den jeweiligen Basisjahren in den Index ein. Fortgeschrieben wird die starre Wertschöpfungsstruktur des Basisjahres mit der Veränderung ausgewählter preisbereinigter Produktionswerte, teilweise auch Umsätze oder Arbeitsstunden der Betriebe mit 20 Beschäftigten und mehr. Dabei wird von einer starren Relation zwischen Produktionswerten und Wertschöpfung ausgegangen. Diese Unterstellung ist als Behelfslösung sinnvoll, sie ist aber nicht richtig, denn viele Ursachen können zu einer Veränderung dieser Relation führen (beispielsweise technischer Fortschritt oder Lohnarbeit). Generell ist die Fortschreibung tendenziell stärker auf physische Produkte ausgerichtet. Ob die Qualitätsveränderung der Produkte immer richtig erfasst wird, ist natürlich auch nicht sicher. Trotz dieser und einiger weiterer Einschränkungen gehört der Produktionsindex fraglos zum Besten, was auf dem Gebiet der kurzfristigen Konjunkturanalyse zur Verfügung steht. Darüber hinaus werden die Berechnungen im Produzierenden Gewerbe noch durch eine Reihe weiterer Monatsindikatoren gestützt, die auch bei der Wertschöpfungsberechnung in den VGR beachtet werden (z.B. monatliche Auftrags- und Umsatzindizes).

Literatur zum 5. Kapitel Einen guten Überblick über die Problematik des Produktionsbegriffs geben Holub (2002a) und Hauf/Voy (2009). Die Abgrenzung nach drei Produktionskonzepten erfolgt bei Studenski (1958). Das System der materiellen Produktion wird von United Nations (1989) beschrieben, siehe auch Stapel (2002) und zur Geschichte des MPS Árvay (1994) und Ludwig (2009). Die Unterscheidung von Markt- und Nichtmarkttransaktionen behandelt Lützel (1986) und Nordhaus (2006). Die Produktionstätigkeit der privaten Haushalte wird schon lange diskutiert; siehe Kendrick (1979), Lützel (1983, 1990), Hilzenbecher (1986) und Schäfer (1988). Die Nutzung dauerhafter Güter durch private Haushalte behandeln Kendrick (1979) und Ruggles/Ruggles (1970). Zuletzt hat dies auch der Stiglitz-Sen-Fitoussi-Report aufgegriffen (Stiglitz et al. 2009). Schwierigkeiten der Erfassung der Kreditinstitute in den VGR stellt Kopsch (1987a, 1987b) dar, die aktuelle Behandlung der unterstellten Bankgebühr (FISIM) zeigen Eichmann (2005) und z.B. Basu et al. (2008). Zu den Versicherungen in den VGR sie-

5. Kapitel: Verbuchungsprobleme

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he Hipler (1970), die Behandlung des Mietwertes von Eigentümerwohnraum problematisieren Brümmerhoff/Reich (2007). Der Beitrag von Eichmann (2002) widmet sich den Finanziellen Kapitalgesellschaften. Schäfer/Wittmann (1985) zeigen Realisierungschancen für die Erfassung der Schattenwirtschaft im Rahmen der amtlichen Statistik zur Erfassung der Schattenwirtschaft siehe auch das Handbuch der OECD et al. (2002). Neuere Verfahren zur Schätzung der Schattenwirtschaft zeigen Schneider/Enste (2000), zu Ergebnissen siehe Schneider (2005), kritisch mit diesen Rechnungen setzen sich Brümmerhoff/Janisch (2004) und Koch (2005) auseinander. Zum fehlenden Einkommensbegriff der Theorie und daraus resultierenden Adäquationsproblem siehe Reich (1988), zum Einkommensbegriff des ESVG Reich (2002), ferner Essig (2000a), Statistisches Bundesamt (2001a), Schwarz (2008) und Hauf/Voy (2009); grundlegend sind Eisner (1988) und Canberra Group (2001). Die Bewertung diskutieren Kendrick (1972, S. 33-37), Rinne (1967, S. 63-69) und Ohlsson (1961, Kap. 3), weitere Aspekte spricht Eisner (1988) an. Periodisierungsfragen behandeln Ohlsson (1961, Kapitel 5) und Rinne (1967, S. 75-78). Die Problematik der Abgrenzung von Vorleistungen und Endprodukten untersuchen Leipert (1975, S. 82 ff.), Reich/Sonntag/Holub (1977, Kapitel 8) und Studenski (1958, S. 188-194). Doppelzählungen behandelt Rinne (2002a) gut. Zur Problematik hinsichtlich der Abgrenzung Vorleistungen/Endprodukte des Staates siehe auch Brümmerhoff (2011, Kapitel 2); Musgrave (1959, S. 184-201) gibt einen Überblick über frühere Diskussionen mit ausführlichen Literaturangaben, wobei der Beitrag von Kuznets (1951) besonders zu erwähnen ist. Anwendungen finden sich bei Grömling (2010). Zur Land- und Forstwirtschaftlichen Gesamtrechnung (LGR) siehe Statistisches Bundesamt (2003a, S. 49), Stalb (2002) und das Handbuch zur Landwirtschaftlichen und Forstwirtschaftlichen Gesamtrechnung LGR/FGR 97 (Rev.1.1). Zur Trennung laufender und vermögenswirksamer Vorgänge siehe Kendrick (1972, Kap. 8); die mit einem umfassenderen Investitionsbegriff einhergehenden konzeptionellen und empirischen Probleme fasst Eisner (1988, S. 1622 f.) und Jorgenson/Landefeld (2006) zusammen. Die Schätzung der Investitionen in Form von Computerprogrammen und Datenbanken beschreibt Cruse (2002), für Urheberrechte siehe Frankford (2000, 2002). Oltmanns et al. (2009) behandeln Forschung und Entwicklung nach Konzepten der VGR. Abschreibungen in den VGR behandeln Lützel (1972) und Schäfer/Schmidt (1983), Schäfer/Ritter (2002), die verschiedene Bewertungs- und Berechnungsmethoden gegenüberstellen sowie jüngst Schmalwasser/Schidlowski (2006). Zur Bedeutung der Abschreibungen im Rahmen der VGR analysiert Ziebarth (2002). Eine kritische Darstellung der Modellrechnung zur Messung der Abschreibungen gibt Richter (2002a, S. 127-148). Zur Berechnung in konstanten Preisen siehe Lützel (1984, 1987), Neubauer (1996) und Struck (2001). Empfehlenswert ist der Beitrag zur Deflationierung von Neubauer (2002). Die Preis- und Volumenmessung in den VGR stellt Mayer (2002b) dar. Eine ausführliche Darstellung der Preis- und Volumenmessung in den VGR gibt das Handbuch der European Commission/Eurostat (2001) und Räth et al. (2009). Grundsätzlich

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Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

zu Kettenindizes siehe Lippe (2001, 2002d), die Verwendung in den VGR erläutert Nierhaus (2005a, b), zur Problematik von Quoten siehe Grömling (2005c) und Tödter (2006). Die Abgrenzung des Staates erläutern je ein Handbuch von Eurostat (2002) und International Monetary Fund (2001) und OECD (2009c) und Brümmerhoff (2009). Zur Verbuchung des Staates siehe auch Kopsch (1980, 1984), Brümmerhoff (2011, 2. Kapitel), Essig (2000b) und Struck (2004). Probleme regionalisierter Rechnungen behandelt Kohlhuber (2002), für die Analyse der neuen Länder siehe Ragnitz/Müller/Wölfl (2001). Der Arbeitskreis VGR der Länder hat eine Methodenbeschreibung (Stand 4/2007) vorgelegt. Die Genauigkeit der VGR behandelt Rinne (2002b, 1967). Zur Problematik unzureichender Basisstatistiken und Auswirkungen auf die Qualität der VGR-Ergebnisse siehe auch Strohm (1997) und Brümmerhoff/Grömling (2010); die Datengrundlage der VGR stellen Räth (2002) und umfassend das Statistische Bundesamt (2003b) und (2007) dar; die Bedeutung der seit 2000 durchgeführten Dienstleistungsstatistik zeigt Gans-Raschke (2006). Bezogen auf die früheren deutschen VGR siehe auch die in der Reihe „Ausgewählte Arbeitsunterlagen zur Bundesstatistik“ erschienenen Hefte. Den Modellgehalt der VGR analysiert Richter (2002a, b) und Holub/Tappeiner (1997).

Aufgaben zum 5. Kapitel 1. Je nachdem, was als Produktion betrachtet wird, hat das Inlandsprodukt einen anderen Wert. Erläutern Sie dies anhand der verschiedenen Produktionskonzepte. 2. Nehmen Sie an, die unentgeltlich abgegebenen Staatsleistungen blieben im Produktionsnachweis unberücksichtigt. Welche Konsequenzen hätte dies? 3. In den VGR werden die im privaten Haushalt erbrachten Leistungen nicht der Produktion zugerechnet. Welche Probleme ergeben sich daraus? 4. Wie könnte man schätzen, in welchem Ausmaß im Haushalt Leistungen erbracht werden, die den produktiven Tätigkeiten der Unternehmen vergleichbar sind? 5. Welche Auswirkungen auf das BIP hat es, wenn über den Markt bezogene Güter durch Do-it-yourself-Tätigkeiten ersetzt werden? 6. a) Hausfrauen helfen einander unentgeltlich im Haushalt. Wirkt sich dieser Vorgang auf das BIP aus? b) Zwei Hausfrauen verkaufen einander wechselseitig Dienstleistungen, wobei hierfür 3000 bzw. 3500 Euro pro Jahr jeweils an die andere Frau gezahlt werden. Wirkt sich dies auf das BIP aus, wenn ja, in welcher Höhe? 7. Die von Landwirten produzierten und im eigenen Haushalt verwendeten Erzeugnisse gelten in den VGR als Produktion. In welchen Konten müssen sie bei einer systematischen Erfassung verbucht werden? 8. Wie werden Zinsen auf Staatsschulden und Zinsen auf Konsumentenschulden in den VGR verbucht? 9. Das Inlandsprodukt wird in jeweiligen Preisen und preisbereinigt (verkettet) berechnet. Begründen Sie die Notwendigkeit für die zweite Rechenart.

5. Kapitel: Verbuchungsprobleme

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10. Die Erwerbs- und Vermögenseinkommen werden nach der Art der eingesetzten Produktionsfaktoren aufgeteilt. Beurteilen Sie die Aussagekraft der Aufteilung. 11. Wie wird das Verfügbare Einkommen der privaten Haushalte berechnet? 12. a) Was versteht man unter Schattenwirtschaft? b) Welche beiden Bereiche der Schattenwirtschaft werden unterschieden? c) Welcher der beiden Bereiche soll in den VGR berücksichtigt werden? 13. Welcher Unterschied besteht zwischen Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen und dem Volkseinkommen? Wozu dient die Abgrenzung beider Größen? 14. a) Nehmen Sie zu der Aussage Stellung, dass im Inlandsprodukt verschiedene Doppelzählungen enthalten sind. b) Wirkt sich die Nettostellung der Handelsware anders als eine Bruttodarstellung auf die Höhe des BIP aus? 15. Worin besteht der Unterschied zwischen laufenden und vermögenswirksamen Vorgängen? 16. Welche Schlussfolgerungen werden daraus gezogen, dass der gleiche Vorgang aus der Sicht der beteiligten Wirtschaftssubjekte bzw. -sektoren teils als vermögenswirksamer, teils als laufender Vorgang interpretiert werden kann? 17. Was versteht man unter Abschreibungen? 18. Was und wie wird in den VGR abgeschrieben? 19. Unterscheiden sich die steuerlichen Abschreibungen von denen in den VGR? 20. Welche Ursachen gibt es, dass die einzelnen Teile der VGR unterschiedlich verlässliche Angaben liefern? 21. Die Bruttoinvestitionen sind umso größer, je größer die Abschreibungen sind. Stimmt die Aussage? 22. Trifft die Aussage zu: Das Volkseinkommen ist die Summe aller von Inländern in einer Periode empfangenen Einkommen? 23. Das BIP ist umso größer, je mehr Abschreibungen beim Staat nachgewiesen werden. Korrekt? 24. Das BIP ist umso größer, je höher die Abschreibungen der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften sind. Zutreffend? 25. Erklären Sie, warum a) das Verfügbare Einkommen aller volkswirtschaftlichen Sektoren größer als das Volkseinkommen sein kann; b) der Anteil des Staates am Volkseinkommen in der Bundesrepublik seit Jahren ein negatives Vorzeichen hat. 26. Sind die Vorratsveränderungen in den VGR geeignet, brauchbare Aussagen in Konjunkturanalysen und -prognosen zu leisten? 27. Was sagen Realwertgrößen z.B. des BIP oder des verfügbaren Einkommens aus? 28. Was versteht man unter hedonischer Preismessung? 29. Was sind die Vor- und Nachteile eines Kettenindexes?

6. Kapitel Die Finanzierungsrechnung 1. Begriff und grundlegende Zusammenhänge Die gesamtwirtschaftliche Finanzierungsrechnung (financial accounts) ist ein integrierter Bestandteil der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen1. Sie besteht aus zwei Teilen: der in diesem Kapitel behandelten Finanzierungsrechnung i.e.S. als einer Darstellung von Strömen und dem als Geldvermögensrechnung bezeichneten Nachweis von Beständen2. Die Finanzierungsrechnung als Stromrechnung ist die empirische Darstellung der Finanzierungsvorgänge innerhalb einer Volkswirtschaft und mit dem Ausland (übrige Welt) für einen bestimmten Zeitraum. Sie beschreibt vierteljährlich (seit 2007) und jährlich das finanzielle Verhalten der Sektoren sowie die Finanzierungsstrukturen. „Die Ergebnisse der Finanzierungsrechnung zeigen auf, von wem, in welchem Umfang, wem und in welcher Form in einer Volkswirtschaft finanzielle Mittel bereitgestellt oder beansprucht wurden und welche Finanzintermediäre in dem Finanzierungskreislauf eingeschaltet worden sind“ (Deutsche Bundesbank 2010c, S. 7). Damit werden die im Rahmen der Konten und Tabellen aus den VGR vorgelegten Angaben über den Güter- und Einkommenskreislauf, die sich primär auf den Produktions-, Einkommens- und Vermögensänderungskonten niederschlagen, ergänzt. Mit den dort verbuchten Transaktionen sind meist Einnahmen und Ausgaben verbunden, durch die jeweils die Höhe des Nettogeldvermögens (= Forderungen – Verbindlichkeiten) verändert wird. Ihre Darstellung knüpft an den Salden der Vermögensänderungskonten an und findet in den Finanzierungskonten ihren Niederschlag. Der Satz, dass Einnahmen und Ausgaben stets mit Veränderungen der Forderungen und Verbindlichkeiten verbunden sind, lässt sich nicht umkehren, d.h. Veränderungen der finanziellen Aktiva und der finanziellen Passiva sind ohne Beziehung zu Einnahmen und Ausgaben möglich: dann liegen rein finanzielle Transaktionen3 vor. Bereits dieser Umstand macht deutlich, dass die Finanzierungsströme mehr sind als ein Pendant zur Einnahmen-/Ausgabenrechnung des Güter- und Einkommenskreislaufs. Sie sind auch das Ergebnis spezieller Anlage- und Refinanzierungsentscheidungen. Stellt man den gesamten Einnahmen (E) die gesamten Ausgaben (A) eines Sektors gegenüber, ergibt sich gewöhnlich ein Finanzierungssaldo: bei E > A ein Einnahmenüberschuss (= Ausgabendefizit, net lending), bei E < A ein Ausgabenüberschuss (= Einnahmendefizit, net borrowing). Dem Finanzierungsüberschuss (Einnahmenüberschuss) einzelner Sektoren muss ein Finanzierungsdefizit (net borrowing) der anderen Sektoren entsprechen, Ausgabenüberschüsse müssen also durch Nettogeldver1 2

3

Das ESVG 1995 ist für die Finanzierungsrechnungen aller EU-Mitgliedsländer verbindlich. Die Geldvermögensrechnung leistet zusammen mit der Rechnung der Vermögensgüter einen wichtigen Beitrag zur Erstellung sektoraler und gesamtwirtschaftlicher Vermögensbilanzen (siehe 7. Kapitel 5d). Beispielsweise kreditfinanzierte Wertpapierkäufe.

6. Kapitel: Die Finanzierungsrechnung

137

mögensbildung der anderen Sektoren „finanziert“ werden. Abb. 6-1 verdeutlicht den Zusammenhang. Die Finanzierung der Defizitsektoren kann direkt bei den Überschusssektoren (Strom 1) durch Ausgabe von Aktien und Anleihen zur Beschaffung von Eigen- und Fremdkapital erfolgen. Bei der indirekten Finanzierung (Strom 2 und 3) gleichen Kreditinstitute und sonstige Finanzintermediäre die Finanzierungssalden der Überschuss- und Defiziteinheiten aus. Die Überschusssituation ist typisch für die privaten Haushalte, die der Defizite für Kapitalgesellschaften und für den Staat.1 Abb. 6-1 Die Finanzierung der Defizitsektoren Überschusssektoren

2

Finanzieller Sektor

3

Defizitsektor

1

Der Finanzierungssaldo (= Nettogeldvermögensbildung) stellt die Verbindung zwischen der Veränderung der Forderungen und der Veränderung der Verbindlichkeiten in der Finanzierungsrechnung und den in den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen nachgewiesenen Einnahmen/Ausgaben dar, wobei die Einnahmen-/Ausgabenüberschüsse der einzelnen Sektoren in den sektoralen Vermögensänderungskonten ihren Niederschlag finden. Folgende Identitäten (Übersicht 6-1) bestehen, die für jeden (inländischen) Sektor gelten. Sie zeigen gleichzeitig die verschiedenen Wege zur Berechnung der Nettogeldvermögensbildung. Übersicht 6-1 Drei Berechnungsarten des Finanzierungssaldos Einnahmen - Ausgaben = Sparen + Saldo der Vermögenstransfers - (Netto-)Investitionen - Nettozugang an nichtproduzierten Vermögensgütern = Finanzierungssaldo = Veränderung der Forderungen - Veränderung der Verbindlichkeiten2.

Die von der Deutschen Bundesbank erstellte Finanzierungsrechnung als integraler Teil der VGR schließt – wie im Kontensystem der VGR vorgesehen – an die Vermögensbildungskonten an und leitet zusammen mit den sonstigen Vermögensänderungen (zu denen auch Umbewertungen zählen) zu den Vermögensbilanzen über. Damit enthält die Finanzierungsrechnung i.w.S. nicht nur den Ausweis von Stromgrößen, sondern in der Geldvermögensrechnung auch die entsprechend abgegrenzten Bestandsgrößen. 1 2

Zur Struktur des deutschen Finanzsystems siehe Stöß (2009, S. 378). Soweit diese ausschließlich auf Transaktionen und nicht auf Neubewertungen der Bestände zurückgehen.

138

Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

2. Die Sektorenbildung und Instrumentengliederung1 Gegenstand der Finanzierungsrechnung sind die Finanztransaktionen, die von Wirtschaftseinheiten mit ständigem Sitz im Bundesgebiet ausgeführt werden. Ausländische Arbeitnehmer sowie Produktionsstätten von Ausländern in Deutschland rechnen somit zu den inländischen Wirtschaftseinheiten, während im Ausland ansässige deutsche Einrichtungen als Gebietsfremde gelten und damit dem Sektor „Übrige Welt“ angehören. Um das Netz der Finanzbeziehungen in einer Volkswirtschaft überschaubar zu gestalten, werden in der Finanzierungsrechnung die inländischen Einheiten mit gleichen Verhaltensweisen zu Sektoren und vergleichbare Finanzvorgänge zu Transaktionsarten zusammengefasst. Die Sektoren sind zwar in voller Übereinstimmung mit den Sektoren der Konten und Tabellen der VGR gebildet. Allerdings gibt es gewisse Unterschiede bei der Begriffsbildung. So bezeichnet die Bundesbank die Finanziellen Kapitalgesellschaften als Inländische finanzielle Sektoren, denen sie die Inländischen nichtfinanziellen Sektoren und die Übrige Welt gegenüberstellt. Übersicht 6-2 zeigt die Gliederung der Sektoren in der Finanzierungsrechnung. Übersicht 6-2 Die Gliederung der Sektoren Inländische nichtfinanzielle Sektoren Private Haushalte und private Organisationen ohne Erwerbszweck Nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften Staat Gebietskörperschaften Sozialversicherungen Inländische finanzielle Sektoren Monetäre Finanzinstitute Sonstige Finanzinstitute Versicherungen Übrige Welt

Die Inländischen nichtfinanziellen Sektoren umfassen die privaten Haushalte einschließlich Organisationen ohne Erwerbszweck, Nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften und den Staat. Wie im Kern der VGR schließen die privaten Haushalte auch Selbständige und Einzelkaufleute sowie Erwerber von privatem Wohnungseigentum mit ein. Beim Staat sind daher auch die Zusatzversorgungseinrichtungen für die Angestellten des öffentlichen Dienstes nicht Teil der Sozialversicherungen, sondern – wie die rechtlich selbständigen Pensionseinrichtungen privatwirtschaftlicher Arbeitgeber – dem Sektor Versicherungen zugeordnet. Die Inländischen finanziellen Sektoren werden in der Finanzierungsrechnung in den eigenständigen Untersektoren (Monetäre bzw. Sonstige Finanzinstitute, Versicherungen) dargestellt. Die Monetären Finanzinstitute2 umfassen neben der Deutschen Bundesbank die inländischen Kreditinstitute (Banken und Bausparkassen) und Geld1 2

Vgl. zum Folgenden Deutsche Bundesbank (2010c). Auch MFI (monetary financial institutions) abgekürzt.

6. Kapitel: Die Finanzierungsrechnung

139

marktfonds. Die Sonstigen Finanzinstitute schließen derzeit in erster Linie die offenen Investmentfonds (vor allem Wertpapierfonds und offene Immobilienfonds) ein1. Die in einer Periode stattfindenden Finanztransaktionen schlagen sich in Veränderungen der Forderungen und der Verbindlichkeiten nieder. Forderungen (= finanzielle Vermögenswerte, financial assets) sind wirtschaftliche Werte, die Zahlungsmittel, andere Forderungen und forderungsähnliche Vermögenswerte umfassen. Ihre Veränderung wird als Geldvermögensbildung bezeichnet. Neben den üblichen Forderungen aus unmittelbaren Gläubiger-Schuldnerverhältnissen, denen Verbindlichkeiten (financial liabilities) gegenüberstehen, werden also auch Finanzbeziehungen in Form von Zahlungsmitteln, Aktien und sonstigen Beteiligungen u. Ä. nachgewiesen. Als Zahlungsmittel (means of payment) gelten Währungsgold, Sonderziehungsrechte, Bargeld und Sichteinlagen. Auf eine genaue Beschreibung der verschiedenen Positionen wird hier verzichtet. Übersicht 6-3 enthält eine Gliederung der Finanzinstrumente2. Diese werden grundsätzlich unabhängig von den beteiligten Gläubiger- und Schuldnersektoren definiert. Die Untergliederung stellt darauf ab, ob es sich um Forderungen gegenüber Kapitalsammelstellen, gegenüber dem Wertpapiermarkt und gegenüber Nichtfinanziellen Sektoren handelt. Für die Gliederung nach der Fristigkeit wird auf die ursprünglich vereinbarte Laufzeit oder Kündigungsfrist abgestellt. Täglich fällige Forderungen (Verbindlichkeiten) oder mit Laufzeiten bis zu einem Jahr gelten i.d.R. als kurzfristig, solche mit darüber hinausgehenden Fälligkeiten als längerfristig. Übersicht 6-3 Die Gliederung der Finanzinstrumente Währungsgold und Sonderziehungsrechte Bargeld und Einlagen Bargeld und Sichteinlagen Termingelder Spareinlagen Sparbriefe Geldmarktpapiere Rentenwerte Finanzderivate Aktien Sonstige Beteiligungen Investmentzertifikate Kredite Ansprüche gegenüber Versicherungen Ansprüche aus Pensionsrückstellungen Sonstige Forderungen bzw. Verbindlichkeiten

1

2

Statistische Angaben über andere Finanzinstitute (einschl. Kredit- und Versicherungshilfstätigkeiten) sind derzeit nur zum Teil verfügbar. Sie entsprechen dem Katalog der Forderungen und Verbindlichkeiten in der Vermögensrechnung, wie sie SNA und ESVG vorsehen (vgl. Übersicht 7-1).

Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

140

Anzumerken ist, dass die Anteilsrechte auch Beteiligungen an Personengesellschaften einschließen. Das in derartigen Unternehmen in Deutschland gebundene Eigenkapital ist entsprechend der Unternehmensstruktur hierzulande recht bedeutsam. Die Angaben sind allerdings mit gewissen Unsicherheiten behaftet und können lediglich eine umfassendere Vorstellung von den Größenordnungen der Beteiligungsfinanzierung vermitteln (Stöß 2009, S. 389).

3. Aufbau der deutschen Finanzierungsrechnung Die Finanzierungsrechnung hat vereinfacht die in Abb. 6-2 gezeigte Struktur. Da jeder Ausgabe eines Sektors immer die Einnahme eines anderen Sektors gegenübersteht, ist die Summe der Finanzierungsüberschüsse und -defizite der inländischen Sektoren und des Auslands stets gleich null. Dem Aufbau einer Nettoschuldnerposition des Auslands muss eine gleich große positive Nettogeldvermögensbildung der Wirtschaftssubjekte in Deutschland gegenüberstehen. Sie haben einen Einnahmenüberschuss erzielt. Entsprechend umgekehrt sieht dies aus der Sicht des Auslandes aus. Abb. 6-2 Struktur der Finanzierungsrechnung

Sektoren insgesamt

Übrige Welt

Sonst. Finanzinst., Versicherungen

Monetäre Finanzinstitute

(2)

Staat

Nichtfinanz. Kapitalges.

Private Haushalte

(1)

Nettoinvestitionen - Sparen und Vermögensübertragungen (netto) Finanzierungssaldo

0

Δ Forderungen - Δ Verbindlichkeiten

(1) Inländische nichtfinanzielle Sektoren. (2) Inländische finanzielle Sektoren.

Die Verbuchung der Finanzierungsströme erfolgt grundsätzlich zu Transaktionspreisen, d.h. zu den jeweiligen Kauf- bzw. Verkaufspreisen. Die Verwirklichung dieses Prinzips bereitet dort keine größeren Schwierigkeiten, wo Forderungen und Verbindlichkeiten zum Nominalwert angesetzt werden, also dem Betrag, auf den eine Forderung lautet (z.B. bei den Einlagen auf Bankkonten oder den Buchkrediten von Banken). Die Stromgrößen der Finanzierungsrechnung lassen sich dann aus den Veränderungen der Bestandsgrößen zwischen den Ausweisstichtagen ableiten. Der Aus-

6. Kapitel: Die Finanzierungsrechnung

141

weis der finanziellen Ströme erfolgt netto, d.h. die Einlagenzugänge und -abgänge bzw. Kreditauszahlungen und -rückzahlungen werden gegeneinander aufgerechnet. Sofern für die Bewertung finanzieller Aktiva und Passiva andere Maßstäbe als der Nominalwert herangezogen werden, z.B. der Kurswert bei den Finanzbeziehungen in Form von verbrieften Gläubiger- und Schuldnerverhältnissen oder Anteilsrechten, können verschiedene Bewertungsansätze gewählt werden. In diesen Fällen kommt es bewertungsbedingt zu Abweichungen zwischen den Stromgrößen der Finanzierungsrechnung und den aus der Geldvermögensrechnung abzuleitenden Bestandsveränderungen.1 Die Erfassung der gesamtwirtschaftlichen Finanzierungsvorgänge auf Nettobasis hat den Nachteil, dass über die Bruttoströme nichts ausgesagt wird. Es lässt sich ,,nicht ermitteln, inwieweit mit den Nettoveränderungen der Einzelpositionen Bestandsumschichtungen innerhalb des Geldvermögens, die lediglich auf Umdispositionen beruhen ohne den Finanzierungssaldo zu berühren und eventuell nur die Aktiva- und Passivastruktur der Geldvermögensrechnung verändern, vermischt sind. Um einige Beispiele zu nennen: die Käufe und Verkäufe von Wertpapieren, Zahlungsmittelumschichtungen durch Tilgungszahlungen, die eine Verminderung der Verbindlichkeiten der Schuldnersektoren und der Forderungen der Gläubigersektoren bedeuten, entziehen sich einer Beobachtung durch die Nettorechnung. Sie können nur durch Erfassung der Bruttobewegungen sichtbar gemacht werden“ (Kaiser 1972, S. 41f.). Ein genereller Bruttoausweis von Finanzierungsströmen erschwert aber auch die Analysierbarkeit, da in vielen Fällen die Rechnung nur aufgebläht wird, ohne den Aussagewert zu erhöhen (z.B. Umsätze auf den Sichtkonten). Maßgeblich für die Periodisierung ist der Zeitpunkt des Entstehens von Forderungen und Verbindlichkeiten. Tab. 6-1 zeigt einige Ergebnisse der Finanzierungsrechnung für das Jahr 2009. Die weltweite Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise hat zu umfangreichen Anpassungsreaktionen in den finanziellen Transaktionen der inländischen Sektoren geführt.2 Sowohl das Anlagevolumen als auch deren Struktur unterlagen merklichen Veränderungen. Die Geldvermögensbildung der privaten Haushalte fiel deutlich höher aus als im Jahr 2008. Neben den verstärkten Sparanstrengungen wurden auch die beträchtlichen Portfolioumschichtungen des Jahres 2008 wieder zurückgenommen. Dagegen haben die nichtfinanziellen Unternehmen ihre Finanztransaktionen im Vergleich zum Jahr 2008 um insgesamt 200 Mrd Euro oder um fast 90 % als Ausdruck des starken Konjunktureinbruchs gekürzt. Die finanziellen Aktivitäten der öffentlichen Haushalte waren wiederum außerordentlich hoch. Der Staatssektor hat krisenbedingt seine Verschuldung stark ausgeweitet. Insgesamt fielen damit die Finanzströme der nichtfinanziellen Sektoren im Jahr 2009 deutlich niedriger aus – ihre Geldvermögensbildung sank um fast 100 Mrd Euro auf 225 Mrd Euro, die Mittelnachfrage um 40 Mrd Euro auf 117 Mrd Euro.

1

2

Die hierfür vom ESVG vorgesehenen Konten (Umbewertungskonto, Konto der sonstigen Vermögensänderungen) legt die Deutsche Bundesbank bisher noch nicht vor. Siehe hierzu Deutsche Bundesbank (2010a).

142

Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

Tab. 6-1 Vermögensbildung der Sektoren und ihre Finanzierung im Jahr 2009

Quelle: Deutsche Bundesbank (2010c), S. 76/77.

6. Kapitel: Die Finanzierungsrechnung noch Tab. 6-1

143

144

Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

Die in Tab. 6-1 verwendete Zeilen- und Spaltengliederung gilt in gleicher Weise für die Aktiva und Passiva in der Bestandsrechnung. Die Finanzierungsrechnung zeigt1 für die privaten Haushalte u.a. – typischerweise und nicht nur im Jahr 2009 – eine positive Nettogeldvermögensbildung (einen Überschuss von 150,1 Mrd €), sie war auch bei den Nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften positiv (37,7 Mrd €). Der Staat verursachte ein Defizit (-79,3 Mrd €). Der Stabilitäts- und Wachstumspakt verlangt mittelfristig eine Reduzierung des tatsächlich meist negativen Finanzierungssaldos auf null (oder sogar eine Überschussbildung). Gegenüber der Übrigen Welt hat sich eine positive Nettogeldvermögensbildung ergeben (-137,5 Mrd € aus der Sicht der übrigen Welt).

4. Die Quellen der Finanzierungsrechnung Die Bundesbank gewinnt ihre Informationen für die Aufstellung der Strom- und Bestandsrechnung vor allem aus den Statistiken des finanziellen Sektors. Diese Statistiken sind teilweise sehr ausführlich und enthalten auch Hinweise auf den Sektor des Schuldners bzw. Gläubigers, gegenüber dem die Forderungen und Verpflichtungen bestehen. Anhand dieser Anhaltspunkte lassen sich z.B. die aus den Bankenstatistiken abgeleiteten längerfristigen Darlehen der Kreditinstitute den verschiedenen Kreditnehmern private Haushalte, Kapitalgesellschaften, Staat oder Ausland als Verbindlichkeiten zurechnen. Die über die finanziellen Mittler, die Kapitalmärkte und den grenzüberschreitenden Kapitalverkehr verfügbaren Quellen reichen indessen nicht aus, alle Forderungen und Verbindlichkeiten bzw. deren Änderungen im Einzelnen, etwa in Gestalt einer Verflechtungsmatrix, darzustellen. Insbesondere fehlen bislang noch detaillierte Informationen über die Kreditbeziehungen zwischen den inländischen nichtfinanziellen Sektoren, also etwa zwischen nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften und Staat. Überdies mangelt es an Angaben über die Finanzverflechtung innerhalb der nichtfinanziellen Sektoren. Solche Anhaltspunkte lassen sich lediglich durch direkten statistischen Zugriff auf die Sektoren gewinnen, für die die Informationen benötigt werden. Dieser Weg ist in Deutschland jedoch nur bedingt gangbar. Deshalb müssen häufig indirekte Quellen herangezogen werden, bei deren Verwendung man von vornherein nur einen konsolidierten Ausweis der Finanzbeziehungen erhält, d.h. die Forderungen und Verbindlichkeiten innerhalb eines Sektors (z.B. zwischen den einzelnen Haushaltsgruppen) sind gegeneinander aufgerechnet. Die Strom- und Bestandsrechnungen präsentieren insofern in erster Linie die Forderungen und Verbindlichkeiten (bzw. deren Veränderungen) eines Sektors gegenüber den übrigen Sektoren. Neben den Bankenstatistiken liefern u.a. die Kapitalmarkt- und Depotstatistik, die Investmentfondsstatistik, die Zahlungsbilanzstatistik, die Unternehmensbilanzstatistik und verschiedene Fachstatistiken des Staatssektors weitere Informationen. Finanzielle Transaktionen sind meistens schwer zu identifizieren. Gerade im Bereich der Finanzintermediäre sind die finanziellen Innovationen groß, die sich weiter1

Die in Tab. 6-1 genannten Daten entsprechen den VGR-Angaben und nur zum Teil der Finanzierungsrechnung. Grund ist die sog. statistische Diskrepanz zwischen VGR und Finanzierungsrechnung beim Ausland und den nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften.

6. Kapitel: Die Finanzierungsrechnung

145

entwickeln und zunehmend komplexer werden, um den Bedürfnissen der Investoren hinsichtlich Fälligkeit, Ertrag, Risiko, Steuerersparnis usw. Rechnung zu tragen. Strukturen können sich daher schneller ändern als dies in entsprechenden Konten nachweisbar ist1. Die Globalisierung der Finanzmärkte stellt eine ähnliche Herausforderung dar.

5. Die Verwendung der Finanzierungsrechnung Die Finanzierungsrechnung hat zunächst eine wichtige Aufgabe bei der Konsistenzprüfung der übrigen Teile der VGR; das wird schon an den drei in Übersicht 6-1 gezeigten Berechnungswegen des Finanzierungssaldos deutlich. Auch das Sparen kann entsprechend aus den laufenden Einnahmen und Ausgaben oder über Nettoinvestitionen, Vermögenstransfers und Finanzierungssaldo bestimmt werden. Die in der Finanzierungsrechnung erfassten finanziellen Transaktionen lassen erkennen, über welche Kanäle der Geldvermögensbildung die einzelnen Sektoren Finanzierungsmittel bereitgestellt und auf welchen Wegen sie sich solche Mittel kreditweise beschafft haben. Für verschiedene Fragestellungen sind besondere Gruppierungen der in der Finanzierungsrechnung enthaltenen Positionen zweckmäßig. So werden die Mittelverwendung und das Mittelaufkommen der Sektoren gegenübergestellt. Als Mittelverwendung eines Sektors gelten die für I bN + ΔFN aufgewendeten Mittel2 wobei I bN die Bruttoinvestitionen (einschließlich des Nettozugangs an nichtproduzierten Vermögensgütern) und ΔFN die Geldvermögensbildung dieses Sektors bezeichnen. Das Mittelaufkommen wird als SN + DN + ΔVN + ΔKN definiert. Hierbei sind SN das Sparen (bei den Kapitalgesellschaften: = nichtentnommene Gewinne), DN die Abschreibungen, ΔVN der Saldo aus empfangenen abzüglich geleisteten Vermögenstransfers und ΔKN die Veränderung der Fremdmittel und die Aktienemission. Zur Finanzierung der Bruttoinvestitionen und der Geldvermögensbildung kann auf Innenfinanzierungsmittel (DN + ΔVN + SN) und auf Außenfinanzierungsmittel (ΔKN) zurückgegriffen werden. Sparen und netto empfangene Vermögenstransfers eines Sektors werden als verfügbare Anlagemittel bezeichnet. Die Eigenfinanzierungsquote ergibt sich als (DN + ΔVN + SN)/ I bN . Zur Ermittlung der gesamtwirtschaftlichen (Netto-)Sparquote wird das Sparen (ohne Abschreibungen) auf das gesamte verfügbare Einkommen der Volkswirtschaft bezogen (Yv ) . Sie schwankte in den letzten zehn Jahren in Deutschland zwischen 5,3 und 13,3 % und lag 2009 bei 8 %. Die Sparquote der privaten Haushalte lag zwischen knapp 8 und gut 9 %3. Bezieht man – wie international häufiger – die Abschreibungen mit ein, erhöht sich die gesamtwirtschaftliche (Brutto-)Sparquote. Der Hauptteil der Geldvermögensbildung lag in der Vergangenheit bei den privaten Haushalten. Das ist 1 2 3

Auf die Probleme weist auch das SNA 1993, Tz. 11.15, hin. Der Suffix „N“ steht hier z.B. für Nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften. Vgl. Deutsche Bundesbank (2010c, S. 17).

146

Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

angesichts des hohen Anteils der privaten Haushalte am gesamtwirtschaftlichen Sparen nicht überraschend. Das Sparen würde hier noch größer ausfallen, wenn die gewerblichen Investitionen der Personengesellschaften usw. und daraus die Abschreibungen auf das private Sachvermögen nicht im Sektor private Haushalte zu buchen wären. Der Staat wies in den letzten Jahren in der Regel, wie schon festgestellt, Finanzierungsdefizite auf. Der in dieser Rechnung nachgewiesene Finanzierungssaldo weicht von dem in der Finanzstatistik ab1. Bei der Geldvermögensbildung der Gebietskörperschaften stand die Geldanlage bei Banken (Termingelder) im Vordergrund. Bei der Kreditaufnahme spielte der Absatz von festverzinslichen Wertpapieren und längerfristige Kredite eine besondere Rolle. Die Bedeutung der Finanzierungsrechnung2 liegt zunächst darin, dass sie ein statistisches Gesamtbild des Anlage- und Finanzierungsverhaltens der am wirtschaftlichen Geschehen beteiligten Personen und Institutionen gibt. Insbesondere lassen sich damit die Zusammenhänge zwischen den Kreditaktivitäten der Banken, dem Wertpapiermarkt und den sonstigen Finanzierungsinstituten beleuchten. Die Rechnung vermittelt eine Vorstellung über den Entwicklungsstand der Finanzmärkte sowie von der Finanzierungsverflechtung der Sektoren untereinander und der Inländer mit dem Ausland. Es wird ein Bild von der Grundstruktur der Finanzströme bezüglich der Quellen des Mittelangebots und der -nachfrage, des Gewichts der einzelnen Kapitalsammelstellen oder der Wertpapiermärkte sowie der Bedeutung der bevorzugten Anlage- und -verschuldungsformen gegeben. So erhält man ein Bild von den Verschiebungen der Finanzstruktur. Hier ist insbesondere der Zusammenhang zwischen den Kreditaktivitäten der Banken (einschl. Bausparkassen) und den übrigen Finanzierungsquellen (Wertpapiermärkte, Versicherungen, ausländische Kreditgeber) von Interesse. Dadurch soll die gegenseitige Verflechtung der partiellen Kredit- und Wertpapiermärkte offen gelegt werden. Die Ergebnisse sollen einen nahtlosen Übergang von der Analyse der Einkommensentstehung und -verwendung einzelner Sektoren zur Darstellung ihrer finanziellen Entscheidungen gestatten. Die Rechnung zeigt also, wie ökonomische Aktivitäten auf der realen Seite finanziert werden und wie die Geldvermögensbilanzen der Haushalte und Kapitalgesellschaften sich ändern. Die Ergänzung der Stromrechnung um die entsprechenden Bestände ist für analytische Zwecke insofern nützlich, als wirtschaftliche Verhaltensweisen auch von der Höhe und der Struktur der Bestände an finanziellen (und nichtfinanziellen) Aktiva bzw. Passiva beeinflusst werden können (sog. Vermögenseffekte).

1

2

Das liegt in erster Linie an dem gegenüber der Finanzstatistik abweichenden Einnahmen-/Ausgabenbegriff. Zum staatlichen Finanzierungssaldo siehe Tab. 11-1. Vgl. zum Folgenden Heinelt (2002), S. 131/132 und Stöß (2009), S. 394-398.

6. Kapitel: Die Finanzierungsrechnung

147

Für die Wirtschaftsforschung sind die Zusammenhänge zwischen Nachfrageströmen und Vermögensbeständen und deren Veränderungen von großem Interesse. Alle Ausgabeentscheidungen der Wirtschaftssubjekte bedeuten zugleich Liquiditäts- und Geldvermögensdispositionen. Daher sind Höhe, Zusammensetzung und Entwicklung des Geldvermögens von Bedeutung. Die Finanzierungsrechnung liefert letztlich die Datengrundlage für die Prognose der finanziellen Ströme, die mit der prognostizierten Entwicklung der realen Aktivitäten einhergeht. Hierbei eröffnet sich die Möglichkeit, wahrscheinliche Änderungen in den Kreditbedingungen zu erkennen, die ein Hindernis oder eine Begünstigung des Wachstums darstellen. Die Darstellung der Anlagegewohnheiten der privaten Haushalte, der institutionellen Anleger und der übrigen Wirtschaftseinheiten verbessert die Beurteilung der Wirkungen geldpolitischer Maßnahmen, weil diese den Umfang der Kreditbeziehungen und die Gläubiger-Schuldnerstruktur beeinflussen. Für die Geldpolitik werden die Ergebnisse der Finanzierungsrechnung für Untersuchungen über Verschiebungen in den Finanzierungsstrukturen genutzt. Hier interessiert vor allem der Zusammenhang zwischen den Kreditaktivitäten der heimischen Banken (einschließlich Bausparkassen) einerseits und den übrigen Finanzierungsquellen (Wertpapiermärkte, Sonstige Finanzinstitute, Versicherungen und ausländische Kreditgeber) andererseits. Eine solche Betrachtung versucht die gegenseitige Verflechtung der partiellen Kredit- und Wertpapiermärkte offen zu legen. Zu beachten ist, dass die Geldpolitik im Euroraum kein nationales wirtschaftspolitisches Instrument mehr darstellt; vielmehr ist hier das Europäische System der Zentralbanken (ESZB) zuständig. Insofern liefern die Ergebnisse der deutschen Finanzierungsrechnung nur einen Baustein für die Finanzierungsrechnung der Wirtschafts- und Währungsunion, die von der Europäischen Zentralbank erstellt und veröffentlicht wird.

Literatur zum 6. Kapitel Zum Zusammenhang der VGR des Statistischen Bundesamtes und der von der Deutschen Bundesbank aufgestellten Finanzierungsrechnung auf der Grundlage des alten Systems siehe Richter (1982). Grundsätzliche Aspekte der Finanzierungsrechnung werden von Kaiser (1972, S. 24-44) behandelt. Den Rahmen für die Finanzierungsrechnung liefert Kapitel 5 des ESVG 1995. Die deutsche Finanzierungsrechnung erläutern Heinelt (2002) und die Deutsche Bundesbank (2010c), ihre Entwicklung stellt Stöß (2009) dar. Die jeweils aktuelle vierteljährliche Finanzierungsrechnung wird in den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank kommentiert, die jährliche Finanzierungsrechnung wird ausführlich in der Statistischen Sonderveröffentlichung dargestellt. Ergebnisse der Finanzierungsrechnung für den Euro-Raum werden quartalsweise von der EZB zur Verfügung gestellt; für die EU auf jährlicher Basis von Eurostat. Eine Analyse der Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise auf die Ergebnisse der Finanzierungsrechnung in Deutschland findet sich im Monatsbericht der Deutschen Bundesbank (Mai 2010a, S. 42-43). Zur Bedeutung der Finanzierungsrechnung für die Geldpolitik siehe Europäische Zentralbank (2004). Die monetären Statistiken des künf-

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Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

tig angewendeten 2008 SNA sind einbezogen in IMF (2008). Zur stärkeren Gliederung der Sektoren und Veränderung bei den Finanzstrukturen im 2008 SNA siehe European Commission et al. (2009).

Aufgaben zum 6. Kapitel 1. Was versteht man unter einer Finanzierungsrechnung? 2. Welche Informationen enthält die Finanzierungsrechnung der Deutschen Bundesbank, die über das vom Statistischen Bundesamt aufgestellte Kontensystem der VGR hinausgeht? 3. Welche Beziehung besteht zwischen Einnahmen/Ausgaben, Sparen (einschließlich Saldo der Vermögensübertragungen)/Investitionen und Finanzierungssaldo eines Sektors? 4. Wo, wann und warum weicht die Sektorengliederung der Finanzierungsrechnung von der in den Konten und Standardtabellen ab? 5. Nennen Sie Gesichtspunkte, die für die Gliederung von finanziellen Transaktionen von Bedeutung sind. 6. Änderungen der Kreditbeziehungen werden in der Finanzierungsrechnung nicht brutto, sondern netto ausgewiesen. Was ist damit gemeint? Warum wird nicht brutto gebucht? 7. Wie werden die Änderungen der Aktiva und der Passiva in der Finanzierungsrechnung bewertet? 8. Was versteht die Deutsche Bundesbank unter der Innenfinanzierungsquote der Unternehmen? 9. Welche Bedeutung hat die Finanzierungsrechnung für die Wirtschafts- und Geldpolitik? 10. Wie hat sich die Sparquote der privaten Haushalte und der Volkswirtschaft in Deutschland seit Anfang der 1990er-Jahre entwickelt?

7. Kapitel Die Vermögensrechnung 1. Verschiedene Vermögensbegriffe Die Vermögensrechnung (Vermögensbilanzen, balance sheets) weist Vermögensbestände zu einem bestimmten Zeitpunkt nach. Eine Vermögensbilanz ist im ESVG die Aufstellung der eigenen Vermögenswerte und der ausstehenden Verbindlichkeiten eines Sektors oder der Volkswirtschaft. Ihr Saldo ist das Reinvermögen. Eine Vermögensbilanz enthält prinzipiell folgende Positionen: Vermögensbilanz Aktiva Vermögensgüter produzierte nichtproduzierte Finanzielle Aktiva

Passiva Verbindlichkeiten

Saldo: Reinvermögen

Als Vermögenswerte (Aktiva, assets) gelten wirtschaftliche Bestandsgrößen, an denen institutionelle Einheiten Eigentumsrechte haben und aus deren Besitz oder Nutzung die Eigentümer wirtschaftliche Vorteile erzielen können. Vermögensbilanzen werden für Sektoren und für die Volkswirtschaft erstellt. Zieht man von ihrem Gesamtvermögen als der Summe der einzelnen Vermögenswerte jeweils die bestehenden Verbindlichkeiten (Passiva, financial liabilities) ab, gelangt man zu ihrem Reinvermögen (net worth)1. Dessen Höhe hängt offensichtlich davon ab, wie umfassend das Gesamtvermögen abgegrenzt ist. Das Reinvermögen für die Volkswirtschaft insgesamt wird auch als Volksvermögen bezeichnet. Vermögenswerte werden in produzierte und nichtproduzierte Vermögensgüter (non-financial assets) sowie Finanzielle Aktiva (Forderungen, financial assets) aufgeteilt. Übersicht 7-1 zeigt, was gemäß ESVG zu den Vermögensgütern zählt2. Dahinter steht eine Aufstellung oder Auflistung, in der einige Bestandsgrößen nicht eingeschlossen sind, die man aber durchaus als Vermögen ansehen kann. Das gilt etwa für das Humanvermögen, natürliche Ressourcen oder Forschung und Entwicklung. Produzierte Vermögensgüter (produced assets) sind als Ergebnis eines Produktionsprozesses entstanden. Sie werden unterschieden in Anlagegüter, Vorräte und Wertsachen. Anlagegüter (fixed assets) sind als produzierte Vermögensgüter definiert, die länger als ein Jahr im Produktionsprozess wiederholt oder dauerhaft eingesetzt werden. 1

2

Das Gesamtvermögen wird auch als Brutto- oder Rohvermögen, das Reinvermögen als Nettovermögen bezeichnet. Die Begriffe „Brutto-“ und „Nettovermögen“ können allerdings Anlass für Missverständnisse sein, weil hier auch Vermögenswerte vor und nach Abzug der Abschreibungen gemeint sein könnten. Daher sollten diese Begriffe vermieden werden. Auch die Vermögenswerte haben einen Code: A (assets), N (non-financial) und F (financial).

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Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

Sie können Sachanlagen oder immaterielle Anlagegütern sein. Sachanlagen sind Wohnbauten, Nichtwohnbauten, sonstige Bauten, Ausrüstungen sowie Nutztiere und Nutzpflanzungen. Die verschiedenen Formen von Bauten reichen von Gebäuden, die ausschließlich oder hauptsächlich zu Wohnzwecken genutzt werden (Wohnbauten), über Lagerhäuser, Fabrikgebäude, Hotels, Krankenhäuser (Nichtwohnbauten) bis zu Straßen, Schienenstrecken, Brücken, Tunnel, Rohrleitungsnetzen u.a. (sonstige Bauten). Ausrüstungen sind Maschinen, Fahrzeuge und sonstige bewegliche Anlagegüter, sofern sie nicht von privaten Haushalten für den Konsum erworben werden. Übersicht 7-1 Gliederung der Vermögensgüter

Quelle: Schmalwasser/Müller (2009), S. 139.

Nicht in Übersicht 7-1 enthalten ist das Gebrauchsvermögen der privaten Haushalte, weil es im ESVG „unter dem Strich“ in der Vermögensbilanz der privaten Haushalte vorgesehen ist. Das Gebrauchsvermögen besteht hauptsächlich in langlebigen (dauerhaften) Konsumgütern, wie z.B. Waschmaschinen oder Autos. Es unterscheidet sich in einigen Fällen nur durch seinen Verwender. Entscheidend dafür, dass es nicht den Ausrüstungen zugerechnet wird, ist das Abgrenzungskriterium. Liegt die Tätigkeit innerhalb der Produktionsgrenze, werden auch Anlagegüter verbucht. Diese Bedingung erfüllt die Haushalts„produktion“ nicht. Zu den produzierten immateriellen Anlagegütern zählen Suchbohrungen, Computerprogramme, große Datenbanken und Urheberrechte. In den meisten Fällen spie-

7. Kapitel: Die Vermögensrechnung

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geln sie eine Zunahme des Wissens wider. Die zunehmende Bedeutung immaterieller Vermögenswerte für Wachstum und Konkurrenzfähigkeit einer Volkswirtschaft spricht für eine umfassendere Vermögensabgrenzung in den VGR, ebenso die bisher schon weitere betriebswirtschaftliche Interpretation, wie sie im Bilanzrichtlinien-Gesetz zum Ausdruck kommt. Die fehlende Begriffsbestimmung und die fehlende Datenbasis erweisen sich häufig als großes Hindernis, insbesondere wenn die Vorgaben internationaler Systeme zum Nachweis bestimmter Größen umzusetzen sind. Das zeigte sich am Beispiel der Software. Zwar war klar, dass gekaufte Software zu Anschaffungspreisen und selbstentwickelte Software zu geschätzten Herstellungspreisen bzw. zu Produktionskosten zu bewerten ist. Doch was ist unter Software zu verstehen, und wie ist sie zu messen? „Dazu wurden unter anderem verschiedene Publikationen von Verbänden, Wirtschafts- und Marktforschungsinstituten, die EDV-Fachliteratur usw. untersucht. Das Resultat waren vielfältige ‚Software-Definitionen’, welche der exakten Beschreibung der Gestalt einer Amöbe gleich kamen und für Zwecke der VGR nicht verwertbar waren. Wie schwierig es ist, realitätsnahe und praktikable Eingrenzungen und Konventionen für den Begriff „Software“ festzulegen“, zeigt, dass bei Eurostat lange an einem harmonisierten Software-Begriff gearbeitet wurde, Task Forces bei Eurostat gebildet, ferner die OECD und andere Verbände und Experten herangezogen wurden“ (Schulz 2002, S. 1137 f.). Selbst wenn die Verbuchung einer Größe als Vermögen für einzelne VGR-Zwecke wünschenswert ist, können andere Zwecke dagegen sprechen, hinzu kommen die Datenlage und Bewertungsprobleme. Deshalb hat man in der Vergangenheit regelmäßig einen engeren Vermögensbegriff gewählt. Das gilt auch hinsichtlich der Bedeutung der FuE-Ausgaben. Sie werden gegenwärtig bei Unternehmen, Staat und privaten Organisationen oE als laufende Kosten verbucht1, nicht aber als Endprodukte, d.h. als Investitionen, die Teil des BIP sind. So wird nicht erkennbar, dass FuE einen Beitrag zur künftigen Produktion leistet. Nach der anstehenden Revision des ESVG 1995 werden FuE-Ausgaben als vermögenswirksam behandelt und als geistiges Eigentum zu den Anlagegütern gerechnet. FuE ist definiert als „systematische, schöpferische Arbeit zur Erweiterung des Kenntnisstandes, einschließlich der Kenntnisse über die Menschen, die Kultur und die Gesellschaft sowie deren Verwendung mit dem Ziel, neue Anwendungsmöglichkeiten zu finden“ (OECD 1993)2. Wegen der Implementierungsprobleme soll die Behandlung von FuE allerdings in einer Probephase in Satellitenkonten getestet werden. Mit der neuen Behandlung von FuE wird auch die Verbuchung der patentierten Güter geändert, die dann nicht mehr Vermögensgüter darstellen. 1 2

Sie stellen dort Vorleistungen oder Bruttowertschöpfung dar. Interessant ist die Nähe dieser Definition zum Humanvermögen. Corrado/Hulten (2010, S. 100) beantworten die Frage, warum Ausgaben für diese intangiblen Güter als Vermögenserhöhung reklassifiziert werden sollen, so: “saving occurs when resources are used to provide for future rather than current consumption, and, from the producers’ standpoint, investment is the commitment of current resources to gain future profits”.

152

Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

Der Nachweis des Humanvermögens (Arbeitsvermögens) wird im ESVG 1995 explizit ausgeschlossen. Das Humanvermögen besteht in den auf Erziehung, Ausbildung und Erfahrung beruhenden personengebundenen Eigenschaften und Fähigkeiten, die ökonomisch verwertbar sind. Es wird als wichtige Determinante des Wachstums und der Änderung von Produktivität und Lebensstandard angesehen. Humanvermögen ist praktisch völlig illiquide. Es kann nicht von der Person getrennt werden und ist wegen fehlender Veräußerbarkeit mit besonders hohem Risiko verbunden. Zur Schätzung wird die kostenbasierte Methode vorgeschlagen, nach der Humanvermögen der Akkumulierung der in der Vergangenheit getätigten Bildungsinvestitionen unter Berücksichtigung von Abschreibungen entspricht. Eine alternative Schätzung berechnet Humanvermögen als Gegenwartswert künftiger Einkommen in Folge von Bildungsinvestitionen. Die erste Methode bietet sich an, weil das Anlagevermögen bisher schon nach der später beschriebenen Kumulierungsmethode berechnet wird. Humanvermögen gehört zu jenen intangiblen Faktoren, durch die die anderen Vermögensformen möglicherweise erst ihren Wert bekommen. Das gilt im Übrigen auch für den Stand der Gesundheit der Bevölkerung oder des medizinischen Wissens und für die Mobilität der Bevölkerung, die den Arbeitsmarkt beeinflussen. Schließlich werden auch Formen der persönlichen und nationalen Sicherheit, Freiheit, Gerechtigkeit und das System der Eigentumsrechte als weitere Formen oder Bestandteile des Vermögens diskutiert. Diese Faktoren bestimmen ein in der Literatur unterschiedlich abgegrenztes Sozialkapital, das als produziert oder nichtproduziert betrachtet werden kann. Seiner Einbeziehung in eine Vermögensrechnung stehen jedoch noch größere konzeptionelle sowie Erfassungs- und Bewertungsprobleme als beim Humanvermögen entgegen1. Daher bleibt das Sozialkapital auch weiter in den amtlichen VGR unberücksichtigt. Letztlich muss auch immer beachtet werden, dass eine Ausweitung des Vermögensbegriffs zur Ausweitung nichtmarktmäßiger Größen führt, was die Aussagekraft und Bedeutung marktbasierter Komponenten einschränkt. Neben Anlagegütern werden als zweite Gruppe der produzierten Vermögensgüter Vorräte verbucht. Es handelt sich dabei um in dieser oder einer Vorperiode hergestellte Güter, die später verkauft, verbraucht oder anderweitig verwendet werden sollen. Hierzu zählen Vorleistungsgüter, unfertige Erzeugnisse und angefangene Arbeiten, Fertigerzeugnisse und Handelsware. Eingeschlossen sind sämtliche Vorräte des Staates. Vorräte haben nur einen geringen Anteil am gesamten Sachvermögen. Zudem geht ihre ökonomische Bedeutung in Deutschland tendenziell zurück. Ursachen hierfür sind veränderte Produktionsweisen und die zunehmende Bedeutung des Dienstleistungssektors (Görzig 2009, S. 355). Schließlich sind Wertsachen als Vermögensgüter zu erfassen, d.h. produzierte Gegenstände, die nicht primär als Produktionsmittel oder für den Verbrauch erworben werden, sondern als Wertaufbewahrungsmittel dienen. Hierzu zählen Edelmetalle und Edelsteine, Antiquitäten und Kunstgegenstände sowie sonstige Wertsachen.

1

Von Einzelfällen wie z.B. den Ablösesummen für Berufssportler abgesehen.

7. Kapitel: Die Vermögensrechnung

153

Nichtproduzierte Vermögensgüter (non-produced assets) können in Sachvermögen oder immateriellen Vermögensgütern bestehen. Während produzierte Vermögensgüter vermehrt werden können, sind nichtproduzierte Vermögensgüter, insbesondere solche, die ihrem Wesen nach natürliche Ressourcen darstellen und nur zu nutzen (z.B. Boden) oder zu verbrauchen (z.B. Bodenschätze) sind. Nichtproduziertes Sachvermögen schließt Grund und Boden, Bodenschätze, Grundwasservorräte u. Ä. ein. Immaterielle nichtproduzierte Vermögensgüter sind solche Aktiva, bei denen es sich um gesellschaftliche Konstrukte handelt. Sie entstehen durch rechtliche oder buchungstechnische Vorgänge, wie die Erteilung eines Patents oder Übertragung eines wirtschaftlichen Vorteils auf einen Dritten mittels Lizenzen. Insbesondere der Nachweis des aktivierten Firmenwertes wird hier diskutiert. Neben den (produzierten und nichtproduzierten) Vermögensgütern rechnen Forderungen unbestritten zum Vermögen. Forderungen (financial assets) sind wirtschaftliche Werte, die Zahlungsmittel, finanzielle Ansprüche und wirtschaftliche Werte umfassen, die finanziellen Forderungen von ihrer Art her nahekommen (z.B. Aktien und andere Anteilsrechte). Der Katalog der Forderungen und Verbindlichkeiten (Finanzinstrumente) wurde bereits in Übersicht 6-3 für die entsprechenden finanziellen Stromgrößen dargestellt. Er reicht von Währungsgold und Sonderziehungsrechten, Bargeld und Einlagen bis zu den sonstigen Forderungen bzw. Verbindlichkeiten (als negativen Forderungen). Bei den auf eine Geldeinheit lautenden oder in Geld bewertbaren Forderungen handelt es sich um private oder öffentliche finanzielle Aktiva, denen meist identische Passiva gegenüberstehen. Auch die Ansprüche an die Gesetzliche Rentenversicherung (GRV), aus Pensionszusagen der Unternehmen und Versorgungsansprüchen der Beamten – kurz: weitere Teile des Versorgungsvermögens – könnten in die Forderungen und damit in die Vermögensrechnung einbezogen werden. Das gilt dann, wenn man Vermögen als jene Sachen und Rechte interpretiert, die dem Inhaber künftig einen Zahlungs- oder Nutzenstrom gewähren. Ungewissheit über die Dauer und eingeschränkte Dispositionsfreiheit schlagen sich in der Bewertung des Vermögensobjekts nieder. Für die Erfassung der zu erwartenden Pensionen und Renten als Vermögensäquivalente spricht, dass in Höhe der Summe der Eigenbeiträge die versorgte Person oder der versorgte Haushalt weniger sparfähig gewesen ist. Ferner besteht (im Gegensatz zu unversorgten Personen) in Höhe der erworbenen Ansprüche keine Notwendigkeit zur Ansammlung anderer Vermögenskomponenten für Notfälle. Auch werden Ansprüche an private Lebensversicherungen – weit verbreitete Vorsorgeform bei Selbständigen und Freiberuflern – bereits traditionell in die Verteilung einbezogen. Ohne Ausgleich durch die Einbeziehung der Sozialversicherungsansprüche erscheint die Vermögensverteilung verzerrt. Andererseits unterscheiden sich etwa die Ansprüche an die GRV in verschiedener Hinsicht von privaten Forderungen: Sie lassen sich nicht kapitalisieren und vererben, sie sind nicht liquidisierbar. Das trifft zwar teilweise auch auf andere Vermögenswerte zu, nur beruht diese Illiquidität des Vermögens dort auf der Entscheidung des Einzel-

154

Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

nen und nicht der des Staates. Es bestehen keine Forderungen auf Leistungen aus einer realen Vermögensmasse (bzw. keine konkretisierbaren Verpflichtungen). Gesamtwirtschaftlich müssen den Forderungen allerdings Verbindlichkeiten in gleicher Höhe gegenüberstehen. Als ,,Schuldner“ kann bei Forderungen auf zukünftige Rentenzahlungen auf der Grundlage des Umlageverfahrens nur die Gesamtheit der zukünftigen Beitragszahler gelten1. Die ältere Generation hat ,,Forderungen“ an die jüngere. Die Vermögensbilanzen des ESVG beschränken den Vermögensnachweis auf solche Ansprüche, für die die zahlungspflichtigen Unternehmen in ihren Bilanzen Rückstellungen bilden. Dies betrifft einmal die Lebensversicherungen, Pensions- und Sterbekassen sowie die berufsständigen Versorgungswerke und zum anderen Pensionsrückstellungen, die die Unternehmen in Höhe der von ihnen an ihre Mitarbeiter zugesagten Betriebspensionen bilden müssen. Nicht-kapitalgedeckte Ansprüche an den Staat auf Renten und Pensionen werden als Eventualverbindlichkeiten betrachtet und nicht als Vermögen gebucht. Entscheidend hierfür ist, dass ihre Höhe wegen des Umlageverfahrens und der Abhängigkeit von politischen Entscheidungen unbekannt ist. Das Bewertungsproblem ist bei diesem Teil des Versorgungsvermögens kaum lösbar. Als Folge der Revision des SNA 1993 wird auch hier eine Ausweitung des Vermögensbegriffs erfolgen, der (allerdings nur für ein Satellitensystem) die nicht-kapitalgedeckten Altersansprüche einschließt (vgl. Braakmann et al. 2009). Der Gegenwartswert der erworbenen Ansprüche muss dann als Staatsverbindlichkeit gebucht werden, wodurch sich insbesondere das Defizit und der Schuldenstand des Staates deutlich erhöhen. Über das Versorgungsvermögen hinaus könnten zum Vermögen im weiten Sinne auch Vermögenssurrogate oder -äquivalente rechnen, die – unabhängig von eigenen Beitragsleistungen – in Ansprüchen an die Gesellschaft bestehen. Das gilt etwa für eine garantierte Mindestsicherung (durch Sozialhilfe u. Ä.). Solche Rechtspositionen können ähnliche Wirkungen wie Leistungsansprüche aus Beiträgen haben, weil sie aufgrund erzeugter Erwartungen das Sparen und damit die Vermögensbildung tangieren. Sie bleiben, wie andere mögliche Erweiterungen, in den VGR unberücksichtigt2.

2. Die Bedeutung des Vermögensbegriffs Die Wahl des Vermögensbegriffs hängt von der jeweiligen Fragestellung ab. Sollen etwa vermögenspolitische Maßnahmen ergriffen werden und entspricht der Vermögensbegriff nicht der eigentlichen Zielsetzung, kommt es wahrscheinlich zu falschen Implikationen für die Verteilungspolitik. Untersuchungen der personellen Vermögensverteilung, insbesondere Vermögensvergleiche von Selbständigen und Unselbständi1

2

Der Gegenwartswert der künftig anfallenden Renten- und Pensionsansprüche wird in der finanzwissenschaftlichen Literatur auch als „versteckte Schulden“ bezeichnet, als Verbindlichkeiten also, die rechnerisch nicht als solche ausgewiesen werden. Obwohl sich „auch durchaus gute Gründe dafür aufführen (lassen), daß letztlich alles, worauf man irgendwie stolz sein kann, eine Art von ‚Vermögen’ darstellt“ (Lippe 1998, S. 12).

7. Kapitel: Die Vermögensrechnung

155

gen, erfordern die Einbeziehung von Ansprüchen an die GRV, Versorgungsansprüchen der Beamten u. Ä. Das trifft auch auf Untersuchungen der individuellen Daseinsvorsorge zu. Auch das Humanvermögen ist hier wichtig. Für Fragen der personellen Verteilung sind vornehmlich das Reinvermögen, aber auch einzelne Vermögenswerte bedeutsam, für die Diskussion um die Steuerung des Produktionsprozesses und wirtschaftlicher Machtstrukturen u.a. die Eigentumsverhältnisse am privaten Unternehmensvermögen. Gerade bei Untersuchungen der Verfügungsmacht über das Unternehmensvermögen ist aber auch die Finanzierung der Vermögenswerte (und damit die Passivseite der Bilanzen) relevant. Für die Konjunkturund Strukturpolitik, insbesondere für Schätzungen des Produktionspotenzials (der ,,möglichen“ Produktion bei gegebenen Produktionsfaktoren) oder für Produktivitätsuntersuchungen, ist die Kenntnis des Kapitalstocks, d.h. des jahresdurchschnittlichen Bruttoanlagevermögens in konstanten Preisen (derzeit in Preisen von 2000) bedeutsam. Die Kenntnis des Sachvermögens ermöglicht es, Produktionskapazitäten zu schätzen oder den Bedarf an Ersatz-Investitionen abzuschätzen. Es ist auch die Grundlage für die Berechnung nationaler und sektoraler Produktionsfunktionen und Produktivitäten. Der Kapitalbestand ist zudem Ausgangspunkt zur Berechnung von Kapitaldiensten und Kapitalnutzungskosten1. Untersucht man den Einfluss des Vermögens auf das Nachfrageverhalten der privaten Haushalte, spielen insbesondere das Geldvermögen, aber auch das Gebrauchsvermögen eine Rolle. Interpretiert man Vermögen als Summe der diskontierten künftigen Einkommen oder als Gegenwartswert der künftigen Nutzungen, ist auch das Gebrauchsvermögen der privaten Haushalte wichtig. Es wird für die Darstellung der Haushaltsproduktion benötigt und dürfte wesentlich zum Wohlbefinden und zur Lebensqualität der Haushalte beitragen. Ferner können die Finanzierungsentscheidungen dadurch beeinflusst werden, inwieweit sich die Käufe der Haushalte auf langlebige Konsumgüter beziehen. Sie werden deshalb in der Stromrechnung explizit nachgewiesen. Zur Analyse der Finanzierungsstruktur der Unternehmen ist ein Vermögensbegriff zweckmäßig, der produzierte und nichtproduzierte Vermögensgüter, Forderungen und Verbindlichkeiten umfasst. Im Rahmen der Umweltpolitik sind unter anderem Informationen über den Wert von Grund und Boden nach Nutzungsarten, von Bodenschätzen und von Waldbeständen erwünscht. Die Bestandsrechnungen haben auch eine besondere Bedeutung als Grundlage für die Ermittlung von Stromgrößen. So werden die Abschreibungen im Rahmen der Anlagevermögensrechnung ermittelt, und die Vorratsveränderungen knüpfen an den Daten der Vorratsbestände an. Die Deutsche Bundesbank ermittelt die Veränderungen der Forderungen und der Verbindlichkeiten zu einem großen Teil anhand von Bestandsdaten (siehe Abschnitt 3 in Kapitel 6).

1

Siehe hierzu Görzig (2009) S. 370/371.

156

Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

3. Die Bewertung der Vermögensobjekte Nach der Entscheidung, welche Vermögensobjekte in die Vermögensrechnung einbezogen werden sollen, ist über ihre Bewertung zu entscheiden. Einzelne Vermögensobjekte lassen sich erst vergleichen und zum Vermögen addieren, wenn sie in Geldeinheiten ausgedrückt werden. Die Bewertung hängt wesentlich von der Art des Vermögensobjekts ab. Sie kann grundsätzlich erfolgen zu • Marktpreisen, die zum Zeitpunkt der Bestandserfassung vorliegen. Auch Anschaffungs- und Wiederbeschaffungspreise sind Marktpreise. Dieses Bewertungsverfahren versagt offenbar dann, wenn das Vermögensobjekt nicht am Markt gehandelt wird. So ist etwa der Veräußerungswert von Rentenansprüchen im Rahmen der Sozialversicherung null, da die Ansprüche nicht übertragbar sind. Die Marktpreisbewertung kann gerade bei natürlichen Ressourcen problematische Konsequenzen haben. So können tropische Wälder einen relativ hohen Marktwert wegen des Preises tropischer Hölzer haben. Andere Funktionen dieser Wälder, die sich nicht in Marktpreisen niederschlagen, werden damit vernachlässigt, so die Bedeutung für das globale Klima oder für die Einwohner, die Vielfalt der Tiere und Pflanzen u. Ä. (Statistical Office of the United Nations 1990, S. 8). • Anschaffungspreisen, die zum Zeitpunkt der Anschaffung der Güter vorgelegen haben. Sie lassen sich am einfachsten ermitteln. Allerdings besagt eine Bewertung zu Anschaffungspreisen wenig, wenn das Vermögen gleiche Güter zu je nach Anschaffungszeit unterschiedlichen Preisen enthält. Dabei sind die Bewertungsunterschiede um so größer, je stärker die Teuerung war und je langlebiger die Güter sind. • Wiederbeschaffungspreisen, d.h. den zum Bewertungsstichtag geltenden Preisen. Der Vermögenswert entspricht dem Betrag, der zum Bewertungszeitpunkt für eine Neubeschaffung der vorhandenen Vermögensbestände erforderlich gewesen wäre. Bei diesem Preiskonzept besteht keine Bilanzkontinuität, d.h. Vermögensobjekte sind am Jahresanfang und Jahresende unterschiedlich bewertet. Die Differenz entspricht dem Wertzuwachs durch Preissteigerungen während des Jahres. • konstanten Preisen, d.h. die Vermögenswerte werden in Preisen eines Basisjahres ausgedrückt. Diese Bewertung lässt die reale Entwicklung der Vermögensobjekte erkennen, ist jedoch auf das Geldvermögen nur schwer übertragbar. • Ertragswerten, d.h. dem Gegenwartswert der künftigen Nettoerträge aus dem Vermögen. Infolge der Unsicherheit der künftigen Erträge und Kosten sowie der relativ willkürlichen Wahl eines Diskontfaktors ist diese Bewertungsmethode problematisch. Sie wird z.B. für die Ermittlung des Wertes ganzer Unternehmen herangezogen. Bei Wertpapieren schlägt sich der angenommene Ertragswert im Kurswert nieder. Änderungen des Diskontsatzes können die Vermögensverteilung zwischen Generationen, Sektoren und Wirtschaftssubjekten in Abhängigkeit von ihren erwarteten Einkommens- und Ausgabenströmen verändern. • Nominalwerten und zu Kurswerten, die nur bei Geldvermögen in Betracht kommen.

7. Kapitel: Die Vermögensrechnung

157

Je nachdem, mit welchem Verfahren die einzelnen Vermögensobjekte bewertet werden, kommt man zu unterschiedlichen Größen für das Vermögen der Wirtschaftsbereiche, Sektoren oder der Volkswirtschaft. Das ESVG 1995 sieht vor, dass eine Bestandsgröße in der Vermögensbilanz so zu bewerten ist, als ob sie am Bilanzstichtag erworben worden wäre, einschließlich sämtlicher mit der Eigentumsübertragung verbundenen Nebenkosten. Dies bedeutet, dass die Aktiva und die Passiva zu jeweiligen Preisen, d. h. zu den am Bilanzstichtag geltenden Marktpreisen, zu bewerten sind (Tz. 7.25.). Im Idealfall können diese Preise am Markt beobachtet werden. Ist dies nicht der Fall – z.B. wenn in der jüngsten Vergangenheit keine Käufe/Verkäufe des betreffenden Aktivums beobachtet wurden –, so ist zu schätzen, wie hoch der Preis der Vermögensposition wäre, wenn sie am Bilanzstichtag am Markt gekauft worden wäre (Tz. 7.26.). Zur Bewertung können anstelle der Marktpreise auch Näherungsmethoden herangezogen werden, z.B. Umbewertung und Kumulation der Zugänge und Abgänge oder Ermittlung des Gegenwartswertes.

4. Die Verknüpfung zweier Vermögensbilanzen Das ESVG sieht für die Verknüpfung der Vermögensbilanzen am Anfang und Ende einer Periode folgende Buchungsregeln vor1: Wert des Bestandes an einem bestimmten Aktivum am Periodenanfang +

Transaktionen: Gesamtwert der Zugänge dieser Aktiva während des Rechnungszeitraums abzüglich des Gesamtwerts der Abgänge in demselben Zeitraum. Die Transaktionen mit nichtfinanziellen Aktiva werden im Vermögensbildungskonto und die Transaktionen mit Forderungen und Verbindlichkeiten werden im Finanzierungskonto gebucht.

-

Abschreibungen

+

sonstige reale Vermögensänderungen: Wert sonstiger positiver oder negativer Veränderungen des Volumens der Aktiva (z.B. durch Entdeckung oder Abbau von Bodenschätzen oder unerwartete Vermögensverluste durch Krieg oder Naturkatastrophen). Diese Veränderungen werden im Konto sonstiger realer Vermögensänderungen gebucht.

+

Umbewertung: Wert der nominellen Umbewertungsgewinne, die im Rechnungszeitraum aufgrund einer Änderung des Preises der Aktiva entstehen. Sie werden im Umbewertungskonto verbucht.

=

Wert des Bestandes an dem Aktivum am Periodenende.

1

Die buchungstechnische Verknüpfung der Vermögenseröffnungs- und Vermögensschlussbilanz über Transaktionen und sonstige Vermögensveränderungen ist im Anhang 2 des Kapitels 7 des ESVG 1995 dargestellt.

Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

158

Das Lieferprogramm der ESVG-Verordnung sieht nur Vermögensbildungs- und Finanzierungskonten vor. Entsprechend verfährt die deutsche amtliche Statistik so in den Konten1.

5. Die Vermögensrechnung in Deutschland Bestimmte Teile eines umfassend interpretierten Gesamtvermögens werden in den VGR nicht (z.B. Humankapital) oder noch nicht erfasst, aber im Zuge einer Revision (Forschung und Entwicklung, militärische Güter) einbezogen, nur unter dem Strich dargestellt (dauerhafte Konsumgüter) oder künftig in einem separaten Kontensystem verbucht (nicht kapitalgedeckte Ansprüche und Verbindlichkeiten). Im Vergleich zu dem in der Klassifikation von Übersicht 7-1 dargelegten Programm liegen in Deutschland große Teile des Volksvermögens und der sektoralen Vermögensbestände vor. Sie konzentrieren sich bei den Vermögensgütern auf die vom Statistischen Bundesamt berechneten Anlagegüter, nichtproduzierte Vermögensgüter werden nicht nachgewiesen. Forderungen, Verbindlichkeiten und als Saldo das Nettogeldvermögen (net financial assets) inländischer Sektoren veröffentlicht die Deutsche Bundesbank. Bei der Entscheidung über den Umfang und die systematische Abgrenzung der Vermögenstatbestände wird von dem Grundsatz ausgegangen, eine möglichst hohe Konsistenz mit der Stromrechnung zu erreichen. Insbesondere für die Fälle, in denen das nicht möglich oder erforderlich ist, und zur anderen Abgrenzung, Untergliederung oder Bewertung können auch Zusatztabellen erstellt werden.

a) Das Anlagevermögen Eine umfassende, zu einem bestimmten Stichtag erfolgende jährliche physische Bestandsaufnahme der Anlagegüter ist wegen ihrer außerordentlichen Vielgestaltigkeit und inhomogenen Bewertung sowie des hohen Aufwands für die erhebende Stelle praktisch nicht möglich. Informationsbausteine liegen hingegen über die BruttoAnlageinvestitionen der Vorperioden vor, ferner Preisinformationen für Anlagegüter und Aufzeichnungen über die Lebensdauer von Anlagegütern. Daher wird der Umstand genutzt, dass die Summe der in der Vergangenheit erfolgten Investitionen (unter Berücksichtigung der Abschreibungen bzw. Abgänge) dem in einem bestimmten Zeitpunkt vorhandenen Sachvermögen entsprechen muss. Die Methode der ständigen Bestandsschätzung aus kumulierten Investitionen der Vergangenheit, die noch nicht ausgeschieden sind, einheitlich zu Preisen einer Periode (Kumulationsmethode, Perpetual Inventory-Methode) ist der Standardansatz in den meisten OECD-Staaten, er setzt die Kenntnis langer Investitionsreihen in tiefem Güterdetail und spezifische Preisinformationen voraus. 1

Tatsächlich werden die nichtmarktbestimmten Wertänderungen implizit oder explizit (in den sonstigen realen Vermögensänderungen) erfasst und bei der Ermittlung der Vorratsveränderung findet eine Scheingewinnbereinigung statt.

7. Kapitel: Die Vermögensrechnung

159

Übersicht 7-2 Berechnung des Anlagevermögens und der Abschreibungen nach der Perpetual-Inventory-Methode (Kumulationsmethode)

Ergebnisse

Ausgangsmaterial

Ergebnisse

Investitionsreihen in konstanten Preisen (weit in die Vergangenheit zurück und nach Gütergruppen)

(+)

(+)

Bruttoanlagevermögen (Neuwert) in konstanten Preisen1

Abgänge in konstanten Preisen1

Dichtefunktion (z.B. Gammaverteilung, log. Normalverteilung)

Durchschnittliche ökonomische Nutzungsdauer (geschätzt nach Gütergruppen)

Abschreibungsverfahren (i.a. linear, geometrisch, degressiv)

(+)

Abschreibungen in konstanten Preisen1

(-)

Abschreibungsverteilung

Jahresdurchschnittspreisindizes (Preisindizes der Investitionen) Abgänge zu Wiederbeschaffungspreisen

Jahresanfangspreisindizes (geschätzt) Sonstige reale Vermögensänderungen in konstanten Preisen Neuwert

1

(+)

(-)

Abgangsverteilung

Bruttoanlagevermögen (Neuwert) zu Wiederbeschaffungspreisen

Nettoanlagevermögen (Zeitwert) in konstanten Preisen1

Abschreibungen zu Wiederbeschaffungspreisen

Nettoanlagevermögen (Zeitwert) zu Wiederbeschaffungspreisen

Zeitwert

Entsprechende Angaben zu Anschaffungspreisen können ausgehend von Investitionsreihen in jeweiligen Preisen ermittelt werden.

Quelle: Schmalwasser/Schidlowski (2006).

Die Vermögensbildung der einzelnen Jahre lässt sich aber nicht bis zu einer Periode Null zurückverfolgen. Das ist auch nicht nötig, denn zur Berechnung der Vermögensbestände eines Zeitpunkts werden die Bruttozugänge über so viele Jahre zurück kumuliert, wie die tatsächliche Nutzungsdauer der jeweiligen Güter lang ist1. Auch der Bestand für das Ausgangsjahr in der alten Bundesrepublik Anfang 1950 wurde so berechnet. Ausgangsjahr der aktuellen Berechnungen ist seit dem Übergang auf das ESVG 1995 das Jahr 1991 (für das gesamte Bundesgebiet2). Hierbei wird das Anlagevermögen brutto (= ohne Abzug von Abschreibungen) und netto (= verringert um Abschreibungen) und nach zwei Preiskonzepten, nämlich zu Wiederbeschaffungspreisen und zu konstanten Preisen (zur Zeit des Jahres 2000), berechnet. Übersicht 7-2 soll das Verfahren der Berechnung von Anlagevermögen und Abschreibungen verdeutlichen. Beim Bruttokonzept wird eine Anlage, solange sie im Bestand ist, mit ihrem vollen Neuwert (zu Wiederbeschaffungspreisen oder zu konstanten Preisen) nachgewie1

2

Für Bauten liegen Investitionsreihen zurück bis 1799 vor, für Ausrüstungen bis 1899 und für immaterielle Anlagen teilweise bis 1945. Der Anfangsbestand der neuen Länder wurde nicht über Investitionsreihen kumuliert, sondern aus direkten Bestandsinformationen ermittelt.

160

Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

sen. Zieht man davon die jeweils entsprechend bewerteten kumulierten Abschreibungen ab, erhält man das Nettoanlagevermögen (auch nach beiden Preiskonzepten). Das Anlagevermögen wird jährlich ermittelt und, unterteilt nach Ausrüstungen und Bauten, in einer Gruppierung nach Wirtschaftsbereichen dargestellt.1 Dabei werden auch die zugehörigen Stromgrößen berechnet, nämlich beim Bruttoanlagevermögen die Abgänge und beim Nettoanlagevermögen die Abschreibungen. Der für den Beginn des Jahres 1991 geschätzte Bestand des Anlagevermögens hat sich in der Folgezeit um die Zugänge an Anlagegütern (= Bruttoanlageinvestitionen) erhöht und um die Abgänge von Anlagegütern bzw. im Falle der Nettorechnung um die Abschreibungen verringert. Zu einem späteren Zeitpunkt entspricht der Anlagevermögensbestand somit (weitgehend) der Differenz aus den kumulierten Zugängen einschließlich einer Schätzung des Anfangsbestandes 1991 und den kumulierten Abgängen bzw. Abschreibungen. Sind die Angaben über die Zugänge, die Abgänge und die Abschreibungen hinlänglich genau, korrigieren sich Schätzfehler beim Anfangsbestand 1991 mit der Zeit von selbst, und zwar umso rascher, je kurzlebiger die Anlagen sind. So stammten in den früheren Bundesländern vom Bruttoanlagevermögen in Preisen von 1991 Anfang 1993 nur noch 13,8 % aus der Zeit vor 1950. Es kommt also alles darauf an, wie und für welchen Zeitraum die drei genannten Stromgrößen ermittelt werden. Die Berechnung des Anlagevermögens in Preisen eines Basisjahres setzt bei den Zugängen, d.h. den zu Anschaffungspreisen bewerteten Jahrgängen der Bruttoanlageinvestitionen, ein. Sie werden mit spezifischen Indizes – nach Gütergruppen getrennt – auf den Preisstand eines Basisjahres umgerechnet und dann kumuliert. Abgänge werden nachgewiesen, wenn Anlagegüter (durch Verschrottung und Abbruch) effektiv aus dem Bestand ausscheiden. Statistische Informationen über die tatsächlichen Abgänge liegen nur für wenige Anlagegütergruppen vor (z.B. für Kraftfahrzeuge oder Wohngebäude). Für die Ermittlung der Abgänge ist daher eine Modellrechnung erforderlich, in der Annahmen über die Nutzungsdauer, d.h. den Zeitraum zwischen Zugang eines Anlagegutes beim Investor und dem endgültigen Ausscheiden aus dem Produktionsprozess, getroffen werden2. Die Länge der Nutzungsdauer hängt stark davon ab, um welche Güterart es sich im Einzelfall handelt. Daher werden die Zugänge soweit möglich nach Güterarten aufgeteilt. Ist die durchschnittliche Nutzungsdauer fixiert, sind Annahmen über die Überlebensfunktion zu treffen. Die Sensitivität des Anlagevermögens in Bezug auf die Wahl 1 2

Siehe auch Übersicht 5-3 zu den Investitionen. Bemerkenswert ist, dass die volkswirtschaftlichen Abschreibungen und der Kapitalstock die einzigen Elemente des Systems sind, „die ex-post Information (vergangene Brutto-Anlageinvestitionen) und ex-ante Information (angenommene Nutzungsdauer) kombinieren. Da die Nutzungsdauer zum Zeitpunkt der Kalkulation der Abschreibung eine unbeobachtbare Variable ist, müsste jede ex-post festgestellte Änderung der Nutzungsdauer – um konsistent zu bleiben – eine Revision der Abschreibungen aller Vorperioden, in denen dieses Anlagegut als Produktionsgrundlage diente, auslösen. Im Systemzusammenhang würde jede solche Revision eine Änderung vieler Größen der Gesamtrechnung über lange Perioden bedingen“ (Richter 2002b, S. 148).

7. Kapitel: Die Vermögensrechnung

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der Überlebensfunktion ist selbst bei gleicher Annahme der Lebensdauer sehr hoch. Für die Schätzung ist es wichtig, dass die Anlagen eines Investitionsjahrgangs nicht bis zum Ende der durchschnittlichen Nutzungsdauer geschlossen im Bestand bleiben und dann geschlossen ausscheiden (rechteckige Überlebensfunktion). So werden bei einer bestimmten Güterart mit einer durchschnittlichen Nutzungsdauer von zehn Jahren einige bereits nach wenigen Monaten schrottreif sein, andere dagegen zehn Jahre genutzt werden können oder erst nach der zweifachen durchschnittlichen Nutzungsdauer aus dem Bestand ausscheiden. Das Statistische Bundesamt geht davon aus, dass die Abgänge eines Investitionsjahres glockenförmig um die durchschnittliche Nutzungsdauer gestreut sind. Abb. 7-1 zeigt die Abgangsfunktion für Güter mit einer durchschnittlichen Nutzungsdauer von zehn bzw. 20 Jahren. Dieser Abgangsfunktion entspricht eine („quasi-logistische“) Überlebensfunktion, die die Bestandsentwicklung eines Investitionsjahrgangs im Zeitablauf wiedergibt. Bei ihr nimmt der Bestand an Anlageinvestitionen eines bestimmten Jahres zunächst nur geringfügig, in den folgenden Perioden beschleunigt und danach wieder verlangsamt ab. „Die Wahl der Überlebensfunktion stützt sich – wenn nicht überhaupt nur a priori Annahmen herangezogen werden – meist auf jene kleinen Teilbereiche, für die entsprechende Daten vorliegen“. So werden insbesondere die Ergebnisse von Studien für Kraftfahrzeuge herangezogen, die dann verallgemeinert werden. Anhand von Abgangsinformationen über Kraftfahrzeuge werden die Funktionen angepasst. Die Funktionsform wird dann, modifiziert um die unterschiedlich angenommene durchschnittliche Lebensdauer, auf andere Kapitalgüter übertragen (Richter 2002b, S. 139). Alle Annahmen über die Lebensdauer und die Überlebensfunktion stellen große Unsicherheitsfaktoren dar. Sie sind zudem insbesondere bei der Nutzungsdauer im internationalen Vergleich sehr unterschiedlich. Abb. 7-1 Abgangsfunktion für Güter mit einer durchschnittlichen Nutzungsdauer von 10 bzw. 20 Jahren Abgänge in % eines Investitionsjahrganges

10 Jahre 10

20 Jahre 5

0 0

10

20 Nutzungsdauer in Jahren

30

Quelle: Schmalwasser/Schidlowski (2006), S. 9.

Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

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Mit Hilfe der Daten über Bestand, durchschnittliche Nutzungsdauer und Abgangsverteilung können die Abgänge eines Jahres, gruppiert nach Investitionsjahrgängen und Gütergruppen berechnet werden. Neben der modellmäßigen Berechnung des Anlagevermögens werden auch außergewöhnliche Entwicklungen berücksichtigt, die unerwartet zu Abgängen führen1. Beispiele für Sonderabgänge sind die wirtschaftlich nicht mehr nutzbaren Altanlagen aus der DDR, der Abbau von Kapazitäten bei Raffinerien oder Werften sowie die hohen Verluste an Anlagevermögen aus der Hochwasserkatastrophe 2002. Tab. 7-1 Anlagevermögen nach Vermögensarten am Jahresanfang, Mrd Euro zu Wiederbeschaffungspreisen, brutto und netto Gegenstand der Nachweisung

1 2

1991

1 Sachanlagen 2 Nutztiere und Nutzpflanzungen 3 Ausrüstungen 4 Maschinen und Geräte 1 5 Fahrzeuge 6 Bauten2 7 Wohnbauten 8 Nichtwohnbauten 9 Immaterielle Anlagegüter 10 Alle Anlagegüter

6 859 10 1 323 1 091 232 5 527 2 893 2 634 60 6 920

11 Sachanlagen 12 Nutztiere und Nutzpflanzungen 13 Ausrüstungen 14 Maschinen und Geräte 1 15 Fahrzeuge 16 Bauten 2 17 Wohnbauten 18 Nichtwohnbauten 19 Immaterielle Anlagegüter 20 Alle Anlagegüter

4 378 8 705 578 126 3 665 1 993 1 672 31 4 409

1995 brutto 8 930 10 1 595 1 286 309 7 326 3 936 3 389 74 9 004 netto 5 680 8 848 677 171 4 824 2 684 2 139 37 5 717

2000

2005

2010

10 026 9 1 751 1 380 372 8 266 4 589 3 677 91 10 117

11 086 8 1 855 1 402 453 9 223 5 214 4 008 118 11 204

13 133 11 1 829 1 251 578 11 293 6 498 4 795 122 13 254

6 790 7 946 701 245 5 837 3 427 2 410 62 6 851

7 924 8 980 663 316 6 936 4 139 2 797 64 7 989

6 275 7 897 696 201 5 371 3 093 2 278 49 6 324

Einschl. Textilien, Bekleidung, Holz-, Kunststoff-, Glas-, Keramik-, Eisenwaren u.a. Einschl. kumulierter Grundstücksübertragungskosten für unbebauten Grund und Boden.

Quelle: Statistisches Bundesamt (2010b), Tab. 3.1.3.

Wie Tab. 7-1 zeigt, machte das Bruttoanlagevermögen in Preisen von 2000 Anfang des Jahres 2010 knapp 13,3 Bio Euro aus, davon Ausrüstungen in Höhe von 1,8 Bio und 11,2 Bio Euro Bauten. Nach Abzug der Abschreibungen ergibt sich das Nettoanlagevermögen in Höhe von fast 8 Bio Euro. Abschreibungen werden für das gesamte Anlagevermögen (außer Nutztiere), Bodenverbesserungen und aktivierte Grundstücksübertragungskosten für die Gesamtwirtschaft, nach Wirtschaftsbereichen und Sektoren berechnet. Abschreibungen werden auch für den öffentlichen Tiefbau und militärische Gebrauchsgüter, soweit sie auch zivil genutzt werden könnten, nachgewiesen. Im Jahr 2010 machten die Ausrüstungen knapp 14 %, die Bauten gut 85 % und die immateriellen Anlagegüter weniger als 1 % des Bruttoanlagevermögens aus. Die Angaben über 1

Diese Wertänderungen werden als sonstige reale Vermögensänderungen gebucht.

7. Kapitel: Die Vermögensrechnung

163

die Werte des Anlagevermögens (brutto und netto) sind in Tab. 7-1 zu Wiederbeschaffungspreisen nachgewiesen. Sie weichen bei der Bewertung nach einem anderen Preiskonzept, nämlich von dem in Preisen von 2000, beträchtlich ab. Abb. 7-2 Durchschnittsalter des Anlagevermögens in Deutschland; in Jahren 30,0

26,9

25,0 23,7

24,4

23,9

25,6

20,0

Ausrüstungen

15,0

10,0

8,1

Bauten

7,8

7,8

7,5

1995

2000

2005

6,8

5,0

0,0 1991

2010

Quelle: Statistisches Bundesamt (2010b), Tab. 3.1.5.

Die durchschnittliche Gesamtnutzungsdauer neuer Ausrüstungen ist bis zum Jahr 2000 kräftig auf 12 ½ Jahre gesunken1. Das Durchschnittsalter des Bestands an Ausrüstungen liegt nur noch bei knapp sieben Jahren (Abb. 7-2). Im Jahr 1991 lag das Durchschnittsalter noch bei gut acht Jahren. Durch die rege Investitionstätigkeit in den ersten Jahren nach der Wiedervereinigung ging es zurück, um danach vergleichsweise konstant bei knapp acht Jahren zu verharren. Im Gefolge des Investitionsbooms ab dem Jahr 2005 ging das Durchschnittsalter zuletzt merklich auf unter sieben Jahre zurück. Dagegen ist das Durchschnittsalter der Bauten seit Mitte der 1990er-Jahre durchgehend von damals unter 24 Jahre auf zuletzt knapp 27 Jahre angestiegen. Auf der Grundlage der langen Reihen der Bruttoinvestitionen und der Abgangsverteilungen kann auch der Altersaufbau des produzierten Anlagevermögens geschätzt werden. Abb. 7-3 zeigt den Modernitätsgrad des Anlagevermögens (Bauten und Ausrüstungen). Der sog. Modernitätsgrad des Kapitalstocks wird als Quotient aus Nettound Bruttogröße berechnet. Nach dieser Darstellung folgt mit Blick auf die Bauten der Anteil des noch nicht abgeschriebenen Anlagevermögens am gesamten Kapitalbestand einem langfristigen negativen Trend, konjunkturell bedingte Schwankungen der Bauinvestitionen liegen kaum vor. Der Modernisierungsgrad der Bauten sank in Westdeutschland von über 73 % Anfang der 1970er-Jahre auf 67 % im Jahr 1991. In Deutschland ging er stetig von gut 66 % im Jahr 1991 auf 61,4 % im Jahr 2010. Bei 1

Hier liegen keine aktuellen Berechnungen des Statistischen Bundesamtes vor.

Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

164

den Ausrüstungen ergibt sich dagegen kein deutlich negativer Trend, vielmehr zeigen sich hier konjunkturelle Effekte. Zudem führte die starke Investitionstätigkeit im Gefolge der Wiedervereinigung zu einer deutlichen Verjüngung des Ausrüstungsbestands. Abb. 7-3 Modernitätsgrad des Anlagevermögens in Deutschland in % 75 Ausrüstungen

Bauten

70 65 60 55 50 45 1970

1975

1980

1985

1990

1995

2000

2005

2010

Modernitätsgrad: Verhältnis von Nettoanlagevermögen zu Bruttoanlagevermögen in %. 1970 bis 1991 Westdeutschland, 1991 bis 2010 Deutschland.

Quelle: Statistisches Bundesamt (2010b) Tab. 3.1.3 und (2006) Tab. 3.1.3; eigene Berechnungen.

Zusammenfassend kann festgestellt werden: Das Bruttoanlagevermögen ist die Summe aller Bruttoanlageinvestitionen der Vergangenheit, die bis zum Berichtszeitpunkt nicht wieder aus dem Bestand ausgeschieden sind. In die Kumulation wird der Zeitraum der maximalen Nutzungsdauer einbezogen, die Nutzungsdauer der einzelnen Anlagegüter ist unterschiedlich. Der für das erste Berichtsjahr berechnete Bruttoanlagebestand ( V−b1 ) kann mithilfe der Zugänge (Ib) und der Abgänge (A) mit der Beziehung (7-1)

V b = V−b1 + I b − A

fortgeschrieben werden. Das gilt für das zu Wiederbeschaffungspreisen1 und in Preisen eines Basisjahres bewertete Vermögen. Bei der Berechnung des Nettoanlagebestandes (Vn) sind anstelle der Abgänge die Abschreibungen zu berücksichtigen2: (7-2) 1 2

V n = V−n1 + I b − D .

Bei dieser Bewertung sind noch Umbewertungspositionen zu berücksichtigen. Von sonstigen Änderungen des Nettovermögens abgesehen.

7. Kapitel: Die Vermögensrechnung

165

Die für die einzelnen Gütergruppen jeweils geschätzte wirtschaftliche Nutzungsdauer liegt auch der Berechnung der Abschreibungen zugrunde. Der jeweilige Abschreibungsbetrag ist für jede Periode konstant. Er wird aus dem Anfangsbestand, multipliziert mit dem Kehrwert der Nutzungsdauer, ermittelt. Es wird also linear abgeschrieben. Das Verfahren verläuft wie bei der Berechnung der Abgänge getrennt nach einzelnen Investitionsjahrgängen und Gütern zu konstanten Preisen sowie mit anschließender Berechnung zu Wiederbeschaffungspreisen durch Umbewertung der Ergebnisse zu konstanten Preisen. Folglich zeigen • die Abschreibungen auf das Bruttoanlagevermögen zu Wiederbeschaffungspreisen, wie viel man hätte reinvestieren müssen, um das Anlagevermögen in seiner realen Substanz zu erhalten („substanzielle Kapitalerhaltung“), • die Abschreibungen auf das Bruttoanlagevermögen zu konstanten Preisen die reale Entwicklung des Anlageverzehrs. Beide Bewertungen bereiten insofern Probleme, als der Kapitalbestand Güter verschiedener Investitionsjahrgänge einschließt, die sich in Preis und Leistungsfähigkeit unterscheiden. So sind bei schnellen Qualitätsfortschritten Schätzungen erforderlich, die im Fall nicht mehr produzierter Güter durch Ausweichen auf Preisreihen ähnlicher Güter „gelöst“ werden. Dass auch die Nutzungsdauer, in die technische und ökonomische Faktoren hineinspielen, größere Messungenauigkeiten aufweisen dürfte, wurde schon festgestellt1.

b) Das Umweltvermögen als Teil des Anlagevermögens Nicht das gesamte produzierbare Anlagevermögen verändert unmittelbar das Produktionspotenzial. Ein Teil dieses Sachvermögens (und der Investitionen) zielt auf Umweltschutz oder bessere Arbeitsbedingungen. Investitionen in diesen Bereichen haben zwar eine langfristig positive Wirkung, sie erhöhen aber in der Regel das kurz- und mittelfristige Produktionspotenzial nicht. Das Statistische Bundesamt veröffentlicht Angaben über Investitionen2 und Anlagevermögen für Umweltschutz, die eine besondere Bedeutung im Rahmen eines Umwelt-Satellitensystems zu den VGR haben3. Diese Größen sind voll im Anlagevermögen enthalten, sie betreffen im Wesentlichen den Entsorgungsbereich (Kläranlagen, weitere Abwasserentsorgung, Abfallentsorgung).

1

2

3

„Der extrem hohe Modellgehalt führt zu einer sehr hohen Sensitivität der Ergebnisse in bezug auf die eingesetzten Hypothesen. Soweit sich diese Annahmen an deskriptiven Daten (wie etwa die Verteilung der Überlebensdauer von Kraftfahrzeugen) orientieren, werden Analogieschlüsse in einem Maße eingesetzt, die in keinem anderen Teil der Rechnung toleriert werden würden“ (Richter 2002b, S. 144). Investitionen aus Gründen des Arbeitsschutzes zählen nicht zum Anlagevermögen für Umweltschutz. In Deutschland werden diese Berechnungen im Rahmen der „Umweltökonomischen Gesamtrechnung“ durchgeführt (siehe hierzu Kapitel 14, Abschnitt 3).

Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

166

Zum Umweltvermögen rechnen auch nichtproduzierte Vermögensgüter (siehe Übersicht 7-1) in Form von Naturvermögen, das die Bestandteile der natürlichen Umwelt umfasst, die vom Menschen tatsächlich oder potenziell ökonomisch genutzt werden (können) und daher einen ökonomischen Wert haben. Um das Grundvermögen als Wert der Erdoberfläche einschließlich Oberflächengewässer in den VGR berücksichtigen zu können, müssten statistische Informationen über die Gesamtfläche, deren Nutzungsarten, die Qualität und die Grundstückspreise vorliegen. Das Naturvermögen wird gegenwärtig nicht in den VGR nachgewiesen (vgl. auch Kapitel 14.3).

c) Das Gebrauchsvermögen der privaten Haushalte Das Statistische Bundesamt legt aggregierte Daten zum privaten Gebrauchsvermögen vor. Es umfasst die langlebigen und hochwertigen Gebrauchsgüter im Eigentum der privaten Haushalte (als Konsumenten). Nicht eingeschlossen ist das Wohnungsvermögen der privaten Haushalte, das im Rahmen der VGR im Wirtschaftsbereich „Grundstücks- und Wohnungswesen“ enthalten ist. Die langlebigen und hochwertigen Gebrauchsgüter haben eine gewisse Ähnlichkeit mit den Investitionsgütern der Unternehmen und des Staates, auch wenn sie nicht einer völlig analogen Verwertungslogik unterliegen. Ihre Ersatzbeschaffung kann oft hinausgeschoben werden, ohne dass damit die Versorgung der Haushalte merklich beeinträchtigt wird. Es ist daher anzunehmen, dass sie nicht mit der gleichen Regelmäßigkeit gekauft werden wie viele Waren von kürzerer Lebensdauer und/oder geringerem Wert (Schäfer/Bolleyer 1993, S. 528). Übersicht 7-3 Die Abgrenzung des privaten Gebrauchsvermögens Art der Güter

Güter für die Haushaltsführung

Güter für Verkehrszwecke

Güter für Freizeit, Unterhaltung, Bildung

Sonstige Güter

Langlebige, hochwertige Gebrauchsgüter

Möbel, Teppiche u. Ä.; Raumheizgeräte; Herde/ Backöfen; elektr. Kühl-/ Gefriermöbel; Waschmaschinen, Wäschetrockner, Bügelmaschinen; Elektrowerkzeuge; andere hochwertige elektr. Haushaltsgeräte (z.B. Geschirrspüler)

Kraftfahrzeuge, Fahrräder; Anhänger, Motoren und Getriebe für Kraftfahrzeuge

Fernsehgeräte; Rundfunkgeräte; Phonogeräte; Foto-, Kinogeräte; Schreib-, Rechenmaschinen, Fotokopierer; Musikinstrumente; Mobilheime, Campinganhänger; Ferngläser u. Ä.; Gemälde u.a. Kunstgegenstände

Uhren; Schmuck; andere Gold- und Silberschmiedewaren für die pers. Ausstattung (z.B. Zigarettenetuis, Dosen, Feuerzeuge)

Gebrauchsgüter von mittlerer Lebensdauer und/oder begrenztem Wert

Bekleidung; Schuhe; Bettwaren u. -federn; Bettwäsche, Gardinen u. Ä.; elektr. Back-, Grill- u. Bratgeräte; andere elektr. Haushaltsgeräte (z.B. Rührgeräte); elektr. Leuchten; Geschirr u. Feinkeramik; Gebrauchsgüter für die Gesundheitspflege

Reifen und Schläuche für Kraftfahrzeuge; andere Zubehör-, Einzelund Ersatzteile für Kfz; Zubehör-, Einzel- und Ersatzteile für Fahrräder

Zubehör-, Einzel-, Ersatzteile für Fernseher, Radio, Phono-, Foto-, Kinogeräte; Sport-, Campingartikel; Reproduktionen von Gemälden; Vasen; Festartikel; Bücher u. Broschüren; lebende Pflanzen; lebende Tiere; Antennen; Lautsprecherboxen

Raucherartikel (z.B. Zigarettenspitzen, Tabakdosen); Handund Umhängetaschen; andere Güter für die persönliche Ausstattung; Begräbnisartikel

Quelle: Schäfer/Bolleyer (1993), S. 529; modifiziert.

7. Kapitel: Die Vermögensrechnung

167

Übersicht 7-3 verdeutlicht eine im Rahmen der VGR vorgelegte Abgrenzung des privaten Gebrauchsvermögens. Die Beispiele für langlebige Gebrauchsgüter, mittlere Lebensdauer oder begrenzten Wert wurden als Beispiele nur aufgenommen, um die Abgrenzung zu veranschaulichen. Die Auswahl der zum Gebrauchsvermögen gehörenden Güter erfolgt nach dem Schwerpunktprinzip auf der COICOP-4-Stellerebene1. Hauptkriterium für die Abgrenzung dauerhafter hochwertiger Gebrauchsgüter ist eine durchschnittliche Nutzungsdauer von mindestens fünf Jahren, wobei ab fünf Jahre als langlebig gilt. Ferner wird eine Wertuntergrenze von mindestens 102,3 bis 127,8 Euro bei einer mittleren Anspruchsvariante festgelegt. Das erweist sich allerdings als zunehmend problematische Entscheidung, weil sich die Preisunterschiede einzelner Güter in Abhängigkeit von unterschiedlichen Qualitäten und Einkaufsmöglichkeiten beträchtlich verändern. Die Wertgrenze beim Gebrauchsvermögen ist erheblich niedriger als beim Anlagevermögen der Kapitalgesellschaften, der privaten Haushalte als Produzenten oder des Staates. Bei der Berechnung des Gebrauchsvermögens steht man grundsätzlich vor ähnlichen Schwierigkeiten (wenn auch geringerer Lebensdauer) wie bei der des produzierten Anlagevermögens. Beim privaten Gebrauchsvermögen wird auch die PerpetualInventory-Methode verwendet, und es findet ein Abgleich mit der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) statt. Eine zentrale Größe bei der Berechnung des Gebrauchsvermögens, der Abschreibungen und der Abgänge ist die Nutzungsdauer der Gebrauchsgüter. Sie ist definiert als der Zeitraum, der zwischen dem Zugang zum und dem Ausscheiden eines Gutes aus dem Gebrauchsvermögen liegt. Das Ende der Nutzungsdauer ist grundsätzlich erreicht, wenn ein Gebrauchsgut nicht mehr genutzt wird und auch nicht mehr genutzt werden soll. Tab. 7-2 gibt abschließend einen Überblick über Niveau und Entwicklung des Gebrauchsvermögens der privaten Haushalte in Deutschland. Demnach entfällt jeweils gut ein Drittel auf Fahrzeuge und Wohnungseinrichtungen. Tab. 7-2 Gebrauchsvermögen privater Haushalte in Deutschland Gebrauchsgüter am Jahresanfang in Mrd Euro Insgesamt Möbel, Teppiche und Bodenbeläge Elektrische Haushaltsgroßgeräte Fahrzeuge Audiovisuelle, fotografische, EDV-Geräte Sonstige dauerhafte Gebrauchsgüter 1 1

1991 578,0 189,2 43,1 210,6 57,1 78,1

2000 843,8 292,9 52,0 322,0 61,2 115,7

2005 900,9 319,0 54,7 339,5 58,6 129,0

Güter für Kommunikation, Gesundheit, Unterhaltung und Freizeit; Uhren und Schmuck.

Quelle: Statistisches Bundesamt.

1

COICOP ist die Klassifikation der Verwendungszwecke des Individualkonsums.

2010 949,7 333,6 60,1 345,4 57,4 153,2

Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

168

d) Die Geldvermögensrechnung Die Deutsche Bundesbank veröffentlicht jährlich als Teil der Finanzierungsrechnung (siehe 6. Kapitel) Angaben über Geldvermögen und Verpflichtungen nach Sektoren, die die Situation hinsichtlich der finanziellen Aktiva und Passiva der Sektoren zu einem bestimmten Zeitpunkt zeigen. Als Geldvermögen (oder Finanzaktiva) gilt die Summe der Forderungen, die einen in Währungseinheiten ausgedrückten Nominalwert haben. Geldvermögen und Verbindlichkeiten (= Schulden) werden saldiert als Nettogeldvermögen (Nettoposition oder Nettoforderungen) bezeichnet. Der Nachweis der monetären Aktiva und Passiva und der Sektoren erfolgt in der gleichen Klassifikation wie der der Ströme in der Finanzierungsrechnung. Teil der Finanzinstrumente sind die Ansprüche gegenüber Versicherungen, d.h. (Eventual-)Forderungen von Versicherungsunternehmen, denen in den Bilanzen von Versicherungsunternehmen und Pensionseinrichtungen entsprechende versicherungstechnische Rückstellungen gegenüberstehen. Separat als Ansprüche aus Pensionsrückstellungen ausgewiesen wird die betriebliche Altersvorsorge durch direkte Pensionszusagen der Arbeitgeber, darunter der Zusatzversorgungseinrichtungen der Gebietskörperschaften wie die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL). Die Ansprüche aus der Gesetzlichen Rentenversicherung werden als Teil der Alterssicherung in einem Satellitensystem erfasst. Die für die übrige Welt ausgewiesene Nettoposition wird aus der Sicht des Auslands dargestellt. Sie bedeutet aus der Sicht Deutschlands eine entgegengesetzte Nettoauslandsposition1. Diese wird als Auslandsvermögensstatus der Bundesrepublik von der Bundesbank in einer besonderen Tabelle aufgegliedert nachgewiesen2. Tabelle 7-3 gibt einen Überblick über die Höhe und Struktur des Vermögens der privaten Haushalte in Deutschland am Jahresanfang 2009. Tab. 7-3 Vermögensbilanz der privaten Haushalte am Jahresanfang 2009 in Mrd Euro Aktiva Vermögensgüter Anlagegüter - Wohnbauten Bauland Geldvermögen Nachrichtlich: Gebrauchsvermögen priv. HH

5 653 1 531 4 085 3 563 1 568 4 433 10 086 10 086

Passiva Verbindlichkeiten

943

Einschließlich privater Organisationen ohne Erwerbszweck.

Quelle: Statistisches Bundesamt. 1

2

Bei einer positiven (negativen) Nettoauslandsposition spricht man auch von einer Gläubiger(Schuldner-)Position. Siehe hierzu das 9. Kapitel.

7. Kapitel: Die Vermögensrechnung

169

6. Die personelle Vermögensverteilung Für die Darstellung der Vermögensverteilung liefern die VGR eine Zuordnung der Vermögenswerte nach Sektoren und Wirtschaftsbereichen. Diese Angaben sind u.a. für die Analyse der Produktionsprozesse, für die Berechnung der Abschreibungen und der Sachvermögensbildung in der Volkswirtschaft und für die Analyse des sektoralen Strukturwandels von Bedeutung. Für eine Vermögensverteilungspolitik ist hingegen von Interesse, welcher Teil des Gesamtvermögens auf die natürlichen Personen bzw. privaten Haushalte entfällt, die nach bestimmten sozio-ökonomischen Merkmalen (Arbeiter-, Angestellten-, Beamten-, Selbständigenhaushalt usw.), nach dem Alter oder nach Vermögensklassen gruppiert werden. Die Vermögensverteilung fällt je nach Wahl des Vermögensbegriffs unterschiedlich aus. Eine in die VGR integrierte personelle Vermögensverteilungsrechnung des Statistischen Bundesamtes ist derzeit nicht geplant. Sie könnte in Form von Ergänzungstabellen bestehen und den Vermögensbegriff auf die in Einkommens- und Verbrauchsstichproben eingeschlossenen Vermögensobjekte beschränken. Das für Verteilungsfragen wichtige Versorgungsvermögen (soweit es in den VGR nicht eingeschlossen ist, insbesondere also aus Gesetzlicher Rentenversicherung und Beamtenpensionen) dürfte dann wegen der oben genannten Probleme (weitgehend) unberücksichtigt bleiben. Daten zur personellen Vermögensverteilung jenseits der VGR liefern in Deutschland zum einen die regelmäßigen Einkommens- und Verbrauchsstichproben (EVS). Allerdings werden hier lediglich die Geld- und Immobilienvermögen erhoben. Die genaue Höhe der Vermögensbestände wird nicht erfragt – u.a. wegen zu erwartender psychischer Hemmnisse bei Fragen nach der Höhe des Vermögens und wegen des Bewertungsproblems bei Schätzung des eigenen Vermögens. Einzelne Vermögensformen werden brutto und nicht das gesamte Nettovermögen ermittelt. Ferner fehlen Angaben über die Vermögensbestände von Haushalten mit einem monatlichen Einkommen, das eine bestimmte Grenze überschreitet. Gerade diese Haushalte verfügen aber erfahrungsgemäß über hohe Anteile an einzelnen Vermögensarten (z.B. Wertpapiere). Da die Anzahl dieser Haushalte sehr klein ist, würde ihre Berücksichtigung aber zu besonders hohen Fehlerbereichen führen. Trotz dieser Einschränkungen liefert die EVS für den weitaus größten Teil der Bevölkerung, wenn auch nicht für den weitaus größten Teil jeder Vermögensart, amtliche Informationen über die Vermögensverteilung. Zum anderen gibt es die im Rahmen des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) erhobene Vermögensbilanz. So wurde zum Beispiel im Jahresgutachten des Sachverständigenrats 2009/2010 die Vermögensverteilung in Deutschland mit Daten des SOEP analysiert. Hier wurde die im Rahmen des SOEP durchgeführte Schwerpunktbefragung zur Vermögenssituation aus dem Jahr 2007 herangezogen und mit der Situation im Jahr 2002 verglichen. Beim SOEP werden alle fünf Jahre die Vermögensbestände von jeder Befragungsperson ab einem Alter von 17 Jahren erhoben. Zum Vermögen zählen

170

Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

dabei folgende Komponenten: selbstgenutzter Immobilienbesitz, sonstiger Immobilienbesitz (z.B. unbebaute Grundstücke, Ferienwohnungen), Geldvermögen, Vermögen aus Versicherungen (Lebens- oder private Rentenversicherungen, Bausparverträge), Betriebsvermögen (z.B. Besitz oder Beteiligung an einer Firma), Sachvermögen in Form wertvoller Sammlungen (z.B. Gold, Schmuck, Münzen, Kunstgegenstände), Schulden (Konsumenten- und Hypothekenkredite). Im Gegensatz zur Vermögensrechnung im Rahmen der VGR umfasst das Sachvermögen beim SOEP nicht den Wert des gesamten Hausrats und der Kraftfahrzeuge. Die Ansprüche aus der Gesetzlichen Rentenversicherung oder einer betrieblichen Altersvorsorge sind nicht erfasst. Bei der Mehrzahl der ausgewiesenen Vermögenskomponenten – mit Ausnahme des Geldvermögens und des Sachvermögens – besteht eine hohe Übereinstimmung der VGRDaten und SOEP-Daten. Tab. 7-4 zeigt zunächst die Struktur der individuellen Nettovermögen in den Jahren 2002 und 2007 in West- und Ostdeutschland sowie in Deutschland. Demnach sind die selbstgenutzten Immobilien die wichtigste Vermögenskomponente. Ihr Anteil am Nettogesamtvermögen ist in Ostdeutschland mit fast 74 Prozent deutlich höher als in Westdeutschland mit gut 58 Prozent. Dagegen ist in Westdeutschland der Anteil des sonstigen Immobilienvermögens mehr als doppelt so hoch als in Ostdeutschland. Tab. 7-4 Struktur des individuellen Nettovermögens in Deutschland1

Selbstgenutzter Immobilienbesitz Sonstiger Immobilienbesitz Geldvermögen Vermögen aus Versicherungen Betriebsvermögen Sachvermögen Schulden Selbstgenutzter Immobilienbesitz Sonstiger Immobilienbesitz Geldvermögen Vermögen aus Versicherungen Betriebsvermögen Sachvermögen Schulden Selbstgenutzter Immobilienbesitz Sonstiger Immobilienbesitz Geldvermögen Vermögen aus Versicherungen Betriebsvermögen Sachvermögen Schulden 1

Westdeutschland Ostdeutschland Deutschland 2002 2007 2002 2007 2002 20007 Struktur des Nettovermögens (vH) 62,3 58,3 73,8 73,7 63,2 59,3 23,4 22,9 10,3 9,9 22,4 22,1 11,8 13,8 17,1 20,1 12,3 14,2 10,8 13,0 14,5 18,6 11,1 13,4 9,8 11,1 8,6 7,7 9,7 10,9 1,8 1,3 1,5 0,8 1,8 1,3 -20,0 -20,6 -25,9 -30,8 -20,5 -21,2 Anteil der Bevölkerung mit Vermögensbesitz nach Vermögensarten (vH) 38,1 38,2 28,8 28,1 36,4 36,3 11,1 11,1 6,4 6,9 10,2 10,4 45,8 49,6 44,4 46,0 45,5 48,9 46,6 53,2 49,9 51,3 47,2 52,9 4,4 4,5 3,5 3,7 4,2 4,4 10,8 6,7 4,6 3,5 9,6 6,1 30,5 34,0 25,9 29,4 29,6 33,1 2 Durchschnittlicher Vermögensbesitz nach Vermögensarten (Euro) 148 291 154 468 87 351 80 433 139 220 143 754 191 917 208 127 55 112 44 387 175 798 187 786 23 436 28 254 13 134 13 463 21 546 25 654 21 100 24 804 9 907 10 048 18 874 22 328 203 362 247 191 84 589 65 048 184 959 218 823 14 968 19 789 10 988 6 527 14 612 18 356 -59 507 -61 222 -34 068 -32 235 -55 326 -56 415

Daten auf Basis des SOEP. 2 Berücksichtigt werden nur die Eigentümer der jeweiligen Vermögensart.

Quelle: SVR (2009), S. 326.

7. Kapitel: Die Vermögensrechnung

171

Tabelle 7-5 zeigt auf Basis der gleichen SOEP-Befragung die Verteilung der individuellen Nettovermögen in Westdeutschland, Ostdeutschland und Deutschland insgesamt für die Jahre 2002 und 2007. Demnach verfügten im Jahr 2007 die Personen im Alter ab 17 Jahren in Deutschland über ein durchschnittliches Nettovermögen in Höhe von 88 034 Euro. Das Medianeinkommen1 belief sich dagegen nur auf 15 288 Euro. Bezogen auf Deutschland hatten 27 Prozent kein oder sogar ein negatives Vermögen. Nimmt man das reichste Zehntel der Bevölkerung in den Blick, dann belief sich deren Nettovermögen auf 222 295 Euro. Die Daten zeigen auch die Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschland. Einem Mittelwert (Median) von 101 208 Euro (20 110 Euro) im Westen stehen entsprechende Werte in Höhe von 30 723 Euro (6 909 Euro) im Osten gegenüber. Während in Westdeutschland der Mittelwert und der Median im Zeitraum 2002 bis 2007 zulegen konnten, war der Median im Osten sogar rückläufig. Der Sachverständigenrat führt dazu an, dass der Marktwert selbstgenutzter Immobilien in Ostdeutschland in dieser Zeit rückläufig war. Tab. 7-5 Verteilung der individuellen Nettovermögen in Deutschland1, in Euro

Mittelwert Median 90. Perzentil Negatives oder kein Vermögen 2 Gini-Koeffizient 1

Westdeutschland 2002 2007 90 724 101 208 18 128 20 110 235 620 250 714 27,7 0,765

26,4 0,785

Ostdeutschland 2002 2007 34 029 30 723 7 570 6 909 102 475 90 505 29,1 0,792

29,7 0,813

Deutschland 2002 2007 80 055 88 034 15 000 15 288 208 483 222 295 27,9 0,777

27,0 0,799

Daten auf Basis des SOEP. 2 Bevölkerungsanteil mit negativem oder keinem Vermögen in Prozent.

Quelle: Sachverständigenrat (2009), S. 324.

Wie bei der Bewertung der Einkommensverteilung (siehe Kapitel 12) kann zur Messung der Vermögensverteilung auch der sog. Gini-Koeffizient herangezogen werden. Dieses Verteilungsmaß basiert auf dem Konzept der Lorenzkurve. Diese ordnet jedem Anteil von Einkommensbeziehern (oder Vermögenden), angefangen mit dem niedrigsten Einkommen (oder Vermögen), den entsprechenden Anteil am Gesamteinkommen (oder Vermögen) zu. Als Referenzgröße dient die Linie der völligen Gleichverteilung – in Abb. 7-4 ist dies die Diagonale. Hier haben 10 (50 oder 90) Prozent der Personen 10 (50 oder 90) Prozent der Einkommen (oder Vermögen). Je größer der Abstand zwischen der Lorenzkurve und der Linie der völligen Gleichverteilung ist, umso größer ist die Ungleichverteilung der Einkommen (oder Vermögen). Der Gini-Koeffizient misst das Verhältnis zwischen der sog. Konzentrationsfläche (Fläche zwischen der Lorenzkurve und der Diagonalen) und der Gesamtfläche unterhalb der Diagonalen. Bei totaler Gleichheit ist die Konzentrationsfläche und der Gini-Koeffizient gleich null. Je kleiner 1

Die Vermögensverteilung hat (wie die Einkommensverteilung) typischerweise die charakteristische Reihenfolge der Merkmale häufigster Wert < Median < arithmetisches Mittel. Der Durchschnitt (arithmetisches Mittel) zeigt das Nettogesamtvermögen/Anzahl der Haushalte; der häufigste Wert (Modalwert) ist am „dichtesten“ mit Haushalten besetzt; der Median gibt diejenige Vermögensgrenze an, die von der Hälfte aller Haushalte nicht überschritten wird.

Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

172

der Gini-Koeffizient, der Werte zwischen null und eins annehmen kann, ist, umso gleichmäßiger erscheint die Vermögensverteilung. Tab. 7-5 weist auch die GiniKoeffizienten für die Verteilung der individuellen Nettovermögen in Deutschland aus. Die Werte für das Jahr 2007 für Westdeutschland (0,785) und Ostdeutschland (0,813) unterscheiden sich nicht sehr. Im Zeitraum 2002 bis 2007 war in beiden Regionen eine leichte Zunahme der Ungleichheit in der Vermögensverteilung zu beobachten. In diesem Kontext sei auch auf die Untersuchung von Hober (1981) verwiesen. Demnach führt eine Erweiterung des Vermögensbegriffs zum Ausweis einer gleichmäßigeren Vermögensverteilung. Bei der Auswertung von Vermögensstatistiken darf daher die Problematik nicht übersehen werden, die in der Nichtberücksichtigung von Renten- und Pensionsanwartschaften und -ansprüchen liegt. Abb. 7-4 zeigt abschließend die Ergebnisse dieser Modellrechnung auf Basis der EVS 1973. Diesen Befund bestätigen auch Ammermüller/Weber/Westerheide (2005, Teil 3) bei Einbeziehung jüngerer EVS-Ergebnisse.

Die Anteile am privaten Nettovermögen (mit bzw. ohne Versorgungsvermögen)

Abb. 7-4 Die Konzentration des privaten Nettovermögens mit bzw. ohne Berücksichtigung des Versorgungsvermögens Nettovermögen ohne Versorgungsvermögen

80 60 40

Nettovermögen mit Versorgungsvermögen

20 0 0

20

40

60

80

100

Die Anteile der Haushalte an ihrer Gesamtzahl in %

Quelle: Hober (1981), S. 141.

Literatur zum 7. Kapitel Gesamtwirtschaftliche und sektorale nichtfinanzielle Vermögensbilanzen stellen Schmalwasser/Müller (2009) dar. Eine Beschreibung der integrierten sektoralen und gesamtwirtschaftlichen Vermögensbilanzen für Deutschland liefert der Monatsbericht der Deutschen Bundesbank (Januar 2008). Sektorale und gesamtwirtschaftliche Vermögensbilanzen für den Zeitraum 1992 bis 2010 finden sich in einer Sonderveröffentlichung der Deutschen Bundesbank und des Statistischen Bundesamtes vom Oktober 2010. Verschiedene Vermögensabgrenzungen und ihre Realisierung im Rahmen der früheren VGR behandelt Schmidt (1986), die Berechnung des Anlagevermögens und

7. Kapitel: Die Vermögensrechnung

173

der Abschreibungen (Kapitalstockrechnung) Schmalwasser/Schidlowski (2006), Probleme ihrer Messung Richter (2002a, S. 127-148). Die OECD (2009b) hat ein umfangreiches Handbuch zur Messung des Kapitals vorgelegt. Die Geschichte der Berechnung des Sachvermögens in Deutschland stellt Görzig (2009) dar. Zur Entwicklung von Investitionen und Kapitalstock in Deutschland siehe den Monatsbericht des BMF (2002). Für das Gebrauchsvermögen der privaten Haushalte stellen Schäfer/Bolleyer (1993) die früheren Berechnungsgrundlagen und -ergebnisse des Statistischen Bundesamtes dar. Zu Möglichkeiten und Grenzen der Bewertung des Waldes im Rahmen der VGR siehe Köhler (1994). Konzept und Inhalt des Auslandsvermögensstatus untersucht Steger (2002a); Angaben hierüber sind im Statistischen Beiheft zum Monatsbericht der Deutschen Bundesbank, Zahlungsbilanzstatistik, enthalten. Zur Geldvermögensrechnung siehe Heinelt (2002), Deutsche Bundesbank (2010c) und Stöß (2009). Das Versorgungsvermögen untersuchen Härtel (2002) und Hober (1981), der auch Schätzungen der Verteilung des Sozialvermögens auf der Grundlage der EVS und des Rechtsstandes von 1973 vorlegt, und jüngst Ammermüller/Weber/Westerheide (2005). Die Behandlung des Renten- und Pensionsvermögens nach der Revision 2014 stellen Braakmann/Grütz/Haug (2007) dar, von FuE Oltmanns/Bolleyer/Schulz (2009). Zum Humanvermögen siehe Brümmerhoff (2002), frühere Schätzungen siehe Engels et al. (1974). Neuere Berechnungen legen Ewerhardt (2002) und Ammermüller/Weber/ Westerheide (2005) vor. Zur Einbeziehung des Humankapitals in einen erweiterten Vermögensbegriff siehe auch Aulin-Ahmavaara (2004) und zur Schätzung des Humankapitals Werding et al. (2009) . Die Vermögensverteilung in Deutschland analysieren Hauser/Stein (2001), Ammermüller/Weber/Westerheide (2005) und eine Studie von DIW, ZEW und Hauser/Becker (2007) im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Außerdem legte der Sachverständigenrat in seinem Gutachten 2009/2010 eine Analyse der Einkommens- und Vermögensteilung auf Basis des SOEP vor. Die Ergebnisse der früheren Vermögensteuerstatistik sind in Statistisches Bundesamt, Fachserie 14, Reihe 7.4, Vermögensteuern, zu finden. Die Ergebnisse der EVS werden in Statistisches Bundesamt, Fachserie 15, Einkommens- und Verbrauchsstichprobe, Heft 2: Geld- und Immobilienvermögen und Schulden privater Haushalte, veröffentlicht.

Aufgaben zum 7. Kapitel 1. Was versteht man unter einer Vermögensrechnung? 2. Wie sieht die Grundgleichung einer Vermögensrechnung aus (2. Kapitel)? 3. Halten Sie die im 2. Kapitel dargestellte Grundgleichung der Vermögensrechnung für ausreichend? 4. Wie wird das Reinvermögen ermittelt? 5. Geben Sie jeweils drei Beispiele für Forderungen und Sachvermögen. 6. Worin besteht das Sachvermögen der privaten Haushalte? Wird es in der Strom- oder Bestandsrechnung der VGR erfasst?

174

Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

7. Kann aus der Vermögensbildung der Vergangenheit auf den Vermögensbestand in einem Zeitpunkt geschlossen werden? 8. Spielen Forderungen und Verbindlichkeiten bei der Ermittlung des Volksvermögens eine Rolle? 9. Was versteht man unter Versorgungsvermögen? Wird es in den VGR nachgewiesen? 10. Trifft es zu, dass der Begriff „Anlagegüter“ mit Sachvermögen gleichzusetzen ist? 11. Welche Gründe sprechen für oder gegen die Berücksichtigung des Versorgungsvermögens in einer Vermögensrechnung? 12. Was kennzeichnet das Gebrauchsvermögen der privaten Haushalte? Wird es regelmäßig als Bestandteil einer Vermögensrechnung nachgewiesen? 13. Worin liegen die Unterschiede einer Bewertung von Vermögensgegenständen zu Anschaffungs- und zu Wiederbeschaffungspreisen? 14. Was versteht man unter einer Vermögensrechnung zu konstanten Preisen? Wofür ist sie zweckmäßig? 15. Sinkt die technische Leistungsfähigkeit von Anlagen in Höhe der berechneten Abschreibungen? 16. Was unterscheidet das Brutto- und Nettokonzept der Berechnung von Anlagen? 17. Was versteht man unter der personellen Verteilung des Vermögens? 18. Welche Quellen zur Messung der personellen Vermögensverteilung gibt es? 19. Welche Messgrößen gibt es für die Vermögensverteilung?

8. Kapitel Die Input-Output-Rechnung 1. Begriff und Aufbau Die Input-Output-Rechnung (IOR) umfasst die Aufstellung und die Auswertung von Input-Output-Tabellen sowie von Aufkommens- und Verwendungstabellen. Die Rechnung knüpft an der mannigfachen Verflechtung der Güterströme an, die zwischen den Bereichen eines Wirtschaftsraums fließen. Sie ist im Rahmen des Kontensystems und der Standardtabellen nur begrenzt sichtbar zu machen. Gezeigt wird dort in der Regel nur, wie viel gekauft oder verkauft wurde, nicht jedoch oder nur grob, von wem an wen. Das gilt selbst für die Darstellung der Produktionswerte, Vorleistungen und Wertschöpfung in tiefer sachlicher Gliederung. Hier setzen die Input-Output-Tabellen (IOT) an. Sie zeigen für eine bestimmte Periode systematisch in Tabellenform die güter- und produktionsmäßigen Verflechtungen zwischen den Bereichen einer Volkswirtschaft einschließlich der Ströme mit der übrigen Welt. Dabei geht es um die Produktion von Gütern (Waren und Dienstleistungen) – die als ein Prozess verstanden wird, in dem verschiedene Inputs (Güter und Leistungen der Produktionsfaktoren) kombiniert werden, um andere Outputs (Güter) zu erzeugen. Die Input-Output-Tabellen beruhen – wie auch die Finanzierungsrechnung und die Zahlungsbilanz – auf einem Kontensystem, das aus einem wirtschaftlichen Kreislaufmodell abgeleitet ist1. Die Konten treten allerdings meist nicht explizit in Erscheinung. Statt in Kontenform werden die Ergebnisse der besseren Übersicht halber in Form von Tabellen dargestellt. Als Ausgangspunkt soll auf das Güterkonto für die gesamte Volkswirtschaft aus dem Kontensystem der VGR zurückgegriffen werden. Es enthält auf der Aufkommensseite die in einer Periode im Inland produzierten Güter (Produktionswert) ergänzt um die Nettogütersteuern und die eingeführten Güter. Auf der Verwendungsseite erscheinen die Vorleistungen explizit und die letzte Verwendung von Gütern. Die Vorleistungen weisen die gleichen Beträge auf wie die im Produktionswert enthaltenen Vorleistungen, da innerhalb einer Volkswirtschaft das gesamte Aufkommen und die gesamte Verwendung von Vorleistungen übereinstimmen. Güterkonto Aufkommen Produktionswert Gütersteuern - Gütersubventionen Importe

1

Siehe hierzu Holub/Schnabl (1994b), Kapitel 2.

Verwendung Vorleistungen Konsumausgaben Bruttoinvestitionen Exporte

176

Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

Disaggregiert man das Güterkonto für die gesamte Volkswirtschaft nach einzelnen homogenen Produktionsbereichen (Gütergruppen), erhält man für jeden Produktionsbereich ein besonderes Güterkonto. In den IOT des Statistischen Bundesamtes werden 71 liefernde und 71 empfangene Bereiche dargestellt1. Vereinfachend werden hier nur drei unterschieden, ein Primärer Bereich P (Land- und Forstwirtschaft, Fischerei), ein Sekundärer Bereich S (produzierendes Gewerbe) und ein Tertiärer Bereich T (alle Dienstleistungen). So zeigt das Güterkonto für den Primären Produktionsbereich in Übersicht 8-1 auf der linken Seite das Aufkommen von landwirtschaftlichen Erzeugnissen aus der inländischen Produktion und aus Importen. Auf der rechten Seite erscheinen die intermediäre Verwendung und die Endverwendung von Erzeugnissen des Primären Bereichs. Auf dieser Ebene entfallen die Nettogütersteuern auf der linken Seite und die Positionen auf der rechten Seite sind zu Herstellungspreisen bewertet. Übersicht 8-1 Inputstruktur und Verwendung von Gütern des Produktionsbereichs P Intermediäre Inputs Verbrauch von Vorleistungen aus dem Output des Produktionsbereichs ... P S T Primärinput Abschreibungen Arbeitnehmerentgelt Nettobetriebsüberschuss Importe Gesamtes Aufkommen an Gütern des Produktionsbereichs P

DP LP GP MP

Intermediäre Verwendung Verwendung als Vorleistungen (intermediärer Input) im Produktionsbereich ... P S T Letzte Verwendung Konsumausgaben Investitionen Exporte

CP I bP XP

Gesamte Verwendung von Gütern des Produktionsbereichs P

Der Übergang zur IOT erfolgt, indem auf der linken Kontoseite die Vorleistungen für die Herstellung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen nach Herkunfts-Produktionsbereichen und auf der rechten Seite die intermediäre Verwendung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen nach Verwendungs-Produktionsbereichen disaggregiert werden. Das Güterkonto zeigt in allgemeiner Form die Produktionsinputs und die Verwendung von Gütern eines beliebigen Produktionsbereichs (beispielsweise P). Die Güter auf der linken Seite des Kontos tragen zur Entstehung der Güter P bei. Es handelt sich hier um: • Intermediäre Inputs (Vorleistungen), d.h. Inputs aus dem Verbrauch von produzierten Gütern. • Primärinputs; sie unterlagen in der Periode noch keinem Verarbeitungsgang im Inland. Primärinputs umfassen die Bestandteile der Bruttowertschöpfung des Produktionsbereichs P (DP + LP + GP) und die Importe (MP).

1

Für spezielle Auswertungen liegen Input-Output-Tabellen mit mehr Produktionsbereichen vor.

8. Kapitel: Die Input-Output-Rechnung

177

Der intermediäre Input und die Bruttowertschöpfung ergeben rechnerisch zusammen den Produktionswert des Produktionsbereichs P. Addiert man die Importe hinzu, ergibt sich als Summe das gesamte Aufkommen an Gütern des Produktionsbereichs, da der Betriebsüberschuss als Saldo aus dem Produktionswert berechnet wird. Entsprechend wird der Output (= gesamte Verwendung von Gütern eines Produktionsbereichs) aus den für die Weiterverarbeitung bestimmten Vorleistungsgütern (intermediäre Verwendung) und den für die letzte Verwendung gelieferten Gütern bestimmt. Weitere Basistabellen, die für die Erstellung der in Tab. 8-1 verwendeten symmetrischen Tabelle herangezogen werden, sind die Aufkommenstabelle (Übersicht 8-2) und die Verwendungstabelle (Übersicht 8-3), die später beschrieben werden. Für die Darstellung der Güterverflechtung aller Produktionsbereiche ist die Matrixform praktischer als die Kontendarstellung. Daher werden die in der Übersicht 8-1 in jedem Produktionsbereichskonto auf der rechten und auf der linken Seite enthaltenen Positionen in eine Input-Output-Tabelle gemäß Tab. 8-1 umgesetzt. Dies geschieht formal durch eine 90°-Drehung der rechten Kontenseite eines jeden Güterkontos entgegen dem Uhrzeigersinn. Drehpunkt ist dabei der interne Vorleistungsstrom des Sektors P. Die rechte Kontenseite liegt dann quer über der linken, so dass sich die beiderseitigen identischen Werte, d.h. die In-sich-Ströme, auf der Hauptdiagonale in der Reihenfolge für die Produktionsbereiche P, S und T überlagern. Die Darstellung in Tab. 8-1 gilt jetzt nicht nur für einen, sondern für alle (drei) verschiedenen Produktionsbereiche. Die Input-Output-Tabelle besteht aus vier Quadranten mit jeweils einer Matrix. Im Vordergrund der Tabelle steht der I. Quadrant, auch Zentral- (oder Vorleistungs-) Matrix genannt. Die quadratisch (3x3) angeordnete Tabelle beschreibt die Vorleistungsverflechtung der Volkswirtschaft. Zeilenweise wird für den jeweiligen Produktionsbereich (P, S, T) die Verteilung der Vorleistungen an die Bereiche des intermediären Verbrauchs beschrieben. So besagt beispielsweise das zweite Feld (Betrag 36,3 Mrd Euro), in welcher Höhe der Primäre Bereich an den Sekundären Bereich Zwischenprodukte geliefert hat. Die Tabellenspalten enthalten die Zusammensetzung der Vorleistungen eines Produktionsbereichs nach seiner bereichsmäßigen Herkunft. So zeigt das zweite Feld (Betrag 36,3 Mrd Euro) auch an, welchen intermediären Input der Sekundäre Bereich vom Primären Bereich bezogen hat. Wichtigste Inputs bei der Erzeugung des Sekundären Bereichs waren Vorprodukte (Vorleistungen) desselben Bereichs in Höhe von 1056,9 Mrd Euro. Die Summe der Vorleistungen und die der intermediären Verwendung in der Volkswirtschaft sind gleich, da jeder Lieferung ein Empfang gegenübersteht. Allerdings sind die in der Zentralmatrix ausgewiesenen Vorleistungsbezüge und Vorleistungslieferungen nicht für jeden einzelnen Produktionsbereich gleich groß.

178

Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

Tab. 8-1 Input-Output-Tabelle 2007 zu Herstellungspreisen – Inländische Produktion und Importe, Mrd Euro Input der Produktionsbereiche1

Empfangender Bereich (Verwendung) Primärer Bereich

Liefernder Bereich (Aufkommen)

Sekundärer Bereich

Tertiärer Bereich

Letzte Verwendung von Gütern

zusammen

Konsumausgaben privater Haush. im Inl.4

I. Quadrant (Vorleistungsverbrauch)

Konsumausgaben des Staates

Bruttoinvestitionen

Exporte

zusammen

Gesamte Verwendung von Gütern

II. Quadrant (Letzte Verwendung)

Erzeugnisse des

6,6

7,5

30,6

79,4

15,2

341,4

935,2

1632,6

2866,1

841,0

414,7

61,6

173,6

1490,9

2617,2

2408,6

1198,2

429,9

409,6

1116,3

3154,1

5562,7

50,1

65,5

144,8

5,7

35,9

-0,2

186,2

251,6

959,8

2474,0

1343,0

435,6

445,5

1116,2

3340,3

5814,3

793,2

1180,4

8,8

36,3

3,6

48,8

16,5

Sekundären Bereichs

13,6

1056,9

162,9

1233,5

340,8

Tertiären Bereichs

12,7

370,4

743,3

1126,4

35,2

1463,6

909,8

1,2

14,2

36,4

1477,8

Primären Bereichs

Vorleistungen der PB bzw. LV2 Gütersteuern abzüglich Gütersubvent. Vorleistungen der PB bzw. LV2 zu AP3

-

III. Quadrant (Primärinputs) Arbeitnehmerentgelt im Inland Sonstige Produkt.abg. abzügl. sonst. Subv. Abschreibungen Nettobetriebsübersch. Bruttowertschöpfung Produktionswert dar.: firmenint. Lieferungen u. Leistungen Importe gleichart. Güter4 zu cif-Preisen Gesamtes Aufkommen

8,2

379,0

-6,2

10,4

24,1

28,3

7,4 10,6 20,0 56,4

76,0 142,1 607,6 2085,4

276,2 455,5 1549,0 2508,9

359,6 608,3 2176,6 4650,6

6,5

149,3

-

155,8

23,0

780,7

108,4

912,1

79,4

2866,1

2617,2

5562,7

1

Einschl. firmeninterner Lieferungen und Leistungen. 2 Vorleistungen der Produktionsbereiche bzw. letzte Verwendung von Gütern. 3 AP = Anschaffungspreise. 4 Einschl. Konsumausgaben privater Organisationen oE.

Quelle: Berechnungen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes, Stand August 2010.

Rechts von der Zentralmatrix, im II. Quadranten, weist die Tabelle die Letzte Verwendung (bzw. die Endnachfragebereiche) nach. Hier werden die in der Volkswirtschaft nicht zirkulierenden Güter nachgewiesen. Zeilenweise kann man für jeden Produktionsbereich ablesen, wie sich seine Lieferungen auf die Endverwendungsbereiche verteilen. So gingen beispielsweise Erzeugnisse in Höhe von 16,5 Mrd Euro vom Primären Bereich direkt in die Konsumausgaben der privaten Haushalte im Inland. Die Summe aus intermediärer Verwendung (48,8 Mrd Euro) und letzter Verwendung (30,6 Mrd Euro) ergibt die gesamte Verwendung von Gütern (79,4 Mrd Euro), hier des Primären Bereichs. Spaltenweise ist die inländische Güterart der von jedem Verwendungsbereich bezogenen Outputs angegeben. So gehen in die Konsumausgaben des Staates fast ausschließlich Leistungen des Tertiären Bereichs ein (414,7 Mrd Euro).

8. Kapitel: Die Input-Output-Rechnung

179

Unterhalb der Zentralmatrix, im III. Quadranten, liegt die Matrix der Primärinputs. Sie zeigt die Verwendung der primären Inputs in einzelnen Produktionsbereichen. Auch die Einfuhr von Vorleistungsgütern kann im III. Quadranten ausgewiesen werden; sie ist in dieser Darstellung dann als primäre Produktionsfaktoren zu interpretieren. Die letzte Zeile enthält den Wert des gesamten Aufkommens von Gütern in den einzelnen Produktionsbereichen. Es umfasst das Güteraufkommen aus inländischer Produktion (= Produktionswert des Produktionsbereichs) und aus eingeführten Gütern, die zu der Gütergruppe des entsprechenden Produktionsbereichs zählen. Da in jedem Produktionsbereich das gesamte Aufkommen gleich der gesamten Verwendung von Gütern ist, müssen die Summenzeile und die Spaltensumme die gleichen Werte enthalten (Kreislaufaxiom). Es gilt gesamtes Aufkommen = gesamte Verwendung. Ein Blick auf die Tab. 8-1 zeigt, dass im Sekundären Bereich wichtigster Primärinput das Arbeitnehmerentgelt in Höhe von 379,0 Mrd Euro war; für den Tertiären Bereich war es mit 793,2 Mrd Euro noch bedeutsamer. Üblicherweise werden in den Input-Output-Tabellen noch Zeilen und Spalten für bestimmte Zwischensummen eingefügt. Wenn zwischen primären Inputs und letzter Verwendung keine unmittelbaren Zusammenhänge unterstellt werden1, die im II. und III. Quadranten nachgewiesen Positionen also aus der in der Zentralmatrix angenommenen Produktionsverflechtung herausgenommen sind, können die gegebenen Größen als autonome oder exogene Sektoren behandelt werden. In einem solchen offenen System ist der IV. Quadrant eine Null-Matrix. „Offen“ heißt, dass nicht alle Transaktionen interdependent sind. Im Gegensatz hierzu werden in einem geschlossenen System primäre Inputs und letzte Verwendung als Teil der Produktionsverflechtung dargestellt. In dieser vollständigen Tabelle wird zeilenweise die Verteilung der primären Inputs auf die Endnachfragebereiche dargestellt. Hier können z.B. bei Verbuchung der Importe als Zeile Größen auftreten, wie etwa direkte Importe des privaten Verbrauchs, von Anlageinvestitionen usw. Spaltenweise wird die Art der von jedem Endnachfragebereich eingesetzten primären Inputs gezeigt.

2. Die Abgrenzung der Bereiche Die Abgrenzung der Bereiche beruht auf Konventionen und Definitionen, die je nach Fragestellung verschieden ausfallen können. In der Praxis haben sich zwei voneinander unterscheidbare Formen der Bereichsbildung herausgebildet: Wirtschafts- und Produktionsbereiche. Relevant ist hier, was das ESVG-Lieferprogramm vorschreibt. Und das sieht (wie auch das SNA) die Abgrenzung nach Produktionsbereichen vor. Bei Darstellung der Verflechtung nach Wirtschaftsbereichen fasst man institutionelle bzw. organisatorische Produktionseinheiten zusammen, die auf der Input- oder der Output-Seite oder auf beiden genügend gemeinsame Merkmale aufweisen. Für die Zuordnung der statistischen Einheiten ist hier der Schwerpunkt ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit (Kriterien: Umsätze oder Beschäftigtenzahlen) entscheidend. Daher 1

Es geht hier um den Zusammenhang zwischen Einkommen und Nachfrage bzw. zwischen Produktion und Investitionen u.a.

180

Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

können die institutionellen Einheiten (z.B. Unternehmen, Betriebe) an der Erzeugung mehrerer Produktgruppen beteiligt sein, also durchaus heterogene Outputs aufweisen. Eine andere Abgrenzung wäre nicht erforderlich, wenn alle Unternehmen nur EinProdukt-Unternehmen wären. Das Statistische Bundesamt grenzt in den Standardtabellen der Entstehungsrechnung nach diesem Prinzip ab und bildet Wirtschaftsbereiche1. Der zweite Typ von Input-Output-Tabellen zielt dagegen auf einen detaillierten Nachweis der güter- und produktionsmäßigen Verflechtung zwischen den Bereichen der Volkswirtschaft und mit der übrigen Welt ab2. Diese funktionelle Abgrenzung orientiert sich an den Produkteigenschaften und versucht, möglichst homogene Güter zugrunde zu legen: „Die Darstellungseinheit in den Input-Output-Tabellen ist die im Hinblick auf die Produktionstechnik und Inputstruktur möglichst homogene Produktionseinheit. Sie ist unter streng fachlichen Gesichtspunkten abgegrenzt: Sie erzeugt jeweils nur Güter einer bestimmten Gütergruppe. Die Produktionstätigkeit der homogenen Produktionseinheit umfasst – anders als die von örtlichen fachlichen Einheiten – keine Nebentätigkeiten, wie beispielsweise die Erzeugung von Strom oder die Errichtung von Bauten durch ein Unternehmen mit anderer Haupttätigkeit. Für diese Nebentätigkeiten werden eigene Einheiten gebildet, so dass ein Unternehmen mit Nebentätigkeiten in mehrere homogene Produktionseinheiten aufgeteilt wird“. Hilfstätigkeiten (beispielsweise Leistungen in der Verwaltung, des Werkverkehrs oder Reparaturleistungen) werden dagegen nicht von der Haupt- oder Nebentätigkeit, zu der sie gehören, getrennt (Statistisches Bundesamt 2010g). Auf homogene Produktionseinheiten wird abgestellt, um hinter dem Kreislauf der Transaktionen den Kreislauf der Güter sichtbar werden zu lassen. Diese Produktionseinheiten sind nur gedacht und werden nicht dargestellt. Die Gesamtheit aller homogenen Produktionseinheiten, die die Güter einer Gütergruppe – und nur dieser – erzeugen, wird als Produktionsbereich bezeichnet. In dieser technologisch orientierten Produktionsverflechtungstabelle werden nicht Markttransaktionen, sondern Lieferund auch firmeninterne Produktionsströme zwischen verschiedenen Produktionsbereichen verbucht, auch solche, die nicht den Markt berühren. Die Produktionsbereiche sind direkt aus den aggregierten Wirtschaftsbereichen abgeleitet, indem diese rechnerisch um Nebenprodukte bereinigt werden. Produktionsbereiche und Gütergruppen sind inhaltlich identisch. In dem einen Fall wird die Produktionstätigkeit, im anderen Fall das produzierte Gut bezeichnet. In den disaggregierten Tabellen des Statistischen Bundesamtes werden wie bereits erwähnt 71 Produktionsbereiche unterschieden, so dass allein die Zentralmatrix (ohne Summenzeile und -spalte) aus über 4 900 Elementen besteht. 1

2

Marktverflechtungen sind mit Produktionsverflechtungen unter Rückgriff auf die den beiden Tabellenarten zugrunde liegenden Daten der Aufkommens- und Verwendungstabellen verknüpfbar. Für die Beschreibung der Wirtschaftsbereiche ist die Klassifikation der Wirtschaftszweige – Ausgabe 2003 (WZ 2003) – maßgeblich, für die Gliederung der Produktionsbereiche die Systematik der Produktionsbereiche in Input-Output-Rechnungen (SIO), Ausgabe 1995. Die SIO 1995 ist von der WZ 93 abgeleitet, sie weist auf jeder Aggregationsebene die charakteristischen Erzeugnisse der entsprechenden Wirtschaftsbereiche nach der WZ 2003 aus.

8. Kapitel: Die Input-Output-Rechnung

181

Der Informationswert einer Input-Output-Tabelle hängt vor allem von der Anzahl der nachgewiesenen Produktionsbereiche ab. Daher ist eine Disaggregierung in möglichst viele Produktionsbereiche wünschenswert, die entsprechend homogen ausfallen können. Allerdings setzt das statistische Basismaterial Grenzen für sehr fein gegliederte Verflechtungstabellen. Neben der Lieferung von Produktionsverflechtungstabellen, in denen die wirtschaftliche Verflechtung mit Hilfe rein gütermäßig abgegrenzter Ströme dargestellt wird, schreibt das Lieferprogramm der EU auch Aufkommens- und Verwendungstabellen – sog. Basistabellen – in kombinierter Gliederung nach institutionell abgegrenzten Wirtschaftsbereichen und nach Gütergruppen vor. Die Aufkommenstabelle (Übersicht 8-2) zeigt den Wert der im Inland produzierten Güter, gegliedert nach Gütergruppen und Wirtschaftsbereichen, ergänzt um die Importe nach Gütergruppen. Die vereinfachte Aufkommenstabelle für drei Wirtschaftsbereiche sieht folgendermaßen aus: Übersicht 8-2 Vereinfachte Aufkommenstabelle Aufkommen

Wirtschaftsbereiche P S T

Übrige Welt

Gütergruppen

Produktionswerte nach Gütergruppen und Wirtschaftsbereichen

Importe nach Gütergruppen

Insgesamt

Produktionswerte nach Wirtschaftsbereichen

Importe insgesamt

Insgesamt Gesamtaufkommen nach Gütergruppen

Gesamtaufkommen

Quelle: Statistisches Bundesamt (2010g), S. 24.

Die inländische Produktion ist zu Herstellungspreisen bewertet1. Bei einer cifBewertung der Importe ergibt sich entsprechend das Aufkommen zu Herstellungspreisen. Der Übergang zur Aufkommenstabelle zu Anschaffungspreisen geschieht folgendermaßen: In einer weiteren Spalte werden die Handelsspannen2 auf die Waren ergänzt, die gehandelt werden. Ferner werden Gütersteuern abzüglich Gütersubventionen addiert. Die Verwendungstabelle (Übersicht 8-3)zeigt die Verwendung der Güter in kombinierter Gliederung nach Gütergruppen und Wirtschaftsbereichen (Vorleistung) bzw. Kategorien der letzten Verwendung (Konsumausgaben, Bruttoinvestitionen, Exporte) ergänzt um die im Produktionsprozess entstandene Wertschöpfung (mit ihren Komponenten) nach Wirtschaftsbereichen.

1 2

Zur Bewertung siehe Punkt 3 unten. Hierzu müssen die Handelsspannen aus den Zeilen der Handelsdienstleistungen auf die entsprechenden Warengruppen umgebucht werden (vgl. Tab. 8-3 zu Aufgabe 11).

182

Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

Übersicht 8-3 Vereinfachte Verwendungstabelle

Verwendung

Wirtschaftsbereiche P

Gütergruppen Komponenten der Wertschöpfung Insgesamt

S

T

Vorleistungen nach Gütergruppen und Wirtschaftsbereichen

Letzte Verwendung von Gütern Gesamte Letzte inländische Übrige Verwendung von Verwendung Welt Gütern Kons. ausg. nach Güt.gr.

Bruttoinvest. nach Güt.gr.

Exporte nach Gütergruppen

Gesamtverw. nach Güt.gr.

Bruttowertschöpfung Produktionswerte nach Wirtschaftsbereichen

Quelle: Statistisches Bundesamt (2000b), S. 10.

Die Verwendungstabelle zeigt spaltenweise insbesondere, welche Inputs in welcher Höhe eingesetzt wurden, um die Produktionswerte zu ermöglichen. Zeilenweise wird die Verwendung von Gütern in der Volkswirtschaft dargestellt. Die Verwendung von Gütern wird zu Anschaffungspreisen (Exporte entsprechend fob) bewertet, die Produktionswerte zu Herstellungspreisen. Die Input-Output-Tabelle für inländische Produktion und Importe1 entspricht vom schematischen Aufbau her der Verwendungstabelle. Während die Verwendungstabelle jedoch kombiniert nach Gütergruppen und Wirtschaftsbereichen gegliedert ist, ist die Input-Output-Tabelle in Zeilen und Spalten einheitlich nach Gütergruppen (Produktionsbereichen) aufgeteilt. Die einheitliche Wahl von Darstellungseinheiten in Zeilen und Spalten wird im ESVG 1995 auch als symmetrisch bezeichnet (Statistisches Bundesamt 2000b, S. 11)2.

3. Die Bewertung Die in den Tabellen nachgewiesenen Güterströme können unterschiedlich bewertet werden. Im Marktgeschehen kann ein Gut – je nachdem, ob es vom Produzenten, Großhändler oder Einzelhändler verkauft wird, ob die Umsatzsteuer eingerechnet wird oder nicht – zu unterschiedlichen Preisen abgesetzt werden. Daher können bei der Aufstellung von Input-Output-Tabellen grundsätzlich verschiedene Preiskonzepte, d.h. Regeln der Bewertung ökonomischer Tatbestände, verwendet werden.

1 2

Sie wurde in Tab. 8-1 vereinfachend dargestellt. Die Tabellen werden auch Produktionsverflechtungstabellen oder Güter x Güter-Tabellen genannt.

8. Kapitel: Die Input-Output-Rechnung

183

Die Produktionswerte für die inländische Produktion werden in der Aufkommenstabelle zu Herstellungspreisen bewertet. Sie schließen nicht die Gütersteuern, wohl aber die Gütersubventionen ein. Für importierte Güter entspricht dem Herstellungspreiskonzept der cif-Preis. Der cif-Preis ist der Wert einer an die Grenze des Einfuhrlandes gelieferten Ware oder der Wert einer/einem Gebietsansässigen erbrachten Dienstleistung vor der Zahlung eventueller Importabgaben. Etwaige im Ausland erbrachte Transport- oder Versicherungsleistungen sind im cif-Preis der importierten Waren enthalten. In der Verwendungstabelle werden die Käufe von Waren und Dienstleistungen zu Anschaffungspreisen bewertet. Der Anschaffungspreis ist der Preis, den der Käufer tatsächlich für die Güter zum Zeitpunkt des Kaufes bezahlt. Er umschließt sämtliche Gütersteuern (jedoch ohne die abziehbare Umsatzsteuer) abzüglich Gütersubventionen. „Der Anschaffungspreis gilt als Preis ‚frei Haus’, d.h. die grundsätzlich im Preis enthaltenen Handels- und Verkehrsleistungen sind stets eingerechnet. Bezieht z.B. ein Käufer eine Ware ab Fabrik und beauftragt ein anderes Unternehmen mit dem Transport, so wird bei der Ermittlung des Anschaffungspreises der Wert der Transportleistungen dem Preis ab Fabrik zugeschlagen. Damit soll erreicht werden, dass in den Tabellen gleiche Güter stets mit dem gleichen Wertansatz nachgewiesen werden. Im Wert importierter Güter sind beim Anschaffungspreiskonzept auch die im Inland erbrachten Handels- und Transportleistungen enthalten. Dagegen entspricht der Anschaffungspreis bei den Exporten nicht streng dem Käuferpreis, sondern dem Grenzübergangswert“ (Statistisches Bundesamt 2000b, S. 12). Um die Identitätsbeziehung zwischen Aufkommen und Verwendung herzustellen, weist die Aufkommenstabelle auch den Übergang vom Aufkommen zu Herstellungspreisen zum Aufkommen zu Anschaffungspreisen aus.

4. Datengrundlage und Integration in die Inlandsproduktrechnung Die Aufstellung von Input-Output-Tabellen ist besonders aufwendig und zeitraubend. Das liegt zum einen an der großen Rechentiefe, die bis zu 3000 Güterarten umfasst, und zum anderen daran, dass das primär für andere Zwecke erhobene statistische Ausgangsmaterial in vielerlei Hinsicht auf die Anforderungen der Input-OutputRechnung umgerechnet werden muss (Bleses/Stahmer 1994, S. 332). Übersicht 8-4 verdeutlicht vier Phasen des Berechnungsgangs1: • Zunächst wird in tiefer Gütergliederung das Aufkommen an Gütern aus inländischer Produktion und Einfuhr ermittelt. „Die Aufkommensgrößen bilden die Spaltenbzw. Zeilensummen der Input-Output-Tabellen. Die Aufgliederung der Angaben in den Spalten geschieht vor allem nach der Input-Methode und derjenigen in den Zeilen nach der Output-Methode“.

1

Die Ausführungen folgen hier Bleses/Stahmer (1994); die Zahl der Produktions- und Wirtschaftsbereiche ist inzwischen größer.

184

Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

• Nach der Input-Methode wird die Aufgliederung der Inputs der einzelnen Bereiche anhand möglichst detaillierter Statistiken über die gütermäßige Zusammensetzung der Vorleistungen und der Komponenten der Bruttowertschöpfung berechnet. Die zunächst nur für institutionell abgegrenzte Wirtschaftseinheiten vorliegenden Angaben über die Art der Inputs werden auf die gütermäßige Abgrenzung der Produktionsbereiche in der Input-Output-Rechnung mit Hilfe eines Überleitungsmodells überführt. Übersicht 8-4 Ablaufschema der Berechnung von Input-Output-Tabellen

Bruttowertschöpfung Produktionswert

Σ

Aufkommenstabelle

Bruttowertschöpfung

Σ BASISTABELLEN

Importe

Gesamtes Aufkommen

59 Gütergruppen

59 Wirtschaftsbereiche

Produktionswerte

Importe

Letzte Verwendung

Gesamtes Aufkommen

Intermediäre Verwendung

Σ

Produktionswert

AGGREGATION

3 000 Güterarten

Letzte Verwendung

3 000 Güterarten

Produktionswert

Intermediäre Verwendung

Gesamte Verwendung

ÜBERLEITUNG

Bruttowertschöpfung

Σ

Σ 59 Produktionsbereiche 59 Gütergruppen

Letzte Verwendung

59 Produktionsbereiche

Gesamte Verwendung

59 Gütergruppen

Intermediäre Verwendung

Σ

INPUT-OUTPUT-TABELLE

Gesamte Verwendung

Σ

Verwendungstabelle 59 Wirtschaftsbereiche

Σ

Importe

Produktionswert

Gesamtes Aufkommen

Σ

PRODUKTIONSVERFLECHTUNGSTABELLEN

INPUT-METHODE

Importe Gesamtes Aufkommen

GÜTERSTROMTABELLEN

GÜTERAUFKOMMEN

OUTPUT-METHODE

Quelle: Wirtschaft und Statistik 12/2000, S. 909.

„Wichtigstes statistisches Hilfsmittel für die Umrechnung sind Tabellen der Produktionswerte, in denen die Produktion der institutionellen Bereiche gütermäßig aufgegliedert wird. Das Berechnungsverfahren nach der Input-Methode geht damit von Tabellen über die Inputs und Produktionswerte der Wirtschaftsbereiche in der Gliederung nach Gütergruppen aus“, d.h. von der Input-Tabelle und der Output-Tabelle als den beiden Basistabellen (Bleses/Stahmer 1994, S. 333). Zur Umrechnung der für Institutionen gegebenen Daten auf Angaben in der Gliederung nach Produktionsbereichen wird ein Überleitungsmodell mit bestimmten Annahmen über die Inputstruktur (die Produktion gleicher Güter hat, unabhängig davon, in welchem Wirtschaftsbereich sie stattfindet, stets die gleiche Inputstruktur) verwendet. Ergebnis der Umrechnungen sind Produktionsbereiche, die alle Güter einer Gütergruppe produzieren und nur diese. • Nach der Output-Methode wird zeilenweise die Verwendung des Aufkommens an Gütern aus inländischen Produktionen und Einfuhr ermittelt. Hier ist keine Überleitung notwendig, da die Berechnungen von vornherein in der Gliederung nach Gütergruppen und Produktionsbereichen erfolgen (Güterstromtabellen).

8. Kapitel: Die Input-Output-Rechnung

185

• Die Vorleistungen können daher nach der Input- und nach der Output-Methode berechnet und abgestimmt werden. Als Ergebnis der Berechnungsphasen erhält man schließlich die gütermäßig abgegrenzte Input-Output-Tabelle bzw. Produktionsverflechtungstabelle. Die wichtigsten Grundtabellen für die Erstellung von Produktionsverflechtungstabellen sind die übergeleiteten Basistabellen (mit Informationen nach der Input-Methode) und die aggregierten Güterstromtabellen (mit Daten nach der Output-Methode). In Tab. 8-1 wurde die IOT mit gütermäßiger Aufgliederung der Importe (A) gezeigt. Daneben berechnet und veröffentlicht das Statistische Bundesamt auch IOT ohne gütermäßige Aufgliederung der Importe (B) und Importmatrizen. Die Input-OutputTabellen „vom Typ (A) unterscheiden sich von den Input-Output-Tabellen vom Typ (B) durch die Verbuchung der importierten Güter. In A werden in den Spalten des III. Quadranten zur inländischen Produktion jeweils die Importe gleichartiger Güter hinzuaddiert, um zum gesamten Aufkommen zu gelangen. Dieses gesamte Aufkommen – also einschließlich der Importe gleichartiger Güter – wird dann in den Zeilen des I. und II. Quadranten, wie beschrieben, den verschiedenen Verwendungskategorien zugeordnet. In B dagegen werden die Importe von Gütern lediglich in einer zusätzlichen Zeile unterhalb des I. und II. Quadranten dargestellt. Die Felderwerte selbst im I. und II. Quadranten enthalten keine Importwerte. Auch im III. Quadranten entfällt die Addition der importierten Güter zur inländischen Produktion“ (Bleses 2002, S. 200 f.). Übersicht 8-5 Veröffentlichungsprogramm der Input-Output-Rechnung Zusatztabellen

Basistabellen und Input-Output-Tabellen

Auswertungstabellen

Übersichten Gliederung der Wirtschaftsbereiche in den Aufkommens- und Verwendungstabellen

Basistabellen Aufkommenstabelle

Verwendungstabelle

Input-Output-Tabellen Konsumverflechtungstabellen

Inländische Produktion und Importe

Input-Koeffizienten

Importe Inverse Koeffizienten Erwerbstätige und Arbeitnehmer im Inland

Inländische Produktion Input-Koeffizienten

Quelle: Statistisches Bundesamt (2010g), S. 7.

Gliederung der Produktionsbereiche in den Input-OutputTabellen

186

Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

Die Integration von IOR und Inlandsproduktsberechnung wird auch darin deutlich, dass die Aufkommens- und Verwendungstabellen zur jährlichen kreislaufmäßigen Abstimmung der Entstehungs- und Verwendungsrechnung sowie zur Preis- und Volumensrechnung genutzt werden. Wie Übersicht 8-5 zeigt, enthält das Veröffentlichungsprogramm des Statistischen Bundesamtes neben Aufkommens- und Verwendungstabellen sowie IOT Zusatztabellen mit Angaben zu Erwerbstätigen und Arbeitnehmern sowie Konsumverflechtungstabellen nach Gütergruppen und Verwendungszwecken. Ferner werden Auswertungstabellen vorgelegt sowie Übersichten der in den Tabellenwerken der Input-Output-Rechnung genutzten Produktionsbereiche und Wirtschaftsbereiche bereitgestellt.

5. Analytische Auswertungen und Anwendungsbeispiele Der Anwendungsbereich der Input-Output-Rechnung ist weit. Sie können genutzt werden, um den Einfluss verschiedener Politikmaßnahmen auf makroökonomische Variablen wie BIP, Beschäftigung, Verbrauch, Produktivität oder Umwelt zu analysieren. Quantitative Auswirkungen lassen sich auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene schätzen. Die Input-Output-Rechnung wird zum einen vom Statistischen Bundesamt für interne Zwecke – z.B. für die Konsistenzprüfung der Inlandsproduktsberechnung – genutzt. Zum anderen gibt es eine Vielzahl von externen Anwendungen – zum Beispiel zur Analyse des sektoralen Strukturwandels und der intersektoralen Arbeitsteilung. Input-Output-Tabellen geben durch die Beschreibung der produktionstechnisch bedingten wechselseitigen Verflechtung einen genauen Einblick in die Produktionsstruktur. Für verschiedene Fragestellungen mag die Verwendung absoluter Zahlen in den Feldern der Tabelle genügen. Methodische Grundlage einer darüber hinausgehenden deskriptiven Auswertung der Tabellen sind die Berechnung von Input- und Output-Koeffizienten sowie die Triangulation. Als deskriptiv bezeichnet man eine Auswertung, bei der keine zusätzlichen modelltheoretischen Annahmen getroffen werden. Bei Input-Koeffizienten werden intermediäre bzw. Primärinputs auf den Produktionswert desselben Bereichs bezogen. Von besonderer Bedeutung sind dabei die Produktionskoeffizienten des I. Quadranten, die angeben, welcher Anteil des Produktionswertes eines Bereichs von einem anderen Produktionsbereich bezogen wurde. „Durch die Division jedes Felderwertes in der Spalte durch den Gesamt-Input (beziehungsweise den identischen Gesamt-Output), also durch die Normierung der Spaltenwerte auf die jeweiligen Spaltensummen, bringen die Koeffizienten die Bezugs- beziehungsweise Input-Strukturen zum Ausdruck“ (Stäglin 1985, S. 52). Gesamtvorleistungskoeffizienten, spezielle Vorleistungskoeffizienten, Abschreibungskoeffizienten oder Anteile des Arbeitnehmerentgelts sind solche Input-Koeffizienten, sie zeigen die Kostenstruktur der Produktionsbereiche bzw. die Wichtigkeit einzelner Produktionsbereiche als Lieferanten von Vorleistungsgütern, Arbeitsleistungen usw.

8. Kapitel: Die Input-Output-Rechnung

187

Output-Koeffizienten sind dadurch definiert, dass hier Elemente einer Zeile durch die am Ende der Zeile stehende gesamte Verwendung des Bereichs geteilt werden. Output-Koeffizienten geben an, welcher Anteil eines Outputbereichs an einen anderen Bereich der Zwischen- und Endnachfrage geliefert wurde. Sie bringen die Absatzoder Verwendungsstrukturen zum Ausdruck. Input- und Output-Koeffizienten können bei der Prognose sektoraler Produktionsentwicklungen wertvolle Hilfe leisten. Input-Output-Tabellen zeigen unmittelbar die direkte Produktions- und Lieferverflechtung der Volkswirtschaft. Damit wird implizit eine Produktionsfunktion verwendet, die sog. Leontief-Produktionsfunktion, womit der Bereich der deskriptiven Auswertung verlassen wird. Für diese Produktionsfunktion gelten bestimmte Annahmen: (1) Jeder Produktionsbereich erstellt nur ein Gut gleicher Input-Struktur; (2) die Inputs jedes Produktionsbereichs sind eine lineare Funktion seines Outputs (linear homogene Produktionsfunktion); (3) die auf dieser Grundlage gebildeten Produktionskoeffizienten sind unabhängig von den im Berichtszeitraum beobachteten Produktionswerten gültig und ändern sich über einen mittleren Zeitraum nur wenig. Mit der Berechnung der Nachfrage nach Vorleistungen, die von der Veränderung des Produktionswerts direkt ausgelöst wird, sind die Rückwirkungen auf die gesamte Volkswirtschaft nicht erfasst. Die über die ursprüngliche Nachfrage hinausgehenden indirekten Wirkungen lassen sich berechnen, wenn für jeden Sektor LeontiefProduktionsfunktionen gebildet werden. Dann kann die Struktur einer Wirtschaft durch ein System von linearen Gleichungen beschrieben werden, dessen spezifische strukturelle Eigenschaften durch die numerischen Werte der in einer Tabelle errechneten Input-Koeffizienten gegeben sind. Das Ergebnis einer solchen Berechnung, auf die hier nicht weiter eingegangen wird, sind sog. inverse (Leontief-)Koeffizienten. Diese geben die direkten und indirekten Effekte wieder. Sie stellen die Multiplikatoren dar, die in ökonomischen Modellen verwendet werden, um den Einfluss eines speziellen Ereignisses auf die Volkswirtschaft zu simulieren. Vergleicht man die inversen Koeffizienten felderweise mit den zugehörigen (direkten) Input-Koeffizienten, wird der Umfang der indirekten Vorleistungsproduktionen ersichtlich. „Von der Möglichkeit, mithilfe der inversen Koeffizienten die direkten und indirekten Zusammenhänge zwischen Produktion, Endnachfrage und primären Inputs aufzuzeigen, wird für Zwecke der Diagnose und Prognose Gebrauch gemacht ... Bei der Diagnose geht es um Analysen innerhalb des Systems einer vorliegenden IOT. Bei der Prognose wird dieses System verlassen, indem Variablen von außen her vorgegeben und mit der vorliegenden Tabelle kombiniert werden; es handelt sich also mehr um eine bedingte Prognose, mit der die von einer vorgegebenen Endnachfrage ausgehenden sektoralen Wirkungen im Voraus quantifiziert werden“ (Stäglin 1985, S. 54). Im Folgenden werden einige Anwendungsbeispiele für ökonomische Analysen auf Basis der Input-Output-Tabellen des Statistischen Bundesamtes aufgeführt: • Ein Beispiel für die Anwendung der Input-Output-Rechnung ist die Importabhängigkeit der Exporte aus gesamtwirtschaftlicher Sicht. Die Warenexporte haben für Deutschland eine hohe Bedeutung – dies hat sich im Aufschwung 2004 bis 2008, wäh-

188

Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

rend der Finanz- und Wirtschaftskrise und schließlich auch in der im Jahr 2009 bereits einsetzenden Erholung gezeigt. Bei der Analyse des deutschen Außenhandels ist auch von Interesse, in welcher Höhe in den deutschen Exporten ausländische Wertschöpfungsanteile enthalten sind. Das Statistische Bundesamt hat dazu in mehreren Beiträgen (2006e; Loschky/Ritter 2007) auf Basis von Input-Output-Analysen Antworten geliefert. So enthielten im Jahr 2006 die deutschen Warenexporte zu fast 45 Prozent ausländische Wertschöpfungsanteile – dazu gehören importierte Vorleistungen, ausländische Handelswaren und für Zwecke der Lohnveredelung eingeführte Waren. Zum Vergleich: Im Jahr 1995 belief sich dieser Anteil erst auf gut 31 Prozent. Vor allem in der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre hat sich die Zusammensetzung der deutschen Exporte aus eigenen und ausländischen Komponenten vergleichsweise stark verändert.1 • Auf Basis von Input-Output-Rechnungen lassen sich auch die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen einer (starken) Verteuerung der Öl- und Gaspreise berechnen (Meyer 2008). Die Input-Output-Rechnung mit Daten über die Wirtschaftsstruktur in der Vergangenheit wird dann für Projektionsrechnungen für die Zukunft herangezogen. So hätte gemäß dieser Rechnung ein Anstieg des Rohölpreises von 65 US-Dollar im Jahr 2006 auf 100 US-Dollar im Jahr 2010 das reale Bruttoinlandsprodukt um 0,8 Prozent vermindert. Dabei wäre es einerseits zu einer deutlichen Dämpfung bei den Privaten Konsumausgaben gekommen. Die Inflationsrate wäre im Jahr 2010 um 2,7 Prozent höher ausgefallen als im Basisszenario. Andererseits hätten die deutschen Exporte vom Anstieg der Ölpreise profitiert. Dies liegt daran, dass die rohstoffreichen Länder einen Teil ihrer höheren Öleinnahmen zum Kauf deutscher Waren – vor allem Investitionsgüter – verwenden. In der Tat hat die deutsche Wirtschaft im Vergleich mit anderen fortgeschrittenen Volkswirtschaften vergleichsweise stark vom „Recycling der Petrodollar“ durch den expandierenden Außenhandel mit den rohstoffreichen Ländern profitiert. Mithilfe einer Input-Output-Analyse kann auch bestimmt werden, wie stark die einzelnen Produktionsbereiche in Deutschland durch steigende Importpreise für Energie belastet werden (siehe hierzu Stäglin et al. 2000). • Auf Basis der Input-Output-Tabellen kann auch die intersektorale Arbeitsteilung bestimmt werden. Es kann gezeigt werden, wie sich die Produktion einzelner Güterbereiche aus der eigenen Wertschöpfung einerseits und Vorleistungen aus dem eigenen Bereich und anderen Produktbereichen sowie aus ausländischen Vorleistungen andererseits zusammensetzt. Gemäß Tab. 8-1 ergibt sich z.B. für den sekundären Bereich eine Vorleistungsquote (Anteil der Vorleistungen am Produktionswert) in Höhe von knapp 71 Prozent. Es lassen sich auch Veränderungen der intrasektoralen, der intersektoralen und der internationalen Arbeitsteilung erkennen. So zeigt sich z.B. für die Produkte des Verarbeitenden Gewerbes in Deutschland, dass vor allem in den 1990erJahren eine ausgeprägte Reorganisation der Produktion stattfand (siehe hierzu Grömling 2010). Bei der Berechnung solcher Vorleistungsverflechtungen muss zudem darauf geachtet werden, dass ein Anstieg der Vorleistungsquote nicht unbedingt aus einer intensiveren Arbeitsteilung, sondern auch aus steigenden Vorleistungspreisen – etwa im Gefolge eines Anstiegs der Rohstoffpreise – resultieren kann. 1

Die zitierte Untersuchung des Statistischen Bundesamtes (Loschky/Ritter 2007) liefert dazu auch Informationen für einzelne Warenarten.

8. Kapitel: Die Input-Output-Rechnung

189

• Diese intersektoralen Produktionsverflechtungen waren beispielsweise auch während der Wirtschaftskrise in den Jahren 2008 und 2009 bedeutsam. Dabei stand z.B. ein befürchteter starker Einbruch der Automobilproduktion in Deutschland im Fokus. Die Automobilbranche ist in Deutschland vielfältig und in hohem Maß mit anderen Branchen über Vorleistungslieferungen verflochten. Vor diesem Hintergrund wurde die Befürchtung artikuliert, dass ein sektorspezifischer Schock sich vergleichsweise stark auf die Gesamtwirtschaft ausbreiten kann. Somit kam es schließlich auch zu der besonderen Berücksichtigung dieser Branche in den staatlichen Konjunkturprogrammen – in Form der sog. Abwrackprämie. Auf Basis der Input-Output-Tabellen des Statistischen Bundesamtes kam die Deutsche Bundesbank (2009b) zu dem Ergebnis, dass ein Rückgang der Endnachfrage nach Automobilen in Deutschland in Höhe einer Wertschöpfungseinheit mit einer 2,2-mal so hohen gesamtwirtschaftlichen Umsatzeinbuße einhergeht. Das liegt daran, weil nicht nur die Wertschöpfung der Automobilbranche, sondern auch die Vorleistungsbezüge aus anderen Branchen eingeschränkt werden, was wiederum auf die Automobilindustrie zurückschlägt. Es handelt sich dabei um das Ergebnis eines kumulierten Produktions- oder Leontief-Multiplikators. Dieser gibt an, wie sich die Gesamtheit der sektoralen Umsätze in der Gesamtwirtschaft durch direkte und indirekte Effekte verändert, wenn sich die Endnachfrage in einem bestimmten Bereich um eine Werteinheit verändert. Die Input-Output-Tabellen können nicht nur in monetären Einheiten, sondern auch in physischen Einheiten (z.B. Mengen, Heizwerte usw.) und in Zeiteinheiten (Stunden) erstellt werden. Dies eröffnet neue Analysemöglichkeiten – z.B. als Datenbasis für eine kombinierte Analyse der drei Aspekte der Nachhaltigkeit, wie sie im 14. Kapitel dargestellt sind. Ein weiteres Beispiel hierzu ist die Sozio-ökonomische InputOutput-Rechnung 1998, die die Schriftenreihe „Sozio-ökonomisches Berichtssystem für eine nachhaltige Gesellschaft“ ergänzt. Grundlage der Erstellung solcher Tabellen sind zum Beispiel Angaben der Zeitbudgeterhebung und der Arbeitsstundenrechnung des IAB. Dabei wurde die Bevölkerung in verschiedene Altersgruppen eingeteilt, und es wurden unterschiedliche Arten von Aktivitäten (persönliche Aktivitäten, Eigenarbeit und Erwerbsarbeit) analysiert.

Literatur zum 8. Kapitel Eine gründliche und umfassende Darstellung der Input-Output-Tabellen liefern Holub/Schnabl (1994b), ferner sind die Beiträge von Stäglin (2002), Bleses (2007) und Statistisches Bundesamt (2010g) empfehlenswert. Eine detaillierte Beschreibung und die Ergebnisse der von ihm aufgestellten Input-Output-Tabellen gibt das Statistische Bundesamt in der Fachserie 18, Reihe 2: Input-Output-Rechnung; zur Erläuterung siehe auch Stahmer (1986). Eurostat und OECD bieten Input-Output-Tabellen für eine Reihe von Ländern. Die Verbindung zwischen IOT und den übrigen VGR wird von Stahmer (1986) deutlich gemacht. Der internationale Rahmen zur Aufstellung von Input-Output-Tabellen wird im SNA 1993 der Vereinten Nationen (United Nations 1993) und vom ESVG 1995 (Kapitel 9) festgelegt.

190

Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

Zur früheren Entwicklung der Input-Output-Rechnung siehe Krengel (1981) und Stäglin (2009), zu neueren Verfahren der Erstellung und Analyse siehe Schnabl (1991). Eine gute einführende Darstellung der Input-Output-Analyse und ihres Bezugs zur Input-Output-Tabelle liefern Stäglin (1985) und ausführlicher Holub/Schnabl (1994a). Auf die Grenzen der empirischen Fundierung von Input-Output-Rechnungen verweist Richter (2004). Zur Weiterentwicklung der IOT siehe auch Schäfer/Schwarz (1994) für die Haushaltsproduktion und Kuhn/Radermacher/Stahmer (1994) sowie Stahmer (2009) für umweltökonomische Analysen, für die Regionalanalyse siehe Münzenmaier (2002). Interessante Arbeiten enthalten auch die vom Institut für Wirtschaftsforschung Halle – IWH herausgegebenen Tagungsbände zur Anwendung von Input-Output-Rechnungen. Vom Statistischen Bundesamt und der Universität Karlsruhe (2004) liegt die Sozioökonomische Input-Output-Rechnung 1998 vor; siehe dazu auch Schaffer/Stahmer (2004). Interessante Anwendungen der Input-Output-Rechnung als Instrumente der Politikberatung zeigen Stahmer/Bleses/Meyer (2000) und Statistisches Bundesamt (2010g). Die im Text angesprochenen Anwendungsbeispiele finden sich bei Statistisches Bundesamt (2006e und 2007), Meyer (2008) und Stäglin et al. (2000), Deutsche Bundesbank (2009b), Grömling (2010) und Grömling/Matthes (2010). Eine weitere Anwendung sind Berechnungen zur Verflechtung der deutschen Wirtschaft mit dem Ausland (Statistisches Bundesamt, 2009).

Aufgaben zum 8. Kapitel 1. Was macht die Besonderheit der Input-Output-Tabellen des Statistischen Bundesamtes gegenüber seinen Konten und Standardtabellen aus? 2. Definieren Sie jeweils die beiden Arten von Inputs und von Outputs. 3. Was lässt sich entlang der Zeile und entlang der Spalte einer Input-OutputTabelle ablesen? 4. Was beschreibt die Zentralmatrix? 5. Treffen folgende Aussagen zu? a) Die Summe der Vorleistungen eines Sektors entspricht dem Zwischenverbrauch dieses Sektors. b) Die Summe der Vorleistungen und die der Zwischennachfrage sind in der Volkswirtschaft gleich. c) Die Summe der (bewerteten) Inputs muss für jeden Sektor der Summe seiner (bewerteten) Outputs entsprechen. 6. Nach welchen Kriterien können die Produktionsbereiche abgegrenzt werden? 7. Wie werden Mehrproduktunternehmen in Produktionsverflechtungstabellen behandelt? 8. Nennen Sie drei Bewertungskonzepte in Input-Output-Tabellen. 9. Wie kann die Einfuhr in den Input-Output-Tabellen behandelt werden? 10. Die folgende Tab. 8-2 zeigt, die vereinfachte Aufkommenstabelle 1995 zunächst zu Herstellungspreisen (HP). Wie erfolgt der Übergang zu Anschaffungspreisen (AP)? Ist die Tabelle symmetrisch?

8. Kapitel: Die Input-Output-Rechnung

191

Tab. 8-2 Aufkommenstabelle 1995 zu HP mit Übergang zu AP, Mrd DM Produktionswerte der Wirtschaftsbereiche zu Herstellungspreisen

Gegenstand der Nachweisung

Primärer Bereich1

Güter aus inländ. Produk. u. Importen Primärer Bereich1 Sekundärer Bereich2 Tertiärer Bereich3 Aufkommen an Gütern 1

Land- und Forstwirtschaft, Fischerei.

Sekundärer Bereich2

Tertiärer Bereich3

zusammen

83,6 2,3 85,9 1,1 2568,3 22,1 2591,5 1,1 109,7 3568,7 3679,5 85,8 2678,0 3593,1 6356,9 2

Produzierendes Gewerbe.

3

AufkomImporte men zu cif Herstellgs.preisen

31,1 117,2 640,8 3232,3 81,1 3760,6 753,2 7110,1

Handelsund Transportspannen

Gütersteuern abzügl. Gütersubventionen

Aufkommen zu Anschaffungspreisen

25,5 555,7 -581,2

-2,8 282,4 66,8 346,4

139,9 4070,4 3246,2 7456,5

Dienstleistungen.

Quelle: Statistisches Bundesamt (2000c), S. 36.

11. a) Was besagen in Tab. 8-1 die Beträge von 1,5 und 543,6 im I. Quadranten, was 617,6 im II. Quadranten? b) Wie hoch sind die vom Sekundären Sektor bezogenen Vorleistungen des Tertiären Bereichs? Welcher Bereich trägt (in welcher Höhe) am meisten zum Export bei? 12. Aus Input-Output-Tabellen werden Input- und Output-Koeffizienten errechnet. Was versteht man darunter? 13. Worin unterscheiden sich inverse Koeffizienten von Input-Output-Koeffizienten? 14. Welche Annahmen hinsichtlich der Produktionsfunktion werden üblicherweise bei der Berechnung von Input- und Output-Koeffizienten gemacht?

9. Kapitel Die Zahlungsbilanz 1. Der Begriff der Zahlungsbilanz Die Zahlungsbilanz (balance of payments) ist nach der Definition des Internationalen Währungsfonds (IWF) die systematische Aufzeichnung der wirtschaftlichen Transaktionen, die in einer Periode zwischen einer Volkswirtschaft und der übrigen Welt stattgefunden haben. Die erfassten Transaktionen entsprechen weitgehend denen zwischen Inländern und Ausländern. Es werden allerdings auch einige Transaktionen zwischen Inländern nachgewiesen, wie die nicht auf Transaktionen beruhenden Wertänderungen des Bestands der Auslandsaktiva und -passiva der Deutschen Bundesbank. Der Begriff „Zahlungsbilanz“ ist allerdings irreführend. So werden in der Zahlungsbilanz keine Vermögensbestände1, sondern Stromgrößen verbucht. Ferner müssen bei den mit Ausländern getätigten Transaktionen die Zahlungen nicht in der gleichen Periode stattfinden (z.B. Ausfuhren auf Ziel) oder überhaupt zu Zahlung mit Geld führen (z.B. Übertragungen von Gütern). Als Inländer (residents) gelten in der deutschen Zahlungsbilanz alle Einheiten, die mit dem Wirtschaftsgebiet, dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland, wirtschaftlich enger verbunden sind als mit dem anderer Länder. Territorium im Sinne der Statistik ist die Bundesrepublik Deutschland in ihren Staatsgrenzen und der Teil des Festlandsockels, der nach internationalen Vereinbarungen der Bundesrepublik zuzurechnen ist. Zu den Inländern rechnen auch Unternehmen, deren Kapital sich teilweise oder ganz im ausländischen Eigentum befindet, soweit ihre Tätigkeit sich im Inland abspielt – ausschlaggebend ist der Sitz des Unternehmens. Ferner gehören dazu alle Privatpersonen, die sich länger als ein Jahr in der Bundesrepublik aufhalten, insbesondere, wenn sie ein Gewerbe betreiben, einen längerfristigen Arbeitsvertrag haben oder unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind. Daher zählen ausländische Arbeitnehmer, die sich ständig im Bundesgebiet aufhalten („Gastarbeiter“) und ihre in Deutschland befindlichen Angehörigen zu den Inländern, Saisonarbeiter und Grenzgänger hingegen zu den Ausländern (nonresidents). Deutsche diplomatische Vertretungen und militärische Abordnungen im Ausland gelten als Inländer, das ausländische Personal ausländischer diplomatischer Vertretungen im Inland gehört im Gegensatz zu diesen Vertretungen selbst und den ausländischen militärischen Dienststellen ebenfalls zu den Inländern2. Die in der Zahlungsbilanz erfassten Transaktionen entsprechen in der Struktur denen, die in den Außenkonten der VGR mit den Güter-, Einkommens- und Vermögensänderungstransaktionen mit der übrigen Welt nachgewiesen sind. Die Darstellung geht allerdings im Detail darüber hinaus. Während die Transaktionen im Rahmen der VGR im Konto der übrigen Welt aus der Sicht des Auslands dargestellt sind, werden sie in 1 2

Diese werden im Auslandsvermögensstatus nachgewiesen. Eine besondere Stellung nahm bis 1990 die DDR ein, die weder als Ausland noch als Inland galt. Transaktionen mit der DDR waren deshalb in der Zahlungsbilanz nicht enthalten.

9. Kapitel: Die Zahlungsbilanz

193

der Zahlungsbilanz aus der Sicht der Inländer wiedergegeben. Daher wird in der Zahlungsbilanz z.B. von Verkäufen (= Ausfuhr) von Waren gesprochen, wenn die VGR den Vorgang aus der Sicht der übrigen Welt als Import von Waren bezeichnen. Grundsätzlich enthält die Zahlungsbilanz folgende Positionen1: Zahlungsbilanz 1. Ausfuhr von Waren 6. Einfuhr von Waren 2. Ausfuhr von Dienstleistungen 7. Einfuhr von Dienstleistungen 3. Erwerbs- und Vermögenseinkommen 8. Erwerbs- und Vermögenseinkommen (Einnahmen) (Ausgaben) 4. Übertragungen (Leistungen aus dem 9. Übertragungen (Leistungen an das Ausland) Ausland) 5. Veränderung der Verbindlichkeiten 10. Veränderung der Forderungen

2. Aufbau und Verbuchungsweise Um ein detailliertes und aussagekräftiges Bild der außenwirtschaftlichen Vorgänge einer Periode geben zu können, werden diese in nach bestimmten Gesichtspunkten gebildeten Teilbilanzen aufgezeichnet. So kann man für die oben jeweils auf beiden Seiten abgebildeten Positionen der Zahlungsbilanz fünf Teilbilanzen erstellen. Zur Vereinfachung werden aber zunächst nur zwei Teilbilanzen betrachtet: Die erste umfasst die Positionen 1 bis 4 und 6 bis 9 und wird als Leistungsbilanz bezeichnet. Die Positionen 5 und 10 bilden die Kapitalbilanz. Somit ergibt sich folgendes Bild: Leistungsbilanz 1. Ausfuhr von Waren 6. Einfuhr von Waren 2. Ausfuhr von Dienstleistungen 7. Einfuhr von Dienstleistungen 3. Erwerbs- und Vermögenseinkommen 8. Erwerbs- und Vermögenseinkommen (Einnahmen) (Ausgaben) 4. Übertragungen (Leistungen aus dem 9. Übertragungen (Leistungen an das Ausland) Ausland) Kapitalbilanz 5. Veränderung der Verbindlichkeiten 10. Veränderung der Forderungen

Die Leistungsbilanz (current external account) erfasst die Ströme der Waren, Dienstleistungen, Erwerbs- und Vermögenseinkommen sowie Übertragungen, die an das Ausland bzw. aus dem Ausland fließen. Die Kapitalbilanz (capital and financial account) zeigt die Veränderung der Forderungen und der Verbindlichkeiten gegenüber dem Ausland. Die in der Zahlungsbilanz erfassten Vorgänge werden prinzipiell zweiseitig verbucht, d.h. man geht also von der Annahme aus, dass einem Wertstrom vom Inland ins Ausland stets ein gleich großer Wertstrom vom Ausland ins Inland entspricht; beide Ströme werden in der Statistik gesondert ausgewiesen (Bruttoprinzip). 1

Die Salden der Positionen 1, 2, 6, 7 entsprechen dem Außenbeitrag zum BIP, ergänzt um 3, 4, 8, 9 dem Saldo aus Sparen und Nettoinvestitionen, also dem gesamtwirtschaftlichen Finanzierungssaldo (= 5 – 10).

194

Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

So muss bei einem Verkauf von Waren an das Ausland, der links in der Leistungsbilanz verbucht wird, eine Buchung rechts in der Kapitalbilanz zum formalen Ausgleich der Gesamtbilanz gegenüberstehen. In der Praxis lässt sich dieser Anspruch, beide Seiten simultan zu erfassen, allerdings nicht umsetzen, wie noch gezeigt wird. Auch die Richtung der Transaktionen oder Wertströme kommt in kontenmäßiger Darstellung dadurch zum Ausdruck, dass die Vorgänge auf der linken Seite gebucht und auf der rechten Seite gegengebucht werden. Verwendet man hingegen die in der Zahlungsbilanz übliche tabellarische Form, so müssen zur Darstellung der Richtung der Vorgänge Vorzeichen verwendet werden. So hat man sich auf die Konvention geeinigt, alle Transaktionen, die in der Regel mit einem Zugang an Devisen (= ausländische Zahlungsmittel) einhergehen, in Kontenform auf der linken Seite zu verbuchen oder in tabellarischer Form mit einem Plusvorzeichen (+) zu versehen. Das gilt zunächst für die Ausfuhr von Waren oder von Dienstleistungen. Entsprechend wird bei den Einnahmen aus Erwerbs- und Vermögenseinkommen aus dem Ausland verfahren. Ein Exportüberschuss erhält ebenfalls ein Plusvorzeichen. Umgekehrt werden die Einfuhr von Waren oder von Dienstleistungen sowie die Ausgaben aus Erwerbs- und Vermögenseinkommen auf der rechten Seite der Leistungsbilanz oder in tabellarischer Form mit einem Minusvorzeichen (–) versehen. Soweit in Höhe der Ausfuhr oder der empfangenen Erwerbs- und Vermögenseinkommen eine Zunahme der Forderungen Deutschlands gegenüber dem Ausland stattfindet, wird sie auf der rechten Seite der Kapitalbilanz verbucht. In tabellarischer Form geht sie in den Saldo der Kapitalbilanz mit einem Minuszeichen ein1. In Höhe der Einfuhr können die Verbindlichkeiten gegenüber dem Ausland zunehmen. Dies wird auf der linken Seite der Kapitalbilanz oder mit einem Pluszeichen in der Staffelrechnung verbucht; Letzteres gilt auch für den Saldo, der mit einem Pluszeichen verändert wird. Das trifft dann zu, wenn Ein- und Ausfuhr jeweils mit einer ökonomischen Gegenleistung verbunden sind. Weil jede Transaktion in der Zahlungsbilanz doppelt, d.h. durch Buchung und Gegenbuchung, erfasst wird, muss die Zahlungsbilanz stets ausgeglichen sein. Allerdings können die Teilbilanzen durchaus von null verschiedene Salden (balancing items) aufweisen. So steht einem Überschuss aus der Leistungsbilanz ein entgegengerichteter, gleich großer Saldo im gesamten Kapitalverkehr („Kapitalexport“), d.h. eine Zunahme der Nettoauslandsposition gegenüber. Zweiseitige Transaktionen werden entweder in der Leistungsbilanz gebucht2 und in der Kapitalbilanz gegengebucht (beispielsweise Warenausfuhr auf Ziel) oder sie berühren nur die Kapitalbilanz. Im letzteren Fall (z.B. Kauf von U.S.-Wertpapieren durch Inländer) liegen Finanztransaktionen vor. 1

2

Für die Beurteilung der jeweiligen Bilanz ist stets der Saldo maßgeblich. Daher stellen eine Abnahme der Forderungen wie eine Zunahme der Verbindlichkeiten gegenüber dem Ausland jeweils einen Kapitalimport dar, der sich in gleicher Richtung auf den Saldo der Kapitalbilanz auswirkt. Entsprechendes gilt für Kapitalexporte. Ein besonderer Fall sind Realtauschgeschäfte („Kompensationsgeschäfte“) von Waren und Dienstleistungen gegen Waren und Dienstleistungen. Sie schlagen sich nur in der Handels- und Dienstleistungsbilanz nieder und werden im Folgenden vernachlässigt.

9. Kapitel: Die Zahlungsbilanz

195

Eine Besonderheit besteht bei den Übertragungen, die in der Zahlungsbilanz als Geld- und Sachleistungen ohne konkrete Gegenleistung verstanden werden. Hierzu rechnen etwa die unentgeltlichen Warenlieferungen an das Ausland. Diese Übertragungen werden auf der linken Seite der Leistungsbilanz (Position 1) verbucht und der formale Ausgleich der Zahlungsbilanz erfolgt auf der rechten Seite der Leistungsbilanz (Position 9). Auch bei einem Schuldenerlass an Entwicklungsländer oder bei von Gastarbeitern geleisteten Übertragungen an ihre Heimatländer erfolgt jeweils zur Position 5 (oder, mit einem Minuszeichen, 10) die Gegenbuchung in Position 9. Für die genannten Beispiele wird der Ausgleich also jeweils durch die Buchung eines fiktiven Gegenpostens bei den Übertragungen in der Leistungsbilanz vorgenommen. Hierbei werden an das Ausland geleistete Übertragungen auf der rechten Seite dargestellt; in tabellarischer Form erscheinen sie mit einem Minusvorzeichen (–) versehen. Solche vom Ausland geleisteten Übertragungen werden auf der linken Seite verbucht bzw. mit einem Plusvorzeichen (+) versehen. So erhalten die von Gastarbeitern geleisteten Heimatüberweisungen in der Kapitalbilanz ein Pluszeichen (sie erhöhen den positiven Saldo der Kapitalbilanz); andererseits werden sie bei den Übertragungen in der Leistungsbilanz mit einem Minuszeichen verbucht (sie vergrößern den Negativsaldo der Übertragungen).

3. Bewertung und Zeitpunkt der Erfassung Eine konsistente Verbuchung, und darum geht es in der doppelten Buchhaltung, macht es erforderlich, eine einheitliche Bewertungsbasis zu verwenden, also die Plus- und Minusbuchungen mit demselben Wertansatz zu versehen. Nur so lassen sich Addierbarkeit und Vergleichbarkeit der verschiedenen Positionen in einer Zahlungsbilanz und die internationale Vergleichbarkeit erreichen. Gemäß den IMF-Empfehlungen werden die in der Zahlungsbilanz nachgewiesenen Transaktionen im Prinzip mit Transaktionswerten (Marktpreisen) bewertet. Daher ist etwa für Käufe und Verkäufe von Aktien der jeweilige Aktienkurs, für Zahlungen in Fremdwährung der jeweilige Tageskurs des Euro maßgeblich. Falls keine Wertangaben vorliegen, werden Schätzpreise verwendet. Eine besondere Problematik ergibt sich bei der Verbuchung der Wareneinfuhr, die mit dem Wert an der Grenze des Ausfuhr- oder Einfuhrlandes dargestellt werden kann (vgl. 4a unten). Auch in der Zahlungsbilanz gilt das Prinzip der periodengerechten Bewertung (accrual accounting). Als einheitlicher Erfassungszeitpunkt für die Transaktionen gilt daher der Zeitpunkt, in dem ein wirtschaftlicher Wert geschaffen, umgewandelt oder aufgelöst wurde bzw. zu dem Forderungen und Verbindlichkeiten entstehen, umgewandelt oder aufgehoben werden. Daher sind auch Zinsen auf Schuldverschreibungen (festverzinsliche Wertpapiere und Geldmarktpapiere) sowie auf sonstige Schuldtitel nicht erst zum Zeitpunkt der Zahlung in die Leistungsbilanz einzustellen, sondern kontinuierlich über die Zinsperiode zu verteilen. „Damit soll erreicht werden, dass die Erträge so in der Leistungsbilanz verbucht werden, wie sie dem Inhaber eines Wertpa-

196

Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

piers bzw. eines sonstigen Schuldtitels während der Berichtsperiode wertmäßig zuwachsen“1. Tab. 9-1 Die Hauptposten der deutschen Zahlungsbilanz 2007-2009 in Mrd Euro 2007

2008

2009

I.

Leistungsbilanz

+185,1

+167,0

+117,3

1.

Außenhandel 1 (Saldo) Ausfuhr (fob) Einfuhr (cif)

+195,3 965,3 769,9

+178,3 984,1 805,8

+136,1 803,5 667,4

-9,9

-12,6

-9,2

-11,6

-7,0

-9,7

Ergänzungen zum Außenhandel 2 3

2.

Dienstleistungen (Saldo) darunter: Reiseverkehr (Saldo)

-34,3

-34,6

-33,3

3.

Erwerbs- und Vermögenseinkommen (Saldo) darunter: Vermögenseinkommen (Saldo)

+43,5

+42,6

+33,8

+43,2

+42,1

+34,1

4.

Laufende Übertragungen (Saldo) darunter: Nettobeitrag zum EU-Haushalt

-32,2

-34,3

-33,7

-11,9

-12,5

-12,4

Vermögensübertragungen 3 (Saldo)

+0,1

-0,2

-0,2

-219,5

-197,3

-129,6 -16,0

II.

III. Kapitalbilanz (Netto-Kapitalexport: -) 1.

Direktinvestitionen (Saldo)

-62,8

-73,8

2.

Wertpapiere u. Finanzderivate (Saldo)

+57,6

+9,6

-70,4

4.

Übriger Kapitalverkehr 4 (Saldo)

-213,3

-131,1

-46,4

5.

Veränderung der Währungsreserven zu Transaktionswerten 5 (Zunahme: -)

-1,0

-2,0

+3,2

+34,3

+30,6

+12,6

IV. Saldo der statistisch nicht aufgliederbaren Transaktionen (Restposten) 1

Spezialhandel nach der amtlichen Außenhandelsstatistik. 2 Unter anderem Lagerverkehr auf inländische Rechnung und Absetzung der Rückwaren. 3 Einschl. Kauf/Verkauf von immateriellen nichtproduzierten Vermögensgütern. 4 Enthält Finanz- und Handelskredite, Bankguthaben und sonstige Anlagen. 5 Ohne SZR-Zuteilung und bewertungsbedingte Veränderungen.

Quelle: Deutsche Bundesbank, Zahlungsbilanzstatistik Oktober 2010, Statistisches Beiheft zum Monatsbericht 3.

4. Der Aufbau der deutschen Zahlungsbilanz Die Zahlungsbilanz der Bundesrepublik wird nach den Richtlinien des IWF von der Deutschen Bundesbank aufgestellt. Die Zahlungsbilanz ist vollständig mit den Volks1

Deutsche Bundesbank, Monatsbericht März 2005, S. 34. Das macht ausgleichende Buchungen erforderlich. „Neben der zeitanteiligen Erfassung der Zinsen als Vermögenseinkommen in der Leistungsbilanz ist nach dem Prinzip der doppelten Buchführung ein ausgleichender Eintrag unter dem entsprechenden Instrument im Kapitalverkehr notwendig“. Vgl. weiter ebenda. Dividenden unterliegen nicht dem Accrual-Prinzip, sondern sind zu dem Zeitpunkt zu erfassen, in dem sie ausgeschüttet werden.

9. Kapitel: Die Zahlungsbilanz

197

wirtschaftlichen Gesamtrechnungen abgestimmt. Das gilt hinsichtlich der Abgrenzung von Wirtschaftsgebiet und Inländern wie für die Konten1. Daher stehen mit der deutschen Zahlungsbilanz die erforderlichen Bausteine für die Erstellung der Bilanz der Europäischen Währungsunion und der Europäischen Union in der notwendigen Gliederungstiefe zur Verfügung. Die deutsche Zahlungsbilanz ist gegliedert in die Leistungsbilanz ohne die extra geführte Bilanz der Vermögensübertragungen und die Kapitalbilanz. Hinzu kommt der Saldo der statistisch nicht aufgliederbaren Transaktionen (Restposten). Tab. 9-1 zeigt die Hauptposten der Zahlungsbilanz für die Jahre 2007 bis 2009.2 Abb. 9-1 Struktur der deutschen Leistungsbilanz Teilsalden 1 in Mrd Euro LÜ

250

EVEK

DL

HB

200 150 100 50 0 -50 -100 2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

2009

1

LÜ: Saldo der laufenden Übertragungen; EVEK: Saldo der Erwerbs- und Vermögenseinkommen; DL: Dienstleistungsbilanzsaldo; HB: Handelsbilanzsaldo.

Quelle: Deutsche Bundesbank, Monatsbericht November 2010, S. 6-7.

a) Die Leistungsbilanz Die Leistungsbilanz (= Bilanz der laufenden Posten) fasst die Handelsbilanz, die Dienstleistungsbilanz, die Bilanz der Erwerbs- und Vermögenseinkommen und die

1

2

„Identical concepts of economic territory, residence, and center of economic interest are used in this Manual and in the SNA” (IMF 1993, S. 7). Im Anhang I des Handbuchs wird im Detail die Beziehung zwischen verschiedenen SNA-Konten, die die übrige Welt berühren, und den Konten der Zahlungsbilanz aufgezeigt. Dabei zeigt sich auch, wie stark sich die globale Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise auf die deutschen Auslandstransaktionen ausgewirkt hat (siehe dazu auch Deutsche Bundesbank, Monatsbericht März 2010).

198

Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

Bilanz der laufenden Übertragungen1 zusammen. Weist sie einen Aktivsaldo (Passivsaldo) auf, so ist die Nettoposition der Volkswirtschaft gegenüber dem Ausland größer (kleiner) geworden. Wie Tab. 9-1 und Abb. 9-1 zeigen, lag 2009 ein Leistungsbilanzüberschuss in Höhe von 117,3 Mrd. Euro vor (Plusvorzeichen). Der positive Handelsbilanzsaldo hat ausgereicht, um den negativen Saldo aus der Dienstleistungs- und der laufenden Übertragungsbilanz auszugleichen.

b) Die Handelsbilanz In der Handelsbilanz (merchandise transactions) werden die Ausfuhr (Export) und die Einfuhr (Import) von Waren erfasst. Ist die Ausfuhr von Waren größer als die Einfuhr, spricht man von einer aktiven Handelsbilanz oder einem Aktivsaldo der Handelsbilanz. Er weist in der in Tabellenform dargestellten Zahlungsbilanz ein positives Vorzeichen auf. Ist die Einfuhr größer als die Ausfuhr, liegt eine passive Handelsbilanz oder ein Passivsaldo der Handelsbilanz vor; in diesem Fall weist der Saldo ein negatives Vorzeichen auf. Auf die Bewertung der Einfuhr und der Ausfuhr ist zu achten. Die Ausfuhr wird durchgängig zu fob-Preisen nachgewiesen. Fob (free on board) erfasst den Wert frei Zollgrenze des ausführenden Landes. Die Einfuhr wird im laufenden monatlichen Zahlungsbilanzausweis mit ihrem cif-Wert (cif = cost, insurance, freight) ausgewiesen2. Im Einfuhr-cif-Wert wird der Wert der Einfuhr bis zur Zollgrenze des importierenden Landes gezeigt. Darin sind auch die Fracht- und Versicherungskosten enthalten. Im Jahresnachweis werden die Einfuhrwerte auch zu fob-Preisen veröffentlicht. Dann wird der Wert frei Grenze des Landes, aus dem die Waren ausgeführt werden, erfasst. Die Fracht- und Versicherungskosten sind folglich in den fob-Werten des Imports nicht enthalten. Sie werden in dieser Rechnung als Dienstleistungen des Auslands angesehen und daher der Dienstleistungsbilanz zugeschlagen. Der Grund für diese Umrechnung liegt darin, dass so ein vollständiges Bild der Transport- und Versicherungsströme und der Dienstleistungen insgesamt gewonnen wird und die Zahlen für den Außenhandel (Einfuhr eines Landes und Ausfuhr des Lieferlandes sind gleich bewertet) und den Transport dadurch international vergleichbar sind. Andererseits bedeutet die Berechnung der Ausfuhr zum fob-Wert und der Einfuhr zum cif-Wert, dass beide Handelsströme – Exporte und Importe – mit dem Wert an der eigenen Grenze aufgezeichnet werden. Der Nachweis ist einfacher, weil hierbei die häufig aufwendige Beschaffung von Informationen über die Fracht- und Versicherungskosten zwischen Lieferländern und der eigenen Grenze3 entfällt. Durch die unterschiedliche Buchung der Einfuhr zu cif- bzw. fob-Werten ändert sich also der Saldo der zusammengefassten Handels- und Dienstleistungsbilanz sowie der Saldo der Leistungsbilanz nicht. Die 1

2

3

Ein Teil der Übertragungen wird nicht in der Leistungsbilanz, sondern in einer eigenen Bilanz der Vermögensübertragungen verbucht (siehe unten). Diese Regelung entspricht den Incoterms (International Commercial Terms), die die international üblichen Handelsbräuche und -klauseln systematisieren und weltweit anwenden. Hier liegt auch der Grund, warum die Bundesbank nur für Jahresangaben die Einfuhr zum fobWert berechnet.

9. Kapitel: Die Zahlungsbilanz

199

Umbuchung berührt nur die jeweiligen Salden der Handelsbilanz und der Dienstleistungsbilanz. Mit Wegfall der Grenzen im Europäischen Binnenmarkt werden die Einfuhr aus EU-Ländern und die Ausfuhr an EU-Länder auf der Grundlage von direkten Unternehmensmeldungen berechnet. Bei dieser Erfassung von der Grenze weg hin zu den Unternehmen findet ein Abgleich mit den Umsatzsteuervoranmeldungen statt. Für die Beurteilung der Außenhandelsentwicklung sind die Terms of Trade (ToT) bedeutsam. Die Austauschbeziehungen des Handels werden unter Verwendung von Warenkörben berechnet als Preisindex der Exportgüter geteilt durch den Preisindex der Importgüter. Steigt dieser Wert über 100, nehmen beim Export die Preise relativ stärker zu als die, die für Importgüter zu zahlen sind. Maßgeblich hierfür können bei Importen die Preise im Ausland in der jeweiligen Währung und die Wechselkurse sein. So führen z.B. steigende Erdölpreise zu einer Verschlechterung der ToT der Ölimportländer zugunsten der erdölexportierenden Staaten. Um in das Zahlungsbilanzschema zu passen, sind einige Korrekturen an der Handelsbilanz erforderlich. Diese werden unter „Ergänzungen zum Warenhandel“ verbucht. Hierbei handelt es sich zum einen um Waren, die zunächst in einem Freihandelslager oder in einem Zolllager deponiert und nicht verbraucht, gebraucht oder verarbeitet werden. Zum anderen geht es um Waren, die nur durch Deutschland transportiert und in anderen Ländern verwendet werden. Bei den im Freihafen gelagerten Gütern hat ein Eigentumsübergang, aber noch kein Warenimport stattgefunden; nur in Höhe des Saldos der Lagerveränderung wird die „normale“ Einfuhr ergänzt. Die in der Handelsbilanz erfassten Positionen werden als Spezialhandel bezeichnet. Ihm entspricht weitgehend der Warenverkehr über die Zollgrenzen. Durch Einbeziehung der Einfuhr von Waren auf Lager und der Ausfuhr von Waren aus Lager (ohne Durchfuhr- und Zwischenauslandsverkehr) gelangt man zum Generalhandel. Er entspricht weitgehend dem Warenverkehr über die Staatsgrenze. Für die Verbuchung der Handelsströme ist es unbeachtlich, ob mit der Einfuhr oder Ausfuhr auch tatsächlich Zahlungen geleistet werden. Entscheidend ist allein, dass es prinzipiell zu Forderungen kommt. Die Exporte und Importe zeigen mit der internationalen Verflechtung auch eine wechselseitige Abhängigkeit. In der Handelsbilanz erfolgt zwar keine Aufgliederung nach den beteiligten Inlandssektoren. Daher ist nicht erkennbar, welcher inländische Sektor jeweils an den Ein- oder Ausfuhren beteiligt ist. Die Entwicklung des Außenhandels wird aber nach zwei Gesichtspunkten aufgegliedert: nach Regionen und nach Warengruppen. Zur regionalen Darstellung wird nach europäischen (EU-Länder, darunter EWU-Länder1 und übrige EU-Länder) und außereuropäischen Ländern unterschieden. Bei den Warengruppen werden Vorleistungs-, Investitions- und Konsumgüter sowie ausgewählte Gruppen (z.B. Maschinen) nachgewiesen. 1

EWU = Europäische Währungsunion (engl.: European Monetary Union, EMU).

200

Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

Der Saldo der Handelsbilanz zeigte in den in Tab. 9-1 nachgewiesenen Jahren den auch langfristig typischen Überschuss. Von den im Jahr 2009 nachgewiesenen Exporten (Spezialhandel) gingen 43,3 % an EWU- und 20,0 % an die übrigen EU-Länder. Bei den Importen war die Struktur ähnlich (40,2 % und 18,6 %). 42,0 %, 30,3 % und 17,7 % der Ausfuhren bestanden aus Investitions-, Vorleistungs- bzw. Konsumgütern, von den Einfuhren entfielen 29,1 % auf Investitions-, 26,8 % auf Vorleistungs- und 20,6 % auf Konsumgüter, Energie machte 11,2 % aus.

c) Die Dienstleistungsbilanz In der Dienstleistungsbilanz (services) werden die Einfuhr (receipts) und die Ausfuhr (expenditure) von Dienstleistungen verbucht. Sie wird auch als Bilanz der „unsichtbaren Ein- und Ausfuhren“ bezeichnet. Die Dienstleistungsbilanz setzt sich aus Dienstleistungen recht unterschiedlicher Art und aus mit diesen eng verbundenen, relativ geringfügigen Warenein- und -ausfuhren zusammen. Im Einzelnen werden laufend die Einnahmen und Ausgaben folgender Transaktionen – differenziert nach Ländergruppen und Ländern – erfasst: •

Reiseverkehr. Hierzu rechnen z.B. die Käufe von Waren und Dienstleistungen (= Ausgaben durch deutsche Touristen im Ausland). • Transportleistungen, insbesondere Personen- und Frachtverkehr. • Versicherungsdienstleistungen, z.B. Transaktionen inländischer Versicherungsunternehmen mit ausländischen Unternehmen. Sie erfahren eine besondere Behandlung insofern, als sie nur (noch) in Höhe ihrer Wertschöpfung (= Verwaltungsleistungen und Ertragskomponenten) erfasst werden. Der größte Teil der Prämien, die Nettoprämie, geht in die laufenden Übertragungen ein. • Sonstige Dienstleistungen wie Regierungsleistungen (z.B. Einnahmen von ausländischen militärischen Dienststellen), Werbe- und Messekosten, Lizenzen und Patente. Ist die Ausfuhr von Dienstleistungen größer (kleiner) als die Dienstleistungseinfuhr eines Landes, spricht man von einer aktiven (passiven) Dienstleistungsbilanz. Auch für die Dienstleistungsbilanz erfolgt die gleiche regionale Gliederung wie in der Handelsbilanz. Die Genauigkeit der Dienstleistungsbilanz ist geringer als die der Handelsbilanz. So werden z.B. die Auslandsausgaben der Touristen aufgrund des Sorten-, Devisen- und Scheckverkehrs, ergänzt durch Stichproben und Plausibilitätsüberlegungen, geschätzt. Fehlende Daten sind auch der Grund dafür, dass Warenkäufe von Touristen im Ausland der Dienstleistungs- und nicht der Handelsbilanz zugerechnet werden. In Deutschland weist die Dienstleistungsbilanz traditionell ein Defizit auf. Das traf auch für den Zeitraum 2007 bis 2009 zu (Tab. 9-1). Hierzu haben insbesondere die Ausgaben des Auslandsreiseverkehrs beigetragen. Der Saldo aus dem Waren- und Dienstleistungsverkehr (balance of merchandise transactions and services) entspricht weitgehend dem Außenbeitrag der VGR in der Verwendungsrechnung des BIP.

9. Kapitel: Die Zahlungsbilanz

201

d) Die Bilanz der Erwerbs- und Vermögenseinkommen Der eigenständige Nachweis der Erwerbs- und Vermögenseinkommen (factor income) in einer Bilanz ist erst jüngeren Datums. Er wurde angesichts der zunehmenden Bedeutung der Kapitalerträge innerhalb der weltweiten außenwirtschaftlichen Leistungstransaktionen zweckmäßig. Zu den hier erfassten Vermögenseinkommen (investment income) rechnen Erträge aus Direktinvestitionen in Form von Dividenden auf Aktien, Zinsen für Kredite und Zinsen für festverzinsliche Wertpapiere u. Ä. Ferner sind in dieser Bilanz die Erwerbseinkommen aus dem bzw. an das Ausland nachgewiesen. Nicht dazu rechnen die Einkommen der Gastarbeiter, die als Inländer gelten. Für 2007 bis 2009 zeigt sich hier ein positiver Saldo.

e) Die Bilanz der laufenden Übertragungen Die Übertragungen werden (wie in den VGR) nach laufenden und Vermögensübertragungen unterschieden. Soweit angenommen wird, dass die Übertragungen wiederkehrend sind und unmittelbaren Einfluss auf das (Verfügbare) Einkommen und den Verbrauch haben, gelten sie als laufend (current transfers). Hierzu rechnen beispielsweise die Zahlungen an die EU. Bei den Vermögensübertragungen (capital transfers) wird angenommen, dass sie „einmalig“ sind und zunächst das Vermögen ändern – so etwa der Erlass von Schulden eines Entwicklungslandes. Für die Zuordnung auf eine der beiden Arten von Übertragungen ist die Ansicht der jeweiligen inländischen Wirtschaftseinheit maßgeblich. So sind für eine Brandschadenversicherung die Versicherungsleistungen laufende Übertragungen, sie gelten für den Leistungsempfänger jedoch als Vermögensübertragung. Folglich müssen die Leistungen inländischer Versicherungsunternehmen an Ausländer als laufende Übertragungen an das Ausland erfasst werden, an Inländer von ausländischen Schadenversicherungen erbrachte Leistungen werden hingegen als empfangene Vermögensübertragungen dargestellt. Die Bilanz der laufenden Übertragungen ist unterteilt in private und öffentliche Leistungen; die Zuordnung richtet sich nach dem beteiligten inländischen Sektor. Zu den privaten Übertragungen rechnen die von ausländischen in Deutschland lebenden Arbeitnehmern an ihre Heimatländer getätigten Überweisungen. Diese Beträge sind besonders bedeutsam1. Sie werden aufgrund von Notenrückflüssen und Befragungen geschätzt. Ferner sind Renten- und Pensionszahlungen und ähnliche Leistungen sowie Unterstützungszahlungen einschließlich privater Entwicklungshilfe von Bedeutung. Die öffentlichen Übertragungen enthalten vor allem die Zahlungen an die und Leistungen von der EU. Hinzu kommen Leistungen an/von sonstige(n) internationale(n) Organisationen, Entwicklungshilfe sowie Renten-, Pensions- und Unterstützungszahlungen.

1

Vor allem für Schwellen- und Entwicklungsländer haben diese privaten Übertragungen (remittances) zum Teil eine höhere Bedeutung als Zuflüsse in Form von Entwicklungshilfe (siehe hierzu Chami/Barajas 2008).

202

Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

In der Bilanz der laufenden Übertragungen liegt ein Überschuss (ein Defizit) vor, und es wird mit einem Plus (Minus) verbucht, wenn die vom Ausland geleisteten Übertragungen größer (kleiner) als die an das Ausland geleisteten Übertragungen waren. Tab. 9-1 zeigt, dass für Deutschland im Zeitraum 2007 bis 2009 die Bilanz der laufenden Übertragungen durchgängig defizitär war. Hierzu haben maßgeblich die Nettobeiträge zum EU-Haushalt und die von ausländischen Arbeitskräften geleisteten Überweisungen beigetragen.

f) Die Vermögensübertragungsbilanz In der Bilanz der Vermögensübertragungen (balance of capital transfers) werden Einnahmen und Ausgaben aus Vermögensübertragungen sowie der Kauf und Verkauf von nichtproduzierten Vermögensgütern nachgewiesen. Vermögensübertragungen werden aus Sicht der Inländer als einmalig und damit als vermögensverändernd betrachtet. Beispiele sind Schuldenerlasse, Erbschaften, Schenkungen, Erbschaft- und Schenkungsteuern sowie bestimmte Investitionszuschüsse, aber auch Vermögensmitnahmen von Aus- bzw. Einwanderern und bestimmte Teile der Entwicklungshilfe. Auch Zuschüsse aus dem EU-Fonds für Infrastrukturmaßnahmen werden hier erfasst. Quantitativ ist diese Bilanz in Deutschland von geringer Bedeutung.1

g) Die Kapitalbilanz Die Kapitalbilanz (financial account) enthält alle Kapitalbewegungen, d.h. Änderungen in den Beständen der Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber Ausländern2. Abb. 9-2 zeigt analog zu Abbildung 9-1 die Struktur der einzelnen Teilsalden der deutschen Kapitalbilanz im Zeitraum 2000 bis 2009. Kapital3 im Sinne der Kapitalbilanz sind alle Auslandsaktiva und -passiva der Bundesrepublik Deutschland, d.h. alle auf Geld lautenden Forderungen und Verbindlichkeiten von Inländern gegenüber Ausländern sowie sonstige Vermögenswerte mit Anlagecharakter, die Inländer im Ausland bzw. Ausländer im Inland haben, beispielsweise Unternehmensbeteiligungen, Zweigniederlassungen und Betriebsstätten, Grundstücke und Gebäude. Als Transaktionen in Kapitalanlagen gilt der Übergang des Eigentums an solchen Werten einschließlich der Schaffung neuer und der Liquidation bestehender Anlagen. Nicht-transaktionsbedingte Bestandsänderungen, etwa infolge von Wechselkursänderungen, Beschlagnahme oder Enteignung oder aufgrund von Abschreibungen infolge der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, gehören nicht in die Zahlungsbilanz.

1 2

3

Anders ist dies für kleine Entwicklungsländer, z.B. bei einem Schuldenerlass. Seit 2006 werden die Transaktionen der Zentralbank nicht mehr institutionell ausgegliedert. Statt in einer eigenen Bilanz wird die „Veränderung der Währungsreserven der Deutschen Bundesbank“ als Unterposition in den Kapitalverkehr einbezogen. Vgl. zum Folgenden Deutsche Bundesbank (1992).

9. Kapitel: Die Zahlungsbilanz

203

Abb. 9-2 Struktur der deutschen Kapitalbilanz Salden der Teilbilanzen1 in Mrd Euro WR

300

ÜKV

WP

FDI

200 100 0 -100 -200 -300 2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

2009

1

WR: Veränderung der Währungsreserven; ÜKV: Saldo des übrigen Kapitalverkehrs (z.B. Kredite der Monetären Finanzinstitute); WP: Saldo der Wertpapiertransaktionen und Finanzderivate; FDI: Saldo der Direktinvestitionen.

Quelle: Deutsche Bundesbank, Monatsbericht November 2010, S. 6-7.

Von einem Kapitalimport spricht man, wenn es entweder zu einer Zunahme der Verbindlichkeiten gegenüber dem Ausland oder zu einer Abnahme der Forderungen gegenüber dem Ausland kommt. Kapitalimporte verringern eine positive Nettoposition (Saldo aus Forderungen und Verbindlichkeiten) gegenüber dem Ausland. Beispiele: Import ausländischer Waren auf Ziel; Erwerb von Bundesanleihen durch Ausländer. Ein Kapitalexport liegt vor, wenn eine Zunahme der Forderungen oder eine Abnahme der Verbindlichkeiten gegenüber Ausländern erfolgt. Eine positive Nettoauslandsposition nimmt somit zu. Beispiele: Warenexport mit Kreditvergabe an das Ausland; Erwerb ausländischer Anlagen durch Inländer; Zunahme der Devisen. Devisen im Besitz von Inländern sind Forderungen gegenüber dem Ausland. Die Abnahme der Forderungen – z.B. durch Reiseausgaben im Inland – wird als negativer Kapitalexport mit einem Minuszeichen verbucht. In der Kapitalbilanz (ebenso Devisenbilanz) sind – im Gegensatz zu anderen Teilbilanzen – Plus- und Minusbuchungen möglich: Plusbuchungen bei Zunahme der Verbindlichkeiten und Abnahme der Forderungen, Minusbuchungen bei Zunahme der Forderungen und Abnahme der Verbindlichkeiten. Ist die Zunahme der Forderungen gegenüber dem Ausland größer als die Zunahme der Verbindlichkeiten, liegt ein (mit einem Minuszeichen gekennzeichneter) Nettokapitalexport vor. Veränderungen im Saldo der Kapitalbilanz treten nur auf, wenn sie durch die Leistungs- oder Vermögensübertragungsbilanz induziert sind. Reine Finanztransaktionen beeinflussen die Höhe der Nettoposition gegenüber dem Ausland und damit den Saldo der Kapitalbilanz nicht. Beispiel: Erwerb von Beteiligungen im Ausland durch deutsches Unter-

204

Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

nehmen; Finanzierung durch Abbau von Bankguthaben im Ausland. Durch den Vorgang werden beide Seiten der Kapitalbilanz in gleicher Höhe angesprochen. Die Kapitalbilanz wird funktional in folgende Hauptkategorien unterteilt: • Direktinvestitionen (direct investment); sie umfassen neben grenzüberschreitenden Unternehmensbeteiligungen (in Form von Aktien und anderen Kapitalanteilen sowie langfristigen Darlehen) von 10 % und mehr des Kapitals oder der Stimmrechte auch die kurzfristigen Finanzbeziehungen zwischen Konzernunternehmen. Auch reinvestierte Gewinne und von Eignern zur Verfügung gestellte Kreditmittel rechnen zu den Direktinvestitionen. Außerdem werden der grenzüberschreitende Erwerb und die Veräußerung von Immobilien den Direktinvestitionen zugeordnet. Grundgedanke dabei ist, jene wirtschaftlichen Beziehungen zusammenzufassen, die ihrer Natur nach durch ein besonders intensives unternehmerisches Engagement geprägt sind. Direktinvestitionen stellen also ein breites Spektrum an Anlagen in fremden Wirtschaftsgebieten dar. Die tatsächliche Verwendung des Kapitals (z.B. realwirtschaftliche Investition oder Übernahme eines Unternehmens) spielt keine Rolle. • Wertpapieranlagen (portfolio investment); sie bestehen in Portfolioinvestitionen, d.h. Anlagen in langfristigen Schuldverschreibungen und in Dividendenpapieren, soweit sie nicht zu den Direktinvestitionen zählen. Ferner werden hier auch Anteile an Geldmarktfonds (als Teil der Investmentfonds) und Geldmarktpapiere (früher im kurzfristigen Kapitalverkehr) einbezogen. Im Unterschied zu den Direktinvestitionen strebt der Kapitalgeber hier keine Unternehmenskontrolle an; im Vordergrund steht die Ertragserzielung. • Finanzderivate (financial derivatives); es handelt sich hier um verbriefte und nicht verbriefte Optionen sowie Finanztermingeschäfte. Die Position wird getrennt von den Wertpapieranlagen nachgewiesen, weil es sich vielfach um Produkte handelt, die nicht auf organisierten Märkten gehandelt werden. Auch sind Zahlungen im Zusammenhang mit Derivaten nicht notwendigerweise mit dem Erwerb oder der Veräußerung eines Wertpapieres verbunden. Hier werden auch alle Zahlungen im Zusammenhang mit Zinsswaps ausgewiesen1. • Übriger Kapitalverkehr (other investment); hier sind recht unterschiedliche Finanztransaktionen außerhalb der Wertpapieranlagen und der Direktinvestitionen zusammengefasst. Sie enthalten Finanz- und Handelskredite, Bankguthaben und sonstige Anlagen und reichen von den kurz- und langfristigen Finanzbeziehungen inländischer Unternehmen und Privatpersonen zum Ausland über die ausländischen Kreditbeziehungen des Staates bis hin zu den vielfach wohl eher „ausgleichenden“ Auslandstransaktionen der Banken. Beim Staat werden vor allem Entwicklungshilfekredite sowie Beteiligungen an internationalen Organisationen einschließlich internationaler und regionaler Entwicklungsbanken verbucht. Der größte Posten betrifft die Monetären Finanzinstitute (ohne Bundesbank). • Die Veränderung der Währungsreserven der Deutschen Bundesbank zu Transaktionswerten (changes in the BBk’s monetary reserves at transaction values) 1

Zinsswaps bestehen in dem Tausch von Festzins- durch variabel verzinste Verpflichtungen.

9. Kapitel: Die Zahlungsbilanz

205

erfährt einen gesonderten Nachweis, der mit den besonderen Aufgaben und Befugnissen der Bank im Zahlungsverkehr mit dem Ausland und mit der Höhe der Beträge begründet wird, die dabei durch die Bücher der Bank gehen. Allerdings ist der Umfang der in dieser Teilbilanz gesondert nachgewiesenen Transaktionen seit Eintritt in die Europäische Währungsunion (1999) eingeschränkt. Währungsreserven umfassen neben dem Goldbestand und der Reserveposition beim Internationalen Währungsfonds (IWF) „nur noch Forderungen in Fremdwährung gegenüber Gebietsansässigen außerhalb des Euro-Währungsgebiets. Damit werden alle Auslandsforderungen der Bundesbank gegenüber Gebietsansässigen der Teilnehmerländer der Währungsunion – unabhängig davon, in welcher Währung sie denominiert sind – aus den Währungsreserven herausgelöst und den sonstigen Auslandsaktiva der Bundesbank zugeordnet. Auch die Forderungen der Bundesbank gegenüber der Europäischen Zentralbank aus der Übertragung eines Teils der nationalen Währungsreserven zählen nicht zu den Währungsreserven. Die Entwicklung der Goldbestände der Zentralbank1 wird hier erfasst, weil Währungsgold die wirtschaftliche Funktion des Zahlungsmittels erfüllt. Es wird von allen Zentralbanken der Welt zur Tilgung internationaler Devisenforderungen akzeptiert. Zu beachten ist, dass dem Gold keine spezielle Verbindlichkeit eines anderen Landes gegenübersteht. Devisen sind kurzfristige Forderungen (wie z.B. Wechsel, Schecks, Sichteinlagen) gegen Ausländer im Besitz von Inländern. Sorten sind ausländische Banknoten und Münzen in Händen von Inländern. Bei der Position „Devisen und Sorten“ handelt es sich vorwiegend um US-Dollar-Guthaben und liquidierbare Dollar-Anlagen. Andere – vor allem europäische Währungen – werden in nur sehr geringen Beträgen gehalten. Die Reserveposition beim IWF besteht in Guthaben beim IWF, durch welche ein Land jederzeit bedingungslose Rückgriffsmöglichkeit auf andere Währungen im Besitz des Fonds hat. Bei Zunahme der Reserven – also einer Zunahme der Nettoauslandsaktiva der Bundesbank, erfolgt die Buchung wie sonst auch bei einem Kapitalexport – mit einem Minuszeichen. Die Veränderung aller Forderungen und Verbindlichkeiten der Bundesbank, soweit sie nicht „eigentliche“ Währungsreserven darstellen, werden im Rahmen des Kapitalverkehrs (vor allem Kreditverkehrs) unter den entsprechenden Instrumenten ausgewiesen. Hierzu rechnen vor allem die nichtverbrieften Einlagen anderer Währungsbehörden und internationaler Organisationen bei der Bundesbank2. Der Kapitalverkehr wird mit den gleichen Kriterien wie in der Handels- und Dienstleistungsbilanz nach regionalen Schwerpunkten aufgegliedert. So ist dargestellt, in welchem Umfang deutsche Anlagen im Ausland bei den Direktinvestitionen, Wertpapierverkehr und Kreditverkehr in Ländern innerhalb und außerhalb der EWU getätigt bzw. Anlagen aus diesen Ländergruppen und einzelnen Ländern in Deutschland stattfanden. Deutschland hatte in den nachgewiesenen Jahren einen Netto-Kapitalexport. 1

2

Warengoldtransaktionen der Unternehmen werden als Exporte bzw. Importe in der Handelsbilanz erfasst. Eine Erhöhung der Nettoauslandsaktiva der Bundesbank resultiert aus einem Leistungsbilanzüberschuss oder einem Nettokapitalimport der Nichtbanken und Kreditinstitute. Daher ist der formale Ausgleich der Zahlungsbilanz gewährleistet. Da die Zentralbank nur transaktionsbedingte Bestandsänderungen darstellt, werden bewertungsbedingte Veränderungen der Währungsreserven nur durch einen Vergleich der Zentralbankbilanzen erkannt.

206

Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

h) Saldo der statistisch nicht aufgliederbaren Transaktionen (Restposten) Sind die Transaktionen vollständig und richtig in einem geschlossenen Kontensystem gebucht, muss die Gesamtbilanz stets ausgeglichen sein. Allerdings können Teilbilanzen Salden aufweisen. Wenn vom Saldo der Zahlungsbilanz (oder von aktiver bzw. passiver Zahlungsbilanz, Zahlungsbilanzüberschüssen bzw. -defiziten) gesprochen wird, so ist daher stets der Saldo einer Teilbilanz gemeint, wobei in erster Linie auf die Leistungsbilanz oder auch auf die Veränderung der Netto-Auslandsposition der Bundesbank abgestellt wird. Bei vollständiger und fehlerfreier Verbuchung müssen sich die Salden der Leistungs- (ergänzt um den Saldo der Vermögensübertragungen) einerseits und der Saldo der Kapitalbilanz (einschließlich der Veränderung der Währungsreserven der Bundesbank) andererseits wertmäßig entsprechen. Dieser Ausgleich wird aber für die Gesamtbilanz nie erreicht, da die Angaben der Zahlungsbilanz aus verschiedenen, nicht aufeinander abgestimmten Quellen stammen und Erfassungslücken, -fehler und Bewertungsdifferenzen unvermeidlich sind. Vollständigkeit wäre allenfalls bei lückenloser Erfassung, d.h. vollständiger Kontrolle des Außenwirtschaftsverkehrs, möglich. Das Prinzip der doppelten Verbuchung in der Zahlungsbilanz lässt sich praktisch nur auf den Aufbau des Kontensystems, nicht aber auf die Buchungsvorgänge anwenden. So lassen sich meist die Leistungs- und die Finanzseite bestimmter Transaktionen nicht gleichzeitig ermitteln: Die Angaben der vom Statistischen Bundesamt geführten Außenhandelsstatistik über den Warenverkehr geben z.B. keinen Aufschluss über die Finanzierung der Ein- und Ausfuhr. Hinzu kommt, dass die Ein- und Ausfuhr zum Zeitpunkt des Überschreitens der Grenze erfasst werden, die Zahlungen in der Regel aber erst zu einem anderen Zeitpunkt gebucht werden können. Ebenso wenig ist aus den Meldungen deutscher Kreditinstitute an die Bundesbank zu entnehmen, welcher Warenverkehr mit dem jeweiligen finanziellen Vorgang verbunden ist. Ferner sind für Zahlungen an das bzw. vom Ausland Meldefreigrenzen vorgesehen. Die Folge sind dann jene Differenzen in der Zahlungsbilanz, die sich aus den Salden der Leistungsbilanz einerseits sowie dem von der Bundesbank aus der eigenen Bilanz genau zu ermittelnden Saldo der zentralen Währungsreserven und der Summe der restlichen Teile der Kapitalbilanz andererseits ergeben. Sie werden im Saldo der statistisch nicht aufgliederbaren Transaktionen (balance of unclassifiable transactions), kurz: Restposten, zum rechnerischen Ausgleich der Gesamtbilanz eingefügt. Ökonomisch ist der Restposten als Teil der Kapitalbilanz zu interpretieren. Verändern sich etwa die Zahlungsgewohnheiten, indem ausländische Importeure schleppender zahlen, liegt hier faktisch ein Handelskredit der Exporteure vor, der aber statistisch nicht zu erfassen ist. Die Deutsche Bundesbank versucht, durch intensive Nachforschungen, Schätzungen anhand ergänzender Informationen, Repräsentativerhebungen usw., den Restposten der deutschen Zahlungsbilanz so klein wie möglich zu halten. Diese Anstrengungen sind allerdings nur begrenzt erfolgreich1. Tab. 9-1 zeigt, dass 2007 bis 2009 der Restposten 1

Vgl. hierzu beispielsweise die statistisch-methodischen Effekte in der Außenhandelsstatistik durch die Osterweiterung und die Darstellung der grenzüberschreitenden Bargeldtransaktionen in

9. Kapitel: Die Zahlungsbilanz

207

zwischen +12,6 und +34,3 Mrd Euro schwankte. Bei fehlenden Einnahmen hat der Restposten einen positiven, bei fehlenden Ausgaben einen negativen Wert.

5. Veröffentlichungsrahmen, Revisionen und Datengrundlage Die deutsche Zahlungsbilanz wird monatlich veröffentlicht, und mehrfach werden die Ergebnisse in den folgenden Monatsberichten und im Geschäftsbericht korrigiert. Insbesondere nach umfassenderen Revisionen veröffentlicht die Bundesbank auch lange Reihen. Die umfassenden Revisionen drücken das Ergebnis von Bestrebungen der Bundesbank aus, die Zahlungsbilanzstatistik weiter zu verbessern, d.h. insbesondere Erfassungslücken zu schließen und Schätzmethoden zu verfeinern. Darüber hinaus ist die Weiterentwicklung des vom IWF vorgegebenen Rahmens für die deutsche Zahlungsbilanz maßgeblich. Im Hinblick z.B. auf die Revision von 1987 führte die Deutsche Bundesbank (1988, S. 53) aus: „In letzter Zeit sind – u.a. auch im Zusammenhang mit den internationalen Bemühungen, das aufgrund statistischer Erfassungsmängel in der Weltleistungsbilanz ausgewiesene Defizit zu erklären – eine Reihe von Ergänzungen vorgenommen worden, die nunmehr in die Zahlungsbilanzstatistik eingearbeitet wurden“. Durch „einige der jetzt beseitigten Erfassungslücken verändern sich die Ergebnisse der Zahlungsbilanzstatistik bis zurück in die 1950er-Jahre“. Die Angaben der Zahlungsbilanz beruhen weitgehend auf folgenden Quellen: Amtliche Außenhandelsstatistik des Statistischen Bundesamtes sowie Erhebungen und Berechnungen der Deutschen Bundesbank, zu Letzteren gehören die Statistik des Auslandszahlungsverkehrs, der Auslandsstatus der Banken und der Auslandsstatus der Nichtbanken und ein internes Rechenwerk der Deutschen Bundesbank. Das Statistische Meldesystem über den Auslandszahlungsverkehr verpflichtet jeden Inländer, an das Ausland geleistete oder von dort empfangene Zahlungen an die Deutsche Bundesbank zu melden. Es stellt die grundlegende Quelle für die Erstellung der deutschen Zahlungsbilanz dar. Während zuvor die Daten für den Reiseverkehr auf indirektem Wege insbesondere über Banken und Kreditkartengesellschaften erhoben wurden, beruht die Ausgabenseite seit 2001 auf einer Direktbefragung von Reisenden auf Basis einer Haushaltsstichprobe.

6. Interpretation und Verwendung der Zahlungsbilanzergebnisse Bereits vor dem Ausbruch der globalen Finanzmarkt- und Weltwirtschaftskrise, die vor allem im Winterhalbjahr 2008/2009 zu einer starken Beeinträchtigung führte, fand der Zahlungsbilanz (Deutsche Bundesbank, Monatsbericht März 2005, S. 30 und S. 39). Im letzten Fall geht es beispielsweise um Bargeldmitnahmen von Saison- und Gastarbeitern. Wegen unzureichender statistischer Erfassungsmöglichkeiten wird darauf verzichtet, derartige Bargeldtransaktionen und ihre Gegenbuchung in die Zahlungsbilanz (und in den Auslandsvermögensstatus) einzustellen. Für zwei Teilbereiche, nämlich die Reiseverkehrsausgaben von Gebietsansässigen und die Versendung von Euro-Banknoten ins Ausland, gibt es allerdings statistische Informationen.

208

Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

eine breite Diskussion über globale Ungleichgewichte statt.1 Den Hintergrund bildete in erster Linie das wachsende Leistungsbilanzdefizit der USA auf der einen Seite und die Leistungsbilanzüberschüsse in Japan, China und Deutschland auf der anderen Seite. Abb. 9-3 veranschaulicht dies für den Zeitraum 1991 bis 2009 auf Basis von Daten des IMF.2 Im Gefolge der Schuldenproblematik in einigen Mitgliedsländern der Europäischen Währungsunion standen auch die Leistungsbilanzungleichgewichte innerhalb des Euroraums zur Diskussion (siehe Sachverständigenrat 2010, S. 66 ff. und Deutsche Bundesbank, Monatsbericht Juli 2010). Bemerkenswert ist, dass diese Entwicklung in Deutschland mit der Einführung des Euro einhergeht. Abb. 9-3 Globale Leistungsbilanzsalden; in Mrd US-Dollar 1.000 800

China

USA

Japan

Deutschland

600 400 200 0 -200 -400 -600 -800 -1.000 1991

1993

1995

1997

1999

2001

2003

2005

2007

2009

Quelle: IMF, World Economic Outlook Database, Oktober 2010; eigene Darstellung.

Die Zahlungsbilanz ist zunächst einmal insofern bedeutsam, als sie systematisch Informationen über den Grad der internationalen Verflechtung der heimischen Volkswirtschaft mit dem Ausland gibt. Bei Vorliegen von Angaben über mehrere Jahre ermöglicht sie auch einen Überblick über zeitliche Entwicklungen und Strukturwandel der internationalen Transaktionen. Die Zahlungsbilanz oder ihre Teilbilanzen lassen ebenso wenig wie andere ex post-Rechnungen eine Aussage darüber zu, ob ein Gleichgewicht vorliegt. Das ist ein theoretischer Begriff der ex ante-Analyse. Die Begriffe Überschuss oder Defizit der Zahlungsbilanz oder unausgeglichene Zahlungsbilanz beziehen sich regelmäßig auf Teilbilanzen, ohne dass Einigkeit darüber besteht, welche maßgeblich sein sollen. Ihre Beurteilung hängt von den theoretischen Konzepten ab, die der jeweiligen Zusammenfassung der Daten zugrunde liegen. Die Positionen der nationalen Zahlungsbilanz sind nicht die Grundlage einer nationalen deutschen Geldpolitik. Diese ist mit Beginn der Europäischen Währungsunion 1 2

Siehe die halbjährlichen Ausgaben des World Economic Outlook des IMF. Der deutsche Leistungsbilanzüberschuss ist selbstverständlich nicht als direkte Gegenbuchung zum Leistungsbilanzdefizit der USA zu verstehen.

9. Kapitel: Die Zahlungsbilanz

209

(EWU) auf die Europäische Zentralbank (EZB) übergegangen. So sind auch praktisch keine nationalen Transaktionen zum Zwecke des Ausgleichs von Angebot und Nachfrage auf dem Devisenmarkt möglich. Aufgabe der Zahlungsbilanzanalyse ist es, die hinter der Zahlungsbilanzdarstellung liegenden Entwicklungen und ihre Ursachen aufzuspüren. Dabei liefert die Zahlungsbilanz nicht nur Informationen über die außenwirtschaftlichen Verhältnisse eines Landes, sondern auch über die ökonomische Situation in einem Land. In einem ersten Schritt werden häufig verschiedene Bilanzpositionen zusammengefasst: „Über dem Strich“ stehen Posten, von denen angenommen wird, sie hätten den Überschuss oder das Defizit verursacht, „unter dem Strich“ stehen jene Posten, die den Finanzausgleich herbeigeführt haben könnten. Aus dem oben Gesagten folgt allerdings, dass es keine eindeutige und allgemein akzeptierte Antwort auf die Frage gibt, wo man den Strich zieht, auf welche Salden es also ankommen soll. So werden beispielsweise die Positionen der Leistungsbilanz und der Kapitalbilanz 1 mit dem Ziel gegenübergestellt, Informationen über die Entwicklung der Nettoposition gegenüber dem Ausland zu interpretieren. Zur Analyse fasst die Bundesbank auch die Bilanzen der Dienstleistungen, Erwerbs- und Vermögenseinkommen sowie laufenden Übertragungen als „unsichtbare“ Leistungstransaktionen zusammen und stellt sie (bzw. ihre Salden) der Handelsbilanz gegenüber. Allerdings genügen solche einfachen, generell angewendeten Rechenoperationen in der Regel nicht dem Erkenntnisziel. Allgemein gilt: Darstellungen von Teilbilanzen verschiedener Zusammensetzung sind keine Erklärung für die Ursachen einer Entwicklung. Sie können allenfalls erste Anhaltspunkte für eine Analyse in dieser Richtung geben. Die Vorzeichen einzelner Positionen der Zahlungsbilanz lassen sich durchaus unterschiedlich beurteilen. So können etwa hohe Handelsbilanzüberschüsse als notwendig angesehen werden, wenn gleichzeitig die restlichen Positionen der Leistungsbilanz hohe Defizite aufweisen und eine ausgeglichene Leistungsbilanz angestrebt wird. Die Überschüsse können aber auch unerwünscht sein, wenn keine Kompensation in den übrigen Teilen der Leistungsbilanz eintritt und an mögliche inflationäre Folgen des geringeren Güterangebots im Inland gedacht wird. Ein Überschuss in einer Teilbilanz ist also nicht immer günstig, ein Defizit daher auch nicht notwendig ungünstig für ein Land. Letzten Endes kommt es auf die gesamte wirtschaftliche Lage eines Landes an, die ja nicht allein durch die Zahlungsbilanz charakterisiert wird. Für die Diagnose außenwirtschaftlicher Ungleichgewichte ist der saldenmechanische Zusammenhang zwischen der Leistungsbilanz (zunächst ohne laufende Übertragungen) einerseits und dem inländischen Sparen sowie den Investitionen andererseits von Bedeutung. Es gilt nämlich2:

1

2

Vereinfachend wird hier explizit von Vermögensübertragungen abgesehen. Der Saldo der Vermögensübertragungen gegenüber der übrigen Welt kann aber auch mit dem Sparen zusammengefasst werden. Zum Folgenden vgl. Deutsche Bundesbank, Monatsbericht Mai 1996 und Januar 2001.

210

Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

Saldo der Leistungsbilanz = gesamtwirtschaftliches Sparen – (Netto-)Investitionen Die Beziehung ergibt sich, wenn man von der Verwendung des Nettonationaleinkommens (Y) für Konsum (C), Nettoinvestitionen (N) und Außenbeitrag (X-M) ausgeht1. (9-1) Y = C + I + X – M Das Nettonationaleinkommen wird entweder verbraucht, investiert oder exportiert. Sofern C + I + X größer als die im Inland erzeugten Einkommen sind, muss die Lücke durch Importe geschlossen werden: (9-2) Y + M = C + I + X Es kann also nur so viel verwendet werden, wie die Volkswirtschaft aus eigener Kraft (Y) leistet bzw. ihr aus dem Ausland (M) zufließt. Oder anders geschrieben: (9-3) X – M = Y – (C+ 1) Der Außenbeitrag (X – M) entspricht demnach der Differenz aus dem Nationaleinkommen und der inländischen Absorption, d.h. der inländischen Güternachfrage (C + I). Für das gesamte Sparen gilt unter Berücksichtigung von LÜ, dem – hier angenommenen negativen – Saldo der geleisteten laufenden Übertragungen gegenüber der übrigen Welt: (9-4) S = Y – (C + LÜ) Aus (9-3) und (9-4) folgt (9-5) X – M – LÜ = S – 1 Die linke Seite erfasst hier den Saldo der Leistungsbilanz und die rechte Seite die Differenz aus Sparen und Investitionen. Bei ausgeglichener Leistungsbilanz (X – M – LÜ = 0) sind Sparen und Investitionen gerade gleich hoch. Nur hier gilt also die Beziehung wie in der geschlossenen Volkswirtschaft: I = S. In der Regel fallen beide um den Leistungsbilanzsaldo auseinander. Bei S > I steht dem Sparen nicht nur eine Erhöhung ihres Kapitalstocks, sondern auch der Erwerb von Auslandsvermögen gegenüber. Dieser Sparüberschuss, der einem Überschuss der Leistungsbilanz und einem Defizit der Kapitalbilanz entspricht, kann auf inländischer Investitionsschwäche, starkem Sparen z.B. wegen der demografischen Entwicklung und ihren negativen Folgen für die Renten oder bei ölexportierenden Ländern als Geldvermögensbildung für den Fall der Erschöpfung der Vorräte zurückzuführen sein. Die Bedeutung des öffentlichen Budgets wird ersichtlich, wenn man S und I als Ergebnis privater Spar- und Investitionsentscheidungen interpretiert und den Finanzie1

X – M wird hier unter Einschluss der Faktoreinkommensbilanz verstanden.

9. Kapitel: Die Zahlungsbilanz

211

rungssaldo des Staates (T – G), also die Differenz seiner Einnahmen und Ausgaben berücksichtigt1. Dann gilt (9-6) (S – I) + (T – G) = X – M – LÜ = ΔVA Die Summe aus privatem Finanzierungssaldo (S – I) und öffentlichem Finanzierungssaldo (T – G) ist – nach Berücksichtigung von LÜ – gleich dem Leistungsbilanzsaldo, der seinerseits der Veränderung der Nettoposition gegenüber dem Ausland (ΔVA) entspricht2. Ein Defizit der Leistungsbilanz kann gemäß Gleichung 9-6 als „Sparlücke“ interpretiert werden, d.h. das private Sparen ist (nach Berücksichtigung von LÜ) bei gegebenem Umfang der privaten Investitionen und des öffentlichen Defizits zu niedrig. Allerdings kann eine solche Sparlücke unterschiedlich bewertet werden, je nachdem, ob das Defizit auf private Investitionen zurückzuführen ist, die das inländische Sparaufkommen übersteigen, oder beispielsweise auf ein durch überhöhte öffentliche Ausgaben bedingtes Defizit. Während im ersten Fall das Produktionspotenzial (und damit auch die Fähigkeit zur Schuldenbedienung) zunehmen kann3, lebt ein Land im zweiten Fall sozusagen von der ,Substanz’, denn den steigenden Auslandsschulden stehen keine realen Gegenwerte im Inland gegenüber (Deutsche Bundesbank 1992, S. 13). So steht etwa hinter dem Leistungsbilanzdefizit der USA in der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre eine andere Entwicklung als seit dem Jahr 2000 (siehe Grömling 2005b). In den späten 1990er-Jahren überstiegen die privaten Investitionen das Sparen. Der Kapitalbilanzüberschuss spiegelte starke Zuflüsse an Direktinvestitionen wider. Der staatliche Haushalt wies zum Teil sogar Überschüsse auf. Dagegen erklärte sich ab dem Jahr 2000 das Leistungsbilanzdefizit auch durch ein wachsendes staatliches Haushaltsdefizit. Wie in den 1980er-Jahren liegt in den USA ein sogenanntes Zwillingsdefizit vor. China, die ölexportierenden Länder und Deutschland weisen hohe Leistungsbilanzüberschüsse und hohe Sparquoten auf, die USA dagegen hohe Leistungsbilanzdefizite und eine niedrige Sparquote. Der Konsum der USA wird mithin durch jene Länder finanziert, die Leistungsbilanzüberschüsse generieren, denn die Salden der Leistungsbilanzen müssen sich weltweit (prinzipiell) auf null addieren. So muss jedem deutschen Export ein Import anderer Länder gegenüberstehen, und jeder Zunahme an deutschen Forderungen eine Zunahme der Verbindlichkeiten anderswo. Die hohen Leistungsbilanzüberschüsse können als Ausdruck hoher internationaler Wettbewerbsfähigkeit der (deutschen) Wirtschaft angesehen werden. Dies resultiert in 1

2

3

Für den gesamten Saldo auf der linken Seite ändert sich hierdurch nichts, weil der erste Term um den Betrag zunimmt, um den der zweite Term kleiner wird. Die Beziehung ist schon – abgesehen von LÜ – aus Gleichung (3-9) bekannt. Bei dieser Betrachtung werden öffentliche Investitionen nicht berücksichtigt. Die Kapitalimporte können aber auch, selbst wenn sie zu Investitionen führen, ineffizient genutzt werden. So haben sie in Irland und Spanien zu einem Bauboom geführt.

212

Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

einem hohen Maß aus der Spezialisierung auf moderne Industriegüter, wie zum Beispiel Investitionsgüter, die im Gefolge des enormen und durch die Krise nur kurz unterbrochenen globalen Investitionsbooms stark nachgefragt wurden. Dabei verlagert sich das Ausfuhrgewicht Schritt für Schritt hin zu den Schwellen- und Entwicklungsländern. Insgesamt hat sich Deutschland auf den Weltmärkten gut durchgesetzt, indem es mehr an Waren und Dienstleistungen im Ausland verkauft hat, als es von dort bezog. Ein hoher Leistungsbilanzüberschuss kann auch darauf hinweisen, dass die Aufteilung des Sparens in Inlands- und Auslandsanlagen stark zu Lasten des Inlands geht. Daraus ergibt sich ein eher ungünstiges Standorturteil: Investitionen im Inland sind weniger attraktiv. Diese Einschätzung scheint auch der Saldo der Direktinvestitionen (Überschuss der deutschen Anlagen im Ausland) zum Ausdruck zu bringen. Unterstellt man, dass die Wirtschaftssubjekte bei der Aufstellung ihrer Konsumund Investitionspläne zukünftige Einkommen und Renditen berücksichtigen und in der Lage sind, ihre Konsumströme intertemporal zu glätten, dann reflektiert der Leistungsbilanzüberschuss ein Optimierungskalkül der Wirtschaftssubjekte. Indem sie, z.B. bedingt durch eine attraktive Verzinsung, heute sparen und in Zukunft entsparen, halten sie Gegenwartskonsum im Vergleich zu zukünftigem Konsum für weniger attraktiv. Dies kann auch vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung in Deutschland – also der rückläufigen und im Durchschnitt älter werdenden Bevölkerung – eine effiziente Strategie sein. Durch den gegenwärtigen Kapitalexport und der damit einhergehenden Vermögensbildung im Ausland können künftig Vermögenseinkommen aus dem Ausland bezogen werden. Die Angaben der (nationalen) Zahlungsbilanz bilden eine Grundlage auch für die Wirtschaftspolitik, weil einerseits finanz- und wettbewerbspolitische Maßnahmen häufiger durch Faktoren beeinflusst werden, die ihren Niederschlag in der Zahlungsbilanz finden, andererseits aber auch internationale Rückwirkungen auslösen, die sich wiederum auf die Zahlungsbilanz auswirken. Ein Beispiel, wie sich wirtschaftspolitische Maßnahmen auf die Kapitalbilanz auswirken, liefert die zum 1. Januar 2004 in Kraft getretene Änderung des Körperschaftsteuergesetzes (Deutsche Bundesbank, Monatsbericht März 2004, S. 50-53). Die zuvor bestehende steuerliche Begünstigung inländischer Anteilseigner gegenüber ausländischen Anteilseignern an inländischen Kapitalgesellschaften bei der Gesellschafter-Fremdfinanzierung und außerdem das besondere Steuerprivileg für Holdinggesellschaften wurden abgeschafft. Um die Finanzierungsstruktur ihrer deutschen Holdings an die vom 1. Januar 2004 an geltenden gesetzlichen Rahmenbedingungen anzupassen, verringerten die ausländischen Muttergesellschaften bereits zum Jahresende hin ihren Fremdkapitalanteil, indem sie langfristige Kredite in Höhe von 14 ½ Mrd. Euro zurückriefen, die sie zuvor ihren in Deutschland ansässigen Niederlassungen zur Verfügung gestellt hatten. Gleichzeitig legten sie einen Großteil dieser Gelder in Form von Beteiligungskapital wieder bei ihren verbundenen Unternehmen im Inland an, wodurch sie im Ergebnis deren Eigenkapitalanteil erhöhten. In der Wirtschafts- und Finanzkrise seit 2007 wurde die Bedeutung gerade des kurzfristigen Kapitalverkehrs (Portfolioinvestitionen) deutlich. Er beschreibt Finanzströme, die weltweit schnell umgeleitet werden können, also besonders volatil sind, und

9. Kapitel: Die Zahlungsbilanz

213

Wechselkurse und Zinssätze Spekulationsattacken aussetzen und die Finanzierungsspielräume von Staaten massiv beeinträchtigen können. Sie stellen sehr stark autonome Kapitalbewegungen dar, also reine Finanztransaktionen ohne Gegenbuchung in der Leistungsbilanz.

7. Ergänzung der Zahlungsbilanz: Die Darstellung des Auslandsvermögens Der Auslandsvermögensstatus1 gibt Aufschluss über die deutschen Auslandsforderungen und -verbindlichkeiten zu einem bestimmten Stichtag. Zwischen dieser Statistik als Bestandsrechung und der Zahlungsbilanz als Stromrechnung besteht ein Zusammenhang (Abb. 9-4): Der Saldo der Leistungsbilanz zeigt zusammen mit dem Saldo der Vermögensübertragungen, in welchem Ausmaß die laufenden Transaktionen mit dem Ausland den Bestand an Auslandsaktiva oder -passiva verändern. Eine positive (negative) Summe aus den Salden von Leistungsbilanz und Vermögensübertragungen führt hier transaktionsbedingt zu einer Erhöhung (Verminderung) des Auslandsvermögens. Der Netto-Forderungszuwachs kann sich auch noch aus einem weiteren Grund verändern. So unterliegen die Bestände der Auslandsaktiva und -passiva auch nicht transaktionsbedingten Bewertungsänderungen wie Börsen- und Devisenkursänderungen oder auch Abschreibungen, die sich im Leistungsverkehr mit dem Ausland und daher in der Zahlungsbilanz nicht niederschlagen. Abb. 9-4 Nettoauslandsposition und Leistungsbilanzsaldo in Deutschland, Mrd Euro

1.000

Nettoauslandsposition Leistungsbilanzsaldo

800 600 400 200 0 -200 2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

2009

Quelle: Deutsche Bundesbank, Monatsbericht November 2010, S. 96-97.

Der Auslandsvermögensstatus soll beides widerspiegeln: die Ergebnisse der außenwirtschaftlichen Transaktionen der Vergangenheit und die aktuellen Markteinflüsse, die vor allem von Börsen- und Devisenkursen auf den jeweiligen Wert der finanziellen 1

Der Auslandsvermögensstatus (international investment position) wurde schon im Zusammenhang mit der Vermögensrechnung (6. Kapitel, 4c) angesprochen.

214

Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

Aktiva und Passiva gegenüber dem Ausland ausgehen. Daher hat die Nettoauslandsposition beispielsweise 2001 – trotz negativer Leistungsbilanz in 2000 – einen höheren Wert als im Jahr zuvor und 2006 bis 2008 ist trotz hoher Leistungsbilanzüberschüsse jeweils im Jahr zuvor die Auslandsposition fast unverändert geblieben. Hier mussten erhebliche Wertberichtigungen vorgenommen werden. Die Darstellung des Auslandsvermögensstatus erfolgt getrennt nach inländischen Sektoren und entspricht der Grobgliederung der Zahlungsbilanz. Sektoren sind Monetäre Finanzinstitute (ohne Bundesbank), Unternehmen und Privatpersonen, öffentliche Haushalte und die Deutsche Bundesbank. Die Aktiva und Passiva werden funktional nach Direktinvestitionen, Wertpapieranlagen, Krediten und sonstigen Anlagen sowie Währungsreserven unterschieden. Auch wird eine Aufgliederung der Auslandsaktiva und -passiva nach Euro und Fremdwährung vorgelegt. Für die Banken (MFIs), Unternehmen und die Deutsche Bundesbank werden ferner detaillierte Nachweise der Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber dem Ausland veröffentlicht. Maßgebend für die Bewertung ist: Soweit für die Ermittlung Bilanzen u. Ä. erforderlich sind, werden Buchwerte, in allen übrigen Fällen Marktpreise herangezogen. Die Umrechnung von Fremdwährungsbeträgen erfolgt zu Stichtagskursen. Bei den Wertpapierbeständen ist ein Ausweis zu Marktpreisen nur durch umfangreiche Berechnungen möglich. Mithilfe von Börsenkursen und – soweit erforderlich – Devisenkursen werden aus Transaktionen Nominalwerte errechnet, zu Nominalbeständen kumuliert und mit Stichtagskursen bewertet. Die Bewertung der Reserven der Deutschen Bundesbank erfolgt ebenfalls zu Marktpreisen1. Der Auslandsvermögensstatus wird quartalsweise veröffentlicht. Sein Nachweis ist wichtig, um über den Stand des Auslandsvermögens, seine Zusammensetzung und Entwicklung vor allem im Hinblick auf die internationale Kreditwürdigkeit eines Landes, die Finanzierungsmöglichkeiten eventueller Leistungsbilanzdefizite und die mit den Auslandspositionen verbundenen Erträge bzw. Schuldendienstbelastungen Informationen zu bekommen. „Der Auslandsvermögensstatus erlaubt außerdem Rückschlüsse auf die internationale Liquiditätslage eines Landes (insbesondere bei hoher Fremdwährungsverschuldung oder festen Wechselkursen). Schließlich ermöglicht der Auslandsvermögensstatus eine quantitative Abschätzung der Internationalisierung der inländischen Finanzmärkte“ (Deutsche Bundesbank 1987, S. 14).

Literatur zum 9. Kapitel Inhalt, Aufbau und methodische Grundlagen der früheren Zahlungsbilanzstatistik hat die Deutsche Bundesbank (1992) beschrieben, die Änderungen nach dem neuesten Stand hat die Deutsche Bundesbank in den Monatsberichten März 1995, März 1999 1

Vgl. Steger (2002b), S. 38/39. Der Auslandsvermögensstatus hat ebenso wie die Zahlungsbilanz Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber der DDR bis zum 30. Juni 1990 nicht eingeschlossen. Seit dem Eintritt in die Währungsunion sind dagegen die Forderungen und Verbindlichkeiten der ehemaligen DDR gegenüber dem Ausland im Auslandsvermögensstatus Deutschlands enthalten.

9. Kapitel: Die Zahlungsbilanz

215

und März 2006 dargelegt; siehe auch Steger (2002b). Die aktuellen Ergebnisse sind regelmäßig im Monatsbericht der Deutschen Bundesbank und im Beiheft zum Monatsbericht, Reihe Zahlungsbilanzstatistik, zu finden. Der Aufbau der nationalen Zahlungsbilanz folgt grundsätzlich dem Schema des International Monetary Fund (1993). Die Zahlungsbilanz nach Regionen wie auch die Kapitalverflechtung mit dem Ausland wird detailliert von der Deutschen Bundesbank in ihren Statistischen Sonderveröffentlichungen dargestellt, ebenso die technologischen Dienstleistungen. Zum Auslandsvermögensstatus siehe Steger (2002a) und Deutsche Bundesbank (1998, 2008b). Die Bedeutung der Direktinvestitionen behandelt Bundesministerium der Finanzen (2005) mit Literaturhinweisen. Daten zur internationalen Entwicklung der Direktinvestitionen veröffentlicht jährlich die UNCTAD im World Investment Report. Eine historische Übersicht zu globalen Ungleichgewichten liefern Bordo (2005) und Obstfeld/Rogoff (2005). Zur aktuellen Diskussion über globale Ungleichgewichte siehe zum Beispiel Sachverständigenrat (2006) und Deutsche Bundesbank (2010d) sowie die laufenden Berichte im halbjährlich veröffentlichten World Economic Outlook des IMF. Interpretationsmöglichkeiten der Zahlungsbilanz gibt die Deutsche Bundesbank (1992 und 2001) und zum Beispiel Grömling (2005a; 2005b). Zu analytischen Fragen der Zahlungsbilanz siehe auch IMF (1993, appendix V) und Konrad (2002). Mit der Aktualisierung der Rechnung hat sich das Zahlungsbilanzkomitee beschäftigt, eine spezialisierte Arbeitsgruppe, die Vorarbeiten und Vorschläge letztlich an die Statistische Kommission der UN für die Revision des SNA 1993 unterbreitet. Ergebnis ist das Balance of Payments and International Investment Position Mannual, 6th ed. (BPM6) 2008. Es wird in den nächsten Jahren in der EU umgesetzt.

Aufgaben zum 9. Kapitel 1. Was versteht man unter einer Zahlungsbilanz? 2. Warum trifft die Bezeichnung ,,Zahlungsbilanz“ nicht zu? 3. Gehören die folgenden Sachverhalte in eine Zahlungsbilanz? a) Währungsreserven der Deutschen Bundesbank; b) Zinseinkommen aus dem Ausland; c) von Gastarbeitern geleistete Überweisungen an Verwandte im Ausland; d) Spendenangebot zur Rettung Venedigs; e) Ausgaben amerikanischer Touristen in Deutschland; f) Beiträge an die Europäische Union. 4. Welche Teilbilanzen werden in der Leistungsbilanz zusammengefasst? 5. Welcher Zusammenhang besteht zwischen dem Außenbeitrag und der Leistungsbilanz? 6. Welcher Teilsaldo der Zahlungsbilanz ist für die Berechnung des BIP wichtig? 7. Verbuchen Sie folgende Transaktionen in einer Zahlungsbilanz, die in eine Handels-, eine Dienstleistungs-, eine Übertragungs- und eine Kapitalverkehrsbilanz aufgespalten ist. a) Einfuhr landwirtschaftlicher Erzeugnisse aus Holland; b) Ausfuhr von Industrieprodukten nach Frankreich;

216

8.

9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16.

17.

18. 19. 20. 21.

Zweiter Teil: Die VGR in Deutschland

c) Ausgaben deutscher Touristen im Ausland; d) Gewährung eines Kredits an Polen; e) von Gastarbeitern vorgenommene Überweisungen an ihre Heimatländer; f) Zinsen aus Beteiligungen in der Schweiz; g) Sachspenden an Portugal; h) Beiträge an die EU; i) Rückzahlung eines an Polen gewährten Kredits; j) Kauf ausländischer Grundstücke finanziert durch Kreditaufnahme im Ausland. Die Bundesbank weist in der Zahlungsbilanz den Saldo der Handelsbilanz eines Jahres in verschiedener Höhe nach. Das Gleiche gilt für die Dienstleistungsbilanz. a) Worauf sind die abweichenden Angaben zurückzuführen? b) Was können Sie in diesem Zusammenhang zum Außenbeitrag sagen? Welche Aussage erlaubt eine Bewertung der Einfuhr zu cif- und der Ausfuhr zu fob-Preisen? Was ist damit gemeint: Die Terms of Trade haben sich verbessert? Geben Sie drei Beispiele von Teilbilanzen, in denen die Gegenbuchung zu einer Warenausfuhr erfolgen könnte. Warum gibt es eine eigene Bilanz der Erwerbs- und Vermögenseinkommen? Warum werden die Übertragungen nicht komplett in der Leistungsbilanz verbucht? Was versteht man unter einem Kapitalexport? Warum wird er bei Verbuchung in Staffelform mit einem Minuszeichen versehen? Werden die in der Kapitalbilanz nachgewiesenen Änderungen der Forderungen und der Verbindlichkeiten brutto oder netto erfasst? Wo in der Kapitalbilanz werden die folgenden Transaktionen verbucht? (1) Kauf von Geldmarktpapieren; (2) Zunahme der Währungsreserven der Bundesbank; (3) Devisenzugang deutscher Banken; (4) Erwerb deutscher Obligationen durch Japaner; (5) reinvestierte Gewinne amerikanischer Eigner. Die Zahlungsbilanz ergibt sich nicht als Summe der Einzeltransaktionen, die durch Buchung und Gegenbuchung gleichzeitig und vollständig erfasst werden. Vielmehr können i.d.R. nur die Soll- oder die Habenbuchung oder beide unabhängig voneinander erfasst werden. Welche Auswirkungen hat das? Worin bestehen die Währungsreserven eines Landes? Was ist gemeint: Die Zahlungsbilanz weist einen Überschuss (ein Defizit) auf? Welcher Zusammenhang besteht zwischen dem Leistungsbilanzsaldo und dem (Netto-)Auslandsvermögen einer Volkswirtschaft? Welche Interpretationsmöglichkeiten gibt es für ein Leistungsbilanzdefizit/einen Leistungsbilanzüberschuss?

Dritter Teil Die Verwendung der VGR für wirtschaftspolitische Zwecke 10. Kapitel Statistische Daten und Wirtschaftspolitik 1. Ziele der Wirtschaftspolitik Die Daten der VGR bilden die wichtigste Grundlage für die Erfolgskontrolle wirtschaftspolitischer Maßnahmen in der Vergangenheit, für die Analyse der laufenden Wirtschaftstätigkeit und für Prognosen der künftigen Entwicklung. Im Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft (StWG) sind vier gleichrangige von der Bundesregierung anzustrebende Ziele der Wirtschaftspolitik festgelegt: Stabilität des Preisniveaus, hoher Beschäftigungsstand, außenwirtschaftliches Gleichgewicht sowie stetiges und angemessenes Wachstum. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat in seinen Gutachten die Erfüllung bzw. Gefährdung dieser Ziele, ergänzt um das nicht im StWG genannte Verteilungsziel („Bildung und Verteilung von Vermögen“) zu untersuchen. Die Bundesregierung nimmt zu den Gutachten in ihren Jahreswirtschaftsberichten Stellung. Beide Veröffentlichungen verwenden auch Indikatoren für die ersten vier Zielbereiche. Preisniveaustabilität bedeutet, dass sich der Durchschnittspreis einer geeignet abgegrenzten Menge von unterschiedlichen Gütern (praktisch) nicht verändert. Das bedeutet, dass der Geldwert dieses Güterbündels (Warenkorb) und damit die Kaufkraft des Geldes konstant bleiben. Grundsätzlich kann das zur Messung des Geldwertes repräsentative Güterbündel unterschiedlich festgelegt werden. Die Wahl des geeigneten Indikators hängt daher von der jeweiligen Fragestellung ab. Die Erfüllung oder Verfehlung von Preisniveaustabilität misst der Jahreswirtschaftsbericht an der Entwicklung des Preisindex für das Bruttoinlandsprodukt oder des in der Praxis als Indikator bedeutsameren Verbraucherpreisindex1. Ein Zeitreihenvergleich dieser Indikatoren zeigt allerdings unterschiedliche Veränderungsraten. So steigt insbesondere der Preisindex für das BIP zeitweise stärker (als der für die privaten Konsumausgaben und) als der Verbraucherpreisindex. Die Ursache liegt u.a. darin, dass das BIP die Konsumausgaben des Staates einschließt, für die ein überproportionaler Preisanstieg nachgewiesen wird. Steigende Energiepreise haben allerdings in den letzten Jahren den Verbraucherpreisindex (und den Preisindex für die Konsumausgaben der privaten Haushalte) stärker ansteigen lassen als den BIP-Deflator. 1

Für das Eurosystem ist der Anstieg des Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) in der EWU maßgeblich. Für die Europäische Zentralbank ist ein Anstieg von unter, aber nahe 2 % gegenüber dem Vorjahr mit dem Ziel der Preisniveaustabilität vereinbar. In den letzten Jahren wird diskutiert, ob neben Waren- und Dienstleistungspreisen auch Vermögenspreise (z.B. Aktien, Immobilien) zu berücksichtigen sind.

218

Dritter Teil: Die Verwendung der VGR für wirtschaftspolitische Zwecke

Bei einem hohen Beschäftigungsstand kann es um die hohe Auslastung aller Produktionsfaktoren, d.h. der vorhandenen Arbeitskräfte und des Kapitals, gehen. Üblicherweise wird auf den Produktionsfaktor Arbeit abgestellt und die Beschäftigung durch Arbeitsmarktindikatoren beschrieben. Besondere Bedeutung hat die Arbeitslosenquote, die als Anteil der (unterschiedlich ermittelten) Arbeitslosen an allen oder an den zivilen abhängigen Erwerbspersonen (abhängige Erwerbstätige und Arbeitslose) dargestellt werden kann. Sie zeigt allerdings nicht den Beschäftigungsgrad, sondern den Grad der Nichtbeschäftigung von Arbeitskräften. Neben diesem Index in der Abgrenzung und Berechnung der Bundesagentur für Arbeit wird auch die Erwerbslosenquote nach VGR-Abgrenzung herangezogen. Bemerkenswert ist die teilweise unterschiedlich gerichtete Veränderung dieser Indikatoren (siehe das 11. Kapitel). Das Erreichen oder Verfehlen eines außenwirtschaftlichen Gleichgewichts wurde früher durch den Anteil des Außenbeitrags am Bruttoinlandsprodukt gemessen. Ein hoher Außenbeitrag dient dem Ausgleich der traditionell negativen deutschen Übertragungsbilanz1. In Kapitel 9 wurde bereits die aktuelle Diskussion über globale Leistungsbilanzungleichgewichte angesprochen. Sowohl die Leistungsbilanzdefizite einiger Länder (wie etwa der USA) als auch die Leistungsbilanzüberschüsse anderer Länder (wie etwa Deutschland) werden als wirtschaftspolitisches Problem thematisiert. Neuerdings wird auch auf den BIP-Wachstumsbeitrag des Außenbeitrags abgestellt.2 Das Wachstumsziel wird an der Veränderungsrate des realen Bruttoinlandsprodukts geprüft. Daneben wird das reale BIP je Erwerbstätigen im Jahreswirtschaftsbericht nachgewiesen. Gerade in letzter Zeit sind das Wachstumsziel und auch seine Messung anhand des BIP wieder auf den Prüfstand gekommen – vor allem durch den sog. Stiglitz-Sen-Fitoussi-Report (Stiglitz et al. 2009).3 Die Wahl des geeigneten Indikators für das Verteilungsziel ist umstritten, weil dieses Ziel unterschiedliche Dimensionen aufweist und im Gegensatz zu den übrigen Zielen von den politischen Entscheidungsträgern nie konkretisiert wurde. Häufig wird die Entwicklung der Einkommensverteilung anhand der Reallohnposition sowie der tatsächlichen und der bereinigten Lohnquote beurteilt. Im Jahreswirtschaftsbericht wird die Entwicklung der Komponenten des Volkseinkommens – Arbeitnehmerentgelt sowie Unternehmens- und Vermögenseinkommen – nachgewiesen (siehe Kapitel 12). Die volkswirtschaftlichen Ziele sind in den zugrunde liegenden Gesetzen nicht quantifiziert. Es besteht aber kein Zweifel daran, dass zur Diagnose von Fehlentwicklungen und zur Ableitung von Maßnahmen numerische Werte angegeben werden müssen, die die Funktion von Zielwerten übernehmen. Die Jahreswirtschaftsberichte der Bundesregierung enthalten solche Konkretisierungen. Sie werden als Projektionen

1

2 3

Ansonsten müssen die Handelspartner das entsprechende Defizit beispielsweise durch Verkauf finanzieller Aktiva oder durch Verschuldung bei deutschen Wirtschaftseinheiten finanzieren. Siehe hierzu Kapitel 4 Abschnitt 5. Siehe hierzu auch Haß (2010).

10. Kapitel: Statistische Daten und Wirtschaftspolitik

219

1

bezeichnet und stellen eine Vorausschätzung mit Zielcharakter dar . Beispielhaft sind in Tab. 10-1 für den Zeitraum 2006 bis 2010 die angestrebten bzw. vorausgeschätzten Werte (Spalte P) und die realisierten Werte (Spalte R) wiedergegeben. Tab. 10-1 Projektionen (P) der Wirtschaftspolitik und ihre Realisierung (R) 2006

2007

2008

2009

2010

P

R

P

R

P

R

P

R

P

R

Änderungsrate des BIP (preisbereinigt)

1,4

2,5

1,7

2,5

1,7

1,3

-2,3

-5,0

1,4

3,6

Änderungsrate des Preisindex des BIP Verbraucherpreisindex

0,8 1,8

0,3 1,7

1,4 2,3

1,8 2,2

1,6 2,3

1,4 2,6

2,0 0,5

1,4 0,4

0,6 1,1

0,6 1,1

Außenbeitrag/BIP bzw. BIP-Wachstumsbeitrag

5,4 0,7

5,0 0,7

5,4 0,8

6,9 1,5

7,0 0,4

6,3 -0,3

5,1 -2,2

4,1 -3,4

4,6 0,8

5,1 1,1

Arbeitslosenquote (BA) Erwerbslosenquote (VGR)

10,9 9,0

10,8 8,1

9,6 7,3

9,0 8,3

8,2 7,8

7,8 7,2

8,4 7,9

8,2 7,6

8,9 8,3

7,7 6,8

Quelle: Jahreswirtschaftsberichte der Bundesregierung (2006 bis 2011).

Die Zielvorgaben schwanken insbesondere hinsichtlich der Veränderungen des Preisniveaus und der Arbeitslosenquote im Zeitablauf stark. Auch zwischen den von der jeweiligen Bundesregierung in den Jahresprojektionen angestrebten und den realisierten Größen bestanden zum Teil erhebliche Differenzen. Dies kann auf unrealistischen Zielvorgaben, unzureichenden Prognosemodellen und Mängeln im gesamt- wirtschaftlichen Rechnungswesen beruhen. Hinsichtlich der Datenlage, die hier allein behandelt werden soll, ist darauf zu verweisen, dass die Angaben für die realisierten Werte je nach Zeitpunkt der Veröffentlichung nicht unerheblich differieren. In Tab. 10-1 sind jeweils die im folgenden Jahreswirtschaftsbericht genannten Zahlen für die realisierten Werte ausgewählter Eckwerte angegeben, die mit Stand Januar auf ersten vorläufigen Angaben des der Jahresprojektion folgenden Jahres beruhen.

2. Aktualität und Genauigkeit der Daten der VGR Zur Analyse vergangener und laufender Entwicklungen und als Grundlage für Prognosen müssen exakte gesamtwirtschaftliche Daten, insbesondere über das BIP und die darin enthaltenen Teilgrößen, möglichst früh vorliegen. Das Statistische Bundesamt veröffentlicht bereits in der ersten Januarhälfte und im Januarheft seiner Monatszeitschrift „Wirtschaft und Statistik“ erste vorläufige Ergebnisse der VGR für das jeweils gerade abgelaufene Jahr. Die Aktualität kann daher als hoch bezeichnet werden. Das als „endgültig“ bezeichnete Ergebnis für das Jahr t wird im August von Jahr t+4 veröf-

1

Hierbei spielen die konditionalen oder normativen Bedingungen zur Erreichung der vorausgeschätzten bzw. angestrebten Ergebnisse eine wichtige Rolle, während bei Prognosen der Wahrscheinlichkeitscharakter im Vordergrund steht.

220

Dritter Teil: Die Verwendung der VGR für wirtschaftspolitische Zwecke

fentlicht. Übersicht 10-1 zeigt den Überarbeitungsrhythmus für die VGR, der sich in entsprechenden Veröffentlichungsterminen zum Jahr t niederschlägt. Die Statistik soll aktuell und pünktlich sein. Pünktlichkeit beschreibt die Einhaltung angekündigter Veröffentlichungstermine. Aktualität, Pünktlichkeit und Genauigkeit gehören zu einem Katalog von Qualitätskriterien für Statistiken, wie sie im Verhaltenskodex für europäische Statistiken formuliert sind. Weitere Kriterien sind Relevanz, Kohärenz und Vergleichbarkeit, Zugänglichkeit und Klarheit. Übersicht 10-1 Zeitplan und Berechnungsgrundlagen für die VGR-Jahresergebnisse Rechen-/Änderungstermine für das Berichtsjahr t 1. Anfang Januar t + 1 Erstes vorläufiges Ergebnis

2. Anfang März t + 1 Erste Überprüfung / Überarbeitung im Rahmen der Erstveröffentlichung des 4. Quartals von t 3. Ende August t + 1 Zweite Überprüfung / Überarbeitung im Rahmen der Erstveröffentlichung des 2. Quartals von t + 1 4. Ende August t + 2 Dritte Überprüfung / Überarbeitung

5. Ende August t + 3 Vierte Überprüfung / Überarbeitung Endgültiges Ergebnis (möglich) 6. Ende August t + 4 Endgültiges Ergebnis (sicher)

Berechnungsgrundlagen Monats- und Vierteljahresindikatoren zur Fortschreibung der Vorjahresergebnisse. Monatsindikatoren für zum Teil 10 Monate, Vierteljahresindikatoren für zum Teil drei, zum Teil nur für zwei Quartale. Monatsindikatoren für zum Teil 12 Monate, Vierteljahresindikatoren für zum Teil alle, zum Teil für 3 Quartale. Monatsindikatoren und Vierteljahresindikatoren komplett. Erstmals Vorliegen von Jahresdaten für eine „Originärberechnung“ z.B. jährliche Umsatzsteuerstatistik, jährliche Kostenstrukturerhebung in Bereichen des Produzierenden Gewerbes, Jahreserhebung im Groß- und Einzelhandel und in Teilbereichen des Verkehrs, Jahresabschlüsse großer Unternehmen (u.a. Bahn, Post, Telekom, Lufthansa), Gewinn- und Verlustrechnungen der Kreditinstitute und Versicherungen, Jahresrechenergebnisse der Finanzstatistik (nicht immer vollständig verfügbar), Jahreserhebung Bauhauptgewerbe Bisher noch nicht verwendete / verspätet vorliegende Jahresdaten Weitere bisher noch nicht verwendete / verspätet vorliegende Jahresdaten

Quelle: Statistisches Bundesamt (2003a), S. 19.

Je kürzer allerdings der Abstand zur Berichtsperiode ist, umso knapper ist das verfügbare Datenmaterial und umso größer sind generell die Schätzunsicherheiten. Entsprechend nimmt die Genauigkeit ab. Unter Genauigkeit wird die Nähe eines geschätzten Wertes zum (unbekannten) wahren Wert1 der geschätzten Variablen verstan1

Weil die Schätzungen der VGR-Größen u.a. auf für Verwaltungszwecke und anderen nicht stichprobenartig erhobenen Daten beruhen, können Konfidenzintervalle und Standardfehler nicht zur Messung der Genauigkeit herangezogen werden. Man kann allerdings überprüfen, wie stark die

10. Kapitel: Statistische Daten und Wirtschaftspolitik

221

den. Die ersten vorläufigen Berechnungen, die unmittelbar nach Abschluss der Berichtsperiode vorgenommen werden, sind nur partiell empirisch gesichert. Sie müssen sich hauptsächlich auf kurzfristig verfügbare Ausgangsdaten stützen und fordern die Überbrückung weit größerer Lücken als die folgenden Berechnungen. So werden die ersten Ergebnisse des abgelaufenen Jahres regelmäßig für den Dezember komplett und für den November nahezu vollständig frei geschätzt. Auch für davor liegende Monate sind die Schätzgrundlagen in vielen Fällen noch lückenhaft. Zur Berechnung der ersten Ergebnisse werden die Werte aus dem Vorjahr oder aus einem Basisjahr mit der Entwicklung eines Indikators fortgeschrieben1. Bei Auswertung aller verfügbaren amtlichen Wirtschaftsstatistiken sowie nichtamtlicher Quellen spricht das Statistische Bundesamt von Originärberechnung. Das statistische Basismaterial ist frühestens nach zwei Jahren so vollständig, dass als „endgültig“ bezeichnete Werte vorgelegt werden können. Auch diese Werte beruhen aber auf einer Vielzahl von fundierten Schätzungen und modellhaften Berechnungen. International besteht die Tendenz, Angaben über die Änderungsrate des BIP und anderer makroökonomischer Größen schon zu veröffentlichen, bevor die zugrunde liegenden Vorgänge in der Periode überhaupt beendet wurden. Für politische Prozesse zählen die ersten Ergebnisse, Revisionen erscheinen meist zu spät um relevant zu sein. Im Konflikt zwischen Genauigkeit und Aktualität dürfte daher in der Politik eher zugunsten der Aktualität entschieden werden. Die Probleme einer fehlenden oder unzureichenden Datenbasis stellen sich noch stärker als bei Jahresangaben bei der Erstellung von Vierteljahreszahlen, die nahezu komplett auf Modellrechnungen beruhen. Entscheidende Ausgangsdaten, wie die Kostenstrukturen der Unternehmen, werden nicht unterjährig erhoben und erst mit größerem zeitlichem Abstand veröffentlicht. Trotz der problematischen Datenbasis legen EU und EZB Wert auf schnelle Bereitstellung vierteljährlicher Zahlen und hierbei insbesondere auf die vierteljährliche BIP-Schnellschätzung („GDP flash estimates“). Erste Ergebnisse zum vierteljährlichen BIP werden innerhalb von 45 Tagen nach Ende des Berichtsquartals veröffentlicht, tiefere Untergliederungen des BIP nach Wirtschaftsbereichen und für die Verwendungsaggregate werden ungefähr zwei Wochen später bereitgestellt. Die EU prüft sogar die Fristen weiter zu verkürzen und die BIP-Schnellschätzung bereits 30 Tage nach Ende des Berichtsquartals vorlegen zu lassen2. Je verlässlicher die frühen Schätzungen sind, umso besser können die politischen Entscheidungsträger die Wirtschaftslage und die Konjunkturaussichten beurteilen. Vierteljährliche Veränderungsraten des realen BIP sind daher für die laufende Konjunkturanalyse von besonderem Interesse. Quartalszahlen werden auch saisonbereinigt vorgelegt. International wird häufig von einer Rezession gesprochen, wenn in zwei aufeinander folgenden Quartalen negative Veränderungsraten gegenüber dem Vorquartal festgestellt werden (siehe differenzierter das 11. Kapitel). Da auch die Vorzeichen der Veränderungsraten je nach Rechnungsstand variieren können, lässt sich unter Um-

1 2

(ersten) vorläufigen von den als endgültig erklärten Ergebnissen abweichen. Siehe hierzu für das Euro-Währungsgebiet EZB (2009). Dies wurde im Kapitel 5.12 für das Verarbeitende Gewerbe gezeigt. Vgl. auch das 16. Kapitel.

222

Dritter Teil: Die Verwendung der VGR für wirtschaftspolitische Zwecke

ständen erst mit einer Verzögerung von mehreren Quartalen feststellen, ob eine Rezession vorgelegen hat. Die frühen Ergebnisse, die auf größeren Schätzungen oder ersten Indikatoren beruhen, müssen durch das später anfallende umfangreichere Datenmaterial ergänzt und korrigiert werden. „Vor diesem Hintergrund wäre es reiner Zufall, wenn erste vorläufige Angaben für eine Berichtsperiode mit dem endgültigen Ergebnis genau übereinstimmten. Andererseits sind frühe Daten, die die Entwicklung falsch abbilden, aus Nutzersicht wertlos. Statistiken können dann als zuverlässig definiert werden, wenn zwischen einem vorläufigen und dem endgültigen Ergebnis eine hohe Übereinstimmung besteht“ (Braakmann 2006). Der relative Fehler zwischen dem ersten vorläufigen Ergebnis und dem zwei Jahre später vorliegenden, als endgültig festgestellten Ergebnis betrug zum Beispiel im Zeitraum 1995 bis 2001 rund 0,6 Prozentpunkte (Braakmann 2003). Der Benutzer gesamtwirtschaftlicher Daten muss sich daher des vorläufigen Charakters der Ergebnisse der ersten frühen Schätzungen und Berechnungen bewusst sein. Die Ergebnisse aus neuen oder erheblich geänderten statistischen Erhebungen dienen häufig vor allem der Niveaukorrektur. Die Aufgabe der Niveaumessung ist u.a. wegen der Verwendung des Bruttonationaleinkommens zur Berechnung der EU-Eigenmittel und der EU-Regionalpolitik wichtig, allerdings gehen von den Niveauänderungen des BIP teils erhebliche Wirkungen auf dessen Wachstum und Zusammensetzung aus (vgl. Brümmerhoff/Grömling 2010). Auch bereits als ,,endgültig“ bezeichnete Ergebnisse werden durch (General-)Revisionen weiter verändert. Das trifft insbesondere auf neu definierte oder neu abgegrenzte Größen zu. Ferner sind solche betroffen, die in konstanten Preisen nachgewiesen werden, weil im Abstand von vier bis fünf Jahren Umstellungen auf ein neues Basisjahr erfolgen. Bei Stromgrößen, für die seit 2005 eine Deflationierung auf Vorjahrespreisbasis verkettet erfolgt, sind Revisionen aus diesem Grund nicht erforderlich1. Für die vielfachen Änderungen, Ergänzungen und umfassenden Revisionen der VGR spielen • neue Erkenntnisse und Informationsbedürfnisse, • die Erweiterung und Verbesserung des statistischen Ausgangsmaterials2 und • neue internationale Vereinbarungen und Empfehlungen eine Rolle. Die methodischen Arbeiten an den gesamtwirtschaftlichen Rechnungssystemen werden daher niemals abgeschlossen sein, weil Änderungen in der darzustellenden Wirklichkeit immer wieder neue Probleme aufwerfen. Ein Beispiel mit nachhaltiger Wirkung für die VGR war der Übergang von der Allphasen-Bruttoumsatzsteuer zur Nettoumsatzsteuer (Mehrwertsteuer). Weitere, weniger umfassend wirkende Ver1

2

Einige Bestandsgrößen (beispielsweise der Kapitalstock) werden weiter in konstanten Preisen mit einem Basisjahr berechnet. Einige Statistiken wie die Volkszählung oder die Arbeitsstättenzählung werden nur etwa alle 10 Jahre oder später durchgeführt. Änderungen daraus können in der Regel erst im Rahmen der umfassenden Revisionen berücksichtigt werden, um keine Brüche in den Reihen entstehen zu lassen.

10. Kapitel: Statistische Daten und Wirtschaftspolitik

223

änderungen stellen Budgetflucht, Privatisierung u. Ä. dar, die für die Abgrenzung des Staates Bedeutung haben, oder die immer neuen Finanzierungsinstrumente, die sich z.B. beim Staat in einer unterschiedlichen Defizitwirksamkeit zeigen. Die mehrfachen Ergebniskorrekturen haben regelmäßig die Struktur, das Niveau und die Veränderungsrate des zuvor veröffentlichten BIP beeinflusst. So wird auch für die anstehende Revision 2014, in der u.a. die FuE-Aufwendungen zu Investitionen werden, ein signifikanter Einfluss erwartet. Der Grund hierfür ist, dass durch die Umbuchung die Wertschöpfung und die Bruttoanlageinvestitionen der Kapitalgesellschaften entsprechend der kapitalisierten selbsterstellten FuE-Produktion steigen. Die Käufe von (investiven) FuE-Leistungen durch Kapitalgesellschaften werden von den Vorleistungen zu den Bruttoanlageinvestitionen umgesetzt. Selbsterstellte FuE der Nichtmarktproduzenten (Staat und Private Organisationen) wird von den Konsumausgaben zu den Bruttoanlageinvestitionen umgesetzt. Käufe von FuE-Leistungen durch den Staat werden vom Staatsverbrauch zu den Bruttoanlageinvestitionen umgesetzt. Die Abschreibungen der Nichtmarktproduzenten auf ihr FuE-Anlagevermögen führen dann zu einem Anstieg des BIP (Oltmanns et al. 2009, S. 135). Dies führt auch zu Änderungen bei den Einkommenskomponenten, weil z.B. die Unternehmenseinkommen ansteigen (Brümmerhoff/Grömling 2010). Meist haben sich die einzelnen Revisionen in der Vergangenheit auf kleinere Aggregate sehr viel stärker als auf das BIP insgesamt ausgewirkt. Abb. 10-1 Revision der Vorratsveränderungen, in Mrd Euro jeweils Erstes Ergebnis (Januar des Folgejahres) Vorbericht 2001 (April 2002) 2. Quartal 2002 (August 2002) Mrd. EUR

Mrd. EUR +25

+25 +20

+20

+15

+15

+10

+10

+5

+5

0

0

-5

-5

-10

-10

-15

-15 -20

-20 1999

2000

2001 Statistisches Bundesamt 2002 . 01 . 0851

Quelle: Grömling (2002), S. 1132.

224

Dritter Teil: Die Verwendung der VGR für wirtschaftspolitische Zwecke

Ein Beispiel für große Revisionseffekte sind die für die Konjunkturanalyse wichtigen Vorratsveränderungen. Letztere sind allerdings selbst als Jahreswerte wegen fehlender Datengrundlage nur beschränkt brauchbar. Abb. 10-1 macht die Revisionsanfälligkeit der Vorratsveränderungen für die Jahre 1999 bis 2001 deutlich1. Danach erfolgte für 1999 und 2000 sogar ein Vorzeichenwechsel, der für 2000 sogar erst spät nach dem Berichtsjahr vorgenommen wurde. Revisionen führen (zumindest vorübergehend) zu einem Bruch in den längerfristigen Reihen, die für einzelne Zeitabschnitte auf unterschiedlicher methodischer Grundlage aufgestellt wurden. Da der Revisionsprozess für einen langen Vergangenheitszeitraum oftmals nicht vollständig durchgeführt werden kann, verbleiben Inkonsistenzen in den Zeitreihen, die inhaltlich nur schwer interpretierbar sind. Um nach Revisionen auf einem einheitlichen Konzept beruhende längerfristige Zahlen vorlegen zu können, veröffentlicht das Statistische Bundesamt - allerdings mit den genannten Verzögerungen und häufig in begrenztem Umfang - Sonderbeiträge, die revidierte Reihen nach neuestem Berechnungsstand enthalten. Umfassende Revisionen der VGR haben in der Bundesrepublik in den Jahren 1957, 1960, 1963, 1970, 1977, 1982, 1985, 1991, 1999 und 2005 stattgefunden, die nächste steht für 2014 an (vgl. Tab. 10-2). 1957, 1960 und 1963 stand die Anpassung an die Konten und Standardtabellen der traditionellen Gesamtrechnung im Vordergrund. 1970 erfolgte in erster Linie eine Angleichung an das ESVG-System von 1970, die 1977 verstärkt wurde, um arbeitsaufwendige nationale Umrechnungen für EG-Zwecke zu vermeiden. Gleichzeitig wurden die Input-Output-Tabellen in die VGR integriert. Die konzeptionelle Änderung von 1982 betraf die Umstellung der Mehrwertsteuerbuchung, d.h. es erfolgte der Übergang von einem (modifizierten) Bruttosystem auf das Nettosystem, das im ESVG-System ab 1975 vorgesehen war. In den umfassenden Revisionen wurden zudem die Berechnungen in konstanten Preisen auf ein aktuelles Basisjahr (1962, 1970, 1976, 1980) umgestellt und „die Ergebnisse aller zwischenzeitlich abgeschlossenen, mehrjährigen Erhebungen (z.B. Zensus im Produzierenden Gewerbe, Einkommens- und Verbrauchsstichprobe, Volks-, Berufs- und Arbeitsstättenzählung) berücksichtigt (Abels 1985, S. 155). Wichtigster Anlass für die Revision 1985 war der Übergang auf das neue Preisbasisjahr 1980. Als Beitrag zur Strukturberichterstattung wurde die Darstellung nach Wirtschaftsbereichen ausgedehnt. Änderungen der methodischen Konzepte und Definitionen wurden 1985 nicht vorgenommen. Das trifft auch auf die Revisionen 1991 und 1993 zu, in denen auf das neue Preisbasisjahr 1985 bzw. 1991 für die Berechnungen in konstanten Preisen übergegangen wurde. Weniger methodische als Änderungen des Berichtsgebietes hatte die Einbeziehung der neuen Länder (Saarland 1960, ehemalige DDR 1990) zur Folge. Sie machte im letzteren Fall den erwähnten Übergang auf das neue Preisbasisjahr 1991 erforderlich.

1

Daten vor der Revision 2005.

10. Kapitel: Statistische Daten und Wirtschaftspolitik

225

Die bisher umfassendste Revision setzte 1999 ein, bei der die deutschen Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen an das ESVG 1995 angepasst wurden. Sie brachte umfangreiche methodische Änderungen, neue Begriffe (z.B. Bruttonationaleinkommen statt Bruttosozialprodukt, Produktions- und Importabgaben anstelle von indirekten Steuern, Bewertung von Produktionswert und Bruttowertschöpfung zu Herstellungspreisen, Aufgabe des Unternehmenssektors) und neue Gliederungen, neue statistische Quellen sowie die Preisbasis 1995. Die letzte größere VGR-Revision führte 2005 zu Änderungen in der Behandlung der unterstellten Bankgebühr und bei der Deflationierung (Vorjahrespreisbasis, verkettet). Außerdem werden seitdem hedonische Preisindizes verwendet und die Ergebnisse der neuen Dienstleistungsstatistik einbezogen. Im Jahr 2011 werden die Wirtschaftsbereiche neu abgegrenzt und 2014 ist die Revision der internationalen Systeme (ESVG 2009 als Pendant zum SNA 2008) für die EU-Staaten umzusetzen. Tab. 10-2 Generalrevisionen der VGR in der Bundesrepublik Deutschland Jahr 1953 1957 1960

1963 1970

1977

1982 1985 1991

1993 1999 2002 2005 2011 2014

Zeitraum und Hauptanlass

Wirtschaft und Statistik Jahr Heft Seiten 1950-52; Anpassung an das OEEC-Standardised System 1953 9 390 - 398 1950-54; Preisbasis 1950; Einführung einer konsistenten 1957 3 123 - 149 Entstehungs-, Verwendungs- und Verteilungsrechnung 1950-59; Preisbasis 1954; Einführung des bundesrepublika- 1960 1 9 - 18 nischen VGR-Kontensystems 1960 5 317 - 344 1960 10 571 - 581 1950-62; Einarbeitung neueren statistischen Materials 1963 10 575 - 589 1950-68; Preisbasis 1962; Mehrwertsteuer nach dem Brutto- 1970 2 57 - 80 system; Kontensystem in erweiterter Sektorengliederung; 1970 6 281 - 288 Übernahme von ESVG-Regeln, etwa keine unterstellten Mieten auf öffentliche Gebäude 1960-76; Preisbasis 1970; Übernahme weiterer ESVG- Re- 1977 4 215 - 239 geln, etwa globaler Nachweis der Bankdienstleistungen gegen unterstelltes Entgelt 1950-81; Preisbasis 1976; Mehrwertsteuer nach dem Netto- 1982 8 551 - 572 system 1960-84; Preisbasis 1980; Einarbeitung neueren statistischen 1985 8 603 - 617 Materials 1970-90; Preisbasis 1985; Einarbeitung neueren statistischen 1991 4 227 - 247 Materials; weitere definitorische und methodische Änderungen 1960-92; Preisbasis 1991 1993 9 613 1991-2003; Anpassung an das ESVG 1995, Preisbasis 1995; 1999 4 257 - 281 neue Begriffe, Abgrenzungen 1970-1990; Rückrechnung nach ESVG 1995 2002 7 541 - 549 Unterstellte Bankgebühr (FISIM); Kettenindizes 2005 5 425 - 462 Neue Klassifikation der Wirtschaftszweige Anpassung an das ESVG 2009 -

Quelle: Rinne (2002c), S. 331; eigene Ergänzungen.

Die internationalen Systeme (SNA und ESVG) wurden durch Begriffsvielfalt und Ausweitung in immer neue Verästelungen zunehmend komplexer, für den Ökonomen

226

Dritter Teil: Die Verwendung der VGR für wirtschaftspolitische Zwecke

immer weniger verständlich und daher in manchen Anforderungen und Methoden zweifelhaft. Zudem liegen neben den Anpassungen an die Revisionen der internationalen Systeme auch nationale Gründe für die Überarbeitung der VGR und hier spezielle Probleme für das Arbeiten mit langfristigen Reihen vor. So gab es bereits im Jahre 1960 einen statistischen Bruch nach Einbeziehung des Saarlandes und Berlins (West). Die Wiedervereinigung veränderte das Berichtsgebiet noch stärker. Hier war bei der laufenden Berichterstattung ein Zeitraum von mehreren Jahren erforderlich, bis das verfügbare statistische Ausgangsmaterial ausreichte, um für die neuen Bundesländer eine den VGR der alten Bundesländer vergleichbare Berichterstattung aufzubauen. Rückgerechnete (und revidierte) Ergebnisse der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen, insbesondere nach Anpassung an neue internationale Vorgaben, die zu längeren vergleichbaren Reihen führten, hat das Statistische Bundesamt unterschiedlich schnell und unterschiedlich weit zurückreichend vorgelegt, so nach den Revisionen von 1999 und 2005 bezogen auf das frühere Bundesgebiet nur für den Zeitraum ab 19701. Der formalen Verknüpfung der Zeitreihen dient in der Regel ein Mehrfachnachweis für ein Jahr bis vergleichbare Zeitreihen vorliegen.

3. Die Bedeutung der Messprobleme und Revisionen2 Welche Bedeutung hat es, wenn das Bruttoinlandsprodukt oder andere VGR-Größen nur unvollkommen gemessen werden (können)? Gleichen sich diese Unvollkommenheiten weitgehend im Zeitablauf aus, so dass sich die Zahlen ohne weiteres verwenden lassen? Das mag kurzfristig durchaus zutreffen. Es ist aber auch möglich, dass sich Fehler infolge systematischer Verzerrung potenzieren. Wenn etwa Änderungen der Strukturen der Volkswirtschaft erfolgen und dies nur unzureichend berücksichtigt wird, kann die Bedeutung der Verzerrungen bei der Messung des BIP bedeutsam werden, sich also mehr oder weniger stark auf die Veränderungsraten in Produktion, Produktivität, Einkommen usw. auswirken. Das gilt im Hinblick auf Verschiebungen bei den Sektoren oder Wirtschaftszweigen (z.B. zwischen Haushalts- und Marktproduktion, zwischen Staat und Kapitalgesellschaften usw.), bei der Abgrenzung zwischen Vorleistungen und Endproduktion oder bei der Entwicklung der Schattenwirtschaft. Die Qualität der Daten über das Wachstum (des realen BIP) und über die Entwicklung der Produktivität hängen auch von der Güte der Preisstatistik ab. Bei standardisierten Produkten ist der reale Output einfacher zu berechnen. Für einen zunehmenden Teil der Güter ist der Output aber nicht oder nur unzureichend zu messen, ferner können sich die Güter schnell ändern. Werden beispielsweise zwei wichtige Konsumkomponenten, nämlich Gesundheit und persönliche Dienstleistungen, über Inputs und nicht über Outputs gemessen, kommen nicht die ärztlichen Leistungen und die (erfolgreiche) Behandlung, sondern letztlich die Arbeitsstunden der Ärzte zum Ausdruck. Folglich ist 1

2

Die Rückrechnung bei den früheren großen VGR-Revisionen erfolgte jeweils komplett bis 1960 und für die Hauptaggregate bis 1950. Siehe auch die Ausführungen im 16. Kapitel zu Reformen.

10. Kapitel: Statistische Daten und Wirtschaftspolitik

227

die angenommene Produktivitätszunahme eher null. So kann die Entwicklung der „wahren“ ökonomischen Leistungen recht gut gewesen sein, aber ihre Messung erfolgte fehlerhaft. Nur wenn die Messgrößen in Ordnung sind, zeigen sie zutreffend die Produktion und z.B. die Güterversorgung und wie sich Wissen und technischer Fortschritt auf den Output ausgewirkt haben. Gute Daten sind also wichtig, weil Übereinstimmung über das, was die Probleme der Gesellschaft sind und wie ihre Lösungen aussehen sollen, auf Statistiken beruht. Das Gleiche trifft auf die Fähigkeiten zu, Erfolg oder Misserfolg bei der Lösung der Probleme zu evaluieren. So gelten staatliche Beschäftigungsprogramme, die – richtige Messung unterstellt – zu hoher Inflation und geringem Wachstum führen, als Fehlschlag. Misslich ist, wenn das Urteil auf einer zu niedrig ausgewiesenen Preissteigerungsrate beruht. Ist die tatsächliche größer als die gemessene Inflationsrate, werden die Teilnehmer inflationsgebundener Programme nicht die bei anderer Messung zu erwartenden Realeinkommen (z.B. der Rentner) erhalten. Der ökonomische Prozess stellt aber immer neue Anforderungen an die adäquate Messung. Stichworte hierzu sind Globalisierung, Forschung und Entwicklung, Qualitätsänderungen oder die Zunahme des tertiären Bereichs. Beispiel für Methoden, mit denen diesen Entwicklungen Rechnung getragen werden soll, sind zum Beispiel hedonische Preise und die Outputdarstellung im Dienstleistungsbereich.

Literatur zum 10. Kapitel Die Problematik der Genauigkeit und Aktualität behandeln Hamer (1970), Kendrick (1972, Kapitel 13), Morgenstern (1965, 218ff.), Rinne (1967, II-IV. Abschnitt) und Braakmann (2003, 2006). Zur Qualität der VGR-Daten siehe auch Rinne (1993), Stahmer (1993) und Richter (2002a, b) und den Qualitätsbericht des Statistischen Bundesamtes (2006f). Der Verhaltensindex für europäische Statistiken wird von Kopsch/Köhler/ Körner (2006) beschrieben. Zu grundsätzlichen Fragen der Revisionen ist der Beitrag von Rinne (2002c) empfehlenswert. Einen kurzen Überblick über die Geschichte der VGR-Revisionen gibt Schmidt (2004). Über die Revision des SNA berichten Lützel (1993) und Vanoli (2005). Zur Revision ausgewählter Konjunkturindikatoren siehe Jung (2009) und Branchi et al. (2007). Grundsätzliche Diskussionen zur Vorbereitung des SNA und zur Weiterentwicklung liefern Beiträge in der Zeitschrift „Review of Income and Wealth“ (insbesondere seit Bd. 32, 1986), die jüngere Diskussion um die Revision des SNA 1993 kann verfolgt werden unter Jorgenson et al. (2006) und http://unstats.un.org/ unsd/nationalaccount/default.htm. Die Konsequenzen aus der 1999 erfolgten Anpassung der deutschen VGR an das ESVG 1995 stellen das Statistische Bundesamt (2000a) und Hartmann (2002) dar, sie wurden auch in mehreren Heften von „Wirtschaft und Statistik“ (4/1999, 6/1999, 9/1999) dargelegt. Zur Revision der deutschen VGR im Jahr 2005 siehe Braakmann et

228

Dritter Teil: Die Verwendung der VGR für wirtschaftspolitische Zwecke

al. (2005); die Rückrechnung von 1970 bis 1991 erläutern Räth et al. (2006), dort (S. 1019/20) sind auch Literaturhinweise zu Revisionen zu finden. Zu den Auswirkungen dieser VGR-Revisionen auf ökonomische Analysen siehe Brümmerhoff/Grömling (2010). Die Schnellschätzung des vierteljährlichen BIP wird vom Statistischen Bundesamt (2006a) und von Hartmann/Schmidt/Oltmanns (2005) untersucht.

Aufgaben zum 10. Kapitel 1. Nennen Sie wichtige VGR-Daten zur Quantifizierung wirtschaftspolitischer Ziele. 2. Ist die Arbeitslosenquote ein befriedigender Indikator der Beschäftigung? 3. Für die Wirtschaftspolitik sind insbesondere aktuelle Daten von Interesse. Beschreiben Sie den Konflikt, der sich aus diesem Anspruch ergibt. 4. Was ist unter Aktualität, Pünktlichkeit und Genauigkeit von Daten gemeint? 5. Warum kann kurzfristig unklar sein, ob eine Rezession vorliegt? 6. Was sind die Gründe für verschiedene Revisionen, denen die VGR unterliegen? 7. Welche Probleme sind mit Revisionen verbunden? 8. Warum ist die Wirkung von Revisionen auf den absoluten Wert des BIP von Interesse?

11. Kapitel Die Verwendung der VGR für Struktur-, Wachstums- und Konjunkturfragen 1. Strukturfragen a) Die Strukturberichterstattung Ab Mitte der 1970er-Jahre gab es in der Bundesrepublik eine inzwischen eingestellte Strukturberichterstattung, deren Vorbereitung bei den großen Wirtschaftsforschungsinstituten lag. Ziel war es u.a., den Zusammenhang zwischen struktureller und gesamtwirtschaftlicher Entwicklung aufzuhellen. In jüngster Zeit wird eine Strukturberichterstattung auf europäischer Ebene durch das Strukturpolitische Monitoring1 der EU verlangt, das eine Liste quantitativer Indikatoren enthält. Unter Struktur versteht man das innere Gefüge einer Volkswirtschaft. Es geht um die Beziehungen innerhalb von und zwischen Teilaggregaten (Wirtschaftszweigen, Regionen, Betriebsgrößenklassen usw.) und zwischen Teilaggregaten und den Gesamtgrößen in einer Volkswirtschaft. Für verschiedene Fragestellungen ist es auch zweckmäßig, Beziehungszahlen zu verwenden (z.B. Bruttowertschöpfung/Erwerbstätige). Im Gegensatz zu den Gliederungszahlen werden hierbei nicht Teilgrößen zu einer übergeordneten Gesamtgröße, sondern zu einer anderen Größe in Beziehung gesetzt. Strukturänderungen sind dauerhafte Änderungen, die plötzlich (beispielsweise infolge einer Erdölkrise) auftreten oder sich stetig entwickeln können. Im Mittelpunkt der Strukturanalyse stehen Richtung und Ursachen der Wandlung sektoraler und regionaler Strukturen sowie der außenwirtschaftlichen Verflechtungen.

b) Strukturdaten In den vorangegangenen Kapiteln wurden gesamtwirtschaftliche Größen unter den verschiedensten Gesichtspunkten gegliedert. Je nach betrachteten Aggregaten, Art der Klassifizierung der darin enthaltenen Größen sowie der Tiefe der Gliederung fallen die Strukturen unterschiedlich aus. Weiter sind Informationen über die Determinanten von Interesse, die die Richtung des sektoralen Strukturwandels prägen und die Aufteilung der volkswirtschaftlichen Ressourcen, darunter die der Arbeitskräfte, auf die Wirtschaftszweige bestimmen. Die Produktionsstrukturen sind in der Entstehungsrechnung des BIP wichtig (vgl. Tab. 4-2 und 4-3 zur BWS nach Wirtschaftsbereichen). Der Durchleuchtung des Produktionsprozesses in einer tiefen Gliederung der Produktionsbereiche dienen darüber

1

Vgl. das 15. Kapitel.

230

Dritter Teil: Die Verwendung der VGR für wirtschaftspolitische Zwecke

Übersicht 11-1 NACE Rev. 2 mit VGR-Zusammenfassungen lfd. Nr.

A * 88

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88

A01 A02 A03 B05 B06 B07 B08 B09 C10 C11 C12 C13 C14 C15 C16 C17 C18 C19 C20 C21 C22 C23 C24 C25 C26 C27 C28 C29 C30 C31 C32 C33 D35 E36 E37 E38 E39 F41 F42 F43 G45 G46 G47 H49 H50 H51 H52 H53 I55 I56 J58 J59 J60 J61 J62 J63 K64 K65 K66 L68 M69 M70 M71 M72 M73 M74 M75 N77 N78 N79 N80 N81 N82 O84 P85 Q86 Q87 Q88 R90 R91 R92 R93 S94 S95 S96 T97 T98 U99

WZ2008 Landwirtschaft Forstwirtschaft Fischerei Kohlenbergbau Gewinnung von Erdöl und Erdgas Erzbergbau Gew.von Steinen und Erden, sonstiger Bergbau Erbrg. v.Dienstleistg.f.Bergbau u.Gew.v.Steinen H.v.Nahrungs-u.Futtermitteln Getränkeherstellung Tabakverarbeitung H.v.Textilien H.v.Bekleidung(oh.Pelzbekleidung) H.v.Leder,Lederwaren u.Schuhen H.v. Holz-, Flecht-, Korb- u. Korkwaren (oh. Möbel) H.v. Papier, Pappe und Waren daraus H.v. Druckerzgn., Vervielfält. v. Ton-,Bild-,Datenträgern Kokerei und Mineralölverarbeitung H.v. chemischen Erzeugnissen H.v. pharmazeutischen Erzeugnissen H.v. Gummi- und Kunststoffwaren H.v. Glas, -waren, Keramik, Verarb. v. Steinen u. Erden Metallerzeugung und -bearbeitung H.v. Metallerzeugnissen H.v. DV-Geräten, elektron. u. optischen Erzeugnissen H.v. elektrischen Ausrüstungen Maschinenbau H.v. Kraftwagen und Kraftwagenteilen Sonstiger Fahrzeugbau H.v.Möbeln H.v.sonstigen Waren Rep. u. Installation v. Maschinen u. Ausrüstungen Energieversorgung Wasserversorgung Abwasserentsorgung Sammlung,Abfallbeseitigung,Rückgewinnung Beseitigung v.Umweltverschm.u.sonst.Entsorg. Hochbau Tiefbau Vorb.Baustellenarbeiten,Bauinstall.,sonst.Ausbau Kfz-Handel; Instandhaltung u. Rep. v. Kfz Großhandel (oh. Handel mit Kfz) Einzelhandel (oh. Handel mit Kfz) Landverkehr u. Transport in Rohrfernleitungen Schifffahrt Luftfahrt Lagerei, sonst. Dienstleister f.d. Verkehr Post-, Kurier- und Expressdienste Beherbergung Gastronomie Verlagswesen Film,TV-Programme,Kinos,Tonstudios,Musikverlag Rundfunkveranstalter Telekommunikation Dienstleistg. d. Informationstechnologie Informationsdienstleistg. Finanzdienstleister Versicherungen und Pensionskassen Mit Finanz- und Versicherungsdienstl. verb. Tätigkeiten Grundstücks- und Wohnungswesen Rechts- u. Steuerberatung, Wirtschaftsprüfung Verwaltung u.Führung v.Untern.,Untern.beratung Architektur- u. Ing.büros; techn. Untersuchung Forschung und Entwicklung Werbung und Marktforschung Freiberuf., wiss., techn.Tätigkeiten Veterinärwesen Vermietung von beweglichen Sachen Vermittlung und Überlassung von Arbeitskräften Reisebüros und -veranstalter Wach-u.Sicherheitsdienste,Detekteien Garten-u.Landschaftsbau;Gebäudebetreuung Dienstleistg. für Unternehmen u. Prrivatpersonen ang Öff. Verwaltung, Verteidigung; Sozialversicherung Erziehung und Unterricht Gesundheitswesen Heime (oh.Erholungs-u.Ferienheime) Sozialwesen (oh.Heime) Kreative, künstlerische u. unterhaltende Tätigkeiten Bibliotheken, Archive, Museen, zoolog. u.ä. Gärten Spiel-, Wett- und Lotteriewesen Sport, Unterhaltung und Erholung Interessenvertretungen, religiöse Vereinigungen Rep. v. DV-Geräten u. Gebrauchsgütern Sonstige überwiegend persönl. Dienstleister Private Haushalte mit Hauspersonal H.v.Waren u.DL durch priv.Haushalte f.d.Eigenbedarf Exterritoriale Organisationen

A* 64

lfd. Nr.

A*38

lfd. Nr.

A*21

lfd. Nr.

A*10

lfd. Nr.

A*3

lfd. Nr.

1 2 3

1 2 3

A

1

A

1

A

1

A

1

05-09

4

B

2

B

2

10-12

5

CA

3

13-15

6

CB

4

16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30

7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21

C

3

B,C,D,E

2 B bis F

2

G bis U

3

31-32

22

33 35 36

23 24 25

37-39

26

41-43

27

45 46 47 49 50 51 52 53

28 29 30 31 32 33 34 35

55-56

36

58

37

CC

5

CD CE CF

6 7 8

CG

9

CH

10

CI CJ CK

11 12 13

CL

14

CM

15

D

16

D

4

E

17

E

5

F

18

F

6

G

19

G

7

F

3

H

20

H

8

G,H,I

4

I

21

I

9

JA

22 J

10

J

5

59-60

38

61

39

JB

23

62-63

40

JC

24

K

25

K

11

K

6

L

26

L

12

L

7

MA

27 M

13

M,N

8

O,P,Q

9

R,S,T,U

10

64 65 66 68

41 42 43 44

69-70

45

71 72 73

46 47 48

74-75

49

77 78 79

50 51 52

80-82

53

84 85 86

MB

28

MC

29

N

30

N

14

54 55 56

O P QA

31 32 33

O P

15 16

87-88

57

QB

34

Q

17

90-92

58

R

35

R

18

93 94 95 96

59 60 61 62

S

36

S

19

97-98

63

T

37

T

20

99

64

U

38

U

21

Quelle: Angaben des Statistischen Bundesamtes.

hinaus die Input-Output-Tabellen. Für die Darstellung der Wirtschaftsbereiche (WZ) in den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen werden fünf Hierarchieebenen unterschieden, wobei die Zahl die jeweilige Anzahl an Wirtschaftsbereichen angibt. Am stärksten aggregiert ist die A3-Gliederung (künftig A*3 nach WZ 2008 – vgl. Übersicht 11-1). A3 wird ausschließlich für Regionaltabellen nach Kreisen verwendet. Nach A6 (künftig A*10) werden die ersten vorläufigen Jahresergebnisse und die Quartalsangaben der Entstehungsseite, die Einkommen und die Erwerbstätigkeit dargestellt. In der Gliederung nach A17 (A*21) werden Regionaltabellen nach Wirtschaftsbereichen in jeweiligen Preisen erstellt. A 31 (A*38) ist die Standardgliederung der jährli-

11. Kapitel: Struktur-, Wachstums- und Konjunkturfragen

231

chen Angaben nach Wirtschaftsbereichen sowie der fünfjährlichen InvestorenKreuztabelle (31 bzw. 38 Wirtschaftszweige und 60 bzw. 64 Güterarten) gemäß ESVG-Verordnung1. Veröffentlicht werden die Daten generell nach 60 (64) Wirtschaftsbereichen als A60 (A*64). Abb. 11-1 Sektoraler Strukturwandel1 Anteile des Produzierenden Gewerbes (mit Bau) und der Dienstleistungsbereiche an der nominalen Bruttowertschöpfung in % 80 70

Dienstleistungssektor

60 50 40

Industriesektor

30 20 10

Agrarsektor

0 1970 1

1975

1980

1985

1990

1995

2000

2005

1970 bis 1991 Westdeutschland.

Quelle: Statistisches Bundesamt (2010b) Tab. 2.2.1, (2008) Tab. 2.1.

Die Wirtschaftsbereiche folgen in ihrer Reihung dem Sektorenschema von Fourastié, das Landwirtschaft (Primärer Sektor), Industrie (Sekundärer Sektor) und Dienstleistungen (Tertiärer Sektor) unterscheidet. Die drei Sektoren gelten als klassische Einteilung (A3) und haben in Übersicht 11-1 die gröbste Struktur. Längerfristig zeigt sich der Strukturwandel in einer Verlagerung vom Primären zum Sekundären und schließlich zum Tertiären Bereich („Drei-Sektoren-Hypothese“). Bei der Analyse dieser Entwicklung ist zu beachten: • Die Strukturquoten werden meist aus Wertgrößen abgeleitet und hängen deshalb von Mengen- und Preisstrukturen ab. Diese Komponenten müssen also isoliert werden; das ist aber bei der Preisbereinigung mit Verkettung (vgl. Kapitel 5.5) nicht mehr möglich, so dass sich im Gegensatz zur Berechnung in konstanten Preisen keine realen Quoten bilden lassen • Insbesondere industrielle Produkte werden immer häufiger zusammen mit speziellen Serviceleistungen (Beratung, Wartung, Schulung) erbracht. Diese Dienstleistungen (z.B. Finanzdienstleistungen) werden zunehmend z.B. aus dem Produzierenden Ge1

Die entsprechende EU-Klassifikation ist die NACE; zu ihrer Umsetzung und Weiterentwicklung siehe auch Kapitel 15.2.

232

Dritter Teil: Die Verwendung der VGR für wirtschaftspolitische Zwecke

werbe, aber auch aus den anderen Wirtschaftsbereichen, ausgelagert. Der statistisch steigende Anteil der Dienstleistungen an der gesamten Wertschöpfung beruht daher nicht vollständig auf weiteren Dienstleistungen, sondern vielmehr auf (ausgelagerten) Aufgaben, die bisher in den anderen Wirtschaftsbereichen wahrgenommen wurden1. Abb. 11-1 zeigt die Verlagerung zum Tertiären Sektor anhand der Bruttowertschöpfung. Der Anteil des Agrarsektors sank von 3,3 % in Westdeutschland im Jahr 1970 auf 0,8 % in Deutschland in 2009. Zudem zeigt sich ein langfristiger Anstieg des Anteils der Dienstleistungsbereiche an der gesamtwirtschaftlichen BWS und spiegelbildlich ein Rückgang des Industrieanteils (Produzierendes Gewerbe mit Bau). Der Anteil der Dienstleistungen stieg über den gesamten Betrachtungszeitraum 1970 bis 2009 um mehr als 20 Prozentpunkte. Während sich seit Mitte der 1990er-Jahre die Sektoranteile kaum noch verschoben haben, kam es im Gefolge der globalen Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise zu einem (vorübergehenden) deutlichen Rückgang des Industrieanteils. Dies gilt auch für die Beschäftigten und für andere fortgeschrittene Volkswirtschaften. Neben Angaben über Produktion, entstandene Einkommen, Erwerbstätige und Anlagevermögen werden für jeden einzelnen Wirtschaftsbereich die in den VGR verfügbaren bereichsspezifischen Merkmale und wichtigen Kennziffern (z.B. Vorleistungsquote, Lohnquote, Kapitalkoeffizient, Arbeits-, Kapitalproduktivität, Lohnkosten je Produkteinheit) dargestellt. Einige werden in diesem Kapitel behandelt. Darüber hinaus werden Daten zum Energieverbrauch und über Umweltwirkungen in verschiedenen Relationen vorgelegt. Für die kurz- und langfristige Analyse sind auch die Verwendungsstrukturen des BIP wichtig. Sie werden beeinflusst durch die im 5. Kapitel behandelte Abgrenzung von laufenden und vermögenswirksamen Transaktionen (insbesondere Konsum und Investitionen). Die Darstellung von Einnahmen und Ausgaben des Staates liefert weitere Strukturdaten, ferner die Finanzierungsrechnung im Hinblick auf finanzielle Ströme und Bestände. Strukturveränderungen können auch bei der Vermögensverteilung und der Einkommensverteilung gemessen werden (siehe das 7. und 12. Kapitel).

c) Staatswirtschaftliche Quoten und Beziehungszahlen In einer gemischten Volkswirtschaft wie die der Bundesrepublik Deutschland sind Art, Ausmaß und Entwicklung der staatlichen Aktivität bedeutsam. Auch sie sind Gegenstand der Strukturforschung, weil sie mit Veränderungen der Produktion und der Beschäftigung einhergehen. Häufig werden in diesem Zusammenhang Indikatoren in Form verschiedener Quoten und Beziehungszahlen für den Staat gebildet, die u.a. auch für Stabilisierungszwecke von Bedeutung sind. Mit solchen Indikatoren lassen sich intertemporale, regionale und internationale Vergleiche durchführen. Sie sind die empirische Grundlage für eine strukturierte Debatte darüber, wie und warum es länderspezifische Unterschiede gibt. 1

Dieser Effekt wird mit der im Jahr 2000 eingeführten Dienstleistungsstatistik herausgefiltert.

11. Kapitel: Struktur-, Wachstums- und Konjunkturfragen

233

Staatswirtschaftliche Quoten setzen Einnahmen oder Ausgaben des Staates zum Bruttoinlandsprodukt in Beziehung1. Grundlage ist der detaillierte Nachweis staatlicher Einnahmen und Ausgaben; Tab. 11-1 gibt einen groben Überblick. Die Einnahmen und Ausgaben des Staates schließen nicht die direkt an die EU fließenden Ströme (EUEigenmittel) bzw. die von der EU direkt an nichtstaatliche inländische Sektoren geleisteten Ströme (Subventionen) ein. Insbesondere folgende Quoten werden berechnet: Die allgemeine Staats(ausgaben)quote enthält die gesamten Staatsausgaben im Zähler. In der Abgrenzung der VGR werden sie definiert als Summe der Ausgaben des Staates für Vorleistungen, Arbeitnehmerentgelt, sonstige Produktionsabgaben, Vermögenseinkommen (beim Staat nur Zinsen), Subventionen, monetäre Sozialleistungen, soziale Sachleistungen, sonstige laufende Transfers, Vermögenstransfers, Bruttoinvestitionen und Nettozugang an nichtproduzierten Vermögensgütern. Die Staatsquote bringt zum Ausdruck, in welchem Ausmaß bestimmte Kreislaufströme über den Sektor Staat laufen. Nicht ersichtlich ist hingegen, wie stark der Staat Güter einer Volkswirtschaft in Anspruch genommen hat. Die Summe aus staatlichen Gesamtausgaben und privaten Ausgaben für Güter weist in Höhe der Transfers Doppelzählungen auf. Die Staatsquote ist daher eine unechte Quote, die zusammen mit der privaten Ausgabenquote einen Wert von über 100 % ergibt. Ihre Aussagekraft ist auch beschränkt, weil die staatliche Aufgabenerfüllung mit unterschiedlich hohen Ausgaben verbunden sein kann. So können der Staat und die EU außer Ausgaben (und Einnahmen) auch Regulierungen einsetzen. Ferner wirkt ein Austausch von Steuervergünstigungen und Ausgaben2 auf die Quote. Tab. 11-1 macht für 1995 und 2000 deutlich, welchen Einfluss (auch auf die Einnahmenquote) einmalige Effekte wie die Übernahme der Schulden der Treuhandanstalt als rein rechnerischer Vermögenstransfers vom Staat an Kapitalgesellschaften und der Verkauf der UMTS-Lizenzen haben können. Auch spezielle Ausgabenquoten können gebildet werden. Sie beziehen beispielsweise die Investitionen oder die Konsumausgaben des Staates oder die von ihm geleisteten Transfers (grundsätzlich ohne Steuervergünstigungen) auf das BIP. Eine Aufgliederung der Staatsausgaben nach Aufgabenbereichen ermöglicht die Berechnung weiterer spezieller, hier funktionsbezogener Ausgabenquoten. Die Aufgliederung der Staatsausgaben nach Aufgabenbereichen ist allerdings nicht unproblematisch, weil in vielen Fällen eine Mehrfunktionalität besteht, d.h. Ausgaben können mehreren Aufgabenbereichen zugeordnet werden (z.B. bei Hochschulkliniken: Unterrichtswesen, Gesundheitswesen, Forschung). Grundsätzlich werden die Ausgaben nur einer Funktion

1

2

Gelegentlich wurden auch andere Größen, z.B. das Volkseinkommen oder das Bruttonationaleinkommen, als Bezugsgrößen gewählt. Ferner werden auch das Vermögen bzw. die Schulden des Staates auf das BIP bezogen. In der Regel werden in den VGR Steuervergünstigungen nicht wie potenzielle Ausgaben („Tax Expenditures“) konzipiert und nachgewiesen, um so einen Wechsel quotenunwirksam werden zu lassen. Eine Ausnahme ist das steuerliche Kindergeld, das als (fiktive) Ausgabe und Einnahme verbucht wird, eine andere findet sich bei der Verbuchung der Umsatzsteuer.

234

Dritter Teil: Die Verwendung der VGR für wirtschaftspolitische Zwecke

Tab. 11-1 Einnahmen, Ausgaben und Finanzierungssaldo des Staates1 Einnahmen Jahr

Insgesamt

Steuern

Sozialbeiträge

sonstige Einnahmen2

1991 19956 20007 2005 2009

665,9 833,6 957,5 976,1 1066,0

337,9 405,7 499,0 493,2 564,5

258,4 338,6 378,4 396,5 409,9

69,7 89,3 80,1 86,4 91,7

Insgesamt

Vorleistungen

Arbeitn. entgelt

Monetäre Sozial.leistgn

709,8 1012,3 930,47 1050,3 1138,7

68,9 77,1 82,4 95,5 111,3

135,1 161,7 166,1 168,9 177,6

235,4 325,6 379,7 429,6 443,5

Aus Soziale Sachleistgn Mrd 99,3 136,0 153,0 167,4 196,6

1 Gemeinsamer Haushalt der Gebietskörperschaften und der Sozialversicherung in der Abgrenzung der VGR, ohne Steuern inländischer Sektoren an die EU und ohne Subventionen der EU an inländische Sektoren. 2 Verkäufe, empfangene Subventionen, empfangene Vermögenseinkommen und sonstige laufende und Vermögenstransfers. 3 Zinsen auf öffentliche Schulden. 4 Geleistete sonst. Produktionsabgaben, sonstige lfd. Transfers und Nettozugang an nichtproduzierten Vermögensgütern. 5 Ausgaben/Abgaben (Steuern und Sozialbeiträge)/Finanzierungssaldo in Relation zum BIP in jeweiligen Preisen.

Quellen: SVR (2010), Tab. 40*; Statistisches Bundesamt (2010b), Tab. 3.4.3.2; eigene Berechnungen.

zugeordnet. Hierbei sind die primäre Zweckbestimmung bzw. das Schwerpunktprinzip maßgeblich. Spezielle Quoten – wie etwa die der staatlichen Bildungs- und Entwicklungsausgaben – sind wenig aussagekräftig, obgleich sie für verschiedene Vergleiche herangezogen werden. So wird bei den Bildungsausgaben nichts über Ausmaß und Qualität der Leistungen gesagt. Die Programme und die Ausbilder können unterschiedlich gut sein, die Entlohnung hoch oder nicht. Entwicklungshilfe kann den Aufbau eines Landes oder die Korruption dort fördern oder dessen Produzenten verdrängen. Spezielle Ausgabenquoten sind Inputgrößen und bilden einen Anstoß oder Ausgangspunkt für die Analyse des Outputs (z.B. Zahl der Unterrichtsstunden) und schließlich des letzten Ergebnisses des staatlichen Handelns (Outcome): Was wird in der Schule gelernt (gemessen etwa durch PISA)? Die Wahl geeigneter Indikatoren für den jeweiligen Output ist auch wichtig für die Volumensberechnung bei der Deflationierung nomineller Größen und daher Bestandteil der VGR. Die Darstellung der Outcomes ist Gegenstand u.a. von Satellitensystemen (z.B. in der Nachhaltigkeitsberichterstattung). Die staatlichen Einnahmenquoten beziehen die Staatseinnahmen auf das BIP. Sie sind um die Verkäufe sowie die empfangenen sonstigen Subventionen, Vermögenseinkommen und sonstigen laufenden Transfers1 größer als die Abgabenquoten, die im Nenner nur die Abgaben (Steuern und Sozialbeiträge) enthalten. Abgabenquoten zeigen, in welchem Umfang dem privaten Sektor Mittel entzogen und auf den Staat über-

1

Zu den Verkäufen rechnen Mieteinnahmen des Staates, Konzessionsabgaben, Gebühren (darunter Verwaltungsgebühren, wenn mit dem Verwaltungsakt wesentliche Prüfungen verbunden sind). Empfangene Vermögenseinkommen bestehen in den Erträgen aus staatlichen Beteiligungen, Nettopachten und Zinsen auf gewährte Darlehen. Empfangene sonstige laufende Transfers sind die von den privaten Haushalten geleisteten Verwaltungsgebühren, Strafen und Schadensversicherungsleistungen der Versicherungen sowie Verwaltungsgebühren (soweit nicht Verkäufe) der Unternehmen.

11. Kapitel: Struktur-, Wachstums- und Konjunkturfragen

235

noch Tab. 11-1 gaben geleist. Vermög.einkom.3

Subventionen

Vermögenstransfers

Bruttoinvestionen

sonstige Ausgaben4

Finanzierungssaldo

Staatsquote

nachrichtlich AbgaEinnahbenmenquote quote

Jahr

- 2,9 - 9,7 + 1,3 - 3,3 - 3,0

1991 19956 20007 2005 2009

%5

EUR 41,2 64,6 65,1 62,6 62,2

Finanzierungsquote

32,7 38,2 34,8 27,3 31,5

30,1 147,4 30,1 34,6 32,8

40,5 40,4 36,2 30,3 39,3

26,5 21,2 - 16,97 34,1 43,9

- 43,8 - 178,7 + 27,1 - 74,2 - 72,7

46,3 54,8 45,1 46,8 47,5

43,4 45,1 46,4 43,5 44,5

38,9 40,2 42,3 39,1 39,9

6

Einmaliger Effekt durch die Übernahme der Schulden der Treuhandanstalt und eines Teils der Altschulden der ostdeutschen Wohnungswirtschaft in den öffentlichen Sektor in Höhe von 2,9 (Einnahmen) bzw. 122,5 (Ausgaben) Mrd. Euro; ohne die Berücksichtigung ergeben sich folgende Werte: Einnahmen 830,8 Mrd. Euro, Ausgaben 889,9 Mrd. Euro, Staatsquote 48,1%, Finanzierungsquote - 3,9 %. 7 Einmaliger Effekt durch den Verkauf der UMTS-Lizenzen in Höhe von 50,8 Mrd. Euro; ohne Berücksichtigung ergeben sich folgende Werte: Ausgaben des Staates 981,2 Mrd. Euro, Staatsquote 47,6 %, Finanzierungsquote –1,5 %.

tragen wurden. Da der Staat jedoch regelmäßig einen Teil seiner Einnahmen in Form von Transfers wieder an die Privaten zurückleistet, ist aus Abgabequoten nicht zu erkennen, in welchem Umfang Einkommensteile endgültig aus der privaten in die staatliche Verwendung übergegangen sind (Wissenschaftlicher Beirat beim BMF 1976, S. 860). Zu beachten ist, dass in Zähler und Nenner der Abgabenquoten die unterstellten Sozialbeiträge eingeschlossen sind. Neben der Abgabenquote werden weitere spezielle Einnahmenquoten auf der Grundlage der Aufspaltung der Einnahmen nach Einnahmenarten gebildet, so insbesondere Steuerquoten und Sozialbeitragsquoten. Bei Hinzurechnung der entgangenen Abgaben durch Steuervergünstigungen würden die Steuereinnahmen bzw. -quoten (entsprechend bei den Ausgaben hinsichtlich unterstellter Transfers) höher ausfallen. Die Einnahmen- und Steuerquoten unterzeichnen leicht die Abgabenbelastung, weil ein Teil des in Deutschland erzielten Steueraufkommens (nämlich EU-Eigenmittel der Mehrwertsteuerumlage, Zölle und Abschöpfungen, im Gegensatz zu den BNE-Mitteln) nicht als Einnahmen des Staates, sondern als Einnahmen unmittelbar der EU gebucht wird1. Das machte zuletzt knapp einen Prozentpunkt des BIP aus. Indem man auf die öffentlichen Finanzen insgesamt abstellt, also die Transaktionen des Inlands mit dem EU-Haushalt vollständig dem Sektor Staat zuschlägt, wird bei veränderter Zusammensetzung der Mittel eine verzerrte Tendenz der Steuer- und der Ausgabenquote im Zeitablauf vermieden (Deutsche Bundesbank 2003b). Wirtschaftspolitisch bedeutsam ist die Relation von staatlichem Finanzierungssaldo zu BIP. So ist die Vermeidung eines negativen Saldos (Defizitquote) über 3 % in der VGR-Abgrenzung ein Konvergenzkriterium für den Beitritt zur Europäischen Wäh-

1

Entsprechendes gilt für die EU-Subventionen an inländischen Sektoren, die die VGR nicht in die Ausgaben des Staates einbeziehen.

236

Dritter Teil: Die Verwendung der VGR für wirtschaftspolitische Zwecke

rungsunion und ein Referenzwert nach dem Stabilitäts- und Wachstumspakt1. Diese Betonung der Defizitquote zeigt, wie wichtig die Abgrenzung des Staates, seiner Einnahmen und Ausgaben sowie deren Defizitwirksamkeit sind. Hierzu hat Eurostat viele Einzelfestlegungen getroffen und speziell für den Staat ein Handbuch zum ESVG veröffentlicht (ein weiteres hat der IWF vorgelegt). Angesichts der häufig schwierigen Abgrenzung zwischen privatem und staatlichem Sektor, der vielfältigen Ausgliederungen (aber auch Wiedereingliederungen) insbesondere ehemals staatlicher Produktion, soll hiermit eine international und intertemporal vergleichbare Zuordnung der statistischen Einheiten gewährleistet werden. Ferner sind funktionale Fragen zu klären2.

d) Subventionen Von besonderem Interesse ist die Verteilung der Subventionen, die in Tab. 11-2 für vier Wirtschaftsbereiche absolut und in Relation zu ihrer BWS gezeigt wird. Bemerkenswert ist hier, dass für 2005 (1991) mit 6,2 (2,8) Mrd. Euro im Bereich Land-/ Forstwirtschaft/Fischerei 17,9 (7,3) % der gesamten Subventionen nachgewiesen werden; bezieht man diese Subventionen auf die BWS des Bereichs, ergibt sich eine Subventionsintensität von 31,1 (14,6) %. Land-/Forstwirtschaft/Fischerei trugen nur mit 1,1 (1,4) % zur BWS aller Wirtschaftsbereiche bei. Absolut haben in diesem Zeitraum auch die von den Dienstleistungsunternehmen empfangenen Subventionen zugenommen (von 11,4 auf 12,2 Mrd. Euro), die Subventionsintensität betrug hier aber 2005 (1991) nur 1,2 (1,9) %3. Subvention sind Ausnahmetatbestände, die einzelne Wirtschaftsbereiche begünstigen. Das grundsätzliche Problem ist dann natürlich zunächst einmal zu bestimmen, was generelle Regel und was Ausnahmetatbestand ist. So gilt der ermäßigte Umsatzsteuersatz auf Lebensmittel in der Regel nicht als Subvention, sondern als Ausdruck eines verteilungspolitischen Ziels der Steuerpolitik, während die Umsatzsteuerbefreiungen für Leistungen der Heilberufe zu den Subventionen gerechnet werden können. Da sich ein Konsens darüber, was allgemeine Regel und was Ausnahmetatbestand ist, nicht immer herstellen lässt, kann bei der praktischen Abgrenzung hier und in anderen Fällen durchaus anders zugeordnet werden (Fritzsche 2002, S. 375). 1

2

3

Die Haushalte der EU-Mitglieder sollen mittelfristig ausgeglichen sein oder sogar einen Überschuss aufweisen. Eine Defizitquote von über 3 % ist nur in einer schweren Rezession zulässig. Wenn der Staat beispielsweise in seinem Kernhaushalt eine Nettozahlung an andere Einheiten nachweist, handelt es sich dann um einen Kauf von Dienstleistungen, eine Transferzahlung zum Verlustausgleich (in der VGR als sonstige Gütersubvention zu buchen) oder eine Kapitalanlage, d.h. den Erwerb eines finanziellen Aktivums? Die Entscheidung hat unterschiedliche Auswirkungen auf die Höhe der staatlichen Nichtmarktproduktion, auf Einnahmen und Ausgaben und das staatliche Defizit. Nur in den ersten beiden Fällen wird das Defizit tangiert, im dritten Fall liegt eine finanzielle Transaktion vor, die nicht den Saldo aus Forderungen und Verbindlichkeiten des Staates verändert. Beteiligungen an Finanzinstituten zum Marktpreis erworben sind finanzielle Transaktionen, Kapitalspritzen können aber Vermögenstransfer sein. Die Strukturen ändern sich auch nur wenig, wenn man die Subventionsintensität statt durch Bezug auf die Bruttowertschöpfung auf die Erwerbstätigen berechnet; vgl. Fritzsche (2002).

11. Kapitel: Struktur-, Wachstums- und Konjunkturfragen

237

Tab. 11-2 Subventionen der großen Wirtschaftsbereiche1 a) in Mrd. Euro, b) in % der BWS 1991

1995

2000

2005

Land-/Forstwi., Fischerei Produzierendes Gewerbe Handel und Verkehr Dienstleist.unternehmen

a) 2,8 11,8 12,3 11,4

b) 14,6 2,3 4,9 1,9

a) 5,9 9,2 14,5 14,6

b) 27,5 1,7 4,8 1,8

a) 5,8 9,1 10,8 15,0

b) 24,6 1,6 3,2 1,6

a) 6,2 5,5 9,0 12,2

b) 31,1 0,9 2,5 1,2

Alle Wirtschaftsbereiche

38,3

2,8

44,2

2,6

40,7

2,2

32,9

1,6

Quelle: Angaben des Statistischen Bundesamtes, Stand August 2006.

Gerade für die sektorale Durchleuchtung der Subventionen ist der Subventionsbegriff der VGR nicht sehr aussagekräftig. Danach stellen Subventionen in den VGR laufende Zahlungen ohne Gegenleistung dar, die der Staat oder Institutionen der EU an gebietsansässige Produzenten leisten, um den Umfang der Produktion dieser Einheiten, ihre Verkaufspreise oder die Entlohnung der Produktionsfaktoren zu beeinflussen. Problematisch ist, dass dieser Subventionsbegriff sich auf laufende Transfers beschränkt, die Vermögenstransfers (z.B. Investitionszuschüsse) daher nicht den Subventionen an die Wirtschaftsbereiche zugerechnet werden. Angaben, wie die Subventionen z.B. an die vier Wirtschaftsbereiche bei Einbeziehung der Vermögenstransfers ausfallen würden, liegen nicht vor. Über die Erweiterung um die Vermögenstransfers, soweit sie Produzenten betreffen, hinaus geht der Subventionsbegriff der an der Strukturberichterstattung beteiligten Wirtschaftsforschungsinstitute unter Mitarbeit des Statistischen Bundesamtes. Er berücksichtigt außerdem die Steuervergünstigungen1, soweit sie auf ein Produkt oder eine Produktion bezogen sind, und entsprechende staatliche Transfers an private Haushalte wie das Wohngeld und die Bergmannsprämien2. Die letzte Umrechnung wird vorgenommen, weil sich in den VGR die Zuordnung der Subventionen auf Wirtschaftsbereiche nach dem Tätigkeitsbereich des Empfängers richtet. Danach gelten nur die Zahlungen als Subventionen, die direkt an Produzenten fließen, nicht aber produktbezogene staatliche Transfers an private Haushalte wie das Wohngeld. Ökonomisch ist es indessen für Strukturfragen weniger bedeutsam, ob eine produktbezogene Zahlung zuerst die Kassen der Produzenten berührt und von dort an private Haushalte weitergegeben wird, oder ob sie letzteren direkt zufließt. Besonders fragwürdig wird die strikte Anwendung des Empfänger-Prinzips hinsichtlich der Verteilung der Subventionen auf einzelne Wirtschaftszweige.

1

2

Sie werden in den VGR – abgesehen von der einbehaltenen Umsatzsteuer – nicht zu den Subventionen gerechnet. Auch darüber hinaus geht der Subventionsbegriff des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (vgl. Boss/Rosenschon 2002, 2006a, 2010).

238

Dritter Teil: Die Verwendung der VGR für wirtschaftspolitische Zwecke

2. Das Produktionswachstum und seine Determinanten Für die Analyse und Prognose des Wirtschaftswachstums ist die Kenntnis des Produktionspotentials und der tatsächlichen Produktion wichtig. Das Produktionspotenzial (potential output) wird als der mögliche Umfang der nachhaltig zur Verfügung stehenden gesamtwirtschaftlichen Produktionsleistung (gemessen als reales Bruttoinlandsprodukt) verstanden, der mit den vorhandenen Produktionsfaktoren (Ressourcen) erreicht werden kann. Das Produktionspotenzial hängt von der Ausstattung der Wirtschaft mit Ressourcen (insbesondere Arbeitskräfte und Kapitalstock) und deren Produktivität ab. Daher kann bei gegebenen Ressourcen das tatsächliche Inlandsprodukt eine bestimmte Höhe nicht überschreiten. Das Konzept des Produktionspotenzials wird sowohl für langfristige Analysen (Wachstum) wie für kurzfristige Betrachtungen (Konjunktur) verwandt. Zwischen beiden Betrachtungsweisen besteht ein enger Zusammenhang, der insbesondere dann deutlich wird, wenn man Konjunkturen als Wachstumszyklen betrachtet, d.h. als Schwankungen um einen im Produktionspotenzial nachgewiesenen Trend1. Die Schätzung des Produktionspotenzials ist nicht Aufgabe des Statistischen Bundesamtes. Allerdings legen u.a. der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, die Deutsche Bundesbank, die EU und die OECD Berechnungen vor. Hierzu bedarf es der Kenntnis der Produktionsfaktoren. Das Statistische Bundesamt liefert Daten über Arbeitskräfte und Kapitalstock.

a) Der Produktionsfaktor Arbeit Der Produktionsfaktor Arbeit wird insbesondere durch die Zahl der Arbeitskräfte (Erwerbspersonen oder Erwerbstätige) und die von ihnen geleisteten Arbeitsstunden dargestellt. Ausgangspunkt in Übersicht 11-2 und dem oberen Teil von Tab. 11-3 ist jeweils die Bevölkerung (= Einwohner, population). Hierzu rechnen alle Personen mit ständigem Wohnsitz in Deutschland. Die Bestandsgrößen über die Bevölkerung (und Erwerbstätigen) werden als Durchschnittswerte des Rechnungszeitraums ausgewiesen. Übersicht 11-2 Zusammenhang zwischen Bevölkerung und Erwerbstätigen Bevölkerung

Pendlersaldo

1

Erwerbspersonen (Inländerkonzept) Erwerbstätige (Inländerkonzept) Arbeitnehmer (Inländerkonzept) Erwerbstätige (Inlandskonzept)

Nichterwerbspersonen Erwerbslose Selbständige

Liegt das tatsächliche BIP unter dem Produktionspotenzial, spricht man von einer Outputlücke.

11. Kapitel: Struktur-, Wachstums- und Konjunkturfragen

239

Die Bevölkerung wird nach der Beteiligung am Erwerbsleben in Erwerbspersonen und Nichterwerbspersonen gegliedert. Nichterwerbspersonen1 sind diejenigen Personen der Bevölkerung, die weder zu den Erwerbspersonen zählen (Rentner, Ehepartner ohne Erwerbstätigkeit, Kinder) noch erwerbslos sind. Die Erwerbspersonen (labour force, economically active population) sind 15- bis 74-jährig und umfassen die Erwerbslosen und die Erwerbstätigen nach dem Inländerkonzept. Erwerbstätige (employed) sind nach der für die VGR maßgeblichen Definition der International Labour Organization (ILO) mindestens 15 Jahre alte Personen, die in der Berichtswoche eine bezahlte Arbeit von mindestens einer Stunde Dauer ausgeübt haben. Auch wer sich in einem dauerhaften Beschäftigungsverhältnis befindet, dem er in der betreffenden Woche nicht nachgegangen ist, gilt als erwerbstätig. Mitzurechnen sind Wehr- und Zivildienstleistende, nicht aber Personen in ihrer Eigenschaft als Grundstücks-, Haus-, Wohnungs- oder Wertpapiereigentümer. Erwerbstätige können Arbeitnehmer oder Selbständige sein, ebenso Personen, die angeben, unentgeltlich in einem Familienbetrieb mitzuarbeiten. Das Konzept stellt auf Personen ab, daher werden Personen mit mehreren gleichzeitigen Beschäftigungsverhältnissen nur einmal erfasst. Zu den Erwerbslosen (unemployed persons) zählen alle Personen im Alter von 15 Jahren und mehr, die weniger als eine Stunde/Woche arbeiten, in den vorhergehenden vier Wochen aktiv Arbeit gesucht haben und angeben, im Erfolgsfall innerhalb der kommenden zwei Wochen eine Arbeitsstelle antreten zu können. Dies gilt unabhängig davon, ob sie beim Arbeitsamt als Arbeitslose gemeldet sind. Auch Personen, die vorübergehend geringfügige Tätigkeiten ausüben, zählen zu den Erwerbstätigen2. Bezieht man die so abgegrenzten Erwerbslosen auf die Erwerbspersonen, ergibt sich die Erwerbslosenquote (ratio of unemployed persons, vgl. Tab. 11-3, Zeile 16). Die Ergebnisse zu den Erwerbstätigen und Arbeitnehmern werden nach dem Inländerkonzept (Wohnortprinzip, national concept) und nach dem Inlandskonzept (Arbeitsortprinzip, domestic concept) dargestellt. Für den Übergang vom Inländer- zum Inlandskonzept werden die im Inland arbeitenden Ausländer (Einpendler) hinzugezählt und die im Ausland arbeitenden Inländer (Auspendler) abgezogen. Diese Übergangsposition wird zusammengefasst als Pendlersaldo nachgewiesen. Tab. 11-3 zeigt für 2009 (1991) eine Bevölkerung von 81,9 (80,0) Mio und Erwerbspersonen in Höhe von 43,4 (40,8) Mio. Die Erwerbsquote, d.h. die Erwerbspersonen bezogen auf die Bevölkerung, betrug 53,0 (51,0), die Zahl der Arbeitnehmer (Inländer) 35,8 (35,1) Mio, und die Zahl der Selbständigen 4,4 (3,5) Mio ist gestiegen. 3,2 (2,2) Mio Personen waren 2009 (1991) erwerbslos, somit betrug die Erwerbslosenquote 7,4 (5,3) %.

1

2

Erwerbslose + Nichterwerbspersonen können als Nichterwerbstätige (kein VGR-Begriff) bezeichnet werden. In der Arbeitsmarktstatistik der Bundesagentur für Arbeit werden statt der Erwerbslosen – anders abgegrenzt – Arbeitslose nachgewiesen; vgl. die Ausführungen zu Tab. 11-10.

240

Dritter Teil: Die Verwendung der VGR für wirtschaftspolitische Zwecke

Tab. 11-3 Bevölkerung, Erwerbstätigkeit und Arbeitsvolumen Gegenstand der Nachweisung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

1995

2000

2005

2009

81 661 40 887 40 774 3 228 37 546 3 749 33 797 55 33 852 . 3 749 37 601

82 188 40 013 42 175 3 137 39 038 3 915 35 123 106 35 229 . 3 915 39 144

82 464 39 150 43 314 4 573 38 741 4 355 34 386 94 34 480 5 794 4 355 38 835

81875 38 477 43 398 3 227 40 171 4 409 35 762 100 35 862 5 935 4 409 40 271

59,8 57,7 51,9 49,3 Gesamtwirtschaftliche Kennzahlen Wirtschaftswachstum (BIP–preisbereinigt, verkettet)3 . 1,9 Erwerbsquote (Erwerbspers. in % der Bevölkerung) 51,0 49,9 Erwerbslosenquote (Erw.lose in % der Erwerbspers.) 5,3 7,9 BIP in jeweiligen Preisen je Erwerbstätigen in Euro 39 735 49 160 BIP in jeweiligen Preisen je geleistete Arbeitstunde der Erwerbstätigen in Euro 25,7 32,1 Produktivität je Erwerbstätigen (BIP–preisbereinigt, 3 verkettet je Erwerbstätigen) . 1,7 Produktivität je Erw.tätigenstunde (BIP–preisbereinigt, verkettet je geleist. Arbeitsstunde d. Erwerbstätigen)3 . 2,6 Lohnkosten je Arbeitnehmer monatlich (Arbeitn.entgelt je Arbeitn. in Euro je Monat) 2 006 2 456 Lohnkosten je Arbeitn.stunde (Arbeitn.entgelt je geleist. Arbeitstunde der Arbeitn. in Euro) 16,3 20,2 Lohnstückkosten (Pers.konz.) (Lohnkost. je Arbeitn. in Relation zur Produktivität je Erwerbstätigen)3 . 1,9 Lohnstückkosten (Stundenkonzept)3 . 2,1 Verdienst je Arbeitnehmer monatlich (Bruttolöhne u. -gehälter je Arbeitnehmer in Euro je Monat) 1 641 1 984 Verdienst je Arbeitnehmer monatlich in Euro (ohne marginal Beschäftigte) . . Verdienst je Arbeitn.stunde (Bruttolöhne und -gehälter je gel. Arbeitsstunde der Arbeitn. in Euro) 13,3 16,3 Lohnquote, unbereinigt (Arbeitnehmerentgelt in % des Volkseinkommens) 71,0 71,4 Arbeitseink.quote (Arbeitnehmerentgelt je Arbeitn. in % des Volkseinkommens je Erwerbstätigen) 78,1 79,3

57,7 48,9

57,7 46,7

56,0 47,0

3,2 51,3 7,4 52 690

0,8 52,5 10,6 57 737

-4,7 53,0 7,4 59 524

35,8

40,3

42,8

1,3

0,9

-4,7

2,6

1,4

-2,2

2 606

2 733

2 848

22,5

24,2

26,1

0,6 0,7

-1,0 -0,8

5,2 5,7

2 092

2 206

2 305

.

2 591

2 703

18,1

16,9

21,1

72,2

66,7

68,4

80,2

75,1

76,8

Bevölkerung - Nichterwerbspersonen = Erwerbspersonen - Erwerbslose1 = Erwerbstätige (Inländer) - Selbständige2 = Arbeitnehmer (Inländer) + Pendlersaldo = Arbeitnehmer (Inland) dar. marginal Beschäftigte + Selbständige2 = Erwerbstätige ( Inland)

1991 Durchschnitt in 1000 79 984 39 161 40 823 2 159 38 664 3 520 35 144 - 43 35 101 . 3 520 38 621 Mrd Stunden pro Jahr

Geleistete Arbeitsstunden (Inland) 13 der Erwerbstätigen 14 der Arbeitnehmer 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 1

2 3

Abgrenzung der Erwerbslosen nach den Definitionen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO); Ergebnisse der Arbeitskräfteerhebung (Mikrozensus) ab 2005, zuvor Schätzungen. Einschließlich mithelfende Familienangehörige. Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %.

Quelle: Statistisches Bundesamt (2005a, 2010b), Tab. 3.1.2.

11. Kapitel: Struktur-, Wachstums- und Konjunkturfragen

241

In Tab 11-3 sind auch (Zeile 10) marginal Beschäftigte aufgeführt, d.h. Personen, die als Arbeiter und Angestellte keine voll sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ausüben, jedoch nach dem Labour-Force-Konzept der ILO als Erwerbstätige gelten, wenn sie in einem Berichtszeitraum wenigstens eine Stunde gegen Entgelt gearbeitet haben. Die Zahl der Erwerbstätigen (Selbständige, mithelfende Familienangehörige und beschäftigte Arbeitnehmer bei inländischen Institutionen) ist nur ein sehr grober Maßstab für die aufgewendete Arbeit. So zählen zu den Erwerbstätigen auch Personen, die nur in sehr geringem Umfang erwerbstätig sind und die hauptsächlich von Rente, Pension, Sozialleistungen oder eigenem Vermögen leben oder überwiegend von Angehörigen unterhalten werden. Einen besseren Einblick in den Umfang der Erwerbstätigkeit erhält man, wenn die Erwerbstätigen nach der Anzahl der in der Periode geleisteten Arbeitsstunden gruppiert werden. Dabei ist zwischen „tatsächlich“ und „normalerweise“ geleisteten Stunden zu unterscheiden. Die normalerweise geleisteten Stunden schließen auch die durch Abwesenheit wie Krankheit oder Urlaub bestimmte Zeit ein. Die Gesamtsumme der von allen Erwerbstätigen tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden wird als Gesamtarbeitsvolumen (total hours worked) bezeichnet. Darin sind auch Überstunden, Ausfallzeiten und Teilzeitbeschäftigung berücksichtigt. Das Arbeitsvolumen für die Volkswirtschaft wird regelmäßig vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit berechnet und veröffentlicht Die Zahlen über Erwerbstätige und beschäftigte Arbeitnehmer werden unter anderem zur Berechnung der Produktivitätsentwicklung und von Durchschnittseinkommen herangezogen. Für diesen Zweck müssen die Bevölkerungs- und Erwerbstätigenzahlen nach den gleichen Konzepten wie die entsprechenden Güter- und Einkommensströme abgegrenzt werden. Die Bevölkerung kann mit allen Ergebnissen der VGR in Beziehung gebracht werden, denen das Inländerkonzept zugrunde liegt. Bei den Erwerbstätigen liegen Angaben sowohl für das Inlands- als auch für das Inländerkonzept vor. Angaben über Erwerbstätige und beschäftigte Arbeitnehmer in der Gliederung nach Wirtschaftsbereichen beziehen sich stets auf das Inlandskonzept.

b) Arbeitsproduktivität und Lohnstückkosten Unter Produktivität versteht man das Verhältnis von Produktionsergebnis (Output) zu Einsatz eines oder aller damit verbundenen Produktionsfaktoren (Input) gemessen in realen Größen. Von besonderer praktischer Bedeutung ist die Arbeitsproduktivität (labour productivity)1. Sie wird gesamtwirtschaftlich unter der Bezeichnung Produktivität je Erwerbstätigen berechnet als Bruttoinlandsprodukt (preisbereinigt, verkettet), je Erwerbstätigen2 (vgl. Tab. 11-3, Zeile 20). Diese Größe wird häufig mit 1 2

Der Kehrwert wird als Arbeitskoeffizient bezeichnet. Von der so definierten durchschnittlichen ist die marginale Arbeitsproduktivität zu unterscheiden, die als Verhältnis der Veränderung der Bruttowertschöpfung zur Veränderung der Zahl der durchschnittlich Erwerbstätigen berechnet wird.

242

Dritter Teil: Die Verwendung der VGR für wirtschaftspolitische Zwecke

,,Produktivität“ schlechthin gleichgesetzt. Allerdings wird bei dieser Berechnung der gesamte „reale“ Ertrag der wirtschaftlichen Tätigkeit ausschließlich auf die Arbeit bezogen, obgleich das Produkt aus dem Zusammenwirken sämtlicher Produktionsfaktoren (also auch des Kapitals und der unternehmerischen Leistung) entsteht1. So kann eine rechnerisch hohe Arbeitsproduktivität auch Folge besonders kapitalintensiver Fertigung zu sein. Die Arbeitsproduktivität ändert sich mit der Menge anderer Faktoren, allerdings können die Einflüsse der einzelnen an der Produktion mitwirkenden Faktoren statistisch kaum isoliert werden. Die Arbeitsproduktivität ist daher keine unproblematische Größe und kann nur als grobes Orientierungsmittel dienen. Besser als die auf die Erwerbstätigen bezogene Arbeitsproduktivität ist die Relation Bruttoinlandsprodukt (preisbereinigt, verkettet) je geleistete Arbeitsstunde der Erwerbstätigen. Sie wird als Produktivität je Erwerbstätigenstunde bezeichnet (siehe Tab. 11-3, Zeile 21). Nicht berücksichtigt ist bei beiden Bezugsgrößen (Erwerbstätige bzw. Arbeitsstunden) die Qualität der Arbeitsleistungen. Abbildung 11-2 zeigt die Entwicklung der Produktivität auf Basis der Erwerbstätigen und der Erwerbstätigenstunden in Deutschland im Zeitraum 1991 bis 2009. Demnach ist die Produktivität auf Stundenbasis deutlich stärker angestiegen. Dies liegt an der Verkürzung der Arbeitszeit und der Ausweitung der Teilzeitbeschäftigung. Die Anzahl der Arbeitsstunden je Erwerbstätigen pro Jahr ist von knapp 1 550 Stunden auf knapp 1 430 Stunden in den Jahren 2006 bis 2008 gesunken – im Jahr 2009 vor allem wegen der krisenbedingten Kurzarbeit nochmals auf 1 390 Stunden. Abb. 11-2 Produktivitätsentwicklung; preisbereinigte BWS aller Wirtschaftsbereiche je Erwerbstätigen und je Erwerbstätigenstunde, Index 1991 = 100 140 135

je Erwerbstätigen

130

je Erwerbstätigenstunde

125 120 115 110 105 100 1991

1993

1995

1997

1999

2001

2003

2005

2007

2009

Quelle: Statistisches Bundesamt (2010b), Tab. 2.13 und 2.14. 1

Produktivitätserhöhungen lassen sich nach dem Konzept der Entlassungsproduktivität auch durch Freisetzung von Arbeitskräften erzielen.

11. Kapitel: Struktur-, Wachstums- und Konjunkturfragen

243

Einschränkungen in der Aussagefähigkeit von Produktivitätskennzahlen, insbesondere in der Darstellung nach Wirtschaftsbereichen, resultieren auch aus der Zuordnung der Erwerbstätigen auf die Wirtschaftsbereiche nach ihrer Haupttätigkeit – wobei weitere Tätigkeiten einer Person unberücksichtigt bleiben – und aus dem teilweise sehr unterschiedlichen Anteil von Teilzeitarbeit in den einzelnen Bereichen1. Diese Angaben sind deshalb für Niveauvergleiche der „Arbeitsproduktivität“ zwischen den einzelnen Bereichen nicht zu verwenden. Auch können die besonderen theoretischen und praktischen Schwierigkeiten der Berechnung preisbereinigter Angaben für bestimmte Dienstleistungsbereiche Aussagen über den Produktivitätsverlauf erheblich beeinträchtigen2. Das gilt insbesondere für den Nichtmarktbereich. Hier kann die Produktion oft nur anhand physischer Mengen (z.B. Zahl der erbrachten Leistungen oder Zahl der Empfänger der Leistungen) dargestellt werden. Dennoch wird gerade auf die Arbeitsproduktivität Bezug genommen wird, weil Arbeit in allen Produktionsprozessen erforderlich ist, leichter als andere Inputs gemessen werden kann (wenngleich ein Problem bei der Messung der Arbeitsleistungen der Selbständigen besteht), den größten Teil der gesamten Produktionskosten darstellt und mit Verbesserungen des Lebensstandards korreliert. Voraussetzung für eine aussagekräftige Erfassung der Produktivitätsentwicklung ist die richtige Messung der Preisniveauentwicklung. Wird diese zu hoch (zu niedrig)3 eingeschätzt, fällt entsprechend die nachgewiesene Produktivitätsentwicklung zu niedrig (zu hoch) aus. Ferner wird darauf hingewiesen, dass zur Berechnung von BIP und Bruttowertschöpfung keine Abschreibungen für Kapitalgüter abgezogen werden und so die Produktivitätszunahme überhöht ausfallen kann. Die Wachstumsraten von BIP bzw. Bruttowertschöpfung und NIP bzw. Nettowertschöpfung unterscheiden sich, wenn die durchschnittliche Abschreibungsrate des Kapitalstocks sich stark verändert. Mit der Änderung in der Zusammensetzung der Kapitalgüter hin zu mehr kurzfristigen Anlagen (insbesondere Computer und Software) ändert sich die Wachstumsrate der Abschreibungen. Zusammenfassend lässt sich sagen: Die Interpretation ist unzulässig, dass die Arbeitsproduktivität allein durch den Faktor Arbeit bestimmt wird. So findet man z.B. hohe Arbeitsproduktivität gerade in Wirtschaftszweigen mit hoher Kapitalausstattung. Die Arbeitsproduktivität ist eine statistische Messziffer, nicht aber eine Zurechnungsgröße. Die Ziffer ist aussagekräftiger, wenn sie auf die Arbeitsstunden und nicht auf die Erwerbstätigen bezogen ist. Steigt beispielsweise die je Erwerbstätigen gemessene Arbeitsproduktivität weniger als die je Arbeitsstunde gemessene Arbeitsproduktivität, könnte dies auf zunehmende Teilzeitbeschäftigung und vermehrte Inanspruchnahme von Kurzarbeit zurückzuführen sein.

1 2 3

Zurechnungsprobleme entstehen auch durch den verstärkten Einsatz von Zeitarbeitnehmern. Vgl. die Ausführungen im Kapitel, 5.5d). Wenn mit überhöhten rechnerischen Anpassungen auf die Verbesserung der Güterqualität reagiert wird, werden die Inflationsrate zu niedrig, aber die Zunahme von BIP bzw. BIP je Erwerbstätigen zu hoch nachgewiesen.

244

Dritter Teil: Die Verwendung der VGR für wirtschaftspolitische Zwecke

Die für die Gesamtwirtschaft gezeigten Produktivitätsmaße lassen sich nicht entsprechend für einzelne Wirtschaftsbereiche verwenden, denn die Gütersteuern abzüglich Gütersubventionen sind im Bruttoinlandsprodukt, nicht aber in der Bruttowertschöpfung enthalten. Daher ist die für die Wirtschaftsbereiche insgesamt nachgewiesene Produktivität geringer als die für die Gesamtwirtschaft, eben weil das BIP und nicht die geringere Bruttowertschöpfung die Zählergröße ist. Die zur Berechnung der (Arbeits-)Produktivität in den Wirtschaftsbereichen benötigten Angaben über deren Bruttowertschöpfung (preisbereinigt, verkettet) liegen vor (vgl. Tab. 4-4). Für die Wirtschaftsbereiche werden ferner in entsprechender Gliederungstiefe Angaben über die Erwerbstätigen, die beschäftigten Arbeitnehmer und das Arbeitsvolumen veröffentlicht. Tab. 11-4 zeigt die Zahl der Erwerbstätigen 1991-2009 in grober Bereichsgliederung und deren Anteil in den Bereichen, Tab. 11-5 die entsprechende Produktivität je Erwerbstätigen. Sie nimmt insgesamt zu, weist aber bei den einzelnen Bereichen ganz unterschiedliche Entwicklungen auf. So fällt die tendenziell starke Produktivitätszunahme1 in der Land- und Forstwirtschaft, Fischerei auf, während etwa im Baugewerbe und bei Finanzierung/Vermietung/Unternehmensdienstleister eine Abnahme zu verzeichnen ist. Die Angaben beziehen sich auf eine grobe Zusammenfassung der Wirtschaftsbereiche, die die erheblichen Unterschiede der Produktivität(sentwicklungen) innerhalb der nachgewiesenen Bereiche überdeckt. Tab. 11-4 Erwerbstätige nach Wirtschaftsbereichen1 Produzierendes Gewerbe Produz. Gew. Land- u. ohne Baugew. Forstwi., zuBaugedar.: Fische- sammen werbe zuverarb. rei sammen Gew.

Jahr

insgesamt

1991 1995 2000 2005 2009

38 621 37 601 39 144 38 835 40 271

1 515 1 079 936 853 859

14 136 12 241 11 303 10 073 10 000

1991 1995 2000 2005 2009

100 100 100 100 100

3,9 2,9 2,4 2,2 2,1

36,6 32,6 28,9 25,9 24,8

Dienstleistungsgewerbe Finanz., Handel, öff. und VerzuGastgepriv. mietg., sammen werbe, Untern. Dienstl. Verkehr dienstl.

Durchschnitt in 1000 Personen 11 331 9 005 8 534 7 894 7 796

10 591 8 443 8 109 7 515 7 440

2 805 3 236 2 769 2 179 2 204

22 970 24 281 26 905 27 909 29 412

9 318 9 297 9 824 9 776 10 065

3 736 4 445 5 802 6 363 6 954

9 916 10 539 11 279 11 770 12 393

24,1 24,7 25,1 25,2 25,0

9,7 11,8 14,8 16,4 17,3

25,7 28,0 28,8 30,3 30,8

% der Erwerbstätigen insgesamt

1

29,3 23,9 21,8 20,3 19,4

27,4 22,5 20,7 19,4 18,5

7,3 8,6 7,1 5,6 5,5

59,5 64,6 68,7 71,9 73,0

Inlandskonzept.

Quelle: Statistisches Bundesamt (2010b), Tab. 2.2.5.

Das Statistische Bundesamt weist auch für die Wirtschaftsbereiche neben der Produktivität je Erwerbstätigen die Produktivität je Arbeitsstunde nach. Tab. 11-5 zeigt 1

Bei großen jährlichen Schwankungen; vgl. die o. g. Quelle.

11. Kapitel: Struktur-, Wachstums- und Konjunkturfragen

245

(im Gegensatz zu Tab. 11-3, Zeilen 20 und 21) für 1991-2009 nur die Entwicklung hinsichtlich der Bruttowertschöpfung je Erwerbstätigen, die in der Regel niedriger als je Erwerbstätigenstunde ausfällt. Produktivitätskennziffern werden für intertemporale und regionale Zwecke verwendet. So ist die gesamtwirtschaftliche und sektorale Produktivitätsentwicklung für die Analyse des Wirtschaftswachstums bedeutsam. Sie wird u.a. auch zur Bestimmung des Verteilungsspielraums in den Tarifrunden herangezogen. Die Qualität der kurzfristig verfügbaren Daten ist allerdings gering, was sich an den notwendigen Revisionen der VGR-Ergebnisse zeigt. Für die Genauigkeit sind insbesondere die richtige Erfassung des Wachstums des realen BIP, der Preisniveauveränderung und der Beschäftigungsentwicklung wichtig. Tab. 11-5 Produktivität1 und Lohnstückkosten2 nach Wirtschaftsbereichen

Jahr

insgesamt

Land- u. Forstwi., Fischerei

Produz. Gew. ohne Baugew. dar.: zuverarb. sammen Gew.

Baugewerbe

Handel, Gastgewerbe, Verkehr

Finanz., Vermietg., Untern. dienstl.

öff. und priv. Dienstl.

111,5 111,4 100,0 96,8 97,5

93,9 97,8 100,0 98,8 100,5

Arbeitsproduktivität je Erwerbstätigen, Index (2000=100) 1991 1995 2000 2005 2009

86,5 94,3 100,0 103,8 102,2

60,0 76,4 100,0 113,3 110,0

73,2 85,4 100,0 114,9 102,7

74,8 86,2 100,0 114,5 101,1

107,1 99,2 100,0 100,8 96,1

86,6 92,0 100,0 107,4 109,2

Lohnstückkosten je Erwerbstätigen, Index (2000=100) 1991 1995 2000 2005 2009 1 2

89,0 100,0 100,0 101,0 106,9

115,5 124,0 100,0 83,2 93,8

92,4 103,8 100,0 94,3 109,8

90,6 103,1 100,0 94,7 111,1

76,4 97,7 100,0 104,0 113,1

94,9 107,9 100,0 96,4 99,3

74,6 86,7 100,0 109,3 113,0

83,3 96,3 100,0 104,6 108,2

Bruttoinlandsprodukt bzw. Bruttowertschöpfung (preisbereinigt, Kettenindex 2000 = 100) je Erwerbstätigen im Inland. Lohnkosten (Arbeitnehmerentgelt) je Arbeitnehmer in Relation zur Arbeitsproduktivität.

Quelle: Statistisches Bundesamt (2010b), Tab. 2.2.13, Tab. 2.2.19.

Gerade in diesen drei Bereichen – die ersten beiden hängen zusammen – gibt es methodisch erhebliche Messprobleme, die insbesondere internationale Vergleiche beeinträchtigen. So werden in unterschiedlichem Ausmaß hedonische Verfahren und Verkettungen (statt feste Gewichte) eingesetzt, die zu unbekannten Verzerrungen zwischen den Ländern führen. Ferner werden Ausgaben für Software nicht einheitlich den Investitionen zugerechnet, wenn auch eine EU-Standardisierung vorliegt. Für die Analyse der Bestimmungsgründe des Wachstums ist es hilfreich, auf verschiedene Größen zurückzugreifen, die die VGR liefern. So können die BIPVeränderungsraten insbesondere in die Komponenten Produktivitätsentwicklung und Arbeitseinsatz untergliedert werden. Ausgangspunkt hierzu ist eine einfache Erweiterung der Gleichung für das BIP (oder für das BIP je Einwohner):

246

Dritter Teil: Die Verwendung der VGR für wirtschaftspolitische Zwecke

(11-1) BIP =

⎡ Stunden Erwerbstätige Erwerbspersonen ⎤ BIP x⎢ x x ⎥ x Bevölkerung Stunden ⎣ Erwerbstätige Erwerbspersonen Bevölkerung ⎦

Das BIP wird demnach über die Stundenproduktivität und den Arbeitseinsatz bestimmt. Der Arbeitseinsatz (Ausdruck in der eckigen Klammer) besteht aus den Komponenten durchschnittlich geleistete Arbeitsstunden pro Erwerbstätigen und Jahr, der Beschäftigungsquote (Erwerbstätige/Erwerbspersonen) sowie der Erwerbsquote (Anteil der Erwerbspersonen an der gesamten Bevölkerung). Solche Rechnungen sind insbesondere für den internationalen Vergleich von Interesse. So zeigt beispielsweise Tab. 11-61, dass 1992 bis 2003 trotz steigender Arbeits(stunden)produktivität die durchschnittliche Wachstumsrate des BIP in Deutschland verhältnismäßig gering2 war. Tab. 11-6 Eine Wachstumsberechnung für den Zeitraum 1992 – 2003

BIP Bevölkerung Stundenproduktivität Arbeitseinsatz davon: Arbeitsstunden je Erwerbstätigen Beschäftigungsquote Erwerbsquote

EU15

EU12

USA

1,9% 0,3% 1,7% -0,1%

1,8% 0,3% 1,6% -0,2%

3,2% 1,2% 1,9% 0,2%

Deutschland 1,3% 0,3% 1,9% -0,9%

-0,4% 0,3% -0,1%

-0,4% 0,4% -0,1%

0,0% 0,1% 0,1%

-0,6% 0,0% -0,3%

Quelle: Kappler (2004), S. 10.

Das Arbeitnehmerentgelt ist ein Indikator der Arbeitskosten. Von Interesse ist, wie sich ihre beiden Komponenten entwickelt haben. Abb. 11-3 zeigt, dass die Sozialbeiträge der Arbeitgeber und Arbeitnehmer insgesamt im Zeitraum 1991 bis 2009 deutlich stärker zugelegt haben als das Arbeitnehmerentgelt insgesamt und natürlich das Arbeitnehmerentgelt ohne Sozialbeiträge. Eine weitere gesamtwirtschaftliche Kennzahl, die zur Analyse der Wirtschaftstätigkeit gebildet wird, sind die Lohnstückkosten (LSK) je Arbeitnehmer. Diese werden als Relation von Arbeitnehmerentgelt (L) je Arbeitnehmer Nus zu Bruttoinlandsprodukt bzw. Bruttowertschöpfung (BWS) für die Volkswirtschaft sowie zur Bruttowertschöpfung der Wirtschaftsbereiche jeweils preisbereinigt je Erwerbstätigen (N) berechnet: (11-2) LSK = (L / NUS) / (BWS / N) Aus der Entwicklung lässt sich schließen, wie sich der Lohnkostendruck insgesamt und für den jeweiligen Wirtschaftsbereich verändert hat (vgl. Tab. 11-5). Für die Lohnstückkosten sind also definitionsgemäß zwei Komponenten – Lohnkosten je Arbeitnehmer (L/NUS) und Arbeitsproduktivität (BWS/N) – maßgeblich. Zu beachten ist, 1

2

Die entsprechende Datengrundlage für Deutschland macht Tab. 11-3 exemplarisch für einzelne Jahre deutlich. Anstelle der Beschäftigungsquote ist dort die Erwerbsquote aufgeführt. Auch die Wachstumsrate des BIP je Einwohner war in Deutschland kleiner.

11. Kapitel: Struktur-, Wachstums- und Konjunkturfragen

247

dass im Zähler auf die Arbeitnehmer (NUS), im Nenner dagegen auf die umfassendere Größe Erwerbstätige (N) Bezug genommen wird. Daher wird die Veränderung der Lohnstückkosten auch von Veränderungen der Beschäftigtenstruktur beeinflusst. Auch Lohnstückkosten je Stunde werden berechnet (vgl. Tab. 11-3, Zeile 25). Hierbei werden die Lohnkosten je Arbeitnehmerstunde in Relation zur Produktivität je Erwerbstätigenstunde ausgedrückt. Die Lohnstückkosten werden auch hinsichtlich des Bruttoinlandsprodukts in jeweiligen Preisen errechnet. Soweit international der technische Standard und das Know-how mobil sind, stellt das Arbeitnehmerentgelt, das Lohn- und Lohnnebenkosten enthält, einen wichtigen Standortfaktor dar, der auch die Preiswettbewerbsfähigkeit zum Ausdruck bringt. Abb. 11-3 Arbeitnehmerentgelt und Sozialbeiträge in Deutschland; Index 1991 = 100 170 Sozialbeiträge

160 150 140

Arbeitnehmerentgelt

130 Arbeitnehmerentgelt (ohne Sozialbeiträge)

120 110 100 1991

1993

1995

1997

1999

2001

2003

2005

2007

2009

Quelle: Statistisches Bundesamt (2010b), Tab. 2.1.8.1.

c) Kapitalstock, Kapitalproduktivität1 und totale Faktorproduktivität Der zweite wichtige Produktionsfaktor, das Kapital, wurde bereits in der Vermögensrechnung behandelt. Der Kapitalstock (gross stock of fixed assets at constant prices) ist als der jahresdurchschnittliche Bestand an Bruttoanlagevermögen in konstanten Preisen definiert. Er wird als Mittelwert aus dem Jahresanfangsbestand des Berichtsjahres und dem Jahresanfangsbestand des folgenden Jahres berechnet. Diese Größe wird als Maß für den Einsatz des Produktionsfaktors Kapital im Produktionsprozess verwendet, weil die eigentlich interessierenden Kapitalleistungen bisher nicht berechnet werden können. Tab. 11-7 zeigt die Entwicklung des Kapitalstocks in Preisen von 2000 insgesamt und für die großen Wirtschaftsbereiche.

1

Die Ausführungen hier ergänzen die Behandlung des Anlagevermögens im Kapitel 7.5a.

248

Dritter Teil: Die Verwendung der VGR für wirtschaftspolitische Zwecke

Tab. 11-7 Kapitalstock in Preisen von 2000, Mrd Euro

1

Jahr

insgesamt

1991 1995 2000 2005 2008

8 194 9 168 10 275 11 168 11 785

Land- u. Forstwi., Fischerei 254 253 249 242 242

Produz. Gew. ohne Baugew. zudar.: versammen arb. Gew. 1 342 1 403 1 400 1 371 1 368

970 1 009 995 967 957

Baugewerbe 69 87 89 79 75

Finanz., Handel, öff. und priv. Vermietg., Gastgewerbe, DienstUntern. Verkehr leister 1 dienstl. 714 828 907 959 1 036

396 487 632 782 898

1 761 1 962 2 180 2 359 2 485

Ohne Grundstücks- und Wohnungswesen.

Quelle: Statistisches Bundesamt (2010b), Tab. 2.2.21.

Auch der Auslastungsgrad des Kapitalstocks ist für verschiedene Fragestellungen von Bedeutung. Er kann definiert werden als Verhältnis der tatsächlichen Nutzung des Kapitalstocks zur möglichen Nutzung (= Kapazität). Ein sehr niedriger Auslastungsgrad in der Stagnation bedeutet, dass zusätzliche Nachfrage bei Konsum oder Exporten weitgehend aus den vorhandenen Produktionspotenzialen bedient werden kann und nicht die Investitionstätigkeit verstärkt. Schätzungen von Kapazität und Auslastungsgrad werden in Deutschland u.a. vom Sachverständigenrat, von Wirtschaftsforschungsinstituten und von der Deutschen Bundesbank durchgeführt. Tab. 11-8 Kapitalproduktivität Jahr

1991 1995 2000 2005 2008 1

insgesamt

107 101 100 95 96

Land- u. Forstwi., Fischerei 95 87 100 106 95

Produz. Gew. ohne Baugew. zudar.: versammen arb. Gew. 101 90 100 109 115

100 88 100 109 118

Baugewerbe 140 120 100 90 93

Finanz., Handel, öff. und priv. Vermietg., Gastgewerbe, DienstUntern. Verkehr leister dienstl.1 104 95 100 101 104

122 112 100 81 80

102 102 100 95 95

Ohne Grundstücks- und Wohnungswesen.

Quelle: Statistisches Bundesamt (2010b), Tab. 2.2.22.

Eine wichtige Rolle in Konjunktur- und Wachstumsmodellen spielen die Kapitalproduktivität bzw. der Kapitalkoeffizient als reziproker Wert. Die Kapitalproduktivität ist das Verhältnis von Output zu Kapitaleinsatz. Sie wird gegenwärtig als das Verhältnis von BIP bzw. Bruttowertschöpfung (jeweils preisbereinigt, Kettenindex 2000 = 100) zu Kapitalstock in Preisen von 2000 (umgerechnet auf Messzahlen 2000 = 100) ermittelt, für die einzelnen Wirtschaftsbereiche entsprechend als Bruttowertschöpfung zu Kapitalstock, jeweils ebenso bewertet1. Ein Teil der Bedenken wiederholt sich, die hinsichtlich der Aussagekraft der Arbeitsproduktivität vorgebracht wur1

Von der so definierten durchschnittlichen ist die marginale Kapitalproduktivität zu unterscheiden, die als Verhältnis der Veränderung der Bruttowertschöpfung zur Veränderung des Kapitalstocks berechnet wird.

11. Kapitel: Struktur-, Wachstums- und Konjunkturfragen

249

den. Auch die Kapitalproduktivität ist hier eine Durchschnittsgröße, bei welcher der gesamte Ertrag nur auf einen Produktionsfaktor bezogen wird. Ferner bleibt unberücksichtigt, dass bei einem Teil der Anlagen die Effizienz mit zunehmendem Alter sinkt. Abschläge vom Bruttoanlagevermögen, die dem Rechnung tragen, werden wegen fehlender Informationen nicht gemacht. Tendenziell nimmt die Kapitalproduktivität ab, entsprechend muss der (durchschnittliche) Kapitalkoeffizient (capital-output ratio) gemessen als die umgekehrte Relation Kapitalstock zu BIP bzw. Kapitalstock zu Bruttowertschöpfung zunehmen. Das Verhältnis der im Produktionsprozess eingesetzten beiden Faktoren wird als Kapitalintensität (capital-labour ratio) bezeichnet. Sie wird als die Relation Kapitalstock je Erwerbstätigen (Jahresdurchschnitt) berechnet. Damit werden – im Gegensatz zu der Faktorproportion „Kapitalstock/Erwerbspersonen“ – dem potenziell nutzbaren Kapitalbestand die tatsächlich eingesetzten Arbeitskräfte gegenübergestellt1. Eine zunehmende Kapitalintensität ist ein wichtiger Faktor für eine steigende Arbeitsproduktivität. Tab. 11-9 zeigt die Kapitalintensität im Zeitraum 1991 bis 2009 für verschiedene Wirtschaftsbereiche. Tendenziell ergibt sich hier das Bild eines stetigen Strukturwandels in Richtung einer Kapitalintensivierung. Tab. 11-9 Kapitalintensität (Kapitalsrock, in 1 000 Euro je Erwerbstätigen )

1

Jahr

insgesamt

1991 1995 2000 2005 2008

212 244 262 288 293

Land- u. Forstwi., Fischerei 168 234 266 284 281

Produz. Gew. ohne Baugew. zudar.: versammen arb. Gew. 118 156 164 174 170

92 119 123 129 125

Baugewerbe 25 27 32 36 34

Handel, Gastgewerbe, Verkehr 77 89 92 98 103

Finanz., Vermietg., Untern. dienstl. 1 114 119 118 132 137

öff. und priv. Dienstleister 178 186 193 200 205

Ohne Grundstücks- und Wohnungswesen.

Quelle: Statistisches Bundesamt (2010b), Tab. 2.2.23.

Zerlegt man das BIP diesmal hinsichtlich des Kapitals werden als weitere wichtige Faktoren für die Analyse des Wirtschaftswachstums die zuletzt beschriebenen Größen deutlich: (11-3)

BIP = (Kapitalstock / Arbeitsvolumen ) ⋅ (BIP / Kapitalstock ) ⋅ Arbeitsvolumen

Für gesamtwirtschaftliche Analysen wird neben der Arbeitsproduktivität und der Kapitalproduktivität als (einzel)faktorbezogenen Produktivitätsziffern auch ein Maß benötigt, das die totale (oder multiple) Faktorproduktivität (TFP) abbildet. Sie bezieht das Produktionsergebnis auf den gesamten Faktoreinsatz. Die Einzelproduktivitäten enthalten im Nenner unterschiedliche Dimensionen, daher kann globale Produktivi1

Die Kapitalausstattung eines Arbeitsplatzes wird auch nominell und zum jeweiligen Nettowert berechnet.

250

Dritter Teil: Die Verwendung der VGR für wirtschaftspolitische Zwecke

tät nicht direkt ermittelt werden. Die schwer zu schätzende Restgröße TFP weist das Statistische Bundesamt nicht nach. Zu ihrer Berechnung werden in der empirischen Wirtschaftsforschung in der Regel Produktionsfunktionen verwendet wie (11-4) BIP = TFP ⋅ F(A, K ) Danach wird die Produktion (BIP) als Ergebnis von Technologie und Faktorinput beschrieben, wobei A den Arbeitseinsatz, K den Kapitaleinsatz und TFP den technischen Fortschritt bezeichnen, der hier mit der totalen Faktorproduktivität als Folge der nicht auf vermehrten Einsatz von Arbeit und Kapital zurückzuführenden Erhöhung des BIP gleichgesetzt wird. Nach dieser Gleichung kann die Arbeitsproduktivität durch Erhöhung der Kapitalintensität (BIP/K) oder der TFP steigen. Als Gewichte werden insbesondere die Anteile der Produktionsfaktoren am Volkseinkommen gewählt und angenommen, dass der technische Fortschritt in Form der TFP resultiert.1 In Veränderungsraten ergibt sich (11-5) w BIP = αw A + (1 − α) w K + w TFP Hierbei sind α die Lohnquote und w die Veränderungsraten von Arbeit, Kapital und TFP. Die empirischen Ergebnisse hängen zunächst von der korrekten Messung der jeweiligen Faktorbestände ab. Eine falsche Messung von A und K oder fehlerhafte Gewichte führen auch zu fehlerhafter Messung der TFP. Mehr K erhöht automatisch K/A und BIP/A, selbst wenn keine Wirkung auf TFP unterstellt wird. Wenn in A und K die auftretenden Qualitätssteigerungen nicht (zu hoch) enthalten sind, werden die Arbeitsbzw. Kapitalleistungen zu niedrig (hoch) eingeschätzt und die Wirkung von TFP zu hoch (niedrig) eingeschätzt2. Die Veränderung von TFP kann geschrieben werden und wird meist gemessen als (11-6) w

TFP

=w

BIP

− αw

A

− (1 − α)w

K

Danach wird der Teil der Produktion, der nicht durch Faktoreinsatz erklärt werden kann, als Restgröße dem Faktor (Technologie bzw.) TFP zugeschlagen.

d) Die Schätzung des Produktionspotenzials Die zur Schätzung des Produktionspotenzials benötigten Daten für das tatsächliche Bruttoinlandsprodukt und für die Produktionsfaktoren können den VGR entnommen werden. Bei der Schätzung zeigen sich methodische Unterschiede. So kann das Pro1

2

Empirische Arbeiten und deren Ergebnisse können dann an Aussagekraft verlieren, wenn VGRRevisionen diese Parameter in Modellrechnungen markant verändern (siehe hierzu Brümmerhoff/Grömling 2010). Diesem Problem wird Rechnung getragen, indem für die Faktoren Mengenindizes der Produktionsfaktoren bei konstanter Qualität geschätzt werden.

11. Kapitel: Struktur-, Wachstums- und Konjunkturfragen

251

duktionspotenzial mit Hilfe einer Produktionsfunktion geschätzt werden, welche den Output in Beziehung zu verschiedenen Inputfaktoren setzt. „Beschränkt man sich auf die Inputs Arbeit und Kapital und modelliert den technischen Fortschritt zunächst über eine geeignet gewählte Trendvariable, dann müsste sich mit Hilfe der Produktionsfunktion sowohl der tatsächliche als auch der PotenzialOutput bestimmen lassen. Leider ist die Wirklichkeit aber erheblich komplizierter. Nicht nur, dass verschiedene Produktionsfunktionen zur Auswahl stehen (CobbDouglas, Leontief, Translog etc.), es ist auch der Inputfaktor Arbeit nicht sehr präzise bestimmt. Soll die Anzahl der Erwerbstätigen/abhängig Beschäftigten oder die tatsächliche Arbeitszeit verwendet werden, sollen Überstunden aus der tatsächlichen Arbeitszeit eliminiert werden, soll Arbeit unterschieden werden nach Qualifikationsgraden etc.? Soll der potenzielle Output durch den Inputfaktor ‚Sachkapital’ oder der tatsächliche Output durch ‚Kapital’ oder durch ‚Kapital x Auslastungsgrad’ bestimmt werden? Was ist der normale Auslastungsgrad des Faktors Arbeit, der zur Bestimmung des Potenzial-Outputs erforderlich ist? Kann der technische Fortschritt sinnvoll durch einen linearen Trend approximiert werden?“ (Buscher 2001, S. 6). Zuweilen wird nur mit einem Faktor gerechnet und allein Kapital und dessen Produktivität berücksichtigt. Dabei wird die vereinfachende Vorstellung einer gesamtwirtschaftlichen Produktionsfunktion mit einem begrenzenden Faktor zugrunde gelegt. Ferner werden bei dieser Berechnungsmethode für den Kapitalstock und die Produktion der Bereiche Land- und Forstwirtschaft, Fischerei, der Wohnungswirtschaft und des Staates meist eigene Annahmen getroffen (tatsächliche Produktion = Potenzial). Die Deutsche Bundesbank und die Europäische Kommission verwenden eine Produktionsfunktion mit den Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital (unter Berücksichtigung des technischen Fortschritts) bei durchschnittlicher Auslastung. Andere Ansätze zur Bestimmung des Produktionspotenzials bedienen sich zeitreihenanalytischer Techniken, die entweder uni- oder multivariater Natur sind („mechanistische“ Ansätze). Sie zerlegen das reale BIP in eine permanente (Potenzial-Output) und in eine transitorische (zyklische) Komponente. Der Auslastungsgrad (AG) des gesamtwirtschaftlichen Produktionspotenzials wird definiert als (11-7) AG = BIPt / BIPt* wobei BIPt das reale Bruttoinlandsprodukt eines Jahres t und BIPt* das gesamtwirtschaftliche Produktionspotenzial im gleichen Jahr angeben. Methodische Unterschiede gibt es auch im maßgeblichen Auslastungsgrad der Produktionsfaktoren. Während in dem vom Sachverständigenrat verwendeten Konzept die durchschnittliche (oder normale) Auslastung als eine Beanspruchung des Produktionspotenzials von 100 % definiert ist, stellt sie in anderer Interpretation eine Spitzenbelastung dar. Aufgrund von Modell-, Parameter- und Datenunsicherheiten sind Schätzun-

252

Dritter Teil: Die Verwendung der VGR für wirtschaftspolitische Zwecke

gen des Produktionspotenzials und insbesondere der Produktionslücke mit Unsicherheiten behaftet. Vor allem Strukturbrüche können erst mit deutlicher Verzögerung abgebildet werden. Die relative Produktionslücke zeigt die relative Abweichung von der möglichen Produktion aufgrund der konjunkturellen Lage.

3. Die Beurteilung der konjunkturellen Entwicklung a) Verschiedene Indikatoren Das Konzept der gesamtwirtschaftlichen Kapazitätsauslastung wird zur Beurteilung des Konjunkturverlaufs insgesamt herangezogen. Die relative Produktionslücke gilt als ein Maß für die Über- oder Unterauslastung der Produktionsfaktoren. Positive Beschäftigungseffekte werden üblicherweise dann erwartet, wenn die Veränderungsrate des realen BIP deutlich über der des Potenzialwertes liegt. Das volkswirtschaftliche Produktionspotenzial ist ein wichtiges Konzept der empirischen Wirtschaftsforschung, das nicht nur der Analyse von Konjunktur und Wachstum dient. Es ist auch die Grundlage wirtschaftspolitischer Strategien wie der potenzialorientierten Geldpolitik. Abb. 11-4 Wirtschaftswachstum in Deutschland seit 1950 Veränderung des preisbereinigten Bruttoinlandsprodukts gegenüber dem Vorjahr in %

1950 bis 1991 Westdeutschland.

Quelle: Statistisches Bundesamt, Stand August 2010.

Die Veränderungsrate des realen BIP ist der wichtigste zusammenfassende Konjunkturindikator. Abb. 11-4 zeigt die jährliche Veränderung des BIP seit 1960. Hier ist auch ersichtlich, dass das Wachstum in Deutschland sich im Verlauf der letzten vier

11. Kapitel: Struktur-, Wachstums- und Konjunkturfragen

253

Jahrzehnte immer weiter verlangsamt hat. So stieg das BIP für das frühere Bundesgebiet in der Zeit von 1970 bis 1980 bzw. 1980 bis 1991 noch um durchschnittlich 2,9 bzw. 2,6 % % pro Jahr, nach der deutschen Vereinigung lag es im Schnitt von 1991 bis 2000 nur noch bei 1,7 % pro Jahr. Infolge der langen Phase eines schwachen Wachstums von 2001 bis 2005 und des starken Einbruchs 2009 lag die Wachstumsrate im Zeitraum 2001 bis 2009 nur noch bei 0,6 %. Neben der Gesamtgröße ist auch die Entwicklung der Komponenten von der Verwendungsseite und von der Entstehungsseite Ausgangspunkt detaillierter Analysen und Prognosen. So können die einzelnen Größen wie die privaten Konsumausgaben oder die Exporte eine wichtige konjunkturstützende Funktion wahrnehmen. Und die relativ volatilen Anlageinvestitionen stellen einen maßgeblichen Anteil der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage dar. Nettoanlageinvestitionen sind auch angebotswirksam, weil sie den Kapitalstock und somit das Produktionsangebot bzw. das Wachstum beeinflussen. Für die Konjunkturanalyse wird der Vorperiodenvergleich nicht auf jährliche Daten beschränkt, vielmehr werden vor allem die Ergebnisse der Vierteljahresrechnung „am aktuellen Rand“ genutzt (siehe Abschnitt b). Es zeigt sich, dass je nachdem, welches Konzept zur zeitlichen Abgrenzung von Rezessionen oder allgemeiner zur Datierung von Konjunkturzyklen zugrunde gelegt wird, unterschiedliche Einschätzungen möglich sind (Oltmanns 2009, S. 963). Nach einem – bereits erwähnten – einfachen Konzept liegt eine Rezession vor, wenn das preis- und saisonbereinigte BIP in (mindestens) zwei Quartalen gegenüber dem jeweiligen Vorquartal sinkt. Differenziert nach verschiedenen Komponenten analysiert der Konjunkturmonitor des Statistischen Bundesamtes die wirtschaftliche Lage. Dabei werden verschiedene Einzelindikatoren herangezogen, die aus den Bereichen der VGR und der übrigen Wirtschaftsstatistik stammen. Letztere betreffen vor allem die in Zeitreihen dargestellten Auftragseingänge und die Produktion1 der Industrie, ferner die Beschäftigung und die Preise. Die Lage am Arbeitsmarkt ist mit der laufenden Produktion – wenn auch phasenverschoben (verzögert) – verbunden. Bei der Beurteilung des Arbeitsmarktes wird zunächst weniger auf die Beschäftigten- als auf die Arbeitslosenentwicklung abgestellt. Diese wird vom Statistischen Bundesamt mit den Erwerbslosen zum Ausdruck gebracht. Traditionell nicht als Teil der VGR erstellt die Bundesagentur für Arbeit (BA) Statistiken der Arbeitslosen und der gemeldeten Stellen (Stellenangebote). Als Arbeitslose gelten hierbei Personen ohne Arbeitsverhältnis, die als arbeitssuchend beim Arbeitsamt registriert sind2. Diese Arbeitslosenstatistik3 enthält nicht die Arbeitswilli1 2

3

Sie werden hier nicht behandelt. Sie dürfen ferner nicht arbeitsunfähig erkrankt sein und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. In den USA gilt hingegen ein 70jähriger Rentner, der ein Zusatzeinkommen sucht, als arbeitslos. Die BA verwendet als weiteres Messkonzept die „Unterbeschäftigung“, in der zu den registrierten Arbeitslosen die Maßnahmenteilnehmer und Beschäftigten des zweiten Arbeitsmarktes, kurzfristig Erkrankte und Personen in Altersteilzeit, geförderte Selbständige und Kurzarbeiter gerechnet werden.

254

Dritter Teil: Die Verwendung der VGR für wirtschaftspolitische Zwecke

gen, die aufgrund mangelnder Beschäftigung aus dem Erwerbsleben ausscheiden und sich nicht mehr als arbeitslos registrieren lassen. Ausländer, die aus dem gleichen Grund in ihre Heimatländer zurückgehen, werden ebenfalls nicht erfasst. Eine Dunkelziffer besteht bei jugendlichen Arbeitslosen. Teilnehmer an Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik (darunter berufliche Weiterbildung und Ein-Euro-Jobs) werden nicht mehr als Arbeitslose geführt. Das gilt auch für Personen, die aus Mangel an Arbeitsmöglichkeiten Warteschleifen im Bildungssystem absolvieren (z.B. Verlängerung des Studiums oder bestimmte ältere Langzeitarbeitslose). Andererseits sind diejenigen keine echten Arbeitssuchenden, die sich nur wegen sozialrechtlicher Vorteile als arbeitssuchend registrieren lassen. Auch übt ein Großteil der registrierten Arbeitslosen noch geringfügige (gesetzlich erlaubte) ,,Nebentätigkeiten“ aus. Die (exakten) Daten der BA beruhen auf einer Stichtagserhebung der Registrierung bzw. des Bezugs von Leistungen der Arbeitslosenversicherung um die Monatsmitte, die Zahlen der ILO auf Befragung, deren Ergebnisse hochgerechnet werden1. Unterschiede in Niveau und Entwicklung im Zeitablauf beider Zahlen beruhen also auf der Verwendung unterschiedlicher Erhebungsmethoden und Abgrenzung. Übersicht 11-3 stellt die beiden Konzepte einander gegenüber: Übersicht 11-3 Erwerbslose versus Arbeitslose ILO-Erwerbslose Registrierte Arbeitslose (BA) weniger als 1 Stunde pro Woche gearbeitet weniger als 15 Stunden pro Woche gearbeitet aktive Arbeitssuche (in den vergangenen vier Wochen) beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet sofort (innerhalb von zwei Wochen) verfügbar steht der Arbeitsvermittlung zur Verfügung

Insbesondere der Ausweis der geringfügig Beschäftigten als Erwerbstätige (und nicht als Erwerbslose) in den VGR führt dazu, dass die Zahl der Erwerbslosen geringer als die Zahl der Arbeitslosen ist. Im Jahresdurchschnitt 2005 belief sich die Zahl der Erwerbslosen nach dem VGR-Konzept auf 3,9 Mio Personen und lag wesentlich niedriger als die Zahl der registrierten Arbeitslosen mit 4,9 Mio (vgl. Tab. 11-11). Im Jahr 2009 war der Abstand dagegen deutlich geringer. Einer Anzahl von 3,23 Mio Erwerbslosen standen 3,42 Mio registrierte Arbeitslose gegenüber. Zur Schätzung des gesamten möglichen Arbeitsangebots (= Erwerbs(personen) potenzial), das bei entsprechender Nachfrage für Produktionszwecke eingesetzt werden kann, muss man neben der Zahl der Erwerbstätigen und der Zahl der (registrierten) Arbeitslosen auch die verdeckte Arbeitslosigkeit („Stille Reserve“) berücksichtigen, jenen bereits bei Diskussion der Arbeitslosen erwähnten Personenkreis, der zwar die angebotene Arbeit annehmen würde, aber aus unterschiedlichen Gründen nicht als arbeitslos registriert ist. In der verdeckten Arbeitslosigkeit wird auch die Zahl der Perso1

In Deutschland erfolgt die primärstatistische Erfassung der Erwerbspersonen einmal jährlich über den Mikrozensus bei einer ein Jahr dauernden Auswertung, ferner liegen Ergebnisse aus den monatlichen Schnellauswertungen des kontinuierlichen Mikrozensus vor. Die Haushaltsbefragung erfolgt in allen EU-Staaten unter Zugrundelegung harmonisierter Definitionen des Arbeitsstatus der Befragten. Für EU-Zwecke werden die Ergebnisse der Arbeitskräfteerhebung auch vierteljährlich bereitgestellt.

11. Kapitel: Struktur-, Wachstums- und Konjunkturfragen

255

nen geschätzt, die eigentlich arbeitslos sind, aber als solche nicht unmittelbar in der Arbeitslosenstatistik erfasst werden (Unterbeschäftigung). Hierzu rechnen teilweise Kurzarbeiter, Teilnehmer an Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, an der beruflichen Weiterbildung, in Qualifizierungs- und Beschäftigungsgesellschaften, Empfänger von Altersübergangs-/Vorruhestandsgeld und Altersrenten wegen Arbeitslosigkeit. Die Bundesagentur für Arbeit führt regelmäßig ökonometrische Schätzungen des Erwerbspersonenpotenzials durch. Hierbei ist naturgemäß die verdeckte Arbeitslosigkeit die problematische Größe. Übersicht 11-4 verdeutlicht die Komponenten des Erwerbspersonenpotenzials, wobei nach dem Inlands- und Inländerkonzept unterschieden wird. Übersicht 11-4 Zusammenhang zwischen Erwerbstätigen und Erwerbspersonenpotenzial Pendlersaldo

Pendlersaldo

Arbeitnehmer Selbstän(Inländerkonzept) dige Erwerbspersonenpotenzial (Inlandskonzept) Erwerbspersonenpotenzial (Inländerkonzept)

registrierte Arbeitslose

verdeckte Arbeitslosigkeit

Die Arbeitslosenquote gibt Auskunft über das Ausmaß der Arbeitslosigkeit in einer Volkswirtschaft (oder Region). Zu ihrer Berechnung in nationaler Abgrenzung wird (nach BA) die Zahl der registrierten Arbeitslosen oder der Erwerbslosen (nach VGRKonzept) in Relation zu den Erwerbspersonen (in unterschiedlicher Abgrenzung) gesetzt. Auf die unterschiedliche Abgrenzung im Zähler wurde schon hingewiesen. Bei der Größe im Nenner ist nach der Aussagekraft der Quote zu fragen, wenn auch Selbständige und mithelfende Familienangehörige einbezogen werden, ferner Beamte, Soldaten und Richter, die in der Regel nicht von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Tab. 11-10 zeigt zwei Arbeitslosenquoten, die sich um die Selbständigen im Nenner unterscheiden. Die BA bezieht die Arbeitslosen auf die zivilen Erwerbspersonen insgesamt (im Jahre 2009: 8,2 %)1 bzw. auf die abhängigen zivilen Erwerbspersonen (also ohne Selbständige). Die Quote ist im letzteren Fall größer (2009: 9,1 %). Die internationale Vergleichbarkeit der Arbeitslosenquote ist eingeschränkt, wenn sie nicht einheitlich definiert ist und die Daten unterschiedlich erhoben werden. ILO empfiehlt, die Erwerbslosen im Zähler und die Gesamtzahl der Erwerbspersonen als Bezugszahl zu verwenden. Das Lieferprogramm der EU schreibt (nicht die Arbeitslosenquote der BA, sondern) die Berechnung der Erwerbslosenquote verbindlich vor, die dem VGR-Konzept entspricht. Tab. 11-10 zeigt die Daten für den Arbeitsmarkt 1991 bis 2009 und ergänzt Tab. 11-3. Hierbei wird neben der registrierten (oder gemeldeten) Arbeitslosigkeit auch die verdeckte Arbeitslosigkeit berücksichtigt. Wie Tab. 11-10 weiter zeigt, war die Kurzarbeit als Teil der gesamten Arbeitslosigkeit im Jahr 2009 stark angestiegen. Als Kurzarbeiter gelten Erwerbstätige, die im Abrechnungszeitraum, in den der Stichtag 1

In der VGR-Abgrenzung 7,4 %.

256

Dritter Teil: Die Verwendung der VGR für wirtschaftspolitische Zwecke

fällt, Anspruch auf Kurzarbeitergeld haben. Diese Daten rechnen nicht zum VGRProgramm und sind nicht mit diesem abgestimmt. Tab. 11-10 Erwerbstätigkeit und Arbeitslosigkeit auf Basis von VGR und Arbeitsmarktstatistik (BA) Jahr

Erwerbspersonen1

1991 1995 2000 2005 2009

40 823 40 774 42 175 43 314 43 398

1000

Erwerbsquoten der Wohnbevölkerung 15- bis u. Insgesamt 65-Jährige % 51,0 49,9 51,3 52,2 53,0

72,6 71,9 72,1 73,7 76,2

Jahr

Registrierte Arbeitslose4

Arbeitslosenquote5

Gemeldete Stellen

1 000

%

1991 1995 2000 2005 2009

2 602 3 612 3 890 4 861 3 423

· 9,4 9,6 11,7 8,2

363 321 515 413 486

Erwerbstätige NachrichtInland lich ArbeitSelbPendlernehmer ständige2 saldo3 1 000 Personen 35 101 33 852 35 229 34 480 35 862

3 520 3 749 3 915 4 355 4 409

Offene und verdeckte Arbeitslosigkeit6 1 000 Personen . . 4 966 6 125 4 858

Erwerbslose1

Erwerbslosenquote

2 159 3 228 3 137 4 573 3 227

5,3 7,9 7,4 10,6 7,4

- 43 55 106 94 100

Kurzarbeiter

Arbeitslosenquote7

1 762 199 86 126 1 143

7,3 10,4 10,7 13,0 9,1

%

Quote der off. u. verd. Arbeitslosigkeit % . . 13,7 16,4 12,9

1

Inländerkonzept; nach ESVG 1995. – 2 Einschl. mithelfende Familienangehörige. – 3 Erwerbstätige nach dem Inlandskonzept abzügl. Erwerbstätige nach dem Inländerkonzept. – 4 Quelle: BA. – 5 Anteil der registrierten Arbeitslosen an allen zivilen Erwerbspersonen (abhängig Beschäftigte, Selbständige, mithelfende Familienangehörige). – 6 Unterbeschäftigung: Registrierte Arbeitslose, Arbeitslosenäquivalent der Kurzarbeiter, Teilnehmer an ABM-Maßnahmen u. Ä., Empfänger von Altersübergangsgeld usw.– 7 Anteil der Arbeitslosen an den abhängigen zivilen Erwerbspersonen (sozialversicherungspflichtig und geringfügig Beschäftigte, Beamte, Arbeitslose).

Quelle: SVR (2010), Tab. 9*, 10*.

Das gilt auch für die gemeldeten (offenen) Stellen als einem weiteren (nicht VGR-) Indikator des Arbeitsmarktes. Es handelt sich hier um die in den nächsten drei Monaten zu besetzenden Arbeitsplätze, die Arbeitgeber dem Arbeitsamt zur Vermittlung gemeldet haben. Die Tatsache, dass es gleichzeitig offene Stellen und Arbeitslosigkeit gibt, spiegelt den kontinuierlichen Prozess der Schaffung und Vernichtung von Arbeitsplätzen wider1. Bei einem Vergleich der Zahlen von Arbeitslosen und offenen Stellen muss beachtet werden, dass die Arbeitskräfte nicht homogen (= nach Ausbildung, Fähigkeit usw. gleich) sind. Die angebotenen und nachgefragten Arbeitsplätze 1

„Dies führt zu Arbeitskräfteströmen von der Arbeitslosigkeit und Nichterwerbsbeteiligung in Beschäftigungsverhältnisse und umgekehrt. Dabei unterliegt der Ausgleichprozess (MatchingProzess) zwischen freiwerdenden Stellen und Arbeit Suchenden unter anderem einer gewissen zeitlichen Verzögerung aufgrund der Kosten, die mit der Suche nach geeigneten Kandidaten bzw. Stellen und dem Auswahlprozess verbunden sind. Die Folge ist, dass es Arbeitslose gibt, während gleichzeitig offene Stellen nicht besetzt werden können“ (Europäische Zentralbank, Monatsbericht, Dezember 2002, S. 51).

11. Kapitel: Struktur-, Wachstums- und Konjunkturfragen

257

brauchen sich daher qualitativ nicht zu decken. Auch die Zahl der ermittelten offenen Stellen hat Mängel. Sie braucht nicht den tatsächlichen Arbeitskräftebedarf anzuzeigen. So können z.B. bei Überbeschäftigung vorsorglich mehr Arbeitskräfte als benötigt angemeldet werden, oder Unternehmen melden grundsätzlich keine bzw. längerfristig unbesetzte Stellen unter Umständen nicht mehr. Die Veränderung der Arbeitslosenzahl muss sich nicht bei den Erwerbstätigen widerspiegeln. So kann die Erwerbstätigkeit steigen, wenn Personen nach Schule oder Studium berufstätig werden „oder aus dem Ausland eine Erwerbstätigkeit in Deutschland aufnehmen (z.B. im Rahmen der Green-Card-Verordnung), ohne dass sich die Arbeitslosigkeit verringert. Umgekehrt kann sich auch die Zahl der registrierten Arbeitslosen verringern, ohne dass die Zahl der Erwerbstätigen steigt. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn Arbeitslose an arbeitsmarktpolitischen Programmen in Form einer Fortbildung, Umschulung oder anderen berufsbildenden Maßnahmen teilnehmen“ (Statistisches Bundesamt 2003a, S. 17). Das Verhältnis aus Arbeitslosenquote und Vakanzquote (= Relation offene Stellen zu Erwerbspersonen) wird als Indikator herangezogen, um zu beurteilen, ob die Veränderung der Arbeitslosenquote durch konjunkturelle oder strukturelle Faktoren bedingt ist. Die sog. Beveridge-Kurve stellt das Verhältnis von Arbeitslosigkeit und offenen Stellen dar. Verschiebt sich diese Kurve weg vom Ursprung, dann kann dies auch als ein Hinweis für zunehmende strukturelle Arbeitslosigkeit sein. Ein weiterer Indikator der Konjunkturlage ist die Preisniveauentwicklung1. Zu ihrer Beurteilung werden Preisindizes gebildet. Das Preisniveau kann als das arithmetische Mittel aller in einer Periode gezahlten Einzelpreise definiert werden, wobei die jeweiligen Güter nach ihrer ökonomischen Bedeutung gewichtet werden. Wenn alle Preise um den gleichen Prozentsatz steigen würden, die individuellen Preisrelationen also unverändert blieben, wäre die Frage bedeutungslos, an welchem Warenkorb, d.h. (gewichteten) Güterbündel, man die Preisniveauentwicklung messen möchte. Sie ließe sich an einem beliebigen Gut darstellen. Tatsächlich entwickeln sich die Preise unterschiedlich, so dass die Wahl des Warenkorbes bedeutsam ist. Das Preisniveau muss auch insofern operationalisiert werden, als es praktisch nicht möglich ist, alle Güter zu erfassen. Es ist daher angebracht, die Preisentwicklung nur in Teilbereichen der Volkswirtschaft und nur für typische Güter zu beobachten und in Preisindizes zusammenzufassen. Der Preisindex für das Bruttoinlandsprodukt stellt die Entwicklung des Preisniveaus (oder des Geldwertes als reziproken Wert) am umfassendsten dar. Er ist allerdings als Indikator der Preisniveauveränderung wenig aussagekräftig, unter anderem weil darin auch die Preisentwicklung für Ein- und Ausfuhrgüter enthalten ist. So sind Ausfuhrgüter bei der Darstellung der inländischen Kaufkraftentwicklung ungeeignet. Zweifel können auch hinsichtlich der Investitionsgüter und des Staatskonsums vorgebracht werden, die im Preisindex der inländischen Verwendung enthalten sind. Der 1

Vgl. auch das 5. Kapitel.

258

Dritter Teil: Die Verwendung der VGR für wirtschaftspolitische Zwecke

Preisindex der Konsumausgaben der privaten Haushalte wird (auch) als Index zur Beurteilung der Preisentwicklung des privaten Konsums verwendet. In der Praxis wird oft der Verbraucherpreisindex (früher Preisindex der Lebenshaltung) verwendet. Er stellt auf Preisniveaustabilität aus der Sicht der privaten Verbraucher ab und ist nicht Bestandteil des Systems der VGR. Bemerkenswert ist, dass nur die Preisindexziffern nach den VGR die Methode der Vorjahrespreisbasis, verkettet verwenden1. Auch der Verbraucherpreisindex legt einen ausgewählten Warenkorb zugrunde2. Der Verbraucherpreisindex soll nachweisen, wie sich die Lebenshaltung der privaten Haushalte infolge von Preisänderungen, aber unbeeinflusst von Änderungen im Konsumverhalten, verteuert oder verbilligt. Nach der Laspeyres-Formel soll für ein Basisjahr ein Warenkorb die Konsumgewohnheiten der Gesamtbevölkerung wiedergeben.3 Grundlage für die Berechnung der Verbrauchsstruktur sind insbesondere die fünfjährlichen Einkommens- und Verbrauchsstichproben und die monatlichen Wirtschaftsrechnungen. Der Vorteil der Laspeyres-Formel ist, dass nicht in jeder Periode wie bei der Paasche-Formel ein neuer Warenkorb berechnet werden muss. Andererseits verliert er mit zunehmendem Abstand vom Basisjahr an Realitätsnähe. So führen Veränderungen in den Konsumgewohnheiten zu Verschiebungen der Verbrauchsgüterrelationen. Gründe hierfür dürften insbesondere in der Entwicklung von Einkommen, Preisen und Präferenzen zu suchen sein. Das Statistische Bundesamt trägt dem Rechnung, indem es in Abständen zur internen Überprüfung den Paasche-Preisindex heranzieht. Weitere Probleme des Verbraucherpreisindex sind insbesondere Qualitätsänderungen von Gütern4 und das Erscheinen neuer und das Verschwinden alter Güter. Werden für die Preisbeobachtung ausgewählte Güter nicht länger angeboten, müssen sie ausgetauscht werden. Auch aus diesem Grund geht das Statistische Bundesamt nach Empfehlungen der EU in der Regel alle fünf Jahre, nämlich in den auf 0 und 5 endenden Jahren zu neuen Basisjahren und aktualisierten Warenkörben über. Für eine Übergangszeit weist das Amt den Index aufgrund der neu berechneten und der alten Verbrauchsstrukturen nach. Die jüngste Umstellung auf die Preisbasis 2005 erfolgte Anfang 2008.

b) Vierteljahresangaben und saisonbereinigte Daten Für wichtige Tatbestände der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen veröffentlicht das Statistische Bundesamt in relativ grober Gliederung auch Vierteljahresergebnisse5, so zum Beispiel für sechs zusammengefasste Wirtschaftsbereiche der Entstehungs1

2

3 4

5

Bei anderen Wirtschaftsindikatoren (monatliche Auftragseingänge, Produktionsdaten, Einzelhandelsumsätze u. Ä.) wird weiter in konstanten Preisen und einem festen Basisjahr gerechnet. Die amtliche deutsche Statistik erfasst monatlich über 300 000 Einzelpreise für rund 700 Gütergruppen. Der Warenkorb wird aus den Aufzeichnungen von 600 Preiserhebern in 188 Gemeinden gewonnen. Siehe hierzu ausführlich Kapitel 5, Abschnitt 5d. Hierbei sind grundsätzlich nicht die objektiven (z.B. technischen) Eigenschaften gemeint, sondern die Eigenschaften nach der subjektiven Wertschätzung bzw. aus Sicht des Verbrauchers. Die große Bedeutung der Quartalsrechnung für die Konjunkturbeobachtung zeigt sich auch darin, dass im ESVG 1995 der Vierteljährlichen VGR ein eigenes Kapitel gewidmet wird.

11. Kapitel: Struktur-, Wachstums- und Konjunkturfragen

259

rechnung, die Aggregate der Verwendungsrechnung, Teile der Verteilungsrechnung und für Angaben über das geleistete Arbeitsvolumen. Darüber hinaus werden Angaben über wichtige abgeleitete Größen (Arbeitsproduktivität, Lohnkosten je Arbeitnehmer, -stunde und Lohnstückkosten) veröffentlicht. Diese Ergebnisse haben eine herausragende Bedeutung als kurzfristige und rasch verfügbare Konjunkturindikatoren. Die Angaben der Entstehungs- und Verwendungsrechnung werden in jeweiligen Preisen und preisbereinigt nachgewiesen. Vierteljährige Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen (quarterly national accounts) sind integraler Bestandteil der VGR. Auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) veröffentlicht Vierteljahresergebnisse. Zum Nachweis von Vierteljahresangaben muss der erwähnte Konflikt zwischen Zuverlässigkeit und Aktualität gelöst werden, der verschärft bei der BIP-Schnellschätzung auftritt. Die Daten gelten als umso verlässlicher, je geringer die späteren revidierten von den ersten vorläufigen, auf schwacher Datengrundlage geschätzten Ergebnissen abweichen. Die Unzulänglichkeiten des statistischen Basismaterials zeigen sich in der Vierteljahresrechnung insbesondere bei den gesamtwirtschaftlichen Vorratsveränderungen sowie den Unternehmens- und Vermögenseinkommen. „Diese beiden für die Konjunkturbeobachtung wichtigen Komponenten des Systems werden in den vierteljährlichen und vorläufigen Berechnungen praktisch nur als Differenzgrößen ermittelt. Gerade diese Zahlen werden daher im Zuge von regelmäßigen Neuberechnungen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen oft spürbar korrigiert“ (Strohm 1997, S. 685). Daher sind vierteljährliche Angaben über Vorratsveränderungen für Konjunkturanalysen, insbesondere im Hinblick auf Zusammenhänge zwischen Lageraktivitäten und Konjunkturschwankungen, eigentlich nicht brauchbar. Die Quartalsrechnung muss bestimmte Klassifikationen detailliert verwenden und gleichzeitig Transaktionen eindeutig zuordnen. „Viele Transaktionen, die eindeutig einem Jahr zugeordnet werden können, sind in bezug auf Quartale nicht mehr homogen. Ihre Zuordnung kann entweder dem Schwerpunkt nach vorgenommen werden oder es müssen Zurechnungen auf der Grundlage von Modellüberlegungen an die Stelle der deskriptiven Erfassung treten“ (Richter 2002b, S. 205). Zur Berechnung vierteljährlicher Daten auf Vorjahrespreisbasis wird ein spezielles Rechenverfahren angewandt, das für die Praxis der deutschen VGR am besten geeignet ist, die sog. AnnualOverlap-Methode. Bei dieser Methode werden die aktuellen Volumina vereinfachend zum Jahresdurchschnitt der nominalen Werte des Vorjahres in Beziehung gesetzt (Jahreswert/4). Auch der kurzfristigen Analyse dient die Saison- und Kalenderbereinigung der vierteljährigen Ergebnisse der VGR. Hierzu wird das Census X-12-ARIMA-Verfahren angewandt. Grundgedanke der Saisonbereinigung ist es, dass sich Zeitreihen in drei Komponenten zerlegen lassen: die sog. glatte Komponente, die den längerfristigen Trend und die konjunkturellen Schwankungen einschließt, die Saisonkomponente1, 1

So steigt die Arbeitslosenquote im Winter wegen der kalten Witterung und im Sommer am Ende der Schulzeit und der betrieblichen Ausbildung.

260

Dritter Teil: Die Verwendung der VGR für wirtschaftspolitische Zwecke

d.h. diejenigen Bewegungen, die sich Jahr für Jahr in gleicher oder allmählich variierender Weise wiederholen und die irreguläre oder Restkomponente, zu der alle übrigen Einflüsse zu rechnen sind (Hellmold 2002, S. 344; Giovannini 2008, S. 54 ff.). Nach Herausrechnung des Trends wird eine gewisse Saisonbereinigung durch den Vorjahresvergleich realisiert, der aber nicht ausreicht irreguläre Einflüsse z.B. infolge Streiks, Großaufträgen usw., also der Restkomponente auszuschalten. Hierzu werden z.B. Mehrmonatsdurchschnitte herangezogen. Darüber hinaus werden Kalenderfaktoren berücksichtigt. Sie stellen auf die verschiedene Anzahl von Wochen- und Arbeitstagen ab. So hatte z.B. das Jahr 2004 mit fast 253 Arbeitstagen 4,6 mehr als 2003, unter anderem weil mehrere regionale und nationale Feiertage auf einen Sonntag bzw. Samstag fielen. Daraus wurde auf das Jahr bezogen ein Effekt für das BIP von 0,6 Prozentpunkten geschätzt (Arbeitsgemeinschaft deutscher wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute 2006, S. 152). Abb. 11-5 Konsumausgaben der privaten Haushalte in Deutschland nominal in Mrd Euro, Originalwerte und saison- und arbeitstäglich bereinigte Werte 360

350

340

330

320

310

saison- und arbeitstäglich bereinigte Werte Originalwerte

300 I 05 II III IV I 06 II III IV I 07 II III IV I 08 II III IV I 09 II III IV I 10 II III

Quelle: Statistisches Bundesamt (2010d), Tab. 3.4; (2010e), Tab. 2.3.3.

Abb. 11-5 zeigt die Entwicklung der nominalen Konsumausgaben der privaten Haushalte in Deutschland vom 1. Quartal 2005 bis zum 3. Quartal 2010 sowohl auf Basis der Originalwerte als auch auf Basis der saison- und arbeitstäglich bereinigten Werte. Die Zeitreihe der Originalwerte zeigt die starken Saisoneffekte im 4. Quartal jeden Jahres – vor allem aufgrund der Ausgaben zur Weihnachtszeit. Dagegen kommt es regelmäßig zu einem starken Rückgang im 1. Quartal. c) Prognosen gesamtwirtschaftlicher Größen Für die Beurteilung der künftigen Wirtschaftsentwicklung sind Prognosen wichtig. Im Mittelpunkt stehen die Veränderungsraten des preisbereinigten BIP (und wichtiger

11. Kapitel: Struktur-, Wachstums- und Konjunkturfragen

261

Komponenten), des Verbraucherpreisindex und des Deflators für den Privaten Verbrauch. Prognosen werden von verschiedenen Institutionen vorgelegt. So legt der Sachverständigenrat Jahresprognosen vor und die Wirtschaftsforschungsinstitute erstellen einzeln Prognosen mit unterschiedlichem Horizont (drei bis 18 Monate) und ein Teil der Institute zweimal pro Jahr Gemeinschaftsdiagnosen. Auch das Bundeswirtschaftsministerium erstellt Prognosen und die von der Deutschen Bundesbank vorbereiteten gesamtwirtschaftlichen Vorausschätzungen fließen in die von der EZB vorgelegte Projektion für den Euro-Raum ein. Grundlage für die Schätzung der Veränderungsraten des BIP sind die realisierten Werte der ersten vorläufigen Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes. Schon weil diese Daten selbst Prognosen darstellen, von denen die endgültigen Werte teilweise stärker abweichen, ist die Prognosegüte eingeschränkt. Allerdings müssen die Prognosen ihrerseits mit den ersten vorläufigen Angaben der realisierten Werte des Prognosezeitraums verglichen werden, denn spätere Datenrevisionen können die Prognostiker nicht vorhersehen. Eine Grundlage für die Schätzung der künftigen Wirtschaftsentwicklung „ist die Kenntnis der ökonomischen Entwicklung im vergangenen Zeitraum. Seitens der amtlichen Statistik können jedoch aufgrund des Zeitverzugs zwischen Erhebung, Meldung und Aufbereitung der Daten Informationen erst mit gewissem zeitlichen Abstand bereitgestellt werden, so dass ständig eine ‚Informationslücke’ über die Ex-postEntwicklung entsteht. Der Prognostiker steht somit vor einem zweifachen Problem: Zunächst müssen die von der amtlichen Statistik veröffentlichten Kennzahlen bis in die unmittelbare Gegenwart fortgeschrieben werden. Dieser auch als Ex-post-Prognose bezeichnete Arbeitsschritt ist der Ausgangspunkt für die Projektion der künftigen Entwicklung, nämlich der Ex-ante-Prognose“ (Brautzsch/Ludwig 2002, S. 40). Wie sich im Vergleich mit den realisierten Größen zeigt, waren die Prognosen in der Vergangenheit unterschiedlich präzise. Das gilt insbesondere hinsichtlich des genauen Zeitpunkts und der Intensität des Wechsels in der Richtung, in der sich eine Volkswirtschaft entwickelt, also hinsichtlich möglicher Umschwünge zwischen Rezession, Aufschwung, Boom und Abschwung. In Abschwüngen wird häufig das Wachstum überschätzt, in Aufschwüngen unterschätzt. Prognosen können aber nur so gut sein, wie die ihr zugrunde liegenden Annahmen, die aber nicht auf VGR-Daten beruhen. Die Annahmen betreffen relevante Variablen, die im Modell nicht endogen erklärt werden können. Sie werden meist von Experten festgelegt und betreffen i.d.R. Rahmenbedingungen oder weltwirtschaftliche Entwicklungen, die nur schwer vorherzusagen sind. Beispiele sind die Entwicklung des Euro-US-$-Wechselkurses, der Rohstoffpreise oder der Konjunktur in den USA, Asien und Europa. Insbesondere können exogene Schocks, wie z.B. Ölpreisanstiege, Kriege oder Terroranschläge, unerwartet auftreten und die Rahmenbedingungen grundlegend verändern. Aber auch Datenrevisionen, Datenbrüche (z.B. infolge der Wiedervereinigung) und unzureichende VGR-Daten sind relevant.

262

Dritter Teil: Die Verwendung der VGR für wirtschaftspolitische Zwecke

Tab. 11-11 Indikatoren des wirtschaftlichen Aufholungsprozesses in Ostdeutschland 1991

1995

25 33 54 49 42 119 66 62 70 38 40

23 59 79 74 65 114 149 106 176 50 56

259 290 47 222 101 51 171 52 49 23 82 96 50 207 282 56 94 271 122 120 0

195 147 46 311 89 73 145 40 42 27 101 92 72 180 257 90 130 143 144 145 74

2000

2005

2009

23 60 80 77 69 112 110 97 122 64 73

22 66 79 78 106 76 77 64 98 71 82

21 70 762 79 79 100 773 673 883 723 823

204 165 63 195 99 80 137 56 424 27 103 88 84 239 281 104 135 87 92 140 107

179 151 74 153 99 85 133 63 355 26 1045 87 96 202 1597 97 134 977 997 136 116

177 159 81 145 95 82 128 73 433 30 1842, 6 88 100 198 1147 96 135 957 917 124 101

West = 100 Einwohner Bruttoinlandsprodukt (BIP) je Einwohner1 Haushaltsnettoeinkommen Arbeitskosten:1 Entgelt je Arbeitnehmer Produktivität:1 Reales BIP je Erwerbstätigen Lohnstückkosten1 Investitionen je Einwohner Ausrüstungsinvestitionen je Einwohner Bauinvestitionen je Einwohner Kapitalstock je Einwohner Kapitalstock je Beschäftigten Sektoralstruktur1 Land- u. Forstwirtschaft Bergbau u. Versorgung Verarbeitendes Gewerbe Baugewerbe Handel u. Verkehr Finanz- u. Unternehmensdienste Öffentliche u. private Dienste Exportquote1 FuE-Personalintensität1 Patente je Einwohner1 Wissenschaftsausgaben je Einwohner1, 6 Erwerbsbeteiligung1 Selbstständigenquote1 Arbeitslosenquote1 Ausgaben der BA je Erwerbsperson Durchschnittsrente (Männer) Durchschnittsrente (Frauen) Unternehmensgründungen Unternehmensschließungen Ausgaben der Länder je Einwohner8 Schulden der Länder je Einwohner8 1

Ohne Berlin; 2 2008; 3 2007; 4 1999; 5 2004; 6 Nettoausgaben minus unmittelbare Einnahmen der Länder und Gemeinden; für 2008 aufgrund geänderter Erfassungssystematik kein Vergleich mit Vorjahresdaten möglich; 7 neue Länder einschl. Berlin; 8 ohne Stadtstaaten.

Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft Köln (2010), S. 131.

4. Der Ost-West-Vergleich Auch 20 Jahre nach der deutschen Einheit ist der wirtschaftliche Aufholprozess der neuen Länder von großem Interesse. Bei seiner Analyse zeigt sich statistisch das (schon erwähnte) Problem, Berlin nicht (mehr) nach West und Ost aufgliedern zu können. Folglich muss Berlin bei West-Ost-Vergleichen ausgeklammert werden oder vollständig West- oder Ostdeutschland zugeschlagen werden.

11. Kapitel: Struktur-, Wachstums- und Konjunkturfragen

263

In Tab. 11-11 sind verschiedene Indikatoren des Aufholprozesses zusammengestellt. Hierbei wird Berlin weitgehend den alten Bundesländern zugeschlagen. Die Tabelle zeigt für 2009 u.a., dass das BIP je Einwohner in Ostdeutschland erst 70 % des westdeutschen BIP ausmachte und der ostdeutsche Bauboom fast beendet ist. Die Arbeitsproduktivität (je Erwerbstätigen) lag 2009 bei 79 %, die Lohnstückkosten entsprechen denen in Westdeutschland. Neben VGR-Daten beinhaltet Tabelle 11-11 auch eine Reihe anderer nichtamtlicher Datenquellen.

Literatur zum 11. Kapitel Zu Ansätzen und Methoden der Strukturanalyse siehe Gerstenberger (1985). Den Beitrag des Statistischen Bundesamtes zur Strukturberichterstattung stellt Dorow (1987) dar. Die Bildung und Aussagekraft von staatswirtschaftlichen Quoten und Beziehungszahlen untersuchen der Wissenschaftliche Beirat beim BMF (1976) und Brümmerhoff (2011, 2. Kapitel). Bork (2009) beschäftigt sich mit dem Spannungsverhältnis von VGR und Wirtschaftspolitik. Staatsausgaben nach Ausgabearten und Aufgabebereichen behandelt Kopsch (1980), und Statistisches Bundesamt (1999a). Zu Defizit und Schuldenstand liegen Handbücher von Eurostat (2002) und IMF (2001) vor. Zur Erwerbstätigen- und Arbeitsvolumenrechnung und ihrer Datengrundlage siehe Lüken (2002a, b) und Fritsch/Voy (2009). Grundlegende Darstellung der Produktivitätsberechnung ist das Handbuch der OECD (2001b), die Messung der Produktivität in Deutschland stellen Herbel/Räth (2002) dar; siehe auch Deutsche Bundesbank (2002), Grömling/Hülskamp (2004) und Schröder (2010). Zur Preisindexbildung allgemein siehe Fürst (1976), zur Preisstatistik Lippe (1996, S. 354-393), Neubauer (1996) und Räth/Struck/Voy (2009). Die im Wesentlichen weiter geltende Berechnung der Wägungsschemata für die Preisindizes der Lebenshaltung auf der Preisbasis 2005 erläutert Elbel/Egner (2008). Die Vierteljahresrechnung wird im ESVG, Kapitel 12, erläutert; hierzu gibt es ein Handbuch der European Commission/Eurostat (1999). Das Statistische Bundesamt veröffentlicht seine Ergebnisse in Fachserie 18, Reihe 1.2. Siehe auch Lequiller/Blades (2006, S. 306 ff.) und zu den vierteljährlichen VGR der EWWU siehe Mink (2009). Die „Machbarkeit“ einer BIP-Schnellschätzung untersuchen Hartmann/Schmidt/ Oltmanns (2005) und Statistisches Bundesamt (2006a). Die Saisonbereinigung stellen Hauf (2002), Deutsche Bundesbank (1999b) und Giovannini (2008, S. 54 ff.) dar. Die Begriffsabgrenzung und Messmethoden des Produktionspotenzials behandeln die Europäische Zentralbank (2000), zur Schätzung siehe Deutsche Bundesbank (2007, 2009a) und Gutachten 2010/11 des Sachverständigenrates. Einzelheiten zur Methode des ILO-Konzepts der Erwerbslosenquote beschreibt der Beitrag von Rengers (2004). Zu Umfang und Struktur der Stillen Reserve siehe Fuchs/Weber (2010). Zur Prognose auf Basis der VGR-Daten siehe Caspers (2002a). Die Treffsicherheit verschiedener Prognosen des realen BIP und des Preisniveaus untersuchen z.B. Heilemann (2004)

264

Dritter Teil: Die Verwendung der VGR für wirtschaftspolitische Zwecke

und Nierhaus (2010). Die Beurteilung des BIP im Konjunkturzyklus behandelt Oltmanns (2009). Der Aufholprozess in Ostdeutschland wird zum Beispiel dokumentiert in Statistisches Bundesamt (2010f).

Aufgaben zum 11. Kapitel 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.

10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19.

Worum geht es bei der Strukturberichterstattung? Beurteilen Sie die Aussagekraft des Subventionsbegriffs der VGR. Worin liegt das Problem, einen aussagekräftigen Subventionsbegriff festzulegen? Wie entwickeln sich langfristig die in der A3-Gliederung nachgewiesenen Wirtschaftsbereiche? Inwiefern kann es statistische Verzerrungen geben? Beurteilen Sie die Aussagefähigkeit der Staatsquote. Wie sind Erwerbs- und Nichterwerbspersonen abgegrenzt? Was versteht man unter „Erwerbsquote“? Wie unterscheidet sich die Abgrenzung der Erwerbslosen nach VGR-Konzept zu der der registrierten Arbeitslosen der BA? Erwerbspersonen (und Teilgrößen) werden nach dem Inländer- und Inlandskonzept berechnet. Worin liegt der Unterschied? Die Veränderung der Relation „BWS preisbereinigt, verkettet je Erwerbstätigen“ wird zur Messung der Produktivitätsentwicklung herangezogen. Stellt die Relation ein aussagekräftiges Maß dar? Welche Bedeutung haben Preisindizes für die Produktivitätsmessung? In welche Komponenten kann man zur Analyse der Bestimmungsgründe des Wachstums das BIP zerlegen? Was besagt die Größe „Lohnstückkosten“? Wie wird die Kapitalintensität gemessen? Wo hat sie seit 1991 besonders stark zugenommen? Was ist das Produktionspotenzial? Wie wird es gemessen? Was versteht man unter „verdeckter Arbeitslosigkeit“? Beurteilen Sie den Verbraucherpreisindex. Nennen Sie Probleme bei der Prognose des BIP. Wozu dienen saisonbereinigte Daten? In welchen Fällen muss eine Bereinigung um Kalendereffekte vorgenommen werden?

12. Kapitel Die Darstellung der Einkommensverteilung 1. Objekte der Verteilungsanalyse Verteilung ist ein Begriff, der eine Vielzahl von einzelnen Untersuchungsobjekten abdeckt, von denen Übersicht 12-1 einen Ausschnitt zeigt. Häufig werden in der Analyse mehrere Aspekte verbunden. Übersicht 12-1 Klassifikation der Verteilungsaspekte International Vermögen/Ressourcen Funktionell Haushalt Primär Real



National/Regional Einkommen Personell Individuum Sekundär Nominal

Zunächst muss eingegrenzt werden, ob nationale oder internationale Verteilungsfragen diskutiert werden. Im internationalen Kontext geht es zum Beispiel darum, ob in den betrachteten Ländern die dort entstandenen und verteilten Einkommen (vor allem die Pro-Kopf-Einkommen) gleich oder unterschiedlich stark wachsen. Entsprechendes gilt für die Regionen innerhalb eines Landes – in Deutschland zum Beispiel der OstWest-Vergleich. In der Wachstumstheorie wird dementsprechend gefragt, ob es im Zeitablauf zu einer ökonomischen Divergenz oder Konvergenz kommt. Im Mittelpunkt steht in der Regel die Einkommensverteilung, aber auch die Ausstattung mit verschiedenen Ressourcen – insbesondere mit Kapital – auf nationaler sowie auf supra- und internationaler Ebene. Die internationalen Aspekte werden in den Kapiteln 15 und 16 behandelt. Die nationale Vermögensverteilung wurde in Kapitel 7.6 betrachtet. Im vorliegenden Kapitel geht es um die nationale Einkommensverteilung. Die Einkommensund die Vermögensverteilung können wechselseitig voneinander abhängen. So wurde schon im 7. Kapitel festgestellt, dass eine hohe Ressourcenausstattung insbesondere mit Sach- und Humankapital ein höheres Kapital- und Arbeitseinkommen und damit auch einen höheren Vermögensaufbau ermöglicht, der in späteren Perioden wiederum höhere Vermögenseinkommen zur Folge haben kann. Zumindest beim produzierten Vermögen im Sinne des Gegenwartswerts des künftigen Einkommens oder der in der Vergangenheit getätigten Investitionen besteht hier auch ein definitorischer Zusammenhang. Der folgende Abschnitt macht deutlich, dass es ganz unterschiedliche Einkommensbegriffe gibt, die einer Analyse der Einkommensverteilung zugrunde gelegt werden können. Des Weiteren kann bei Verteilungsanalysen definiert werden, auf welche Gruppen das nationale Einkommen verteilt wird. Bei der funktionellen Einkommensverteilung werden Gruppen nach der Art des Produktionsfaktors eingeteilt. Die personelle Einkommensverteilung gruppiert einzelnen Personen oder Haushalte nach der

266

Dritter Teil: Die Verwendung der VGR für wirtschaftspolitische Zwecke

Höhe und Zusammensetzung ihres Einkommens. Hier kann auch unterschieden werden, ob jedes Individuum allein betrachtet wird, oder ob Haushalte analysiert werden. Eine weitere Unterscheidung besteht darin, die Einkommensverteilung entsprechend dem Marktprozess (Primärverteilung) oder nach staatlichen Eingriffen über Steuern und Transfers (Sekundärverteilung) zu betrachten. In Zeiten hoher Inflation muss außerdem bei der Entwicklung der Einkommensverteilung zwischen nominaler und realer (inflationsbereinigter) Entwicklung unterschieden werden. Das ist vor allem dann relevant, wenn die einzelnen Gruppen unterschiedlichen Preisentwicklungen unterliegen. Beispielsweise beim Produzentenreallohn (Reallohn aus Arbeitgebersicht) wird das Arbeitseinkommen mit dem Preisindex des Bruttoinlandsprodukts deflationiert, beim Konsumentenreallohn (Reallohn aus Arbeitnehmersicht) hingegen mit dem Preisindex für die Lebenshaltung oder mit dem Preisindex des Privaten Konsums. So führten im Jahr 2000 die unterschiedlichen Deflatoren zu deutlichen Abweichungen: Das Arbeitnehmerentgelt ist nominal um insgesamt 3,8 % gestiegen. Deflationiert mit dem Preisindex des Bruttoinlandsprodukts, der im Jahr 2000 um 0,7 % gesunken ist, ergibt sich dann ein Anstieg der realen Arbeitskosten um 4,5 %. Deflationiert mit dem Preisindex für die Lebenshaltung (+ 1,4 %) ergibt sich dagegen nur ein Anstieg um 2,4 %. Der Stiglitz-Bericht (Stiglitz et al. 2009, S. 108 ff.) betont, dass bei der Wachstums- und Wohlfahrtsmessung stärker auf Einkommen und Konsum abgestellt und die Perspektive der privaten Haushalte eingenommen werden soll. Jedenfalls sind die VGR eine wichtige Datenquelle, um einen Großteil der aufgeführten Verteilungsanalysen vorzunehmen.

2. Der Einkommensbegriff Die Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen sind in erster Linie von der Produktion her konzipiert. Die in der Produktion entstandenen Einkommen (Nettowertschöpfung, von kleineren Korrekturen abgesehen) werden an die Sektoren, darunter die privaten Haushalte verteilt. Der VGR-Einkommensbegriff, wie auch die Grenze zwischen Einkommensverteilung und Einkommensumverteilung, ist also produktionsbestimmt. Als Einkommen gilt der Betrag, der nach Erhaltung des realen Produktionsvermögens verbleibt. Damit wird ein Bezug zum Vermögen hergestellt. Zum Einkommen rechnen Geldeinkommen und bestimmte reale Werte (Mietwerte der Eigentümerwohnungen, Deputate, Eigenverbrauch der Landwirtschaft). Bei einer Nutzung der VGR für die Analyse der Einkommensverteilung (und Einkommensverwendung) der privaten Haushalte ist zu klären: • Sollen bei den Erwerbs- und Vermögenseinkommen unterstellte Sozialbeiträge in die Verteilungsrechnung eingehen? Dagegen spricht, dass hier Zurechnungen vorliegen, über die die privaten Haushalte keine Aufzeichnungen erstellen und von denen sie sonst keine Kenntnis haben. Dieses Problem ist auf der Ebene des Volkseinkommens relevant, nicht aber beim verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte. • Müssten nicht Einkommen und Konsum nach dem Verbrauchskonzept auch den Wert der Haushaltsproduktion einschließen? Das hätte erhebliche Auswirkungen auf

12. Kapitel: Die Darstellung der Einkommensverteilung

267

die Einkommensverteilung nach Alter, Geschlecht, Familienstand, Stadt und Land. ,,It is reasonable to conjecture that the proportions of income related to nonmarket output in the home are larger among the poor and among women, the aged, and those on farms or in rural areas. Full imputation of the value of education would appear likely to bring further dramatic changes in our views of the distribution of saving and investment as well as of income“ (Eisner 1988, S. 1613 f.). • Macht die Aufspaltung in Produktions- und Importabgaben einerseits sowie Einkommen- und Vermögensteuern andererseits für Verteilungsfragen Sinn? • Ist nicht die Einbeziehung von Kapitalgewinnen für Verteilungszwecke wichtig, auch weil solche Wertsteigerungen die Konsummöglichkeiten verändern ohne das Nettovermögen zu verringern?1 • Besteht zwischen den Makro-Größen der VGR und den Mikrogrößen stets eine eindeutige Beziehung, oder muss und wie kann diese hergestellt werden? Wegen der Probleme bei der individuellen Zurechnung und Bewertung bestimmter Einkommenskomponenten sind die Einzeldaten in der Regel auf geläufigere Einkommensbegriffe beschränkt. Im Mittelpunkt des Verteilungsinteresses bei den privaten Haushalten stehen deren Markteinkommen und ihr Verfügbares Einkommen.

3. Die Arten der Einkommensverteilung Bei der Einkommensverteilung geht es um die Verteilung der Einkommen auf bestimmte Analysegruppen. Das können Produktionsfaktoren, Branchen, Personen, Generationen, Länder und Regionen sein. Im Folgenden wird auf die funktionelle und die personelle Einkommensverteilung abgestellt.

a) Die funktionelle Verteilung Das Schwergewicht der Verteilungstheorie lag lange Zeit auf der funktionellen Einkommensverteilung. Die Entgelte der am Produktionsprozess beteiligten Produktionsfaktoren stellen das Einkommen ihrer Besitzer dar. Produktion und Verteilung werden so simultan bestimmt. Zu entscheiden ist, welche Faktoren wie am Produktionsprozess mitwirken, um ihnen den Produktionsertrag zuzurechnen. Das ist insbesondere hinsichtlich der Unternehmereinkommen nur unter vereinfachenden Annahmen möglich. Häufig wird als einfachste Form der Aufteilung der Produktionsfaktoren nach Arbeit und Kapital (einschließlich Boden) unterschieden. Zunächst erscheint es passend dazu, dass eine funktionelle Einkommensverteilung mit zwei Quoten dazu berechnet wird. Die (unbereinigte) Lohnquote wird so in der Regel nachgewiesen. Sie ist als das Verhältnis der von Inländern empfangenen Arbeitnehmerentgelte (L) zum Volkseinkommen (Y) definiert und lag 2009 bei 68,4 % (siehe Tab. 12-1). Lohnquote und 1

Um den Bezug zur Produktion herzustellen, müsste nach den Dienstleistungen gefragt werden, die eine Einheit durch Halten von Vermögenswerten bereitstellt.

268

Dritter Teil: Die Verwendung der VGR für wirtschaftspolitische Zwecke 1

Quote der Unternehmens- und Vermögenseinkommen ergänzen sich zu eins: (12-1)

L Y UV + =1 Y Y

Das Arbeitnehmerentgelt schließt u.a. die Löhne und Gehälter von Bundeskanzler, Gewerkschaftsfunktionär, Generaldirektor, Lehrer und Gelegenheitsarbeiter ein. Die Lohnquote kann aber nicht als Arbeitseinkommensquote interpretiert werden, da die Arbeitsleistung der Selbständigen nicht im Arbeitnehmerentgelt erfasst wird. Unternehmens- und Vermögenseinkommen (YUV) ergeben sich nicht aus einer originären Berechnung, sondern als Differenz zwischen Volkseinkommen und dem (weitgehend) aus Ursprungsdaten ermittelten Arbeitnehmerentgelt. Die Unternehmens- und Vermögenseinkommen Yuv schließen u.a. die Arbeitseinkommen der Selbständigen und die unterstellten Einkommen aus selbstgenutztem Wohneigentum ein. Sie sind daher nicht Unternehmenseinkommen im üblichen Sprachgebrauch. Folglich schlagen sich alle Niveau- und Entwicklungsfehler der Volkseinkommensberechnung in dieser Restgröße nieder. Daher ändern sich Unternehmens- und Vermögenseinkommen auch nach jeder – von der Entstehungsseite ausgehenden – Revision des Inlandsprodukts (vgl. Brümmerhoff/Grömling 2010). Insbesondere die mit hohem Modellgehalt geschätzten Größen wie die Abschreibungen legen die Unternehmens- und Vermögenseinkommen fest. „Eine solche Konfrontation in mehrfacher Hinsicht inkommensurabler Größen vergleicht nicht nur Variable unterschiedlicher Natur, sondern auch solche unterschiedlicher Reagibilität. Während den volkswirtschaftlichen Abschreibungen aus der Natur des Schätzansatzes ein hohes Maß an Trägheit immanent ist, werden Änderungen bei den Löhnen und Gehältern unmittelbar abgebildet. Die unterschiedliche Reagibilität darf nicht als Indikator unterschiedlicher Anpassungsverhalten der Produktionsfaktoren interpretiert werden. Sie spiegelt vor allem Differenzen im unmittelbaren Wirklichkeitsbezug der Variablen wider“ (Richter 2002b, S. 144 f.). Tab. 12-1 Die funktionelle Einkommensverteilung in Deutschland und die Erwerbsstruktur Y Jahr 1991 1995 2000 2005 2009

1 192,6 1 397,2 1 524,4 1 694,7 1 791,8

L Mrd EUR 847,0 997,0 1 100,1 1 129,9 1 225,9

YUV

L/Y

YUV/Y

345,6 400,2 424,4 564,8 566,0

71,0 71,4 72,2 66,7 68,4

29,0 28,6 27,8 33,3 31,6

L*/Y % 71,0 72,1 72,9 68,3 69,9

AE/Y

NUS/N

78,1 79,3 80,2 75,1 76,8

90,9 90,0 90,0 88,8 89,0

Quelle: Statistisches Bundesamt (2010b), Tab. 2.1.3., 2.1.11.; eigene Berechnungen.

Für analytische Zwecke wird die Lohnquote L/Y häufig umgeformt: 1

Diese Größe wird häufig verkürzt als Gewinnquote bezeichnet; das ist unzutreffend, weil sie u.a. auch die Vermögenseinkommen der Arbeitnehmer und die Arbeitseinkommen der Selbständigen enthält.

12. Kapitel: Die Darstellung der Einkommensverteilung

(12-2)

269

L l ⋅ N US l/P = = r Y P ⋅ Yr Y / N US

Hierbei ergibt sich das Arbeitnehmerentgelt aus Durchschnittslohn l und Zahl der unselbständig Beschäftigten (NUS), Y wird in Realeinkommen Yr und Preisniveau (P) zerlegt. Der rechte Term zeigt das Verhältnis aus Reallohnsatz (l/P) und Arbeitsproduktivität (Yr/NUS). Steigen Reallohnsatz und Arbeitsproduktivität mit gleicher Rate, ändert sich die Lohnquote nicht: Der kostensteigernde Effekt wird durch den kostensenkenden Effekt ausgeglichen. Nimmt allerdings l/P stärker (geringer) als Yr/NUS zu, steigt (sinkt) die Lohnquote. Eine andere Variante ist die bereinigte oder rechnerische Lohnquote (L*/Y), die folgendermaßen geschätzt wird: (12-3)

L*/ Y =

US / N L N1991 1991 ⋅ . US Y N /N

Hierbei bezeichnen N die Gesamtzahl der Erwerbstätigen und Y das Volkseinkommen jeweils in einem bestimmten Berichtsjahr. Als Basisjahr wurde hier 1991 gewählt. Durch die Bereinigung soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die tatsächliche Lohnquote nicht allein von der unterschiedlichen Entwicklung der ProKopf-Einkommen, sondern auch vom Wandel der Erwerbsstruktur (Selbständige/Arbeitnehmer) abhängig ist. Seit 1991 ist die Arbeitnehmerquote (Nus/N), d.h. der Anteil der Arbeitnehmer an den Erwerbstätigen leicht gesunken. Er betrug 2009 noch 89 % nach 90 % im Jahr 1991. Aus der Rechnung ergibt sich, dass im Jahr 2009 die fiktive Lohnquote mit 69,9 % über der tatsächlichen Lohnquote mit 68,4 % lag. In den Unternehmens- und Vermögenseinkommen ist auch das Arbeitsentgelt der Selbständigen enthalten. Eine Arbeitseinkommensquote, in der das gesamte Arbeitseinkommen unter funktionalem Gesichtspunkt zusammengefasst wird, kann nur geschätzt werden. Das Arbeitnehmerentgelt ist (weitgehend) empirisch nachweisbar, das Einkommen aus selbständiger Arbeit als kalkulatorischer Unternehmerlohn hingegen eine rein rechnerische Größe. Üblicherweise wird angenommen, dass der zu veranschlagende Durchschnittslohn eines Selbständigen einschließlich der mithelfenden S S Familienangehörigen (AE /N ) in gleicher Höhe anzusetzen ist wie das ArbeitnehUS merentgelt je Arbeitnehmer (L/N ). Die Annahme gleicher Durchschnittsentlohnung dürfte das Arbeitseinkommen der Selbständigen eher unterschätzen. Der gesamte kalS US kulatorische Unternehmerlohn (AE ) wird errechnet, indem L/N mit der Anzahl der S Selbständigen und mithelfenden Familienangehörigen (N ) multipliziert wird. Die Unternehmerlohnquote ist daher (12-4)

AE S = L ⋅ N S = L ⋅ N S , Y Y N US N US Y

270

Dritter Teil: Die Verwendung der VGR für wirtschaftspolitische Zwecke S

wobei L/Y die tatsächliche Lohnquote angibt. N /NUS ist die Relation zwischen den Selbständigen und den Arbeitnehmern. Die Arbeitseinkommensquote AE/Y ist dann (12-5)

AE L AES L N L / N US = + = US ⋅ = Y Y Y Y Y/N N

Die Arbeitseinkommensquote kann als das Verhältnis aus Lohneinkommen je beschäftigten Arbeitnehmer zum Volkseinkommen je Erwerbstätigen berechnet werden. Tab. 12-1 zeigt auch die so ermittelte Entwicklung der Arbeitseinkommensquote im Zeitraum 1991 bis 2009. Sie lag im Jahr 2009 bei 76,8 % und damit gut 8 Prozentpunkte über der Lohnquote1. Auch die Größe (Y–AE) ist funktional nichtssagend. Sie enthält verschiedene Einkommensarten, zu denen die Vermögenseinkommen der privaten Haushalte (und privaten Organisationen oE) und des Staates (darunter Bundesbankgewinn), die unterstellten Mieten für selbstgenutztes Wohneigentum und die nichtausgeschütteten Gewinne der Kapitalgesellschaften rechnen. Die (modifizierten) Unternehmens- und Vermögenseinkommen sind daher nicht mit Einkommen des Faktors Kapital gleichzusetzen. Auch nach Abzug der Vermögenseinkommen der privaten Haushalte (nach Abzug der Zinsen auf Konsumentenschulden) erhält man keine Größe, die ökonomisch als Residualgewinn (Marktlagen- und Differenzialgewinn) gelten kann. Hierzu muss ein auch kalkulatorischer Zins auf das eingesetzte Eigenkapital (Kapitalnutzungskosten) abgesetzt werden, wodurch die Vermögenseinkommen entsprechend zunehmen2. Am aussagekräftigsten ist der Unternehmensgewinn insbesondere für die Kapitalgesellschaften. Unternehmens- und Vermögenseinkommen sind in den VGR auch für Steuerbelastungsvergleiche nur eingeschränkt aussagefähig. So verzerren die Vermögenseinkommen des Staates (z.B. der Bundesbankgewinn, der kein Unternehmensgewinn im eigentlichen Sinne ist), die unterstellten Einkommen aus selbstgenutztem Wohneigentum, aber auch die Gewinne oder Gewinnausschüttungen ausländischer Tochterunternehmen, soweit sie nach dem Doppelbesteuerungsabkommen in Deutschland steuerfrei bleiben. Beim Arbeitnehmerentgelt ist die Lohnsteuer fragwürdig für Belastungsanalysen, da sie keine eigene Steuer, sondern nur eine Erhebungsform der Einkommensteuer (wie auch der Zinsabschlag) ist. Zahlreiche Verrechnungen (z.B. Erstattungen u. Ä.) zwischen Lohn- und Einkommensteuer erschweren die Zuordnung. Selbst nach den verschiedenen Korrekturen ist eine befriedigende Statistik der funktionellen Verteilung nicht zu erwarten. Andererseits lassen die Lohn- und übrigen Einkommensquoten aber auch bei Lösung des Zurechnungsproblems gar keine schlüssige verteilungspolitische Beurteilung zu. Die funktionelle Verteilung sagt nichts darüber 1

2

L*/Y und AE/Y unterscheiden sich im übrigen um die Arbeitnehmerquote des Jahres 1991, wie ein Vergleich der Gleichungen (12-3) und (12-5) zeigt. Die 2005 veränderte Verbuchung der unterstellten Bankdienstleistungen (FISIM) hat nur Y und YUV, nicht aber L erhöht und dadurch L/Y gesenkt.

12. Kapitel: Die Darstellung der Einkommensverteilung

271

aus, welche Einkommen z.B. den Beziehern von Arbeitnehmerentgelt sonst noch zufließen. Die Einkommen einzelner Gruppen von Einkommensbeziehern können aus mehreren Quellen stammen (Querverteilung). So erzielen Arbeitnehmer auch Einkünfte aus Kapitalanlagen (z.B. Sparzinsen), Selbständige können neben ihrer Haupttätigkeit unselbständig arbeiten. Die Bedeutung der Querverteilung nimmt zu, wenn Haushalte statt Einzelpersonen betrachtet werden. Die Zuordnung eines Haushalts nach dem (überwiegenden) Einkommen des Haushaltsvorstands lässt durchaus andere Einkommensquellen auch bei den übrigen Haushaltsmitgliedern zu. Die funktionelle Verteilung sagt auch nichts über die soziale Lage des Einzelnen oder einzelner Gruppen aus. Diese wird entscheidend von der Höhe und nicht allein von der Quelle des Einkommens bestimmt. Bombach/Gahlen (1974) hat dazu festgestellt, dass die funktionelle Verteilung nur interessant sei, weil die Leute glaubten, sie sei interessant. Die funktionelle Verteilung kann allerdings ein wichtiger Ausgangspunkt der Verteilungsanalyse sein. Indem man zunächst die Verbindung zwischen Einkommen auf der Makroebene der VGR und den Einkommen auf Haushaltsniveau herstellt. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Arbeitseinkommen Abzügen unterworfen sind, Kapitalgewinne nicht, aber unterstellte Mieten in den Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen eingeschlossen sind. Vom Staat geleistete Übertragungen in Sachform rechnen (nach Ausgabenkonzept) nicht zum Einkommen. Nichtausgeschüttete Gewinne der Kapitalgesellschaften rechnen nicht zum Haushaltseinkommen1, ebenso wenig Zuflüsse und Ausschüttungen der Pensionsfonds.

b) Die personelle Verteilung Bei der personellen Verteilung geht es darum, wie sich die den privaten Haushalten zufließenden Einkommen der Höhe nach auf Haushaltsgruppen verteilen. Hierbei sind Kapitalgesellschaften und Staat als Einkommensbezieher und der auf sie entfallene Teil des Volkseinkommens (oder einer anderen gesamtwirtschaftlichen Einkommensgröße) ausgeschlossen2. Das (nach Abschluss der Einkommensumverteilung) Verfügbare Einkommen der privaten Haushalte gilt als adäquate Größe, während die funktionelle Einkommensverteilung auf das Volkseinkommen abstellt. Eine Gesamtschau der Einkommen ist nur im Rahmen der VGR möglich, in deren Kontensystem das Einkommen privater Haushalte als Globalgröße nachgewiesen wird. Anhand der Ergebnisse aller vorhandenen Einkommensstatistiken wird versucht, die Globalgröße Einkommen der privaten Haushalte weiter aufzugliedern. Übersicht 12-2 zeigt, wie das Statistische Bundesamt im Rahmen der sozioökonomischen Modellie1

2

Für die Verteilungsanalyse bedeutet das allerdings, dass nicht ausgeschüttete Gewinne von Personen und Kapitalgesellschaften unterschiedlich behandelt werden. Allerdings könnte man die nichtausgeschütteten Gewinne der Kapitalgesellschaften wie ausgeschüttet und als Kapitalanlage der Eigentümer in die Kapitalgesellschaften behandeln. Das entspräche der Verbuchung „grenzüberschreitender“ reinvestierter Gewinne ausländischer Eigentümer von Unternehmen.

272

Dritter Teil: Die Verwendung der VGR für wirtschaftspolitische Zwecke

rung die Aggregate der VGR mit anderen Haushaltsstatistiken und mit einem demografischen Rahmen verknüpft, der die Voraussetzung für die empirische Darstellung der Einkommensverteilung zwischen den und innerhalb der sozialen Haushaltsgruppen ist. Das Amt legt tiefgegliederte Zeitreihen über die Qualifikationsstruktur der Bevölkerung und der Erwerbstätigen vor sowie darüber, wie sich die privaten Haushalte nach sozioökonomischen Gesichtspunkten zusammengesetzt und entwickelt haben. Maßgeblich für die Zuordnung eines Haushalts zu einer bestimmten Haushaltsgruppe ist die Art des überwiegenden Lebensunterhalts (Unterhaltskonzept) der Bezugsperson – die Person, die den größten Beitrag zum Haushaltseinkommen leistet. Übersicht 12-2 Die Struktur der Modellrechnung zur Verteilung der Einkommen nach Haushaltsgruppen Aggregate der VGR

Informationen aus Erhebungen bei Haushalten aus Sekundärstatistiken u.ä.

Demographischer Bezugsrahmen

Modellrechnungen zur Einkommensverteilung

Ergebnisse: Durchschnittliche Einkommen und Übertragungen in tiefer Gliederung nach Haushaltsgruppen

Quelle: Schüler (1994), S. 106.

Vorwiegend wird der Haushalt als kleinste Einkommens- und Verbrauchseinheit gewählt. Die Verteilung des Einkommens auf Personen ist weniger bedeutungsvoll, wenn Personen meist zusammenleben. Dann trifft aber der Begriff ,,personelle Verteilung“ nicht zu. Tatsächlich nimmt der Anteil der Einpersonenhaushalte tendenziell zu. Einpersonenhaushalte sind dadurch definiert, dass sie allein in einer getrennten Wohneinheit leben und ihr Einkommen für sich allein verplanen. Als Mehrpersonenhaushalte leben zwei oder mehr Personen gemeinsam in einer Wohneinheit und verplanen gemeinsam ihr Einkommen, das zu diesem Zweck (zum größeren oder kleineren Teil) zusammengelegt wird. Haushalte können unterschiedlich zusammengesetzt sein und sich nach Anzahl, Familienstand, Alter, Geschlecht, Höhe und Zusammensetzung von Einkommen und Vermögen, Arbeitsmarktbeteiligung usw. unterscheiden. Nach welchen Gesichtspunkten sollen sie dargestellt werden? Es bedarf also der eindeutigen Klassifikation aufgrund demografischer und sozio-ökonomischer Merkmale in Abhängigkeit vom Untersuchungszweck. Als Bezugsperson (auch zu anderen Mitgliedern) dienen in Haushaltsbefragungen die Eigenschaften der Referenzpersonen (Giovannini 2008, S. 27).

12. Kapitel: Die Darstellung der Einkommensverteilung

273

Tab. 12-2 zeigt die Ergebnisse der im Rahmen der VGR berechneten Nettoeinkommen privater Haushalte (ohne private Organisationen oE)1 für verschiedene sozioökonomische Haushaltsgruppen. Nachgewiesen werden sowohl die erwerbstätigen als auch nichterwerbstätigen Haushalte. Die erwerbstätigen Haushalte werden nach der Stellung der Bezugsperson im Beruf aufgeteilt. Für jeden der nachgewiesenen Haushaltstypen wird das durchschnittliche Haushaltsnettoeinkommen nach der Haushaltsgröße gezeigt. Ferner berechnet das Statistische Bundesamt das Nettoeinkommen je Haushaltsmitglied und je Verbrauchereinheit, gewichtet nach der OECD-Äquivalenzskala2. Unterstellte Einkommensgrößen, über die private Haushalte nicht frei verfügen können, sind nicht im Haushaltsnettoeinkommen enthalten3. Tab. 12-2 Nettoeinkommen je Haushalt in Deutschland, in Euro Haushaltsgruppen Privathaushalte insgesamt Selbständigenhaushalte Arbeitnehmerhaushalte Beamtenhaushalte Angestelltenhaushalte Arbeiterhaushalte Nichterwerbstätigenhaushalte dar. 1: mit überwiegendem Lebensunterhalt der Bezugspersonen aus Arbeitslosengeld / -hilfe Rente Pension Sozialhilfe 1

1991

1995

2000

2004

2005

26 000 77 200 27 300 33 700 29 000 24 100 16 500

29 100 83 900 30 900 37 300 33 200 26 700 19 200

31 600 94 600 33 700 40 100 36 000 29 300 20 400

33 200 99 900 36 200 43 100 38 700 30 800 20 900

33 700 106 900 35 900 42 800 38 200 30 200 21 200

16 400 16 800 22 900 10 300

18 000 19 700 25 500 12 600

18 100 20 600 27 400 12 500

18 100 20 900 28 600 13 800

-

Die Einkommen für die sonstigen Nichterwerbstätigenhaushalte werden nicht explizit angegeben, da ein Nachweis für diese heterogen zusammengesetzte Gruppe wenig aussagefähig ist.

Quelle: Statistisches Bundesamt (2006g), S. 8.

Das Nettoeinkommen schließt die den privaten Haushalten aus unselbständiger Arbeit, aus selbständiger Tätigkeit und aus Vermögen sowie aus laufenden Transfers zugeflossenen Einkommen ein. Abgezogen werden die von ihnen geleisteten direkten Steuern und Sozialabgaben sowie Zinsen auf Konsumentenkredite. Zum Haushaltsnet1

2

3

Auch das Einkommen der dauerhaft in Gemeinschaftsunterkünften wie Alten- und Pflegeheimen, Kinderheimen oder Justizanstalten wohnenden Personen ist herausgerechnet. Zur besseren Vergleichbarkeit der Haushalte mit unterschiedlicher Zahl und Struktur der Haushaltsmitglieder werden durchschnittliche Verbrauchereinheiten mit Hilfe von Äquivalenzziffern benötigt. Diese berücksichtigen, dass die Kosten für die Lebenshaltung sich nicht proportional zur Zahl der Personen im Haushalt entwickeln. Die Ziffern betragen nach der neuen OECD-Skala 1,0 für den ersten Erwachsenen im Haushalt, 0,5 für jede weitere Person ab 15 Jahren und 0,3 für Kinder unter 15 Jahren. Ein Haushalt mit 2 Erwachsenen und 2 Kindern unter 15 Jahren muss demnach nicht das 4-fache, sondern nur das 2,1-fache Einkommen eines Singlehaushalts erzielen, um den gleichen Lebensstandard zu haben. Das Statistische Bundesamt legt Berechnungen auch für die entsprechend erweiterten verfügbaren Einkommen vor. Die darin gemäß VGR-Konzeption enthaltenen unterstellten Einkommen beziehen sich auf Vermögenseinkommen aus Versicherungsverträgen, unterstellte Einkommen im Zusammenhang mit eigengenutztem Wohneigentum, Erstattungen privater Krankenkassen, Beihilfen und Unterstützungen im Krankheitsfall sowie konsumierte Finanzserviceleistungen.

274

Dritter Teil: Die Verwendung der VGR für wirtschaftspolitische Zwecke

toeinkommen gehören die Einkommen aller Haushaltsmitglieder. Die privaten Haushalte in Deutschland hatten im Jahr 2005 (1991) im Durchschnitt ein Nettoeinkommen von 33 700 (26 000) Euro. Nach Haushaltsgruppen zeigen sich deutliche Unterschiede. Selbständigenhaushalte erzielten im Jahr 2005 mit 106 900 Euro die höchsten Durchschnittseinkommen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Selbständige in der Regel ihre Altersvorsorge aus ihren Nettoeinkommen bestreiten müssen und es sich um eine sehr heterogene Gruppe von Einkommensbeziehern handelt. Bei Haushalten von Arbeitnehmern lag das Nettoeinkommen bei 35 900 Euro, hierbei bei den Beamten am höchsten (42 800). Bisher wurde eine tiefere sachliche Aufteilung und eine Verteilung nach sozialen Gruppen der Haushalte vorgelegt. So wichtig die aus dieser Rechnung „abzuleitenden Schlüsse auf die durchschnittliche Verteilung der Einkommen sind, so sehr bedürfen sie der Ergänzung durch Angaben über die Einkommensverteilung innerhalb der sozialen Gruppen, weil das Durchschnittseinkommen erhebliche Streuungen bei den Haushalten insgesamt und bei den verschiedenen Haushaltsgruppen überdecken kann“ (Euler 1985, S. 62). Eine in die VGR integrierte nach der Einkommenshöhe differenzierende amtliche Verteilungsrechnung liegt zurzeit in Deutschland (noch) nicht vor. Die Modellrechnung enthält aber verteilungsrelevante Informationen insbesondere zu den einzelnen Einkommens- und Transferarten, die (auf Haushaltsgruppen aufgeteilt) in den Haushaltseinkommen zusammentreffen. Solche Informationen stellen die Grundlage für eine amtliche Konzentrationsrechnung dar. Eine Anlehnung an die VGR ist wünschenswert, weil nur sie umfassende und aktuelle Daten zur Einkommensverteilung liefert. Wichtige verteilungsrelevante Informationen für die Modellrechnung liefert vor allem die im Fünfjahresabstand durchgeführte Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) und der in der Regel einmal jährlich durchgeführte Mikrozensus1. Sie werden ergänzt insbesondere durch die Erwerbstätigenrechnung der VGR, die Lohnund Einkommensteuerstatistik, die Sozialhilfestatistik sowie die laufenden Wirtschaftsrechnungen2. Die EVS bildet eine wichtige Quelle für Daten über die Einnahmen und Ausgaben der privaten Haushalte. Die jüngste Auswertung liegt für das Jahr 2008 vor. Sie enthält insbesondere Informationen über die Zusammensetzung der Bruttoeinkommen der in der Stichprobe repräsentierten Haushalte, ferner über verschiedene Aspekte wie soziale Stellung, Haushaltsgröße und Haushaltsnettoeinkommen. Bei dieser Primärstatistik beruht die Stichprobe auf freiwilliger Basis. Haushalte mit besonders hohem (Netto-)Einkommen (ab 18 000 € monatlich in 2008) und Personen in Anstalten und Gemeinschaftsunterkünften fehlen. Insofern spiegeln die hochge1

2

Der Mikrozensus ist eine jährliche Stichprobe von 340 000 Haushalten oder knapp 1 % aller Haushalte. Es besteht Auskunftspflicht. Hier werden u.a. die normalerweise und tatsächlich geleistete Arbeitszeit, die Tätigkeitsmerkmale, das Nettoeinkommen, die Art der Krankenversicherung und die Altersvorsorge erfragt. Die EVS bezieht sich nur auf rund 60 000 Haushalte oder 0,2 % aller Haushalte. Auch die Lohn- und Gehaltsstatistik, die Wohnungsstichproben und die zahlreichen Geschäftsstatistiken der verschiedenen Sozialleistungsträger können für eine umfassende Verteilungsrechnung herangezogen werden.

12. Kapitel: Die Darstellung der Einkommensverteilung

275

rechneten Ergebnisse makroökonomisch gesehen die Einkommenssituation in Deutschland nur teilweise wider. Relativ gut werden die mittleren Einkommen erfasst. Die Lohn- und Einkommensteuerstatistik bezieht sich auf Steuerfälle und steuerrechtlich relevante Sachverhalte. Ihr liegt daher mit dem Gesamtbetrag der Einkünfte ein steuerlicher Einkommensbegriff zugrunde, der im Laufe des Veranlagungsverfahrens modifiziert wird. Eine vergleichbare Differenzierung der Verteilung nach dem sozialen Status und nach der Haushaltsgröße lässt sich hier nicht durchführen. Diese Statistik hat vor allem Bedeutung als eine die EVS ergänzende Informationsquelle für ,,höhere“ Einkommen. Die (endgültigen) Ergebnisse der Steuerstatistiken wie auch der Einkommens- und Verbrauchsstichproben stehen erst mehrere Jahre nach ihrer Erhebung zur Verfügung, so dass Fortschätzungen für die zwischen den Erhebungen und danach liegenden Jahre vorgenommen werden. Eine wichtige nichtamtliche Quelle von Einkommensdaten liefert das Sozioökonomische Panel (SOEP) des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Das SOEP wurde bereits in Kapitel 7 bei der Darstellung der personellen Vermögensverteilung angesprochen. Dabei handelt es sich um eine repräsentative jährliche Befragung von privaten Haushalten, die in Westdeutschland seit 1984 und in Ostdeutschland seit 1990 durchgeführt wird. Im Erhebungsjahr 2008 wurden knapp 11 000 Haushalte und gut 23 000 Personen einbezogen. Da durch das SOEP weitgehend die gleichen Haushalte im Zeitablauf befragt werden, sind auch Mobilitätsanalysen möglich, mit denen gezeigt wird, wie sich die jeweilige Einkommensposition eines Haushalts im Zeitablauf ändert.1 Abb. 12-1 Einkommensverteilung in Deutschland, Gini-Koeffizienten1 0,600

Markteinkommen

Haushaltsnettoeinkommen 0,478

0,500

0,473

0,441

0,435 0,403 0,400 0,300

0,292 0,262

0,261

0,290

0,260

0,200 0,100 0,000 1991 1

1995

2000

2005

Gini-Koeffizienten für das Marktäquivalenz- und das Haushaltsnettoeinkommen auf Basis des SOEP.

Quelle: SVR (2009), S. 313.

1

2007

Zu einer Mobilitätsanalyse siehe SVR (2009), S. 317 ff.

276

Dritter Teil: Die Verwendung der VGR für wirtschaftspolitische Zwecke

Zur Analyse der personellen Einkommensverteilung kann zum einen das Markteinkommen der Haushalte und zum anderen das Haushaltsnettoeinkommen herangezogen werden (siehe hierzu SVR, 2010, S. 310 ff.). Das Markteinkommen umfasst die Einkommen aus selbständiger und abhängiger Erwerbsarbeit, aus Vermögen und privaten Transfers. Das Haushaltsnettoeinkommen1 entspricht im Wesentlichen dem Markteinkommen abzüglich Einkommensteuer und Sozialversicherungsabgaben und zuzüglich der Renten sowie staatlicher Transfers. Beide Einkommen werden mittels der bereits angesprochen Äquivalenzgewichtung auf die einzelnen Haushaltsmitglieder bezogen. Abb 12-1 zeigt die Entwicklung des Gini-Koeffizienten2 der Marktäquivalenz- und der Haushaltsnettoeinkommen in Deutschland für den Zeitraum 1991 bis 2007. Dabei muss berücksichtigt werden, dass der Gini-Koeffizient bezüglich der Markteinkommen in Ostdeutschland merklich höher ist als in Westdeutschland (SVR 2009, S. 313 ff.): Im Jahr 2007 betrug er im Osten 0,51 und im Westen 0,46. Beim Haushaltseinkommen ist es umgekehrt – der Gini-Koeffizient lag 2007 in Ostdeutschland bei knapp 0,24 und in Westdeutschland bei fast 0,30. Eine Erklärung liegt darin, dass in Ostdeutschland relativ mehr Haushalte staatliche Transfers beziehen. Dies wiederum kann mit der höheren Arbeitslosigkeit und dem höheren Anteil an Rentnern erklärt werden. Gemessen am Gini-Koeffizient sind die Haushaltsnettoeinkommen in West- und Ostdeutschland deutlich weniger ungleich verteilt als die Markteinkommen. Das zeigt, dass die Umverteilungsmaßnahmen in Deutschland die Ungleichheit der Markteinkommen deutlich reduziert. Gemäß dieser Auswertung hat sich die Ungleichheit bezüglich beider Einkommensmaße seit 1991 erhöht – wenngleich zuletzt ein Rückgang der Ungleichheit zu beobachten war. Der Gini-Koeffizient als Verteilungsmaß wirken allerdings präjudizierend auf die Theorie und auch auf die Werturteile, die hinsichtlich der Einkommensverteilung gehegt werden (Pen 1974, S. 6 ff.). So legt die Gleichverteilungsgerade, die der Lorenzkurve gegenübersteht (und deren Abstand dem Gini-Koeffizienten zugrunde liegt) die Wünschbarkeit einer solchen Verteilung nahe. Die Lorenzkurve für die Einkommen aller Haushalte enthält keinerlei Angaben über die Lebensbedingungen der einzelnen in die Einkommensklassen fallenden Haushalte. Diese unterscheiden sich aber neben der Zahl und Struktur der Einkommensbezieher, der zu unterhaltenden Personen und sozioökonomischen Merkmalen wie Beamten- oder Arbeiterhaushalt usw. insbesondere durch Alter, Lebenszyklus, Zufall oder Vererbung. Auch ein Blick auf die Einkommensanteile der einzelnen Dezile zeigt, dass die Haushaltsnettoeinkommen weniger ungleich verteilt sind als die Markteinkommen (Abb. 12-2). Während auf das 1. Dezil nur 0,1 % der Markteinkommen entfallen, sind es beim Blick auf die Haushaltsnettoeinkommen durch die staatlichen Umverteilungsmaßnahmen 3,6 %. Beim 6. Dezil ist der Anteil am Markt- und Haushaltsnettoeinkommen mit 9,1 % identisch. Während das 10. Dezil am Markteinkommen einen Anteil von gut 32 % hat, sind es beim Haushaltseinkommen wegen der Umverteilungsmaßnahmen nur noch 24 %. Die Analyse des SVR (2009, S. 314 ff.) zeigt, dass 1 2

Den Unterschied zur VGR-Größe „Verfügbares Einkommen“ zeigt Fußn. 1, S. 274. Siehe hierzu Kapitel 7.6 zur personellen Vermögensverteilung.

12. Kapitel: Die Darstellung der Einkommensverteilung

277

die unteren und oberen Einkommensbereiche hinsichtlich der Markteinkommen beim Vergleich der Jahr 1991 und 2007 auseinanderdriften: Während im Jahr 1991 die unteren 50 % der Haushalte noch über 22,1 % der gesamten Markteinkommen verfügten, so waren es im Jahr 2007 nur noch 17,3 Prozent – dabei wurde der Höhepunkt im Jahr 2005 erreicht. Bei den Haushaltsnettoeinkommen hat die so gemessene Ungleichheit ebenfalls, aber deutlich weniger zugenommen. Auf die unteren 50 % der Haushalte entfielen hier im Jahr 1991 fast 33 % und im Jahr 2007 insgesamt 30,6 % der gesamten Einkommen. Abb. 12-2 Einkommensverteilung im Jahr 2007, Dezilanteile1 in % 35 30

Markteinkommen

25

Haushaltsnettoeinkommen

20 15 10 5 0 1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

1

Dezilanteile für das Marktäquivalenz- und Haushaltsnettoeinkommen für Deutschland im Jahr 2007 auf Basis des SOEP.

Quelle: SVR (2009) S. 316.

Eine Analyse der personellen Einkommensverteilung auf Basis von VGR-Daten ist nicht möglich. Erforderlich sind dazu ergänzende Statistiken mit Mikroinformationen. In Deutschland kommen dafür prinzipielle Daten aus der Einkommensteuerstatistik, aus dem Mikrozensus, der EVS und dem SOEP in Frage. Ungeachtet der Frage, welche Primärerhebung dafür geeignet ist, ist es natürlich erforderlich, dass die Makrodaten aus den VGR mit den Mikrodaten verknüpfbar sind. Nur eine Kombination von Makro- und Mikrodaten erlaubt eine umfassende Analyse der Einkommensverteilung.

Literatur zum 12. Kapitel Die Darstellung des Einkommens in den VGR erläutert Essig (2000a) und Schwarz (2008), zur Erfassung der Einkommen privater Haushalte in der amtlichen Statistik generell siehe Euler (1985). Einkommensbegriffe für die privaten Haushalte in Modifizierungen der VGR behandelt Reich (1986a) und Hauf/Voy (2009). Eine umfassende Untersuchung des Einkommens liefert die Expert Group on Household Income Statistics (2001).

278

Dritter Teil: Die Verwendung der VGR für wirtschaftspolitische Zwecke

Zur Interpretation der Lohnquote siehe Grömling (2006; 2008a). Der Sachverständigenrat analysiert auch die verschiedenen Effekte, die auf die Veränderung der Arbeitseinkommensquote im Zeitablauf wirken (siehe JG 2010/11, Anhang IV B1). Die Erfassung der Unternehmensgewinne behandelt Luh (1996), einen Vergleich der Gewinnaussagen von Bundesbank und VGR machen Görzig/Schmidt-Faber (2001). Die Wirkung von VGR-Revisionen auf die funktionelle Verteilung behandeln Brümmerhoff/Grömling (2010). Den Stand der früheren Arbeiten des Statistischen Bundesamtes zur personellen Verteilung beschreiben nach dem alten ESVG Schüler (1987, 1988, 1990) und Spies et al. (1992). Für eine ausführliche Beschreibung des SOEP und der ersten 25 Wellen siehe DIW (2008). Die sozioökonomische Modellierung beschreiben Meyer/Wolter (2005), Schwarz (2005) und Opitz (2005); zu den Einkommen privater Haushalte nach sozioökonomischen Haushaltsgruppen siehe auch Statistisches Bundesamt (2006g, Kapitel 5), Klose/Schwarz (2006), Schröder (2009) und Horschel/Pimpertz (2009). Ausführliche Daten finden sich auf der Webseite des Statistischen Bundesamtes. Verteilungsergebnisse der Einkommens- und Verbrauchsstichproben stellt das Statistische Bundesamt jeweils umfassend in der Fachserie 15 dar. Zur Lohn- und Einkommensteuerstatistik siehe die Ergebnisse der im dreijährigen Abstand veröffentlichten Fachserie 14. Eine Auswertung zur personellen Einkommensverteilung in Deutschland auf Basis der SOEP-Daten bietet der SVR (2009, S. 309-322) sowie eine Studie von DIW, ZEW und Hauser/Becker im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (2007). Die Daten zur Berechnung der Indikatoren zu Einkommen und Lebensbedingungen werden in Deutschland unter der Bezeichnung „Leben in Europa“ jährlich erhoben; siehe Körner/Meyer (2005).

Aufgaben zum 12. Kapitel 1. Warum ist die funktionelle Verteilung für verteilungspolitische Zwecke wenig aussagekräftig? 2. Wie ist die Qualität der Daten für die beiden Einkommenskomponenten des Arbeitsnehmerentgelts und der Erwerbs- und Vermögenseinkommen zu beurteilen? 3. Welchem Zweck dient die Berechnung der Arbeitseinkommensquote? Wie wird sie ermittelt? 4. Was wird bei der bereinigten Lohnquote unterstellt? 5. Warum kann die Quote der Unternehmens- und Vermögenseinkommen nicht einfach mit der Gewinnquote gleichgesetzt werden? 6. Was ist die Querverteilung? Hat ihre Bedeutung längerfristig abgenommen? 7. Erläutern Sie, was mit der personellen Einkommensverteilung dargestellt werden soll. 8. Nennen Sie wichtige Datenquellen zur Messung der personellen Einkommensverteilung in Deutschland. 9. Was beschränkt die Aussagekraft der Lorenzkurve und des GiniKoeffizienten?

13. Kapitel Probleme der Wohlstandsmessung 1. Die Eignung des Bruttoinlandsprodukts als Wohlstandsmaß In den letzten Jahrzehnten wurde die Kritik am Bruttoinlandsprodukt als Wohlstandsmaß1,2 wiederholt, die lange zuvor bereits Pigou (1920) vortrug und die auch Kuznets (1932) bewegte. Die Diskussion, ob das BIP als Produktions- (bzw. im BNE als Einkommens-)Maß auch ein geeigneter Indikator des sozialen Wohlstands sein soll und kann, setzte sich Mitte der 1940er- bis Anfang der 1950er-Jahre in der sog. „Economica-Debatte“ fort, an der sich insbesondere Hicks, Kuznets, Little und Samuelson beteiligten. Hier findet man bereits viele der auch in jüngerer Zeit vorgebrachten Argumente. Da es in diesem Zusammenhang ohne größere Bedeutung ist, ob man auf das BIP oder BNE abstellt, beziehen sich die Ausführungen hier vereinfachend auf das BIP. Im Wesentlichen geht es darum, dass im Bruttoinlandsprodukt • Größen enthalten sind, die wohlfahrtsmindernd wirken; • Größen enthalten sind, die Wohlfahrtsminderungen nur ausgleichen; • Größen nicht enthalten sind, die im Zusammenhang mit der Entstehung und Verwendung des BIP wohlfahrtsmindernd oder -erhöhend wirken; • Größen nicht enthalten sind, die für den Wohlstand wichtig sind. Mit dieser Kritik wird also eine Beziehung (13-1) W = W(BIP),

mit W’ > 0

in Frage gestellt, bei der das BIP als ein geeigneter Indikator des Wohlstands (W) gilt und zwischen beiden ein positiver Zusammenhang angenommen wird. Allerdings kann und soll die traditionelle Inlandsproduktsberechnung, so die herrschende Auffassung, diese Aufgabe als Wohlfahrtsmaß nicht (oder allenfalls eingeschränkt) leisten3. Änderungen des Bruttoinlandsprodukts können dann ein guter Indikator für Wohlfahrtsänderungen sein, wenn alle anderen die Wohlfahrt beeinflussenden Faktoren konstant bleiben. Das aber wird bezweifelt4. Selbst wenn man sich auf rein materielle Wohlfahrt beschränkt, könne aus einer bestimmten Höhe des BIP noch nicht auf eine bestimmte Wohlfahrtswirkung geschlossen werden. Bei gleicher Höhe des BIP seien unterschiedliche Güterzusammensetzungen möglich. So würde mehr oder weniger Verteidigung, die für den einen notwendig und von Nutzen, für den anderen von Übel sei, kaum die gleiche Wohlfahrtswirkung wie beispielsweise eine gleich hohe Verän1

2

3 4

Die Begriffe „Wohlstand“ und „Wohlfahrt“ werden hier synonym verwendet. Wohlfahrt wird dabei nicht im Sinne von Bedürftigkeit oder Sozialhilfe verstanden. Ein Großteil der Kritik am BIP bzw. BNE (früher BSP) kapriziert sich – gerade in makroökonomischen Lehrbüchern – auf diesen Punkt, ohne dass erkennbar ist, worin seine Bedeutung für die makroökonomische Theorie liegt. So wird es auch explizit im SNA gesagt (siehe auch Vanoli 2005, Box 48). Einige der Argumente wurden schon bei der Frage nach dem Produktionsbegriff (Kapitel 5.2) behandelt.

280

Dritter Teil: Die Verwendung der VGR für wirtschaftspolitische Zwecke

derung der Bildungsausgaben haben. Ferner dürfte für die Wohlfahrt auch die Verteilung auf die Wirtschaftssubjekte bedeutsam sein. Wenn die Ungleichheit der Einkommensverteilung stärker zunimmt als das BIP/Kopf, könnten selbst bei steigenden Einkommen die meisten Personen schlechter gestellt werden. Auch würden Nutzungen dauerhafter Sachgüter, je nachdem, ob sie im Besitz von Unternehmen oder privaten Haushalten sind, bei der Berechnung des BIP unterschiedlich verbucht. Der Wohlstand könne aber hiervon unabhängig sein. Im BIP würden die unentgeltlich abgegebenen staatlichen Leistungen nicht selbst, sondern nur die Kosten ihrer Erstellung, d.h. Inputs statt Outputs, nachgewiesen. Die Wertschätzung dieser Güter durch die Nutzer komme aber über Inputs nicht zum Ausdruck. Ferner könne es zu Doppelzählungen kommen. Weiter wird angeführt, dass nicht nur die Güterausstattung der Menschen ihre Wohlfahrt beeinflussen dürfte. Das BIP könne unter verschiedenen Bedingungen entstehen, z.B. mit mehr oder weniger Gastarbeitern, unterschiedlicher physischer und psychischer Anspannung, mehr oder weniger Ausbildung. Auch würden die Tätigkeit in der privaten Hauswirtschaft, genauer die unbezahlten Leistungen wie die Erziehung und Pflege von Kindern und anderen Angehörigen, sowie ehrenamtliche Tätigkeiten, nicht berücksichtigt. Diese Bedingungen hätten nicht nur Bedeutung für die gesamtwirtschaftliche Produktion, sondern könnten auch die Lebensqualität der Menschen beeinflussen. Das gelte insbesondere für die Freizeit. Da die Güterproduktion und nicht die Verwendung der Zeit im BIP gemessen werde, fänden Veränderungen der Freizeitpräferenzen ihren Niederschlag allein in einer Veränderung der Produktion. So würde nach (13-1) eine auf Freizeitausdehnung beruhende Produktionsminderung als Wohlstandseinbuße interpretiert. Produktion und Einkommen würden im offiziellen BIP zu niedrig ausgewiesen, wenn die darin geschätzte Schattenwirtschaft, wie gelegentlich vermutet, zu gering erfasst wird.1 Ferner messe das BIP beispielsweise die Zunahme der Versorgung mit Autos und den Benzinverbrauch. Es zeige aber nicht die Zunahme an Staus und Lärmbelästigung sowie die Verschlechterung der Luftqualität, also die mit der Nutzung der Autos einhergehenden Externalitäten (= externe Kosten und externe Erträge). Solche Wirkungen würden nicht in den Marktmechanismus einbezogen, gingen daher nicht in die privaten Rechnungen und in das BIP ein und würden folglich nicht als Veränderung der natürlichen oder geschaffenen Umwelt verbucht. Schäden an der Umwelt würden meist erst dann (positiv) in den Rechnungen erfasst, wenn Ausgaben anfielen. Diese glichen aber allenfalls eine Wohlstandsminderung aus. Auch bliebe der Abbau von Ressourcen (z.B. Bodenschätze) unberücksichtigt. Kurz: Es werde nichts über nachhaltiges Wirtschaften ausgesagt. Daher trügen marktmäßig erfasste Schadensbeseitigungs- und Behandlungskosten z.B. nach Unfällen oder Katastrophen positiv zum BIP bei. Folglich gingen auch der Tabakverbrauch und die ärztlichen Behandlungskosten der durch Rauchen verursachten Krankheiten (wie Krebs) in das BIP ein. Ferner: Mit der Ausrichtung auf das BIP würden Mittel – Wachstum des BIP – und Ziele verwechselt. Ziele könnten eher die menschliche Entwicklung, das Überleben 1

Dieser Kritikpunkt unterscheidet sich von den übrigen Einwänden, denn der Nachweis der Schattenwirtschaft (ohne Haushaltsproduktion) ist kein grundsätzliches, sondern ein Problem der gewünschten korrekten Erfassung.

13. Kapitel: Probleme der Wohlstandsmessung

281

und der Fortschritt der Menschheit unter drastisch veränderten Bedingungen sein. Soziale und politische Faktoren wie soziale Sicherheit, Aufstiegsmöglichkeiten, Qualität der sozialen Beziehungen, politische Freiheit u. Ä. kämen nur teilweise oder allenfalls indirekt über das Inlandsprodukt zum Ausdruck. Schließlich hätte die empirische Glücksforschung den direkten positiven Zusammenhang zwischen steigendem Einkommen und individuellem Wohlergehen bzw. Zufriedenheit der Gesellschaft im Zeitablauf in Frage gestellt. So könne mit steigendem BIP die Gesellschaft auch unglücklicher werden. Hierbei wird die bereits erwähnte relative Einkommensposition für das subjektive Wohlbefinden betont. Auch könne das, was statistisch im BIP gemessen wird, von dem abweichen, was die Menschen empfinden. Allerdings: Niemand bestreitet, was das BIP nicht aussagen kann, aber auch nicht soll: „Wenn man das Bruttoinlandsprodukt nimmt als das, was es ist, nämlich ein Indikator zur Messung der sich auf Märkten entfaltenden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eines Landes, stößt diese Kritik ins Leere. Erst aus der politischen Überfrachtung des Bruttoinlandsprodukts mit Ansprüchen und Zielen, für die es konzeptionell gar nicht gedacht und gemacht ist, erwächst eine scheinbare Kritikwürdigkeit“ (Haß 2010, S. 696). Das zeigt sich besonders deutlich an der oben genannten Kritik an der Erfassung der Schadensbeseitigungskosten u. Ä. Es ist offensichtlich, dass hier Produktion, Einkommen und Beschäftigung vorliegen. Und es ginge der Gesellschaft ohne Produktion dieser Dienstleistungen schlechter. Nochmals: Die Fehlinterpretation liegt darin, dass das BIP nicht das volkswirtschaftliche Vermögen, sondern die Produktion einer Periode misst. Es zeigt so allenfalls den Beitrag der Produktion zur Wohlfahrt.

2. Alternativen der Wohlstandsdarstellung Selbst wenn man es für zweckmäßig hält, können nicht alle Mängel, die gegen das BIP als Wohlstandsmaß vorgebracht werden, durch ein anderes Produktionskonzept beseitigt werden. Es kann aber auch nicht einfach angenommen werden, dass die verschiedenen vermuteten wohlfahrtsmindernden Wirkungen gerade durch wohlfahrtserhöhende Wirkungen ausgeglichen werden. So kann die Beziehung zwischen der Höhe (bzw. dem Wachstum) des Bruttoinlandsprodukts und der Höhe (bzw. dem Wachstum) etwa der Haushaltsproduktion, der Freizeitnutzung oder der Schadstoffbelastung unterschiedlich sein1. Die Überlegungen zu einer besseren Darstellung des Wohlstands haben in den letzten Jahrzehnten zu einer Vielzahl alternativer Indikatoren und zu Vorschlägen verschiedener Personen und Institutionen geführt. Sie gehen in mehrere Richtungen: Ein Ansatz ist ein „korrigiertes BIP“. Hierzu werden Bestandteile aus dem BIP ausgeklammert und neue hinzugefügt zu einem Maß der ökonomischen Wohlfahrt oder Nettowohlstandsprodukt, das dem bisherigen Produktionsausweis zur Seite gestellt wird. Es geht dabei nicht um die Abschaffung, sondern um Parallelberechnungen unter Einbeziehung der VGR, die für andere als das spezielle Ziel der Wohlfahrtsmessung 1

So hat z.B. der Schadstoffausstoß an Schwefeldioxid, Stickoxiden und Staub je Einheit des BIP in Deutschland in den letzten 20 Jahren deutlich abgenommen.

282

Dritter Teil: Die Verwendung der VGR für wirtschaftspolitische Zwecke

unverändert weiter erstellt werden. Die Korrekturen können umfassender in Richtung Lebensqualität oder auf ein Ökoinlandsprodukt ausgerichtet sein. Ferner gibt es Bemühungen, neben das BIP ein System sozialer Indikatoren, d.h. Kennziffern zu stellen, die Urteile über den Zustand und die Veränderungen wichtiger sozialökonomischer und ökologischer Problembereiche der Gesellschaft und über Wirkungen insbesondere sozial- und umweltpolitischer Maßnahmen und Programme erleichtern oder erst ermöglichen. Der Wohlstand kommt hierbei nicht in einem Maß (insbesondere in einer monetären Größe), sondern in einer Vielzahl einzelner Indikatoren zum Ausdruck (Mehrdimensionalität anstelle von Eindimensionalität). Verschiedene Bausteine beider Ansätze sind inzwischen in die Entwicklung von Satellitensystemen eingeflossen, die den Rahmen der traditionellen VGR erweitern. Sie werden im 14. Kapitel behandelt, darunter auch die Nachhaltigkeitsberichterstattung. Anzumerken ist, dass es inzwischen eine Vielzahl von Varianten an Berichterstattungen gibt, die schwer zu überblicken ist. Auch subjektive Indikatoren wie Zufriedenheit oder Glück fließen in einige der Rechnungen ein. Schließlich wird mit zusammengefassten Indikatoren (Composite Indicators) der Versuch gemacht, die wirtschaftliche und soziale Lage eines Landes durch Gewichtung von Maßen aus verschiedenen Bereichen in einem Index zum Ausdruck zu bringen. Da der Zweck dieser Indikatoren fast immer der internationale Vergleich ist, wird darauf im 15. Kapitel eingegangen.

3. Wohlstandsmaße durch Korrektur am BIP Vor einer Umrechnung des BIP in ein Wohlstandsmaß stellt sich die Frage, mit welcher Ausrichtung Änderungen am Indikator „Inlandsprodukt“ vorgenommen werden sollen. Angesichts der langen Liste der oben aufgeführten Kritiken des BIP als Wohlstandsmaß überrascht es nicht, dass ganz verschiedene Korrekturen und im unterschiedlichen Umfang erwogen und die zu erwartenden Auswirkungen auf den Produktionsausweis geschätzt wurden. Die Versuche über umfassende Veränderungen am BIP zu einem Wohlstandsmaß leiteten Nordhaus/Tobin (1973) in den USA ein. Ausgangspunkt ist die These, dass das BIP ein Indikator der Produktion und weniger des Konsums sei. Der private Verbrauch sei aber – Adam Smith folgend – letzter Zweck des Wirtschaftens. Hierbei geht es ihnen um einen tragfähigen, langfristigen Konsum. Um vom BIP zur geeigneten Konsumgröße zu gelangen, haben Tobin/Nordhaus insbesondere einige Komponenten des Inlandsprodukts neu klassifiziert, zu- oder abgerechnet: So ziehen sie jene Produkte ab, die sie als regrettable und intermediate ansehen. Sie gelten als instrumental (defensive), d.h. als Aktivitäten, die selbst keinen direkten Nutzen bewirken, sondern nur Input für nutzenstiftende Aktivitäten darstellen. Beispiele sind Fahrtkosten zur Arbeit oder Ausgaben des Staates für Polizei, Straßenerhaltung und Verteidigung. Defensive Ausgaben können beim Staat und beim privaten Sektor erfolgen. Öffentliche und private Bildungs- und Gesundheitsausgaben rechnen Nordhaus/Tobin zu den Bruttoinvestitionen in das Humankapital. Sie werden zusammen mit den Investitionen der privaten Haushalte in das Gebrauchsvermögen und mit den Investitionen der Unterneh-

13. Kapitel: Probleme der Wohlstandsmessung

283

men und des Staates vom BIP abgezogen. Andererseits werden Leistungen des privaten Gebrauchsvermögens und in den privaten Haushalten erbrachte Leistungen hinzugerechnet. Das gilt auch für die in ihrer Rechnung quantitativ besonders bedeutsamen Veränderungen im unterstellten Wert der Freizeit. Externe Kosten der Urbanisierung wie Lärmbelästigung, Luftverschmutzung usw. ziehen Nordhaus/Tobin als disamenities ab. Verteilungsaspekte spielen für ihre Rechnung keine Rolle. Das Ergebnis dieser Rechnungen wird als Wohlstandsmaß (Measure of Economic Welfare, MEW) interpretiert. Die Plausibilität des Maßes hängt insbesondere davon ab, ob man die Grenze zwischen Vorleistungen und Endprodukten für zutreffend gezogen hält, ob weitere Unterstellungen erwünscht und wie neue Vermögensgrößen und nichtmonetäre Ströme bewertet werden. Aus den so errechneten geringeren Wachstumsraten des MEW im Vergleich zum BIP schließen die Autoren, dass für den gestiegenen materiellen Wohlstand ein Preis in Form einer Verschlechterung anderer als der rein materiellen Lebensumstände zu zahlen ist. Ein grundsätzliches Problem solcher Plus- und Minusrechnungen ist, dass es kein Kriterium für die Vollzähligkeit der berücksichtigten Aspekte gibt (Lippe/Breuer, 2010, S. 445, Fußn. 1). Eingeschränkter sind Versuche, die ausschließlich Umweltwirkungen in ein korrigiertes Inlandsprodukt einbeziehen wollen. Hierzu wird bei umweltbeeinflussenden Aktivitäten geprüft, wie beispielsweise die tatsächlich beobachteten oder unterstellten Aufwendungen zur Beseitigung von Umweltschäden zu behandeln sind. Diese Ausgaben können der Nettoproduktion zugerechnet werden oder einfach Verschlechterungen oder Wertminderungen an anderer Stelle ausgleichen. Unter Wohlstandsgesichtspunkten liegt die letzte Interpretation nahe, so dass Umweltschäden wie Abschreibungen behandelt werden, weil die Umwelt vergleichbar dem Realkapital bei Nutzung einem Kapitalverzehr unterliegt. Die Folge dieser Rechnung ist ein kleineres korrigiertes im Vergleich zum traditionell gemessenen BIP. Der Aufwand zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Umwelt wird mit Ersatzinvestitionen verglichen. Allerdings gleichen Maßnahmen zur Vermeidung externer Kosten weitgehend nicht wie Ersatzinvestitionen einen Verschleiß aus, sondern verhindern diesen gerade, weil sie der vorbeugenden Schadensvermeidung dienen. Ansätze für ein nur die Umweltwirkungen, Nachhaltigkeit der Ressourcenverwendung oder auch umfassend die Nachhaltigkeit erfassendes Maß, wie jüngst der Nationale Wohlfahrtsindex von Diefenbacher/Zieschank (2008), können als Korrektur in Richtung auf ein alternatives Berichtssystem und Ersatz des BIP oder als eine Ergänzung zum traditionellen BIP konzipiert sein. Es ist aber fraglich, ob die Befürworter einer Ergänzung tatsächlich nur diesen Anspruch aufrechterhalten und bei seiner Realisierung den nächsten Schritt auf Ersatz forcieren (siehe auch Kap. 16.2). Wie weit die Korrekturen gehen können, zeigt der Verweis auf Bhutan, das nicht nur materielle, sondern auch geistige Wohlfahrt in einem Maß des Bruttosozialglücks erfassen möchte1. So wie Stiglitz et al. (2009) sind auch französische und deutsche Sachver-

1

Siehe hierzu Bhutans offizielle Seite zum Bruttonationalglück: http://www.grossnationalhappiness.com

284

Dritter Teil: Die Verwendung der VGR für wirtschaftspolitische Zwecke

ständige (CAE/SVR 2010)1 ablehnend gegenüber jedem Ansatz, der die Messung des menschlichen Fortschritts mit nur einem einzigen Indikator vornehmen will: „Das Leben ist zu komplex und die Anforderungen an statistische Ausweise sind zu verschieden, um die Zusammenfassung des erreichten Zustands in einem einzigen umfassenden Indikator sinnvoll zu ermöglichen“ (CAE/SVR 2010, S. III).

4. Sozialindikatoren Mit Sozialindikatoren (Social Indicators) wird versucht, die Lebensqualität (wellbeing), d.h. gegenwärtige ökonomische und soziale Verhältnisse, sowie auch die darüber hinausreichende Nachhaltigkeit in quantitativen Messziffern zu erfassen, die für einzelne, aber überschaubare Bereiche als repräsentativ gelten. Eine rein ökonomische und monetäre Betrachtung wird nicht angestrebt. Sozialindikatoren sollen wichtige sozioökonomische Informationen liefern und insbesondere ein Instrument zur Beurteilung sozialer Tatbestände sowie die Basis zur Formulierung von Kriterien der Zielbestimmung und Erfolgskontrolle für eine rationale Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik sein. Zentrale Fragen eines Systems sozialer Indikatoren (oder einer sozialen Gesamtrechnung) zur Wohlstandsmessung sind: Welche sozioökonomischen Tatbestände werden als wichtig betrachtet und sollen gemessen werden? Wann kann man von einer Verbesserung oder Verschlechterung der sozialen Wohlfahrt sprechen? Lassen sich die einzelnen gesellschaftlichen Tatbestände bewerten, um sie vergleichbar zu machen? Sind die verschiedenen Indikatoren einer integrierenden Betrachtungsweise zugänglich? Die Dimensionen der einzelnen Indikatoren können unterschiedlich sein – mengenmäßig, nur qualitätsmäßig oder in Geldwerten ausgedrückt – und so die unterschiedlichen Dimensionen der Lebensqualität deutlich machen. Die Nutzer solcher Statistiken können die Auswahl und die Bewertung aus diesem Angebot statistischer Kennzahlen selbst entscheiden. Es wird aber auch der Anspruch gestellt, eine statistische Gesamtschau der sozialen Lebensverhältnisse zu geben. Die Verwendung verschiedenartiger Indikatoren zeigt, dass der Wohlstand einer Gesellschaft mit einem Indikator nicht hinreichend zum Ausdruck gebracht werden kann. Darauf wird auch im 15. Kapitel eingegangen. Das System muss nach Auffassung von Stiglitz et al. (2009, S. 12) auch notwendig plural sein, weil ein einzelnes Maß nicht etwas so Komplexes wie die Lebensqualität der Gesellschaftsmitglieder zusammenfassen kann. Hier setzt auch die Kritik an, dass Sozialindikatoren auf keiner Theorie gesellschaftlicher Entwicklungen aufbauen. Größere „Systeme“ sozialer Indikatoren stellen zwar für viele Verwender interessante Informationsquellen dar, sie können aber als reine Datensammlungen keinen systematischen Anspruch erheben. Sie unterstützen Bestrebungen, in einzelnen Bereichen systematisch Ziele, Outputs (Ergebnisse), Programme und Mittel zu erforschen. Die gleichzeitige Verwendung verschiedenartiger (monetärer und nichtmonetärer) Indikatoren erschwert zwar ein Gesamturteil über die Entwicklung der Wohlfahrt, vermittelt aber verschiedene Einsichten. 1

Conseil d’Analyse Economique (CAE) und Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR).

13. Kapitel: Probleme der Wohlstandsmessung

285

Die Konzeption sozialer Indikatoren setzt in der Regel mit der Definition von Bereichen oder Komponenten ein, die als maßgeblich für den Wohlstand oder die Lebensqualität angesehen werden. Dann sind Indikatoren zu bestimmen, die Zustand und Entwicklung der Bereiche und ihrer Komponenten beschreiben, denn Lebensqualität wird als ein multidimensionales Konzept verstanden. Es beginnt meist mit der materiellen Versorgung bzw. dem Lebensstandard, die mit Maßen wie Nettonationaleinkommen und privater Konsum verbunden sind, und beziehen neben den Bereichen Wohnen, Bildung und Gesundheit auch soziale Integration und subjektive Zufriedenheit ein. Die Konzepte sind meist als „offene Systeme“ entworfen, d.h. sie lassen Ausschnitte und Ergänzungen zu. So sind z.B. die Arbeiten der OECD (2009) angelegt, deren Ergebnisse alle zwei Jahre als Gesellschaft auf einen Blick (Society at a Glance) veröffentlicht werden. Die Soziale Lage in der Europäischen Union ist eine ähnliche Veröffentlichung, die jährlich von der Europäischen Kommission vorgelegt wird. Solche Listen sozialer Indikatoren wurden intensiv durch verschiedene Gremien und Wissenschaftler untersucht (siehe z.B. Atkinson et al. 2002). Da die o.g. Berichte und ein weiterer der UN mit dem Ziel des Ländervergleichs erstellt werden, werden sie im 15. Kapitel behandelt. Dort werden auch die Vorschläge von CAE/SVR (2010) behandelt, die ähnlich wie Stiglitz et al. (2009) ein Indikatorensystem zu den Bereichen Wirtschaftleistung, Lebensqualität und Nachhaltigkeit vorschlagen. In Deutschland hat es verschiedene Veröffentlichungen sozialer Indikatoren gegeben. Vor allem im Rahmen des Frankfurt/Mannheimer SPES-Projekts sind umfangreiche Arbeiten über soziale Indikatoren für die Bundesrepublik Deutschland vorgelegt worden. Das Sozialpolitische Entscheidungs- und Indikatorensystem (SPES) sollte als Sozialberichterstattung Informationen über den Wandel und die Wohlfahrt liefern. Es sollte aber auch der praktisch politischen Entscheidungsvorbereitung dienen. Interessante Nachfolgeaktivitäten sind beispielsweise die Wohlfahrtssurveys des Sfb 3, das Sozio-oekonomische Panel (heute beim DIW angesiedelt) und die ZUMA-Aktivitäten. Aktuell gibt der vom Statistischen Bundesamt in Zusammenarbeit mit dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) und dem Zentrum für Umfragen, Methoden und Analysen, Mannheim (ZUMA) alle zwei Jahre herausgegebene Datenreport wichtige Informationen, ferner legt ZUMA den Informationsdienst Soziale Indikatoren vor. Die Arbeiten an Sozialindikatoren können für verschiedene Zwecke genutzt werden. So bedarf es z.B. zur Deflationierung im Dienstleistungsbereich, und hier insbesondere beim Staatsverbrauch, der Klärung, was als Volumensindikator angesehen werden kann (vgl. das 5. Kapitel). Hierzu haben schon in den 1970er-Jahren wichtige Diskussionen im Rahmen der Sozialindikatoren und der Programmplanung stattgefunden. Sozialindikatoren fließen heute in verschiedene andere Rechnungen ein. Das gilt etwa für die im nächsten Kapitel behandelten Satellitensysteme mit Indikatoren für spezielle Fragestellungen, die so den Rahmen der traditionellen VGR ergänzen. Beispiele sind Indikatoren der Einkommensverteilung und Zeitverwendung als Teil der sozioökonomischen Rechnung, andere Sozialindikatoren fließen in die Umwelt- und in die Nachhaltigkeitsberichterstattung ein.

286

Dritter Teil: Die Verwendung der VGR für wirtschaftspolitische Zwecke

5. Zur Kritik am Bruttoinlandsprodukt als Wohlfahrtsmaß Die VGR erweisen sich als fruchtbar und unverzichtbar für die Behandlung bestimmter ökonomischer Informationsprobleme wie den Nachweis von Höhe, Struktur und Veränderung von volkswirtschaftlicher Produktion und Einkommen in Raum und Zeit. Jede Korrektur des BIP beeinflusst seine bestehenden Verwendungsmöglichkeiten insbesondere als brauchbares Maß der Güterproduktion. Selbst wenn man die zuvor diskutierten Mängel des BIP als (ein dafür nicht konzipiertes) Wohlfahrtsmaß akzeptiert, beeinträchtigen sie nicht die eigentlichen, gewichtigen Vorteile seiner Berechnung: • Das BIP wird auf der Grundlage eines konsistenten Systems mit Kontrollrechnungen ermittelt. Produktion und Einkommen stimmen (von geringen Korrekturen abgesehen) überein. Die Produktions- und Einkommenskonten sind mit den Vermögensänderungs- und Finanzierungsströmen umfassend verbunden. Das BIP ist international vergleichbar konzipiert, weil es weltweit auf denselben Standards beruht. • Das BIP ist (inflationsbereinigt) eng mit der Beschäftigung verbunden, seine Veränderung spiegelt daher tendenziell Beschäftigungsänderungen wider – mit kurzfristigen Anpassungen an die Produktivitätsentwicklung. Produktion und Einkommen daraus sind die Grundlage, um ein umfassendes Sozialsystem überhaupt zu ermöglichen. Für die Auseinandersetzung mit Marktwirtschaft, Wirtschaftsaktivität, Beschäftigung und Wirtschaftspolitik ist das BIP von zentraler Bedeutung. • Die Orientierung der gesamten Steuern und sonstigen Abgaben sowie der Transfers knüpft am BIP oder daraus abgeleiteten Einkommensgrößen an. • Das BIP wird im Rahmen eines Systems berechnet, das - zumindest zum Teil – eine hohe Datenqualität in Form von Vollständigkeit, Zuverlässigkeit und Richtigkeit gewährleistet. „Durch die Mehrfachnutzung der erhobenen Daten für vielfältige statistische Zwecke und die Kombinierbarkeit der statistischen Ergebnisse werden Doppelerhebungen vermieden, die Befragten nicht unnötig belastet und Kosten gespart“ (Haß 2010, S. 697). Daher kann das BIP für die Wohlfahrtsanalyse ein wichtiger Ausgangspunkt sein und je nach Fragestellung gegebenenfalls durch komplementäre oder substitutive Maße ergänzt oder ersetzt werden. Das BIP (bzw. BNE) kann aber nicht generell durch Umrechnungen zu einem Wohlfahrtsmaß ersetzt werden.1 Damit würde es für seine traditionellen Zwecke unbrauchbar. Zudem müssten in vielen Fällen (stärker als bisher in den VGR) statistisch unzureichend abgesicherte Tatbestände berücksichtigt werden. Die Nutzer der VGR-Ergebnisse insbesondere für Stabilisierungs-, Wachstums-, Struktur- und Produktivitätsanalysen wie auch für die Finanzpolitik sind daher nicht an grundlegenden Änderungen des Gesamtrechnungssystems interessiert. Warum soll man also ein (nicht nur für diese Zwecke) bewährtes und international vergleichbares Informationsinstrument verwässern? Zweckmäßiger ist es, die bestehenden VGR für bestimmte Fragestellungen zu ergänzen und insbesondere mit dem bestehenden Statistiksystem2 zu verknüpfen, wie das mit Satellitensystemen geschieht. 1

2

Das schließt nicht die je nach Fragestellung differenzierende Verwendung aus der breiten Palette der Produktions- und Einkommensmaße aus. Es umfasst private und staatlich bereitgestellte Statistiken.

13. Kapitel: Probleme der Wohlstandsmessung

287

Zu diesem Ergebnis kommt auch die Stiglitz-Kommission (2009, S. 8). Sie hält an der Bedeutung des BIP fest: „GDP is not wrong as such, but wrongly used“. Sie empfiehlt den Fokus weniger auf das BIP als auf das Nettoinlandsprodukt zu richten, weil das BIP die wirtschaftlichen Leistungen um die Abschreibungen (in Deutschland rund 15% des BIP) stets zu hoch ausweist. Und für Fragen der Lebensqualität sollte der Focus stärker auf das (Verfügbare) Einkommen und den Konsum der privaten Haushalte gerichtet werden. Die sind Bestandteile der VGR.

Literatur zum 13. Kapitel Einen dogmengeschichtlichen Überblick über das Sozialprodukt als Wohlfahrtsmaß gibt Leipert (1978, S. 21-30); zu seiner Beurteilung siehe ferner Leipert (1975) und Diefenbacher/Zieschank (2008). Zu ersten Modifikationen des Bruttoinlands(sozial) produkts als Wohlstandsmaß siehe Nordhaus/Tobin (1973) und Leipert (1978, S. 209226). Analytische und Messprobleme bei der Umformung des Produktions- zu einem Wohlfahrtsmaß behandelt Mamalakis (1996). Zur Modifikation des BIP bzw. zu einer stärkeren Ausrichtung der statistischen Berichterstattung auf Lebensqualität und Nachhaltigkeit siehe Stiglitz et. al. (2009) und CAE/SVR (2010). Eine umfassende Analyse über das BIP hinaus die Wohlfahrt zu messen, liefert Fleurbaey (2009). Zur Problematik der Umrechnung des BIP zu einem Wohlfahrtsmaß siehe auch das Zeitgespräch zu “Wie lässt sich Wohlstand messen?“ in Wirtschaftsdienst Vol. 89 (2009, S. 783-804), den Beitrag von Lippe/Breuer (2010) und die Repliken dazu in Wirtschaftsdienst Vol. 90 (2010, S. 444-457). Zur Glücksforschung siehe z.B. Kahnemann/Diener/Schwarz (1999), Frey/Stutzer (2002) und Layard (2005). Die OECD hat eine Studie zu Lebenszufriedenheitsindikatoren im Jahr 2008 vorgelegt. Auf der Webseite von Eurostat findet sich eine umfangreiche Dokumentation zum Thema „GDP and Beyond“. Die Grundlagen der Sozialindikatoren behandelt umfassend Leipert (1978), siehe auch kurz Schäfer (2002). Einen Survey über die Literatur geben Land (2000) und Gadrey/Jany-Catrice (2006). Eine umfassende Analyse haben auch Atkinson/Cantillon/Marlier/Nolan (2002) und die OECD (2008) veröffentlicht. Die frühere Entwicklung von Systemen sozialer Indikatoren bei den internationalen Organisationen stellt Stache (1981) dar. Zum Stand auf EU-Ebene siehe European Commission/Eurostat (2005). Eurostat hat eine Studie zu dem Thema „Feasibility Study for Well-being Indicators“ vorgelegt, die (ohne Jahresangabe) auf der Webseite von Eurostat zu finden ist. Für Deutschland sind vor allem zu nennen die Arbeiten des Zentrums für Umfragen, Methoden und Analysen (ZUMA) (Hrsg.), Informationsdienst Soziale Indikatoren, verschiedene Jahrgänge, und der von Statistischen Bundesamt, Gesellschaft Sozialwissenschaftlicher Infrastruktureinrichtungen (GESIS-ZUMA) und WZB herausgegebene Datenreport. Zur Weiterentwicklung siehe die laufenden Informationen in ISI (Informationsdienst soziale Indikatoren). Als Beispiel für die Bemühungen, Ziele, Programme, Outputs zu erforschen, soll hier die Arbeit von Wille (1985) genannt werden.

288

Dritter Teil: Die Verwendung der VGR für wirtschaftspolitische Zwecke

Aufgaben zum 13. Kapitel 1. Nennen Sie Argumente, die gegen das BIP als Wohlfahrtsmaß sprechen? 2. Welche Vorteile hat die herkömmliche Berechnung des BIP? 3. Welche alternativen Möglichkeiten zur Wohlfahrtsmessung werden diskutiert bzw. verwendet? 4. Was sind Sozialindikatoren? 5. Welche Schwierigkeiten ergeben sich bei dem Versuch, eine Gesamtaussage zur Lebensqualität (Wohlfahrt) zu machen?

14. Kapitel Satellitensysteme zu den VGR 1. Begriff und Ziel Die vier Bereiche des Kerns der VGR (Produktions- und Einkommensrechnung, InputOutput-Rechnung, Finanzierungs- und Vermögensrechnung und Zahlungsbilanz) liefern eine unterschiedliche, aber umfassende Darstellung der wirtschaftlichen Aktivität. Um Informationen über bestimmte gesellschaftlich wichtige Aufgabenbereiche wie Umwelt oder Bildung zu liefern, kann es aber zweckmäßig sein, auf die VGR-Größen zurückzugreifen und diese stärker zu disaggregieren und/oder neu zu klassifizieren und um andere Daten zu ergänzen. Das gilt auch für die Aktivitäten des Gesundheitswesens, der Nonprofit-Organisationen oder des Tourismus, die sich in verschiedenen Sektoren niederschlagen – so der Tourismus bei den Transporten, Restaurants, Hotels oder Erholungsgebieten. Für diese und andere Themenbereiche werden mit Satellitensystemen (satellite accounts) Daten bereitgestellt, die im Kern der VGR nicht, nur teilweise oder nur sehr verstreut geliefert werden. Es handelt sich häufig um Aktivitäten, die schwerpunktmäßig als staatliche Aufgaben betrachtet werden, die aber auch von Unternehmen oder privaten Haushalten wahrgenommen werden. Satellitensysteme stellen bereits in den VGR nachgewiesene Sachverhalte (meist monetäre Transaktionen) gesondert und eventuell in einer detaillierteren oder modifizierten Gliederungstiefe dar. Sie werden ferner um Angaben außerhalb der Gesamtrechnungen ergänzt, wie z.B. um bewertete Aktivitäten außerhalb des Marktgeschehens oder um nicht-monetäre Größen. Für bestimmte Zwecke, z.B. für die Erstellung eines Umweltsatellitensystems, sind gerade die Angaben in physischen Einheiten von Bedeutung. Entsprechendes gilt für andere Aufgabenbereiche. In Satellitensystemen können Daten verwendet werden, die statistisch weniger abgesichert sind. Die für die Inlandsproduktberechnung im engeren Sinne nötige Datenqualität wird dadurch nicht beeinträchtigt. Erreichen die Daten aber hinreichende Glaubwürdigkeit, können sie aus dem Satellitensystem in den Kern der VGR übernommen werden, wenn sie in deren Konzeption passen. Satellitensysteme sind als Experimentierfeld geeignet, um neue Konzepte auszuprobieren, ohne durch teilweise willkürliche und unsichere unterstellte Transaktionen von Nichtmarktaktivitäten den Kern der VGR zu belasten. „Such uncertain values could reduce the accuracy, credibility, and usefulness of the accounts for analyzing, projecting, and managing market policies and activities” (Landefeld et al. 2009, S. 206). Damit (1) auf nationaler Ebene der konzeptionelle Aufbau und die Angaben der Satellitensysteme über verschiedene Informationsfelder vergleichbar sind und (2) ein internationaler Vergleich von nationalen Daten über ein bestimmtes Informationsfeld möglich ist, haben internationale Gremien präzise Konzepte entwickelt, die den Anwendungsbereich von Satellitensystemen mit dem Kernsystem verknüpfen. Diese Verknüpfung kommt am stärksten zum Ausdruck, wenn von einheitlichen Darstellungskonzepten und Klassifikationen ausgegangen wird, also möglichst gleiche Definitionen und Abgrenzungen, gleiche Sektoreneinteilung und gleiche (oder zumindest

290

Dritter Teil: Die Verwendung der VGR für wirtschaftspolitische Zwecke

ähnliche) Bewertungsgrundsätze für VGR und ihre Subsysteme gewählt werden. Übersicht 14-1 verdeutlicht den Zusammenhang zwischen den traditionellen VGR und einem Umweltsatellitensystem als Subsystem, wie ihn die Vereinten Nationen vorschlagen. Dieser Bezug kann auch für andere Fragestellungen Verwendung finden. Übersicht 14-1 Umweltsatellitensystem (SEEA) zu den VGR der Vereinten Nationen Umweltsatellitensystem SEEA

Kernsystem SNA

System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen der Vereinten Nationen (System of National Accounts, SNA)

Umweltbezogene Disaggregation der monetären Angaben des SNA

Physische Informationen über die Wechselbeziehungen zwischen Umwelt und Wirtschaft

Traditionelle Konzepte des SNA

Zusätzliche Bewertung der wirtschaftlichen Umweltnutzung Erweiterung des Produktionsbegriffs im SNA

Umweltstatistiken

Rahmenwerk der Vereinten Nationen für die Entwicklung von Umweltstatistiken (Framework for the Development of Environment Statistics, FDES)

Konzeptionelle Erweiterungen bzw. Änderungen des SNA im UmweltSatellitensystem

Quelle: Stahmer (1992), S. 579.

2. Das Haushaltssatellitensystem Das Haushaltsatellitensystem stellt die Zeitverwendung und damit die Aktivitäten der Haushalte innerhalb und außerhalb des Marktgeschehens dar, soweit sie zur Haushaltsproduktion beitragen1. Zu den Nichtmarktaktivitäten gehören die Freizeitgestaltung und Tätigkeiten in Haushalten und Familien. Von besonderem Interesse ist die Haushaltsproduktion, zu der im weitesten Sinne alle Aktivitäten gerechnet werden können, die unbezahlte Arbeit (nicht entlohnte Erwerbstätigkeit) darstellen. Hierbei können unterschieden werden: Leistungen innerhalb des Haushalts für Zwecke des eigenen Verbrauchs (Zubereiten von Mahlzeiten, Tapezieren der eigenen Wohnung, Reparaturen, Instandhaltungen u. Ä.), ferner Hobbywerken und Bauarbeiten, Nachbarschaftshilfe (Haushaltsproduktion für Dritte) und ehrenamtliche Tätigkeiten z.B. in karitativen und anderen sozialen Organisationen. Diese Aktivitäten können nicht am Markt beobachtet werden.

1

Die gesamte Zeitverwendung der Bevölkerung für alle Aktivitäten wird im Sozio-ökonomischen Berichtssystem dargestellt (vgl. Punkt 4 unten).

14. Kapitel: Satellitensysteme zu den VGR

291

Zur Abgrenzung der als Haushaltsproduktion zu erfassenden Aktivitäten gegenüber Aktivitäten im persönlichen und Freizeitbereich wird üblicherweise auf das DrittPersonen-Kriterium zurückgegriffen. Danach werden Aktivitäten dann als unbezahlte Arbeit (soweit keine Erwerbsarbeit vorliegt) behandelt, wenn sie auch von Dritten gegen Bezahlung (also durch den Markt) erbracht werden können. Vieles, was dem Kriterium genügt (z.B. tägliches Rasieren oder Kämmen), bleibt dennoch nicht eindeutig zurechenbar. Für statistische Zwecke sind daher Einzelentscheidungen erforderlich. Grundlage hierfür bildet die Aktivitätenliste, die im Rahmen der Zeitbudgeterhebung bei der Klassifizierung aller Tätigkeiten des Alltags der Bevölkerung verwandt wird. „Für eine Darstellung der Haushaltsproduktion im gesamtwirtschaftlichen Rahmen ist eine Einengung des Erfassungsgegenstandes auf die Tätigkeitsbereiche erforderlich, die sinnvollerweise bewertbar sind. Mit dieser wirtschaftlichen Betrachtungsweise bleiben natürlich wichtige Bereiche des gesamten Geschehens in einem Haushalt ausgeklammert, die für die Haushaltsmitglieder häufig wichtiger sind als das, was in wirtschaftlicher Wertung erfassbar ist. Genannt seien die vielfältigen zwischenmenschlichen Beziehungen oder die Freude bei der Ausübung bestimmter Tätigkeiten im eigenen Haushalt“ (Lützel 1983, S. 260). Abb. 14-1 zeigt die in den Zeitbudgeterhebungen für 1992 und 2001 ermittelten Jahresvolumen an bezahlter und unbezahlter Arbeit1. So wurde für die unbezahlte Arbeit im Jahr 2001 mit 96 Mrd Stunden etwa das 1,7-Fache an Zeit im Vergleich zur Erwerbsarbeit mit 56 Mrd Stunden aufgewandt. Abb. 14-1 Jahresvolumen bezahlter und unbezahlter Arbeit Bevölkerung ab 12 Jahren 1992

2001

Mrd Stunden 120 102 100

96

80 59 60

56

40 10

20

10

0 unbezahlte Arbeit einschl. Wegezeiten

Erwerbsarbeit

Wegezeiten für Erwerbsarbeit

Quelle: Schäfer (2004), S. 965.

Zur Erfassung der Haushaltsproduktion kann prinzipiell von der Output- oder von der Inputseite ausgegangen werden. Bei der outputorientierten Methode werden die im Rahmen der Haushaltsproduktion erzeugten Güter gemessen und mit Preisen ähnli1

Neuere Ergebnisse lagen Ende 2010 nicht vor.

292

Dritter Teil: Die Verwendung der VGR für wirtschaftspolitische Zwecke

cher auf dem Markt gehandelter Güter bewertet. Die Differenz zwischen dem auf diese Weise zugerechneten Produktionswert und den Vorleistungen (z.B. Nahrungsmittel, Kleiderstoffe, Energie usw.) sowie einigen anderen Positionen ergibt die Nettowertschöpfung bzw. das zugerechnete Einkommen der an der Haushaltsproduktion beteiligten Personen. Ein Teil der bisher im privaten Verbrauch als letzte Verwendung von Gütern enthaltenen Waren und Dienstleistungen wird hier als Vorleistungen interpretiert. Ferner sind Abschreibungen auf langlebige Gebrauchsgüter und auf einige weitere Größen (wie Produktionssteuern abzüglich Subventionen) abzuziehen1. Bei der vom Statistischen Bundesamt gewählten inputorientierten Methode ist der Wert der Produktion nicht Ausgangspunkt, sondern Ergebnis der Berechnungen. Die Bewertung der Leistungen im Haushalt setzt inputorientiert bei den erbrachten Arbeitsleistungen an, die mit Lohnsätzen bewertet werden. Zur Schätzung der Einkommen geht man von der bei einzelnen Tätigkeiten (z.B. Kindererziehung) verbrauchten Zeit aus, die mit verschiedenen Lohnsätzen bewertet werden kann. Obwohl das gleiche Rechenschema vorliegt, sind für den input- und für den outputorientierten Ansatz regelmäßig unterschiedliche Ergebnisse zu erwarten. Der Vorteil des Outputansatzes liegt bei der größeren Übersichtlichkeit, was den Vergleich des Wertes von Haushaltsoutput und Marktgütern betrifft. Güterqualitäten (soweit es um solche geht; man beachte das Problem der Vergleichbarkeit der Qualität von Dienstleistungen!) sind vermutlich leichter zu vergleichen als Qualitäten von Zeitverwendung im inputorientierten Ansatz. Die Bewertung beim outputorientierten Ansatz erfolgt mit Preisen vergleichbarer auf dem Markt gehandelter Güter. Problem ist hier u.a., dass selbst die amtliche Preisstatistik vor allem Entwicklungen, nicht dagegen Durchschnittspreise darstellt. Die Schätzung von Durchschnittspreisen für Outputs dürfte wahrscheinlich mit höheren Fehlerspielräumen verbunden sein als bei Lohnsätzen im inputorientierten Ansatz. Bei der inputorientierten Methode kommen auch eine Marktbewertung (allerdings der Inputs) oder der Opportunitätskostenansatz in Betracht. Bei der Marktbewertung wird gefragt, wie viel die Beschäftigung von Personen kosten würde, die die Hausarbeit zu verrichten hätten. Beim Opportunitätskostenansatz wird gefragt, auf welchen Verdienst ein Haushaltsmitglied verzichtet, wenn es, statt einer bezahlten Erwerbstätigkeit nachzugehen, im eigenen Haushalt arbeitet (Lützel 1983, S. 264). Bei diesem Ansatz wird implizit unterstellt, dass das (rational handelnde) Individuum nur so lange Zeit für die Hausarbeit einsetzt, bis der Grenzertrag der letzten Stunde in der Hauswirtschaft dem entgangenen Lohn beim Einsatz von Erwerbsarbeit (und dem Grenzertrag der Freizeit) entspricht. Beim Opportunitätskostenansatz bestehen Operationalisierungsprobleme, da die Opportunitätskosten je nach Bevölkerungsgruppe unterschiedlich sind und nur selten allein durch den jeweiligen Lohnsatz determiniert werden. Mikroökonomisch würde die Bewertung zu Opportunitätskosten zu dem Ergebnis führen, dass die Hausarbeit, die von einer ausgebildeten Ärztin verrichtet wird, um ein Vielfaches höher zu veran1

Theoretisch kann man, wenn Konzepte und empirische Umsetzung zur Integration des Humankapitalansatzes dies zulassen, auch Abschreibungen auf das Arbeitsvermögen berücksichtigen.

14. Kapitel: Satellitensysteme zu den VGR

293

schlagen wäre als die gleiche Hausarbeit, die von einer Hausfrau ohne Berufsausbildung erbracht wird. In vielen Fällen dürfte es sich ferner als unlösbar erweisen, Freizeit als Selbstwert und als Input zu unterscheiden1. Dann drückt der Opportunitätslohn nicht nur die implizite Bewertung der Arbeit, sondern auch den Genuss am Fernbleiben vom Markt aus. Abb. 14-2 Wert der unbezahlten Arbeit nach verschiedenen Bewertungsverfahren

2001

1992

Generalistenansatz netto ohne Ausfallzeit Generalistenansatz netto einschl. Ausfallzeit Generalistenansatz Lohnkosten Spezialistenansatz netto ohne Ausfallzeit Spezialistenansatz Lohnkosten Durchschnittslöhne netto ohne Ausfallzeit Durchschnittslöhne Lohnkosten Arbeitnehmerentgelt Erwerbsarbeit1 Nettolöhne und -gehälter Erwerbsarbeit1 0

400

800

1 200

1 600

2 000

2 400 Mrd Euro

1 Ergebnisse der Volkswirtschaftlilchen Gesamtrechnungen.

Quelle: Schäfer (2004), S. 969.

Ein Problem der Ansätze ist einmal die Bestimmung von Leistungsäquivalenten. So ist zweifelhaft, ob die Stundenlöhne von Angestellten tatsächlich die vielfältigen Tätigkeiten, die im Rahmen eines Haushalts erbracht werden, befriedigend zum Ausdruck bringen. Ist z.B. die Kindererziehung durch Eltern nicht etwas anderes als die Kindererziehung durch Angestellte? Werden nicht (quantitativ und qualitativ) andere Leistungen erbracht? Problematisch ist ferner das Stundenlohnkonzept: Sollen Tarifoder Effektivlohn, Jahres- oder Monatseinkommen, Brutto- oder Nettolohn, tatsächliche oder geleistete Arbeitszeiten herangezogen und Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung berücksichtigt werden? Abb. 14-2 zeigt, welche Auswirkungen unterschiedliche Bewertungsverfahren haben. Abb. 14-3 zeigt die Haushaltsproduktion im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt. Hierbei wird eine vorsichtige Bewertung mit Nettostundenlöhnen von Hauswirtschaf1

So kann das Tennisspielen des Vaters mit dem Sohn Erziehungsleistung des Vaters, reine Freizeitgestaltung beider oder einen Output des Sohnes darstellen.

294

Dritter Teil: Die Verwendung der VGR für wirtschaftspolitische Zwecke

terinnen zugrunde gelegt. Auch für diesen Fall hat die Wertschöpfung der privaten Haushalte erhebliches Gewicht. So machte der Anteil der Bruttowertschöpfung der Haushaltsproduktion an der gesamten Wertschöpfung im Jahr 2001 insgesamt 29 % aus1. Abb. 14-3 Bruttoinlandsprodukt und Bruttowertschöpfung bei der Haushaltsproduktion, in jeweiligen Preisen 2001

Bruttowertschöpfung bei der Haushaltsproduktion

1992

820 690

Im Bruttoinlandsprodukt erfasste Haushaltsproduktion

107 65

2074

Bruttoinlandsprodukt

1613

2786

Gesamte Wertschöfpung

2238

0

500

1000

1500

2000

2500

3000

3500 Mrd Euro

Quelle: Schäfer (2004), S. 969.

Was macht man mit der Kenntnis des Wertes der Haushaltsproduktion, wenn die Bewertungsfrage als gelöst unterstellt wird? Dann wird zwar die Produktion bestimmter Leistungen bzw. die Versorgung unabhängig (invariant) bezüglich der erbringenden Institution erfasst. Kann daraus aber geschlossen werden, dass die offizielle Arbeitslosenquote zu hoch nachgewiesen wird? „Oder was gewinnt man, wenn man zu dem Schluss kommt, dass Ganztags- und Halbtagsbeschäftigte eigentlich gleich viel verdienen, wenn man den Nutzen häuslicher Tätigkeit oder der Freizeit“ hinzurechnet?“ (Lippe/Breuer 2010, S. 445). Während die Antworten auf diese Fragen alles andere als klar sind, besteht Einigkeit darüber, dass die Zeitbudget-Erhebungen als Da1

Zur Erinnerung: Die im BIP erfasste Haushaltsproduktion besteht in den unbezahlten Leistungen der privaten Haushalte in Form von Produktion in Haus- und Schrebergärten, investiven Eigenleistungen im Wohnungsbau, unentgeltlich geleisteter Bautätigkeit im Rahmen der privaten Organisationen oE und unterstellten Mieten für die Eigennutzung von Eigentümerwohnungen und in den Löhnen für die Hausangestellten.

14. Kapitel: Satellitensysteme zu den VGR

tengrundlage unter werden sollen.

anderem

der

Haushaltsproduktion

295

häufiger

wiederholt

3. Die Sozio-ökonomischen Gesamtrechnungen und die Sozialrechnungsmatrix Ein weiteres Satellitensystem sind die Sozio-ökonomischen Gesamtrechnungen (SGR). Sie sollen die VGR um wesentliche Beziehungen zum sozialen System erweitern. Ausgangspunkt sind die wichtigen demographischen Grundlagen einer Volkswirtschaft. Daten zur Bevölkerung werden in den verschiedensten Teilen der VGR explizit und implizit verwendet, beispielsweise beim BIP/Kopf oder den auf die Erwerbstätigen bzw. Arbeitsstunden bezogenen Produktivitätsmaßen. Der demographische Wandel ist allerdings weniger unter kurzfristigen Gesichtspunkten von Interesse als vielmehr hinsichtlich seiner Auswirkungen auf langfristige Trends. Beispiele sind die vorzeitige Verrentung trotz zunehmender Lebenserwartung, Änderungen in Größe und Zusammensetzung der Familien, höheres Medianalter und Änderungen in der Erwerbstätigkeit von Frauen. Diese Faktoren tauchen immer wieder bei den verschiedenen Systemen von Sozialindikatoren auf.

Haushaltsbetrachtung

Personenbetrachtung

Haushaltsstruktur - Personen

Qualifikationsstruktur - Erwerbstätige nach Wirtschaftszweigen - Nichterwerbstätige

Monetäre Daten:

Sozioökonomische Haushaltsgruppen

Alter und Geschlecht

Nichtmonetäre Daten:

Übersicht 14-2 Sozioökonomische Datenbausteine

Qualifikationen (ISCED) 1

Einkommen - Einkommensarten Konsum - Verwendungszwecke Sparen

1

ISCED (International Standard Classification of Education) ist eine Klassifikation und Charakterisierung von Schultypen und Erziehungssystemen anhand von verschiedenen Schul- und Ausbildungsniveaus.

Quelle: Opitz (2005), S. 783.

296

Dritter Teil: Die Verwendung der VGR für wirtschaftspolitische Zwecke

Für die SGR wird angestrebt, die gesamte Bevölkerung mit allen ihren Aktivitäten darzustellen. Das Berichtssystem beruht auf den drei in Übersicht 14-2 gezeigten Bausteinen. Die verwendeten monetären und nicht-monetären Daten stammen insbesondere aus Mikrozensus und EVS. Sie liefern Informationen zu Haushaltsstruktur (nach Haushaltsgröße, Haushaltsgruppe, Alter und Geschlecht der Haushaltsmitglieder), Bevölkerung (Differenzierung nach Erwerbsstatus sowie Qualifikation und untergliedert nach Alter und Geschlecht) sowie zu Einkommen, Sparen und Konsum (nach Haushaltsgröße und Haushaltsgruppen). Die Untergliederung nach Alter und Geschlecht sowie nach sozio-ökonomischen Haushaltsgruppen dient dabei zur Verknüpfung der Bausteine. Die Daten aus Zeitreihen sollen auch sozio-ökonomische Modellierungen und damit einen „Blick in die Zukunft“ ermöglichen (Opitz 2005, S. 783). Die Modellierung geht über die Daten hinaus, die das Statistische Bundesamt vor allem zur Darstellung der Einkommensverteilung oder zur Zeit- und Einkommensverwendung bereitstellt, die bereits im Haushaltssatellitensystem erwähnt wurde. Die Sozialrechnungsmatrix (Social Accounting Matrix, SAM) geht auf Richard Stone zurück, der bereits in den 1950er-Jahren die Darstellung von Ergebnissen aus den VGR in Matrixform vorschlug. Eine SAM wurde für Deutschland erstmals 2004 mit Daten für 2000 vorgelegt (Statistisches Bundesamt 2005c; Klose/Opitz/Schwarz 2004). Sie weist detailliert Einkommensströme nach sozio-ökonomischen Personenbzw. Haushaltsgruppen nach. Darstellungseinheiten sind Gütergruppen, Wirtschaftsbereiche, Einkommenskategorien, volkswirtschaftliche Sektoren und Finanzierungsarten. Ausgangspunkt der Darstellung ist eine sog. Nationalrechnungsmatrix (NAM) mit detaillierten Ergebnissen der Input-Output-Rechnung, der Einkommensrechnung für volkswirtschaftliche Sektoren und der Finanzierungsrechnung. Die Verknüpfung mit sozio-ökonomischen Informationen ergibt dann die SAM. Der Vorteil einer solchen Matrix liegt in der Verknüpfung insbesondere von VGR- und Bevölkerungsdaten in einer einzigen Tabelle, in der die Produktionsverhältnisse zusammen mit den Einkommensvorgängen bis hin zur Vermögensbildung dargestellt werden.

4. Die Umweltökonomischen Gesamtrechnungen (Umweltsatellitensystem) Umweltveränderungen werden in den VGR nur unzureichend berücksichtigt, weil • den Rechnungen nicht das Vermögen im umfassenden Sinne, d.h. unter Einschluss der natürlichen Ressourcen zugrunde liegt; • ökonomische Aktivitäten beschrieben werden, die üblicherweise mit Marktpreisen bewertet sind. Nichtmarktgütern wird in der Regel nur Rechnung getragen, wenn mit ihnen Bereitstellungskosten verbunden sind (z.B. bei unentgeltlich abgegebenen staatlichen Leistungen). Die Verwendung der natürlichen Umwelt für wirtschaftliche Zwecke geht aber weitgehend nicht mit Käufen bzw. Verkäufen einher und ist mit keinen oder nur geringen privaten Kosten verbunden. Die Erschöpfung natürlicher Ressourcen wird nur über die Abbaukosten (u. Ä.) erfasst. Verluste für künftige Generationen infolge sinkenden natürlichen Vermögens bleiben unberücksichtigt. Es handelt sich hier also vorwiegend um langfristig bedeutsame Auswirkungen der Wirtschaftstätigkeit.

14. Kapitel: Satellitensysteme zu den VGR

297

Ein Umweltsatellitensystem soll Defizite der bestehenden konventionellen VGRBerichterstattung aufgreifen und um relevante Umweltdaten ergänzen. Einen Rahmen hierzu liefert das System of Integrated Environmental and Economic Accounts (SEEA; deutsch: Integrierte Volkswirtschaftliche und Umweltgesamtrechnung), das in einem Handbuch (United Nations 2003) eine integrierte Darstellung von traditionellen VGR und Umweltsatellitensystem anstrebt. Darin wird auch die Berechnung eines Ökoinlandsprodukts (eco domestic product, auch als sustainable income bezeichnet) erwogen. Hierbei wird an die Hicks’sche Definition anknüpfend Einkommen zwar als der Betrag verstanden, der bei Erhaltung des Kapitalbestandes verbraucht werden kann. Kapital wird aber sehr viel umfassender interpretiert und schließt das Umwelt(oder nicht produziertes Natur-)Vermögen mit ein. Der Beitrag von Inputs wie der Abbau von Bodenschätzen wird ebenso berücksichtigt wie bestimmte sonst unbeachtete Outputs (meist negative Externalitäten). Zur Berechnung des Ökoinlandsprodukts werden – wie traditionell – vom Produktionswert die Vorleistungen und Abschreibungen (= Wertminderung des produzierten abschreibungsfähigen Sachkapitals) abgezogen, um das Nettoinlandsprodukt zu Marktpreisen (NIPM) zu erhalten. Nach langer Diskussion wird die Berechnung des Ökoinlandsprodukts als ein zusammenfassender Indikator weder für sinnvoll noch für machbar gehalten. Damit wird akzeptiert, dass die Berechnung einer Größe wie das Ökoinlandsprodukt nur mit künstlich erzeugten Daten erfolgen kann, die auf Hypothesen und nicht auf empirisch beobachteten Daten beruhen. Übersicht 14-3 Module der deutschen Umweltökonomischen Gesamtrechnungen Umweltbelastungen Physische Rechnungen - Rohstoffe - Energie - Flächennutzung - Wasser/Abwasser - Emissionen (CO2, Luftschadstoffe)

Umweltzustand Quantitative und qualitative Bestandsveränderungen des Naturvermögens in physischen Einheiten - Siedlungs- und Verkehrsfläche nach Branchen - Nutzungsintensität der Agrarökosysteme

Umweltmaßnahmen Umweltbezogene monetäre Rechnungen - Umweltschutzausgaben - Umweltsteuern

Sektorale Berichtsmodule -

Verkehr und Umwelt Landwirtschaft und Umwelt Wald Private Haushalte

Quelle: Statistisches Bundesamt (2005b), S. 10; (2010a), S. 11.

Als Umweltökonomische Gesamtrechnungen (UGR) bezeichnet das Statistische Bundesamt ein Satellitensystem, das die Beziehungen zwischen Umwelt und Wirtschaft statistisch abbildet. Es setzt die Arbeiten des SEEA vor dem Hintergrund nationaler Prioritäten fort. Die Darstellung der Umweltdaten in der UGR bezieht sich auf drei in Übersicht 14-3 gezeigte Module ökonomisch-ökologischer Wechselbeziehungen: Im Modul Umweltbelastungen (Material- und Energieflussrechnungen) werden die Materialströme, d.h. die aus der Natur entnommenen Rohstoffe und die an die Na-

298

Dritter Teil: Die Verwendung der VGR für wirtschaftspolitische Zwecke

tur abgegebenen Rest- und Schadstoffe dargestellt. Die gezeigten Materialströme werden im Materialkonto bilanziert, das die Materialflüsse zwischen der Volkswirtschaft und der Umwelt sowie der übrigen Welt abbildet. Das Modul Umweltzustand zeigt, wie das Naturkapital (bisher nur Boden) von welchem wirtschaftlichen Akteur zu einem bestimmten Zeitpunkt für Siedlungs- und Verkehrszwecke beansprucht wird und wie intensiv die Nutzung der Landwirtschaftsfläche ist. Während die ersten beiden Module physische Größen enthalten, werden im Modul Umweltschutzmaßnahmen und Umweltmanagement monetäre Rechnungen für Umweltschutzausgaben (Investitionen und laufende Ausgaben) erstellt. Ferner werden vor allem umweltbezogene Abgaben (z.B. Kraftfahrzeugsteuer oder Mineralölsteuer) nachgewiesen. In den sektoralen Berichtsmodulen soll das Standardprogramm der UGR für politisch wichtige Themenbereiche erweitert werden, um die Wechselwirkungen zwischen Umwelt und Wirtschaft möglichst breit darzustellen. Der in den VGR erfasste Beitrag der Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital zum Produktionsergebnis wird in den UGR um den Produktionsfaktor Natur, bzw. die Leistungen der Umwelt, die sich das ökonomische System zu Nutzen macht, ergänzt. „Da der Beitrag der Natur nicht in einer einzigen Zahl zusammengefasst werden kann, werden Produktivitäten für einzelne wichtige Naturbestandteile gebildet. Die Nutzung der Umwelt für wirtschaftliche Zwecke stellt in der Regel eine Belastung für die Umwelt dar, die mit einer quantitativen und qualitativen Verschlechterung des Umweltzustandes verbunden ist“ (Statistisches Bundesamt 2005b, S. 15). Für die Nutzung der unmittelbaren Einsatzfaktoren im Produktionsprozess und im Konsum werden in den UGR Mengenentwicklungen und Produktivitäten dargestellt (siehe Übersicht 14-4). Die wirtschaftliche Leistung wird in Relation zu den einzelnen in physischen Einheiten gemessenen Mengen der Umwelteinsatzfaktoren gesetzt. Die als BIP/Einsatzfaktor gemessene Produktivität kann jeweils als Maß für die Effizienz der Nutzung der verschiedenen Bestandteile des Produktionsfaktors Umwelt herangezogen werden. Die Relation BIP zu Rest- und Schadstoffmenge würde den Beitrag zur Produktion darstellen, den die Umwelt durch diese Absorption liefert. Die Entwicklung der Effizienz ist unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten von besonderem Interesse, da sich Zielkonflikte zwischen Umweltzielen und ökonomischen Zielen am ehesten durch Effizienzsteigerungen lösen bzw. abmildern lassen (Statistisches Bundesamt, 2005b, S. 17; 2010a, S. 23 ff.).

5. Die Nachhaltigkeitsberichterstattung: Eine Anwendung Die Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen bilden zusammen mit ihren Satellitensystemen der Umweltökonomischen und Sozio-ökonomischen Gesamtrechnungen die Grundlage für die Nachhaltigkeitsberichterstattung der Bundesregierung1, zu der

1

Die Nachhaltigkeitsberichterstattung stellt zusammen mit den Strukturindikatoren Informationen über nationale Reformprogramme als Teil von EU-Strategien bereit. Der Umweltaspekt fließt auch in die Strukturindikatoren der EU ein (vgl. Kap. 15.5).

14. Kapitel: Satellitensysteme zu den VGR

299

Übersicht 14-4 Gesamtwirtschaftliche Umweltnutzung Umwelt als Ressourcenquelle Energie

Energieverbrauch als Verbrauch von Primärenergie (Petajoule, PJ)

Rohstoffe

Rohstoffverbrauch gemessen als Entnahme von verwerteten abiotischen Rohstoffen aus der inländischen Umwelt zuzüglich importierter abiotischer Güter (Mio t)

Wasserentnahme

Wasserverbrauch als Entnahme von Wasser aus der Umwelt (Mio m3)

Umwelt als Senke für Rest- und Schadstoffe Treibhausgase

Belastung der Umwelt durch Emission von Treibhausgasen, hier: Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4), Distickstoffoxid = Lachgas (N2O), teilhalogenierte Fluorkohlenwasserstoffe (H-FKW), Tetrafluormethan (CF4), Hexafluorethan (C2F6), Oktafluorpropan (C3F8) und Schwefelhexafluorid (SF6) (Mio t CO2-Äquivalente) (Berechnungen in den UGR nur für CO2, CH4 und N2O)

Luftschadstoffe

Belastung der Umwelt durch die Emission von Schwefeldioxid (SO2), Stickoxiden (NOX), Ammoniak (NH3) und flüchtigen Kohlenwasserstoffen ohne Methan (NMVOC) (1 000 t)

Wasserabgabe

Belastung der Umwelt durch die Abgabe von genutztem Wasser an die Umwelt (Mio m3)

Abfall

Belastung der Umwelt durch die Ablagerung von Abfall (1 000 t)

Strukturelle Nutzung der Umwelt Fläche

Flächeninanspruchnahme als Siedlungs- und Verkehrsfläche (km2)

Nutzung ökonomischer Faktoren Arbeit

Arbeitsvolumen als geleistete Arbeitsstunden (Mrd Std.)

Kapital

Kapitalnutzung als Abschreibungen (Mrd Euro)

Quelle: Statistisches Bundesamt (2005b), S. 15-17; (2010a) S. 23-24.

das Statistische Bundesamt die Daten liefert. Die Wohlfahrtsmaße von Tobin/Nordhaus und die meisten Sozialindikatoren betrachten die Wohlfahrt eher mit dem Blick der gegenwärtigen Bevölkerung. Nachhaltigkeit erfordert aber zu bestimmen, ob wenigstens das gegenwärtige Niveau der Lebensqualität den künftigen Generationen erhalten bleibt (Stiglitz et al. 2009, S.16). Somit kommt es unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten gerade auf die Auswirkungen der eigenen Wirtschaftsaktivitäten auf spätere Generationen und auf die Wohlfahrt der Menschen in anderen Ländern an. Um die Wirksamkeit der nationalen Strategien für nachhaltige Entwicklung, ihre Erfolge und Misserfolge, messbar zu machen, werden in der deutschen Berichterstattung bestimmte Indikatoren zur nachhaltigen Entwicklung verschiedenen Einzelstatistiken und anderen Rechnungen entnommen. Für die vier Bereiche Generationengerechtigkeit, Lebensqualität, sozialer Zusammenhalt und internationale Verantwortung und detailliert für 21 Themenbereiche werden wichtige Aspekte der Nachhaltigkeit dargestellt. Aus Übersicht 14-5 ist unschwer zu erkennen, dass sich hier weitgehend die behandelten Sozialindikatoren von OECD und EU (vgl. das 15. Kapitel), ergänzt durch Daten der Umweltberichterstattung, wiederfinden. Gesamtwirtschaftliche Indikatoren wie das BIP je Einwohner oder die Erwerbstätigenquote sind für umweltbezogene Frage-

300

Dritter Teil: Die Verwendung der VGR für wirtschaftspolitische Zwecke

stellungen von besonderem Interesse, insbesondere wenn sie als monetäre ökonomische Größen in Form von Effizienzmaßen (Produktivitäten oder Intensitäten) konsistent mit physischen Umweltkennziffern verknüpft werden können. Auch die Ableitung sektoraler Indikatoren (z.B. spezifischer Energieverbrauch der Wirtschafts- oder Produktionsbereiche) ist möglich. Hier kommt wiederum den sektorspezifischen Effizienzindikatoren besondere Bedeutung zu (Schoer/Stahmer 2004, S. 37). Übersicht 14-5 Indikatoren der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie

Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen 6, 7, 8, 10, 20, 21

1, 11 16

9, 14, 15 17, 18, 19

Sozio-ökonomische Gesamtrechnungen

2, 3, 4, 5 12, 13

Umweltökonomische Gesamtrechnungen

1 Energie-, Rohstoffproduktivität 2 Treibhausgasemissionen 3 Anteil erneuerbarer Energie am Energieverbrauch 4 Anstieg der Siedlungs- und Verkehrsfläche 5 Artenvielfalt und Landschaftsqualität 6 Staatsdefizit 7 Verhältnis der Bruttoanlageinvestitionen zum BIP 8 Private und öffentliche Ausgaben für Forschung und Entwicklung 9 Bildungsabschlüsse/Studienanfängerquote 10 BIP je Einwohner 11 Güter-/Personentransportintensität und Anteil Schienenverkehr und Binnenschifffahrt 12 Stickstoffüberschuss und ökologischer Landbau 13 Schadstoffbelastung der Luft 14 Gesundheit und Ernährung 15 Wohnungseinbruchsdiebstahl 16 Erwerbstätigenquote 17 Ganztagsbetreuung für Kinder 18 Verdienstabstand zwischen Frauen und Männern 19 Ausländische Schulabsolventen mit Schulabschluss 20 Anteil öffentlicher Entwicklungsausgaben am Bruttonationaleinkommen 21 Deutsche Einfuhren aus Entwicklungsländern

Quellen: in Anlehnung an Schoer/Stahmer (2004), S. 37; Statistisches Bundesamt (2010d).

Die in das Gesamtrechnungssystem integrierten 21 Indikatoren der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie sind in Übersicht 14-5 einzeln dargestellt. Im Rahmen der UGR wird an einem Berichtsmodul „Landwirtschaft und Umwelt“ gearbeitet, das in die Nachhaltigkeitsberichterstattung einfließt, andere Indikatoren werden aus den sozio-ökonomischen Gesamtrechnungen übernommen. Im „Indikatorenbericht“ veröffentlicht das Statistische Bundesamt jeweils im Abstand von zwei Jahren die aktualisierte Fassung der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Der letzte wurde im Juli 2010 mit Datenstand Mai 2010 veröffentlicht. Ob die dazu ausgewählten Faktoren zweckmäßig sind, soll hier nicht diskutiert werden. Die Stiglitz-Kommission (2009) empfiehlt eher das BNE je Einwohner bzw. das Verfügbare Einkommen und den Konsum der privaten Haushalte als Indikatoren der Lebensqualität. Auch kann hinterfragt werden, warum gerade der Wohnungseinbruchsdiebstahl ein Indikator für Kriminalität bzw. das Sicherheitsgefühl sein soll. Und was nutzt eine unter globalen Gesichtspunkten geringere nationale Energieintensität, wenn diese aus einer Verlagerung von Industrieteilen in andere Länder resultiert und dort zu höherer Umweltbelastung führt.

14. Kapitel: Satellitensysteme zu den VGR

301

Anzumerken ist, dass der Nachhaltigkeitsbericht farbig „in vereinfachter Form einen rechnerisch ermittelten Status der Indikatoren im Zieljahr“ enthält (Statistisches Bundesamt 2010c, S. 64). Davon ausgehend wird „statistisch berechnet, welcher Wert bei unveränderter Fortsetzung dieser Entwicklung im Zieljahr erreicht würde“. Der Status reicht von Sonne („Zielwert des Indikators ist erreicht oder verbleibende Wegstrecke’ würde bis zum Zieljahr bewältigt“) bis Gewitter („Indikator entwickelt sich in die falsche Richtung, Wegstrecke zum Ziel würde sich bei unveränderter Fortsetzung der jährlichen Entwicklung weiter vergrößern“).

6. Beurteilung von Satellitensystemen Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass Satellitensysteme als ein Experimentierfeld interpretiert werden, um neue Konzepte auszuprobieren und darüber hinaus Daten zu verwenden, die statistisch nicht völlig abgesichert sind. Die für die Inlandsproduktberechnung im engeren Sinne nötige Datenqualität würde dadurch nicht beeinträchtigt werden. Inwieweit die Ergebnisse dann später für Veränderungen des Kernsystems übernommen werden können, wird nicht zuletzt vom Erfolg der statistischen Arbeit und der weiteren wirtschaftspolitischen Ausrichtung abhängen (Hamer/Stahmer 1992). So werden Satellitensysteme etwa für die Bereiche „Haushalt“, „Tourismus“ und „Gesundheit“ entwickelt bzw. sind bereits veröffentlicht. Ein weiterer Bereich kann den Staat betreffen. Die VGR können eine umfassende und detaillierte Rechnung staatlicher Aktivität und ihrer Auswirkungen (z.B. Renten- und Pensionsverpflichtungen) nur begrenzt liefern. Dabei ist es – wie im gesamten VGR-Bereich – von besonderem Interesse, wo die Grenze zu ziehen ist zwischen dem, was die VGR tatsächlich messen und dem, was sie theoretisch messen sollten und wirtschaftspolitisch von Interesse ist. Wenn Satellitensysteme und andere Berichterstattungen auch die Bezeichnung (z.B. umweltökonomische) „Gesamtrechnung“ bekommen, ist zu fragen, ob der mit den VGR verbundene Qualitätsanspruch für andere Zwecke eingelöst werden kann. So ist es anderen sozialwissenschaftlichen Disziplinen nicht gelungen, eine systematische und anerkannte Rechnung – wie es die Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen sind – vorzulegen. Es dürfte auch nicht möglich sein, dort ein gleichermaßen geschlossenes System von Definitionen, Klassifikationen und Bewertungen zu entwickeln, das eine fundierte Schätzung zulässt. Andererseits können Satellitensysteme wie auch verschiedenste Indikatoren dazu beitragen, die öffentliche Diskussion verschiedener Fragen empirisch zu fundieren. Das Problem der Verdichtung verschiedener Indikatoren in einer Größe wird im 15. Kapitel unter „zusammengefasste Indikatoren“ behandelt. Einige Bedenken insbesondere gegen die Umweltökonomischen Gesamtrechnungen haben sich zwischenzeitlich insoweit verringert, wie die ursprüngliche Vorstellung gerade im Rahmen des SEEA auch Nutzen-Kosten-Analysen und KostenWirksamkeits-Analysen im Bereich des Umweltschutzes in das Berichtssystem einzubeziehen, aufgegeben wurde. Zu fragen ist nämlich, ob solche Art von Modellrechnungen, die beispielsweise von Wirtschaftsforschungsinstituten erwartet werden, Aufgabe amtlicher Statistik sein soll. Die Grenzen sind immer fließend, wenn auch ein ergänzender Analyseteil erstellt wird – wie sich bei der Input-Output-Analyse oder bei

302

Dritter Teil: Die Verwendung der VGR für wirtschaftspolitische Zwecke

der sozio-ökonomischen Berichterstattung zeigt. Die Grenzen sind aber auch insofern fließend, als ohnehin schon für die Erstellung der bisherigen VGR eine Vielzahl von Modellen erforderlich ist, die kaum jemand überschaut. Ferner sind bereits jetzt Bewertungen1 erforderlich, die auch umstritten sind.

Literatur zum 14. Kapitel Einen Überblick über verschiedene Satellitensysteme zu den VGR geben Reich/Stahmer u.a. (1988), siehe ferner Hamer (1986), Nordhaus (2006) und Abraham/Mackie (2006). Einen historischen Überblick gibt Stahmer (2009). Grundsätzlich und kritisch ist die Behandlung durch Lippe (2002b). Die methodischen Grundlagen des Haushaltssatellitensystems und die Ergebnisse der Berechnung der Haushaltsproduktion 1992 und 2001 erläutern Statistisches Bundesamt (2003b) und Schäfer (2004) mit vielen Literaturverweisen. Zu einem Tourismus-Satellitensystem siehe Franz (2002). Die bisher geleisteten Arbeiten an Umweltsatellitensystemen zu den VGR stellen Stahmer (1988, 1992, 2009) und Hamer/Stahmer (1992) dar. Die im Zuge der Revision des SNA erfolgende Weiterentwicklung der Umweltberichterstattung erläutert das Handbuch der United Nations (2003); kritisch hierzu siehe Holub et al. (1999). Das SNA 1994 (Kapitel XXI, Abschnitt D) enthält einen eigenen Abschnitt zur Umweltberichterstattung. Erläuterungen und Anwendung der Umweltökonomischen Gesamtrechnungen liefert das Statistische Bundesamt (2005b); zur jüngeren Entwicklung siehe auch Schoer (1999) und Schoer et al. (1999, 2001). Ab 2003 werden jährlich aktualisierte Berichte „Umweltnutzung und Wirtschaft“ vorgelegt. Die Veröffentlichungen sind zu finden auf der Webseite des Statistischen Bundesamtes. Die Nachhaltigkeitsberichterstattung stellen Schoer/Stahmer (2004) und Seibel (2005) dar, die jeweils aktuelle Fassung ergänzt das Statistische Bundesamt (2010c) durch Daten zum „Indikatorenbericht“ mit Zeitreihen der Indikatorenwerte und weiteren Hintergrunddaten. Zur Nachhaltigkeit nehmen auch Stiglitz et. al. (2009) und CAE/SVR (2010) ausführlich Stellung. Konzeptionelle Überlegungen zu einem sozio-ökonomischen Berichtssystem enthalten Stahmer (2003) und Hartard/Stahmer (2002). Zur Sozialrechnungsmatrix siehe Klose/Opitz/Schwarz (2004) und Statistisches Bundesamt (2005c).

Aufgaben zum 14. Kapitel 1. Was spricht gegen eine Modifizierung der VGR und insbesondere des BIP beispielsweise unter ökologischen Aspekten? 2. Warum ist die Berechnung des BIP unverzichtbar? 3. Wie lassen sich Satellitensysteme gegenüber den Sozialen Indikatoren abgrenzen? 4. Die Haushaltsproduktion kann prinzipiell nach der Input- oder der OutputMethode berechnet werden. Erläutern Sie dies. 1

„Prevention and restauration costs and especially contingent valuations based on surveys are exclusively theoretical constructions. They are only valid against the background of a special and rather arbitrary model world” (Holub et al. 1999, S. 333).

14. Kapitel: Satellitensysteme zu den VGR

303

5. Für welche der beiden unter 4. genannten Methoden sind Zeitbudgetstudien unverzichtbar? 6. Welche Aufgaben haben die UGR, welche Beziehungen besteht zu den VGR? 7. Was ist Gegenstand der Sozio-ökonomischen Gesamtrechnungen (SGR)? 8. Inwiefern tragen VGR, UGR und SGR zu einer Nachhaltigkeitsberichterstattung bei?

15. Kapitel Der internationale Vergleich gesamtwirtschaftlicher Größen 1. Die Bedeutung internationaler Vergleiche Für verschiedene Zwecke werden Vergleiche zwischen zwei oder mehreren Volkswirtschaften oder Wirtschaftsräumen oder den Volkswirtschaften in einer Gemeinschaft (beispielsweise EU) angestellt: etwa um Aussagen über Stand bzw. Veränderung von Produktion, Lebensstandard, Wirtschaftsstruktur, Produktivität oder Verteilung zu machen. Die nationalen Produktions- und Einkommensdaten bilden die Grundlage für wirtschaftspolitische Vorschläge der OECD, für Empfehlungen und Entscheidungen in der EU, für die Beitragszahlungen an internationale Organisationen wie die Vereinten Nationen oder für die Bemessung der Entwicklungshilfe. Das Bruttonationaleinkommen ist Grundlage für die Berechnung der vierten Eigenmittelquelle der EU. Auch zwingt die Verflechtung der einzelnen Volkswirtschaften, deren Spielraum für nationale Wirtschaftspolitik enger wird, stärker zur Beachtung außer- und übernationaler Entwicklungen. Teile der Wirtschaftspolitik sind der nationalen Verantwortung entzogen und supranationalen Institutionen übertragen. Für den Nutzer internationaler VGR-Daten – seien es die Bundesregierung und andere nationale Entscheidungsträger, die EU, die EZB, die Wissenschaft, die Medien oder die Bürger – ist die Konsistenz in Veröffentlichungszeiten und Formaten und die Konsistenz der international verwandten Methoden wichtig. Um diese Bedingungen zu erfüllen, wurden verschiedene internationale Rahmen entwickelt, denen Eurostat bzw. die EZB sowie in Deutschland das Statistische Bundesamt und die Deutsche Bundesbank Rechnung tragen. Bemerkenswerterweise zeigen sich gerade die USA, die wesentliche Impulse zur Weiterentwicklung der VGR ausüben, häufig sehr eigenwillig bei der Umsetzung der internationalen Systeme, was einen Vergleich etwa mit dem Euroraum erschwert. So sind die Finanzierungsrechnung und die nationalen Produktions- und Einkommenskonten nicht vollständig integriert, die Einzelunternehmen und Personengesellschaften als Teil des Unternehmenssektors der nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften dargestellt, und der Sektor der finanziellen Kapitalgesellschaften wird nicht aufgeschlüsselt. Auch werden bestimmte Arten von Verteidigungsausgaben abweichend behandelt.1

2. Konventionen internationaler Organisationen Internationale Vergleiche werden vor allem von internationalen Organisationen vorangetrieben. Sie finden ihren Niederschlag in deren Veröffentlichungen und in nationalen Publikationen. Solche Vergleiche lassen sich umso leichter durchführen, je mehr die Rechnungsmethoden der zu vergleichenden Länder übereinstimmen. Insofern sind

1

Vgl. EZB, Monatsbericht April 2009, S. 78-80. Zum Problem des Vergleichs mit den USA siehe auch das 16. Kapitel.

15. Kapitel: Der internationale Vergleich gesamtwirtschaftlicher Größen

305

auch die von OECD, UN, IWF und EU vorgeschlagenen Normdefinitionen zu einer internationalen Vereinheitlichung der Definition, Erfassung und Bewertung makroökonomischer Größen wichtig. Sie tragen zu einer besseren Vergleichbarkeit insbesondere der Statistiken über die Entstehung, Verteilung und Verwendung des Inlandsprodukts bei. Da die Anpassung an neue Definitionen in der Regel mehrere Jahre in Anspruch nimmt1, ist allerdings die Begeisterung für grundlegende Revisionen der nationalen Statistiken aufgrund veränderter internationaler Empfehlungen selten groß. Die Vorbereitungen von Revisionen der internationalen Systeme wie SNA und ESVG erfordern aber auch mehrere Jahre, bis schließlich die neuen Konventionen von den Beteiligten (mehrheitlich) gebilligt werden. Bei der Entwicklung der Rahmenschemata, die – wie das SNA – weltweit umgesetzt werden sollen, muss u.a. auch den unterschiedlichen Entwicklungsstufen der beteiligten Länder und den jeweiligen statistischen Realisierungsmöglichkeiten Rechnung getragen werden. Die gültige Fassung des SNA 1993 ist das Ergebnis einer von 1986 bis 1993 vorgenommenen grundlegenden Überarbeitung der vorhergehenden Auflage. Auch das SNA 1993 wurde über mehrere Jahre überprüft, damit der Text bei – zunächst – im Wesentlichen unveränderter Grundkonzeption neuen Gegebenheiten im Wirtschaftsgeschehen und geänderten Anforderungen an den Ergebnisausweis Rechnung tragen kann. Eine Vereinfachung wurde damals und mit dem gerade fertig gestellten 2008 SNA nicht erreicht2. Das ESVG wird jeweils im Lichte des neuen SNA revidiert mit dem Ziel, die beiden Systeme möglichst vollständig konsistent zu halten. Selbst wenn das gelingt, muss das ESVG neu geschrieben werden, da die Art der Darstellung und Präsentation in SNA und ESVG unterschiedlichen Philosophien folgt. Schließlich wird das neue ESVG nach einer Verordnung des Rates allen Mitgliedstaaten der EU für ihr „Lieferprogramm“ verbindlich vorgeschrieben. Diese müssen dann die entsprechenden Definitionen einhalten und die Daten zu den im Lieferprogramm festgelegten Terminen, Gliederungen, Methoden und sonstigen verbindlichen Regeln mitteilen. Der langen Vorbereitung der Revision von SNA und ESVG folgt eine mehrjährige Phase der Umsetzung der internationalen Empfehlungen bzw. Vorgaben für die VGR. Sie ist in der EU zu präzisen einheitlichen Zeitpunkten durchzuführen. Die dabei auftretenden Schwierigkeiten sind insbesondere darauf zurückzuführen, dass die der Erstellung der VGR dienenden Basisstatistiken in der Regel nationale Besonderheiten aufweisen. Bei der Erstellung nationaler Reihen wirkt sich aus, dass zurückliegende Daten oft nur unzureichend vorliegen. Für den Anwender volkswirtschaftlicher Daten im internationalen Vergleich ist es wichtig zu wissen, inwieweit die Basisdaten unterschiedliche nationale Teilsysteme und Institutionen (z.B. im Gesundheits- und Bildungswesen) widerspiegeln.

1 2

Den Weg der Reform zum SNA 1993 beschreiben Harrison (1994) und Vanoli (2005). „In fact, one of the stated purposes of the revision was to simplify the SNA. Simplification by reducing the comprehensiveness of the SNA was, however, quickly ruled out; no part of the then existing SNA was considered expandable. With respect to complexity, some amount of detail and specifity is not only inevitable but desirable if the accounts and tables are to be useful as guides to national statistical offices“ (Carson 1996, S. 63). Das neue ESVG wird von 13 auf 24 Kapitel ausgeweitet.

306

Dritter Teil: Die Verwendung der VGR für wirtschaftspolitische Zwecke

Zur besseren Vergleichbarkeit der Daten haben ferner vor allem das schon erwähnte Handbuch des Internationalen Währungsfonds zur Zahlungsbilanz und die Definitionen von Erwerbstätigen und Erwerbslosen durch die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) und mehrere Klassifikationen beigetragen. Als Klassifikationen werden verschiedene Gliederungen oder die Systematisierung von Zusammenhängen und Statistiken bezeichnet. Sie ermöglichen es, erhobene Informationen auf eindeutige und international vergleichbare Art zu verdichten. So können wirtschaftliche Aktivitäten national erhoben und mit nationalen Begriffen beschrieben werden, aber mit geringem Informationsverlust in die entsprechenden internationalen Klassifikationen überführt werden. Dieser Effekt tritt um so mehr auf, je stärker die Umsetzung durch die jeweils untere Ebene erfolgt. Technisch am einfachsten kann natürlich bei identischer Struktur der Klassifikation umcodiert werden1. Besonders wichtig sind die Wirtschaftszweigund Güterklassifikationen: (1) Die „International Standard Industrial Classification“ (ISIC) der Vereinten Nationen bzw. die „Statistische Systematik der Wirtschaftszweige in der Europäischen Gemeinschaft“ (NACE). (2) Die „Central Product Classification“ (CPC) der UN bzw. die „Statistische Güterklassifikation in Verbindung mit den Wirtschaftszweigen in der Europäischen Gemeinschaft“ (CPA). (3) Für den Bereich des Außenhandels gibt es Änderungen im „Harmonisierten System zur Bezeichnung und Codierung der Waren“ (HS) bzw. in der „Kombinierten Nomenklatur“ (KN) sowie der „Standard International Trade Classification“ (SITC). Übersicht 15-1 Internationales System von Wirtschaftsklassifikationen Welt

EU

Wirtschaftszweigklassifikationen

ISIC

NACE

Produktion

CPC

CPA

Für Waren

PRODCOMListe

GP

HS

KN

WA

Güterklassifikationen

Außenhandel

Deutschland WZ

SITC

Quelle: Statistisches Bundesamt (2006d), S. 3.

Die nach diesen Vorgaben umzusetzenden nationalen Klassifikationen sind die „Klassifikation der Wirtschaftszweige“ (WZ), das „Systematische Güterverzeichnis für Produktionsstatistiken“ (GP) und das „Warenverzeichnis für die Außenhandelssta1

Vgl. Körner/Meyer (2005), S. 1142/43.

15. Kapitel: Der internationale Vergleich gesamtwirtschaftlicher Größen

307

tistik“ (WA). Sobald Revisionen international beschlossen werden, sind sie in der Regel durch entsprechende Anpassungen der nationalen Klassifikationen zu vorgeschriebenen Terminen umzusetzen. Das gilt beispielsweise für die Klassifikation der Wirtschaftszweige, die als WZ 2008 ab September 2011 in der EU angewendet werden muss. Wie Übersicht 15-2 zeigt, ergeben sich hierdurch insbesondere strukturelle Änderungen, indem beispielsweise aus der Land- und Forstwirtschaft/Fischerei und dem produzierenden Gewerbe Dienstleistungen ausgegliedert werden. Übersicht 15-2 Wesentliche strukturelle Änderungen in NACE Rev. 2 / WZ 2008 Kode

Bezeichnung des Abschnitts

A

Land- und Forstwirtschaft, Fischerei

B C

Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden Verarbeitendes Gewerbe

D

Energieversorgung

E

Wasserversorgung; Abwasser- und Abfallentsorgung und Beseitigung von Umweltverschmutzungen

F

Baugewerbe

G H

Handel; Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen Verkehr und Lagerei

I J

Gastgewerbe Information und Kommunikation

K

Erbringung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen Grundstücks- und Wohnungswesen

L

M N

O

Erbringung von freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen Erbringung von sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen

P

Öffentliche Verwaltung, Verteidigung, Sozialversicherung Erziehung und Unterricht

Q

Gesundheits- und Sozialwesen

R S T

Kunst, Unterhaltung und Erholung Erbringung von sonstigen Dienstleistungen Private Haushalte mit Hauspersonal; Herstellung von Waren und Erbringung von Dienstleistungen durch private Haushalte für den Eigenbedarf ohne ausgeprägten Schwerpunkt Exterritoriale Organisationen und Körperschaften

U 1

Wesentliche Änderungen Ausgliederung des Garten- und Landschaftsbaus (des Dienstleistungsgartenbaus) in den Abschnitt “Erbringung von sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen”. Ausgliederung des Verlagsgewerbes in den Abschnitt “Information und Kommunikation” und des Recyclings in den Abschnitt “Wasserversorgung; Abwasser- und Abfallentsorgung und Beseitigung von Umweltverschmutzungen”. Getrennte Erfassung der Reparatur, Instandhaltung und Installation von Investitionsgütern. Ausgliederung der Wasserversorgung in den Abschnitt “Wasserversorgung; Abwasser- und Abfallentsorgung und Beseitigung von Umweltverschmutzungen”. Zusammengesetzt aus den Abteilungen 41 („Wasserversorgung”), 90 („Abwasser- und Abfallbeseitigung ...“) und 37 („Recycling”) der NACE Rev. 1.1. Ausgliederung der Straßenreinigung in den Abschnitt “Erbringung sonstiger wirtschaftlicher Dienstleistungen”. Neustrukturierung: Trennung zwischen Hochbau, Tiefbau und sonstigem Baugewerbe. Einbeziehung der Bauträger. Ausgliederung der Reparatur und Instandhaltung von Gebrauchsgütern zu “Erbringung von sonstigen Dienstleistungen”. Ausgliederung der Reisebüros und Reiseveranstalter in den Abschnitt “Erbringung von sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen”. Die Fernmeldedienste werden Teil des Abschnitts “Information und Kommunikation”. NEU Zusammengesetzt aus den bisherigen Gruppen 22.1 („Verlagsgewerbe“), 64.3 („Fernmeldedienste“), 92.1 („Film- und Videofilmherstellung ...“) und 92.2 („Rundfunkveranstalter ...“) sowie Unterklasse 92.40.1 ("Korrespondenz- und Nachrichtenbüros") und Abteilung 72 („Datenverarbeitung und Datenbanken“).

NEU Entspricht weitgehend der Abteilung 70 („Grundstücks- und Wohnungswesen“) der NACE Rev. 1.1. Ausgliederung von Bauträgern in den Bereich “Baugewerbe”. NEU Entspricht zusammen im Wesentlichen den Abteilungen 73 („Forschung und Entwicklung“) und 74 („Erbringung von wirtschaftlichen Dienstleistungen, anderweitig nicht genannt“) der NACE Rev. 1.1. Einbeziehung des Leasings von nichtfinanziellen immateriellen Vermögensgegenständen (ohne Copyrights).

Ausgliederung der Verwaltung von staatlichen Liegenschaften in den Abschnitt “Grundstücks- und Wohnungswesen”. Abgrenzung wird weiter gefasst (Einbeziehung von Unterricht im Bereich Freizeitgestaltung und von unterstützenden Dienstleistungen). Ausgliederung des Veterinärwesens in den Abschnitt “Erbringung von freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen”

Angegeben sind nur umfangreiche, i.d.R. bereichsübergreifende Veränderungen.

Quelle: Statistisches Bundesamt (2009), S.15.

308

Dritter Teil: Die Verwendung der VGR für wirtschaftspolitische Zwecke

3. Vergleichsgrößen Auch nach Umsetzung internationaler Empfehlungen und damit bei Zugrundelegung gleicher Rechnungsmethoden bleiben große Probleme des internationalen Vergleichs. Was soll mit dem Vergleich erreicht werden? Geht es um die Produktion(skraft) und Produktivität, kommen das BIP oder BIP/Kopf in Betracht. Für den Lebensstandard (materieller Wohlstand) sind eher das Brutto- und Nettonationaleinkommen oder je Einwohner von Interesse. Unterschiede zeigt ein Vergleich von Deutschland, Frankreich, Luxemburg und Irland in Abb. 15-1 und sind insbesondere für Entwicklungsländer bedeutsam. Abb. 15-1 Bruttonationaleinkommen in % des Bruttoinlandsprodukts 110 105 100 95 90 85 80 75 70 65 60 2000

Deutschland

Irland

Frankreich

Luxemburg

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

2009

Quelle: Eurostat (Datenbank).

Während sich Bruttonationaleinkommen und BIP in Deutschland und Frankreich nur wenig unterscheiden, liegt der Anteil des BNE am BIP in Irland und Luxemburg deutlich niedriger. Hier zeigt sich, dass ein zunehmender Teil der Vermögenseinkommen ausländischen Investoren zufließt. Dieser ist im BIP enthalten, steht aber den Einwohnern Irlands nicht zur Verfügung (siehe auch S. 312, Fußn. 1). Ferner ist zu prüfen, ob und inwieweit bei gleicher Bezeichnung, aber möglicherweise unterschiedlicher Bedeutung der herangezogenen Größen für die einzelnen Länder, Vergleiche überhaupt sinnvoll sind. Es dürfte kaum strittig sein, dass die Ergebnisse umso vorsichtiger interpretiert werden müssen, je größer die Unterschiede der zu vergleichenden Länder – insbesondere hinsichtlich ihres Entwicklungsstandes – sind.1 Damit können auch Unterschiede in der Qualität der nationalen Statistiken einhergehen. Vergleiche können sich auf absolute Größen (z.B. die Höhe des BIP oder der Investitionen), auf Veränderungsraten (z.B. Veränderungsrate des BIP) oder auf Strukturen (z.B. Investitionsquote) beziehen. Auch bei gleichem Rechnungssystem ist insbeson1

Ein extremes Beispiel ist möglicherweise Bhutan. Dort ist jeder 10. Einwohner ein Mönch.

15. Kapitel: Der internationale Vergleich gesamtwirtschaftlicher Größen

309

dere die konkrete Abgrenzung der jeweils relevanten Größen bedeutsam. So sollen zumindest im EU-Bereich gleiche Methoden verwandt werden, so dass Daten zu BIP, Investitionen, öffentlichen Finanzen u.a. vergleichbar sind. Für einen Vergleich von Anteilsgrößen und von Wachstumsraten einzelner Länder ist es nicht erforderlich, die jeweiligen Währungen in eine gemeinsame Bewertungseinheit umzurechnen. Sobald es allerdings um die durchschnittliche Produktionsstruktur mehrerer Staaten geht, werden die unterschiedlichen Währungen bedeutsam, in denen die jeweiligen nationalen Größen bewertet sind. In diesem Fall müssen die Anteile der einzelnen Staaten nämlich mit dem jeweiligen BIP (oder je nach zu vergleichender Größe mit einem anderen relevanten VGR-Aggregat) gewichtet werden. Hierzu bedarf es der Umrechnung in einen gemeinsamen Wertstandard. Insofern ist ein nicht unwesentlicher Effekt der Europäischen Währungsunion, dass Vergleiche der Mitgliedsländer erheblich vereinfacht wurden.

4. Der Vergleich absoluter Größen von Produktion und Einkommen Internationale Vergleiche des BIP stellen im Allgemeinen auf die Verwendungsseite des BIP ab. Ein Vergleich absoluter Größen – insbesondere der Volumen – ist nur dann möglich, wenn (1) die Definitionen des BIP gleich sind, (2) die Messung des BIP übereinstimmt, (3) das BIP jeweils in derselben Währungseinheit ausgedrückt ist, (4) mit dem gleichen Preisniveau gemessen wird. Damit den jeweiligen nationalen Angaben der gleiche Bewertungsmaßstab zugrunde liegt, können bei Ländern unterschiedlicher Währung tatsächliche oder fiktive Wechselkurse oder die Kaufkraftparitäten der Währungen der betreffenden Länder in Betracht kommen.

a) Die Verwendung von Wechselkursen Der Wechselkurs ist der in einer anderen Währung notierte Preis für die Einheit einer Währung. Er ist bei festen Wechselkursen eindeutig in bestimmter Höhe festgelegt. Bei flexiblen Wechselkursen ändert sich der Preis praktisch täglich, so dass für internationale Vergleiche häufig ein durchschnittlicher Wechselkurs (insbesondere) der betrachteten Periode verwendet wird. Der Vorteil der Wechselkurse liegt darin, dass mit ihnen eine unkomplizierte Umrechnung von einer Währung in eine andere Währung möglich ist. Wechselkurse haben aber den Nachteil, dass sie (1) sich kurzfristig und abrupt ändern können (z.B. infolge von Spekulationen gegen die Währung eines Landes oder wegen Zinsänderungen) und (2) nicht einfach die relativen Güterpreise der in einem Land produzierten Güter widerspiegeln, sondern in erster Linie für im Außenhandel getauschte Güter von Bedeutung sind. Wechselkurse sind daher für die Umrechnung volkswirtschaftlicher Aggregate nur bei bestimmten Fragestellungen – vor allem im Rahmen der Zahlungsbilanz – (Callen 2007) verwendbar.

310

Dritter Teil: Die Verwendung der VGR für wirtschaftspolitische Zwecke

b) Die Verwendung von Kaufkraftparitäten Weiter geht ein Verfahren, das nationale Größen mit Kaufkraftparitäten (KKP oder PPPs = purchasing power parities) umrechnet. Dadurch wird berücksichtigt, dass die Kaufkraft eines Landes von den Wechselkursen abweichen kann. Bei internationalen Vergleichen der in Landeswährung ausgedrückten Werte aus den VGR soll aber sichergestellt werden, dass die interne Kaufkraft mit der für die Umrechnungen verwendeten Kaufkraft übereinstimmt. Kaufkraftparitäten stellen das Verhältnis der Kaufkraft verschiedener Währungseinheiten bezogen auf das gleiche Volumen bestimmter Güter dar1: Die Methode entspricht der Kaufkraftmessung eines Landes im Zeitvergleich, allerdings dienen internationale Kaufkraftparitäten dem räumlichen Kaufkraftvergleich. Sie geben an, wie viel ausländische Geldeinheiten im Ausland erforderlich sind, um das gleiche Gütervolumen zu erwerben, das man im Inland für eine Geldeinheit erhält. Dabei werden durch direkte Preisvergleiche die Preisrelationen für bestimmte Güter und Gütergruppen berechnet. KKP werden also benutzt, um das Niveau der wirtschaftlichen Aktivität von Ländern ungeachtet ihres Preisniveaus in einem bestimmten Zeitraum miteinander zu vergleichen. Zur Berechnung der Kaufkraftparitäten legt man gemeinsame Produktlisten für repräsentative Güter der einzelnen Länder fest, die dann jeweils mit den Preisen der zu vergleichenden Länder gewichtet werden. KKP sind also räumliche Preisindizes, die das Verhältnis zwischen inländischem und ausländischem Preisniveau beschreiben. Ihre Verwendung soll einen Vergleich der Realwerte sowie die Aufstellung länderübergreifender Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen, etwa für die EU, ermöglichen. Als Gütervolumen dienen die auf der Verwendungsseite des Bruttoinlandsprodukts ausgewiesenen Waren und Dienstleistungen. Mit Hilfe der KKP „können die in Landeswährung ausgedrückten Werte der volkswirtschaftlichen Aggregate der verschiedenen Länder in eine gemeinsame Währung umgerechnet werden“. Länder, deren KKP „unter dem Umtauschkurs liegt, haben im Vergleich zum ‚Basisland’ ein niedrigeres Preisniveau, während für Länder, deren Kaufkraftparität den Umtauschkurs übersteigt, ein höheres Preisniveau festzustellen ist“. Da „Kaufkraftparitäten das unterschiedliche Preisniveau in den einzelnen Staaten quantifizieren, können sie auch zur Deflationierung und für einen räumlichen Volumenvergleich der Wirtschaftsleistung von Staaten herangezogen werden“ (Roemer 2000, S. 370). Zentrale Probleme bereitet die Festlegung des repräsentativen Warenkorbes. Schon im Zwei-Länder-Vergleich können die Kaufkraftparitäten unterschiedlich ausfallen, je nach dem, welchen Warenkorb man zugrunde legt. Der Laspeyres-Ansatz vergleicht die Ausgaben für den (heimischen) Warenkorb, der Paasche-Ansatz für den Warenkorb des Auslandes zugrunde legt.

1

Hier geht es um Preis- und Volumenvergleiche von Volkswirtschaften. Bei spezielleren Verwendungszwecken wie Verbrauchergeldparitäten oder Kaufkraftvergleichen für Auslandsreisen geht es in der Regel um bilaterale Vergleiche zwischen Deutschland und dem Ausland.

15. Kapitel: Der internationale Vergleich gesamtwirtschaftlicher Größen

(15-1)

KKPIA, A =

∑ pAq I Σp Iq I

311

Σp A q A < KKPII, A = > Σp I q A

Hierbei sind q die gekauften Mengen der i bzw. j verschiedenen Güter im Warenkorb des Inlands I bzw. des Auslandes A, p die Preise dieser Güter und pA/pI die Preisrelation für ein Gut zwischen ausländischer Währungseinheit und Euro. Aber auch innerhalb des Euro-Raums kann man sehr sinnvoll KKP berechnen und verwenden. An dem grundlegenden Konflikt ändert sich nichts: Verwendet man gleiche Warenkörbe, lassen sich die Marktpreise für identische oder zumindest vergleichbare Güter erheben. Dann ist aber die Repräsentativität der einzelnen Waren und Dienstleistungen in den Ländern nicht gegeben1. Dennoch kann auf die Verwendung von Kaufkraftparitäten nicht verzichtet werden. In der EU werden jährlich Vergleichsprogramme durchgeführt, in deren Mittelpunkt die Konsumausgaben der privaten Haushalte stehen. Für diese werden KKP als Mittelwerte der zwischen den verschiedenen Ländern bestehenden Preisrelationen für einen Warenkorb berechnet. Sie eignen sich nicht für Zeitreihen und bei der Analyse auf Branchenebene. KKP werden aber auch für die anderen Verwendungskategorien und für das BIP insgesamt berechnet, so dass die realen Aggregate in ihren absoluten Geldbeträgen vergleichbar sind. Die Paritäten für die Konsumausgaben des Staates werden anhand der Preisrelationen der Inputs, d.h. weitgehend der Löhne und Gehälter seiner Beschäftigten, ermittelt. Sie sind nur begrenzt aussagefähig. Exporte und Importe werden nur mit dem Wechselkurs umgerechnet. Die Berechnungen selbst führt Eurostat für die EU-Länder durch, für die übrigen OECD-Länder die OECD und weltweit das Statistische Amt der Vereinten Nationen (Mayer 2002a, S. 218/219). Zur Berechnung der Kaufkraftparität melden die Teilnehmerländer Preisdaten vergleichbarer Güter in tiefster Gliederung, die zueinander in Beziehung gesetzt und auf Plausibilität geprüft werden. Die errechneten Preisrelationen sind die Paritäten auf Produktebene. Geometrisch gemittelt erhält man Paritäten der Einzelpositionen. Dann werden VGR-gewichtete Paritäten für jede Aggregatsstufe bis hin zum BIP berechnet. Schließlich sind die Werte in nationaler Währung mit den Kaufkraftparitäten in die gemeinsame Bezugswährung der Vergleichsländer umzurechnen. Aber auch die Berechnung von KKP erlaubt nur eine grobe Annäherung an den geeigneten Vergleichsmaßstab. Teilweise schon genannte Gründe hierfür sind: • Die im BIP enthaltenen Güter können in den einzelnen Ländern völlig verschieden sein und ganz unterschiedliche Bedürfnisse befriedigen – es sei nur an klimatische oder institutionelle Faktoren (unterschiedliche Marktorientierung der Produktion verschiedener Länder, z.B. Anteil im Haushalt erbrachter Leistungen) gedacht. • Die Preisrelationen zwischen den intern und international gehandelten Gütern werden infolge von Zoll- und Handelsschranken nicht übereinstimmen. Probleme ergeben sich auch aus unterschiedlichen nationalen Preisstrukturen ähnlicher Güter. Vergleicht man etwa Konsum- und Investitionsgüter mehrerer Länder, so können diese schon 1

Dieser Konflikt besteht auch bei der Aufstellung des Harmonisierten Verbraucherpreisindex.

312

Dritter Teil: Die Verwendung der VGR für wirtschaftspolitische Zwecke

deswegen wertmäßig unterschiedliche Bedeutung haben, weil die Ausgabenstruktur voneinander abweicht. Auch können Konsum- und Investitionsgüter jeweils verschieden hoch mit Produktions- und Importabgaben belastet sein; wenn diese etwa in Deutschland eine größere Bedeutung als in Großbritannien haben, werden in Deutschland vergleichbare Größen bei Marktpreisbewertungen überhöht ausgewiesen. Für die Preisstrukturen können auch Unterschiede in der Markt- und Nichtmarktproduktion oder in der Bedeutung der Schattenwirtschaft wichtig sein. • Bei einer zunehmenden Zahl von Ländern wird der Vergleich mit den errechneten durchschnittlichen Warenkörben weniger aussagekräftig als Grundlage für die Berechnung der Kaufkraftparitäten. Je zahlreicher die in den Vergleich einbezogenen Länder sind, umso komplexer wird auch das Verfahren zur Berechnung der KKP. • Niveaugrößen sind weniger genau als Veränderungsraten. Die OECD hält es für irreführend, Länderrangfolgen anhand des BIP pro Kopf oder des BIP pro geleistete Arbeitsstunde zu erstellen, wenn die Unterschiede weniger als 5 % betragen. • Schließlich beziehen sich die KKP-Rechnungen nur auf die Ausgabenseite der VGR. Es geht um Endprodukte, nicht um die Wertschöpfung der Bereiche. Daten des Bruttoinlandsprodukts in KKP werden von internationalen Organisationen für Vergleiche der realen Wirtschaftskraft der Volkswirtschaft genutzt. Um den Einfluss unterschiedlicher Bevölkerungsgrößen auszuschalten, werden Pro-KopfZiffern berechnet, wie das Pro-Kopf-BIP1, gemessen in KKP. Die Größe lässt Rückschlüsse auf die Kaufkraft der Einwohner der jeweiligen Länder zu. Tab. 15-1 zeigt für die 27 Länder der EU (sowie Schweiz und USA) das BIP in jeweiligen Preisen, das BIP je Einwohner in jeweiligen Preisen und Wechselkursen bzw. in KKP. Der internationale Vergleich für 2009 fällt unterschiedlich aus, je nachdem, ob Kaufkraftunterschiede berücksichtigt oder die Wechselkurse verwendet werden. So liegt Luxemburg bei beiden Indikatoren an erster Stelle2. Dänemark und Finnland fallen 2009 in KKP gemessen deutlich hinter ihren Wert in Wechselkursen zurück. Die Werte für Deutschland und vor allem für die USA fallen in KKP deutlich besser aus. Die KKP gehen unter anderem in die Berechnung von räumlichen Preisniveauindizes ein. Dafür wird die Kaufkraftparität durch den Wechselkurs dividiert. Für das Beispiel Deutschland/Großbritannien gilt

(15-2)

Preisniveauindex =

Kaufkraftparität Wechselkurs

Euro Pfund Euro Pfund

100

Mit Hilfe der Preisniveauindizes kann man das Preisniveau der einzelnen Länder mit dem durchschnittlichen Preisniveau in der EU vergleichen. Ist der Preisniveauin-

1

2

Entsprechend könnten Unterschiede in den Beschäftigungsniveaus durch Bezug auf die Erwerbstätigen ausgeschaltet werden. Die Erklärung für Luxemburg ist u.a. die große Zahl von Pendlern aus den Nachbarländern. Diese tragen zur Entstehung des BIP in Luxemburg bei, zählen jedoch nicht zur Bevölkerung des Landes (Wirtschaft und Statistik 12/2004, S. 1444).

15. Kapitel: Der internationale Vergleich gesamtwirtschaftlicher Größen

313

dex größer als 100, so ist das betreffende Land teurer als der EU-Durchschnitt1. Das Verhältnis KKP auf BIP-Niveau zum Wechselkurs einer Währung in Euro beschreibt das allgemeine Preisniveau in dem jeweiligen Land gemessen am gewogenen EUDurchschnitt. Diese Relation wird auch als Kaufkraftstandard bezeichnet. Tab. 15-1 BIP in Mrd Euro, in % der EU (27) und je Einwohner zu laufenden Preisen und Wechselkursen bzw. Kaufkraftparitäten Land

Europäische Union (27 Länder) Belgien Bulgarien Tschechische R. Dänemark Deutschland Estland Irland Griechenland Spanien Frankreich Italien Zypern Lettland Litauen Luxemburg Ungarn Malta Niederlande Österreich Polen Portugal Rumänien Slowenien Slowakische R. Finnland Schweden Vereinigtes Königreich Euroraum (17 Länder) Schweiz USA

BIP in in % in in % jewei- EU (25) jewei- EU (25) ligen ligen Preisen Preisen (Mrd €) (Mrd €) 2000 2009

2000

2009

2000

2009

9 209

100,0

11 787

100,0

19 100

23 600

19 100

23 600

252 14 61 174 2 063 6 105 138 630 1 441 1 191 10 8 12 22 51 4 418 208 186 127 41 21 22 132 268

2,7 0,2 0,7 1,9 22,4 0,1 1,1 1,5 6,8 15,7 12,9 0,1 0,1 0,1 0,2 0,6 0,0 4,5 2,3 2,0 1,4 0,4 0,2 0,2 1,4 2,9

339 35 137 222 2 397 14 160 233 1 054 1 907 1 521 17 19 27 38 93 6 572 274 310 168 117 35 63 171 291

2,9 0,3 1,2 1,9 20,3 0,1 1,4 2,0 8,9 16,2 12,9 0,1 0,2 0,2 0,3 0,8 0,0 4,9 2,3 2,6 1,4 1,0 0,3 0,5 1,5 2,5

24 600 1 700 6 000 32 500 25 100 4 500 27 600 12 600 15 700 23 700 20 900 14 500 3 600 3 500 50 400 5 000 10 800 26 300 25 900 4 900 12 400 1 800 10 800 4 100 25 500 30 200

31 400 : 13 100 40 300 29 300 10 300 35 700 20 700 22 900 29 600 25 200 21 200 8 200 7 900 76 500 9 300 14 100 34 600 32 800 8 100 15 800 5 500 17 300 11 600 32 100 31 100

24 000 5 400 13 000 25 100 22 600 8 600 25 000 16 000 18 500 22 000 22 300 16 900 7 000 7 500 46 700 10 600 15 900 25 600 25 000 9 200 15 400 5 000 15 200 9 600 22 300 24 300

27 400 : 19 200 28 400 27 400 15 000 29 800 21 900 24 300 25 400 24 400 23 200 12 200 12 900 63 900 15 300 19 000 30 800 29 300 14 300 18 800 10 900 20 700 17 200 26 600 27 900

1 602

17,4

1 566

13,3

27 200

25 300

22 700

26 500

6 791

73,7

8 970

76,1

21 600

27 100

21 400

25 600

271 10 775

2,9 117,0

354 10 123

3,0 85,9

37 700 38 200

45 800 32 900

27 600 30 700

34 000 34 500

Quelle: Eurostat Database, Stand Januar 2011.

1

BIP je Einwohner in Euro in lfd. Preisen in lfd. Preisen und und Wechselkursen Kaufkraftparitäten

Vgl. Wirtschaft und Statistik 12/2004, S. 1444.

314

Dritter Teil: Die Verwendung der VGR für wirtschaftspolitische Zwecke

KKP werden als Umrechnungsfaktor zur Bestimmung vergleichbarer und relativer Preisniveaus herangezogen, die Teil der Beurteilung der Wettbewerbsfähigkeit von Volkswirtschaften sind. Ferner verwendet der IWF die Ergebnisse der Vergleiche als Basis für seine Prognosen in „World Economic Outlook“. Innerhalb der EU „orientiert sich die Förderung bestimmter Regionen (Ziel-1-Fördergebiete) durch die Strukturfonds u.a. an einem Pro-Kopf-BIP, gemessen in KKP“ (Roemer 2000, S. 371).

5. Der Vergleich von Quoten Für den Vergleich von Quoten wie bei absoluten Zahlen ist die jeweilige Abgrenzung der zu vergleichenden Größen von zentraler Bedeutung. Hierbei sollen die oben angesprochnen Klassifikationen helfen. Dennoch werden die Vergleiche immer nur eingeschränkt aussagekräftig sein. Das soll am Beispiel der Staatsausgaben gezeigt werden, wobei die Ausführungen von Kapitel 11.1c) vertieft werden. Die Staatsausgaben haben nach Höhe und Struktur eine international besonders gut vergleichbare Datenquelle (siehe hierzu Brümmerhoff 2011). Bei der Interpretation der Staatsausgaben ist zunächst festzustellen, dass diese nur eine Form staatlicher Aktivität sind. Viele Aufgaben kann der Staat auch mit weniger ausgabenwirksamen Maßnahmen durchführen, insbesondere durch Regulierungen, ohne dass diese in den VGR sichtbar werden. Ferner können die Aufgaben statt durch direkte Ausgaben auch über Steuervergünstigungen (tax expenditures), also Mindereinnahmen erreicht werden, die aber nur in Ausnahmefällen (Beispiel steuerliches Kindergeld) als Ausgaben interpretiert und so in den VGR erfasst werden. Allein für soziale Zwecke werden die Vergünstigungen auf über 2% für mehrere OECD-Länder geschätzt (vgl. auch zum Folgenden, Curristine et al.). Genaue Anpassungen der Daten hierzu – wie auch in anderen Aufgabenbereichen – sind aber nur schwer ohne allgemein akzeptierten Rahmen und ohne vergleichbare Informationen zu machen. Bei den Sozialausgaben ist auch wichtig, dass diese in den einzelnen Ländern unterschiedlich besteuert werden. Das reicht von einer Nullbesteuerung bis hin zu einer vollständigen steuerlichen Belastung. Hinzu kommt, dass die jeweilige Zusammensetzung der Steuern nach Einkommens- und Konsumbezogenheit sich auch in den Staatsausgaben niederschlägt. Schließlich können die gleichen Leistungen staatlich und privat bereitgestellt werden. Daher sagt die Ausgabenquote allein wenig über die Versorgung mit einzelnen Leistungen und insbesondere nichts über Effizienz und Effektivität. Letztere hängen u.a. davon ab, ob die Maßnahmen zielgerichtet und – bei mehreren – systematisch abgestimmt erfolgen.

6. Strukturindikatoren der EU Der internationale Vergleich beschränkt sich aber nicht auf das BIP bzw. BIP pro Einwohner in verschiedener Bewertung. Die EU hat sich zum Ziel gesetzt, den Wirtschaftsraum unter Einbeziehung von Umweltfaktoren und Nachhaltigkeit bis zum Jahr 2010 zu reformieren (sog. Lissabon-Strategie). In diesem Zusammenhang ist die in Übersicht 15-3 gezeigte (verkürzte) Liste der Strukturindikatoren für die EU aufge-

15. Kapitel: Der internationale Vergleich gesamtwirtschaftlicher Größen

315

stellt worden, die in Nationale Reformprogramme umgesetzt werden sollen; die EU nimmt in jährlichen Fortschrittsberichten hierzu Stellung. Die EU-Kommission will Indikatoren aus der Beyond-GDP-Diskussion zu Lebensqualität und Nachhaltigkeit in die Weiterentwicklung der Indikatoren der Lissabon- zur Europa 2020-Strategie einbeziehen. Übersicht 15-3 Strukturindikatoren (Verkürzte Liste) Stand: Dezember 2003 Allgemeiner wirtschaftlicher Hintergrund l

Pro-Kopf-BIP in KKS (EU15 = 100).

2

Arbeitsproduktivität je Beschäftigten (EU15 = 100). Beschäftigung 1

3

Beschäftigungsquote (Erwerbstätige im Alter von 15 bis 64 Jahren in % der Gesamtbevölkerung derselben Altersgruppe).

4

Beschäftigungsquote älterer Arbeitnehmer1 (Erwerbstätige im Alter von 55 bis 64 Jahren in % der Gesamtbevölkerung derselben Altersgruppe).

5

Höchster erreichter Bildungsgrad der Jugendlichen1 (% der Bevölkerung im Alter von 20 bis 24 Jahren mit mindestens Sekundarstufe-II-Abschluss).

6

Ausgaben für FuE (% BIP).

7

Vergleichende Preisniveaus (EU15 = 100).

8

Unternehmensinvestitionen ( % BIP).

Innovation und Forschung

Wirtschaftsreform

Sozialer Zusammenhalt 9

Armutsgefährdungsquote nach sozialen Transfers1 (Personenanteil mit verfügbarem Äquivalenzeinkommen unterhalb einer definierten Armutsgrenze nach Sozialtransfers (Armutsgrenze = 60 % des nationalen Median-Äquivalenzeinkommens nach Sozialtransfers).

10

Langzeitarbeitslosenquote1 (%).

11

Dispersion der regionalen Beschäftigungsquoten1 (Variationskoeffizient der regionalen Beschäftigungsquoten auf NUTS 2-Ebene).

12

Gesamtemissionen von Treibhausgasen (Prozentuale Veränderungen der Emissionen der sechs wichtigsten Treibhausgase).

13

Energieintensität der Wirtschaft (Bruttoinlandsverbrauch von Energie geteilt durch BIP).

14

Güterverkehrsvolumen (Index des Güterverkehrsvolumens im Verhältnis zum BIP, gemessen in Tonnenkilometern pro BIP).

Umwelt

l

Insgesamt und nach Geschlecht aufgeschlüsselt.

Quelle: Jörger (2003), S. 1089 f.

Diese Indikatoren sind aufgeteilt in fünf Felder (allgemeine Wirtschaftsstruktur bis Umwelt); sie enthalten Schlüsselgrößen, z.B. beim „allgemeinen wirtschaftspolitischen

316

Dritter Teil: Die Verwendung der VGR für wirtschaftspolitische Zwecke

Hintergrund“ sind es BIP pro Kopf in KKP1 und Arbeitsproduktivität in der verkürzten Liste und darüber hinaus Beschäftigungsquote, Inflationsrate, Wachstum der Lohnstückkosten, öffentlicher Finanzierungssaldo und öffentlicher Schuldenstand. Im Feld Innovation und Forschung werden Ergebnisse beim Bildungsgrad der Jugendlichen und Ausgaben für FuE (als Input) dargestellt. Diese unterschiedliche Ausrichtung zeigt sich auch in den anderen Feldern. Im Feld „Sozialer Zusammenhalt“ werden Daten zur Einkommensverteilung, Langzeitarbeitslosigkeit und andere typische Sozialindikatoren verwandt, wie sie auch in anderen internationalen Darstellungen, dort zur sozialen Lage, verwandt werden. Die quantitativen Indikatoren sollen Auskunft geben, welche Länder sich besonders erfolgreich oder erfolglos auf dem Weg der Union zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten Wirtschaftsraum in der Welt präsentieren. Internationale Länderrankings können den Regierungen signalisieren, welche Position ihr Land im internationalen Vergleich einnimmt und bei welchen wirtschaftspolitischen Feldern Handlungsbedarf besteht. Dabei ist die Frage, für welche Indikatoren der Rankings eine Regierung verantwortlich ist, nicht immer leicht zu beantworten. Positiv zu bewerten ist, dass Länderrankings eine Vielzahl von international vergleichbaren Kennzahlen zusammenstellen und diese teilweise selbst erheben. Die Problembereiche und Aufgaben werden sichtbar und lösen Auseinandersetzungen aus. Das Benchmarking, d.h. der Vergleich (auf nationaler wie) auf internationaler Ebene mit besonders erfolgreichen Ländern kann Ausgangspunkt einer Analyse der schlechten Performanz eines Landes sein, wobei die jeweiligen Inputs, Prozesse, Outputs oder Outcomes zu prüfen sind. „Damit die Rankings die richtigen Signale aussenden, müssen sie gewissen Anforderungen entsprechen. Sie müssen von klaren Zielkonzepten z.B. hinsichtlich der Wettbewerbsfähigkeit ausgehen, sie müssen die richtigen Determinanten der Wettbewerbsfähigkeit ermitteln, diese wiederum müssen in allen Ländern durch geeignete Indikatoren abgebildet werden“ (Ochel/Röhn 2008, S. 246). Ziel solcher Indikatoren ist letztlich die Darstellung, wie relativ erfolgreich das jeweilige Land in den einzelnen Aufgabenbereichen war, aber darüber hinaus eine Gesamtbewertung. Hierzu wird die Verwendung eines möglichst einfachen Maßes, einem zusammengefassten Indikators, vorgeschlagen, mit dem Notwendigkeit und Richtung für eine supranationale Wirtschaftspolitik belegt werden sollen. Allerdings ist die Verdichtung der verschiedenen Kennzahlen zu einem Gesamtindex problematisch. Insbesondere bei der für die Ergebnisse der Rankings entscheidenden Frage der Gewichtung der Kennzahlen sind deutliche Schwächen erkennbar. Die Aufgabe kann nicht gelingen, denn auf der Indikatorenliste werden Indikatoren zu gänzlich verschiedenen Politikfeldern zusammengestellt. Die ökonomische Wirklichkeit ist aber viel zu komplex, um in einer Kennzahl erfasst zu werden. Im Übrigen ist die Erstellung einheitlicher Erfolgsrankings ein fragwürdiges Unterfangen, wenn der Erfolg national jeweils mit eigenen, also unterschiedlichen Zielgewichten definiert wird (vgl. Heinemann et al. 2004). Zusammengefasste Indikatoren wurden daher unten genauer behandelt.

1

Allerdings hier noch relativ zum EU-15-(jetzt: 27-)Durchschnitt (bzw. EU-11 in der EWU), der auf 100 gesetzt wird.

15. Kapitel: Der internationale Vergleich gesamtwirtschaftlicher Größen

317

7. Sozialindikatoren und der Human Development Index Für den internationalen Vergleich der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung wurden verschiedene Einzelindikatoren und zusammengefasste Indikatoren entwickelt. Sie knüpfen regelmäßig an ökonomischen Größen wie dem BIP in KKP pro Kopf an und werden durch andere Indikatoren ergänzt. In ihrem Bericht „Die soziale Lage in der Europäischen Union 2004-2006“ verwendet die Europäische Kommission für verschiedene ökonomische Aspekte Indikatoren, für die die einzelnen EU-Staaten Daten an die EU liefern müssen. Einige werden identisch im Strukturbericht der EU und in internationalen Sozialberichten als Sozialindikatoren verwendet. Die Indikatoren stellen objektive Maße wie Alterung der Bevölkerung, Wanderungsbewegungen, Bildungsabschlüsse, lebenslanges Lernen, Beschäftigung, Arbeitslosigkeit, Sozialleistungen, Arbeitseinkommen von Frauen und Männern, Lebenserwartung und Gesundheitsaussichten dar, aber auch qualitative (subjektive) Daten aus Meinungsumfragen, um Wahrnehmungen und Haltungen der Menschen zu beschreiben. Damit entspricht der Bericht der EU dem der OECD (2009a). Diese verwendet zur Darstellung des Entwicklungsstandes von 30 Ländern neben der Höhe des Pro-KopfEinkommens eine Vielzahl anderer Indikatoren, die als Messgrößen für die soziale Entwicklung und für den Erfolg von Staat und Sozialsystem bei der Verbesserung der Lebensqualität herangezogen werden. Ferner werden die Aktivitäten des privaten Sektors und einer Reihe von Nichtregierungsorganisationen beispielsweise durch Indikatoren zur Entwicklung privater Altersversorgungssysteme oder zu der von den Einzelnen bzw. den Familien übernommenen Verantwortung für ältere Menschen und Kinder berücksichtigt. Die Darstellung erfolgt detailliert, sie wird ferner aus der Fülle der Indikatoren auf jeweils zwei „Schlüsselindikatoren“ in vier Kategorien reduziert. Ihnen werden Kontextindikatoren gegenübergestellt, die zur Interpretation vieler der anderen Indikatoren als bedeutsam gelten. Die Veröffentlichung zeigt in fünf Kategorien u.a.: (1) Allgemeine Kontextindikatoren (GE), darunter Pro-Kopf-Nationaleinkommen, Geburtenziffern, Migration, Eheschließungen und Scheidungen. (2) Autonomieindikatoren (SS) beziehen sich auf die wichtigsten Ziele der Wirtschaftspolitik und werden als Erfolgsmaßstäbe angesehen. Sie erfassen Beschäftigung, Arbeitslosigkeit, Kinderbetreuung, Schülerleistungen, Nicht in Beschäftigung, Bildung oder Ausbildung, Alter bei Austritt aus dem Erwerbsleben und Bildungsausgaben. (3) Indikatoren der sozialen Gerechtigkeit (EQ) sollen Einkommensungleichheit, Armut, Angemessenheit von Mindestscherungsleistungen, öffentliche Sozialausgaben und Gesamtsozialausgaben zum Ausdruck bringen. Für die Messung der Reaktion der Gesellschaft werden Indikatoren zu den öffentlichen und privaten Sozialausgaben sowie gegenwärtigen und künftigen Renten gewählt. (4) Gesundheitsindikatoren (HE) beziehen sich u.a. auf Lebenserwartung, Selbsteinschätzung des Gesundheitszustandes, Gesundheitszustand von Säuglingen, Fettleibigkeit, Gesundheitsausgaben. (5) Indikatoren für den sozialen Zusammenhalt (CO) messen u.a. subjektives Wohlbefinden, kriminalitätsbedingte Viktimisierung, Suizide und Risikoverhalten.

318

Dritter Teil: Die Verwendung der VGR für wirtschaftspolitische Zwecke

Die jeweiligen nationalen Angaben werden im Vergleich zum OECD-Durchschnitt dargestellt. In Tab. 15-2 werden beispielhaft für Deutschland aus dem Katalog einzelne Indikatoren dargestellt.1 Tab. 15-2 Auswahl aus den OECD-Sozialindikatoren GE1.1 Nettonationaleinkommen pro Kopf Pro-Kopf-NNE in jeweiligen Preisen und KKP

2006

2007

2007

OECD

26 500

51,2

58,4

EQ3.2 Armutswahrscheinlichkeit Armutsquote auf Basis einer Eink.grenze von 50 % des Medianeinkommens in % der Armutsquote Mitte 2000er-Jahre 12

Deutschland

27 584

51,3

51,3

16

Jahr

SS1.3 Beschäftigungsindikatoren nach BildungsAlter abschluss z.B. 55 – 64 J.

EQ6.1 Gesamtsozialausgaben Öffentliche Bruttound Nettosozialausgaben brutto netto1

2005 28,7

25,4

35,5

33,4

1

Öffentliche Bruttosozialabgaben – auf Transfereinkommen zu entrichtende Steuern/Sozialbeiträge – indirekte Steuern der Leistungsempfänger + Steuervergünstigungen der Empfänger

Quelle: OECD (2009a).

Auch die Vereinten Nationen veröffentlichen grundsätzlich ähnliche Sozialindikatoren wie die EU und die OECD. Sie verwenden allerdings weniger und einfachere Indikatoren, die sie in einer Größe zusammenfassen. Die Situation der Menschen insbesondere in den Entwicklungsländern hängt im Urteil der UN vom Niveau des Durchschnittseinkommens und wesentlich von der in diesen Ländern besonders ungleichen personellen Einkommensverteilung ab. Will man Aussagen über die Lebenschancen oder Lebensqualität der Menschen machen, sind neben dem Einkommen (ggf. unter Einschluss der Haushaltsproduktion) auch andere Dimensionen zu berücksichtigen. So ist vor allem der Erwerb beruflicher Kenntnisse – Fähigkeiten und Fertigkeiten, kurz: Investitionen in das Humankapital – bedeutsam. Dies zahlt sich erst später aus. Die UN beurteilen den Entwicklungsstand unter dem Aspekt der sozialen Entwicklung, in deren Verlauf die Chancen für eine individuelle Lebensgestaltung steigen. Die Operationalisierung dieser Chancen ist allerdings schwierig, was die Diskussion sozialer Indikatoren gezeigt hat. So variieren die Ansprüche der Menschen je nach Zeit und Ort. Nach Auffassung der UN müssen jedoch drei Voraussetzungen für alle Menschen geschaffen werden: Die Möglichkeit, ein langes und gesundes Leben zu führen („a long and healthy life“); der Erwerb von Schulbildung und beruflicher Qualifikation („knowledge“); die Erzielung eines Einkommens, das die elementaren Lebensbedürfnisse der Einwohner deckt („a decent standard of living“).

1

Tabellen der OECD aus der “Vogelperspektive” sollen den vergleichbaren Fortschritt einzelner Länder international und im Zeitablauf in mehreren farbigen Symbolen zeigen, je nachdem, ob sie in den drei oberen, vier mittleren oder drei unteren Dezilen angesiedelt sind. „Auf Grund des qualitativen Charakters dieser Information“ sind hierbei keine Indikatorwerte angegeben.

15. Kapitel: Der internationale Vergleich gesamtwirtschaftlicher Größen

319

Auf diese drei Kriterien stellt der jährlich erstellte Index der sozialen Entwicklung (Human-Development Index, HDI) der UN ab. Er berücksichtigt drei Dimensionen, für die eine untere und obere Grenze festgelegt werden:1 (1) Zur Operationalisierung der Gesundheit wird der Index der durchschnittlichen Lebenserwartung bei Geburt herangezogen. Der untere und der obere Wert werden mit 25 und 85 festgelegt. (2) Zugang zu Wissen wird mit dem Indikator der durchschnittlichen Schulbesuchsdauer von Erwachsenen gemessen. (3) Der Lebensstandard fließt über den Logarithmus des Pro-Kopf-Bruttonationaleinkommens – berechnet in Kaufkraftparitäten – in den HDI ein, soweit er oberhalb einer bestimmten Grenze liegt. Die so ermittelten Größen werden dann mit einer dimensionslosen spezifischen Transformationsfunktion auf einen gemeinsamen Nenner gebracht. Als untere Grenze für jedes Kriterium gilt der niedrigste Wert, der in einem bestimmten Jahr weltweit registriert wurde. Er wird mit Null angesetzt. Als obere Grenze – eins – wird ein wünschenswerter oder hinreichender Wert festgelegt. Folglich ist der Indexwert für die drei Indikatoren jeweils Landeswert – Minimalwert Teilindexwert

=

___________________________________

Maximalwert – Minimalwert Das geometrische Mittel der drei Kriterien ergibt dann den Index der sozialen Entwicklung. Mit Hilfe des HDI erstellen die UN für 169 Länder eine Wohlfahrtsrangfolge. Würde man die HDI-Werte mit den nicht in Tab. 15-4 gezeigten herkömmlichen Pro-Kopf-Einkommen vergleichen, würden bei den Industriestaaten beide Maßstäbe zu ähnlichen Ergebnissen führen, wenn sich auch die Rangfolge verschiebt. Deutschland liegt beim HDI auf Rang 10. Der Unterschied zwischen den entwickelten Ländern ist gering und erst in der 2. oder 3. Nachkomma-Stelle ablesbar. Bei den Entwicklungsländern ergeben sich teilweise große Unterschiede. Seit 2010 berechnen die UN zudem ein ergänzendes Maß mit dem Inequalityadjusted Human Development Index (IHDI). Mit ihm soll die Ungleichheit in Bildung, Gesundheit und Einkommen eingeschlossen werden. Tab. 15-3 zeigt für die ersten und letzten zehn Länder, welche Positionsunterschiede sich zum HDI ergeben. Länderrankings wie der HDI oder IHDI können den Regierungen signalisieren, welche Position ihr Land im internationalen Vergleich annimmt. Der Erfolg des bisherigen HDI besteht einerseits darin, Länder zu ermuntern ihr Ranking zu verbessern und hierzu in ihrer Politik etwa der Gesundheit und Ausbildung mehr Bedeutung beizumessen. Dies würde seinen rechnerischen Nachweis in „Human development index trends“ finden, die alle fünf Jahre seit 1977 und für das aktuelle Jahr die Entwicklung andeuten sollen. Insbesondere die ärmsten Länder können eine Verbesserung der Indexwerte als unerwünscht ansehen, wenn sie dadurch die Aufmerksamkeit und Entwicklungshilfegelder gefährdet sehen. 1

Die Grundlage der Berechnung (Indikatoren und Gewichte) wurde 2010 geändert.

320

Dritter Teil: Die Verwendung der VGR für wirtschaftspolitische Zwecke

Tab. 15-3 Die obersten und letzten zehn Länder gemäß HDI und IHDI im Jahr 2010 Wert und Rangzahl1 Rang HDI 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 … 160 161 162 163 164 165 166 167 168 169

Indexwert HDI 0,938 0,937 0,907 0,902 0,895 0,891 0,890 0,888 0,885 0,885 … 0,309 0,305 0,300 0,295 0,289 0,284 0,282 0,261 0,239 0,140

Land Norwegen Australien Neuseeland USA Irland Liechtenstein Niederlande Kanada Schweden Deutschland … Mali Burkina Faso Liberia Tschad Guinea Bissau Mosambik Burundi Niger Kongo (Dem. Rep.) Simbabwe

Indexwert IHDI 0,876 0,864 0,799 0,813 0,818 0,812 0,824 0,814 … 0,191 0,195 0,188 0,179 0,166 0,155 0,177 0,173 0,153 0,098

Rang IHDI 1 2 13 4 6 10 5 7 … 160 158 161 163 166 167 164 165 168 169

1

HDI: Human Development Index; IHDI: Inequality-adjusted Human Development Index. Beide Indices können Werte zwischen 0 und 1 annehmen.

Quelle: UNDP (Database).

Ein solcher Index ist naturgemäß heftiger Kritik ausgesetzt, die sich auf die Auswahl der im HDI bzw. IHDI berücksichtigten Größen und auf deren Gewichtung bezieht. Es sind einfache Indikatoren, die einige wichtige Aspekte der sozialen Entwicklung erfassen. Entscheidend für die Beurteilung ist die Normierung, durch die die sachliche Aggregation durch gewichtete Addition dimensionsloser Zahlen ermöglicht werden soll. „Allerdings sind die 0-1-Skalen in Wahrheit keine wirklich vergleichbaren Kardinalzahlen. Dies wird unmittelbar klar, wenn man sich z.B. fragt, ob eine Erhöhung der Teilindices Lebenserwartung, Bildung und Lebensstandard um jeweils z.B. 0,1 sich wirklich jeweils identisch auf die gesellschaftliche Wohlfahrt oder auf den Entwicklungserfolg auswirkt. Die bloße Eliminierung von Dimensionen und den ihnen entsprechenden unterschiedlichen Skalen führt aus der Wohlfahrtsperspektive in Wahrheit nicht zu einer einheitlichen kardinalen 0-1-Skala, sondern zu drei Ordinalskalen, deren gewichtete Addition eigentlich nicht zulässig ist. Diese oder ähnliche Techniken werden bei der Aufstellung von sozialen Wohlfahrtsfunktionen, aber auch bei der Entwicklung von Einzelindices z.B. der Rechtssicherheit, der Wettbewerbsfähigkeit usw. sehr häufig verwendet. ... Man tut gut daran, vor der Verwendung der präsentierten Zahlen deren Konstruktion genau zu studieren und mit der (kardinalen) Interpretation vorsichtig zu sein“ (Kleinewefers 2008, S. 251).

15. Kapitel: Der internationale Vergleich gesamtwirtschaftlicher Größen

321

Übersicht 15-4 CAE/SVR-Indikatorensystem für Wirtschaftsleistung, Lebensqualität und Nachhaltigkeit Wirtschaftsleistung A

Lebensqualität (B)

Nachhaltigkeit (C)

Bruttoinlandsprodukt pro Kopf

Gesundheit: Potenziell verlorene Lebensjahre

Nettoanlageinvestitionen des privaten Sektors in Relation zum Bruttoinlandsprodukt

Bruttoinlandsprodukt je Arbeitsstunde

Bildung: Schüler und Studenten im Alter zwischen 15 und 24 Jahren

Beschäftigungsquote der Bevölkerung im Alter von 15 bis 64 Jahren Nettonationaleinkommen pro Kopf Private und staatliche Konsumausgaben pro Kopf Harmonisiertes Verteilungsmaß für das Nettoeinkommen je Konsumeinheit, Einkommensquintilverhältnis S80/S20

Persönliche Aktivitäten: Anteil der Arbeitnehmer in Schichtarbeit Politische Einflussnahme und Kontrolle: Mitspracherecht und Verantwortlichkeit Soziale Kontakte und Beziehungen: Häufigkeit von mit anderen Personen verbrachte Zeit für Sport, Kultur und in gemeinschaftlichen Organisationen Umweltbedingungen: Belastung der städtischen Bevölkerung durch Luftverschmutzung mit Feinstaub Persönliche und wirtschaftliche Unsicherheit: NichtArmutsrisikoquote

Forschungs- und Entwicklungsausgaben in Relation zum Bruttoinlandsprodukt Konjunkturbereinigter Finanzierungssaldo in Relation zum Bruttoinlandsprodukt Fiskalische Nachhaltigkeitslücke S2 Kredit/BIP-Lücke Reale Aktienkurslücke Reale Immobilienpreislücke Niveau der Treibhausgasemissionen Treibhausgasemissionen pro Kopf Rohstoffproduktivität (BIP im Verhältnis zum direkten abiotischen Materialinput, DMI) Rohstoffverbrauch (abiotische inländischer Ressourcenverbrauch – DMC) pro Kopf Indikator zur Biodiversität: (Vogelindex, vorläufig)

Quelle: CAE/SVR (2010), S. 30.

Weil beim HDI bzw. IHDI der Logarithmus des Einkommens herangezogen wird, haben Einkommen über 10 000 US-Dollar nur geringen Einfluss auf den HDI. Andererseits verändern sich die übrigen Komponenten recht wenig, so dass in entwickelten Ländern der Index weitgehend die Wachstumsraten des BNE/Kopf wiedergibt. Die Gleichgewichtung der drei Größen ist willkürlich. Fast jede andere Gewichtung lässt sich ebenfalls begründen. Die Gewichte beeinflussen das Resultat aber in hohem Maße. Das gilt entsprechend für den IHDI, der jeden der Indikatoren mit einem Ungleichheitsfaktor umrechnet. Aus der Konstruktion ergibt sich zudem, dass der HDI ein relatives und kein absolutes Maß ist, also nur für internationale und intertemporale Vergleiche und nicht zur absoluten Beurteilung von nationalen Niveaus verwendet werden kann. Jedes umfassendere Maß (mit größerer Zahl sozialer Indikatoren) würde die

322

Dritter Teil: Die Verwendung der VGR für wirtschaftspolitische Zwecke

Einbeziehung nichtquantifizierbarer Größen erfordern, was aber nicht mehr – wie beim HDI – den Blick auf die als zentral ausgewählten Aspekte ermöglicht. Auch sind wichtige Aspekte wie die politische Freiheit oder die Umweltqualität nur schwerer in einfachen Maßen zu quantifizieren. Es ist gleichwohl eine große Leistung, vergleichbare Statistiken zu Einkommen, Lebensdauer und Ausbildung für fast alle Staaten zu haben.

8. Das Indikatorensystem von SVR und CAE Der deutsche und der französische Sachverständigenrat haben in einem Sondergutachten (CAE/SVR 2010) – Stiglitz et al. (2009) folgend – ein aus drei Säulen bestehendes Indikatorensystem vorgeschlagen: (1) Indikatoren der Wirtschaftsleistung zur Beurteilung des laufenden materiellen Wohlstands, (2) Indikatoren nicht-materieller Aspekte der Wohlfahrt zur Messung der Lebensqualität, (3) Indikatoren zur Messung der wirtschaftlichen und Umwelt-Nachhaltigkeit bezogen auf zukünftige Perioden und Generationen1. Übersicht 15-4 (auf S. 321) stellt die Indikatoren zusammen. Im ersten Bereich liegen Daten aus den VGR weitgehend vor, allerdings wären für die Messung der nicht in die VGR integrierten Berichterstattung zur Einkommensverteilung weitere Arbeiten erforderlich. Für Deutschland, Frankreich und die EU-27 Frankreich sehen die Daten für die erste Säule folgendermaßen aus (Tab. 15-4): Tab. 15-4 Indikatorenwerte zum materiellen Wohlstand Stand: 2009 Indikator

Bruttoinlandsprodukt pro Kopf Bruttoinlandsprodukt je Arbeitsstunde2 Beschäftigungsquote3 Nettonationaleinkommen pro Kopf Konsumausgaben pro Kopf4 Einkommensquintilverhältnis (S80/S20)1, 5

Einheit

Entwicklung im Zeitraum 1999 bis 20091 DeutschFrankEU-27 land reich

Deutschland

Frankreich

EU-27



29 278

29 571

23 588

+ 1,8

+ 2,7

+ 2,8

€ vH

43,2 70,9

48,3 64,2

32,8 64,6

+ 2,4 + 5,7

+ 3,3 + 3,3

+ 3,2 + 2,1



25 220

25 586

.

+ 2,0

+ 2,4

.



23 001

24 538

19 017

+ 1,9

+ 3,3

+ 3,1

4,8

4,2

5,0

+ 1,3

+0,0

+ 0,1

1

Durchschnittliche jährliche Veränderung nicht bei Erwerbstätigenquote und Einkommensquintilverhältnis. 2 Zwischen 2000 und 2008. 3 Erwerbstätige in Relation zur Bevölkerung im Alter von 15 bis 64 Jahren. 4 Private und staatliche Konsumausgaben. 5 Verhältnis zwischen dem höchsten Einkommen (oberstes Quintil) und dem niedrigsten Einkommen (unterstes Quintil). EU-27 zwischen den Jahren 2005 und 2008.

Quelle: CAE/SVR (2010), S. 18.

1

Die drei Säulen sind schon in den Strukturindikatoren der EU erkennbar.

15. Kapitel: Der internationale Vergleich gesamtwirtschaftlicher Größen

323

9. Zusammengefasste Indikatoren Komplizierte und komplexe Sachverhalte können häufig mit einer Vielzahl und Vielfalt an möglichen Indikatoren beschrieben werden. Richtig gewählte Indikatoren legen auch den konkreten Handlungsbedarf offen. Die Bereitstellung vieler Informationen erschwert den politischen Entscheidungsprozess, weil sie keine spezifischen Aussagen über das ganze System und keine Gesamtbeurteilung abgeben. In den letzten Jahren wurden mehrere zusammengefasste Indikatoren (Composite Indicators, CIs) entwickelt. Ein CI stellt eine mathematische Kombination oder einfache Aggregation dar, mit der die Vielfalt verschiedener statistischer Informationen in einer einzigen Zahl für ein Land oder für mehrere zu vergleichende Länder zum Ausdruck gebracht wird. Er verdichtet also meist komplexe, über einzelne Indikatoren beschriebene Zusammenhänge auf einfache Positionsangaben und präsentiert so das Ergebnis in einer einfachen und leicht verständlichen Weise. Dazu müssen verschiedene Indizes umskaliert werden, um Vergleichbarkeit und Aggregierbarkeit zu erreichen. Das ist aber das zentrale Problem. Die Indikatoren sind nicht individualistisch, d.h. sie bilden kein Aggregat individueller Indizes, sondern addieren soziale Indikatoren aus verschiedenen Bereichen. Wie diese Indikatoren zusammenhängen, ist unklar. Bereits bei den Wohlfahrtsmaßen und den Strukturindikatoren wurde gefragt, ob mit einer – aus verschiedenen multidimensionalen Indikatoren in einem besonderen Aggregationsprozess gewonnenen – Zahl valide Informationen möglich sind, denn der Umstand reicht nicht, dass ein CI die Informationen quantitativ und einfach liefert, um einen Sachverhalt zu verstehen. Zur Bildung eines CI muss zunächst das jeweilige Ziel – wie soziale Zufriedenheit, Glück, Nachhaltigkeit neben Gesundheit und Produktion – definiert werden. Die Qualität des CI hängt dann von der geeigneten Auswahl der Einzelindikatoren ab. Sie ist dann überzeugend, wenn ein theoretisch und empirisch belegter Zusammenhang zwischen den Einzelindikatoren und der Zielgröße besteht und die Messbarkeit der Indikatoren gegeben ist. Außerdem hängt die Qualität der zusammengefassten Indikatoren von der Datenqualität der Einzelindikatoren ab, die sich neben ihrer Relevanz in Genauigkeit, Aktualität, Verfügbarkeit, Vergleichbarkeit und Kohärenz zeigt. Die Berechnungs- und Standardisierungsvorschriften werden regelmäßig vom Kreis der einbezogenen Länder (dem Durchschnitt oder den jeweils „Besten“ oder „Schlechtesten“), von der Zahl der Variablen und vom Berichtszeitraum bestimmt. Typischerweise liegen zur Bildung eines CI mehrere unterschiedlich dimensionierte Indikatoren vor, die in einem einfachen Maß zusammengeführt werden sollen. Das ist bei Marktaktivitäten einfacher, die zu einer Gesamt(wert)größe aggregiert werden können1. Wenn die Teilindikatoren des CI keine gemeinsame und bedeutungsvolle Maßeinheit haben, die für die Gewichtung herangezogen werden kann, müssen die Variablen standardisiert und normiert werden. Die Gewichte reflektieren die relative Bedeutung der Indikatoren im Gesamtindex.2 Dessen Aussage wird fraglich, wenn der erforderliche Umrechnungsprozess auf eine Dimension nicht auf plausiblen Annahmen 1

2

Schon die Aggregation von Markttransaktionen und Nichtmarkttransaktionen (z.B. der Staatsverbrauch) zum BIP ist problematisch. Dies wird in Tab. 15-4 anhand des Human Development Index gezeigt.

324

Dritter Teil: Die Verwendung der VGR für wirtschaftspolitische Zwecke

beruht. Tatsächlich werden notwendig Konventionen verwandt, die Entwickler der CIs liefern aber selten einen theoretischen Rahmen für eine Dimension ihrer Gewichte (Fleurbaey 2009, S. 1000). Für die Verwendung von Gewichten bedarf es der Kenntnis der strukturellen Beziehungen zwischen den Indikatoren. Da die Gewichte nicht auf theoretischer Grundlage ermittelt werden, wird von den Entwicklern vielfach die (Un-)Abhängigkeit der Komponenten und Indikatoren angenommen. Ihre Gleichrichtung kann dieselbe relative Bedeutung der einzelnen Komponenten implizieren, und alle Indikatoren werden dann als Substitute angesehen. Dieses ist aber, wie jedes andere Verfahren zur Gewichtung der einzelnen Komponenten, willkürlich. Bei unterschiedlicher Entwicklung der Dimensionen können die Trends in Wohlfahrt bzw. Lebensqualität je nach Gewichtungsverfahren jeweils anders ausfallen. Andererseits werden gerade diese Mängel von CIs als Vorteil gegenüber der rein monetären Aggregation dargestellt, die für ökonomische Indizes üblich ist. Sie sei eben nicht mit einer Form von Marktbewertung und ihren Mängeln verbunden. Was die Stiglitz-Kommission (2009, S. 239) im Hinblick auf die Nachhaltigkeitsmessung feststellt, gilt allgemein: „But monetary or not, an aggregation procedere always means putting relative values on the items that are introduced in the index. In the case of composite sustainability indexes, we have no notion of what argues in favor of putting such or such relative values on all the different variables that matter for sustainability. The problem is not that these weighting procedures are hidden, non-transparent or not replicable: they are often very explicitly by the authors of the indexes – and this is one of the merits of this literature. The problem is rather that their normative implications are seldom made explicit or justified”. Die steigende Produktion solcher Indikatoren (wie der behandelte Human Development Index) kann ein Anzeichen für ihre politischen Bedeutung sein. Weil sie komplexe Zusammenhänge vereinfachen, scheint so eine Überwachung der Politik besser möglich. Soweit CIs als Schlagzeilen interpretiert werden, können sie eine wichtige Funktion haben: Sie setzen Signale, die eine Debatte über Erfolgsfaktoren, Problembereiche und Reformen auslösen. Die Debatte kann aber auch auf der Ebene der Signale stehen bleiben oder möglicherweise bestimmte Handlungen begünstigen, die politische Optionen beschränken und die Verantwortung verwischen. Die Aussagen von Indikatoren müssen dann unter Umständen relativiert werden, was die Verfolgung eigenständiger Ziele erschwert. Die CI beruhen auf dem Urteil von Experten, die im Übrigen in einer privilegierten Position sind. Letztlich sind CIs zwar ausgeklügelte Indikatoren, aber „Measurement without theory“, die auf Modellen und Annahmen beruht und allen möglichen Manipulationen ausgesetzt sind. Was lässt sich dann aus einem bestimmten Wert oder Rang bei einem CI schließen? Paradoxerweise wenig, denn das Problem ist gerade, dass CIs einfach sind. Selbst wenn es theoretisch möglich wäre, einen solchen Index zu bilden, würde er angesichts vieler unterschiedlicher Indikatorbereiche für konkrete Politik sinnlos sein. Vielmehr kann ein CI eher einen Anstoß für die eigentliche Analyse geben.1 Er muss daher in die 1

Globally, all these composite indicators should probably be better regarded as invitations to look more closely at the various components that lie behind them. This kind of function of composite indicators has been often put forward as one of their main raisons d’etre ... Once we have the

15. Kapitel: Der internationale Vergleich gesamtwirtschaftlicher Größen

325

Einzelindikatoren zerlegt und deren Gewichtung erläutert werden, damit der Beitrag jedes einzelnen Indikators zum CI verständlich wird. Nur an diesen konkreteren Indikatoren kann die Politik ansetzen.1 Daher besteht eigentlich keine Wahl zwischen einem Index bzw. mehreren Einzelindikatoren. Der Einzelindex ist leicht zu überschauen. Man benötigt aber Informationen im Detail, die einzeln aussagekräftiger sind, selbst wenn sie insgesamt kein klares Bild darüber zulassen, wie die Performance der Länder oder Regionen absolut oder relativ ist. So kann es sich für einzelne Länder zeigen, dass die Einzelindikatoren sich durchaus nicht in eine Richtung entwickeln. Sie können substitutive Variablen sein, aber auch komplementär bzw. die Voraussetzung für eine positive Entwicklung anderer Variablen. Beispielsweise kann die Lebensqualität (Umwelt, Gesundheit, Sicherheit usw.) ein grundlegender Faktor sein, der auch in andere CIs – z.B. die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes - einfließt. Die strukturelle Beziehung zwischen den Variablen bleibt aber bei der Bildung von CIs meist im Dunkeln. Bei einer Erklärung der relativen Position im internationalen Vergleich wie bei intertemporalen Änderungen ist letztlich eine autonome detaillierte Analyse der einzelnen Länder unverzichtbar.

Literatur zum 15. Kapitel Das System of National Accounts (SNA) wird von den United Nations et al. (1993) beschrieben. Zu den Veränderungen im revidierten System, das von den Vereinten Nationen et al. vorgelegt wurde, siehe Lützel (1993). Das gegenwärtig gültige ESVG 1995 wird dargestellt von Eurostat (1996) die langfristige Entwicklung von Speich (2009) und Lequiller/Blades (2006, S. 398 ff.). Weitere Informationen zu weltweiten Rechnungen gibt die Webseite von UNSD. Grundlegende Ausführungen zum internationalen Vergleich bieten Kendrick (1972, Kapitel 11), Kravis et al. (1978) und Marris (1979). Zur Berechnung von Kaufkraftparitäten nach internationalen Empfehlungen siehe Mayer (2002a) und die dort angegebene Literatur sowie Roemer (2002). Die European Commission/OECD (2006) haben ein Handbuch zum internationalen Kaufkraftvergleich vorgelegt. Zur Verwendung von Kaufkraftparitäten siehe Callen (2007) und Deutsche Bundesbank (2004). Zu den Möglichkeiten und Grenzen regionaler Kaufkraftvergleiche siehe Lippe/Breuer (2008). Die Strukturindikatoren sind bei Eurostat zu finden. Sie werden auch von Jörger (2003) dargestellt und von Heinemann et al. (2004) analysiert. Matthes (2005) thematisiert die Position Deutschlands in Rankings zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit; siehe hierzu auch Lippe/Kladroba (2004). Die Indikatoren zur sozialen Lage in der EU stellt Eurostat für die EU bzw. die OECD für ihre Mitgliedsländer auf. Die Publikation von Eurostat (2010) „The EU in the World – A Statistical portrait“ be-

1

global view, we can return to detailed elements: a country that is badly ranked can look at the variables that are predominantly responsible for its situation and try to improve its score along these variables. Such an incentive to policy change is not to be neglected at all” (Stiglitz et al. 2009, S. 238/9). Fleurbaey (2009, S. 1055) schlägt die andere Richtung vor, nämlich „to evaluate situations at the individual level before going up to social summaries“. CAE/SVR (2010) sprechen sich ebenfalls für den “bottom-up”-Ansatz aus.

326

Dritter Teil: Die Verwendung der VGR für wirtschaftspolitische Zwecke

schreibt anhand von Indikatoren die Position der EU in der Weltwirtschaft und Eurostats internationale Kooperationen mit anderen Statistikämtern. Der HDI wird im United Nations Development Programme (2010) und kurz (auch im Vergleich zur früheren Berechnung) von Xu/Hümmer (2010) erläutert und von Streeten (1994), Srinivasan (1994) und Aturupane/Glewwe/Isenman (1994) grundlegend diskutiert. Zur Beurteilung des HDI und anderer Indizes der Lebensqualität siehe auch Hagerty et al. (2001) und Fleurbaey (2009). Die Abhängigkeit der CIs vom gewählten Gewichtungsverfahren für den HDI zeigen Decancq/Decoster/Schokkaert (2006). Die OECD (2008) hat ein Handbuch zur Entwicklung von CIs vorgelegt. Zur Aufstellung zusammengefasster Indikatoren siehe auch OECD (2005b) und Stiglitz et. al. (2009), ferner CAE/SVR (2010). Eine Skizze der Geschichte von Experimenten mit einem Wohlfahrtsmaß bzw. mit Sozialindikatoren geben Diefenbacher/Zieschank (2008) und OECD (2009a). Zu einer kritischen Auseinandersetzung mit Zufriedenheitsindikatoren als Zielwerte für die Politik siehe Wagner (2009).

Aufgaben zum 15. Kapitel 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.

11. 12.

Warum sind internationale Vergleiche von Bedeutung? Wer stellt sie an? Was erleichtert internationale Vergleiche? Welche Bedeutung haben internationale Klassifikationen? Welche Vorteile bringen Struktur- gegenüber Niveauvergleichen? Warum ist die Verwendung von Wechselkursen bei internationalen Vergleichen problematisch? Wozu verwendet man bei internationalen Vergleichen Kaufkraftparitäten. Was ist darunter zu verstehen? Welche Probleme sind mit der Berechnung von Kaufkraftparitäten verbunden? Was schränkt ihre Aussagekraft ein? Worauf stellt der Human Development Index (HDI) und der Inequality-adjusted Human Development Index (IHDI) ab? Was sind die Vorteile des HDI, was beschränkt seine Aussagekraft? In Irland liegt im Gegensatz zu Deutschland das BIP deutlich über dem BNE. a) Woran liegt das? b) Gibt es etwas Vergleichbares innerhalb von Deutschland? Was beschreibt das vom deutschen und französischen Sachverständigenrat vorgelegte Indikatorensystem? Was sind die Ziele und Grenzen zusammengefasster Indikatoren (Composite Indicators)?

16. Kapitel Europäische Rechnungen 1. Das VGR-Programm und andere Statistiken Für Zwecke der Europäischen Union (EU) und für die Europäische und Währungsunion (EWU) werden mit wenigen Ausnahmen (z.B. Wertpapierdatenbank) keine eigenen, originären Rechnungen aufgestellt und Daten erhoben. Vielmehr ist die jeweilige für die Statistik zuständige europäische Institution auf die von den einzelnen Mitgliedstaaten übermittelten nationalen Daten angewiesen. Dies bedingt europäische Zusammenarbeit1. Die Ergebnisse für das Euro-Währungsgebiet bzw. für die EU werden gewonnen, indem die – soweit möglich – harmonisierten und vergleichbaren Daten für die jeweiligen Mitgliedsländer aggregiert werden. Auf mittlere Frist werden in den meisten Bereichen die europäischen Aggregate nicht mehr gleich der Summe der Ergebnisse der Mitgliedstaaten sein2. Bei der Berechnung der EU-Größen ergeben sich verschiedenste Probleme. Eines, die unterschiedlichen Währungen, entfällt für den Euro-Raum (ab 2011: EU 17), bleibt aber für den Gesamtbereich der Europäischen Union (EU 27) bestehen. Hier wird mit Euro gerechnet. Die VGR der EU-Länder fußen auf den Definitionen des ESVG 1995, das aus dem SNA 1993 abgeleitet ist. Es „enthält normalerweise viel präzisere Regeln als das SNA. Ein Grund hierfür ist ein homogenerer Grad der Wirtschaftsentwicklung in der EU. Ein anderer Grund dürfte die Verwendung von Ergebnissen der VGR für Verwaltungszwecke sein, wie die Finanzierung des EU-Haushalts oder die europäische Haushaltsüberwachung im Rahmen des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit“ (Braakmann/Grütz/Haug 2007, S. 1168). Das Lieferprogramm der nationalen Ämter an das Statistische Amt der Europäischen Gemeinschaften (Eurostat) ist als Anhang der sog. ESVG-Verordnung veröffentlicht. Dabei sind die VGR Teil wichtiger europäischer Wirtschaftsindikatoren (WEWIs)3. Bezüglich der VGR zeigt das Lieferprogramm die Gesamtheit der an Eurostat zu übermittelnden Aggregate und enthält alle wichtigen Komponenten der Entstehungs-, Verwendungs- und Einkommensrechnung auf Grundlage des ESVG 1995. Das gilt auch für die Sektorkonten und die Aufkommens- und Verwendungstabellen. Von besonderem Interesse sind auf EU-Ebene das BIP der Gemeinschaft, seine Verteilung auf die einzelnen Staaten und seine Veränderungen in jeweiligen Preisen und preisbereinigt. Für europäische Zwecke ist auch das regionale BIP wichtig, das die Grundlage für die EU-Förderung von Regionen mit Entwicklungsrückstand aus dem EU-Regionalfonds ist4. Im Aufbau ist ferner eine symmetrische Input-Output-Tabelle, die mit Umweltdaten verbunden werden kann. 1

2

3 4

Die Zuständigkeit u.a. für die monetäre Statistik, die Finanzstatistik und die vierteljährliche Finanzierungsrechnung liegt bei der EZB, Eurostat ist verantwortlich vor allem für die (allgemeinen) Wirtschaftsstatistiken, beide Institutionen tragen gemeinsam die Verantwortung für die Außenwirtschaftsstatistik (Zahlungsbilanz und Auslandsvermögensstatus) und die europäischen nichtfinanziellen Sektorkonten. Als Grund wird genannt, dass die Eliminierung der Asymmetrien BIP-Effekte hat. Ein erstes Beispiel sind die unten beschriebenen Sektorkonten. Vgl. Eurostat (2001). Einen Überblick über die WEWIs des Euro-Währungsgebiets gibt EZB (2010b).

328

Dritter Teil: Die Verwendung der VGR für wirtschaftspolitische Zwecke

Als bedeutsame Grundlage ihrer Politik sehen die europäischen Institutionen die Bereitstellung von Vierteljahresangaben. Zunächst wird eine BIP-Schnellschätzung innerhalb von 45 (erwogen: 30) Tagen nach Ende des Referenzquartals veröffentlicht, erste Daten für die BIP-Komponenten werden etwa zwei Wochen später vorgelegt. Die Schätzung des vierteljährlichen Wachstums des realen BIP und seiner Verwendungskomponenten basiert auf verschiedenen Grundstatistiken und Basisquellen, z.B. Verwaltungsdaten, Umfragen und Erhebungen bei Unternehmen und Verbrauchern. Nach Einschätzung der EZB (2009) müssen die Daten zum Gesamt-BIP allgemein weniger stark korrigiert werden als die zu den BIP-Komponenten. Auch seien die Revisionen der Angaben für den Euroraum generell nicht so umfangreich wie für die einzelnen Mitgliedstaaten. Das entspricht der herkömmlichen statistischen Regelmäßigkeit, dass sich Korrekturen auf disaggregierter Ebene der Tendenz nach auf aggregierter Ebene teilweise ausgleichen. Besondere Bedeutung hat die Finanzierungs- und Geldvermögensrechnung (FWG) der Europäischen Währungsunion. Sie unterstützt die geldpolitischen Analysen der Europäischen Zentralbank (EZB). Da sich die FWG hinsichtlich der Sektoren und Finanzinstrumente nicht grundsätzlich von der nationalen Finanzierungs- und Geldvermögensrechnung unterscheidet, sind hier nur einige Ergänzungen erforderlich. So entspricht in der Währungsunion dem Sektor Zentralbank das Eurosystem, das sich aus der EZB und den nationalen Zentralbanken der Mitgliedstaaten der EWU zusammensetzt. Der Staat schließt in der FWG auch die Institutionen der EU ein. Im kompletten Kontensystem werden ferner die Daten zu den verschiedenen nichtfinanziellen und finanziellen Aktivitäten in einer Aufgliederung in drei nichtfinanzielle und drei finanzielle Sektoren sowie die übrige Welt bereitgestellt. Die „Euroraumkonten“ beinhalten (in leicht abgeänderter Form) die Zahlungsbilanz des Euro-Währungsgebiets. Die Daten der Euroraumkonten werden nicht saisonbereinigt. Die EZB publiziert – in Kooperation mit Eurostat – seit 2007 integrierte VGR- und Finanzierungsrechnungskonten für den Euro-Raum („Euro Area Accounts“). Die kurzfristigen Finanzinstrumente der FWG haben eine enge Beziehung zu den monetären Aggregaten, die als Geldmengen M1, M2 und M3 bezeichnet werden. Allerdings sind die Definitionen der Geldmenge international nicht einheitlich und verändern sich im Lauf der Zeit. Das ESVG 1995 legt die Geldmengenaggregate nicht fest. Es empfiehlt nur die Forderungen und Verbindlichkeiten in Vermögensbilanzen und Finanzierungskonten nach ihrer Zugehörigkeit zu den Geldmengenaggregaten zu kennzeichnen und aufzuspalten.1 Für die Geldmengenaggregate in der EWU gilt: M1 ist das eng gefasste Geldmengenaggregat. Um die kurzfristigen Finanzinstrumente im nichtfinanziellen Sektor als Bestandteil von M1 zu isolieren, sind verschiedene Umrechnungen erforderlich. So besteht der Bargeldumlauf in den auf Euro lautenden und vom Eurosystem emittierten Banknoten sowie den von den Regierungen der Staaten des Euroraums ausgegebenen Euro-Münzen; allerdings umfasst er nur den Banknoten- und Münzenbestand der Nicht-MFIs und somit nicht den Kassenbestand der Monetären Finanzinstitute (MFIs) im Eurogebiet. Zum Bargeldumlauf rechnet auch der Bestand außerhalb des Eurogebiets. M2 ist das mittlere Geldmengenaggregat. 1

Vgl. ESVG 1995, Anhang 5.1.

16. Kapitel: Europäische Rechnungen

329

M3 ist das weit gefasste Geldmengenaggregat. Es wird im Vergleich zu den kurzfristigen Finanzinstrumenten ohne die von Ansässigen außerhalb des Euro-Währungsgebiets gehaltenen Bestände an Geldmarktfondsanteilen, Geldmarktpapieren und Schuldverschreibungen (von monetären Finanzinstituten ausgegeben) berechnet. Auch die langfristigen Finanzinstrumente rechnen nicht zur Geldmenge in weitester Abgrenzung. Übersicht 16-1 Geldmengenaggregate in der EWU Bargeldumlauf + täglich fällige Einlagen = M1 + Einlagen mit vereinbarter Kündigungsfrist von bis zu 3 Monaten + Einlagen mit vereinbarter Laufzeit bis zu 2 Jahren = + + +

M2 Repogeschäfte Geldmarktfondsanteile (netto) Geldmarktpapiere u. Schuldverschreibungen mit Ursprungslaufzeit bis zu 2 Jahren (netto)

= M3

Die in der FWG enthaltenen vierteljährlichen Staatskonten werden als wichtige Informationsquelle für fiskal-, geld- und konjunkturpolitische Analysen betrachtet. Mit ihnen lassen sich Transaktionen und Vermögensbilanzen des Staatssektors in der Währungsunion analysieren. Zudem werden die Daten für die Beschreibung konjunktureller Wendepunkte, saisonaler Entwicklungen und spezifischer Tendenzen der öffentlichen Finanzen herangezogen (Mink 2009, S. 421). Der Finanzlage der öffentlichen Haushalte (Staat) kommt im Euro-Währungsgebiet und in der EU ohnehin eine große Bedeutung zu. Zentrale Größen sind hierbei der Schuldenstand bzw. die Schuldenquote der öffentlichen Haushalte (debt-to-GDP ratio – general government) und die Defizitquote. Die Berechnung der Defizitquote in der VGR-Abgrenzung, die aus den Daten der Finanzstatistik ermittelt wird, macht verschiedene Rechenoperationen erforderlich (vgl. Kapitel 5.6). Eurostat hat konkrete Einzelentscheidungen gefällt, die in ein Handbuch zu den staatlichen Einnahmen und Ausgaben eingeflossen sind. So wurde geregelt, ob beispielsweise die Überweisung des Bundesbankgewinns an den Bund bei diesem als Einnahme zu verbuchen ist und damit die Höhe des staatlichen Defizits beeinflusst. Die Europäische Zentralbank erstellt auch die Zahlungsbilanz und den Auslandsvermögensstatus für die Europäische Währungsunion. Sie werden wie die deutschen Rechnungen gegliedert. Zusätzlich werden der Saldo der Leistungsbilanz und der Saldo der Vermögensübertragungen zusammengefasst und der Kapitalbilanz gegenübergestellt. Bemerkenswert ist hier wieder die Höhe der statistisch nicht aufgliederbaren Transaktionen (Restposten). Tab. 16-1 stellt einige Ergebnisse dar. Beide – Zahlungsbilanz und Finanzierungsrechnung – werden gleichermaßen von der EU und der Europäischen Zentralbank verwendet.

330

Dritter Teil: Die Verwendung der VGR für wirtschaftspolitische Zwecke

Tab. 16-1 Wichtige Posten der Zahlungsbilanz für die EWU in Mrd Euro Position 1 Leistungsbilanz (insgesamt)

2007 13,5

2008 -153,8

2009 -55,9

48,0 1518,0 1470,1

-19,1 1580,4 1599,5

40,7 1291,2 1250,5

49,6 494,9 445,3

41,4 517,6 476,2

29,9 469,8 439,9

2,9

-76,6

-38,2

-87,0 91,0 178,1

-99,5 88,5 188,0

-88,3 92,9 181,1

5,0

9,8

6,2

18,5

-144,0

-49,7

-10,7

163,2

43,0

2

Warenhandel (Saldo) Ausfuhr (fob) Einfuhr (fob)

3

Dienstleistungen (Saldo) Einnahmen Ausgaben

4

Erwerbs- und Vermögenseinkommen (Saldo)

5

Laufende Übertragungen (Saldo) Einnahmen Ausgaben

6

Vermögensübertragungen (Saldo)

7

Finanzierungssaldo gegenüber der übrigen Welt (Zeile 1+6)

8

Kapitalbilanz (insgesamt)

9

Direktinvestitionen Anlagen außerhalb des Euro-Währungsgebiets Ausländische Anlagen im Euro-Währungsgebiet

-73,7 -476,5 402,9

-198,7 -323,8 125,1

-78,9 -289,8 210,9

10

Wertpapieranlagen Anlagen außerhalb des Euro-Währungsgebiets Ausländische Anlagen im Euro-Währungsgebiet

151,5 -438,5 589,9

344,1 10,2 333,9

308,7 -68,2 376,9

11

Finanzderivate

-63,7

-62,5

42,1

12

Übriger Kapitalverkehr (Saldo) Eurosystem Staat Monetäre Finanzinstitute (ohne Eurosystem) Unternehmen und Privatpersonen

-19,6 67,6 6,8 78,4 -172,4

83,7 290,0 16,4 -130,5 -92,3

-233,3 225,9 -16,5 60,2 -51,2

13

Veränderung der Währungsreserven des Eurosystems (Zunahme: -)

-5,1

-3,4

4,5

Restposten

-7,8

-19,2

6,8

14

Quelle: Europäische Zentralbank, Monatsbericht August 2010, Tab. 7.1, 7.2.1, 7.3.

Die nationalen Verbraucherpreisindizes sind aufgrund unterschiedlicher Definitionen, Methoden und Verfahren für internationale Inflationsvergleiche nur eingeschränkt verwendbar. Deshalb wurde der gerade auch für die Messung des Konvergenz-

16. Kapitel: Europäische Rechnungen

331

kriteriums „Preisstabilität“ wichtige Harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI)1 auf vergleichbarer Grundlage entwickelt. Der HVPI ersetzt nicht die nationalen Preisindizes; er stellt vielmehr einen zusätzlichen Index für zwischenstaatliche Inflationsvergleiche in Europa dar. Erst mit einem einheitlichen Index lässt sich auch für größere Räume wie die EWU- und die EU-Länder eine durchschnittliche Inflationsrate bilden. Die vom HVPI gemessene Preisniveauentwicklung ist die zentrale Größe, an der die EZB die Risiken für die Preisstabilität einschätzt und ihre Geldpolitik ausrichtet. Der HVPI wird für das Euro-Währungsgebiet als gewichteter Durchschnitt der Preisänderungen berechnet, die in den nationalen HVPI-Warenkörben erfasst sind. Es gelten eine Reihe von Standards, die ihn aussagekräftiger als die nationalen Verbraucherpreisindizes bei Inflationsvergleichen in der EU bzw. im Euro-Währungsgebiet sein lassen. So wird ein einheitlicher Erfassungsbereich zugrunde gelegt, d.h. die in die Preismessung einzubeziehenden Konsumgüter sind einheitlich definiert. Die Berechnung des Index erfolgt auf der Grundlage der Klassifikation des individuellen Verbrauchs nach Verbrauchszwecken in einer speziellen Version. Ferner gilt eine einheitliche Form für die Berechnung der Indizes auf unterster Ebene. Neue Produkte müssen einbezogen, vom Markt ausscheidende Produkte durch neue ersetzt werden. Ferner gelten Mindeststandards zur Behandlung von Qualitätsänderungen. Die für die Berechnung des HVPI für das Euro-Gebiet herangezogenen Produkt- und Ländergewichte werden in Ein- bis Fünfjahresintervallen aktualisiert. Zur Festlegung der nationalen Produktgewichte werden die Erhebungen über die Privathaushalte sowie die im Rahmen der VGR angestellten jährlichen Schätzungen der Konsumausgaben herangezogen. Da der Erfassungsbereich des nationalen über dem Erfassungsbereich des harmonisierten Verbraucherpreisindex hinausgeht, enthält der HVPI weniger einzubeziehende Ausgabepositionen und verliert daher an Aussagekraft. Allerdings werden über 90 % der im deutschen Verbraucherpreisindex erfassten Ausgaben der privaten Haushalte im HVPI erfasst. Schwierigkeiten bei der weiteren Harmonisierung ergeben sich insbesondere bei den Gütern des Gesundheits- und Bildungswesens. Sie werden unter verschiedenen Bedingungen in den einzelnen Ländern bereitgestellt.

2. Politische Ökonomie der europäischen VGR Bereits kurz nach Verabschiedung eines revidierten SNA oder anderer international abgestimmter Klassifikationen wird schon die nächste Revision vorbereitet. Dabei werden teils Aspekte aufgenommen, die noch weiter auf ihre Umsetzbarkeit zu prüfen sind und in früheren Runden keine Mehrheit auf internationaler Ebene fanden. Bemerkenswert ist auch, dass insbesondere die USA Änderungen in der VGR-Ausrichtung betreiben, die gerade angesichts der dort ausgelösten weltweiten Krise ideologischen Einfluss oder politische Opportunität vermuten lassen. Das zeigt etwa folgende Äußerung von Jorgenson (2009, S. 1 f.): „The focus of the U.S. national accounts is shifting from economic stabilization policy toward enhancing the economy’s growth potential”.

1

Englisch: Harmonised Index of Consumer Prices (HICP).

332

Dritter Teil: Die Verwendung der VGR für wirtschaftspolitische Zwecke

Die USA revidieren teilweise einseitig ihre VGR. Die EU und andere Staaten können dann nur unvollkommen nach entsprechenden Anpassungen über UN und IWF folgen, um die Vergleichbarkeit aufrechtzuerhalten. Die Korrekturen erweisen sich aber als unvollkommen, weil die USA sich teilweise nicht an die von ihnen ausgelösten und dann international vereinbarten neuen Konzepte halten. Die Position der EU wird so problematisch: Sie läuft Gefahr, zum Teil theoretisch und hinsichtlich der Datengrundlage umstrittene Konzepte zu übernehmen. Folglich sind die Organisations(EU: Rechtsverbindlichkeit), Erstellungs- und Nutzerkosten für einen unter Umständen fragwürdigen Nutzen der Revisionen nicht immer zu rechtfertigen (Beispiel: die künftige Aktivierung militärischer Waffensysteme). Die Kosten bestehen auch darin, dass bei längerfristig weiter beschränkter Vergleichbarkeit aussagekräftige Informationen nur durch aufwendige und zusätzlich modellmäßig betriebene Umrechnungen privater Nutzer der VGR-Daten erzielt werden können. Die Aussage des Statistischen Bundesamtes (2009, S. 13) hinsichtlich der Einführung neuer Klassifikationen ist sicher plausibel: Bei einer Weiterentwicklung ist vom Status quo der international bereits harmonisierten Klassifikationen auszugehen, denen sich die EU und ihre Mitgliedstaaten durch rechtsverbindliche Regelungen in der Vergangenheit weitgehend angeschlossen haben (anders als manche andere Länder). Nicht sinnvoll ist es, die Klassifikationen von Grund auf neu zu definieren. „Es sollte sich möglichst nur um eine moderate Weiterentwicklung handeln, die zwar neue oder absehbare ökonomische Phänomene aufgreift, aber die Verbindung zu den bisher gültigen Klassifikationen erhält. Andere internationale Normierungen (z.B. Längen- oder Gewichtsmaße) werden ja auch nicht ständig und grundlegend geändert. Es sollte auf jeden Fall eine Kosten-Nutzen-Abwägung erfolgen. Die Kosten von neuen Klassifikationen sind bekanntlich erheblich und werden vermutlich oft nicht ins Kalkül einbezogen. Es geht hier um weltweite Kosten für die gesamte Statistikproduktion in allen Phasen des Produktionsprozesses, meist verbunden mit zusätzlichen Überarbeitungen (Revisionen) für bereits längst bearbeitete Zeitabschnitte, aber auch um erhebliche Kosten für die Datennutzer, die ebenfalls ihre gesamten Analysesysteme anpassen müssen.“ Zu dieser Problematik im Umgang mit Nicht-EU-Staaten kommen EU-interne Konflikte. Die bei der Erstellung der nationalen VGR (entsprechend bei anderen wichtigen Indikatoren) von den jeweiligen Statistikämtern zu befolgende Methodik ist in zahlreichen EU-Verordnungen geregelt. Der Druck auf die Mitgliedsländer von EU und EWU scheint auch groß, bestimmte vorgegebene national erstellte Daten vollständig und rechtzeitig an Eurostat zu liefern. So überprüft der Statusbericht des Economic and Financial Committee (EFC 2009) der EU, welchen Fortschritt die einzelnen Länder hinsichtlich der geforderten Information an die EWU erreicht haben. Das EFC legt besonderes Gewicht auf die einheitliche Verfügbarkeit und Qualität sog. Principal European Economic Indicators (PEEIs). Zu diesen rechnen aus dem VGR-Bereich die Quartalsdaten für das BIP und künftig für Haushalts- und Unternehmenskonten, ferner die Statistik der öffentlichen Haushalte. “The timely data collection, as well as the compilation and dissemination of highquality PEEIs, requires a close co-ordination of statistical processes between Eurostat

16. Kapitel: Europäische Rechnungen

333

and the national statistical institutes based on adequate statistical governance structures. If so co-ordinated, these processes promote the First-for-Europe Approach and have the following features: a coordinated release and revision policy responding to European timeliness requirements; a harmonised statistical methodology for the compilation of European aggregates and related national results; sufficiently harmonised seasonal and working-day adjustments, a coordinated dissemination policy which highlights the relationship between the European aggregates, national contributions to European aggregates and national results; and a reliability analysis for European aggregates and their national contributions” (EFC 2006, S. 13). Diese Ziele wurden laut EFC (2009, S. 4) erreicht bzw. Fortschritte erzielt. In einzelnen Staaten stimmt wohl die Realität bei der Umsetzung mit den in dem Zitat ausgedrückten Vorgaben überein. Das gilt aber nicht für alle EU-Staaten und daher auch nicht für die EU als Ganzes. Es ist weniger gravierend, wenn die von den einzelnen Mitgliedstaaten bereitgestellten Lieferprogramme auf unzureichender Datengrundlage, gelegentlich auch methodischen Fehlern und begrenzten Ressourcen für ihre Erhebung beruhen. Völlig anders und schlimmer ist es, wenn die nationalen Daten auf politischen Druck wissentlich verzerrt und verspätet bereitgestellt werden und das offenbar auf allen EU-Ebenen bekannt ist. So hat die Behandlung Griechenlands die Qualität und Zuverlässigkeit der VGR hinsichtlich dieses Landes und damit der EUStatistik insgesamt in Frage gestellt. Daher genügt auch nicht ein Hinweis auf die dezentrale Zuständigkeit (Subsidiarität) der einzelnen nationalen Datenproduzenten und das Vertrauen (good faith) in die Eigenverantwortung. Offensichtlich ist erhebliche Skepsis angebracht, wenn die Datenproduzenten politisiert und keine unabhängigen Institutionen sind und keiner externen Kontrolle unterliegen.1 Das ist auf nationaler Ebene schädlich, denn eine funktionierende Demokratie braucht verlässliche, objektive und zeitnahe Daten über Produktion, Preisniveauentwicklung und öffentliche Finanzen, ebenso z.B. Investoren und Rating-Agenturen (wenn sie denn ihrem vielleicht in der Öffentlichkeit falsch verstandenen Anspruch gerecht werden sollen). Es ist auf europäischer Ebene ebenso schädlich, wenn der Auftraggeber (insbesondere Kommission und Ministerrat) nicht in der Lage und/oder willens ist, für die Einhaltung und Umsetzung der vorgegebenen Regeln zu sorgen. Die Problematik griechischer Daten war den verantwortlichen Institutionen vor und nach Eintritt Griechenlands in die EWU bekannt.2 Spätestens 2004 äußerte sich auch Eurostat öffentlich besorgt über fehlende, fehlerhafte und zu spät gelieferte Daten insbesondere mit Bezug auf den öffentlichen Haushalt Griechenlands. Der Bericht von Eurostat (2010) gibt Zeugnis davon. Handelt es sich um neue Luftblasen, wenn die EU-Mitgliedstaaten über das gewohnte Lieferprogramm hinaus immer neue Statistiken infolge der Lissabon-Verträge usw. vorlegen müssen? Welche Bedeutung haben sie nach dem Griechenland-Debakel gefälschter Zahlen, wenn schon die Kerndaten vor und nach Griechenlands Beitritt zur EU und zur Währungsunion von Eurostat, EU-Kommission nicht angemessen kontrol1

2

Das Problem ist nicht neu. So galten bis zur Schaffung eines unabhängigen nationalen britischen Statistikamtes die von einzelnen Behörden erstellten Statistiken als wenig glaubwürdig. Beitritts- und danach zu erfüllende Kriterien sind gesunde öffentliche Finanzen (gemessen an Defizit- und Schuldenquote) und ein stabiles Preisniveau.

334

Dritter Teil: Die Verwendung der VGR für wirtschaftspolitische Zwecke

liert wurden, werden sollten oder konnten und die anderen Mitgliedstaaten offenbar kein Interesse an der Kenntnisnahme der Manipulationen hatten? Revisionen bedeuten Anpassung bei den Datenerstellern und -verwendern. Sie lösen ähnliche Begeisterung wie Steueränderungen aus. Bei den Steuern wird gelegentlich auf die Canard’sche Regel verwiesen, wonach alte Steuern gute Steuern seien. Dies folgt nicht aus einer tieferen analytischen Einsicht, sondern aus der pragmatischen Beobachtung, dass Besteuerung den Konsens der Bürger erfordert. Die Abgabe muss akzeptiert und respektiert werden, was nicht automatisch geschieht, wenn eine Steuer neu eingeführt oder verändert wird. Es gibt typischerweise eine Lernkurve, wenn Menschen ihr Verhalten vor dem Hintergrund neuer Steueranreize anpassen. Die Steuer greift, nachdem die Anpassungsprozesse erfolgt sind, nicht erwartete Konsequenzen offensichtlich geworden sind und ihnen Rechnung getragen wurde. Ähnlich kann man argumentieren bezüglich alter Daten (sprich Konzeptionen und Methoden). Sie sind gute Daten, weil sich die Öffentlichkeit und die politischen Entscheidungsträger an sie gewöhnt haben. Ihre Interpretation und Genauigkeit sind offenbar vertraut. Institutionen haben bereits Entscheidungen auf dieser Grundlage gefällt. Ändern sich die Methoden, können Analysen unter Umständen nicht mehr in gewohnter Weise durchgeführt werden. Ferner wird die statistische Grundlage für manche Entscheidungen hinfällig (Hulton 2003, S. 12). So hat etwa eine veränderte Berechnung des Verbraucherpreisindex erhebliche Konsequenzen. Sie wirkt sich auf alle inflationsbezogenen Regelungen aus und führte in den USA zu (wohl beabsichtigten) geringeren Anpassungen der Renten. Für das empirische Arbeiten ergab sich zusätzlich das Problem, dass durch den Übergang von der Deflationierung mit konstanten Preisen zur Vorjahrespreisbasis der Nachweis realer Wertschöpfungsquoten für die Wirtschaftsbereiche nicht mehr möglich ist. Es muss auch immer – wie schon oben erwähnt – überlegt werden, ob bestimmte Entwicklungen die Folge neuer Methoden oder der tatsächlichen Entwicklung sind. Für die letzten EU-weiten Revisionen hat das Statistische Bundesamt umfassend dokumentiert, inwieweit Veränderungen wichtiger Größen auf Methodenumstellungen oder auf eine neue Datenbasis zurückzuführen sind. Die Differenzierung ist natürlich auch wichtig für die Wirtschaftsanalyse. Die Diskussion um die „gefühlte Inflation“ im Vergleich zur amtlich gemessenen Inflation hat aber auch gezeigt, dass nicht nur neue Methoden erklärt, sondern auch bereits seit Längerem benutzte Definitionen, Methoden usw. immer wieder erläutert und beworben werden müssen. Bemerkenswert ist, dass die Revisionen der internationalen Systeme stets zu höheren BIP-Werten geführt haben. Diese Entwicklung wird gerade von Vertretern aus EUMitgliedsländern in internationalen Kommissionen kritisiert. So schreibt Harrison (2005) in ihrer Vorlage zur Erweiterung der Kapitalkosten von Nichtmarktproduzenten über die Abschreibungen hinaus: „Europe is the only region world wide that is opposed to the proposal (excluding the returns on the cost of capital by government, B./G.) and it appears to be because the European statisticians do not like the idea of increasing GDP and GNI which will potentially have an impact on their countries’ contributions to the EU budget”. Allerdings hat auch Boskin (2000; 2009) auf diese

16. Kapitel: Europäische Rechnungen

335

einseitig verzerrte Wirkung der Revisionen auf das nominelle US-BIP verwiesen.1 Die Verzerrung hat auch erhebliche Konsequenzen beispielsweise für die Konjunktur-, Struktur- und Verteilungsanalyse sowie für verschiedene Bereiche der EU-Politik. Der mangelnden Begeisterung für Revisionen auf der Seite der Datenersteller und -anwender steht offenbar eine gewisse Reformeuphorie in internationalen Gremien gegenüber2. So ist es einem Kreis von Experten (sog. Canberra Group3 u. Ä.) und der US-Statistik gelungen, aus dem Auftrag zur Überprüfung des SNA 1993 ohne Änderung der Grundlagen letztlich deutlich mehr als eine Aktualisierung und Klärung von Unklarheiten herbeizuführen. Hier eröffnet sich ein Kapitel für die politische Ökonomie internationaler Statistiken, das letztlich auch einen Konflikt im Verständnis von Statistik widerspiegelt: „Soll die Statistik mittels mitunter fragwürdiger Methoden und Schätzungen Ergebnisse bereitstellen, die den theoretischen Anforderungen entsprechen, oder soll sie Begriffe und Methoden wählen, die statistisch sauber umsetzbar sind, aber zu Ergebnissen führen, die die Anforderungen nicht voll erfüllen? Die Statistik neigt natürlich der zweiten Alternative zu. In den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen werden dagegen mehr Kompromisse in Richtung der ersten Alternative eingegangen.“ (Lützel 1993, S. 720). Die oben vorgetragenen Probleme der EU-Statistik werden konzentriert in der „Beyond GDP“-Politik sichtbar. Auf europäischer Ebene finden nicht nur hochrangige Expertensitzungen statt, um über die Grenzen der Aussagefähigkeit des BIP zu beraten und über ergänzende Kerngrößen zu diskutieren. Es werden auch Einstellungen und Tendenzen vorbereitet, so beispielsweise durch den Europäischen Wirtschafts- und Währungsausschuss (2008): Nach der Kritik am BIP als Wohlfahrtsindikator verweist er auf die Bemühungen namhafter Wissenschaftler, diese Größe nicht auf rein wirtschaftliche Aspekte zu beschränken. Sie „haben jedoch nicht zu einer allgemein anerkannten Änderung der Definition des BIP geführt, so dass die Dominanz des traditionellen BIP bis zum heutigen Tag immer noch ungebrochen ist“. Diese „vorherrschende Stellung des BIP in der Sozial- und Wirtschaftspolitik“ gilt es zu durchbrechen (S. 5, 8). Die Mitteilung der EU-Kommission an den Rat und das Europäische Parlament „Das BIP und mehr – Die Messung des Fortschritts in einer Welt im Wandel“ formuliert diese Position nicht (mehr) so scharf: Statt „Beyond GDP“ nun „GDP and Beyond“. Sie fordert aber für Fragen zum gesellschaftlichen Fortschritt und zur Nach1

2

3

Boskin hat entscheidend an der Reform der Inflationsmessung mitgewirkt, die zu verringerten Preissteigerungsraten und damit erhöhten Wachstumsraten beim realen US-BIP führten. Hulton (2003, S. 12) schreibt hierzu, dass eine richtige Wahrheit über den Entscheidungsprozess sei, „policy decisions (indeed, most decisions) must be made with imperfect information. There is learning over time about the nature of the data and the useful information they contain“. Er schreibt dann weiter, die Verwendung neuer Methoden “looks different to users who are interested in the ‘output’ of the technique than to expert practitioners who are interested in developing the technique per se. Put differently, there is a policy-user learning curve that is different from the researcher learning curve. However, the two curves are related. The weaker the professional consensus is about a technique, the lower the level of confidence is in the technique’s consequences and in its acceptance by the public and policymakers”. Hierbei handelt es sich um eine von der Statistischen Kommission der Vereinten Nationen initiierte internationale Expertengruppe zur Haushaltsstatistik. Sie hat ein ihrer Meinung nach aus theoretischer Sicht ideales Produktions- und Einkommenskonzept formuliert (Canberra I und II; vgl. Expert Group 2001).

336

Dritter Teil: Die Verwendung der VGR für wirtschaftspolitische Zwecke

haltigkeit ergänzende Indikatoren (umfassender Umweltindex, aktuellere Informationen für die Entscheidungsfindung, genauere Daten über Verteilung und Ungleichheiten, Nachhaltigkeitsanzeiger/-armaturenbrett). Bei der Mitteilung der EU-Kommission handelt es sich um ein Verwaltungsdokument, das Maßnahmen enthält, die kurz- bis mittelfristig umgesetzt werden sollen (Braakmann 2010, S. 613). Unklar ist, ob auf EU-Ebene – und meist auch in einzelnen Ländern – mit der Berechnung eines Alternativmaßes oder eines Sets aus Lebensqualitäts- und Nachhaltigkeitsindikatoren ein Politik-Wechsel über neue Konzepte und Daten erreicht werden soll. Lippe und Breuer (2010, S. 449-450) geben einige Hinweise, ob die Annahme eines statistisch erzeugten Politikwechsels realistisch ist: • Die Abkehr vom BIP geschieht vor allem dann, wenn sich anhand dieses Indikators keine Erfolge zeigen lassen. Es ist dann besser auf Leistungen im Bereich der ‚soft indicators’ zu verweisen.1 So wie schon bei den Sozialindikatoren in den 1970erJahren wird es aber jenseits des BIP kein hartes Maß als geeignete Zielgröße geben. • Vernünftige Politik besteht in einer „Sensibilisierung gegenüber Schwachstellen. Aber genau diese erfolgt nicht, wenn Schwächen mit Stärken zu einer Gesamtkennzahl addiert und damit gegeneinander aufgerechnet werden, statt sie isoliert nebeneinander zu betrachten“. • „Eine vernünftige Interpretation einer statistischen Größe oder gar deren Nutzung als Zielgröße setzt Klarheit darüber voraus, was eine Vergrößerung oder Verringerung der entsprechenden Anzahl bewirkt. Dies ist umso weniger gegeben, je inhomogener das Gesamtaggregat ist.“ Wenn einerseits mehr Beschäftigung (wegen eines dann höheren Arbeitseinkommens) und andererseits weniger Beschäftigung (wegen mehr Zeit für Hausarbeit und Ehrenamt) erstrebenswert erscheinen, ist es schwer, sich für eine bestimmte Politik zu entscheiden. • Bei einem Wohlfahrtsmaß als Zielgröße ist es nahe liegend, dass Politiker versuchen, mit einem möglichst geringen Widerstand „eine möglichst große Steigerung des Wohlfahrtsindikators zu erzielen. Dadurch wird eine Konzentration auf die Teilindizes des Gesamtindikators stattfinden, die besonders leicht und zeitnah positiv beeinflusst werden können.“ Ein zweiter ganz zentraler Aspekt besteht darin, was die zusätzlichen Informationen kosten. So gehen die erhöhten Datenanforderungen einher mit steigenden Qualitätsansprüchen und abnehmenden Ressourcen für die amtliche Statistik. Bei gegebenen Budgets können die zusätzlichen Daten nur zulasten von Umfang und Qualität der bestehenden Statistiken erstellt werden, was vielleicht auch Absicht sein kann. Beschränkt man sich auf diesen Blickwinkel, so kommt die Diskussion um „GDP and Beyond“ wegen der damit verbundenen Ressourcenerfordernisse in den statistischen Systemen zur Unzeit. „Es macht keinen Sinn, ausdifferenzierte Wunschlisten zur statistischen Messung von Wohlstand, Lebensqualität und Nachhaltigkeit vorzulegen und dabei die Frage, mit welchen Ressourcen diese Wunschlisten abgearbeitet werden sollen, auszusparen“ (Haß 2010, S. 698). 1

Möglicherweise stand diese Überlegung Pate, als Sarkozy die Stiglitz-Kommission ins Leben gerufen hat. Es könnte aber auch ein opportunistischer Zug gewesen sein, sich zum Wortführer einer aktuellen Diskussion zu machen und für Aufmerksamkeit zu sorgen.

16. Kapitel: Europäische Rechnungen

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Literatur zum 16. Kapitel Ein Beitrag zu neueren Entwicklungen im Bereich der allgemeinen Wirtschaftsstatistik für das Euro-Währungsgebiet findet sich im EZB-Monatsbericht Februar 2010b. Einen allgemeinen Überblick über die EZB-Statistiken liefert eine Sonderpublikation der EZB vom April 2010. Wichtigste Grundlage für die vierteljährlichen VGR ist das Handbuch der European Commission/Eurostat (1999). Die Problematik der Berechnung vierteljährlicher VGR auf EU-Ebene behandeln Rietzler et al. (2001). Den Stand der IOT-Tabelle für die EU-27 beschreiben Rueda-Cantuche et al. (2009). Zur Finanzierungs- und Geldvermögensrechnung der EZB siehe Europäische Zentralbank (2001) und Mink (2002, 2009). Die Integration von Finanzierungskonten und nichtfinanziellen Konten der institutionellen Sektoren im Euroraum beschreibt die EZB (Monatsbericht 10/2006). Zur Zuverlässigkeit der ersten BIP-Schätzungen siehe EZB (2009). Der HVPI wird von Elbel (1997) dargestellt, Unterschiede zum deutschen Verbraucherpreisindex zeigt knapp Eckert (2005). Weitere Informationen zu den Europäischen Rechnungen und Daten sind auf der Webseite von Eurostat und der EZB zu finden. Zur Politischen Ökonomie der Statistik siehe die Beiträge von Heine/Oltmanns (2002) und Reich (1994b). Die Probleme mit der griechischen Statistik werden von Sturgess (2010) dargestellt. Die Bedeutung von aussagekräftigen Statistiken für die EWU werden von Noord et al. (2008, S. 52-62) und in einem Konferenzband der EZB (2004) beschrieben.

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Stichwortverzeichnis Abgabenquote 234 Abgänge 160 Abgangsfunktion 161 Abschreibungen 19, 38, 43, 122, 166 Accrural accounting 195 Accrural basis 112, 195 Adäquationsproblem 6 Additionsmethode 100 Additivität 59 Aggregation 2 Aktien 11 Aktiva 11, 40, 149 - finanzielle s. Forderungen Aktualität 219 Allgemeine Staatsquote 233 Altersaufbau des Anlagevermögens 163 Anlagegüter 149 - immaterielle 150 Anlageinvestitionen 71, 123 Anlagemittel, verfügbare 145 Anlagen 71 - sonstige 71 - selbst erstellte 93 Anlagevermögen 158 - Altersaufbau 163 - für Umweltschutz 165 Anschaffungspreise 156, 183 Ansprüche an die GRV 153 Äquivalenzskala 273 Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung s. Sozialbeiträge Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung s. Sozialbeiträge Arbeitnehmerentgelt 64 Arbeitseinkommen 44, 64, 269 Arbeitseinkommensquote 269 Arbeitskreis „VGR der Länder“ 78, 80 Arbeitskoeffizient 241 Arbeitsleistung der Selbständigen 269 Arbeitslose 253 Arbeitslosenquote 255 Arbeitslosenversicherung s. Sozialversicherung Arbeitslosigkeit, verdeckte 254 Arbeitsproduktivität 241 Arbeitsquote s. Arbeitseinkommensquote Arbeitsstunden 242, 247 Arbeitsvermögen s. Humankapital Arithmetisches Mittel 171 Aufkommen 39 Aufkommen an Gütern 53, 177 Aufkommenstabelle 181

Aufteilung 101 Ausfuhr s. Export Ausgaben 17, 136 - des Staates s. Staatsausgaben - für Umweltschutz 297 Ausgabendefizit 140 Ausgabenkonzept 47, 74 Ausgabenquote s. Staatsquote Ausland 32 Ausländer 62, 192 Auslandsposition s. Nettoauslandsposition Auslandsvermögensstatus 168, 329 Auslastungsgrad des Produktionspotenzials 251 Auspendler 62 Ausrüstungen 71 Außenfinanzierungsmittel 145, 213 Außenkonten 42, 52 Außenbeitrag 51, 71, 193, 200 Außenfinanzierungsmittel 147 Außenkonten 42, 52 Außenwirtschaftliches Gleichgewicht 218 Außergewöhnliche Entwicklungen 162 Bankdienstleistungen 91 Banken s. Kreditinstitute Bankgebühr 91 Bargeld 11, 139 Basistabelle 181 Bauinvestitionen 113 Baukasten 7 Bausparkassen 138 Bauten 71, 150, 159 Beschäftigungsquote 246 Beschäftigungsstand, hoher 218 Bestände s. Bestandsgrößen Bestandsänderungsrechnung 28, 155 Bestandsgrößen 2, 28 Betriebspensionen 49 Betriebsüberschuss 45, 66 Beveridge-Kurve 257 Bevölkerung 238 Bewertung - der Ströme 101 - des Vermögens 156 - in Zahlungsbilanz 195 - periodengerechte 195 - staatlicher Leistungen 103 Beyond GDP 335 Beziehungszahl 75 Bilanz 11

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Stichwortverzeichnis

Bilanz der Erwerbs- und Vermögenseinkommen 201 Bilanz der laufenden Posten s. Leistungsbilanz Bilanz der laufenden Übertragungen 201 Bilanz der unsichtbaren Ein- und Ausfuhren s. Dienstleistungsbilanz Bilanz der Vermögensübertragungen 202 Bilanzgleichung 11 Bildungsausgaben 120 Bildungsinvestitionen 120 BIP je Einwohner 75 BIP-Schnellschätzung 7, 221, 259, 328 BNE-Eigenmittel 46, 48 Bottom-up-Methode 126 Brücken 150 Bruttoanlageinvestitionen s. Anlageninvestitionen Bruttodarstellung - der Handelsware 115 - der Produktionswerte 115 Bruttoanlageinvestitionen 71, 119 Bruttoanlagevermögen 159 Bruttobetriebe des Staates 37 Bruttoinlandseinkommen 54 Bruttoinlandsprodukt 55 Bruttoinvestitionen 71 Bruttokonzept 159 Bruttolöhne und -gehälter 64 Bruttomieten 116 Bruttonationaleinkommen 1, 62 Bruttoprämie 92 Bruttoprinzip 193 Bruttosozialprodukt 1 Bruttosparquote 145 Bruttoströme 141 Bruttowertschöpfung der Volkswirtschaft 259 BSP s. Bruttosozialprodukt Building-block approach s. Baukasten Bund 37 Bundesbankgewinne 113 Cif 71, 198 Cif-Wert 200 Code 35, 38 Composite Indicators s. zusammengefasste Indikatoren Computerprogramme 151 CPA 306 CPC 306 Darstellungseinheit - kleinste 83 Datenbasis 128, 334 Dauerhafte Konsumgüter 75, 150

DDR 192 Defizit, staatliches 113 Defizitquote 235 Deflationierung 105 - volumenorientierte 105 - doppelte 108 - realwertorientierte 111 Deflatoren 111 Deflationierung 108 Deputate 69 Devisen 205 Dienstleistungen - sonstige 200 - unentgeldlich abgegebene staatl. 92 Dienstleistungsbilanz 200 - aktive 200 - passive 200 Differenzmethode 102 Direktinvestitionen 204 Disaggregation, räumliche 76 Doppelte Deflationierung 108 Doppelzählung 114 Drei-Sektoren-Hypothese 231 Dritter Quadrant 179 Drittländer 38 Dritt-Personen-Kriterium 291 Drogen 94 EDV-Software 119 Eigenfinanzierungsmittel 145 Eigenleistungen im Wohnungsbau 56, 89 Eigenmittel der EU 46, 62 Eigentümerwohnungen 60, 83, 87 Eigenverbrauch - der Landwirte 38, 89 - der privaten Organisationen oE - der Unternehmer 56, 88, 95 - des Staates s. Staatsverbrauch Einfuhr s. Import Einheiten - homogene Produktions- 33 - inländische 138 - institutionelle 32 - örtliche fachliche 33 - statistische 32 Einkommen 98, 266 - der Gesamtwirtschaft, verfügbares 67 - der priv. Haushalte, verfügbares 68 - nach Haushaltsgruppen 271 Einkommensansatz 54 Einkommensbegriff 98 Einkommensentstehung 98 Einkommensentstehungskonten 44 Einkommensumverteilungskonto s. Konto der sekundären Einkommensverteilung

Stichwortverzeichnis Einkommensverteilung 21, 265 - funktionelle 21, 267 - personelle 21, 271 - primäre 21, 265 - sektorale 22 - sekundäre 265 Einkommens- und Verbrauchsstichproben 169, 274 Einkommensumverteilungskonto 47 Einkommensverteilungskonto 45 Einkommensverwendungskonten 49 Einkommen- und Vermögensteuern 47, 67, 104 Einnahmen 17, 39, 136 - des Staates s. Staatseinnahmen Einnahmenquote 234 Einwohner s. Bevölkerung Endnachfrage 118 Endprodukte 54, 115 Endverwendung 118, 177 Entstehungsrechnung 54, 56 Erbschaftsteuer 122 Ergänzung zum Warenhandel 199 Erster Quadrant s. Zentralmatrix Ertragswerte 156 Erwerbs- u. Vermögenseinkommen 64 - Zahlungsbilanz 201 Erwerbslose 239 Erwerbslosenquote 239 Erwerbspersonen 239 Erwerbspersonenpotenzial 254 Erwerbsquote 239 Erwerbstätige 239 ESVG 38, 82 ESVG-Lieferprogramm s. Lieferprogramm EU-Eigenmittel s. Eigenmittel Europäische Union 37 Europäisches System Volkwirtschaftlicher Gesamtrechnungen s. ESVG Export 71 Exportquote 72 Externalitäten 94 Faktorkosten 104 Faktorproduktivität, totale (multiple) 249 Fehler s. Genauigkeit Final demand approach 118 Finanzaktiva s. Forderungen Finanzanlagen 71 Finanzderivate 204 Finanzielle Aktiva s. Forderungen Finanzielle Kapitalgesellschaften 37 Finanzielle Transaktionen s. Finanztransaktion Finanzierungsdefizit 26, 113 Finanzierungskonten 51

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Finanzierungsrechnung 136 Finanzierungs- und Geldvermögensrechnung der EWU 328 Finanzierungssaldo 26, 119 Finanzierungsüberschuss 26 Finanzinstitute 138 Finanzinstrumente 139 Finanzserviceleistungen 81 Finanzstatistik 113 Finanztransaktionen 17 Finanzvermögen s. Geldvermögen Fisher 8 FISIM 71, 270 Fob 72, 198 Föhl 8 Forderungen 11, 139, 149, 153 Forschung und Entwicklung s. FuE Fortschreibung 221 Freie Berufe 37 Freizeit 280 FuE 100, 120, 151 Fundierte Schätzung 55, 301 50 %-Kriterium 33, 83 Gastarbeiter 192 Gebietsansässige s. Inländer Gebietskörperschaften 37 Gebrauchsgüter, langlebige 76, 121 Gebrauchsvermögen 121, 150, 166 Gebühren 234 Geistiges Eigentum 151 Geldmarktpapiere 139 Geldmenge 328 Geldstrafen 234 Geldvermögen 11, 168 Geldvermögensbildung 145 Geldvermögensrechnung 168 Geldwert 217, 257 Gemeinden 37 Genauigkeit 219 Generalhandel 199 Gesamtarbeitsvolumen 241 Gesamte Verwendung von Gütern 178 Gesamtes Aufkommen an Gütern 179 Gesamtvermögen 11, 149 Gesamtvorleistungskoeffizient 186 Geschlossenes System 179 Gesetzliche Krankenversicherung s. Sozialversicherung Gewinne s. Unternehmensgewinne Gewinnquote 268 Gini-Koeffizient 171, 276 Glatte Komponente 259 Gleichgewicht, außenwirtschaftliches 208, 217

358

Stichwortverzeichnis

Gold s. Währungsgold GP 306 Grundvermögen 156 Güter 2 - geringwertige langlebige 123 - gruppen 180 Güterkonto 42 - gesamtwirtschaftliches 52 Gütersteuern 57 Güterstromtabellen 184 Gütersubventionen 57 Gütertransaktionen 39 Handelsbilanz 198 Handelsspanne 181 Harmonisierter Verbraucherpreisindex 217, 331 Häufigster Wert 171 Haupttätigkeit 60 Haushalte 272 Haushaltsnettoeinkommen 276 Haushaltsproduktion 86, 94 Haushaltssatellitensystem 290 Hauswirtschaft s. Haushaltsproduktion HDI 319 Hedonische Verfahren 110 Herstellungspreise 44, 56, 104, 183 Homogene Produktionseinheit 180 HS 306 Human Capital s. Humankapital Human-DevelopmentIndex s. HDI Humankapital 151 Humanvermögen s. Humankapital IHDI 319 Import 71 Importmatrizen 180 Importquote 72 Incoterms 198 Index der sozialen Entwicklung s. HDI Inequality-adjusted Human Development Index s. IHDI Individualkonsum 74 Individuell zurechenbare Sachleistungen s. Individualkonsum Inland 32 Inländer 32, 192 Inländerkonzept 62 Inländische finanzielle Sektoren 138 Inländische nichtfinanzielle Sektoren 138 Innenfinanzierungsmittel 145 Input - koeffizient 186

- methode 184 Input-Output-Analyse 175 Input-Output-Rechnung 175 Input-Output-Tabellen 175 - symmetrische 182 Inputstruktur 176, 180 Institutionelle Einheit 32 Intermediäre Verwendung 177 Intermediärer Input s. Vorleistungen Internationale Organisationen 37 Invarianzprinzip 86, 90, 96 Inverse (Leontief-)Koeffizienten 187 Investitionen 18, 71 Investitionszuschüsse 50 ISIC 306 Jahresprojektion 218 Jahreswirtschaftsbericht 217 Jeweilige Preise 105 Kalendarbereinigung 259 Kalkulatorischer Unternehmerlohn 269 Kapitalbilanz 202 Kapitalerhaltung 165 Kapitalexport 194, 203 Kapitalgesellschaften - ausländische 328 - finanzielle 37 - nichtfinanzielle 36 Kapitalgewinne 93 Kapitalimport 203 Kapitalintensität 249 Kapitalnutzungskosten 90 Kapitalkoeffizient 248 Kapitalproduktivität 248 Kapitalstock 247 - Auslastungsgrad 248 - Modernisierungsgrad 163 Kaufkraft des Geldes 217 Kaufkraftparitäten 310 Kaufkraftstandard 313 Kern der VGR 1 Kettenindizes 107 Keynes 8 Kirchen 37 KKPs s. Kaufkraftparitäten Klassifikationen 6, 306 - der Wirtschaftszweige 60 Kollektivkonsum 47, 74, 117 Kompensationsgeschäfte 194 Konjunkturindikator 252 Konsistenz 40 Konstante Preise 156 Konsum 69 - nach dem Verbrauchskonzept 74, 93

Stichwortverzeichnis Konsumausgaben - der privaten Haushalte 69 - der privaten Organisationen oE 71 - des Staates 70 - private 69 Konsumgüter, langlebige 89, 150 Konten - der primären Einkommensverteilung 45 - der Reinvermögensänderung durch Sparen und Vermögenstransfers 50 - der sekundären Einkommensverteilung 47 - sonstiger Vermögensänderungen 157 - zusammengefasste 53 Kontenabfolge 40, 42 Kontensystem der VGR 39 Konventionen 6, 82, 86 Konzentrationskurve s. Lorenzkurve Kostenstruktur 186 Krankenhäuser 35, 138 Kreditinstitute 37 Kreislauf 14 - geschlossener 14 - monetärer 15 - offener 18 - realer 15 Kreislaufaxiom 14, 179 Krug 8 Kumulationsmethode 158 Kurzarbeiter 255 Labour-Force-Konzept 241 Länder 37 Land-, Forstwirtschaft, Fischerei 60 Land- und Forstwirtschaftliche Gesamtrechnung 103 Laspeyres-Formel 106 Laufende Transfers 122 Lebensdauer der Anlagen 161 Lebensqualität 284 Leistungsbilanz 193, 197, 213 - aktive 197 - passive 197 Leistungsbilanzüberschuss 198, 210 Leistungstransaktionen 17 Leontief-Produktionsfunktion 187 Letzte inländische Verwendung s. Verwendung, inländische Letzte Verwendung 177 Lieferantenmethode 75 Lieferprogramm 5, 327 Lohn- und Einkommensteuerstatistik 275 Lohnquote 267 - bereinigte 269 Lohnstückkosten 246

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Lohnsteuer 113 Lorenzkurve 171, 276 Lotterien 90 Markt 14 Marktpreise 44, 101, 104, 156 Marktproduktion 33 Marktproduzent 34 Markttransaktionen 33 Marx 8 Maß der ökonomischen Wohlfahrt 281 Masseneinkommen 68 Material Product System s. Materielle Produktion Materielle Produktion 84 Materielles Vermögen s. Sachvermögen Measure of Economic Welfare 283 Median 171 Mehrfachzählungen s. Doppelzählungen Mieten - öffentlicher Verwaltungsgebäude 90, 100 - eigen genutzter Wohnungen 56, 90 Mikrozensus 274 Militärische Güter 158 Mittelaufkommen 145 Mittelverwendung 145 Modernitätsgrad 163 Monetäre Finanzinstitute 138 NACE 306 Nachhaltigkeitsberichterstattung 298 Nationaleinkommen 55 Naturaleinkommen 65, 69, 88 Nettoanlagevermögen s. Anlagevermögen Nettoauslandsposition 12 Nettodarstellung der Handel(sware) 115 Nettoeinkommen 273 Nettoforderungen gegenüber der übrigen Welt s. Nettoauslandsposition Nettoforderungen s. Nettogeldvermögen Nettogeldvermögen 11 Nettogütersteuern 58 Nettoinlandsprodukt 62 Nettoinvestitionen 71 Nettokapitalexport 204 Nettokonzept 159 Nettolöhne und -gehälter 65 Nettonationaleinkommen 62 Nettoposition s. Nettogeldvermögen Nettoprämie 92 Nettosozialprodukt zu Faktorkosten s. Volkseinkommen Netto-Sparquote 145 Nettostellung der Handelsware 115 Nettoströme 141

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Stichwortverzeichnis

Nettovermögen s. Reinvermögen Nettowertschöpfung 43 Nettowohlstandsprodukt 281 Nettozugang an Wertsachen 71 Nichterwerbspersonen 239 Nichterwerbstätige 239 Nichtfinanzielle Kapitalgesellschaften 35 Nichtfinanzielles Vermögen s. Vermögensgüter Nichtmarktproduktion 34, 116 - der privaten Organisationen oE 97 - des Staates 103 - für die eigene Verwendung 34, 42 - sonstige 34, 43 Nichtmarktproduzenten 34 - für die eigene Verwendung 34 - Sonstige 34, 43 Nominalwert 140, 156 Nutzungsdauer 160 - des Anlagevermögens 160 - der Gebrauchsgüter 167 Offene Stellen 256 Offenes System 179 Offenheitsgrad der Volkswirtschaft 72 Öffentliche Haushalte s. Staat Öffentliche und private Dienstleister 60 Ökoinlandsprodukt 297 Opportunitätskostenansatz 282 Örtliche FE 35 Output s. Produktionswert Output-Koeffizient 187 Output-Methode 184 Paasche-Formel 106 Pachten 266 Pacioli 8 Passiva 10, 40 Patente 151 Pendler 238 Pendlersaldo 239 Periodengerechte Bewertung s. Accrual basis Periodisierung 76, 112, 141 Perpetual Inventory Methode s. Kumulationsmethode Personengesellschaften 35 Petty 8 Phasenverschiebung 117 Portfolioinvestitionen 205 Preise - jeweilige 39, 105 - konstante 156 Preisindex - der Konsumausgaben der privaten Haushalte 114, 256

- für die inländische Verwendung 111 - für das Bruttoinlandsprodukt 108, 257 - für den Privaten Konsum 115 - impliziter 111 - von Laspeyres 106 - von Paasche 106 Preiskonzepte 104, 182 Preisniveaustabilität 217 Primäre Einkommensverteilung 45 Primäre Einkommensverteilungskonten 45 Primäreinkommen 45, 63 Primäreinkommen der Volkswirtschaft 62 Primärinputs 176 Private Haushalte 37 Private Konsumausgaben 69 Private Organisationen oE (ohne Erwerbszweck) 37 Privater Konsum nach Verbrauchskonzept s. Individualkonsum Produktionsansatz 54 Produktions- und Importabgaben 57 Produktionsbegriff 84 Produktionsbereich 180 Produktionseinheit, homogene 32, 180 Produktionsgrenze 84, 86 Produktionskonten 42 - gesamtwirtschaftliches 53 Produktions- und ImportAbgaben 57, 67 Produktionspotenzial 238, 250 Produktionsstrukturen 186 Produktionsverflechtung 175 Produktionswert 43, 56 - des Staates 92 Produktivität 241 Prognose 261 Projektion s. Jahresprojektion Pünktlichkeit 220 Qualität der VGR 7, 220 Qualitätsänderungen 110 Quasi-Kapitalgesellschaften 35 Quellen s. VGR, Datenbasis Querverteilung 271 Quesnay 8 Quote der Unternehmens- und Vermögenseinkommen 268 Räumliche Disaggregation 78 Realaustauschverhältnis s. Terms of Trade Reale Wirtschaftskraft 312 Realtauschgeschäfte 194 Realeinkommen der Volkswirtschaft 111 Realvermögen s. Sachvermögen Realwert

Stichwortverzeichnis - des Bruttoinlandsprodukts 112 - des Bruttonationaleinkommens 112 - des Verfügbaren Einkommens 112 Realwertrechnung 111 Regionale VGR 78, 125 Regrettables 282 Reinvermögen 11 Reiseverkehr 200 Reserveposition beim IWF 205 Restkomponente 260 Restposten der Zahlungsbilanz 206 Revisionen 207, 222, 334 Rezession 253 Riester-Rente 65 Rückrechnung 224, 226 Sachanlagen 150 Sachleistungen, individuell zurechenbare 74 Sachtransfers 74 Sachvermögen, nichtproduziertes 150 Sachvermögensbildungskonten 50 Saisonkomponente 259 Saison- und Kalenderbereinigung 259 Salden in der Zahlungsbilanz 194 Saldo der statistisch nicht aufgliederbaren Transaktionen s. Restposten SAM s. Sozialrechnungsmatrix Satellitensystem 282, 289 Schattenpreise 102 Schattenwirtschaft 94 Schätzung, fundierte 55 Scheingewinne s. Kapitalgewinne Schwerpunkt wirtschaftlicher Aktivität 179 SEEA s. Umweltsatellitensysteme Sektor 36 Sektorenkonten 40 Sektorenschema nach Fourastié 231 Sekundäre Einkommensverteilung 47, 67, 265 Selbständige 37 Selbständigeneinkommen 44, 66 Selbstversorgungswirtschaft s. Haushaltsproduktion Sichteinlagen 139 SITC 306 SNA 93 Sonderabgänge 162 Sonderziehungsrechte 139 Sonstige 34 Sonstige Produktionsabgaben 44, 57, 105 Sonstige Transaktionen 39 Sozialbeiträge 64 - der Arbeitgeber 64 - der Arbeitnehmer 65 - tatsächliche 65 - unterstellte 65

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Sozialbeitragsquote 235 Soziale Sachleistungen 74 Soziale Sachtransfers 74 Sozialindikatoren 282, 284 - der OECD 317 Sozialkapital 153 Sozialprodukt s. BSP Sozialrechnungsmatrix 20, 295 Sozialvermögen s. Sozialkapital Sozialversicherung 37 Sozio-ökonomische Gesamtrechnung 189, 295 Sozio-ökonomische Input-Output-Rechnung 189 Sozio-oekonomisches Panel 169, 275 Sparen 68, 119 Sparlücke 211 Sparprämien 126 Sparquote 68, 145 Sparüberschuss 210 Specific approach 117 Spezialhandel 199 Staat 37 Staats(ausgaben)quote 233 Staatseinnahmen 234 Staatseinnahmenquote 234 Staatsquote 233 Staatsschuld 329 Staatsverbrauch 92 Staatswirtschaftliche Quoten 233 Standardbewertung in den VGR 101 Statistische Diskrepanz 55 Stellen, gemeldete (offene) 256 Steuerminderung s. Steuervergünstigungen Steuern - direkte s. Einkommen- und Vermögensteuern - indirekte s. Produktions- und Importabgaben - vermögenswirksame 237 Steuerquote 235 Steuervergünstigungen 233, 237 Stille Reserve 254 Stone 9 Strafen s. Geldstrafen Ströme 2, 38 - intersektorale 17 - intrasektorale 17, 20 Strombreite 15 Stromgrößen s. Ströme Struktur 229 Strukturberichterstattung 229 Strukturindikatoren der EU 314 Studenten 32 Subtraktionsmethode 102 Subventionen 57, 236 - sonstige 57

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Stichwortverzeichnis

Subventionsintensität 236 System der materiellen Produktion 85 System of Integrated Environmental and Economic Accounts s. SEED System of National Accounts s. SNA System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen 1 Tax payments approach 117 Tätigkeiten, ehrenamtliche 86 Terms of Trade 111, 199 Theorie und VGR 5 Top down-Methode 34, 127 Transaktionen 38 - abgewandelte 100 - einseitige 16 - Finanz- 17, 39, 113 - finanzielle s. Finanztransaktion - intersektorale 17 - intrasektorale 17 - laufende 17, 40, 118 - Leistungs- 17 - sonstige 39 - unterstellte 99 - vermögenswirksame 17, 118,122 - zweiseitige 17 Transaktionswerte 140 Transfereinkommen s. laufende Übertragungen Transfers - laufende 62, 67 - sonstige laufende 67 - übrige laufende 62, 67 Transitverkehr 1 Transportleistungen 200 Überlebensfunktion 161 Übertragungen - laufende 201 - öffentliche 201 - private 201 - Zahlungsbilanz 196 Übrige Welt 37, 42 Übriger Kapitalverkehr 204 UGR s. Umweltökonomische Gesamtrechnung Umbewertungskonten 39, 157 Umleitungen 100 Umsatzmethode 102 UMTS-Lizenzen 233 Umverteilung 47 Umweltberichterstattung s. UGR Umweltökonomische Gesamtrechnung 296 Umweltsatellitensystem 296 Umweltvermögen 165

Unterbeschäftigung 253 Untergrundwirtschaft s. Schattenwirtschaft Unternehmen 2, 82 - öffentliche 83 Unternehmensgewinne 45, 66 Unternehmensgewinnkonten 45 Unternehmens- und Vermögenseinkommen 64, 270 Veränderung der Währungsreserven 204 Verbindlichkeiten 11, 139, 149 Verbraucherpreisindex 258 Verbrauchskonzept 47, 74 Verbuchungen, doppelte 20 Vereinfachung 305 Verflechtungsmatrix 177 Verfügbares Einkommen 47, 273 - der privaten Haushalte 68 - der Gesamtwirtschaft 67 Verkäufe 44, 56 - des Staates 96, 234 Verkettung 59, 107 Vermögen 11, 149 Vermögensänderungen 42 - sonstige 38, 39 Vermögensbilanzen 51, 149, 157 Vermögensbildungskonto 157 Vermögenseinkommen 64 Vermögensgüter 11, 149 - immaterielle nichtproduzierte 153 - nichtproduzierte 153 - produzierte 149 Vermögensrechnung 11, 149 Vermögenssurrogate 154 Vermögensteuer 50 Vermögenstransfers 50, 122 Vermögensübertragungsbilanz 202 Vermögensverteilung 169 - personelle 168 - Vermögenswerte 149 - produzierte 149 Verpflichtungen s. Verbindlichkeiten Verschrottung 160 Versicherungen 37 Versicherungsleistungen 200 Versicherungsunternehmen 92 Versorgungsansprüche 153 Verteilungsrechnung 62 Verteilungstransaktionen 39 Verteilungsziele 218 Verwarnungen s. Strafen Verwendung - der Güter 53 - des Bruttoinlandprodukts 69 - inländische 69

Stichwortverzeichnis - letzte 116 Verwendungsrechnung 69 Verwendungstabelle 181 Verwendungszweck der privaten Konsumausgaben 75 VGR - Aufgaben 4 - Datengrundlage 5 - der Länder 78 - Geschichte 8 - regionale 77 - und Theorie 5 Vierteljahresangaben 221, 258 Volkseinkommen 54, 63, 64, 104 - je Einwohner 75 Volksvermögen 149 Volkswirtschaft 12, 33 - gesamte 37, 42 - geschlossene 12, 24 - offene 12, 24 Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen s. VGR 1 Volumen 105, 110 Vorjahrespreisbasis 107 Vorleistungen 56, 115, 176 Vorleistungsmatrix s. Zentralmatrix Vorleistungskoeffizient 186 Vorleistungsquote 116 Vorräte 152 Vorratsveränderung 71 Vorratszunahme an eigenen Erzeugnissen 93 WA 307 Wachstum 218 Wachstumsbeiträge 73 Währungsgold 139, 205 Währungsreserven 205 Warenkorb 310 Warengruppen 200 Wechselkurs 309 Werbungskosten 118 Werterhaltung, reale 124 Wertpapieranlagen 204 Wertsachen 152 Wertschöpfung 43, 56, 231 Wiederbeschaffungspreise 124, 156 Wirtschaftsbereiche 60, 230 Wirtschaftseinheit 2 Wirtschaftsgebiet 32 Wirtschaftskreislauf s. Kreislauf Wirtschaftssubjekt s. Wirtschaftseinheit Wirtschaftszweig s. Klassifikation Wohlstandsindikator 279 Wohlstandsmaß 279 Wohnbevölkerung s. Einwohner

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Wohnungsvermietung 60 WZ 306 Zahlung 192 Zahlungsbilanz 192, 329 Zahlungsbilanzanalyse 209 Zahlungsmittel 139 Zeitbudgeterhebungen 291 Zentralmatrix 177 Ziele der Wirtschaftspolitik 217 Zinsen auf öffentliche Schulden 92, 93 Zugänge 160 Zunahme betrieblicher Versorgungsansprüche 49, 68 Zuordnung - periodengerechte s. Accrual accounting Zusammengefasste Indikatoren 316, 322 Zusammengefasstes Konto der übrigen Welt 52 Zusatzversorgungseinrichtungen 37, 138 Zweiter Quadrant 178 Zwischenprodukte s. Vorleistungen