Stressoren und Ressourcen in der interkulturellen Teamarbeit: Eine Analyse zur Prävention von arbeitsbedingtem Stress [1. Aufl.] 978-3-658-26008-8;978-3-658-26009-5

Katrin Leifels untersucht soziale Stressoren und Ressourcen, die in der Zusammenarbeit in multikulturellen Teams von Bed

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German Pages XIX, 326 [337] Year 2019

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Stressoren und Ressourcen in der interkulturellen Teamarbeit: Eine Analyse zur Prävention von arbeitsbedingtem Stress [1. Aufl.]
 978-3-658-26008-8;978-3-658-26009-5

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-XIX
Ausgangsbeobachtung (Katrin Leifels)....Pages 1-5
Kulturelle Diversität als Forschungsgegenstand (Katrin Leifels)....Pages 7-49
Stress als Begriff in Alltag und Wissenschaft (Katrin Leifels)....Pages 51-89
Stress in multikulturellen Teams (Katrin Leifels)....Pages 91-107
Stress in multikulturellen Teams – qualitative Vorstudie (Katrin Leifels)....Pages 109-147
Stress in multikulturellen Teams – quantitative Hauptuntersuchung (Katrin Leifels)....Pages 149-210
Diskussion der Ergebnisse und Implikationen der Studie (Katrin Leifels)....Pages 211-241
Zusammenfassung und Ausblick (Katrin Leifels)....Pages 243-244
Back Matter ....Pages 245-326

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Internationale Wirtschaftspartner

Katrin Leifels

Stressoren und Ressourcen in der interkulturellen Teamarbeit Eine Analyse zur Prävention von arbeitsbedingtem Stress

Internationale Wirtschaftspartner Reihe herausgegeben von Torsten M. Kühlmann, Bayreuth, Deutschland

This book series deals with important economic partner countries of Germany. Each volume offers a concise and systematic insight into challenges related to doing business in a specific country. In particular, the reader learns the assumptions, values, and norms that govern the partner country’s business life. Due to this holistic view, opportunities and risks of developing foreign markets are supposed to be handled more effectively.

Weitere Bände in der Reihe http://www.springer.com/series/12608

Katrin Leifels

Stressoren und Ressourcen in der interkulturellen Teamarbeit Eine Analyse zur Prävention von arbeitsbedingtem Stress

Katrin Leifels Melbourne, Australien Dissertation Universität Bayreuth, Deutschland, 2018

ISSN 2627-1125 ISSN 2627-1133  (electronic) Internationale Wirtschaftspartner ISBN 978-3-658-26008-8 ISBN 978-3-658-26009-5  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-26009-5 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer Gabler © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informa­ tionen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer Gabler ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

Danksagung Viele Menschen haben mich auf dieser Reise begleitet, denen ich von ganzem Herzen meinen Dank aussprechen möchte. Zuallererst möchte ich Herrn Professor Dr. Kühlmann für die Geduld und kontinuierliche Unterstützung bei der Erstellung meiner Arbeit und meiner Vielzahl von Auslandsreisen danken. Herrn Professor Dr. Meckl danke ich für die Übernahme der Zweitbegutachtung und Herrn Professor Dr. Schmid möchte ich meinen Dank für die Übernahme des Prüfungsvorsitzes aussprechen. Ein besonderer Dank gebührt meinen Eltern und meinen Geschwistern Christin, Carolin und Luisa. Für die Begleitung in dieser nicht immer leichten Zeit, die Geduld und Ratschläge danke ich meinen Freunden und Kollegen, ganz besonders Sandra Storz, Dimitri Teplizki, Michael Goldhammer, Christoph Baumann, Claudia Meyer, Robert Wirth, Tanja Rabl, Ramona Heinz, Petra Hammon, Judy Weis, Sven Härtwig, Jan Krüger, Stefan Menzel, Nedra Trabelsi, Lena Kraus, Helene Bayer, Manuel Wolz, Wolfgang Jennert, Eric Unger, Maximilian Zimmermann, Ala Khanbashi und natürlich allen Teilnehmenden an meinen Interviews und Fragebögen. Ich danke euch, dass ihr in dieser Zeit an meiner Seite gewesen seid und mich aufgefangen habt, wann immer es nötig war. Ein weiterer Dank gilt der Friedrich-Ebert-Stiftung, deren Graduiertenförderung es mir ermöglicht hat, mich auf die Fertigstellung dieser Dissertation zu konzentrieren.

Inhaltsverzeichnis 1. Ausgangsbeobachtung ..................................................................... 1 1.1

Zielsetzung der Arbeit.............................................................. 3

1.2

Aufbau der Arbeit .................................................................... 4

2. Kulturelle Diversität als Forschungsgegenstand................................ 7 2.1

Definition und Konzepte kultureller Diversität ........................... 9

2.2

Nationalkulturen als Differenzierungskriterium ....................... 14

2.2.1 Kulturstandards .................................................................. 17 2.2.2 Kritische Reflexion .............................................................. 22 2.3

Kulturelle Diversität in Teams ................................................ 27

2.3.1 Definition des Teambegriffs................................................. 27 2.3.2 Multikulturelle Teams in Unternehmen ................................ 31 2.3.3 Auswirkungen kultureller Diversität in Teams ...................... 32 2.3.3.1

Chancen kultureller Diversität in Teams.................... 33

2.3.3.2

Risiken kultureller Diversität in Teams ...................... 35

2.3.3.3

Die Auswirkungen kultureller Diversität auf die Effizienz und Effektivität............................................ 39

2.3.4 Erklärungsansätze für die Auswirkungen kultureller Diversität ............................................................................ 41 2.4

Zusammenfassung und Operationalisierung kultureller Diversität in Teams................................................................ 48

3. Stress als Begriff in Alltag und Wissenschaft .................................. 51 3.1

Stresstheoretische Begriffsdefinition und Grundlagen ............ 51

3.2

Theoretische Konzepte und Modelle ...................................... 54

3.2.1 Das transaktionale Stressmodell von Lazarus ..................... 54 3.2.2 Das job-demand-control-Modell von Karasek ...................... 62

VIII

Inhaltsverzeichnis

3.2.3 Weiterentwicklung des job-demand-control-Modells ............ 67 3.2.4 Das Anforderungs-Belastungskonzept von Oesterreich und Volpert ......................................................................... 69 3.3

Komponenten und Auswirkungen von Stress ......................... 71

3.3.1 Stressoren als Ausgangspunkt für die Stressreaktion .......... 71 3.3.2 Ressourcen – Hilfsmittel im Stressprozess .......................... 79 3.3.3 Auswirkungen von Stress.................................................... 85 3.4

Zusammenfassung und Implikationen für die vorliegende Forschungsarbeit .................................................................. 88

4. Stress in multikulturellen Teams ..................................................... 91 4.1

Zusammenhänge zwischen Stress und Teamarbeit ............... 91

4.1.1 Stressoren der multikulturellen Teamarbeit ......................... 93 4.1.2 Ressourcen der multikulturellen Teamarbeit ........................ 97 4.2

Der Einfluss von Kultur auf einzelne Komponenten .............. 101

4.3

Implikationen für die empirische Studie................................ 106

5. Stress in multikulturellen Teams – qualitative Vorstudie ................ 109 5.1

Aufbau des Untersuchungsdesigns ..................................... 111

5.2

Durchführung der Befragung und Merkmale der Stichprobe . 113

5.2.1 Auswertung der qualitativen Befragung ............................. 115 5.2.2 Ergebnisse der Voruntersuchung ...................................... 116 5.2.2.1

Stressoren in multikulturellen Teams ...................... 116

5.2.2.2

Ressourcen in multikulturellen Teams .................... 129

5.2.2.3

Verwendete Bewältigungsstrategien ....................... 130

5.2.2.4

Auswirkungen ........................................................ 134

5.3

Zusammenfassung der Ergebnisse ..................................... 138

5.4

Ableitung der Untersuchungshypothesen............................. 141

Inhaltsverzeichnis

IX

6. Stress in multikulturellen Teams – quantitative Hauptuntersuchung ...................................................................... 149 6.1

Konzeption und Entwicklung der quantitativen Untersuchung ...................................................................... 149

6.1.1 Aufbau des Messinstruments ............................................ 156 6.1.2 Durchführung der quantitativen Untersuchung................... 168 6.1.3 Aufbereitung der Daten und Gütekriterien des Messinstruments............................................................... 171 6.1.4 Analyse der Daten ............................................................ 177 6.1.5 Beschreibung der Stichprobe ............................................ 179 6.2

Ergebnisse der quantitativen Untersuchung ......................... 183

6.2.1 Ergebnisse der Zusammenhangsanalysen ........................ 183 6.2.2 Ergebnisse der Gruppenvergleiche ................................... 202 6.2.3 Ergebnisse zu den verwendeten Bewältigungsstrategien .. 206 7. Diskussion der Ergebnisse und Implikationen der Studie .............. 211 7.1

Diskussion der Zusammenhangsanalysen ........................... 212

7.2

Diskussion der Gruppenvergleiche ...................................... 216

7.3

Diskussion der verwendeten Bewältigungsstrategien ........... 222

7.4

Einschränkungen der Studie ................................................ 223

7.5

Implikationen für die Forschung und die Praxis .................... 228

8. Zusammenfassung und Ausblick .................................................. 243 Literaturverzeichnis ............................................................................ 245 Anhang .............................................................................................. 267

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Drei Ebenen der mentalen Programmierung. ................... 10 Abbildung 2: Die drei Ebenen der Kultur nach Schein. .......................... 12 Abbildung 3: Kultur als zirkulärer Kreislauf............................................ 13 Abbildung 4: Auswirkungen kultureller Diversität auf die Effektivität. ..... 41 Abbildung 5: Der Kommunikationsprozess nach Gibson. ...................... 44 Abbildung 6: Categorization-Elaboration-Modell. .................................. 47 Abbildung 7: Das transaktionale Stressmodell nach Lazarus. ............... 55 Abbildung 8: Das job-demand-control-Modell von Karasek. .................. 64 Abbildung 9: Mögliche Wirkweisen sozialer Unterstützung. ................... 83 Abbildung 10: Erweiterung des transaktionalen Stressmodells um kulturrelevante Dimensionen. .................................... 102 Abbildung 11: Theoretisches Rahmenmodell zum Einfluss der Akkulturation auf den Stressprozess. ......................... 105 Abbildung 12: Aufbau der durchgeführten Untersuchung. ................... 110 Abbildung 13: Häufigkeit der vertretenen Nationalitäten. ..................... 114 Abbildung 14: Oberkategorien der sozialen Stressoren....................... 116 Abbildung 15: Ursprünge der Stressoren in der Oberkategorie soziales Verhalten der Teammitglieder. ..................... 117 Abbildung 16: Ursprünge der Stressoren in der Oberkategorie Kommunikation.......................................................... 120 Abbildung 17: Ursprünge der Stressoren in der Oberkategorie Arbeitseinstellung. ..................................................... 124 Abbildung 18: Ursprünge der Stressoren in der Oberkategorie Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit. .............. 126 Abbildung 19: Ursprünge der Stressoren in der Oberkategorie Führung..................................................................... 128 Abbildung 20: Oberkategorien der sozialen Ressourcen. .................... 129

XII

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 21: Oberkategorien der verwendeten Bewältigungsstrategien. ................................................................. 131 Abbildung 22: Auswirkungen auf das Arbeitsergebnis. ........................ 134 Abbildung 23: Auswirkungen auf die Teamarbeit. ............................... 135 Abbildung 24: Auswirkungen auf das Wohlbefinden............................ 137 Abbildung 25: Theoretisches Modell zu Stress in der Teamarbeit. ...... 140 Abbildung 26: Aufbau des Messinstruments. ...................................... 157

Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Arten der Diversität. ............................................................... 8 Tabelle 2: Übersicht der Kulturdimensionen nach Hofstede. ................. 19 Tabelle 3: Kulturdimensionen der GLOBE Studie. ................................ 21 Tabelle 4: Risiken und Chancen multikultureller Teams. ....................... 33 Tabelle 5: Arten und Definitionen von Stress. ....................................... 53 Tabelle 6: Die Lebensereignis Skala. ................................................... 72 Tabelle 7: Arten sozialer Unterstützung. ............................................... 82 Tabelle 8: Antwortskala für die Erfassung sozialer Stressoren. ........... 161 Tabelle 9: Antwortskala für die Erfassung wahrgenommener Ressourcen. ................................................................... 163 Tabelle 10: Antwortskala für die Erfassung des Beanspruchungsempfindens. ................................................................... 166 Tabelle 11: Antwortskala für die Erfassung des Wohlbefindens. ......... 168 Tabelle 12: Reliabilitätswerte der sozialen Stressoren. ....................... 174 Tabelle 13: Reliabilitätswerte der sozialen Ressourcen....................... 175 Tabelle 14: Reliabilitätswerte des Wohlbefindens. .............................. 176 Tabelle 15: Beschreibung der Stichprobe. .......................................... 181 Tabelle 16: Anzahl vertretener Nationalitäten. .................................... 183 Tabelle 17: Korrelationsmatrix für die multikulturellen Teams. ............. 185 Tabelle 18: Korrelationsmatrix für die monokulturellen Teams. ........... 187 Tabelle 19: Regressionsanalyse soziale Stressoren und Wohlbefinden. ................................................................ 189 Tabelle 20: Regressionsanalyse soziale Ressourcen und Wohlbefinden. ................................................................ 190

XIV

Tabellenverzeichnis

Tabelle 21: Regressionsanalyse mit einem Interaktionsterm bestehend aus Meinungsverschiedenheiten und der sozialen Unterstützung durch den Vorgesetzten. ............ 192 Tabelle 22: Regressionsanalyse mit einem Interaktionsterm bestehend aus Misstrauen und der sozialen Unterstützung durch den Vorgesetzten. .......................... 194 Tabelle 23: Regressionsanalyse mit einem Interaktionsterm bestehend aus sozialem Faulenzen und der sozialen Unterstützung durch den Vorgesetzten. .......................... 195 Tabelle 24: Regressionsanalyse mit einem Interaktionsterm bestehend aus Konflikten und der sozialen Unterstützung durch den Vorgesetzten. .......................... 196 Tabelle 25: Regressionsanalyse mit einem Interaktionsterm bestehend aus Missverständnissen und der sozialen Unterstützung durch den Vorgesetzten. .......................... 198 Tabelle 26: Regressionsanalyse mit einem Interaktionsterm bestehend aus der Diskriminierung und der sozialen Unterstützung durch den Vorgesetzten. .......................... 199 Tabelle 27: Regressionsanalyse mit einem Interaktionsterm bestehend aus der mangelhaften Informationsweitergabe und der sozialen Unterstützung durch den Vorgesetzten. .......................................................... 201 Tabelle 28: Ergebnisse der t-Tests für unabhängige Stichproben zu den sozialen Stressoren im Teamvergleich. .................... 202 Tabelle 29: Ergebnisse der t-Tests zu den sozialen Ressourcen im Teamvergleich. ............................................................... 204 Tabelle 30: Ergebnisse der t-Tests zu dem Wohl- und Beanspruchungsempfinden im Teamvergleich. ............... 206 Tabelle 31: Ergebnisse des Χ² Tests zu den verwendeten Bewältigungsstrategien................................................... 209

Tabellenverzeichnis

XV

Tabelle 32: Übersicht über die verwendeten Bewältigungsstrategien je Teamform. .................................................. 210 Tabelle 33: Ergebnisse der Hypothesenüberprüfung. ......................... 211

Abkürzungsverzeichnis BGM

Betriebliches Gesundheitsmanagement

CEM

Categorization-Elaboration-Modell

d

durch

df

degrees of freedom

DIS

Diskriminierung

e.V.

eingetragener Verein

f.

folgende Seite

FB

Fragebogen

ff.

folgende Seiten

GLOBE

Global Leadership and Organizational Behavior Effectiveness

IBGM

Interkulturelles betriebliches Gesundheitsmanagement

IBM

International Business Machines Corporation

IDV

Individualismusindex

JDCM

Job-Demand-Control-Modell

JDCSM

Job-Demand-Control-Support-Modell

KF

Konflikte

Kohae

Kohäsion

M

Mittelwert

max.

Maximum / maximal

MI

Misstrauen

min.

Minimum / minimal

MIS

Missverständnisse

MIW

Mangelhafte Informationsweitergabe

XVIII

Abkürzungsverzeichnis

Monokult.

Monokulturell(en)

Multikult.

Multikulturell(en)

MV

Meinungsverschiedenheiten

N

Anzahl

o.

oder

p

page

pp

pages

Part

gleichberechtigte Partizipation

Refl

Reflexivität

Res

Ressourcen

S.

Seite

SD

Standardabweichung

SF

soziales Faulenzen

soz.

sozial

SPSS

Statistical Package for the Social Sciences

Str.

Stressor

SUK

soziale Unterstützung (durch) Kollegen

SUV

soziale Unterstützung (durch den) Vorgesetzte(n)

TRAPD

Translation, Review, Adjunction, Pretesting & Documentation

Übers.

Übersetzung

u.U.

unter Umständen

Verf.

Verfasser(-in) der Arbeit

VIF

Varianz-Inflations-Faktor

vs.

Versus

WB

Wohlbefinden

Zusammenfassung Die Anzahl an Arbeitsunfähigkeitstagen auf Grund psychischer Erkrankungen ist in den vergangenen Jahren stark angestiegen. Dies und die dadurch entstehenden finanziellen Belastungen für Unternehmen begründen das Erfordernis, potenzielle Ursachen von Stress zu identifizieren und ihnen frühzeitig entgegenzuwirken. Entgegen dem Ansatz vorangegangener Forschungsarbeiten, die die Auswirkungen von Arbeitsstressoren auf Arbeitnehmer fokussieren, legt die vorliegende Untersuchung ihren Schwerpunkt auf Komponenten der sozialen Interaktion und ergänzt diese um die Auswirkungen kultureller Diversität in der Zusammenarbeit. Unter Berücksichtigung der zusätzlichen Anforderungen, die aus der Interaktion mit Menschen unterschiedlicher kultureller Hintergründe resultieren, untersucht die Autorin soziale Stressoren und Ressourcen, die in der Zusammenarbeit in multikulturellen Teams von Bedeutung sind. Mittels einer Kombination aus qualitativen und quantitativen Methoden werden zunächst relevante soziale Stressoren und Ressourcen herausgearbeitet. Auf den Ergebnissen aufbauend, werden diese anschließend mittels verschiedener statistischer Tests untersucht und mit den Daten von Mitgliedern monokultureller Teams verglichen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Mitglieder multikultureller Teams eine höhere Anzahl sozialer Stressoren wahrnehmen. Gleichzeitig zeigt sich, dass die Ausprägung sozialer Ressourcen von den Mitgliedern multikultureller Teams geringer bewertet wird als von den Mitgliedern monokultureller Teams. Trotz dieser Unterschiede sind zwischen mono- und multikulturellen Teams keine Unterschiede in ihrem Wohlbefinden erkennbar. Die Identifikation sozialer Stressoren und Ressourcen innerhalb multikultureller Teams gibt schließlich wichtige Hinweise, um Stress entgegenzuwirken, der durch die kulturelle Diversität in Teams begünstigt wird.

1. Ausgangsbeobachtung Nach einer aktuellen Untersuchung der Techniker Krankenkasse fühlen sich sechs von zehn Menschen in Deutschland gestresst (Wohlers & Hombrecher, 2016, S. 6). Den größten Anteil bilden dabei die befragten 30- bis 39-Jährigen, von denen 82% ihren Zustand als mindestens manchmal gestresst bewerten – 23% sogar häufig gestresst (Wohlers & Hombrecher, 2016, S. 7). Die Anzahl stressbedingter Krankschreibungen ist in den vergangenen 15 Jahren stetig gestiegen und liegt aktuell im Durchschnitt bei zweieinhalb Tagen pro Versichertem1 und Jahr. Dazu zählen auch Fälle psychischer Beschwerden wie Depressionen und Belastungsstörungen (Wohlers & Hombrecher, 2016, S. 2). Neben kurzfristigen Folgen, wie Reizbarkeit und Verstimmungen, kann sich Stress langfristig auf die psychische und physische Konstitution auswirken. Exemplarisch sind hier muskuloskelettale Beschwerden, wie Nacken- oder Rückenschmerzen, zu nennen (Lohmann-Haislah, 2012, S. 92ff.). Darüber hinaus liegen Studien vor, nach denen Stress zu einer Schwächung der Immunabwehr führen und das Risiko einer Infektionserkrankung steigern kann (Rigotti & Mohr, 2011). Die Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage auf Grund psychischer Erkrankungen ist in den vergangenen Jahren stark angestiegen: Unter den Versicherten der Deutschen Angestellten Krankenkasse ist in den letzten 20 Jahren sogar eine Verdreifachung zu verzeichnen (Storm, 2017, S. 21). Psychische Erkrankungen zählen, nicht zuletzt auf Grund ihrer Dauer von durchschnittlich 38,1 Tagen, zu den häufigsten und kostenintensivsten Erkrankungen (Storm, 2017, S. 19). Die Aussagekraft von Umfragen und Krankenstandstatistiken über die Prävalenz psychischer Erkrankungen ist jedoch kritisch zu betrachten. Konkret stellt sich die Frage, inwieweit es sich bei der unterstellten Zunahme psychischer Erkrankungen wirklich um einen Anstieg der Fälle tatsächlicher Erkrankungen oder lediglich um eine Steigerung der 1

Im Folgenden wird in der vorliegenden Arbeit lediglich die generisch männliche Form verwendet. Die weibliche Variante wird dabei stets gedanklich eingeschlossen. Dieses Vorgehen dient einzig der sprachlichen Vereinfachung.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 K. Leifels, Stressoren und Ressourcen in der interkulturellen Teamarbeit, Internationale Wirtschaftspartner, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26009-5_1

2

1 Ausgangsbeobachtung

Behandlungszahlen handelt (Richter, Buruck, Nebel & Wolf, 2011). Der angeführte Anteil psychischer Erkrankungen umfasst schließlich auch jene, die nicht kausal mit Stress in Verbindung stehen. Auch wenn der Anstieg an Diagnosen keineswegs ausschließlich auf mögliche Veränderungen der Arbeitswelt alleine zurückzuführen ist (LohmannHaislah, 2012, S. 9), sind doch die volkswirtschaftlichen Kosten erheblich: Die Hans-Böckler-Stiftung hat in einer Studie direkte Kosten in Höhe von 9,9 Milliarden Euro und indirekte Kosten in Höhe von 19,3 Milliarden Euro ermittelt, die in einem Zusammenhang mit psychischen Belastungen am Arbeitsplatz stehen sollen (Bödeker & Friedrichs, 2011). Psychische Belastungen können darüber hinaus auch das organisationale Verhalten, wie das Leistungsverhalten der Mitarbeiter, negativ beeinflussen. Ein Anstieg von Fehlzeiten, eine Abnahme der Motivation und eine nachlassende Qualität der Arbeit können daraus folgen. Psychische Belastungen haben damit nicht nur negative Auswirkungen auf das Individuum, sondern auch auf die Organisationen insgesamt (Holz, Zapf & Dormann, 2004). Die in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik geführte Diskussion zu Stress am Arbeitsplatz beruht meist auf angenommenen Wirkungszusammenhängen zwischen psychischen Beschwerden und Belastungen am Arbeitsplatz (Lohmann-Haislah, 2012, S. 7). Oftmals werden die Veränderungen der Arbeitswelt und die damit verbundene Zunahme psychischer Arbeitsbelastung als Gründe für einen Anstieg der Arbeitsunfähigkeitstage genannt (Lohmann-Haislah, 2012, S. 12). Tatsächlich ist in der Arbeitswelt eine Verschiebung von Belastungspotenzialen zu beobachten. Während die Anzahl physischer Belastungspotenziale in den vergangenen Jahren zurückgegangen ist, sind die psychischen Belastungen gestiegen (Lohmann-Haislah, 2012, S. 11f.). Die Hintergründe dafür sind vielfältig: Die Informatisierung führt zu einem Anstieg der Nutzung moderner Kommunikationsmedien und erlaubt örtlich und zeitlich flexibles Arbeiten. Die Arbeit wird dadurch zunehmend entgrenzt (Lohmann-Haislah, 2012, S. 11). Neben diesen Entwicklungen haben sich Prozesse beschleunigt, was teilweise zu einer Erhöhung der Komplexität von Arbeitsaufgaben und Lernanforderungen beiträgt (Lohmann-Haislah, 2012, S. 11). Weiterhin führen Globalisierungsprozesse zu einer Diversifikation unternehmerischer Personalstrukturen und zu einer grenz- und zeitzonen-

1.1 Zielsetzung der Arbeit

3

überschreitenden Interaktion zwischen Angehörigen verschiedener Nationalitäten (Rohn, 2006, S. 1ff.). Multikulturell zusammengesetzte Teams sind zu einem festen Element in Organisationen geworden (Rohn, 2006, S. 5). Dies beruht nicht zuletzt auf der Annahme, dass mit dem Einsatz solcher Teams verschiedene Sichtweisen, Erfahrungen und Fähigkeiten gebündelt und Synergieeffekte generiert werden können (vgl. Podsiadlowski, 2002b, S. 17; Rohn, 2006, S. 5). Neben den potenziell positiven Auswirkungen gibt es jedoch auch Hinweise darauf, dass die kulturelle Diversität in Teams die Anzahl von psychischen Belastungen erhöht (Pines & Zaidman, 2014). Unterschiedliche Verhaltensstandards oder Kommunikationsregeln können in der Zusammenarbeit zu Missverständnissen (Jäkel, 2008, S. 103f.), Misstrauen (Adler & Gundersen, 2008, S. 135f.) und Konflikten (Köppel, 2008, S. 286ff.) führen. Es liegt zwar eine Vielzahl von Studien vor, die die Auswirkungen kultureller Diversität in Teams, vor allem in Bezug auf verschiedene Outputvariablen, untersuchen (vgl. Halverson & Tirmizi, 2008; Jäkel, 2008; Podsiadlowski, 2002b; Winkler, 2011), aber nur wenige empirische Studien erforschen die Spezifika kultureller Diversität in Teams und deren mögliche Zusammenhänge mit der Entstehung von Stress (Pines & Zaidman, 2014). Die vorliegende Forschungsarbeit soll diese Forschungslücke schließen. 1.1

Zielsetzung der Arbeit

Vor dem Hintergrund des geschilderten Spannungsverhältnisses von Stress und der Arbeit in multikulturell zusammengesetzten Teams ist es das Ziel dieser Untersuchung, Spezifika des Stressprozesses in multikulturellen Teams zu identifizieren und zu analysieren. Dazu werden zunächst stressauslösende Faktoren, die in der direkten Interaktion zwischen Mitgliedern multikultureller Teams gehäuft auftreten, identifiziert. Insbesondere sollen auch jene Aspekte herausgearbeitet werden, die dazu beitragen, die Auswirkungen stressauslösender Faktoren zu mindern oder zu einer Verbesserung des Wohlbefindens beitragen können. Dabei wird der Fokus auf jene Faktoren gelegt, die aus der persönlichen Interaktion in Arbeitsteams resultieren.

4

1 Ausgangsbeobachtung

Die Arbeit soll einen Beitrag dazu leisten, stressindizierende kulturimmanente Probleme frühzeitig zu erkennen und ihnen präventiv entgegenzuwirken. Dazu werden in einem abschließenden Teil auf Basis der Untersuchung Handlungsempfehlungen formuliert. Die Chancen multikultureller Teamarbeit sollen dadurch bestmöglich genutzt und stressbedingte Risiken reduziert werden. 1.2

Aufbau der Arbeit

Die Untersuchung geht dabei folgendermaßen vor: Im zweiten Kapitel erfolgt eine Darstellung der relevanten Begriffe, Definitionen und theoretischen Konzepte. Ausgehend von der thematischen Ausrichtung dieser Arbeit, werden zunächst die Begriffe Diversität und Kultur diskutiert. Darauf aufbauend erfolgt eine Präzisierung des Begriffs der Teamarbeit einschließlich der Chancen und Risiken, die sich aus dem Einsatz multikultureller Teams ergeben. Im dritten Kapitel wird der Begriff Stress erläutert und es werden in Anlehnung an verschiedene Konzepte der Literatur die einzelnen relevanten Komponenten vorgestellt. Auf dieser Basis werden die vorangegangenen theoretischen Grundlagen in Kapitel 4 zusammengeführt, und die vorgestellten Konzepte auf die Zusammenarbeit in multikulturellen Teams angewandt. In Kapitel 5 werden die bis dahin abgeleiteten Fragestellungen mittels einer qualitativen Untersuchung auf ihre praktische Relevanz hin überprüft und erweitert. Die Ergebnisse werden anschließend zusammengeführt und bilden die Grundlage der weiteren Arbeit. Ausgehend von den Ergebnissen der qualitativen Untersuchung und den daraus abgeleiteten Untersuchungshypothesen findet in Kapitel 6 die Konzeption eines quantitativen Untersuchungsinstruments statt. Dabei werden sowohl die Entwicklung, der Aufbau und die darin enthaltenen Konstrukte als auch die Durchführung der Untersuchung diskutiert. Nach der Präsentation der Ergebnisse schließt sich eine Diskussion in Kapitel 7 an. Es folgen Einschränkungen und Implikationen für die zukünftige Forschung. Abschließend werden eine Reihe von Handlungsempfehlungen vorgestellt,

1.2 Aufbau der Arbeit

5

durch die der Einsatz multikultureller Teams zukünftig stressvermindert erfolgen soll.

2. Kulturelle Diversität als Forschungsgegenstand Um sich kultureller Diversität nähern zu können, ist es zunächst notwendig, den dieser Arbeit zu Grunde liegenden Diversitätsbegriff zu definieren. Der Ursprung für das Wort Diversität findet sich im englischsprachigen Begriff diversity. Übersetzt bedeutet dieser Verschiedenartigkeit, Ungleichheit (Langenscheidt GmbH & Co. KG, 2016). Diversität beschreibt Unterschiede zwischen einzelnen Personen oder Gruppen hinsichtlich bestimmter Merkmale, wie Werte, Normen, Weltanschauungen und Einstellungen (Podsiadlowski, 2002b, S. 16). Darüber hinaus wird das Konzept der Diversität für unterschiedliche Formen der Zusammensetzung von Gruppen verwendet (Podsiadlowski, 2002a). Grundsätzlich wird unter Diversität die Wahrnehmung von Individuen oder Gruppen als anders verstanden (Podsiadlowski, 2002a). Der Begriff wird seit den 1990er Jahren vor allem im organisationalen Kontext sowie dem wissenschaftlichen Diskurs verwendet (Lederle, 2008, S. 14). Die Unterscheidungsmerkmale sind vielseitig. Häufig verwendete Merkmale sind Geschlecht, Rasse, Kulturraum, Nationalität, Alter, ethnische Zugehörigkeit und auch der Beruf (Podsiadlowski, 2002b, S. 16). Diversität lässt sich in beobachtbare und nicht beobachtbare Unterschiede differenzieren. Während die erstgenannte Form in der Regel sehr schnell erkennbar ist, beispielsweise im Alter oder im Geschlecht (Milliken & Martins, 1996), kommen die nicht beobachtbaren Unterschiede erst in einem längeren Zeitverlauf, mitunter sogar nie, zu Tage. Zur Verdeutlichung der beobachtbaren und nichtbeobachtbaren Unterschiede soll Tabelle 1 dienen. Nicht beobachtbare Unterschiede sind beispielsweise persönliche Eigenschaften wie der Bildungsgrad oder vorhandene Wertvorstellungen. Auch wenn es schwierig ist, vor allem nicht beobachtbare Unterschiede zu erfassen, sind die beiden genannten Ebenen stark miteinander verknüpft. Ethnische Zugehörigkeiten werden im Laufe einer Diskussion schnell durch die Sprache ersichtlich und damit beobachtbar. Dennoch gehen mit beobachtbaren Unterschieden oft auch unterschiedliche Wertvorstellungen einher, welche den nicht beobachtbaren Unterschieden zuzuordnen sind. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 K. Leifels, Stressoren und Ressourcen in der interkulturellen Teamarbeit, Internationale Wirtschaftspartner, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26009-5_2

8

2 Kulturelle Diversität als Forschungsgegenstand

Tabelle 1: Arten der Diversität. Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Milliken, F. J. & Martins, L. L. (1996, S. 418). Arten der Unterschiede

Beobachtbare, individuelle Unterschiede

Nichtbeobachtbare, individuelle Unterschiede

Unterschiede in Eigenschaften Unterschiedliche Werte Sozioökonomische Hintergründe Kulturelle Werte Persönlichkeit Nationalität Arten der Diversität

Alter

Unterschiede in Wissen und Fähigkeiten

Ethnischer Hintergrund

Beruflicher Werdegang

Geschlecht

(Branchen-) Erfahrung (Fach-) Wissen Funktionaler Hintergrund Unterschiede in Kohorten oder Mitgliedschaften Kohorten Mitgliedschaft Gruppen Mitgliedschaften

Im weiteren Verlauf wird sich diese Arbeit primär mit der kulturellen Diversität befassen. Um eine Grundlage für die weitere Untersuchung zu schaffen, werden zunächst verschiedene Definitionen und Differenzierungsmöglichkeiten kultureller Diversität vorgestellt.

2.1 Definition und Konzepte kultureller Diversität

2.1

9

Definition und Konzepte kultureller Diversität

Für den Kulturbegriff existieren zahlreiche unterschiedliche Definitionen. Dies resultiert vor allem aus der Verwendung des Kulturbegriffs und -gegenstands in den unterschiedlichsten wissenschaftlichen Disziplinen und Diskursen. Im Weiteren erfolgt zunächst eine Übersicht über die Merkmale verschiedener Konzepte von Kultur mit dem Ziel, die Gemeinsamkeiten dieser herauszuarbeiten und anschließend zusammenzufassen. Eine der am häufigsten zitierten Kulturdefinitionen lieferten die beiden Anthropologen Kroeber und Kluckhohn (1963): Culture consists of patterns, explicit and implicit, of and for behavior acquired and transmitted by symbols, constituting the distinctive achievement of human groups, including their embodiments in artefacts; the essential core of culture consists of traditional (i.e. historically derived and selected) ideas and especially their attached value; culture systems may, on the one hand, be considered as products of action, on the others conditioning elements of further action.2 (Kroeber & Kluckhohn, 1963, S. 357) Kultur besteht damit aus einer ganzen Reihe unterschiedlicher Verhaltensmuster, welche die Handlungen der Angehörigen sozialer Gruppen beeinflussen. Neben den nach außen hin sichtbaren Aspekten beinhaltet die implizite Kultur ein Set von ungeschriebenen Prämissen und Kategorien (Kroeber & Kluckhohn, 1963, S. 308). Die Kultur beeinflusst somit nicht nur, wie sich Personen einer Gruppe verhalten – „Any culture is a system of expectancies“ (Kroeber & Kluckhohn, 1963, S. 308) – sondern sie beinhaltet auch Erwartungen und implizite Regeln darüber, welches Verhalten von einer Gruppe belohnt und bestraft wird (Kroeber & Kluckhohn, 1963, S. 308). Die Grundlage für die von Kroeber und Kluckhohn vorgestellte

2

Kultur besteht aus expliziten und impliziten Verhaltensmustern, die durch Symbole angeeignet und vermittelt werden, geschaffen durch die charakteristischen Errungenschaften menschlicher Gruppen einschließlich ihrer Darstellungen und Artefakte. Der wesentliche Kern einer Kultur besteht aus den traditionellen (d.h. historisch abgeleiteten und ausgewählten) Ideen und insbesondere deren dazugehörenden Werten. Kultursysteme können einserseits Produkte von Handlungen, andererseits die Grundlage für zukünftige Handlungen sein. Übers. d. Verf. nach Kroeber & Kluckhohn (1963, S. 357).

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2 Kulturelle Diversität als Forschungsgegenstand

Definition des Kulturbegriffs bildet eine Sammlung aus rund 165 Definitionen. Kultur ist, ausgehend von der vorangestellten Definition, das Ergebnis von Ideen und Handlungen, die auf Traditionen basieren und zukünftige Handlungen beeinflussen. Hofstede und Hofstede (2006) beschreiben Kultur als ein Set aus „Denk-, Fühl- und Handlungsmuster[n]“ (Hofstede & Hofstede, 2006, S. 4). Dieses Set wird von allen oder nahezu allen Mitgliedern einer sozialen Gruppe beziehungsweise denen, die in demselben sozialen Umfeld leben, geteilt (Hofstede & Hofstede, 2006, S. 4). „Sie ist die kollektive Programmierung des Geistes, die die Mitglieder einer Gruppe oder Kategorie von Menschen einer anderen unterscheidet“ (Hofstede & Hofstede, 2006, S. 4). Dabei sollte die Kultur von individueller Persönlichkeit und der menschlichen Natur unterschieden werden, was durch Abbildung 1 verdeutlicht wird.

Individuumsspezifisch

Gruppenspezifisch

Persönlichkeit

Vererbt und erlernt

Erlernt Kultur

Universell

Vererbt Menschliche Natur

Abbildung 1: Drei Ebenen der mentalen Programmierung. Quelle: Eigene Darstellung, adaptiert nach Hofstede, G.H. & Hofstede, G.J. (2006, S. 4); mit freundlicher Genehmigung von ã Deutscher Taschenbuchverlag 2006. All rights reserved.

Ausgehend von Abbildung 1 bildet die Persönlichkeit die oberste Ebene der mentalen Programmierung. Sie ist eine Kombination aus verschiedenen mentalen Programmen, deren Zusammensetzung einzigartig ist. Sie basiert auf gesammelten Erfahrungen und dem Einfluss der Kultur

2.1 Definition und Konzepte kultureller Diversität

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(Hofstede & Hofstede, 2006, S. 5). Die Kultur stellt dabei ein gruppenspezifisches Konstrukt dar, welches erlernt wurde und sich aus dem sozialen Umfeld des Individuums ableitet. Die Basis für diese beiden Ebenen ist die menschliche Natur. Sie ist die universelle Ebene der mentalen Software und wird von allen Menschen geteilt (Hofstede & Hofstede, 2006, S. 5). Die kulturellen Zugehörigkeiten sowie Unterschiede manifestieren sich vor allem durch Werte, Rituale, Helden und Symbole (Hofstede & Hofstede, 2006, S. 7). Werte sind „die allgemeine Neigung, bestimmte Umstände anderen vorzuziehen“ (Hofstede & Hofstede, 2006, S. 9) und werden bereits früh erworben. Rituale sind hingegen kollektive Tätigkeiten, die als sozial notwendig erachtet werden, für sich genommen allerdings zur Zielerreichung nicht notwendig sind (Hofstede & Hofstede, 2006, S. 8). Helden weisen hingegen bestimmte Eigenschaften auf, die in einer Kultur als bedeutsam angesehen werden. Sie fungieren als Verhaltensvorbilder und können auch einem fiktiven Charakter entsprechen. Symbole sind Objekte, Bilder o.Ä., die eine konkrete Bedeutung haben und nur von den Angehörigen der gleichen Kultur erkannt werden (Hofstede & Hofstede, 2006, S. 7f.). All diese Aspekte können unter dem Begriff der Praktiken zusammengefasst werden, wobei die Werte den Kern der Kultur bilden (Hofstede & Hofstede, 2006, S. 9). Ähnlich argumentiert Schein (2010): The culture of a group can now be defined as a pattern of shared basic assumptions learned by a group as it solved its problems of external adaption and internal integration, which has worked well enough to be considered valid, and therefore, to be taught to new members as the correct way to perceive, think, and feel in relation to those problems.3 (Schein, 2010, S. 18)

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Die Kultur einer Gruppe kann definiert werden als Muster geteilter Annahmen, die von einer Gruppe zur Lösung der Probleme externer Adaption und interner Integrierung erlernt wurden und gut genug wirken, um als valide betrachtet zu werden und daher neuen Mitgliedern als korrekte Art der Wahrnehmung, des Denkens und des Fühlens gegenüber diesen Problemen beigebracht wird. Übers. d. Verf. nach Schein (2010, S. 18).

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2 Kulturelle Diversität als Forschungsgegenstand

Nach Schein (2010, S. 24) setzt sich die Kultur aus drei aufeinander aufbauenden Ebenen zusammen, die in Abbildung 2 dargestellt werden.

Artefakte

Vorstellungen und Werte

Unbewusste Basisannahmen

Abbildung 2: Die drei Ebenen der Kultur nach Schein. Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Schein, E. (2010, S. 24).

Die Grundlage der menschlichen Wahrnehmung bilden nach Schein (2010) unbewusste Basisannahmen. Der Begriff der Basisannahmen ist dabei vom Begriff der Basiswerte abzugrenzen: Basiswerte bieten nach Schein (2010, S. 23) mehr Spielraum für Diskussionen, als Annahmen dies tun, weshalb er sich explizit für die Verwendung des Begriffs der Annahmen ausspricht. Diese bilden unbewusste kulturelle Grundannahmen und stellen damit die grundlegendste Ebene seines Modells dar. Es handelt sich um unbewusst angenommene Vorstellungen wie auch Werte. Diese bestimmen das Verhalten, die Wahrnehmungen, die Gefühle und die Denkweisen (Schein, 2010, S. 23ff.). Hierunter fallen beispielsweise Zeitund Raumkonzepte. Die darüberliegende Ebene besteht aus unterstützenden Vorstellungen und Werten. Hierunter fallen beispielsweise Ziele, Ansprüche, Ideologien, aber auch Regeln (Schein, 2010, S. 24). Wichtig ist, dass es sich ausgehend von der zuvor dargelegten Begriffsdefinition von Schein um geteilte Werte handeln muss. Sie sind in der Regel unbewusst, können jedoch als bewusstseinsfähig betrachtet werden (Podsiadlowski, 2002b, S. 35). Diese zweite Ebene ist nur zu einem geringen Teil für Außenstehende erkennbar.

2.1 Definition und Konzepte kultureller Diversität

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Die dritte und damit oberste Ebene einer Kultur bilden Artefakte (Schein 2010, S. 23f.). Zu diesen zählen sichtbare und spürbare Strukturen, Prozesse sowie das beobachtbare Verhalten. Beispiele sind Umgangsformen und Rituale. Die Bestandteile dieser Ebene sind sichtbar, jedoch zugleich für Außenstehende nur schwer zu entschlüsseln (Schein, 2010, S. 24). Das Drei Ebenen Modell der Kultur von Schein (2010, S. 23ff.) zeigt besonders deutlich die Stabilität kultureller Prägung. Die unbewussten kulturellen Basisannahmen, die am wenigsten sichtbar sind, sind zugleich die stabilsten Annahmen (Podsiadlowski, 2002b, S. 34). Adler und Gundersen (2008, S. 19) stellen Kultur als einen zirkulären Kreislauf dar, der die kulturelle Orientierung einer Gesellschaft ausdrückt und sich aus der Kultur, den Werten, den Einstellungen und dem Verhalten zusammensetzt. Dieser zirkuläre Kreislauf ist Abbildung 3 dargestellt.

Kultur

Verhalten

Werte

Einstellungen

Abbildung 3: Kultur als zirkulärer Kreislauf. Quelle: Eigene Darstellung, adaptiert nach Adler N. & Gundersen, A. (2008, S. 19); mit freundlicher Genehmigung von ã Nancy Adler 2019. All rights reserved.

Angehörige einer Kultur drücken ihre Kultur und deren normative Qualitäten durch Werte aus. Diese beziehen sich auf ihr Leben und die Welt um sie herum und beeinflussen ihre Einstellungen (Adler & Gundersen, 2008, S. 19f.). Einstellungen nehmen Einfluss auf Reaktionen und Handlungen als Komponenten des Verhaltens. Darunter fällt beispielsweise der

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2 Kulturelle Diversität als Forschungsgegenstand

Körperabstand zwischen zwei Menschen in der Interaktion. Diese sich ständig ändernden Verhaltensmuster von Einzelnen oder ganzen Gruppen beeinflussen wiederum die gesellschaftliche Kultur, wodurch der Kreislauf wieder von vorne beginnt (Adler & Gundersen, 2008, S. 20). Kultur ist damit einem ständigen Wandel unterzogen. Resümierend lässt sich unter Anbetracht der vorgestellten Konzepte und weiterer in der Literatur zu findenden Punkte Folgendes zusammenfassen: - Kultur besteht aus expliziten und impliziten Verhaltensmustern (Kroeber & Kluckhohn, 1963, S. 357) - Kultur wird im Rahmen der Sozialisation erworben und durch persönliche Erfahrungen ergänzt (Hofstede & Hofstede, 2006, S. 2ff.) - Kultur wird von den Angehörigen einer sozialen Gruppe geteilt (Rohn, 2006, S. 21) - Kultur fungiert als Orientierungssystem für die ihr angehörenden Personen oder Gruppen (Thomas, 2005b) - Werte, Einstellungen, Verhalten und die Wahrnehmung der Umwelt werden von der Kultur beeinflusst. Angehörige unterschiedlicher sozialer Gruppen können Situationen daher anders wahrnehmen und differenzierte Verhaltensweisen oder Einstellungen aufweisen (Adler & Gundersen, 2008, S. 19f.) - Individuen können gleichzeitig mehreren Kulturen angehören (Kühlmann, 2008, S. 37) - Kultur dient als Differenzierungskriterium von Gruppen (Hofstede & Hofstede, 2006, S. 4.; Podsiadlowski, 2002b, S. 33) - Kultur unterliegt einem ständigen Wandel (Podsiadlowski, 2002b, S. 33). 2.2

Nationalkulturen als Differenzierungskriterium

Basierend auf den unterschiedlichen Definitionen stellt sich die Frage, wie sich Kulturen entwickeln und wodurch die Angehörigen einer Kultur beeinflusst werden. Eine wesentliche Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang dem sozialen System zu, in welchem sich das Individuum aufhält:

2.2 Nationalkulturen als Differenzierungskriterium

15

Das Konzept einer gemeinsamen Kultur gilt primär für Gesellschaften (Hofstede & Hofstede, 2006, S. 22). Gleichzeitig üben auch Staaten ein hohes Maß an geteilter mentaler Programmierung aus. Staaten umfassen in der Regel verschiedene Gruppen, zu denen auch Minoritäten zählen. Diese Gruppen bilden ein historisch gewachsenes Ganzes (Hofstede & Hofstede, 2006, S. 22). Die Menschen innerhalb eines Staates werden durch verschiedene Aspekte beeinflusst. Zu diesen zählen: -

„(normalerweise) [mindestens] eine dominante Landessprache, gemeinsame Massenmedien, ein nationales Bildungssystem [wie Schulen oder Universitäten], nationale Streitkräfte, ein nationales politisches System, eine nationale Vertretung bei Sportveranstaltungen mit starkem symbolischen und emotionalen Charakter [wie der Olympiade oder Fußballweltmeisterschaften]“ (Hofstede & Hofstede, 2006, S. 22).

Natürlich sind Staaten nicht geschlossen und unterliegen äußeren Einflüssen. Dennoch beeinflussen und prägen die genannten Aspekte die Menschen innerhalb eines Staates (Hofstede & Hofstede, 2006, S. 22f.). Die Nationalkultur gilt in diesem Zusammenhang als besonders identitätsstiftend (Ladmiral & Lipiansky, 2000, S. 157ff.). Eine Nationalkultur ist „die Kultur, [der] eine große Anzahl von Menschen, die einer Nation per Geburt angehören oder sich ihr zugehörig fühlen, im Verlauf ihrer Geschichte entwickelt haben und [die sie] als für sie verbindlich und daseinsbestimmend definieren“ (Thomas, 2005a, S. 33). Die Nationalkultur beinhaltet eine Art kollektives Bewusstsein für die Angehörigen einer Kultur (Thomas, 2005a). Mit seiner Definition schließt Thomas (2005a) nicht nur diejenigen ein, die per Geburt einer Nation zugeordnet sind, sondern auch jene, die zugewandert sind oder sich ihr anderweitig zugehörig fühlen. Hinzu kommt, dass sich die Nationalkultur durch einen stetigen Wandel von Werten ändert. Dadurch wird deutlich, dass es sich bei der Nationalkultur nicht um ein unbewegliches Gebilde handelt, sondern sie vielmehr Individuen gegenüber offen ist, insofern sie die Kultur für sich als verbindlich definieren. Sie kann bezeichnet werden als die Verkörperung des kollektiven Bewusstseins durch seine

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2 Kulturelle Diversität als Forschungsgegenstand

Bevölkerung (Thomas, 2005a). Dieses beinhaltet Werte, Regeln wie Gesetze und Sitten, ethisch-moralische Überzeugungssysteme wie Religionen sowie Menschenbilder. Durch die Erweiterung um die Religion geht Thomas (2005a) noch einen Schritt weiter als Hofstede und Hofstede (2006). Dabei ist zu beachten, dass es individuelle Abweichungen von diesen Normen und Orientierungen gibt. Persönlichkeiten, sozioökonomischer Hintergrund und soziales Umfeld prägen und formen Menschen ebenfalls stark. Trotz der Bedeutung der Staatsangehörigkeit wäre es dennoch inkorrekt, sich lediglich auf die Staatsangehörigkeit von Individuen zu beschränken. Immerhin bestehen auch innerhalb von Staaten unterschiedliche ethnische wie auch religiöse oder gar sprachliche Gruppen, die wiederum ihre Spezifika aufweisen. Daher ist zu hinterfragen, inwieweit eine Operationalisierung der kulturellen Zugehörigkeit über die Nationalität überhaupt zweckdienlich ist oder es nicht adäquater wäre, andere intranationale Diversitäten zu erfassen und über diese die kulturelle Zugehörigkeit zu operationalisieren. Zur Beurteilung dieser Frage wird eine Studie von Stahl, Maznevski, Voigt und Jonsen (2010) herangezogen. Diese untersuchten im Rahmen einer Metastudie die Auswirkungen kultureller Diversität in Teams auf der Grundlage von 108 empirischen Studien. Die Forschungsgruppe konzentrierte sich dabei auf zwei verschiedene Formen kultureller Diversität: Zum einen analysierte sie die Auswirkungen zwischenstaatlicher Diversität. Diese liegt vor, wenn Mitglieder eines Teams verschiedenen Nationalitäten angehören. Zum anderen untersuchte sie die Auswirkungen intranationaler Diversität, die sich auf Unterschiede von Menschen innerhalb eines Landes bezieht. Ein Beispiel soll dazu dienen, mögliche Unterschiede oder auch Gemeinsamkeiten zu verdeutlichen: Es kann beispielsweise angenommen werden, dass es zwischen englischsprachigen Kanadiern und Amerikanern in einigen Bereichen mehr Ähnlichkeiten gibt als zwischen frankophonen und anglophonen Kanadiern (Stahl et al., 2010). Bei einer näheren Analyse der zu Grunde liegenden Studien konnten Stahl et al. (2010) jedoch keine signifikanten Unterschiede zwischen zwischenstaatlichen und intranationalen Diversitäten in Teams feststellen (Stahl et al., 2010). Das Ergebnis ver-

2.2 Nationalkulturen als Differenzierungskriterium

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deutlicht, dass die Nationalität als Diversitätskriterium durchaus geeignet ist. 2.2.1

Kulturstandards

Werden Kulturen als Orientierungssystem für die ihnen angehörenden Mitglieder begriffen, stellt sich die Frage nach möglichen kulturspezifischen Merkmalen zur Orientierung. Diese können verschiedene Kontexte wie die soziale Interaktion von Angehörigen einer Kultur untereinander umfassen und sollen dazu dienen, Länder miteinander vergleichbar zu machen oder Aussagen über Werte oder in die Zukunft gerichtetes Verhalten von Angehörigen einiger Länder treffen zu können. Zu der Fragestellung gibt es eine Vielzahl von Forschungen und Veröffentlichungen, zum Beispiel Brislin (2008), Hofstede (2006a) oder Thomas (2005b). Kulturstandards lassen sich durch die folgenden Merkmale kennzeichnen (Thomas, 2005b): - Sie umfassen Arten des Handelns, Denkens und der Wahrnehmung, die von der Mehrheit der Angehörigen einer Kultur als normal und verbindlich betrachtet wird. - Sie besitzen eine Regulationsfunktion bezüglich des als angemessen empfundenen Umgangs mit Personen oder auch der Bewältigung von Situationen. - Sie beeinflussen, steuern und beurteilen fremdes sowie eigenes Verhalten. - Gruppenspezifische oder individuelle Abweichungen im Umgang mit den Standards zur Verhaltensregulation4 können variieren. - Verhaltensweisen außerhalb der gruppen- und bereichsspezifischen Grenzen unterliegen der Ablehnung und Sanktionen durch die soziale Umwelt. Aus den dargelegten fünf Merkmalen lassen sich verschiedene kulturspezifische Standards ableiten. Deutsche Kulturstandards beinhalten zum Beispiel eine hohe Sach- und Regelorientierung (Thomas, 2005b). Diese 4

Unter Regulation werden psychisch lenkende und formende Handlungsänderungen verstanden (Busch, 2004).

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2 Kulturelle Diversität als Forschungsgegenstand

Standards können allerdings nur dabei helfen, allgemeine Merkmale einzelner Kulturen zu beschreiben. Sie ermöglichen keine Generalisierbarkeit von Aussagen über die Mitglieder bestimmter Kulturen oder gar eine ganzheitliche Beschreibung Angehöriger bestimmter Kulturen. Hinzu kommt, dass es keine eindeutig standardisierte Klassifikation von Kulturdimensionen gibt. Zwei Klassifikationen, die in der Sozialwissenschaft dominieren, werden im Folgenden vorgestellt: Zum einen handelt es sich um die Kulturdimensionen von Hofstede (1980) sowie der GLOBE Studie (Global Leadership and Organizational Behavior Effectiveness) von House, Hanges, Javidan, Dorfmann und Guptta (2006). „Eine Dimension ist ein Aspekt einer Kultur, der sich im Verhältnis zu anderen Kulturen messen lässt“ (Hofstede & Hofstede, 2006, S. 29–30). Grundlage für die klassifizierten Kulturdimensionen von Hofstede war eine fragebogenbasierte Studie bereits Ende der 1960/70er Jahre, an welcher rund 11.600 Mitarbeiter des IBM Konzerns in mehr als 50 Ländern teilnahmen. Im Zuge weiterer Wiederholungen der Studie erarbeitete Hofstede zunächst vier, im weiteren Verlauf seiner Arbeit sechs Kulturdimensionen. Die einzelnen Dimensionen basieren auf durchgeführten Zusammenhangs- und Faktoranalysen zwischen den Angehörigen verschiedener Länder. Eine Übersicht der Dimensionen ist in Tabelle 2 aufgeführt.

2.2 Nationalkulturen als Differenzierungskriterium

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Tabelle 2: Übersicht der Kulturdimensionen nach Hofstede. Quelle: Eigene Darstellung. Kulturdimension

Beschreibung

Machtdistanz

Die Machtdistanz ist der „Gradmesser für die Ungleichheit in der Gesellschaft“ (Hofstede & Hofstede, 2006, S. 53). Sie zeigt die Erwartung der ungleichen Machtverteilung und das Ausmaß der Akzeptanz der damit einhergehenden (Un-)Gleichheit einer Gesellschaft. Hofstede geht dabei von dem Wertesystem des Schwächeren aus, das heißt das Ausmaß in dem die schwächeren Mitglieder einer Gesellschaft die Machtungleichheit akzeptieren (Hofstede & Hofstede, 2006, S. 59). Bei einer gering ausgeprägten Machtdistanz präferieren die Mitglieder einer Gesellschaft eine so gering wie möglich wahrgenommene Ungleichheit. Dem gegenüber wird bei einer hohen Machtdistanz Ungleichheit zwischen Menschen bevorzugt.

Unsicherheitsvermeidung

Bei dieser Dimension handelt es sich um ein Maß für den Umgang mit Unsicherheit. Als ursprüngliches Nebenprodukt der Machtdistanz gibt sie das Ausmaß an, bis zu welchem sich die Angehörigen einer Gesellschaft durch unbekannte oder undurchsichtige Situationen bedroht fühlen (Hofstede & Hofstede, 2006, S. 231). Gesellschaften mit einer starken Unsicherheitsvermeidung haben ein Bedürfnis nach Regeln. Gesellschaften mit einer schwachen Unsicherheitsvermeidung haben hingegen weniger Regeln (Hofstede & Hofstede, 2006, S. 268).

Individualismus und Kollektivismus

Diese Dimension bildet die Beziehung zwischen dem Einzelnen und einer Gruppe ab. Individualistisch geprägte Gesellschaften kennzeichnen eher unverbindliche Bindungen zwischen Personen. Jeder Einzelne sorgt selbst für sich und die ihm nahestehenden Personen. Kollektivistische Gesellschaften haben eine starke Bindung in Form einer geschlossenen Wir-Gruppe. Harmonie und Loyalität stehen im Vordergrund (Hofstede & Hofstede, 2006, S. 102ff).

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2 Kulturelle Diversität als Forschungsgegenstand

Kulturdimension

Beschreibung

Maskulinität und Femininität

Diese Dimension beinhaltet die Verteilung männlicher und weiblicher Werte und damit verknüpfte Ziele (Kühlmann, 2008, S. 39). In maskulin geprägten Gesellschaften wird eher eine Leistungsgesellschaft angestrebt. In femininen Gesellschaften dominiert hingegen die Solidarität und weniger Privilegierte werden unterstützt (Hofstede & Hofstede, 2006, S. 202). Zwischenmenschliche Beziehungen und Bescheidenheit werden in einer femininen Gesellschaft als wichtig erachtet.

Nachgiebigkeit und Beherrschung

Die sechste Dimension nimmt Bezug auf das menschliche Bedürfnis nach Muße und Glück sowie Kontrolle über das Leben. Die Nachgiebigkeit steht für die Neigung, ungehindert natürlichen, menschlichen Bedürfnissen, die mit dem Genuss des Lebens und dem Empfinden von Freude in Verbindung stehen, nachgehen zu wollen. Dem gegenüber steht die Beherrschung für eine Zügelung dieser Bedürfnisse und einer Regulierung durch strikte Normen (Hofstede, Hofstede & Minkov, 2010, S. 280ff.).

Die GLOBE Studie fand in den 1990er Jahren statt und baut zum Teil auf den in Tabelle 2 beschriebenen Kulturdimensionen auf. Im Rahmen der GLOBE Studie wurde das Führungsverhalten in 62 Kulturkreisen untersucht. Auf Basis der Daten von mehr als 17.000 Managern aus über 900 Organisationen verschiedener Branchen analysierte eine Gruppe von Forschern den Einfluss einzelner Variablen auf das Führungsverhalten. Ziel der Untersuchung war es, den Einfluss der Kultur herauszuarbeiten und ein universal akzeptiertes Führungsverhalten zu identifizieren. Im Rahmen der Studie wurden insgesamt neun Kerndimensionen herausgearbeitet (House et al., 2006, XVI f.). Die Beschreibung der einzelnen Dimensionen ist in Tabelle 3 enthalten.

2.2 Nationalkulturen als Differenzierungskriterium

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Tabelle 3: Kulturdimensionen der GLOBE Studie. Quelle: Eigene Darstellung. Kulturdimension

Beschreibung

Unsicherheitsvermeidung

Diese Dimension bezieht sich auf die Anzahl an sozialen Normen, Ritualen oder auch bürokratischen Praktiken, die eingesetzt werden, um Unsicherheiten zu vermeiden (House et al., 2006, S. 602).

Machtdistanz

Die Machtdistanz umfasst den Umfang, in welchem eine gleichmäßige Machtverteilung erwartet oder einer solchen zugestimmt wird (House et al., 2006, S. 513).

Institutioneller Kollektivismus

Der institutionelle Kollektivismus bezieht sich auf das Ausmaß, nach welchem eine kollektive Verteilung von Ressourcen belohnt oder gefördert wird (House et al., 2006, S. 437ff.).

Gruppenbezogener Kollektivismus

Diese Dimension umfasst das Ausmaß, nach welchem Individuen Stolz, Loyalität und Zusammenhalt ausdrücken (House et al., 2006, S. 437ff.).

Die Gleichbehandlung der Geschlechter bezieht sich auf den UmGleichbehandlung fang, in welchem Geschlechtsunterschiede vermindert und die der Geschlechter Gleichheit der Geschlechter gefördert wird (House et al., 2006, S. 343). Selbstbehauptung/ Bestimmtheit

Diese Dimension umfasst das Ausmaß an Bestimmtheit, Konfrontationen oder Aggressionen, das in sozialen Beziehungen zu finden ist (House et al., 2006, S. 395).

Zukunftsorientierung

Die Zukunftsorientierung beinhaltet das Ausmaß, in dem zukunftsbezogene Verhaltensweisen wie Planungen oder Investitionen vorgenommen und gefördert werden (House et al., 2006, S. 282).

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2 Kulturelle Diversität als Forschungsgegenstand

Kulturdimension

Beschreibung

Leistungsorientierung

Diese Dimension umfasst den Umfang, in welchem Leistungsverbesserungen sowie Exzellenz belohnt und gefördert werden (House et al., 2006, S. 239).

Menschliche Orientierung

Die menschliche Orientierung beinhaltet den Umfang, in dem Eigenschaften wie Fairness, Altruismus, Freundlichkeit sowie Großzügigkeit gefördert und honoriert werden (House et al., 2006, S. 571).

Gerade im direkten Vergleich mit den vorangegangenen Kulturdimensionen von Hofstede fällt auf, wie ähnlich sich einige Dimensionen zu sein scheinen: Neben sprachlich identischen Dimensionen, wie der Machtdistanz, bildet auch die von Hofstede konzipierte Dimension des Kollektivismus die Grundlage für die von House et al. (2006) vorgenommene Differenzierung zwischen institutionellem und gruppenbezogenem Kollektivismus. Vor dem Hintergrund ähnlicher Begriffe könnte man eine inhaltliche Übereinstimmung der Dimensionen erwarten. Dies ist jedoch nicht der Fall: Die Forscher um House (2006) konnten beispielsweise bei Hofstedes Dimension der Maskulinität keine Beziehung zur Gleichbehandlung der Geschlechter, wie sie in der GLOBE Studie enthalten sind, feststellen (House et al., 2006, XV). Hierdurch wird nicht zuletzt die mangelhafte Übereinstimmung vorhandener Kulturdimensionen deutlich. 2.2.2

Kritische Reflexion

Auch wenn die Zuschreibung bestimmter Verhaltenseigenschaften oder Wertvorstellungen auf Grund kultureller Zugehörigkeit zweckdienlich erscheint, ist es notwendig, dieses Vorgehen einer kritischen Würdigung zu unterziehen. Zu diesem Zweck werden im Weiteren die beschriebenen Untersuchungen von Hofstede und House et al. kritisch betrachtet. Hofstede untersucht, ob sich die Wertvorstellungen von Angehörigen eines Landes signifikant von den Wertvorstellungen Angehöriger anderer Nationalitäten unterscheiden.

2.2 Nationalkulturen als Differenzierungskriterium

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Ein erster diskutabler Aspekt für die von Hofstede durchgeführte Studie lässt sich bereits in Hofstedes Annahmen und Zuordnungen finden: Diese basieren vor allem auf den Signifikanzniveaus durchgeführter Varianzanalysen (Gerhart & Fang, 2005). Die dabei nicht erklärte Varianz führte Hofstede auf individuelle Unterschiede in der Bevölkerung zurück (Gerhart & Fang, 2005). Gerhart und Fang (2005) ziehen zur Verdeutlichung ihrer Kritik die sechs Variablen heran, die Hofstede für die Dimensionen der Unsicherheitsvermeidung und Machtdistanz herangezogen hat. Hofstede geht bei seinen Ausführungen davon aus, dass die Werte und damit erfassten Angaben von Angehörigen einer Nation ähnlicher sind als jene von Angehörigen unterschiedlicher Nationalitäten. Um diese zu überprüfen, erfasste Hofstede unter anderem Wertvorstellungen, wie etwa Regelverstöße. Hofstede stützt seine Annahmen mit einem Verweis auf die Signifikanzniveaus und F-Werte. Dabei vernachlässigt er allerdings, dass FWerte auch durch andere Variablen, wie die Größe der zu Grunde liegenden Stichprobe beeinflusst werden (Gerhart & Fang, 2005). Der von Hofstede interpretierte Anteil der Varianz, der durch die Nationalität aufgeklärt wird, ist damit durch weitere Faktoren beeinflusst. Tatsächlich kann die Nationalität nach Schätzungen von Gerhart und Fang (2005) lediglich einen geringen Prozentsatz der Varianz klären. Ein Großteil der Varianz würde damit vielmehr durch das Individuum und weitere, nicht berücksichtigte Faktoren erklärt werden (Gerhart & Fang, 2005). Ebenfalls zu beachten ist, dass Hofstede bei der Begriffsverwendung der Nationalkultur von einem Land oder einem Staat ausgeht. So betrachtet er beispielsweise das Vereinigte Königreich Großbritannien als einen Staat und damit eine homogene Nationalkultur, deren Angehörige zu einem gewissen Grad die gleichen Werte teilen. Die tatsächliche Zusammensetzung des Vereinigten Königreichs aus Wales, England, Schottland und Nordirland wird bei dem von Hofstede verwendeten Begriff der Nationalkultur nicht weiter berücksichtigt. Damit werden potenzielle Kulturunterschiede zwischen den einzelnen Gebieten ignoriert (McSweeney, 2002). Doch nicht nur die verwendeten Begriffsdefinitionen von Hofstede sollten kritisch betrachtet werden: Einige Autoren wie Podsiadlowski (2002b, S. 44) bemängeln eine mangelnde Repräsentativität der von Hofstede durchgeführten Befragung, da diese lediglich innerhalb des IBM Konzerns durchgeführt wurde.

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2 Kulturelle Diversität als Forschungsgegenstand

Hofstede versucht diese Kritik selbst zu entkräften, indem er die bei IBM vorherrschende Organisationskultur als einzigartig beschreibt, was das Herausarbeiten von nationalen Unterschieden sogar begünstige (Hofstede, 1991, S. 181ff.). Eine weitere Einschränkung der Repräsentativität liegt in der Auswahl der bei IBM tätigen Mitarbeiter begründet. Hofstede hat bei seiner Auswertung primär Fragebögen von Mitarbeitern aus dem Verkaufs- und Marketingbereich verwendet (McSweeney, 2002). Hinzu kommt, dass einige der Fragebögen in Gruppen beantwortet wurden (McSweeney, 2002), wodurch es zu einer Beeinflussung und damit Verzerrung der Antworten gekommen sein kann. Neben den bisher geäußerten Punkten sollten auch die Rückläufe der Studie kritisch betrachtet werden: Die Anzahl der beantworteten Fragebögen lag in den von Hofstede durchgeführten Befragungen in den Jahren 1967 bis 1969 sowie 1971 bis 1973 lediglich in sechs Ländern (Großbritannien, Frankreich, Belgien, Deutschland, Schweden und Japan) über 1.000. In 15 weiteren Ländern (unter anderem Singapur, Türkei, Pakistan und Thailand) lag die Anzahl der Rückläufe jeweils unter 200 Fragebögen. In Pakistan nahmen bei der ersten Befragung sogar lediglich 37 IBM Mitarbeiter teil, in der zweiten Befragung 70 IBM Mitarbeiter (Hofstede, 2006a, S. 476f.). Zwar versucht Hofstede auch diese Kritik mit dem Hinweis auf die Homogenität der Stichprobe zu entkräften (Hofstede, 1991, S. 252), dennoch stellt sich auch hier die Frage der Repräsentativität, da bei einem so geringen Rücklauf Ausreißer zu Verzerrungen führen können (vgl. Döring & Bortz, 2016, S. 682). Diese Gefahr ist bei kleinen Stichproben besonders groß, da der wahre Wert lediglich geschätzt werden kann. Ausgehend von den von Hofstede ermittelten Dimensionen stellt sich weiterhin die Frage, inwieweit die erarbeiteten Dimensionen tatsächlich alle bedeutsamen Werte, die innerhalb einer Nation zu finden sind, abbilden. Obwohl Hofstede selbst nie vorgab, alle Dimensionen der Nationalkulturen gefunden zu haben, wurde die nachträgliche Aufnahme der weiteren Dimensionen Lang- und Kurzzeitorientierung sowie Nachgiebigkeit und Beherrschung von einigen Autoren als Schwäche seines Nationalkulturmodells gewertet (McSweeney, 2002).

2.2 Nationalkulturen als Differenzierungskriterium

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Auch der Aufbau der Dimensionen selbst wirft einige Fragen auf: Die von Hofstede aufgestellten Dimensionen sind in Form sich gegenüberliegender Pole dargestellt. Die zwei Pole einer Dimension drücken dabei jeweils das Gegenteil des ihnen gegenüberliegenden Pols aus (beispielsweise Lang- vs. Kurzzeitorientierung). Diese Darstellung in Form von Extremausprägungen macht es schwierig, eine klare Abgrenzung zwischen den Dimensionen vorzunehmen (vgl. Triandis, 1994). In Bezug auf die Ergebnisse der von Hofstede durchgeführten Faktoranalyse für die Dimension Individualismus vs. Kollektivismus verweist beispielsweise Triandis (1994) auf Folgendes: The two can coexist and are simply emphasized more or less in each culture, depending on the situation. All of us carry both individualist and collectivist tendencies; the difference is that in some cultures the probability that individualist selves, attitudes, norms, values, and behaviors will be sampled or used is higher than in others. (Triandis, 1994, S. 42) Eine situationsunabhängige und einseitige Betrachtung der Dimensionen scheint damit nicht den realen Gegebenheiten zu entsprechen. Darüber hinaus setzt sich die erwähnte mentale Programmierung aus verschiedenen Ebenen zusammen (Hofstede & Hofstede, 2006, S. 12). Dies bedeutet, dass jede Gruppe beziehungsweise jedes Individuum unterschiedliche Komponenten einer Programmierung in sich trägt. So können Menschen auch durch religiöse, sprachliche oder ethnische Zugehörigkeiten geprägt sein. Dies ist deshalb bedeutsam, weil die damit verbundenen mentalen Programme nicht zwangsläufig aufeinander abgestimmt sind und zum Teil auch Gegensätzliches beinhalten können. Solche mitunter gegensätzlichen Inhalte können teilweise zu Schwierigkeiten in der Prognose menschlichen Verhaltens führen (Hofstede & Hofstede, 2006, S. 13). Viele der angeführten Kritikpunkte gelten auch für die GLOBE Studie. Die in der GLOBE Studie berücksichtigten Angaben wurden ausschließlich von Managern getätigt, aber nicht von ihnen unterstellten Mitarbeitern, weshalb die Qualität der Antworten eingeschränkt ist (Hofstede, 2006b). Ein weiterer Kritikpunkt liegt in dem methodischen Vorgehen der Forscher der GLOBE Studie. Hofstede hat die Teilnehmer im Zuge seiner Befragung

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2 Kulturelle Diversität als Forschungsgegenstand

zu ihren eignen Vorstellungen, Werten und ihrem Glauben befragt. Im Rahmen der GLOBE Studie wurden die Teilnehmer zu bereits existierenden Beschreibungen bzw. Zuschreibungen befragt (McCrae, Terracciano, Realo & Allik, 2008). Die Beschreibungen waren danach aufgeteilt, wie eine Gesellschaft ist und wie eine Gesellschaft sein soll. Dies soll anhand der folgenden Items zur Unsicherheitsvermeidung veranschaulicht werden: „1. In this society, orderliness and consistency are stressed, even at the expense of experimentation and innovation” (House et al., 2006, S. 619). „2. I believe that societal requirements and instructions should be spelled out in detail so citizens know what they are expected to do“ (House et al., 2006, S. 619). Beide Items weisen ein sehr hohes Abstraktionsniveau auf und sind noch dazu zum Teil sehr weit von dem täglichen Leben der Befragten entfernt. Dies erschwert den Teilnehmern der Studie eine adäquate Einschätzung einzelner Sachverhalte (Hofstede, 2006b). Auch Fragen nach Eigenschaften einer Gesellschaft, wie beispielsweise eine Einschätzung darüber, ob die eigene Gesellschaft eher aggressiv oder weniger aggressiv ist, setzt die Fähigkeit einer objektiven Beurteilung (McCrae et al., 2008) oder eines Vergleichs mit anderen Gesellschaften voraus, was bei der zu Grunde liegenden Stichprobe des GLOBE Projektes mit Managern u.a. aus der Telekommunikationsbranche und der lokalen Lebensmittelverarbeitung von Hofstede (2006b) sogar als naiv bezeichnet wird. Durch einen möglichen Rückgriff auf vorhandene Stereotypen, die mit derartigen Beschreibungen möglicherweise assoziiert werden, droht eine Verzerrung der Ergebnisse (vgl. McCrae et al., 2008; Shi & Wang, 2011). All den genannten Kritikpunkten zum Trotz, werden die vorgestellten Kulturdimensionen auch heute noch von vielen Forschern für einen Vergleich von Nationalkulturen als Differenzierungskriterium verwendet. Sowohl Hofstede als auch House et al. haben mit ihren Untersuchungen und den aus diesen abgeleiteten Kulturdimensionen einen wichtigen Beitrag für eine mögliche Differenzierung von Ländern oder Gesellschaften geleistet. Vor allem bei Forschungsfragen, die sich nicht auf den Bereich der Führung konzentrieren, sondern sich mit der Zusammenarbeit Angehöriger

2.3 Kulturelle Diversität in Teams

27

verschiedener Länder befassen, werden nach wie vor häufig die Kulturdimensionen von Hofstede herangezogen. Im Bereich der Stressforschung gilt dies vor allem für Studien, welche die Stressbewältigung zwischen Angehörigen verschiedener Kulturen vergleichen, wie beispielweise Hu, Bernardo, Lam und Cheang (2016). 2.3

Kulturelle Diversität in Teams

Nachdem im vorangegangenen Kapitel verschiedene Definitionen des Kulturbegriffs einschließlich deren Möglichkeiten und Grenzen sowie Kulturdimensionen als Ausgangspunkt vorgestellt wurden, sollen die vorangegangenen Inhalte nun auf die Zusammenarbeit in Teams im unternehmerischen Kontext übertragen werden. Zu diesem Zweck erfolgt zunächst eine Präzisierung des Teambegriffs. Dieser wird im weiteren Verlauf um den Aspekt der kulturellen Diversität in Teams erweitert. Abschließend werden die sich daraus ergebenden Chancen und Risiken vorgestellt, um unter Hinzunahme verschiedener Theorien die dargestellten Auswirkungen kultureller Diversität in Teams zu erläutern. 2.3.1

Definition des Teambegriffs

Im unternehmerischen Kontext können Teams definiert werden als „interdependent collections of individuals who share responsibility for specific outcomes for their organizations” (Sundstrom, De Meuse, Kenneth & Futrell, 1990, S. 120). Etwas weiter geht Bell (2004). Angelehnt an Hackman (1987) definiert sie Teams als „two or more people with different tasks who work adaptively together to achieve specified shared goals“ (Bell, 2004, S. 2). Die Tätigkeiten der einzelnen Teammitglieder können von reiner Zusammenarbeit bis zur Übernahme von gemeinsamer Verantwortung variieren. Es geht vor allem darum, gemeinsame Ziele zu erreichen. Teammitglieder können an unterschiedlichen Komponenten arbeiten, haben jedoch ein gemeinsames, spezifisches Ziel, das es zu erreichen gilt. Einen etwas anderen Ansatz liefern Guzzo und Dickson (1996). Sie konzentrieren sich auf den Begriff der Arbeitsgruppe, welche sie wie folgt definieren:

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2 Kulturelle Diversität als Forschungsgegenstand

A ‘work’ group is made up of individuals who see themselves and who are seen by others as a social entity, who are interdependent because of the tasks they perform as members of a group, who are embedded in one or more larger social systems (e.g. community, organization), and who perform tasks that affect others (such as customers or coworkers). (Guzzo & Dickson, 1996, S. 308– 309) Semantisch sind die Begriffe der Arbeitsgruppe und des Teams bereits schwierig voneinander abzugrenzen. Dies zeichnet sich bereits in der umgangssprachlichen Verwendung der Begriffe ab: So werden die Begriffe des Teams und der Gruppe häufig synonym verwendet. Auch in der Literatur ist eine uneinheitliche Verwendung der Begriffe zu beobachten: Während in der populärwissenschaftlichen Managementliteratur häufig der Begriff des Teams verwendet wird, ist in der akademischen Literatur bei auf dem Begriff aufbauenden Termini, wie group cohesion, group decision making und group dynamics, eine verstärkte Tendenz zur Verwendung des Gruppenbegriffs zu beobachten (Cohen & Bailey, 1997). Guzzo und Dickson (1996) verwenden trotz ihrer oben angeführten Definition die beiden Begriffe synonym und verweisen darauf, dass der Teambegriff den Begriff der Gruppe inzwischen weitestgehend ersetzt hat. Cohen und Bailey (1997) weisen sogar auf die Austauschbarkeit der beiden Begrifflichkeiten hin. Auch weitere Autoren, wie DeMatteo, Eby und Sundstrom (1998), Podsiadlowski (2002b, S. 73) und Halverson und Tirmizi (2008, S. 5), verwenden die Begriffe synonym oder integrieren wenigstens einen der beiden Begriffe in den anderen. Unter Anbetracht der oben genannten Vermengungen und synonymen Verwendung wird eine Differenzierung zwischen den beiden Begrifflichkeiten als nicht sinnvoll erachtet. Aus diesen Gründen werden die Begriffe der Teams und Arbeitsgruppen im weiteren Verlauf synonym verwendet. Zu diesem Zweck wird im Rahmen dieser Arbeit die Begriffsdefinition von Cohen und Bailey (1997) verwendet. Die von ihnen formulierte Definition baut unter anderem auf einer Definition von Hackman (1987) auf. Nach dieser werden Teams, beziehungsweise Arbeitsgruppen, wie folgt definiert:

2.3 Kulturelle Diversität in Teams

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A team is a collection of individuals who are interdependent in their tasks, who share responsibility for outcomes, who see themselves and who are seen by others as an intact social entity embedded in one or more larger social systems (for example, business unit or the corporation), and who manage their relationships across organizational boundaries. (Cohen & Bailey, 1997, S. 241) Ein Charakteristikum, das die Mitglieder eines Teams entsprechend dieser Definition verbindet, ist die gemeinsame Verantwortungsübernahme. Die einzelnen Teammitglieder agieren miteinander, können jedoch zugleich unabhängig voneinander an verschiedenen (Teil-) Aufgaben arbeiten. Dennoch teilen sich alle Teammitglieder die Verantwortung für die Qualität und die Quantität des gemeinsamen Arbeitsergebnisses. Zu der Größe von Teams sind in der Literatur verschiedene Auffassungen zu finden. Nach Cannon-Bowers und Salas (1998) muss ein Team aus mindestens zwei oder mehr Personen bestehen. Podsiadlowski (2002b, S. 73) geht mit einer vorgeschlagenen Mindestgröße einen Schritt weiter: Ihren Ausführungen folgend muss ein Team aus mehr als zwei Personen bestehen. Hintergrund für diese Größe ist, dass bei der Zusammenarbeit in Form einer Dyade, welche lediglich aus zwei Personen besteht, eine andere Qualität des interpersonellen Austauschs erfolgen kann (vgl. Köppel, 2008, S. 10). Hierzu zählt eine intensivere Möglichkeit der Interaktion bei einer gleichzeitig höheren Abhängigkeit der Beteiligten. Dieser Argumentation folgend besteht ein Team, für die im Rahmen dieser Arbeit zu Grunde liegenden Teamdefinitionen, aus mindestens drei Personen. Eine weitere Einschränkung wird in der Literatur auch hinsichtlich der maximalen Größe eines Teams vorgenommen: Nach den Ausführungen von Shaw und Barrett-Power (1998) besteht ein Team aus „small collectives of individuals (ten or less) who have the opportunity for significant, meaningful interaction with one another“ (Shaw & Barrett-Power, 1998, S. 1311). Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass Shaw und Barrett-Power (1998) sich in ihrer Untersuchung explizit mit Kleingruppen beschäftigt haben, was auch die oben genannte Teamgröße von maximal 10 Personen beeinflusst haben dürfte. Da sich diese Arbeit nicht ausschließlich auf Kleingruppen konzentriert, wird diese Begrenzung als nicht sinnvoll erachtet.

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2 Kulturelle Diversität als Forschungsgegenstand

Köppel (2008, S. 10) verweist auf eine maximale Teamgröße von 25 Personen. Dabei kommt es in ihrer Argumentation jedoch weniger auf die reine Anzahl an Personen innerhalb des Teams als auf die Möglichkeit der persönlichen Interaktion untereinander an. Darauf basierend stellt sich die Frage, bis zu welcher Teamgröße eine persönliche Interaktion tatsächlich erfolgen kann. Sader (2002, S. 35) verweist zu diesem Zweck auf unterschiedliche Teamgrößen: Neben der bereits genannten Dyade beträgt die Größe einer Gruppe seinen Ausführungen nach drei bis 30 Personen. Diese Begrenzung erscheint sinnvoll, da hierbei der Besonderheiten der Interaktion in Dyaden, wie die tatsächliche Möglichkeit des persönlichen Austauschs, Rechnung getragen wird. Eine persönliche Zusammenarbeit mit mehr als 30 Personen erscheint durch die mangelnden direkten Interaktionsmöglichkeiten mit einer anwachsenden Gruppengröße schwierig. Aus diesem Grunde wird sich im Methodenteil der Untersuchung an dieser Teamgröße orientiert. Während sich in der Vergangenheit Teams häufig dadurch auszeichneten, dass ihre Mitglieder in der direkten Interaktion face-to-face zusammengearbeitet haben, sind heute vor allem international agierende Teams nicht zwangsläufig physisch am gleichen Ort tätig. Die Möglichkeit des unmittelbaren Kontakts wird beispielsweise von Sader (1976, S. 35), als zwingende Bedingung für das Bestehen eines Teams genannt. Da sich die vorliegende Forschungsarbeit auf die Wahrnehmung jener sozialen Stressoren und Ressourcen konzentriert, die aus der direkten Interaktion mit den Teammitgliedern resultieren, werden im Methodenteil dieser Arbeit lediglich jene Teams berücksichtigt, die in direkter Interaktion miteinander arbeiten. Mit der verwendeten Formulierung wurde dem Vorschlag von Podsiadlowski (2002b, S. 71) gefolgt. Sie schlägt vor, die Möglichkeit der direkten Interaktion eher als Merkmal der Differenzierung zwischen verschiedenen Gruppen heranzuziehen.

2.3 Kulturelle Diversität in Teams

2.3.2

31

Multikulturelle Teams in Unternehmen

Nachdem der Begriff des Teams definiert wurde, ist nun im Weiteren aufzuschlüsseln, was unter einem multikulturellen Team zu verstehen ist. Zu diesem Zweck folgt eine Definition, die sich unter anderem an der bereits dargestellten Definition von Cohen und Bailey (1997) orientiert. Nach dieser ist ein multikulturelles Team: A collection of individuals with different cultural backgrounds, who are independent in their tasks, who share responsibility for outcomes, who see themselves and are seen by others as an intact social entity embedded in one or more larger social system, and who manage their relationships across organizational boundaries and beyond.5 (Halverson & Tirmizi, 2008, S. 5) Während sich die Diversität in Teams auf viele verschiedene Kriterien wie Geschlecht, Beruf oder Alter beziehen kann, bezieht sich diese Definition ausdrücklich auf die kulturelle Diversität als Differenzierungskriterium. Adler und Gundersen (2008, S. 132f.) differenzieren neben multikulturellen Teams auch zwischen Token Teams (symbolischen Teams) und bikulturellen Teams. Um welche der drei Arten es sich handelt, richtet sich im Einzelfall nach der Anzahl der jeweils vertretenden Teammitglieder einer Kultur. Während bei den Token Teams lediglich ein Angehöriger einer anderen Kultur im gesamten Team vertreten ist, besteht ein bikulturelles Team aus Mitgliedern zweier verschiedener Kulturen. Ein multikulturelles Team zeichnet sich dem gegenüber dadurch aus, dass Angehörige aus mindestens drei verschiedenen Kulturen in dem Team vertreten sind (Adler & Gundersen, 2008, S. 132f.). Da sich diese Arbeit auf die Zusammenarbeit multikultureller Teams konzentriert, wird sich im weiteren Verlauf an

5

Eine (An-) Sammlung von Individuen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen, die unabhängig in ihren Aufgaben sind, sich die Verantwortung für Ergebnisse teilen und sich sowohl selbst als eine intakte soziale Einheit in einem oder mehreren größeren sozialen Systemen eingebettet sehen als auch von anderen gesehen werden, und die ihre Beziehungen [untereinander] durch organisationale Grenzen und darüber hinaus handhaben. Übers. d. Verf. nach Halverson and Tirmizi (2008, S. 5).

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2 Kulturelle Diversität als Forschungsgegenstand

der von Adler und Gundersen (2008) herausgearbeiteten Anzahl von mindestens drei in einem Team vertretenen Kulturen angeschlossen. 2.3.3

Auswirkungen kultureller Diversität in Teams

Nachdem bisher die relevanten Definitionen des Teambegriffs und der kulturellen Diversität erläutert wurden, befasst sich der folgende Abschnitt mit den Auswirkungen kultureller Diversität in Teams. In diesem Kapitel erfolgt zunächst ein Überblick über die allgemeinen Auswirkungen kultureller Diversität. Im Weiteren erfolgt eine Aufschlüsselung in potenzielle Chancen sowie Risiken, die aus der kulturellen Diversität in Teams erwachsen können. Theoretische Modelle erweitern diese Ansätze und werden hinzugezogen, um die vorgestellten Auswirkungen zu erklären. Zu den Auswirkungen kultureller Diversität in Teams gibt es eine Vielzahl an Studien, deren Großteil sich auf die Effekte auf Teamebene wie Produktivität, Effektivität oder auch Kreativität bezieht, wie zum Beispiel Jäkel (2008), Podsiadlowski (2002b), Shaw (2004), Watson, Kumar und Michaelsen (1993). Die Ergebnisse sind dabei sehr vielschichtig und beinhalten sowohl positive als auch negative Auswirkungen. Erste Studien zu den Auswirkungen von Diversität in Teams wurden bereits in den 1950er Jahren durchgeführt. Die Stichprobe bildeten dabei oftmals Studierende, deren Zusammenarbeit im Rahmen von Experimenten untersucht wurde. Die Ergebnisse sind dabei zum Teil widersprüchlich: Zum einen scheint es, als erhöhe kulturelle Diversität in Teams die Kreativität. Zum anderen scheint es, als führe die kulturelle Diversität zu Reibungs- und damit Zeitverlusten. Zu den tendenziell positiven Auswirkungen kultureller Diversität zählt die größere Breite an Perspektiven auf Grund von unterschiedlichen Sichtweisen und Erfahrungen der einzelnen Mitglieder (Adler & Gundersen, 2008, S. 138). Gleichzeitig kann es zu Produktivitätsverlusten kommen, da die verschiedenen Perspektiven erst evaluiert und integriert werden müssen (Adler & Gundersen, 2008, S. 134ff.). Für einen besseren Überblick werden in Tabelle 4 mögliche Vor- und Nachteile, die aus der Zusammenarbeit in einem multikulturellen Team erwachsen können, gegenübergestellt.

2.3 Kulturelle Diversität in Teams

33

Tabelle 4: Risiken und Chancen multikultureller Teams. Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Adler N. & Gundersen, A. (2008, S. 135) und Podsiadlowski, A. (2002b, S. 117). Risiken

Chancen

Kommunikationsschwierigkeiten (verbal, nonverbal sowie paraverbal)

Höhere und breitere Anzahl an Perspektiven

Erhöhtes Misstrauen

Größere und bessere Anzahl an Ideen

Höhere Anzahl an Konflikten

Potenzial für ein höheres Maß an Kreativität

Geringer Gruppenzusammenhalt

Verringerung des Risikos von Gruppendenken

Stereotypisierung & Vorurteile

Chance einer besseren Problemdefinition

Gefahr der Bildung von Subgruppen

Chance einer wesentlich höheren Effektivität

Gefahr von Missverständnissen

Größere Anzahl an Alternativvorschlägen

2.3.3.1

Chancen kultureller Diversität in Teams

Im Folgenden werden zunächst mögliche Vorteile, die aus der interkulturellen Teamarbeit erwachsen können, vorgestellt. Durch die Zusammensetzung aus Mitgliedern verschiedener Nationalitäten verfügen multikulturelle Teams über eine höhere Anzahl unterschiedlicher Erfahrungen und Sichtweisen. Dadurch verfügen diverse Teams oft über eine größere Bandbreite an aufgabenrelevanten Informationen und Expertise als homogene Teams (Knippenberg, Dreu & Homan, 2004). Dies kann zu einer höheren Quantität von generierten Ideen führen als in einem kulturell homogen zusammengesetzten Team. Diese Ideen können wiederum als Basis für qualitativ höherwertige Vorschläge und Alternativen dienen (Adler & Gundersen, 2008, S. 138). Die unterschiedlichen Kulturen der Teammitglieder können sich zudem positiv auf die Kreativität des

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2 Kulturelle Diversität als Forschungsgegenstand

Teams auswirken (vgl. Podsiadlowski 2002b, S. 117; Stahl et al. 2010). Dadurch sind multikulturell zusammengesetzte Teams eher in der Lage, vielseitigere und damit oftmals bessere Problemlösungsansätze zu generieren als ihre homogen zusammengesetzten Pendants. Ein weiterer Vorteil, der sich aus der kulturellen Diversität in Teams ergibt, ist, dass das Risiko des Gruppendenkens reduziert wird (Adler & Gundersen, 2008, S. 139). Hierbei handelt es sich um ein als dysfunktional zu klassifizierendes Phänomenen, welches in der Zusammenarbeit in Teams zu beobachten ist. Der Begriff des Gruppendenkens ist besonders durch den Sozialpsychologen Janis (1982) geprägt. Dieser analysierte politische Entscheidungen amerikanischer Planungs- und Entscheidungskomitees, deren Entscheidungen und Empfehlungen retroperspektiv betrachtet zu historischen Fiaskos führten. Er definiert das Gruppendenken als starken Druck zur Einheitlichkeit, der dazu führt, dass kontroverse Themen vermieden und schwache Argumente nicht hinterfragt werden (Janis, 1982).6 Das Gruppendenken ist „eine mögliche Konsequenz bestimmter Gruppendynamiken, die während Entscheidungsprozessen auftreten und zu gravierenden Fehlentscheidungen ... führen können“ (Rohn, 2006, S. 84). Folgende Charakteristika sollen dabei helfen dieses Phänomen zu begreifen: - Ausüben von (direktem) Druck auf Gruppenmitglieder, welche gemeinsame Stereotypen, Illusionen und Ähnliches in Frage stellen (Adler & Gundersen, 2008, S. 139) - Treffen unrealistischer Einschätzungen und damit verbundenes Eingehen von erhöhtem Risiko (Rohn, 2006, S. 84) - Verwendung von Scheinbegründungen (Rohn, 2006, S. 84) - Stereotypisierung von Rivalen oder Feinden (Janis & Mann, 1979, S. 130) - Zensur bei Abweichung des Gruppenkonsenses (Rohn, 2006, S. 84)

6

Angelehnt an „strong pressures towards uniformity, which inclined the members to avoid raising controversial issues, questioning weak arguments, or calling a halt to soft-headed thinking“ Janis (1982, S. 479).

2.3 Kulturelle Diversität in Teams

35

- Abwehr von externen Informationen (Rohn, 2006, S. 85). Diese Charakteristika führen zu einer Selektion und damit einem Ausschluss wesentlicher Informationen, die für eine adäquate Entscheidungsfindung erforderlich sind. Mögliche Alternativen werden zum Teil nicht gehört oder ignoriert, wodurch das Gruppendenken eine der Hauptquellen für Ineffektivität in Teams darstellt (Adler & Gundersen, 2008, S. 139). Durch ihre Diversität sind multikulturelle Teams für das Phänomen des Gruppendenkens weniger anfällig (Adler & Gundersen, 2008, S. 140). Vielmehr verfügen sie durch ihre Zusammensetzung über eine breitere Vielfalt an Ideen und unterschiedlichen Meinungen, wodurch von Beginn an eine größere Anzahl an Lösungsalternativen zur Verfügung steht. Ein weiterer wichtiger Faktor, der die Wahrscheinlichkeit für die Entstehung von Gruppendenken beeinflusst, ist der Zusammenhalt eines Teams. Ist dieser hoch ausgeprägt, besteht ein erhöhtes Risiko für das Gruppendenken (Janis & Mann, 1979; S. 131). Wie in der Tabelle 4 zu Chancen und Risiken multikultureller Teams bereits aufgeführt, steigt mit der Diversität in Teams das Risiko eines geringeren Zusammenhalts. Diese Verminderung des Zusammenhalts wirkt sich wiederum negativ auf die Entstehung von Gruppendenken aus. Damit stellt das geringere Risiko des Auftretens von Gruppendenken einen Vorteil für die Zusammenarbeit und den Einsatz multikultureller Teams dar. 2.3.3.2

Risiken kultureller Diversität in Teams

Nachdem zuvor potenzielle Chancen multikultureller Teams vorgestellt wurden, befasst sich dieser Abschnitt mit Risiken, die aus der Zusammenarbeit in multikulturellen Teams erwachsen können. Arbeiten Menschen aus verschiedenen Kulturen zusammen, entspricht die Arbeitssprache bzw. die im Team verwendete Sprache oft nicht der Muttersprache aller Mitglieder. Sprechen Mitglieder diese Sprache nicht fließend, kann dies unter anderem zu einer Verlangsamung der Kommunikation führen (Adler & Gundersen, 2008, S. 136). Teams benötigen mehr Zeit, um beispielsweise einen Konsens zu finden, was zu Zeitverlusten führt (Podsiadlowski, 2002b, S. 115ff.). Gleichzeitig steigt die Wahrscheinlichkeit von Fehlern (Adler & Gundersen, 2008, S. 136) und

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2 Kulturelle Diversität als Forschungsgegenstand

Missverständnissen (Podsiadlowski, 2002b, S. 117). Durch fehlerhafte Übersetzungen oder unterschiedliche Interpretationen von Wörtern oder Informationen steigt zugleich das Risiko von Fehlinformationen (Pines & Zaidman, 2014). Neben Aspekten der verbalen Kommunikation können Unterschiede in der paraverbalen und nonverbalen Kommunikation die Gefahr von Missverständnissen erhöhen. Die paraverbale Kommunikation umfasst verschiedene Aspekte der Sprache, wie die Gesprächslautstärke oder das Gesprächstempo. Die nonverbale Kommunikation bezieht sich hingegen auf jene Kommunikation, die nicht verbal artikuliert wird, wozu beispielsweise die Gestik gehört. Besonders die nonverbale Kommunikation ist bei dem Aufeinandertreffen von Mitgliedern verschiedener Kulturen schwierig zu verstehen, da die Interpretation vom jeweiligen kulturellen Hintergrund und den gesammelten Erfahrungen der einzelnen Mitglieder beeinflusst wird (Brislin, 2008, S. 36f.). Diese Aspekte können zu einer Beschränkung der Kommunikation mit den Teammitgliedern führen, die den gleichen oder einen ähnlichen kulturellen (und sprachlichen) Hintergrund haben (Adler & Gundersen, 2008, S. 136). Gleichzeitig erhöht sich die Gefahr der Verminderung der Kommunikation mit Teammitgliedern unterschiedlicher kultureller Hintergründe, wodurch die Bildung von Subgruppen begünstigt wird. Mitglieder kulturell diverser Teams stehen zudem dem Risiko einer verminderten Gruppenkohäsion gegenüber. Diese ist „die Attraktivität ... [einer] Gruppe für ihre Mitglieder“ (Rosenstiel, 2003, S. 280). Hoch kohäsive Teams zeichnen sich unter anderem durch gegenseitige soziale Bedürfnisbefriedigungen und Wertschätzung aus (Podsiadlowski, 2002b, S. 82). Das Bewusstsein einer gemeinsam Arbeitsaufgabe und Verantwortung für diese ist wesentlich für die Intensität der Gruppenkohäsion (Podsiadlowski, 2002b, S. 82). Einen weiteren Faktor stellt die wahrgenommene Ähnlichkeit der Teammitglieder dar, da diese die wechselseitige Sympathie und dadurch den Zusammenhalt der Gruppe erhöhen kann (Podsiadlowski, 2002b, S. 83). Mit den in multikulturellen Teams vorhandenen unterschiedlichen Hintergründen sind oft unterschiedliche Wertvorstellungen verbunden. Diese können den Zusammenhalt eines Teams negativ beeinflussen. Mehrere Studien, wie die von Jäkel (2008, S. 207) und Staples

2.3 Kulturelle Diversität in Teams

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und Zhao (2006), wiesen in ihren Untersuchungen eine verringerte Gruppenkohäsion in multikulturellen Teams gegenüber monokulturellen Teams nach. Eine hohe Kohäsion ist jedoch wichtig, da diese unter anderem negative Effekte hoher Arbeitsbelastung vermindern kann (Podsiadlowski, 2002b, S. 82). Gleichzeitig kann eine hohe Kohäsion dazu beitragen, dem Auftreten weiterer Gruppenphänomene wie dem sozialem Faulenzen7 entgegenzuwirken (Karau & Hart, 1998). Ein weiteres Risiko, welchem Mitglieder multikultureller Teams gegenüberstehen, sind Stereotypisierungen. Unter Stereotypisierungen sind „sozial geteilte Überzeugungen über die Eigenschaften [einer Person oder Gruppe]“ (Sassenberg, Fehr, Hansen, Matschke & Woltin, 2007, S. 240) zu verstehen. Personen oder Gruppen werden dabei bestimmte Eigenschaften zugeschrieben. Stereotypisierungen werden häufig unbewusst vorgenommen, um die Umwelt zu vereinfachen und kognitive Prozesse effizienter zu gestalten (Sassenberg et al., 2007). In multikulturellen Teams könnten diese vor allem zur Komplexitätsreduktion verwendet werden (Cox, 1993, S. 88). Dies kann dazu führen, dass (einzelne) Teammitglieder auf (ungeeignete) Stereotypen zurückgreifen, anstatt die Fähigkeiten und Kenntnisse ihrer Teamkollegen wahrzunehmen. Mitgliedern aus ökonomisch weiter entwickelten Ländern könnte dadurch eine höhere Fachexpertise zugesprochen werden als jenen aus weniger entwickelten Ländern. Dies könnte dazu führen, dass beispielsweise amerikanischen Teammitgliedern auf Grund der ökonomischen Konstitution der USA ein besseres technologisches Wissen unterstellt wird als marokkanischen Teammitgliedern (Adler & Gundersen, 2008, S. 136). Grundlage für die vorgenommene Stereotypisierung bildet die geringere ökonomische und technologische Entwicklung Marokkos im Vergleich zu den USA (Adler & Gundersen, 2008, S. 136).

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Als soziales Faulenzen wird ein Phänomen bezeichnet, das vor allem in der Zusammenarbeit von Teams auftritt. Konkret wird unter sozialem Faulenzen „the tendency for individual effort to decrease when people work in groups rather than individually" (George, 1992, S. 191) verstanden. Damit handelt es sich bei sozialem Faulenzen um die Verringerung der eigenen Anstrengung in der Zusammenarbeit in einem Team.

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2 Kulturelle Diversität als Forschungsgegenstand

Stereotypisierungen können darüber hinaus zu Diskriminierungen der als anders wahrgenommenen Teammitglieder führen. Hierbei handelt es sich um „eine als illegitim wahrgenommene schlechtere Behandlung“ (Sassenberg et al., 2007, S. 240). Diese zeigt sich unter anderem durch die Benachteiligung von Personen oder Gruppen. Eine Diskriminierung kann auch gegenüber Angehörigen verschiedener Nationalitäten erfolgen. In diesem Zusammenhang stellten Bochner und Hesketh (1994) im Rahmen ihrer Untersuchung bei einer australischen Bank, an welcher mehr als 260 Mitarbeiter aus 28 Ländern teilnahmen, eine höher wahrgenommene Diskriminierung der nicht australischen Kollegen fest. Die wahrgenommene Diskriminierung der Mitarbeiter, welche sich selbst als Fremdgruppe (im Englischen outgroup) betrachteten, war signifikant höher als die ihrer australischen Kollegen der Eigengruppe (im Englischen ingroup). Obwohl es keine signifikanten Zusammenhänge zwischen Gruppenzugehörigkeit und Hierarchiestufe gab, bewerteten die Mitglieder der Fremdgruppe die wahrgenommene Ungleichbehandlung am Arbeitsplatz höher. Die Ergebnisse der Untersuchung müssen jedoch eingeschränkt werden, da das Bildungsniveau der Fremdgruppe insgesamt höher war als jenes der Eigengruppe, was sich möglicherweise auf die Höhe der wahrgenommenen Diskriminierung ausgewirkt hat (Bochner & Hesketh, 1994). Die wahrgenommene Andersartigkeit der Mitglieder, ein mögliches mangelndes Bewusstsein für andere Kulturen sowie ein möglicherweise divergentes Verständnis von der Ausführung einzelner Arbeitsaufgaben im Team erhöhen nicht nur die zuvor genannten Wahrscheinlichkeiten von Missverständnissen. Als Folge steigt auch das Risiko von Konflikten und Misstrauen zwischen den Teammitgliedern (vgl. Adler & Gundersen, 2008, S. 135f.; Podsiadlowski, 2002a). Konflikte sind offene Ausdrücke von Spannungen, die aus unterschiedlichen Zielen oder Interessen einer Partei gegenüber denen einer anderen Partei resultieren (Cox, 1993, S. 137). Interkulturelle Konflikte treten vor allem dann auf, wenn Mitglieder ein unterschiedliches Verständnis von Macht und Respekt haben (Oetzel, 2007). Mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen treffen in multikulturellen Teams auch unterschiedliche Sichtweisen, Werte und Normen aufei-nander. Diese beeinflussen die Wahrnehmung, Interpretation und Reaktion auf einzelne Stimuli, wodurch die Wahrscheinlichkeit von Konflikten ansteigt (Stahl et al., 2010). Hinzu kommt, dass bei kultureller Diversität die

2.3 Kulturelle Diversität in Teams

39

Ursachen von Konflikten auf Grund ihrer Tiefe und Vielschichtigkeit oftmals schwer zu identifizieren sind (Stahl et al., 2010). Im unternehmerischen Kontext sind Konflikte insbesondere vor dem Hintergrund potenzieller negativer Auswirkungen auf das Leistungsvermögen bedeutsam. Dies stellten unter anderem Dreu und Weingart (2003) in ihrer Metaanalyse fest. Neben dem Leistungsvermögen können Konflikte auch die Zufriedenheit von Arbeitnehmern beeinflussen. Dabei ist jedoch zwischen unterschiedlichen Konfliktarten, wie zwischen Aufgaben– und Beziehungskonflikten, zu differenzieren (Dreu & Weingart, 2003). In ihrer Untersuchung konnten sie einen wesentlich stärkeren negativen Zusammenhang zwischen Beziehungskonflikten und der Zufriedenheit von Teammitgliedern nachweisen als zwischen der Zufriedenheit und Aufgabenkonflikten (Dreu & Weingart, 2003). Dies liegt nicht zuletzt an der erhöhten Emotionalität von zwischenmenschlichen Konflikten gegenüber aufgabenbezogenen Konflikten (Dreu & Weingart, 2003). Kulturelle Diversität steht einigen Studien zufolge in einem positiven Zusammenhang zu aufgabenbezogenen Konflikten, nicht jedoch zu Beziehungskonflikten (Stahl et al., 2010). 2.3.3.3

Die Auswirkungen kultureller Diversität auf die Effizienz und Effektivität

Ob und inwieweit kulturelle Diversität einen positiven oder negativen Einfluss auf Effizienz und Effektivität haben, lässt sich nicht eindeutig beantworten. Es erscheint einleuchtend, dass die zuvor genannten Risiken, die mit dem Einsatz multikultureller Teams einhergehen, auch zu einer Verminderung der Effektivität führen können. Dies liegt nicht zuletzt an den potenziellen Reibungsverlusten, die vor allem zu Beginn der Zusammenarbeit in diversen Teams entstehen können. Stahl et al. (2010) konnten im Rahmen ihrer Metanalyse keinen direkten Zusammenhang zwischen der Teamleistung und kultureller Diversität in Teams nachweisen. Andere Untersuchungen, wie die von Jäkel (2008), lassen ein geteiltes Bild zu. Letzterer wies in seinen Untersuchungen eine signifikant längere Bearbeitungszeit kulturell divers zusammengesetzter Teams gegenüber homogen zusammengesetzter Teams nach. Ursächlich für die längere Bearbeitungszeit war unter anderem, dass sich die multikulturellen Teams zu

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2 Kulturelle Diversität als Forschungsgegenstand

Beginn der Aufgabenbearbeitung erst auf eine gemeinsame Arbeitssprache einigen mussten (Jäkel, 2008, S. 218). Im Gegensatz zu monokulturellen Teams stehen multikulturelle Teams insbesondere zu Beginn der Zusammenarbeit vor dem Erfordernis, sich auf die Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit zu einigen. Hierzu zählen beispielsweise das Festlegen und die Verwendung einer gemeinsamen Arbeitssprache als Grundlagen für die gemeinsame Zusammenarbeit. Da die Diversität auch Auswirkungen auf individuelle Arbeitsweisen haben kann, sollte auch die Art der Aufgabenerledigung besprochen werden. Diese Faktoren führen gerade zu Beginn der Zusammenarbeit zu Zeitverlusten. Dies bestätigen auch die Ergebnisse von Watson et al. (1993). Diese stellten im Rahmen ihrer Untersuchung kulturell homogene und heterogen zusammengesetzte Gruppen gegenüber. Obwohl die heterogenen Gruppen in den ersten Wochen der Zusammenarbeit Prozess- und Effektivitätsverluste aufwiesen, konnte dieser Unterschied über eine Zeitdauer von 13 Wochen so stark reduziert werden, dass nach dieser Zeit keine signifikanten Unterschiede mehr zwischen den beiden Gruppenkonstellationen festgestellt wurden (Watson et al., 1993). Dabei scheint vor allem der Umgang mit der kulturellen Diversität bedeutsam für ihre Auswirkung zu sein. Wenn kulturell diverse Teams es schaffen, die genannten potenziellen Reibungsverluste zu minimieren und ihre Synergiepotenziale zu nutzen, können sie zu den effektivsten und produktivsten Teams in Unternehmen werden (Adler & Gundersen, 2008, S. 140). Die Spannweite der Teameffektivität soll mit Hilfe von Abbildung 4 veranschaulicht werden.

2.3 Kulturelle Diversität in Teams

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Abbildung 4: Auswirkungen kultureller Diversität auf die Effektivität. Quelle: Eigene Darstellung adaptiert nach Cramer, T. (2007, S. 111); mit freundlicher Genehmigung von ã Tobias Cramer 2019. All rights reserved.

Im Gegensatz zu monokulturellen Teams reicht die Effektivität multikultureller Teams von sehr ineffektiv bis sehr effektiv. Die Maximalausprägungen sind im Vergleich zu monokulturellen Teams höher. Das Ausmaß der Effektivität ist dabei von verschiedenen Faktoren abhängig: Der Entwicklungsstufe des Teams, der Aufgabenstellung sowie der Art und Weise, wie mit der Diversität im Team umgegangen wird. Die Diversität wirkt vor allem dann als Vorteil, wenn die Teams erkennen, wann sie die Einflüsse der damit einhergehenden unterschiedlichen Sicht- und Verhaltensweisen nutzen können und wann die Einflüsse vermindert werden sollten (Adler & Gundersen, 2008, S. 140f.). 2.3.4

Erklärungsansätze für die Auswirkungen kultureller Diversität

Nachdem in den vorangegangenen Abschnitten einige potenzielle Chancen und Risiken kultureller Diversität in Teams vorgestellt wurden, werden im Folgenden Theorien vorgestellt, welche zur Erläuterung der Auswirkungen herangezogen werden können. Zur Erklärung des Vornehmens von Stereotypisierungen kann gleich auf mehrere Theorien zurückgegriffen werden: Mögliche Erklärungen bietet beispielsweise die Theorie der sozialen Identität von Tajfel, Henri und Turner (1979). Dieser folgend trägt die eigene soziale Gruppe zur sozialen Identität bei. Wird eine soziale Kategorisierung vorgenommen, führt dies

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2 Kulturelle Diversität als Forschungsgegenstand

zu einer besseren Behandlung der eigenen Gruppe bei einer zugleich negativen Wahrnehmung der Fremdgruppe, ohne dass die Mitglieder der eigenen Gruppe selbst anwesend sein müssen (Sassenberg et al., 2007; Tajfel et al., 1979). Übertragen auf ein multikulturelles Team könnte dies dazu führen, dass Angehörige eines Teams Mitglieder, die der gleichen Gruppe (beispielsweise der gleichen Nationalität) angehören, besser behandeln als Mitglieder anderer Nationalitäten. Diese Erklärung weist Parallelen zur Theorie der sozialen Kategorisierung auf, welche auf der Theorie der sozialen Identität aufbaut, jedoch etwas breiter ausgelegt ist (Turner, Hogg, Oakes, Reicher & Wetherell, 1987, S. 42ff.). Nach dieser Theorie erhöht eine wahrgenommene Ähnlichkeit oder gar Gleichheit zwischen Individuen oder Gruppen das gegenseitige Verständnis für Handlungen. Durch einen Vergleich mit Mitgliedern innerhalb und außerhalb der eigenen Gruppe wird das Gefühl der Zugehörigkeit zur eigenen Gruppe verstärkt und die wahrgenommenen Unterschiede zur anderen Gruppe erhöht (Sassenberg et al., 2007). Dies wiederum kann das Verständnis für Handlungen erhöhen oder auch senken (Podsiadlowski, 2002b, S. 102). Ausgehend von den wahrgenommenen Ähnlichkeiten kann es auch zur Bildung von Subgruppen im eigenen Team kommen. In diesem Fall könnten sich die Subgruppen auf Basis wahrgenommener Ähnlichkeiten zusammenfügen. Dabei muss es nicht zwangsläufig die Nationalität sein, die zu einer wahrgenommenen Ähnlichkeit führt. Eine Kategorisierung nach der Ähnlichkeit kann auch durch gleiche Erfahrungen oder anhand ähnlicher Freizeitgestaltung erfolgen. Die Wahrnehmung dieser Ähnlichkeit ist subjektiv und kann sich dementsprechend auf verschiedene Faktoren beziehen. Zu beachten ist, dass es durch den Prozess der Selbstkategorisierung auch zu einer Depersonalisierung kommen kann (Sassenberg et al., 2007). Dies bedeutet, dass Angehörige einer Gruppe, zu welcher auch das eigene Individuum zählt, als substituierbare Repräsentanten wahrgenommen werden und das eigene Verhalten nach den Normen der Gruppe ausgerichtet wird (Sassenberg et al., 2007). Neben der eigenen Gruppe werden auch die Mitglieder der Fremdgruppe als gleichartig wahrgenommen und individuelle Unterschiede ausgeblendet (Beispiel: Alle Deutschen sind gleich). Das Ergebnis dieser Prozesse ist die Wahrnehmung relativ homogener Gruppen mit spezifischen negativen und positiven Zuschreibungen

2.3 Kulturelle Diversität in Teams

43

oder Attributen, welche häufig zur Differenzierung gegenüber der Majoritätengruppe (bzw. Mehrheitsgruppe) verwendet werden (Sassenberg et al., 2007). Als weitere Theorie kann die assumed characteristics theory herangezogen werden. Dieser Theorie zufolge können fehlende Informationen über eine Person, die einem selbst unähnlich zu sein scheint, durch weniger günstige Eigenschaften ersetzt werden (Cox, 2005, S. 93). Auf dieser Theorie basierend würde selbst bei einer längeren Zusammenarbeit und dem damit oftmals anwachsenden Anstieg an Informationen über die andere Person ein Beibehalten, möglicherweise sogar ein Anstieg an Stereotypisierungen drohen (Cox, 2005, S. 93), da positive Eigenschaften übersehen und negative zur Bestätigung der zuvor angenommenen Eigenschaften herangezogen werden. Wie bereits im Rahmen der Erläuterung zur Entstehung von Stereotypisierungen und Vorurteilen skizziert, kommt der wahrgenommen Ähnlichkeit von Teammitgliedern eine wichtige Bedeutung zu. Mit dieser befasst sich auch die similarity attraction theory: Menschen fühlen sich eher von den Menschen angezogen, die ihnen ähnlich sind (Stahl et al., 2010). Zur Kategorisierung möglicher Ähnlichkeitsmerkmale werden häufig Kategorien verwendet, die in dem zu Grunde liegenden sozialen Kontext eher offensichtlich sind, wie das Geschlecht (Mannix & Neale, 2005). In einem multikulturellen Team könnte hingegen der kulturelle Hintergrund als Kategorie zur Einordnung herangezogen werden. Auf Grund der wahrgenommen Ähnlichkeit ist es wahrscheinlich, dass sich Mitglieder multikultureller Teams eher von Teamkollegen angezogen fühlen, welche dem gleichen kulturellen Hintergrund angehören. Dadurch kann die Entstehung von Subgruppen oder ein geringerer Zusammenhalt der Gesamtgruppe begünstigt werden. Die in multikulturellen Teams mitunter zu findenden vielseitigen und besseren Lösungsansätze können unter anderem anhand der informationprocessing theory erläutert werden. Dieser Theorie zufolge haben die Mitglieder eines multikulturellen Teams durch ihre unterschiedlichen kulturellen Hintergründe Zugang zu unterschiedlichen Informationen und Kenntnissen (Mannix & Neale, 2005). Dies führt zu einer reicheren Bandbreite an Perspektiven, Informationen sowie Netzwerken, auf die zur Problem-

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2 Kulturelle Diversität als Forschungsgegenstand

lösung zurückgegriffen werden kann (Mannix & Neale, 2005; Stahl et al., 2010). Ansätze zur Problemlösung werden dadurch breiter und facettenreicher, was die Lösung eines Problems positiv beeinflussen kann. Um mögliche Ursachen einer Fehlkommunikation und einer erhöhten Anzahl von Missverständnissen in multikulturellen Teams zu erklären, wird an dieser Stelle auf den in Abbildung 5 dargestellten Kommunikationsprozess nach Gibson (1997) verwiesen.

Kodierung

Übertragung

Erhalt

Dekodierung

Rückmeldung

Abbildung 5: Der Kommunikationsprozess nach Gibson. Quelle: Eigene Darstellung, adaptiert nach Gibson, C. (1997, S. 338); mit freundlicher Genehmigung von ã John Wiley and Sons 1997. All rights reserved.

Nach Gibson (1997) unterteilt sich der Kommunikationsprozess in fünf Phasen: In der ersten Phase wird die zu übermittelnde Information durch den Sender verschlüsselt. Bei der Zusammenarbeit in einem multikulturellen Team kommt erschwerend hinzu, dass die Verschlüsselung bewusst oder unbewusst dem soziokulturellen Hintergrund des Nachrichtensenders entsprechend erfolgt (Jäkel, 2008, S. 103). In der zweiten Phase wird die Information an den Nachrichtenempfänger übertragen. Hierbei ist zwischen dem formalen und dem informalen Kanal zu unterscheiden. Ein formaler Kanal wäre beispielsweise ein offizieller Bericht, wohingegen ein informaler Kanal in Form einer Kurznachricht erfolgen kann. Wie zuvor bei der Verschlüsselung, wird auch die Wahl des Kommunikationskanals durch die kulturelle Prägung des Senders beeinflusst (Jäkel, 2008, S.103). Kommt der Sender aus einer Kultur mit hoher Machtdistanz, wird er beispielsweise eher einen formalen Kommunikationskanal wählen. Kommt er eher aus einem Hintergrund mit geringer Machtdistanz, wird er eher einen informalen Kommunikationskanal nutzen (Jäkel, 2008, S. 103). Bereits durch die Wahl des Kommunikationskanals kann es, unabhängig vom übermittelten Inhalt, zu Missverständnissen bzw. Fehlinterpretationen kommen. So kann die Verwendung eines

2.3 Kulturelle Diversität in Teams

45

informalen anstelle eines möglicherweise vom Empfänger präferierten formalen Kommunikationskanals zu einer anderen Einschätzung der Situation kommen, als vom Sender beabsichtigt. In der dritten Phase erhält der Empfänger die Nachricht. Auf den Empfang der Nachricht folgend versucht der Empfänger die Nachricht zu entschlüsseln. Auch hier kommt es im Rahmen der Dekodierung wieder zu einem erhöhten Risiko von Missverständnissen, da auch die Entschlüsselung der Nachricht von dem individuellen kulturellen Hintergrund beeinflusst wird. Die Entschlüsselung sollte dabei in der vom Sender beabsichtigten Weise erfolgen mit dem Ziel, dem Sender in der darauffolgenden Phase fünf eine Rückmeldung zu geben (Jäkel, 2008, S. 103). Bei der Rückmeldung besteht dann das gleiche Risiko von Missverständnissen wie bei dem Versenden der ursprünglichen Nachricht. Der in Abbildung 5 dargestellte Kommunikationsprozess zeigt, in welchen Phasen und damit wie zahlreich die Ursachen einer möglichen Fehlinterpretation oder -kommunikation sein können. Das Risiko, eine Nachricht anders zu verstehen oder zu interpretieren, als vom Sender beabsichtigt, ist durch die unterschiedlichen Hintergründe, Wertvorstellungen und zum Teil auch Sprachen in multikulturellen Teams wesentlich höher als in monokulturellen Teams. Durch den gleichen kulturellen Hintergrund sind vorhandene Präferenzen, wie die Wahl eines adäquaten Kommunikationskanals, eher bekannt und das Risiko einer Fehlinterpretation damit geringer. Mit den zum Teil widersprüchlichen Forschungsergebnissen zu den Auswirkungen von Diversität beschäftigen sich auch Knippenberg et al. (2004). Die zum Teil widersprüchlichen Forschungsergebnisse zu den Auswirkungen von Diversität begründen Knippenberg et al. (2004) mit einer unzureichenden Integration sozialer Kategorisierungs- und Informationsverarbeitungsprozesse. Zur Veranschaulichung der Auswirkungen von Diversität auf die Teamleistung entwickelten sie das Categorization-ElaborationModell (CEM). Entgegen der sonst üblichen Praxis, die damit verbundenen Kategorisierungs- und Informationsverarbeitungsprozesse separat zu untersuchen, postuliert das CEM eine Interaktion zwischen den Prozessen und integriert sie in ein ganzheitliches Modell (Knippenberg et al., 2004). Das Modell postuliert, dass verschiedene Dimensionen von Diversität

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2 Kulturelle Diversität als Forschungsgegenstand

sowohl positive als auch negative Einflüsse auf die Teamleistung haben können. Diverse Teams verfügen beispielsweise über eine größere Bandbreite an Informationen. Deren Einfluss auf die Leistung des Teams wird jedoch durch verschiedene Variablen, wie der Arbeitsaufgabe, der aufgabenbezogenen Motivation oder Fähigkeiten zur erfolgreichen Bewältigung der Arbeitsaufgabe, beeinflusst. Darüber hinaus wird die Diversität durch soziale Kategorisierungsprozesse auf Basis wahrgenommener Unterschiede moderiert. Führt die vorgenommene Kategorisierung zu einer Bedrohung der sozialen Identität (des Individuums oder Subgruppen innerhalb des Teams), kann sich dies negativ auf Faktoren, wie den Zusammenhalt des Teams auswirken, was wiederum die Ausgestaltung der vorhandenen Informationen und damit die Leistung eines Teams beeinflussen würde. Zur Verdeutlichung des dargestellten Prozesses soll Abbildung 6 dienen.

Diversität - Komparative Passung - Aufgabenrelevante Informationen & Sichtweisen

Normative Passung der Kategorien

Kognitive Verfügbarkeit von Kategorien

Soziale Kategorisierung

Arbeitsaufgabe Aufgabenbezogene - Informationen & Anforderungen - Motivation - Fähigkeiten

Ausgestaltung der aufgabenrelevanten Informationen & Sichtweisen

Reaktionen auf die affektive Kategorisierung - Beziehungskonflikte - Kohäsion - Identifikation - Commitment

Bedrohung der eigenen Identität

Leistung - Kreativität & Innovationen - Qualität der Entscheidungen

2.3 Kulturelle Diversität in Teams 47

Abbildung 6: Categorization-Elaboration-Modell. Quelle: Eigene Darstellung, adaptiert nach Knippenberg, D.v., Dreu, C. K. W., de, & Homan, A. C. (2004, S. 1010); mit freundlicher Genehmigung von ã American Psychological Association 2004. All rights reserved. Die American Psychological Association ist nicht verantwortlich für die Richtigkeit der Übersetzung.

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2.4

2 Kulturelle Diversität als Forschungsgegenstand

Zusammenfassung und Operationalisierung kultureller Diversität in Teams

Das zweite Kapitel hat die Bedeutung der Kultur und deren Einfluss auf die Wahrnehmung, die Einstellungen, die Werte und das Verhalten der ihr angehörenden Personen oder Gruppen herausgestellt. Es wurde dargelegt, dass dem sozialen System, in welchem sich das Individuum aufhält, eine wichtige Bedeutung zukommt und dass die Nationalkultur unter anderem durch nationale Bildungssysteme, gemeinsame Massenmedien und einem politischen System als besonders identitätsstiftend gilt. Um allgemeine Merkmale einzelner Kulturen beschreiben zu können, wurden die Kulturdimensionen von Hofstede sowie House et al. vorgestellt und anschließend einer kritischen Würdigung unterzogen. Vor allem bei Vergleichen von Angehörigen unterschiedlicher Kulturen im Rahmen der Stressforschung wird häufig auf die von Hofstede erarbeiten Kulturdimensionen, insbesondere die Dimension des Individualismus und Kollektivismus, zurückgegriffen. Die im Rahmen von Hofstede vorgenommene Verwendung der Staatsangehörigkeit als Diversitätskriterium resultiert insbesondere aus der mit ihr verbundenen Zweckmäßigkeit (Hofstede & Hofstede, 2006, S. 23). Studien zur Erfassung statistischer Daten werden oftmals von nationalen Trägern in Auftrag gegeben, um Vorgänge oder Zustände innerhalb ihrer eigenen Grenzen zu untersuchen. Natürlich erfolgt dies auch auf höherer Ebene, wie dem Zusammenschluss einzelner Staaten zu einer größeren Institution, wie der Europäischen Union. Dennoch werden Daten oftmals von einzelnen Mitgliedsstaaten beigesteuert, seien es volkswirtschaftliche Daten, Gesundheitsdaten oder bildungspolitische Daten. Aus diesen Gründen wird hier, wenn auch in einem anderen Zusammenhang, nicht zuletzt aus Gründen der Praktikabilität auf die Nationalkultur zurückgegriffen. Auf der Ebene des Individuums ist es praktikabler nach der Nationalität zu fragen. Jedes Individuum verfügt neben seinem Alter, Geschlecht, Beruf und weiteren Klassifizierungsansätzen auch über mindestens eine Nationalität. Die Nationalität kann durch die beschriebenen Einflüsse sogar Teil der mentalen Programmierung werden (Hofstede & Hofstede, 2006, S. 24f.). Nicht zuletzt durch das in Kapitel 2.2 beschriebene Nationalgefühl und einer damit einhergehenden Homogenisierung von Gruppen ist ein Einfluss der Nationalität durchaus diskutabel.

2.4 Zusammenfassung und Operationalisierung kultureller Diversität in Teams

49

Ein zusätzlicher Grund dafür, die Nationalität als Differenzierungskriteritum heranzuziehen, liegt in einem weiteren Aspekt, der ebenfalls der Praktikabilität zuzuordnen ist. Im Zuge der Erfassung einzelner Teamkompositionen ist es für einen Teilnehmer möglicherweise einfacher zu beantworten, mit wie vielen Menschen unterschiedlicher Nationalität er zusammenarbeitet, als Auskünfte über die Herkunft einzelner Teammitglieder zu geben. Eine Operationalisierung über die Nationalität von Individuen und im Laufe dieser Arbeit von den Mitgliedern einzelner Teams ist nachvollziehbar und nicht zuletzt der Praktikabilität geschuldet. Da die Nationalität und die Herkunft eines Individuums jedoch voneinander abweichen können, ist es zweckdienlich, neben der Nationalität auch die Herkunft oder Muttersprache eines Individuums zu erfassen. Aus diesem Grund werden im Rahmen dieser Forschungsarbeit auf individueller Ebene auch mögliche weitere Staatsbürgerschaften, die Herkunft und Muttersprache der Teilnehmer erfasst. Da nicht davon ausgegangen werden kann, dass die abgefragte Nationalität auch der ursprünglichen Herkunft eines Teilnehmers entspricht, wird im Rahmen dieser Arbeit bei einem Team, dessen Mitglieder verschiedenen Nationalitäten angehören, von einem multikulturellen Team gesprochen. Basierend auf der vorgenommenen Definition des Teambegriffs handelt es sich bei einem multikulturellen Team um - eine aus mindestens drei und maximal 30 Personen bestehende Ansammlung von Personen, - die sich aus mindestens drei verschiedenen Nationalitäten zusammensetzen, - die unabhängig voneinander ihre Arbeitsaufgaben erledigen und - sich die Verantwortung für ihre Ergebnisse teilen.

3. Stress als Begriff in Alltag und Wissenschaft Nachdem sich die vorangegangenen Kapitel mit den Grundlagen der Teamarbeit und den Auswirkungen von Diversität darauf befassten, soll dieses Kapitel einen Überblick über verschiedene theoretische Modelle und Konzepte der Stressforschung geben. 3.1

Stresstheoretische Begriffsdefinition und Grundlagen

Dem Begriff Stress kommt im allgemeinen Sprachgebrauch eine hohe Bedeutung zu: 60% der Deutschen fühlen sich gestresst. Dies gilt sowohl für den privaten als auch den beruflichen Kontext (Wohlers & Hombrecher, 2016, S. 6). Bei näherer Betrachtung fällt schnell auf, dass dem Stressbegriff je nach Person und Kontext unterschiedliche Bedeutungen zugeteilt werden. „Stress has many different meanings, both in its public usage and in its technical, professional and scholarly usages“ (Beehr, 1995, S. 1). Neben unterschiedlichen Bedeutungen kommt hinzu, dass im alltäglichen Sprachgebrauch die Begriffe Belastung, Beanspruchung und Stress oft synonym verwendet werden. Der Begriff der Belastung ist unter anderem in der DIN Norm EN ISO 10075-1 näher definiert. Demnach handelt es sich bei einer Belastung um „die Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken“ (Joiko, Schmauder & Wolff, 2010, S. 9). Der Begriff der Belastung ist als neutral zu verstehen. Belastungen können damit sowohl positive als auch negative Einflüsse umfassen. Ähnliches gilt für die (psychische) Beanspruchung. Sie wird in der DIN Norm EN ISO 10075-1 definiert als „die unmittelbare (nicht langfristige) Auswirkung der psychischen Belastung im Individuum in Abhängigkeit von seinen jeweiligen überdauernden und augenblicklichen Voraussetzungen, einschließlich der individuellen Bewältigungsstrategie“ (Joiko et al., 2010, S. 10). Beanspruchungen sind damit den Belastungen nachgelagert. Sie sind die Auswirkungen von Belastungen im oder auf den Menschen (Rohmert & Rutenfranz, 1975, S. 8) und können sowohl positiv als auch negativ sein. Bei dieser Betrachtungsweise geht es keineswegs © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 K. Leifels, Stressoren und Ressourcen in der interkulturellen Teamarbeit, Internationale Wirtschaftspartner, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26009-5_3

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3 Stress als Begriff in Alltag und Wissenschaft

um ein reines Reiz-Reaktionsmuster. Vielmehr handelt es sich um einen komplexen Prozess der Rückkopplung und Vermittlung zwischen den beiden Komponenten (Ulich, 2005, S. 459). Belastungen treffen auf verschiedene individuelle Fähigkeiten und Eigenschaften des Menschen. Unterschiede in der Ausprägung dieser führen dazu, dass die gleichen Belastungen bei verschiedenen Menschen unterschiedliche Beanspruchungen hervorrufen können (Rohmert et al., 1975, S. 8). Um sich der Relevanz der Thematik als theoretischen Ausgangspunkt zur nähern, werden im Weiteren grundlegende Definitionen sowie Konzepte dargestellt, auf welche im Verlauf dieser Arbeit Bezug genommen wird. Zunächst soll definiert werden, was sich konkret hinter dem Begriff Stress verbirgt und wie dieser definiert werden kann. Stress wird in verschiedenen Wissenschaftsbereichen als Untersuchungsgegenstand herangezogen. Entsprechend heterogen sind die zu findenden Begriffsdefinitionen sowie Konzepte, die den Stressbegriff kategorisieren oder erklären. Stress wurde bereits in der Vergangenheit ein hohes Maß an Bedeutung in wissenschaftlichen Untersuchungen geschenkt (vgl. Beehr, 1995; Frese, 1981; Greif, 1991; Kühlmann, 1990; Semmer, 1984). Entsprechend breit sind die in der Literatur zu findenden Differenzierungen. Stress kann beispielsweise definiert werden als die Wahrnehmung einer Diskrepanz zwischen Anforderungen der Umwelt und individuellen Kapazitäten (Agolla & Ongori, 2009). Abhängig davon, welches Stresskonzept herangezogen wird, finden sich oftmals gleiche oder ähnliche Komponenten wieder. Eine weitere mögliche Differenzierung nehmen Morgan und Bowers (1995) vor, die in Tabelle 5 aufgeführt ist.

3.1 Stresstheoretische Begriffsdefinition und Grundlagen

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Tabelle 5: Arten und Definitionen von Stress. Quelle: Eigene Darstellung, adaptiert nach Morgan, B. & Bowers, C. (1995, S. 265); mit freundlicher Genehmigung von ã John Wiley and Sons 1995. All rights reserved. Art

Psychologisch

Definition „A response state ... its induction depends on the mediation of some appraising, perceiving, or interpreting mechanism” (Appley & Trumbull, 1967, S. 9). [Ein Antwortzustand … dessen Entstehung von der Vermittlung einiger Bewertungs-, Wahrnehmungs- und Interpretationsmechanismen abhängig ist.] 8

Organisatorisch

„The general, patterned, unconscious mobilization of the individual's energy when confronted with any organizational or work demand” (Quick & Quick, 1984, S. 9). [Die allgemeine, strukturierte, unbewusste Mobilisierung von Kräften eines Individuums, wenn es mit organisatorischen oder arbeitsbezogenen Anforderungen konfrontiert wird.]

Physisch

„Stress is the state manifested by a specific syndrome which consists of all the non-specifically-induced changes within a biologic system” (Selye, 1976b, S. 64). [Stress ist der Zustand, der sich durch spezifische Syndrome zeigt, die alle nichtspezifischen Veränderungen im biologischen System beinhalten.]

Psychosozial

8

„Psychosocial stress … reflects the subject's inability to forestall or diminish perception, recall, anticipation, or imagination of disvalued circumstances – those that in reality or fantasy signify great and/or increased distance from desirable (valued) experiential states” (Kaplan, 1983, S. 196). [Psychosozialer Stress … spiegelt die Unfähigkeit einer Person wider, der Wahrnehmung, Erinnerung, Erwartung oder Vorstellung von entwerteten/entwertenden Umständen, die sich in der Realität oder Fantasie durch eine große oder gestiegene Entfernung von dem erwünschten (geschätzten) Zustand aufzeigen, vorzubeugen oder diese zu verringern.]

Übers. d. Verf. im Folgenden in eckigen Klammern.

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3 Stress als Begriff in Alltag und Wissenschaft

Die in der Tabelle 5 enthaltenen unterschiedlichen Definitionen zeigen, wie breit gefächert die Begriffe und Definitionen sind, abhängig davon, aus welcher Disziplin diese rühren und welche Konzepte diesen zu Grunde liegen. Stress wird oftmals als Reiz, Reaktion oder Interaktion definiert (Dewe, O'Driscoll & Cooper, 2010, S. 3). 3.2

Theoretische Konzepte und Modelle

Einige für diese Arbeit besonders bedeutsame Konzepte und Modelle werden im Folgenden vorgestellt und näher erläutert. 3.2.1

Das transaktionale Stressmodell von Lazarus

Ein großer Anteil der psychologischen Stressforschung nimmt Bezug auf das transaktionale Stresskonzept von Lazarus. Dieses gilt als das in der Literatur am stärksten verbreitete Stressmodell. Das Modell postuliert, dass psychologischer Stress aus der Beziehung zwischen einer Person und seiner Umwelt resultiert (Lazarus & Launier, 1978). Die Wahrnehmung von Stress ist ein kognitiver Prozess, welcher der subjektiven Bewertung unterliegt (Cooper & Dewe, 2005, S. 71f.). Im Konzept von Lazarus spielen drei Konstrukte eine wesentliche Bedeutung: Das primary appraisal (primäre Bewertung), das secondary appraisal (sekundäre Bewertung) und das coping (Stressbewältigung). Diese stehen in einem nachgelagerten Prozess zueinander und sind in Abbildung 7 dargestellt:

Auftreten eines Stressors

Ende des Prozesses

Ereignis o. Situation wird als nicht stressend bewertet

Primäre Bewertung

Ereignis o. Situation wird als stressend bewertet

Primäre Bewertung

Sekundäre Bewertung

Problemorientiert

Bewältigung

Emotionsorientiert

Kurzfristig

Langfristig

Auswirkungen

Transaktionaler Prozess

3.2 Theoretische Konzepte und Modelle 55

Abbildung 7: Das transaktionale Stressmodell nach Lazarus. Quelle: Eigene Darstellung, adaptiert nach Morgan, B. Quelle: Schuster, R., Hammitt, W. & Moore, D. (2006, S. 98).); mit freundlicher Genehmigung von ã Taylor & Francis 2006. All rights reserved.

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3 Stress als Begriff in Alltag und Wissenschaft

Um diesen Prozess besser zu verstehen, werden die Konstrukte, die den Kern von Lazarus’ Arbeit darstellen, im Einzelnen vorgestellt. Bewertungsprozesse Primäre Bewertung Lazarus’ Modell sieht verschiedene Bewertungsprozesse vor, welche den Beginn einer möglichen stressauslösenden Reaktion darstellen. Im Zentrum der primären Bewertung steht die Bedeutung einer Transaktion zwischen dem Individuum und seiner Umwelt in Bezug auf das individuelle Wohlbefinden (Cooper & Dewe, 2005, S. 73; Lazarus & Launier, 1978). Ein auf das Individuum wirkender Faktor wird hinsichtlich seines Wirkpotenzials auf das Wohlergehen eingestuft. Wird ein Element als ungefährlich für das Wohlergehen eingestuft, endet der primäre Bewertungsprozess. Wird ein Ereignis oder Element hingegen als gefährdend für das Wohlergehen eingestuft, wird die Situation als stressend klassifiziert. Die Klassifizierung unterliegt dabei der folgenden Dreiteilung: Schädigung/Verlust: In diesem Fall ist der Schaden bereits eingetreten oder das Individuum hat bereits Erfahrungen mit demselben oder einem ähnlichen Stressor gesammelt, durch welchen es in der Vergangenheit zu einem Schaden oder Verlust kam (Kühlmann, 1988, S. 100). Gefährdung/Bedrohung: Bei einer Gefährdung beziehungsweise Bedrohung besteht die zukünftige Möglichkeit eines Verlustes oder einer Schädigung. In diesem Fall gibt es bereits Hinweise für einen Verlust oder Schaden in der Zukunft, ohne dass das schädigende oder bedrohliche Ereignis bereits eingetreten ist (Kühlmann, 1988, S. 100). Herausforderung: Wird ein Ereignis als Herausforderung eingestuft, geht das Individuum von einer erfolgreichen Bewältigung der Situation aus (Kühlmann, 1988, S. 100). In der Herausforderung sieht Lazarus die Möglichkeit des

3.2 Theoretische Konzepte und Modelle

57

Wachstums, der Herrschaft oder des Gewinns. Damit nähert sich Lazarus dem von Selye (1976a) begründeten Begriff des Eustress, nach welchem stressende Ereignisse nicht per se als negativ anzusehen sind. Vielmehr können sie auch positive Aspekte beinhalten (Selye, 1976a; Busch, 2004, S. 61). Im Zeitverlauf erweitert Lazarus diese Dreiteilung um einen weiteren Aspekt – den Vorteil. Die Zielsetzung dieser Erweiterung besteht darin, mögliche positive Emotionen stärker zu berücksichtigen (Cooper & Dewe, 2005, S. 73). Sekundäre Bewertung Im Zuge des zweiten Bewertungsprozesses evaluiert das Individuum die ihm zur Verfügung stehenden Ressourcen einschließlich der zur Verfügung stehenden Bewältigungsstrategien (Lazarus, 1991). Ressourcen sind Fähigkeiten und Kompetenzen, die der Einzelne nutzen kann, um mit der als stressend bewerteten Situation umzugehen (Busch, 2004, S. 62). Die Bewältigungsstrategien stellen einen wesentlichen Aspekt in der transaktionalen Stresstheorie dar. Die Bewältigungsstrategien können definiert werden als „constantly changing cognitive and behavioural efforts to manage specific external and/or internal demands that are appraised as taxing or exceeding the resources of the person” (Lazarus & Folkman, 1984, S. 141). Ausgehend von der Definition handelt es sich damit um sämtliche kognitive und verhaltensbezogene Bemühungen, mit den Anforderungen, welche die persönlichen Ressourcen ausreizen oder überschreiten, umzugehen. Die Bewältigung kann effektiv und ineffektiv erfolgen. „If we cope effectively, stress is reduced or at least, under control. If we cope ineffectively, then stress is increased” (Lazarus, 1998, S. 168). Diese Äußerung impliziert nicht, dass diejenigen, die erfolgreicher in der Bewältigung sind, weniger Stress haben. Vielmehr stellt Lazarus die Bedeutung der effektiven Bewältigung auf den Grad des Stresserlebens heraus. Im Rahmen seiner Forschung hat Lazarus unter anderem die folgenden Grundsätze der Bewältigung aus einer Prozessperspektive konstituiert: - Die Bewältigungsstrategie kann von Begegnung zu Begegnung variieren und ist damit kontextbezogen (Lazarus & Folkman, 1984, S. 141f.).

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3 Stress als Begriff in Alltag und Wissenschaft

- Die Bewältigung erfolgt unabhängig von dem zu bewertenden Erfolg (Busch, 2004, S. 65). Sie ist als Anstrengung zu betrachten, um mit Stress umzugehen (Lazarus & Folkman, 1984, S. 141). - Die Bewältigung beruht auf dem Denken und Handeln einer Person in der Bemühung, mit belastenden oder über die Ressourcen hinausgehenden Herausforderungen umzugehen (Lazarus & Folkman, 1984, S. 141f.). Die Bezugnahme auf einen Prozessbegriff impliziert, dass sich die Bewältigung im Verlauf einer Begegnung mit dem Stressor verändert (Lazarus & Folkman, 1984, S. 141). Lazarus unterteilt Bewältigungsstrategien in problemorientierte und emotionsorientierte Strategien: „Problem-focused coping consists of efforts to alter the actual relationship, as when we seek information about what needs to be done and change either our own behavior or take action on the environment” (Lazarus, 1991, S. 5). Problemorientiertes Coping umfasst damit Strategien und Handlungen, um eine Änderung der Situation oder des Verhaltens herbeizuführen. Problemorientierte Bewältigungsstrategien werden besonders oft in als veränderbar wahrgenommenen Situationen angewandt (Carver, Scheier & Weintraub, 1989). Dem gegenüber steht der emotionsorientierte Umgang mit Stress: „Emotion-focused coping consists of efforts to regulate the emotional distress caused by ham or threat ... Emotion-focused coping does not change the objective terms of the person-environment relationship, but only how these terms are attended to or interpreted” (Lazarus, 1991, S. 5). Bei emotionsorientierten Bewältigungsstrategien steht nicht die Veränderung einer spezifischen Situation im Vordergrund. Es geht vielmehr darum, den Umgang beziehungsweise die Wahrnehmung der stressauslösenden Bedingungen oder des Ereignisses zu verändern, wodurch die Bewertung einer Situation verändert werden kann (Busch, 2004, S. 65f.). Die sekundäre Bewertung, welche auch als zweitrangig bzw. untergeordnet interpretiert werden könnte, hat keine geringere Bedeutung als die primäre Bewertung, wie der Name möglicherweise impliziert. Die Bewertungsprozesse und die Bewältigung sind vielmehr eng miteinander verknüpft (Cooper & Dewe, 2005, S. 73).

3.2 Theoretische Konzepte und Modelle

59

Neubewertung Eine weitere Komponente des Bewertungsprozesses nach Lazarus ist die Neubewertung (im Englischen Reappraisal). Im Rahmen dieser werden die zur Verfügung stehenden Ressourcen und Bewältigungsstrategien mit der wahrgenommenen oder bereits erlebten Belastung bzw. Bedrohung abgeglichen. Dabei geht es vor allem darum, zu überprüfen, inwieweit diese ausreichen, um der Belastung oder Bedrohung adäquat gegenüberzutreten (Ulich, 2005, S. 461). Durch diesen Rückkopplungsprozess kann es auch zu der Neubewertung einer Situation kommen, was anschließend zu einer Neueinstufung der Situation oder des Ereignisses führen kann (Ulich, 2005, S. 461). Zu beachten ist, dass auch hier Belastungen, entgegen des oftmals verwendeten Sprachgebrauchs, nicht per se als negativ zu betrachten sind. Auch die aus den Belastungen resultierenden Beanspruchungen sind nicht nur als Folge einer vorausgegangenen Handlung zu betrachten – diese können auch die Ursache für neue, weitere Handlungen sein (Ulich, 2005, S. 462). Beanspruchungen stellen damit die Grundlage für Lernprozesse dar: „Lernen kann als Versuch verstanden werden, Beanspruchungssituationen für die vorgreifende (antizipatorische) Anpassung an zukünftige Beanspruchungssituationen auszunutzen“ (Nitsch & Udris, 1976, S. 12). Gesammelte Erfahrungen über und mit Beanspruchungen sind damit die Basis aller Lernprozesse (Nitsch & Udris, 1976, S. 12). Kritische Würdigung des transaktionalen Stressmodells von Lazarus Das von Lazarus vorgestellte Konzept wurde nach seiner Veröffentlichung kontrovers diskutiert. Die wesentlichen Kritikpunkte betreffen vor allem die Wahrnehmungs- und Bewertungsprozesse seines Modells. Einer der Kritikpunkte hinterfragt beispielsweise, inwieweit die Bewertung und die Wahrnehmung einzelne Komponenten von Emotionen darstellen (Cooper & Dewe, 2005, S. 75ff.). Darüber hinaus birgt das von Lazarus entwickelte Stressmodell methodologische Schwierigkeiten, die es für andere Forscher schwierig machen, die Bewertungsprozesse zu untersuchen (Cooper & Dewe, 2005, S. 75ff.). Einer der Hauptkritiker des Stressmodells von Lazarus war Zajonc (1980). In einer sechs Jahre andauernden wissenschaftlichen Diskussion, die vor allem über das Journal American

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3 Stress als Begriff in Alltag und Wissenschaft

Psychologist ausgetragen wurde, kritisierte Zajonc, „affective judgments may be fairly independent of, and precede in time, the sorts of perceptual and cognitive operations commonly assumed to be the basis of these affective judgments” (Zajonc, 1980, S. 151). Für die meisten Entscheidungen sei es nach Zajonc schwierig nachzuweisen, dass vorgelagerte kognitive Prozesse stattgefunden haben. It is generally believed that all decisions require some conscious or unconscious processing of pros and cons. Somehow we have come to believe, tautologically, to be sure, that if a decision has been made, then a cognitive process must have preceded it ... In fact, for most decisions, it is extremely difficult to demonstrate that there has actually been any prior cognitive process whatsoever.9 (Zajonc, 1980, S. 155) Einer der Streitpunkte, auf welchen Lazarus später selbst eingeht, ist, inwiefern sämtliche Bewertungsprozesse bewusst oder unbewusst erfolgen: Das kognitive Unterbewusstsein sei eine Unkenntnis von Unaufmerksamkeit. Hierfür gäbe es verschiedene Ursachen. Eine solche ist beispielsweise ein Automatismus für alle Faktoren, welche bereits Aufmerksamkeit erhalten haben (Cooper & Dewe, 2005, S. 75). Lazarus kontrastiert erst Jahre später zwei Arten der Bewertung: Die erste Bewertung erfolgt demnach im weitesten Sinne bewusst, hingegen findet die zweite Bewertung intuitiv, automatisch oder unbewusst statt. Beide bedürfen jedoch einer kognitiven Tätigkeit (Cooper & Dewe, 2005, S. 75). Der Hauptkritikpunkt am transaktionalen Stressmodell liegt allerdings in der schwierigen Überprüfbarkeit: Durch den vermeintlichen Ansatz möglichst verschiedene Prozessvarianten abzubilden, von negativen Facetten wie Bedrohungen bis hin zu positiven Aspekten wie Herausforderungen, einschließlich der hieraus resultierenden Bewertungen und Emotionen, 9

Es wird im Allgemeinen angenommen, dass alle Entscheidungen bewusstes oder unbewusstes Verarbeiten von Vor- und Nachteile erfordern. Irgendwie kamen wir schlussendlich dazu zu glauben, tautologisch sicher zu sein, dass, wenn eine Entscheidung getroffen wurde, ein kognitiver Prozess dieser vorausgegangen ist … Vielmehr ist es für die meisten Entscheidungen exterm schwer zu beweisen, dass tatsächlich überhaupt irgendein kognitiver Prozess jeglicher Art stattgefunden hat. Übers. d. Verf. nach Zajonc (1980, S. 155).

3.2 Theoretische Konzepte und Modelle

61

weist das Modell eine hohe Komplexität auf. Die mit der Komplexität des Modells einhergehende Vielzahl an Variablen führt bei der empirischen Umsetzung zu Problemen. Die Auswirkungen einzelner Variablen sind unklar (Kühlmann, 1982, S. 134). Es lässt sich nicht erkennen, ob sich einzelne Variablen aufsummieren oder ob multiplikative Zusammenhänge bestehen. Weiterhin lässt das Modell offen, ab welchem Intensitätsgrad einzelne Variablen wirken (Kühlmann, 1982, S. 134). Die ausgebliebene Operationalisierung einzelner Konstrukte erschwert ebenfalls die Überprüfung des Modells. Ein weiterer Kritikpunkt liegt in dem starken Kontext- beziehungsweise Situationsbezug der Bewältigungsstrategien. Dies gilt insbesondere für die von Lazarus vorgenommene Einschränkung auf einen bewussten Bewältigungsprozess, der durch ein als stressend klassifiziertes Ereignis ausgelöst wird (Dewe et al., 2010, S. 28ff.). Zu kritisieren ist vor allem die mangelnde Differenzierung zwischen der (aktiven) Bewältigung und der Anpassung. Die Grenzen zwischen den beiden Verhaltensweisen sind, schon alleine aus semantischen Gründen, fließend. Darüber hinaus verfügt auch die Anpassung selbst über eine ganze Reihe unterschiedlicher Verhaltensstrategien. Mit inbegriffen sind dabei die Fähigkeiten des Zurechtkommens als eine gewohnheitsmäßige und routinierte Verhaltensweise (Dewe et al., 2010, S. 29f.). Wenn die Unterscheidung zwischen der Bewältigung und der Anpassung so verschwommen ist, wieso wurden dann Verhaltensweisen wie Gewohnheiten und Routinen nicht in einer der von Lazarus erstellten Definition der Bewältigung aufgenommen? Eine mögliche Erklärung hierfür könnte in der vorgenommenen Differenzierung zwischen bewussten und unbewussten Prozessen begründet liegen (Dewe et al., 2010, S. 30). Die Anpassung wäre demnach in den unbewussten Prozessen zu finden. Nichtsdestotrotz bleibt die Kritik einer sauberen Differenzierung beider Konzepte bestehen. Auch die von Lazarus vorgenommene Differenzierung zwischen problemund emotionsorientierten Bewältigungsstrategien ist nicht frei von Kritik. Es stellt sich die Frage, inwieweit diese Differenzierung und die damit einhergehende Einteilung einzelner Bewältigungsstrategien tatsächlich zweckdienlich sind. Einige Bewältigungsstrategien, beispielsweise das Planen, können sowohl in die problem- als auch emotionsorientierten Strategien

62

3 Stress als Begriff in Alltag und Wissenschaft

eingeordnet werden, insofern die Planung nicht nur der Problemlösung, sondern auch der Regulierung eigener Emotionen dient (Skinner, Edge, Altman & Sherwood, 2003). All den genannten Kritikpunkten zum Trotz, hat das transaktionale Stressmodell die Stressforschung maßgeblich beeinflusst und einen großen Beitrag dazu geleistet, Stress als Prozess anschaulich darzustellen und damit nachvollziehbar zu machen. Besonders hervorzuheben sind die subjektiven Bewertungsprozesse mit der Berücksichtigung individueller Ressourcen. Ein Ereignis oder eine Situation ist damit nicht per se stressend, sondern unterliegt dem subjektiven Bewertungsprozess. 3.2.2

Das job-demand-control-Modell von Karasek

Neben dem transaktionalen Stressmodell von Lazarus stellt das Modell von Karasek (1979) eines der am stärksten beachteten Stressmodelle in der Stressforschung dar. Das model of job strain, welches auch als jobdemand-control-model (JDCM) bekannt ist, beschreibt den Zusammenhang zwischen den Anforderungen am Arbeitsplatz und der Kontrolle, über die ein Individuum am Arbeitsplatz verfügt. Im Gegensatz zu anderen Studien, die sich häufig entweder mit der Wirkungsweise beruflicher Tätigkeitsspielräume wie der Entscheidungshoheit oder den Auswirkungen von Stress auf die physische und psychische Gesundheit befassten, kombiniert Karasek diese beiden oftmals differenziert betrachteten Forschungseinheiten (Karasek, 1979). Das Modell von Karasek postuliert, dass psychische Belastungen nicht aus einzelnen Komponenten am Arbeitsplatz resultieren, sondern aus dem Zusammenspiel zwischen Anforderungen und dem Tätigkeitsspielraum erwachsen, der dem Individuum zur Bewältigung dieser Anforderungen zur Verfügung steht (Karasek, 1979). Eine Ausgewogenheit zwischen den Anforderungen und der Kontrolle ist das zentrale Element des Modells. Entgegen des individuumzentrierten Stressbegriffs basiert das Modell auf den folgenden drei Begrifflichkeiten (Karasek, 1979): - job demands (Arbeitsanforderungen) - decision latitude / job control (Kontrollmöglichkeiten) - job strain (Arbeitsbelastung).

3.2 Theoretische Konzepte und Modelle

63

Zu den job demands zählen jene unabhängigen Variablen, die Stressquellen in Form sogenannter Stressoren beinhalten können. Hierzu zählen psychische Stressoren in Form einer hohen Arbeitsbelastung und Stressoren, die aus unerwarteten Aufgaben oder aus persönlichen, mit der Arbeit in Verbindung stehenden, Konflikten erwachsen (Karasek, 1979). Das Modell fokussiert damit nur psychische Belastungen, die mit der Arbeitstätigkeit in Verbindung stehen. Unberücksichtigt bleiben in Karaseks durchgeführten Untersuchungen physische Stressoren und deren Auswirkungen auf das Individuum, wie sie beispielsweise bei Arbeitern zu finden sind (Karasek, 1979). Decision latitude kann definiert werden als „the working individual's potential control over his tasks and his conduct during the working day” (Karasek, 1979, S. 289–290). Hierunter fallen die Kontrollmöglichkeiten bzw. Handlungsspielräume, die einem Individuum im Zuge seiner Aufgabenerledigung zur Verfügung stehen (Frese & Zapf, 1994). Dieser Spielraum lässt sich in zwei Komponenten aufteilen: Die erste Komponente bezieht sich auf die Berechtigung einer Person gewisse Entscheidungen treffen zu können. Die zweite Komponente bezieht sich auf die Möglichkeit, (geforderte) Fähigkeiten einsetzen zu können (Doef & Maes, 1999). Das dritte große Konstrukt seines Modells ist der job strain, welcher sich wörtlich mit Anspannung der Arbeit oder auch Arbeitsbelastung übersetzen lässt.

64

3 Stress als Begriff in Alltag und Wissenschaft Risiko der (Fehl-) Beanspruchung und Erkrankungen

Arbeitsanforderung gering

hoch gering

Entscheidungsspielraum

gering

Passiver Job

Ruhiger Job

Stark beanspruchender Job

Aktiver Job

hoch

hoch gering

hoch Aktives Lernen und Entwicklung

Abbildung 8: Das job-demand-control-Modell von Karasek. Quelle: Eigene Darstellung, adaptiert nach Karasek, R. (1979, S. 288); mit freundlicher Genehmigung von ã SAGE Publishing 1979. All rights reserved.

Das Modell von Karasek (1979) geht davon aus, dass das Ausmaß an Kontrolle besonders wichtig bei der Voraussage von Gesundheitsfaktoren ist. Die Abbildung 8 fasst die Arten von Jobs, die sich aus unterschiedlichen Kombinationen von Arbeitsanforderungen und Kontrollmöglichkeiten ergeben können, zusammen. Die in der Abbildung 8 mit A und B gekennzeichneten Diagonalen veranschaulichen verschiedene Ausprägungen von Arbeitsanforderungen und Kontrollmöglichkeiten. Diagonale A veranschaulicht die Arten von Jobs, in denen die Arbeitsanforderungen und Kontrollmöglichkeiten divergieren.

3.2 Theoretische Konzepte und Modelle

65

Diagonale B bildet Jobs ab, bei denen Arbeitsanforderungen und Kontrollmöglichkeiten konvergieren (Karasek, 1979). Die Anforderungen werden in dem Modell stets in Bezug zu dem vorliegenden Entscheidungsspielraum gesetzt. Dabei geht das Modell von verschiedenen Annahmen aus: Zum einen nimmt es an, dass die Beanspruchung mit einem Anstieg der Arbeitsanforderungen bei einer relativen Abnahme der Tätigkeitsspielräume steigt. Weiterhin postuliert das Modell einen inkrementellen Zuwachs an Kompetenzen, wenn die Herausforderungen einer Situation zu den individuellen Kenntnissen oder Steuerungsmöglichkeiten passen (Karasek, 1979). Das Modell unterscheidet zwischen vier Arten von Jobs: -

active jobs passive jobs low strain jobs high strain jobs (Karasek, 1979).

Sind die Anforderungen und Entscheidungsspielräume in einem Job gleich hoch, sind diese nach dem in Abbildung 8 dargestellten Modell als active jobs (aktive Arbeit) zu klassifizieren. Die erhöhten Anforderungen mit dem damit verbundenen erhöhten Spielraum an Entscheidungen führen zu der Entwicklung neuer Verhaltensmuster, auch außerhalb der Tätigkeit (Karasek, 1979). Demgegenüber stehen, charakterisiert durch einen geringen Entscheidungsspielraum und geringe Anforderungen einer Tätigkeit, die passive jobs (passive Arbeit). Das Modell prognostiziert bei dieser Art von Arbeit eine Abnahme von Handlungen und eine Verminderung der problemlösungsorientierten Aktivitäten. Gleichzeitig erhöht sich bei einem passiven Job die Arbeitsunzufriedenheit (Karasek, 1979). Die dritte Klassifizierung bilden die low strain jobs (Arbeit mit geringen Belastungen/ruhiger Job). Diese kennzeichnen ein hohes Maß an Entscheidungsspielräumen gegenüber einem geringen Maß an Arbeitsanforderungen. Die vierte Art sind die sogenannten high strain jobs (Arbeit mit hohen Belastungen / stark beanspruchender Job). Die Charakteristika dieser Art von Jobs sind sehr hohe Arbeitsanforderungen bei gleichzeitig geringen Entscheidungsspielräumen.

66

3 Stress als Begriff in Alltag und Wissenschaft

Angelehnt an die Ergebnisse von Ritti (1976), nach denen die Zufriedenheit bei starkem Zeitdruck und hohen kognitiven Anforderungen auftritt, zeigen Karaseks Ergebnisse ebenfalls die höchste Zufriedenheit bei hohen beruflichen Herausforderungen und der Möglichkeit selbst Entscheidungen zu treffen, wie sie bei den active jobs zu finden sind (Karasek, 1979). Eine Arbeitsumgebung, die hohe Anforderungen und geringe Kontrollmöglichkeiten beinhaltet, führt hingegen zu erhöhten mentalen Belastungen (Karasek, 1979). Den gleichen Zusammenhang nimmt er für eine niedrige Arbeitszufriedenheit an. Die höchsten negativen Auswirkungen sind in der Ausführung eines high strain jobs zu erwarten (Doef & Maes, 1999). Die negativen Auswirkungen auf verschiedene Gesundheitsindikatoren der high strain jobs durch ihre hohen Anforderungen bei zugleich geringer Kontrolle konnten auch Jonge, Dollard, Dormann, Le Blanc, Pascale und Houtman (2000) im Rahmen ihrer Studie bestätigen. Der Vorteil des Modells von Karasek liegt vor allem in der separaten Betrachtung der Arbeitsanforderungen und Entscheidungsspielräume. Kritische Würdigung des job-demand-control-Modells von Karasek Das Modell von Karasek hat zweifelsohne einen großen Einfluss auf die Stressforschung und findet bis heute vielfache Beachtung. Neben dem Zusammenspiel einzelner Komponenten findet sich auch die in seinem Modell integrierte Aktivitäts- beziehungsweise Lernhypothese in anderen Forschungsarbeiten wieder (Busch, 2004). Dennoch weist das Modell, vor allem in methodischer Hinsicht, einige Defizite auf: Der Einfluss sozialer Beziehungen bleibt beispielsweise unberücksichtigt. Gleiches gilt für eine differenzierte Betrachtung verschiedener Arten und Formen von Handlungsspielräumen. Auch eine Differenzierung verschiedener Arten von Anforderungen findet nicht statt, wenngleich Karasek diesbezüglich selbst auf einen zukünftigen Forschungsbedarf hinweist (Karasek, 1979). Ein weiterer Kritikpunkt bezieht sich auf die Stichprobe, welche lediglich aus männlichen Probanden bestand. Hintergrund für diese Restriktion war der Versuch weitere potenzielle Anforderungen, denen Frauen beispielsweise in Form haushaltsnaher Pflichten ausgesetzt sind, zu vermeiden (Karasek, 1979). Auf Grund dieser Restriktion sind die Ergebnisse von Karasek (1979) daher nur eingeschränkt generalisierbar.

3.2 Theoretische Konzepte und Modelle

3.2.3

67

Weiterentwicklung des job-demand-control-Modells

Johnson und Hall (1988) erweiterten das job-demand-control-Modell von Karasek (1979) um die soziale Unterstützung zum job-demand-controlsupport (JDCS) Modell. Die soziale Unterstützung stellt eine Ressource dar und beinhaltet unter anderem eine aktive Hilfeleistung oder emotionale Unterstützung. „Social support refers to verbal and nonverbal communication between recipients and providers that reduces uncertainty about the situation, the self, the other, or the relationship, and functions to enhance a perception of personal control in one´s life experience” (Albrecht & Adelman, 1987, S. 19). Die soziale Unterstützung setzt keine verbale Kommunikation voraus, sondern kann auch nonverbal erfolgen. Sie trägt dazu bei, die Unsicherheit über eine Situation, die eigene Person, andere oder die Beziehung zu reduzieren und verbessert die Wahrnehmung der eigenen Kontrolle. Johnson und Hall (1988) gingen davon aus, dass Arbeiter mit geringer sozialer Unterstützung häufiger kardiovaskulär erkrankten als Beschäftigte, die ein hohes Maß an sozialer Unterstützung erfuhren. Zur Überprüfung ihres Modells befragten Johnson und Hall insgesamt über 13.700 schwedische Arbeitnehmer. Die Teilnehmer wurden, ausgehend von ihrer Tätigkeit, in Referenzgruppen eingeordnet. Die Aufteilung erfolgte in Abhängigkeit des Anforderungsgrads, der wahrgenommenen Kontrolle und des Ausmaßes sozialer Unterstützung. Die soziale Unterstützung wurde mittels einer Skala bestehend aus fünf Items abgefragt. Alle Items nahmen Bezug auf die Möglichkeit der Interaktion mit Kollegen, wie Kommunikationsmöglichkeiten während der Pausen innerhalb der letzten 6 Monate (Johnson & Hall, 1988). Im Fokus stand die Möglichkeit sozialer Unterstützung. Die Qualität der sozialen Interaktion, ob in positiver oder negativer Hinsicht, blieb unberücksichtigt (Johnson & Hall, 1988). Die Ergebnisse der Untersuchung bestätigten die Annahmen: Arbeiter mit geringer sozialer Unterstützung erkranken häufiger kardiovaskulär als Beschäftigte, die ein hohes Maß an sozialer Unterstützung erfahren. Diese Ergebnisse gelten auch für die von Karasek (1979) als positiv deklarierten aktiven Jobs. Durch ihre Untersuchung konnten Johnson und Hall (1988) die Annahmen über die positive Wirkung sozialer Unterstützung bestätigen. Die soziale Unterstützung liefert als Prädiktorvariable für das Auftreten von Herzkreislauferkrankungen sogar eine höhere Vorhersagekraft als der zur Verfügung stehende Handlungsspielraum. Hinsichtlich der

68

3 Stress als Begriff in Alltag und Wissenschaft

Wirkung des Handlungsspielraums kamen Johnson und Hall (1988) zudem zu widersprüchlichen Ergebnissen: In einigen Fällen konnte ein hohes Maß an Kontrolle die Anforderungen an die Arbeiter sogar erhöhen. Im Gegensatz zur Stichprobe von Karasek (1979) waren in der Stichprobe von Johnson und Hall (1988) auch weibliche Probanden enthalten. Das Geschlechterverhältnis lag bei 48% weiblichen zu 52% männlichen Probanden. Bei der Auswertung ließen sich geschlechtsspezifische Unterschiede hinsichtlich der Wirkung sozialer Unterstützung feststellen. Diese wies bei weiblichen Probanden eine höhere Vorhersagekraft für kardiovaskuläre Erkrankungen auf als bei männlichen Probanden (Johnson & Hall, 1988). Kritische Würdigung des JDSC-Modells von Johnson und Hall Wie bereits dem JDC-Modell, fehlt es dem JDCS-Modell an einer scharfen Konzeptualisierung und theoriegeleiteten Operationalisierung einzelner Konstrukte. Zu diesen zählen unter anderem der Handlungsspielraum wie auch die Anforderungen. Einen großen Fortschritt stellt die Erweiterung des JDC-Modells um die soziale Unterstützung dar. Diese wird von Johnson und Hall (1988) als Puffer in Verbindung mit den Anforderungen an eine Arbeit konzeptualisiert. Obwohl beispielsweise Cohen und Wills (1985) die Wirkung der sozialen Unterstützung auf das Wohlbefinden oder das Beanspruchungsempfinden bestätigen konnten, sind die Ergebnisse über die abpuffernde Wirkung der sozialen Unterstützung widersprüchlich (Busch, 2004, S. 88f.). Doef und Maes (1999) kamen im Rahmen ihrer zuvor vorgestellten Metasstudie lediglich auf zwei Studien, in denen es Hinweise auf eine derartige abpuffernde Wirkung gab. Einschränkend ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Ergebnisse dieser nicht konsistent sind (Doef & Maes, 1999). Darüber hinaus bleiben vorhandene Netzwerke im JDCS-Modell im Gegensatz zu dem transaktionalen Stresskonzept unberücksichtigt. Auch die Differenzierung hinsichtlich des reinen Vorhandenseins sozialer Unterstützung und der aktiven Wahrnehmung dieser erfolgt nicht. Eine weitere Einschränkung ist die mangelnde Differenzierung der Formen sozialer Unterstützung.

3.2 Theoretische Konzepte und Modelle

3.2.4

69

Das Anforderungs-Belastungskonzept von Oesterreich und Volpert

Ein Konzept, das zum Teil Ähnlichkeiten zu den Komponenten des JDC Modells aufweist, ist das Anforderungs- und Belastungskonzept von Oesterreich und Volpert (1999). Dieses basiert auf Konzepten der Handlungstheorie, nach denen zielorientierte Handlungen im Zentrum der Betrachtung stehen. Hauptkomponenten des Anforderungs- und Belastungskonzepts sind die Anforderungen an Handlungen, Handlungsbedingungen, Handlungsregulationen und Handlungsbehinderungen. Die einzelnen Komponenten werden im Folgenden näher erläutert: Unter Anforderungen an Handlungen ist das für die Tätigkeit benötigte Ausmaß an kognitiven Prozessen zu verstehen. Hierzu zählt die Planung oder aufzubringende Konzentration (Busch, 2004, S. 95). Neben den Anforderungen an eine Handlung selbst nehmen Oesterreich und Volpert (1999) auch Bezug auf die Qualifikationsanforderungen, die für eine Tätigkeit notwendig sind. Diese umfassen die für die Ausführung der Arbeitsaufgabe notwendigen Qualifikationen. Hinzu kommen Möglichkeiten und Erfordernisse der Weiterbildung (Busch, 2004, S. 96). An dieser Stelle ist ein Bezug auf die Lernhypothese von Karasek (1979) erkennbar. Handlungsbedingungen entstehen wiederum aus dem Umfeld der Handlungen. Diese können sich beispielsweise in Form von Umweltbedingungen zeigen. Ergänzt wird dies durch die Handlungsregulation, welche eine Regulation psychisch lenkendender und formender Handlungsänderungen darstellt (Busch, 2004, S. 92ff.). Oesterreich (1981, S. 6ff.) entwickelte hierzu das Modell der Handlungsregulation weiter. Dieses beinhaltet die folgenden Ebenen:

70

3 Stress als Begriff in Alltag und Wissenschaft

-

Ebene 1: Ausführung von Bewegungen Ebene 2: Planung und Reihenfolge von Arbeitsschritten Ebene 3: Planung von Teilaspekten /- tätigkeiten Ebene 4: Koordination von Arbeitsprozessen Ebene 5: Planung zur Implementierung neuartiger Arbeitsprozesse (Busch, 2004, S. 95f.).

Ähnlich wie bei dem JDC Modell werden die Anforderungen am Arbeitsplatz gesondert erfasst, worunter auch Entscheidungsspielräume, d.h. Anforderungen an eigenständiges Denken, Handeln und Kommunikationserfordernisse, fallen (Leitner, 1999). Belastungen sind nach dem Konzept als Behinderungen in der Ausführung von Handlungen zu verstehen (Leitner, 1999, S. 74). Zu diesen Behinderungen zählen die direkt mit der Arbeitsaufgabe im Zusammenhang stehenden Hindernisse. Hierunter fallen auch Unterbrechungen und Überforderungen. Eine Überforderung kann aufgabenspezifisch oder unspezifisch sein: Eine aufgabenspezifische Überforderung liegt in der Arbeitsaufgabe selbst begründet, beispielsweise in dem mit einer Aufgabe einhergehenden Zeitdruck. Bei einer unspezifischen Überforderung liegt diese in der Regel in der Arbeitsumgebung, zum Beispiel Hitze oder Lärm, begründet (Busch, 2004, S. 96f.). Unterbrechungen oder erschwerte Arbeitsbedingungen führen häufig zu einem zusätzlichen Aufwand. Diese, zusätzlich zur Überwindung einer Behinderung angestrengten Aufwendungen, werden als Zusatzregulation bezeichnet. Diese beziehen sich nicht auf die Erreichung eines Ziels, sondern nur auf die Überwindung der Behinderung (Leitner, 1999). Das Konzept der Handlungsregulation postuliert, dass eine gesundheitsfördernde Arbeitsgestaltung hohe Anforderungen enthält. Dies könnte vor allem darin begründet sein, dass hohe Anforderungen dazu beitragen können, Unsicherheit und Langeweile zu vermeiden. Ein gesundheitsförderlicher Arbeitsplatz besteht nach diesem Konzept aus einer Arbeitsumgebung mit einem hohen Regulationserfordernis, da dadurch auch der zur Verfügung stehende Handlungsspielraum erweitert wird (Busch, 2004).

3.3 Komponenten und Auswirkungen von Stress

3.3

71

Komponenten und Auswirkungen von Stress

Nachdem das vorangegangene Kapitel einen Überblick über die in der Stressforschung dominierenden Theorien und damit verbundenen Modelle gegeben hat, sollen einzelne Komponenten im Folgenden näher vorgestellt werden. Begonnen wird mit Stressoren, die den Auslöser einer Stressreaktion darstellen. Dem folgend werden innerhalb der Stressforschung bedeutsame Ressourcen vorgestellt. Eine wichtige Position nimmt dabei die soziale Unterstützung ein, auf welche anschließend gesondert eingegangen wird. Abschließend folgt eine Vorstellung möglicher Auswirkungen von Stress. 3.3.1

Stressoren als Ausgangspunkt für die Stressreaktion

Wie anhand der vorgestellten Konzepte veranschaulicht, kann Stress durch zu hohe Anforderungen ausgelöst werden. Stressoren bilden dabei in der Regel den Ausgangspunkt. Die Klassifizierungsversuche von Stressoren unterscheiden sich zum Teil stark voneinander und sollen im Weiteren näher vorgestellt werden. Eine mögliche Klassifizierung ist das Clustern von verschiedenen Lebensereignissen. Diese wurden 1967 von Holmes und Rahe basierend auf den Antworten von fast 400 Probanden zusammengetragen. Dabei wurden einzelne Aspekte, wie der Verlust des eigenen Arbeitsplatzes oder der Tod des (Ehe-) Partners, nach der Intensität ihrer stressauslösenden Wirkung geordnet. Das Ergebnis dieser Zuordnung ist Tabelle 6 zu entnehmen.

72

3 Stress als Begriff in Alltag und Wissenschaft

Tabelle 6: Die Lebensereignis-Skala. Quelle: Eigene Darstellung, adaptiert nach Holmes, T. & Rahe, R. (1967, S. 216); mit freundlicher Genehmigung von ã Elsevier 1967. All rights reserved. Rang

Lebensereignis

Ø Wert

1

Tod des (Ehe-)Partners

100

2

Scheidung

73

3

Trennung vom (Ehe-)Partner

65

4

Gefängnisstrafe

63

5

Tod eines nahen Familienmitglieds

63

6

Persönliche Verletzung(en) oder Krankheit

53

7

Hochzeit

50

8

Kündigung seitens des Arbeitsgebers

47

9

Eheliche Aussöhnung

45

10

Renteneintritt

45

11

Veränderung des Gesundheitszustands eines Familienangehörigen

44

12

Schwangerschaft

40

13

Sexuelle Probleme

39

14

Zuwachs an Familienmitgliedern

39

15

Berufliche / geschäftliche Reorganisation

39

16

Veränderung des finanziellen Status

38

17

Tod eines nahen Freundes

37

18

Veränderungen am Arbeitsplatz

36

19

Veränderung in der Anzahl der Streitigkeiten mit dem (Ehe-)Partner

35

20

Hypothek über US $10,000

31

21

Zwangsvollstreckung oder Verpfändung

30

22

Veränderungen der Verantwortungen am Arbeitsplatz

29

23

Sohn oder Tochter ziehen aus

29

3.3 Komponenten und Auswirkungen von Stress

Rang

Lebensereignis

73

Ø Wert

24

Ärger mit dem Gesetz

29

25

Herausragender persönlicher Erfolg

28

26

(Ehe-)Partner beginnt oder beendet seine berufliche Tätigkeit

26

27

Beginn oder Beendigung der Schulzeit

26

28

Änderung der Lebensbedingungen

25

29

Anpassung persönlicher Verhaltensweisen

24

30

Ärger mit dem Vorgesetzten

23

31

Veränderungen der Arbeitszeit oder -bedingungen

20

32

Umzug

20

33

Schulwechsel

20

34

Änderungen des Freizeitverhaltens

19

35

Änderungen der kirchlichen Aktivitäten

19

36

Änderungen sozialer Aktivitäten

18

37

Hypothek unter US $10,000

17

38

Änderungen der Schlafgewohnheiten

16

39

Veränderung in der Anzahl der Familientreffen

15

40

Änderungen der Essgewohnheiten

15

41

Urlaub

13

42

Weihnachten

12

43

Kleinere Gesetzesverstöße

11

Von dieser Zuordnung ausgehend stellt der Tod des eigenen (Ehe-) Partners das stärkste stressindizierende Lebensereignis dar. Kleinere Gesetzesverstöße scheinen hingegen nur wenig dazu geeignet zu sein, Stress auszulösen, beziehungsweise werden im Vergleich zu den anderen aufgeführten Lebensereignissen als weniger stressauslösend eingeordnet. Da die angegebenen Werte und Emotionen zum Teil stark zwischen den Probanden schwankten, wurde im Rahmen der Untersuchung ein Durchschnitt gebildet, um die einzelnen Ereignisse in eine übersichtliche und

74

3 Stress als Begriff in Alltag und Wissenschaft

nachvollziehbare Reihenfolge zu bringen. Wichtig hierfür ist, dass nicht alle Ereignisse per se stressend, sondern einige lediglich sozial unerwünscht sind. Nichtsdestotrotz haben alle Ereignisse gemein, dass die Probanden ein Anpassungsverhalten oder eine spezifische Bewältigung an den Tag legen mussten (Holmes & Rahe, 1967). Die aufgeführten (Lebens-) Ereignisse scheinen damit Ausgangspunkt für dem Stressprozess ähnliche Verhaltensweisen zu sein, weshalb diese auch als Stressoren bezeichnet werden können. Natürlich ist eine solche Klassifizierung nicht frei von Kritik: Eine derartige Einordnung von Lebensereignissen setzt zunächst eine objektive Messung beziehungsweise Wahrnehmung der dargestellten Ereignisse, unabhängig von individuellen Komponenten wie Persönlichkeitsmerkmalen oder Erfahrungen, voraus. Eine solche Messung ist jedoch schwierig, wenn nicht gar unmöglich, und liefert damit Angriffspunkte für Kritik. Dies liegt nicht zuletzt auch darin begründet, dass die einzelnen Ereignisse aufgeführt und gewichtet wurden, ohne dass sie tatsächlich aufgetreten sind, sondern zum Teil lediglich angenommen wurden (Bamberg, 1992). Eine derartige Beschränkung auf stressauslösende Ereignisse vernachlässigt Zusammenhänge zwischen dem Auftreten eines Ereignisses oder einer möglichen Ursache und den Folgen des Auftretens. Aus diesem Grunde wird eine solche Gewichtung als schwierig erachtet. Daneben gibt es auch Klassifikationen nach den Ursachen beziehungsweise Quellen von Stress. Cooper und Glowinkowski (1987) fokussieren Stressoren am Arbeitsplatz und unterteilen diese nach den aus ihrer Sicht vorhandenen Hauptquellen: -

Stress, der aus der Arbeit resultiert rollenbasierter Stress Beziehungen zu Kollegen, Vorgesetzten sowie Untergebenen Faktoren der Karriereentwicklung Unternehmensstruktur und Klima Schnittstellen zwischen Arbeit und Familie (Cooper & Glowinkowski, 1987).

3.3 Komponenten und Auswirkungen von Stress

75

Eine andere Unterteilung nehmen hingegen Frese und Brodbeck (1989, S. 172f.) vor. Sie differenzieren zwischen physikalischen Stressoren, wie Lärm und Schmutz, Stressbedingungen zeitlicher Dimensionen (wie Nacht- und Schichtarbeit) und jenen Bedingungen, die aus der Arbeit selbst resultieren. Hinzu kommen Bedingungen, die aus sozialen und organisationalen Situationen erwachsen. Innerhalb der sozialen und organisationalen Situationen finden sich unter anderem auch die von Cooper und Glowinkowski (1987) genannten Stressoren wie Rollenkonflikte und Rollenambiguität wieder. Zum besseren Verständnis erfolgt eine kurze Erläuterung dieser: Zu Rollenkonflikten kommt es, wenn gegensätzliche Erwartungen an eine Person gestellt werden. Ein Beispiel hierfür wäre die Forderung nach erhöhter Produktion bei einer gleichzeitigen Verbesserung der Qualität. Ambiguität tritt hingegen auf, wenn die Erwartungen an die Person nicht eindeutig sind. Ein Grund hierfür könnten beispielsweise unklare Anweisungen des Vorgesetzten sein (Frese & Brodbeck, 1989, S. 172f.). Darüber hinaus haben Frese und Brodbeck (1989) die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes sowie Umstellungsprozesse der Arbeit als Stressoren klassifiziert. Umstellungsprozesse der Arbeit implizieren die Substitution spezifischer Fähigkeiten durch beispielsweise Maschinen sowie die Änderung oder Aufgabe routinierter Prozesse (Frese & Brodbeck, 1989, S. 173). Eine Differenzierung der Stressbedingungen, die aus der Arbeitsaufgabe selbst resultieren, erfolgt ähnlich wie bei Beehr, King und King (1990). Sie differenzieren unter anderem zwischen quantitativer Unterforderung, qualitativer Unterforderung, quantitativer Überforderung sowie qualitativer Überforderung (Frese & Brodbeck, 1989, S. 171f.). Es folgen Stressbedingungen aus sozialen Situationen. Hierbei handelt es sich um die Stressbedingungen, welche aus dem Verhalten von Kollegen oder Vorgesetzten erwachsen (Frese & Brodbeck, 1989, S. 173). Dabei ist zu beachten, dass die Stressoren untereinander ebenfalls in einer Beziehung stehen und miteinander korrelieren können. Ist ein Mitarbeiter beispielsweise quantitativ und qualitativ überfordert, steigt – vermutlich unter anderem durch die abgesenkte Toleranzgrenze gegenüber weiteren sozialen Stressoren – das Risiko eines Streits unter Kollegen.

76

3 Stress als Begriff in Alltag und Wissenschaft

Etwas andere Differenzierungsansätze wurden in dem Forschungsprojekt Stress am Arbeitsplatz von Greif, Bamberg und Semmer (1991) verwendet. In diesem Projekt wurde u.a. versucht, Stressoren anhand objektiver Maßstäbe zu definieren. Nach diesen objektiven Maßstäben werden als Stressoren jene Bedingungen und Merkmale bezeichnet, die dazu geeignet sind, mit einem hohen Maß an Wahrscheinlichkeit Stress auszulösen (Busch, Roscher, Ducki & Kalytta, 2009, S. 16). Diese Begriffsdefinition beinhaltet nach probabilistischer Einordnung von Stressoren bereits die Möglichkeit Stress auszulösen. Sie hat damit gegenüber anderen Begriffsdefinitionen und Konzepten, insbesondere den reizbezogenen Konzepten, den Vorteil, dass sie keine Zirkularität beinhaltet. Es wird damit nicht impliziert, dass ein Stressor bei jedem einzelnen Individuum stets Stress auslöst (Semmer & Dunckel, 1991). Im Gegensatz zu dem transaktionalen Stressmodell, nach dem eine Situation oder ein Ereignis als eine Bedrohung oder auch eine Herausforderung kategorisiert werden kann, beschränkte sich die Arbeitsgruppe lediglich auf den negativen Einfluss, der aus einer aversiven Prognose heraus resultiert (Busch, 2004). Die konkrete Einordnung eines Stressors unterliegt dabei der Bewertung, welche sich durch sechs Aspekte kennzeichnen lässt: -

die subjektive Wahrscheinlichkeit der Aversität der Situation, die Intensität der Aversität der Situation, den Grad der Kontrollierbarkeit der Situation, die Wichtigkeit für die Person, die Situation zu vermeiden, die zeitliche Nähe der Situation und ihre erwartete Dauer (Greif & Cox, 1989, S. 434-435).

Damit weist auch der Begriff des Stressors eine negative Akzentuierung auf (Semmer & Dunckel, 1991). Da es Zielsetzung dieser Arbeit ist, stressauslösende Faktoren in der Interaktion mit Teammitgliedern zu analysieren, konzentriert sich der weitere Abschnitt auf soziale Stressoren. Bei sozialen Stressoren stehen kleine zwischenmenschliche Spannungen oder Ärgernisse im Vordergrund (Zapf & Frese, 1991). Sie können definiert werden als „a class of characteristics,

3.3 Komponenten und Auswirkungen von Stress

77

situations, episodes, or behaviours that are related to psychological or physical strain and that are somehow social in nature” (Dormann & Zapf, 2004, S. 62). Beispiele für soziale Stressoren sind Konflikte mit Kollegen, ein schlechtes Teamklima (Bruk-Lee & Spector, 2006) oder auch Aggressionen durch Kunden (Dormann & Zapf 2004). Holz (2006) geht sogar so weit, sämtliche Probleme, die in sozialen Interaktionen auftreten können, als soziale Stressoren zu bezeichnen. Besonders intensive soziale Stressoren stellen Mobbingübergriffe am Arbeitsplatz dar (Holz, 2006). Unter Mobbing wird die über einen längeren Zeitraum durch eine oder mehrere Personen stattfindende Belästigung, Drangsalierung oder auch Ausgrenzung verstanden (Holz et al., 2004). Wird Stress als eine subjektive wahrgenommene Bedrohung definiert, so ist auch die Bedrohung des Selbstwertes in der Lage Stress auszulösen. Dieses kann bedroht sein, wenn bedeutsame Komponenten der eigenen Person, wie die Persönlichkeit oder die Leistung, negativ bewertet werden (Holz et al., 2004). Bezogen auf unternehmensinterne Arbeitsplätze bedeutet dies, dass sämtliche Interaktionspartner, wie Kollegen oder Vorgesetzte, Stress auslösen können, indem sie eine Bedrohung für die zuvor genannten Aspekte darstellen (Holz et al., 2004). Beispiele für eine derartige Selbstwertbedrohung wäre ein unfaires Verhalten oder auch eine ungerechtfertigte Beschuldigung durch Kollegen (Holz et al., 2004). Besonders wichtig für die Bewertung (sozialer) Stressoren ist, dass Stressoren parallel nebeneinander existieren können. Zwischen einzelnen Stressoren besteht oftmals sogar ein hoher Zusammenhang (Holz, 2006). Hinzu kommt, dass soziale Stressoren durch Stressoren anderer Bereiche, wie Zeitdruck am Arbeitsplatz, beeinflusst werden können (Frese & Brodbeck, 1989, S. 173). Soziale Stressoren sind in sämtlichen Organisationen und Arbeitsfeldern mit sozialen Interaktionen zu finden (Holz, 2006). Die Intensität beziehungsweise Ausprägung der sozialen Stressoren variiert dabei. Schwartz und Stone (1993) stellten im Rahmen einer Tagebuchstudie fest, dass Probleme oder Konflikte mit Kollegen oder dem Vorgesetzten als besonders intensive Stressoren wahrgenommen werden. Darüber hinaus kann die Ausprägung sozialer Stressoren nach Branche variieren. Eine besonders hohe Ausprägung von Mobbing ist beispielsweise im Gesundheitsund Sozialbereich zu beobachten (Holz, 2006). Es ist anzunehmen, dass

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3 Stress als Begriff in Alltag und Wissenschaft

dies teilweise auf vorhandene Organisationsstrukturen zurückzuführen ist. Zu diesen zählt unter anderem das Vorliegen problematischer Arbeitsstrukturen (Holz, 2006). Im Vergleich zu Arbeitsstressoren, wie Zeitdruck, weisen soziale Stressoren eine geringere Streuung über verschiedene Berufsgruppen hinweg auf. Extreme Ausprägungen sind selten festzustellen (Holz, 2006). Direkte Formen der Aggressionen fungieren dabei als stärkere Stressoren als indirekte Formen sozialer Ausgrenzung (Holz et al., 2004). Doch warum ist es wichtig Stressoren zu klassifizieren? Die Begründung liegt unter anderem in der Trennbarkeit einzelner Ergebnisse. Dies gilt vor allem für die Wirkung spezifischer Stressoren auf verschiedene Indikatoren der Gesundheit. Der Zusammenhang zwischen sozialen Stressoren und Gesundheitsindikatoren, wie der emotionalen Erschöpfung, ist dabei wesentlich stärker als zwischen allgemeinen Arbeitsstressoren und Gesundheitsindikatoren (Holz, 2006). Bezogen auf den Arbeitsplatz resultieren soziale Stressoren nicht nur aus der sozialen Interaktion zwischen Kollegen und dem Vorgesetzten. Auch aus der Interaktion mit weiteren Akteuren wie Kunden oder Lieferanten können soziale Stressoren erwachsen. Diese können beispielsweise aus dem direkten Umgang resultieren sowie aus mit dem Umgang verbundenen höheren Anforderungen, z.B. einer hohen Kundenorientierung (Holz et al., 2004). Eine mögliche Differenzierung von Stressoren nehmen in diesem Zusammenhang Dormann und Zapf (2002) vor. Die erste Unterscheidung richtet sich nach den Erwartungen der Kunden, beziehungsweise den Ansprüchen, die diese stellen. Hierzu zählen vor allem hohe Anforderungen seitens der Kunden. Obgleich einige der Kundenanforderungen legitimiert sind, können diese dem Mitarbeiter als ungerechtfertigt und zum Teil sogar unfair erscheinen (Dormann & Zapf, 2002). Als zweiten Faktor führen sie verbale Aggressionen seitens der Kunden an. Diese könnten zum Beispiel im Servicebereich auftreten, in welchem Mitarbeiter zum Teil sogar mehr mit Kunden als mit ihren eigenen Kollegen zu tun haben (Dormann & Zapf, 2002). Die dritte Differenzierung ergibt sich durch feindselige, unhöfliche und zum Teil humorlose Kunden. Hierzu zählen auch Unterbrechungen durch Kunden (Dormann & Zapf, 2002). Das von den Kunden gezeigte

3.3 Komponenten und Auswirkungen von Stress

79

Verhalten muss dabei nicht aktiv aggressiv erscheinen, da die vermeintliche Intention eine Verletzung hinzuzufügen fehlt. Das Verhalten ist zudem häufig nicht offensichtlich ungerecht, sondern eher unhöflich, wodurch das Selbstwertgefühl des Mitarbeiters gemindert werden kann (Dormann & Zapf, 2002). Der vierte und zugleich letzte Faktor bezieht sich auf widersprüchliche oder unklare Erwartungen seitens der Kunden. Diese können auch als Abstimmungsschwierigkeiten bezeichnet werden (Holz et al., 2004). Dies trifft vor allem jene Menschen, die einer Tätigkeit mit einem hohen Erfordernis der Emotionsregulation nachgehen, was beispielsweise auf Menschen in Dienstleistungsberufen zutrifft. Bei der Emotionsarbeit ist der Ausdruck von gewissen Emotionen, wie Freude, Bestandteil des Arbeitsauftrages (Holz, 2006). Negative Emotionen, wie Traurigkeit, werden dabei unterdrückt, während die gezeigte Mimik oder Stimme unabhängig oder auch gegensätzlich zu den eigenen Gefühlen ist (Holz, 2006). Eine solche Einteilung ist nicht frei von Kritik. Eine klare Einteilung nach Arbeitsstressoren und damit eine Abtrennung gegenüber anderen Stressoren und Bereichen führt zu der Problematik, dass es für einige Stressoren keine klare Abgrenzung gibt. Hieraus resultierend wurden in einigen Untersuchungen unterschiedliche Stressoren berücksichtigt. Zugleich ergab sich daneben auch eine Forschungslücke für jene Stressoren, die weder dem einen noch dem anderen Forschungsschwerpunkt zuzuordnen waren (Bamberg, 1992). Weiterhin können sich Stressoren aus unterschiedlichen Bereichen gegenseitig beeinflussen: Stressoren, die das Befinden im Büro negativ beeinflussen, können auch zu Spannungen im privaten Umfeld, beispielsweise in der Familie, führen und umgekehrt (Frese, Saupe & Semmer, 1981). Hinzu kommen kleinere Stressoren, die aus einzelnen oder mehreren kleine Ärgernissen in verschiedenen Bereichen resultieren und ebenfalls Auswirkungen auf das Befinden haben können (DeLongis, Folkman & Lazarus, 1988). 3.3.2

Ressourcen – Hilfsmittel im Stressprozess

Wie für Stressoren gibt es auch für Ressourcen eine Vielzahl unterschiedlicher Kategorisierungen und Begriffsdefinitionen.

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3 Stress als Begriff in Alltag und Wissenschaft

Hobfoll (1988) definiert Ressourcen beispielsweise als „(a) those objects, personal characteristics, conditions, or energies that are valued by the individual or (b) the means for attainment of those objects, personal characteristics, conditions, or energies” (Hobfoll, 1988, S. 26). Ressourcen können daher sowohl persönliche Eigenschaften als auch Bedingungen sein, die sich aus bestimmten Situationen ergeben können. Hobfoll (1988) stellt im Rahmen seiner Theorie der Ressourcenerhaltung Ressourcen in den Mittelpunkt des Stressprozesses. Seine Theorie postuliert, dass Individuen den Zuwachs an Ressourcen vorantreiben und versuchen den Verlust dieser zu vermeiden (Hobfoll, 1988, S. 25ff.). Hinsichtlich ihrer potenziellen Wirkweise definiert Busch (2004) in Anlehnung an Greif (1991) Ressourcen als „Faktoren, die hypothetisch 1. zur Bedürfnisbefriedigung oder Effizienz der Regulation, 2. zur Veränderung der Wahrnehmung und Bewertung von Stressoren, 3. zur Abmilderung durch Pufferung von Stressoren und 4. zur direkten Verringerung der Stressoren führen“ (Busch, 2004, S. 106). Diese Definition berücksichtigt subjektive Wahrnehmungsprozesse und bedient sich zudem einer handlungstheoretischen Perspektive. Dies macht die Definition als Regulationsmöglichkeiten deutlich, mit Hilfe derer die Regulation der Handlung unterschiedlich ausgeführt oder beeinflusst werden kann (Busch, 2004, S. 106). Unter Beibehaltung dieser Perspektive lässt sich beispielsweise die Kontrolle, die sich auch im Handlungsspielraum wiederfinden lässt, als Ressource definieren (Busch, 2004, S. 106). Dies gilt auch für soziale Aspekte der Arbeitstätigkeit wie Kommunikationsmöglichkeiten. Der handlungsregulationstheoretischen Perspektive bedienen sich auch Frese und Zapf (1994). Sie bezeichnen Ressourcen ebenfalls als Regulationsmöglichkeiten. Diese erlauben es, Handlungen auf unterschiedliche

3.3 Komponenten und Auswirkungen von Stress

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Art und Weise auszuführen (Busch, 2004). „Ressourcen sind Hilfsmittel, die es dem Menschen erlauben, die eigenen Ziele trotz Schwierigkeiten anzustreben, mit den Streßbedingungen [sic] besser umzugehen und unangenehme Einflüsse zu verringern“ (Frese, 1994, S. 34). Ausgehend von dieser Definition können Ressourcen dazu beitragen, die Wirkung von Stressoren zu verringern oder im Rahmen der Bewältigungsstrategien besser mit diesen umzugehen. Eine andere Definition, die auch das Zusammenspiel von Ressourcen und Stressoren berücksichtigt, liefern Frese und Brodbeck (1989). Nach dieser sind Ressourcen „Hilfsmittel, die es erlauben, die eigenen Ziele anzustreben und unangenehme Einflüsse zu reduzieren“ (Frese & Brodbeck, 1989, S. 174). Hilfsmittel können sowohl von außen kommen als auch Persönlichkeitscharakteristika des Einzelnen umfassen. Frese und Brodbeck (1989, S. 174f.) differenzieren zwischen inneren und äußeren Ressourcen. Erstere sind im Inneren der Person begründet, worunter Kompetenzen oder auch eine mögliche Sinngebung der Arbeit fallen. Äußere Ressourcen liegen hingegen in der (Arbeits-) Umwelt begründet. Beispiele für äußere Ressourcen sind die soziale Unterstützung und die Situationskontrolle. Durch die Situationskontrolle ist es möglich, Situationen durch eigene Handlungen zu beeinflussen. Übertragen auf eine Arbeitstätigkeit bedeutet dies, dass die Arbeit durch das eigene Handeln unter anderem strukturiert werden kann. Der Begriff der Kontrolle beinhaltet entgegen des sonst im Alltag verwendeten Gebrauchs die Möglichkeit der Beeinflussung durch das Individuum (Frese & Brodbeck, 1989, S. 175). Die Kontrolle kann dabei verschiedene Aspekte betreffen. Sie kann beispielsweise die Kontrolle über die Reihenfolge einzelner Arbeitsaufgaben, die genaue Vorgehensweise der Aufgabenerledigung oder auch den Zeitraum zur Erledigung einzelner Arbeitsaufgaben umfassen (Busch, 2004, S. 107). Die Arbeitnehmer können also, in ihrem zugeteilten Rahmen, selbst entscheiden, wie und wann sie ihre Aufgaben erledigen. Der sozialen Unterstützung wird von vielen Autoren, wie beispielsweise Beehr (1995), Busch et al. (2009, S. 18ff.), Kim, Sherman und Taylor (2008) und Saupe und Frese (1981), eine besonders wichtige Rolle zugeschrieben. Da das menschliche Handeln zur Unterstützung sehr vielfältig ausfallen kann, verwundert es nicht, dass es bereits früh zu ersten Definitionen und Differenzierungsversuchen der sozialen Unterstützung kam.

82

3 Stress als Begriff in Alltag und Wissenschaft

Von diesen werden im Folgenden einige kurz vorgestellt. Im Anschluss daran wird auf die Wirkmöglichkeiten sozialer Unterstützung einschließlich möglicher Ursachen für diese Wirkung eingegangen. Hobfoll (1988) definiert soziale Unterstützung als „those social interactions or relationships that provide individuals with actual assistance or that embed individuals within a social system believed to provide love, caring, or a sense of attachment to a valued social group or dyad“ (Hobfoll, 1988, S. 121). Es geht hierbei sowohl um Interaktionen als auch Beziehungen, wobei Hobfoll (1988, S. 120ff.) keine Differenzierung macht, durch wen die soziale Unterstützung erbracht wird. Es ist vielmehr von Bedeutung, dass der Empfänger der Unterstützung durch eine oder mehrere Personen in irgendeiner Weise geschätzt, umsorgt oder gar geliebt wird. Eine mögliche Einteilung verschiedener Formen sozialer Unterstützung ist in Tabelle 7 dargestellt. Tabelle 7: Arten sozialer Unterstützung. Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an House, J. (1981, S. 39). Kategorie

Beschreibung

Emotionale Unterstützung

Durch Sympathie, Liebe oder Empathie wird ein emotionales Gefühl der Unterstützung vermittelt

Instrumentelle Unterstützung

Unterstützung durch Güter oder Leistungen

Informative Unterstützung

Unterstützung durch die Weitergabe von Informationen, beispielsweise Informationen über das Umfeld

Wertschätzende Unterstützung

Unterstützung durch ein Gefühl der Wertschätzung mit Hilfe von Informationen für die Selbstbeurteilung

Viele Studien konnten verschiedene Effekte der sozialen Unterstützung feststellen. Diese kann beispielsweise dazu beitragen, die Auswirkungen von Stressoren zu reduzieren (Zapf & Semmer, 2004). Darüber hinaus konnte die soziale Unterstützung mit einer Reihe gesundheitsfördernder

3.3 Komponenten und Auswirkungen von Stress

83

Faktoren in Verbindung gebracht werden. Zu diesen zählen unter anderem eine Verbesserung des Gesundheitszustandes bei koronaren Herzerkrankungen oder auch Depressionen (vgl. Holahan, Moos, Holahan & Brennan, 1997; Kim et al., 2008). Zu der genauen Wirkung sozialer Unterstützung gibt es jedoch keine eindeutigen Ergebnisse. Die möglichen Wirkweisen sollen mit Hilfe von Abbildung 9 verdeutlicht werden.

t ek

Ha up tef f

f tef up Ha

Stressoren

Puffereffekt

ek t

Soziale Unterstützung

Wohlbefinden/ Beanspruchungsempfinden

Abbildung 9: Mögliche Wirkweisen sozialer Unterstützung. Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an House, J. (1981, S. 31).

Wie Abbildung 9 zu entnehmen ist, kann angenommen werden, dass die soziale Unterstützung sowohl indirekte (Puffereffekte) als auch direkte Effekte haben kann. Bei einem direkten Effekt wird davon ausgegangen, dass die soziale Unterstützung einen Stressor direkt vermindert und einen direkten positiven Effekt auf das Wohlbefinden ausübt (vgl. Viswesvaran, Sanchez & Fisher, 1999; Zapf & Semmer, 2004). Einen solchen direkten Effekt konnten beispielsweise Beehr et al. (1990) und Busch (2004, S. 190) feststellen. Bei Busch (2004, S. 190) hat die soziale Unterstützung beispielsweise einen Haupteffekt auf die abhängige Variable Irritation, mit welcher psychische Befindensbeeinträchtigungen gemessen werden können. Bei Beehr et al. (1990) trägt die soziale Unterstützung des Vorgesetzten direkt zu einer Verminderung des Beanspruchungsempfindens bei. Bei einem moderierenden Effekt wird davon ausgegangen, dass die soziale Unterstützung einen indirekten Effekt auf den Zusammenhang

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3 Stress als Begriff in Alltag und Wissenschaft

zwischen Stressoren und dem Wohl- oder Beanspruchungsempfinden hat. Begreift man die soziale Unterstützung nach den Ausführungen von Frese und Brodbeck (1989, S. 174) als Hilfsmittel, kann unter anderem von einer Verminderung der Wirkung des Stressors und damit einem abpuffernden Effekt auf das Wohlbefinden ausgegangen werden. Einen solchen abpuffernden Effekt konnten beispielsweise Beehr et al. (1990), Cohen und Wills (1985), Kirkmeyer und Dougherty (1988) sowie Viswesvaran et al. (1999) nachweisen. Die Basis für diese Forschungstradition bildet vor allem das Stressmodell von Lazarus. Wie bereits dargelegt, geht sein transaktionales Modell unter anderem von subjektiven Bewertungsprozessen aus. Diese Bewertungsprozesse unterliegen, neben der Wahrnehmung eines potenziellen Stressors, auch der Einschätzung anhand der zur Verfügung stehenden Ressourcen. Zu diesen Ressourcen zählt auch die soziale Unterstützung. Ist diese vorhanden und hilfreich, um auf den Stressor zu reagieren, könnte die soziale Unterstützung dazu beitragen, die von dem Ereignis ausgehende Bedrohung geringer einzuschätzen, was der beschriebenen abpuffernden Wirkung entspricht (Kühlmann, 1987). Doch auch ein umgekehrter Effekt ist denkbar: In der Studie von Kaufmann und Beehr (1986) verstärkte die soziale Unterstützung bei Krankenschwestern den positiven Zusammenhang zwischen Stressoren und Beanspruchungsempfinden. Ursächlich für einen solchen Effekt könnte ein möglicher Ausbau sozialer Unterstützung bei extremen Belastungssituationen sein (Viswesvaran et al., 1999). Dabei ist auch von Bedeutung, durch wen soziale Unterstützung erfahren wird. Beehr et al. (1990) konnten in ihrer Studie einen moderierenden (abpuffernden) Effekt der sozialen Unterstützung durch den Vorgesetzten feststellen. Demgegenüber stellten Viswesvaran et al. (1999) bei ihrer Untersuchungen lediglich marginale Unterschiede hinsichtlich der Quelle der sozialen Unterstützung fest. Zur Erklärung der Beziehung zwischen sozialer Unterstützung und der Wirkung auf das Wohlbefinden können unter anderem zwei Theorien herangezogen werden: Die erste Theorie ist die uncertainty reduction theory, welche wörtlich mit der Unsicherheitsverminderungstheorie übersetzt werden kann. Unsicherheit ist eine kognitive Reaktion, die auftritt, wenn es einer Person an Selbstvertrauen oder Wissen über gewisse Eigenschaften, dessen Ursachen oder Effekte mangelt. Die soziale Unterstützung durch Freunde, Angehörige oder auch Arbeitskollegen kann dazu

3.3 Komponenten und Auswirkungen von Stress

85

beitragen, diese Unsicherheiten zu vermindern, indem Wissen bereitgestellt oder das Selbstvertrauen gestärkt wird. Wichtig ist es daher, Quellen der sozialen Unterstützung auszuwählen, die dazu geeignet sind, diese Unsicherheit zu vermindern (Amason, Allen & Holmes, 1999). Die zweite Theorie, die zur Erklärung herangezogen werden kann, ist das Konzept der Selbstwirksamkeitserwartung von Bandura (1978). Ausgehend von diesem Konzept kann die soziale Unterstützung dem Unterstützten helfen, ein Gefühl der Kontrolle in einer als aufreibend wahrgenommenen Situation zu erhalten. Die sich zuvor als abhängig gefühlte Person fühlt sich unabhängig und gestärkt (Amason et al., 1999). Dabei sollte jedoch nicht vergessen werden, dass bereits die Suche nach sozialer Unterstützung aufreibend sein und zu einer vorübergehenden Verringerung der Selbstwirksamkeit führen kann (Amason et al., 1999). 3.3.3

Auswirkungen von Stress

Der Stressbegriff wird in dieser Arbeit wie auch bei anderen Autoren, beispielsweise Greif (1991), als Synonym für Stressempfindungen verwendet. Etwaige Auswirkungen dieser Empfindungen wurden in den bisherigen Ausführungen lediglich marginal angeschnitten. Hierzu zählen insbesondere Auswirkungen auf das Wohlbefinden. Diese werden im Weiteren näher ausgeführt. Die Auswirkungen von Stress auf die Gesundheit lassen sich auf verschiedenen Ebenen finden. Auf der Ebene des Individuums lassen sich diese unter anderem in psychische und physische Auswirkungen unterteilen. Häufig interagieren diese untereinander und können in kurz- und langfristige Auswirkungen unterteilt werden. Die kurzfristige Stressreaktion findet sich in der Umsetzung von Nervensignalen in ein Übertragungshormon im Hypothalamus wieder (Zapf & Semmer, 2004). Durch dieses Übertragungshormon wird die Ausschüttung weiterer Hormone und Corticosteroiden angeregt. Zu diesen zählt auch das oftmals als Stresshormon bezeichnete Cortisol. Die Ausschüttung der Hormone führt zu einem weiteren Prozess – der Glykoneogenese. Durch diesen wird Energie freigesetzt und die Entzündungsreaktionen gehemmt. Unterstützt wird dieser Prozess durch das vegetative Nervensystem: Die Ausschüttung von Adrenalin führt zu

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3 Stress als Begriff in Alltag und Wissenschaft

einer Erhöhung des Blutdrucks. Der Puls steigt an und das zentrale Nervensystem wird angeregt. Die Muskeln werden besser durchblutet (Zapf & Semmer, 2004), der Herzschlag erhöht sich und weniger unmittelbar notwendige Prozesse, wie die Verdauungstätigkeit und Hungergefühle, werden vermindert, um eine möglichst schnelle Reaktionsfähigkeit zu ermöglichen (Busch et al., 2009, S. 23). Mit dem Ende der Stresssituation kehren die aktivierten Prozesse wieder zum ursprünglichen normalen Ruhewert zurück (Busch et al., 2009, S. 23). Problematisch in Bezug auf Stress am Arbeitsplatz ist, dass es in vielen Situationen zu keiner Abreaktion oder Verminderung der aufgebauten Energie kommt (Zapf & Semmer, 2004). Vor allem Herz-Kreislauferkrankungen, Magen-Darmerkrankungen und Kopfschmerzen werden oft als gängige Stresskrankheiten klassifiziert (Mohr, 1986, S. 21). Weitere mögliche Folgen sind allgemeine Müdigkeit, Erschöpfung, Schlafstörungen, Reizbarkeit, Nervosität und Niedergeschlagenheit (Lohmann-Haislah, 2012, S. 92f.). Die Auswirkungen von Stress auf verschiedene Gesundheitsfaktoren wurden in einer Vielzahl von Studien untersucht. Bei den meisten Untersuchungen handelt es sich um Querschnittsstudien. Die Ergebnisse dieser sind bei der Frage nach tatsächlichen Auswirkungen allerdings nur eingeschränkt gültig, da im Rahmen von Querschnittsstudien keine kausalen Zusammenhänge abgebildet werden können. Bei diesen Studien werden häufig spezifische Stressoren in Verbindung mit verschiedenen physischen oder psychischen Befindensbeeinträchtigungen oder gar Erkrankungen gebracht. Bei psychischen Befindensbeeinträchtigungen handelt es sich um „das kognitiv-emotionale Erleben einer verminderten Lebensqualität“ (Mohr, 1986, S. 7). Einen positiven Zusammenhang zwischen sozialen Stressoren am Arbeitsplatz und auftretenden negativen Emotionen konnten beispielsweise Bruk-Lee und Spector (2006) im Rahmen ihrer Untersuchung feststellen. Bei den sozialen Stressoren handelte es sich um Konflikte mit Kollegen und Vorgesetzten. Dormann und Zapf (2004) konnten einen positiven Zusammenhang zwischen sozialen Stressoren am Arbeitsplatz und der Entstehung von Burnout feststellen. Auch Busch (2004, S. 185ff.) stellte einen positiven Zusammenhang zwischen arbeitsbezogenen Stressoren und Befindensbeeinträchtigungen fest.

3.3 Komponenten und Auswirkungen von Stress

87

Besonders beunruhigende Ergebnisse lieferte die durchgeführte Längsschnittuntersuchung von Romanov, Appelberg, Honkasalo und Koskenvuo (1996). Diese haben anhand von mehr als 15.000 Arbeitnehmern zwischen 24 und 64 Jahren Zusammenhänge zwischen Konflikten am Arbeitsplatz und psychiatrischer Morbidität untersucht. Die Angaben über Konflikte am Arbeitsplatz wurden durch Daten des finnischen Statistikbüros, welches Todesfälle und Fälle von Morbidität registriert, sowie eine zusätzliche epidemiologische Nachuntersuchung ergänzt. Analysiert wurden psychiatrische Krankenhausaufenthalte, Suizidfälle und eine langfristige Medikamenteneinnahme auf Grund chronischer Psychosen. Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass Mitarbeiter, die angaben, in den vergangenen sechs Monaten Konflikte am Arbeitsplatz erlebt zu haben, ein höheres Risiko von psychiatrischer Morbidität aufweisen. Die Effekte waren stärker bei den Probanden ausgeprägt, die unverheiratet waren. Ursächlich könnte die fehlende soziale Unterstützung durch einen Ehepartner sein, wenngleich nicht auszuschließen ist, dass diese Personen durch ihre Kinder oder einen (neuen) Partner entsprechende Unterstützung erhalten haben (Romanov et al., 1996). Dormann und Zapf (2002) konnten ebenfalls im Rahmen einer Längsschnittstudie einen Zusammenhang zwischen auftretenden sozialen Stressoren am Arbeitsplatz und der Entstehung von Irritation nachweisen. Unter Irritation wird die „subjektiv wahrgenommene emotionale und kognitive Beanspruchung im Kontext der Erwerbsarbeit, hervorgerufen durch ein erlebtes Ungleichgewicht zwischen persönlichen Ressourcen und alltäglichen Belastungen“ verstanden (Mohr, Rigotti & Müller, 2005). Die Irritation bildet den Ausgangspunkt für die Entstehung psychologischer Beschwerden, indem sie zu einer Reduzierung der Selbstsicherheit und der Entstehung psychosomatischer Beschwerden und innerer Unruhe beiträgt. Der gemessene Zusammenhang zwischen sozialen Stressoren am Arbeitsplatz und der Entstehung von Irritation ist unter anderem deshalb bedeutsam, da Irritationen wiederum zu depressiven Symptomen führen können (Dormann & Zapf, 2002). Darüber hinaus kann Stress auch weitere Folgen haben: Zu diesen zählen Leistungsverminderungen und ein Anstieg an Konflikten in zwischenmenschlichen Beziehungen (Busch et al., 2009). Folgen für Organisationen können in einem Anstieg an Fehlzeiten, Frühverrentungen und

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3 Stress als Begriff in Alltag und Wissenschaft

kontraproduktivem Verhalten liegen (Busch et al., 2009, S. 24). Die Auswirkungen von Stress sind damit nicht nur auf das Individuum bezogen, sondern haben auch Auswirkungen auf die (Organisations-) Einheit, in welcher sich der Mensch befindet. 3.4

Zusammenfassung und Implikationen für die vorliegende Forschungsarbeit

In dem vorangegangenen Kapitel erfolgte eine thematische Einführung in die Stressforschung. Nach einer Übersicht über die Vielzahl an Definitionsmöglichkeiten wurden verschiedene Theorien und Modelle vorgestellt. Dabei besonders hervorzuheben sind die Modelle von Lazarus und Karasek wie auch dessen Weiterentwicklung im Rahmen des JDCS Modells. Diese Forschungsarbeit kombiniert einige der zuvor dargestellten Ansätze. Die vorliegende Arbeit verwendet die negative Definition von Stress, die aus der aversiven Prognose nach Lazarus resultiert. Der Begriff Stress wird, ähnlich wie bei Greif (1991), als Synonym für Stressempfindungen eingesetzt. Die Klassifizierung von Stressoren ist subjektiv und in einem großen Maße von den dem Individuum zur Verfügung stehenden Ressourcen abhängig. Die Balance zwischen den wahrgenommenen Stressoren und Ressourcen ist dabei von zentraler Bedeutung. Diesen Annahmen liegt zu Grunde, dass sämtliche auf das Individuum einströmende Faktoren der subjektiven Wahrnehmung unterliegen. Eine Generalisierung stressender Situationen ist damit nicht möglich. Dies bedeutet, dass die Klassifizierung einzelner Faktoren als stressend, die wahrgenommene Intensität eines oder mehrerer Faktoren, die eingeschätzte Kontrollierbarkeit und die Gewichtung der zur Begegnung zur Verfügung stehenden Ressourcen von Individuum zu Individuum variieren können. Diese Einschätzungen werden unter anderem von den Erfahrungen des Einzelnen beeinflusst. Ein Großteil der bestehenden Forschung befasst sich mit den Auswirkungen von Arbeitsinhalten oder der Arbeitsumgebung einschließlich physischer Faktoren, wohingegen der Schwerpunkt dieser Arbeit auf der Analyse sozialer Stressoren und Ressourcen liegt. Dabei sollen die besonderen Herausforderungen, die aus der Zusammenarbeit in multikulturellen Teams entstehen,

3.4 Zusammenfassung und Implikationen für die vorliegende Forschungsarbeit

89

konkret aus der persönlichen Interaktion in diesen, in den Mittelpunkt gestellt werden.

4. Stress in multikulturellen Teams Die beiden Themenschwerpunkte der kulturellen Diversität in Teams und Stress werden in diesem Kapitel zusammengeführt und zu einem Themengebiet miteinander verbunden. In einem ersten Abschnitt werden zunächst mögliche Zusammenhänge zwischen der Zusammenarbeit in einem Team und der Entstehung von Stress herausgearbeitet. Eine Vorstellung des Einflusses von Kultur auf die Bewertung von auftretenden Stressoren, Ressourcen und Bewältigungsstrategien bildet im Anschluss den Übergang zur Spezifizierung des Untersuchungsgegenstandes: Mögliche Zusammenhänge und Besonderheiten zwischen der Zusammenarbeit in multikulturellen Teams und der Entstehung und der Bewältigung von Stress. 4.1

Zusammenhänge zwischen Stress und Teamarbeit

Einige Studien haben die Auswirkungen der Zusammenarbeit in Teams untersucht. Neben klassischen betriebswirtschaftlich relevanten Auswirkungen wie der Produktivität, untersuchten einige Studien auch die Auswirkungen auf psychologische Variablen wie die Zufriedenheit einzelner Teammitglieder (vgl. Rasmussen & Jeppesen, 2006). Zu den allgemeinen Auswirkungen kultureller Diversität auf die Zusammenarbeit in Teams gibt es ebenfalls eine ganze Reihe von Forschungsarbeiten (wie Adler & Gundersen, 2008; Jäkel, 2008; Podsiadlowski, 2002a; Podsiadlowski, 2002b). Insgesamt existieren aktuell noch wenige Untersuchungen, die sich mit möglichen Zusammenhängen zwischen der Zusammenarbeit in Teams und der Entstehung von Stress befassen. Lediglich Pines und Zaidman (2014) verbanden die Zusammenarbeit in einem bikulturellen Team mit der Entstehung von Stress beziehungsweise Burnout. Dabei weisen einige Studien auf mögliche Zusammenhänge zwischen der Teamarbeit und Stress hin (vgl. Busch, 2004, S. 115ff; Cruz & Pil, 2011; Mohr & Zoghi, 2008; Morgan & Bowers, 1995). Die Studien variieren jedoch hinsichtlich ihrer Ergebnisse. Einige Arbeiten, wie die von Busch, Deci und Laackmann (2013), weisen darauf hin, dass aus der Zusammenarbeit in einem Team zusätzliche Ressourcen erwachsen können. Andere hingegen, wie Cruz und Pil (2011), verweisen auf den gegenteiligen Effekt, dass aus der © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 K. Leifels, Stressoren und Ressourcen in der interkulturellen Teamarbeit, Internationale Wirtschaftspartner, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26009-5_4

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4 Stress in multikulturellen Teams

Zusammenarbeit Stress erwachsen kann. Doch auch ambivalente Ergebnisse sind möglich: Schumann und Geerst (1996) stellten beispielsweise im Rahmen ihrer Untersuchung bei der Daimler AG nach der Einführung von Teamarbeit sowohl einen Anstieg als auch eine Reduzierung der wahrgenommenen Arbeitsbelastungen fest. Im Weiteren wird diskutiert, woraus diese Unterschiede resultieren und worin ein möglicher Zusammenhang zwischen der Zusammenarbeit in einem Team und der Entstehung von Stress bestehen kann. Ein positiver Zusammenhang zwischen der Entstehung von Stress und der Zusammenarbeit in einem Team könnte beispielsweise in einem Anstieg wahrgenommener Belastungen begründet liegen (Ducki, 2006). Ein negativer Zusammenhang könnte hingegen in einer Abnahme wahrgenommener Belastungen und einem Anstieg von Ressourcen begründet sein. Diese zum Teil widersprüchlichen Ergebnisse lassen sich auf verschiedene Faktoren zurückführen: Zum einen können unterschiedliche Untersuchungsdesigns, zum anderen aber auch Unterschiede in der Zusammensetzung der untersuchten Teams Auswirkungen auf die Forschungsergebnisse haben. Neben möglichen Variablen wie Größe, Grad und Art der Diversität in den untersuchten Teams können weitere Faktoren Einfluss auf die Entstehung von Stress haben. Zu diesen zählen soziodemographische Faktoren, wie das Alter und das Geschlecht der Probanden. Ebenfalls von Bedeutung ist die Art der Zusammenarbeit (virtuell vs. persönlich) sowie die spezifische Ausgestaltung der Teamarbeit (beispielsweise der Grad der Autonomie des Teams). Lantz, Friedrich und Brav (2001) verweisen auf geschlechts- und altersspezifische Unterschiede in der Wahrnehmung der Arbeitsbelastung in der Zusammenarbeit in Teams. In ihrer Untersuchung zeigen Mitglieder von Teams, die überwiegend aus Männern bestehen, ein signifikant höheres Belastungsempfinden als die Teams, die überwiegend aus Frauen oder zu gleichen Teilen aus Männern und Frauen bestehen. Gleiches gilt für den Einfluss des Alters: Ältere Mitarbeiter (über 40 Jahre) weisen eine signifikant höhere Wahrnehmung der Arbeitsbelastung auf als Mitarbeiter, deren Alter unter 40 Jahren liegt. Neben der Zusammensetzung eines Teams und soziodemographischen Kriterien spielen strukturelle Einflussfaktoren eine wichtige Rolle. Wird die

4.1 Zusammenhänge zwischen Stress und Teamarbeit

93

Teamarbeit beispielsweise mit dem Ziel der Rationalisierung eingeführt, wirkt sich dies höchstwahrscheinlich positiv auf den Zusammenhang zwischen Teamarbeit und wahrgenommenen Belastungen aus (Ducki, 2006). Nur sehr wenige Untersuchungen befassen sich mit Stressoren und Ressourcen, die aus der Teamarbeit resultieren. Dabei können auch aus der Zusammenarbeit in einem Team selbst (soziale) Stressoren resultieren. In einer Studie der Techniker Krankenkasse gaben beispielsweise 28% der Befragten an, eine schlechte Stimmung im Team als belastenden Stressfaktor zu empfinden (Wohlers & Hombrecher, 2016, S. 24). Im Weiteren wird der Frage nachgegangen, welche (sozialen) Stressoren und Ressourcen in der Zusammenarbeit in einem multikulturellen Team auftreten können. 4.1.1

Stressoren der multikulturellen Teamarbeit

Grundsätzlich könnte vor dem Hintergrund der Ausführungen in Kapitel 2.3.3.2 angenommen werden, dass kulturelle Unterschiede in Teams die Entstehung von Stress für die einzelnen Teammitglieder begünstigen können. Die in multikulturellen Teams vertretenen kulturellen Unterschiede können sich unter anderem in unterschiedlichem Verhalten oder unterschiedlichen Wertevorstellungen widerspiegeln (Podsiadlowski, 2002b, S. 32ff.). Treten diese im Zuge der Zusammenarbeit auf, können beispielsweise als inadäquat bewertete Verhaltensweisen zu Stressoren werden. Ein weiterer möglicher Stressor, der in der Teamarbeit und damit in der Zusammenarbeit mit anderen Menschen auftreten kann, sind Konflikte (vgl. Bruk-Lee & Spector, 2006; Dormann & Zapf, 1999; Schwartz & Stone, 1993). Konflikte drohen in multikulturellen Teams häufiger aufzutreten als in homogen zusammengesetzten Teams (Pines & Zaidman, 2014). Unterschiedliche Arbeitsweisen und -werte sowie ein unterschiedliches Zeitverständnis können beispielsweise zu Meinungsverschiedenheiten führen, welche die Entstehung von Konflikten begünstigen können. Darüber hinaus könnte die kulturelle Diversität in dem Teams unter anderem durch die wahrgenommene Andersartigkeit einiger Teammitglieder das Risiko der Diskriminierung erhöhen. Arbeitnehmer mit Migrationshintergrund, wie sie in der Regel in einem multikulturellen Team vertreten sind, sind häufiger Diskriminierung ausgesetzt (Hoppe, 2011a).

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4 Stress in multikulturellen Teams

Unter Berücksichtigung möglicher Beeinträchtigungen der kollektiven Handlungsregulation und eines damit einhergehenden erhöhten Regulationsaufwands stellt das soziale Faulenzen durch einzelne Mitglieder einen weiteren Stressor dar, der aus der Teamarbeit resultieren kann. Die Ursachen für dieses Verhalten sind vielseitig: Individuelle Beiträge in der Leistungserbringung sind in Teams oft nicht eindeutig identifizierbar (vgl. George, 1992; Karau & Williams, 1993; Rohn, 2006, S. 83), was die Motivation des Einzelnen negativ beeinflusst. Dies gilt vor allem dann, wenn die wahrgenommene Beziehung zwischen individueller Anstrengung, Belohnung und Bestrafung als schwach angesehen wird (George, 1992). Neben dieser durch eine Bestrafung oder Belohnung von außen extrinsisch ausgerichteten Sichtweise, können auch intrinsische Aspekte die Neigung des sozialen Faulenzens steigern oder vermindern. Die Tendenz zu sozialem Faulenzen steigt unter anderem, wenn mit Fremden zusammengearbeitet oder davon ausgegangen wird, dass die anderen Teammitglieder auch ohne ein zu starkes eigenes Einbringen eine gesamthaft gute Leistung erbringen werden (Karau & Williams, 1993; Rutte, 2003). Natürlich handelt es sich bei dem sozialen Faulenzen um einen sozialen Stressor, der auch in einem monokulturell zusammengesetzten Team auftreten kann. Multikulturelle Teams stehen darüber hinaus vor der Herausforderung, dass die Tendenz zu sozialem Faulenzen durch den kulturellen Hintergrund beeinflusst wird. Die Tendenz zu sozialem Faulenzen scheint bei Angehörigen östlicher Kulturen geringer ausgeprägt zu sein als bei Angehörigen westlicher Kulturen (Karau & Williams, 1993). Ähnliches bestätigen die Forschungsergebnisse von Podsiadlowski (2002a). Sie verweist darauf, dass Mitglieder japanischer Arbeitsgruppen sich durch eine höhere Beteiligung auszeichnen als Mitglieder westlicher Gruppen. Ein Hintergrund könnte sein, dass Angehörige kollektivistischer Gesellschaften im Gegensatz zu Angehörigen individualistischer Gesellschaften auf Grund der Präferenz für harmonische Beziehungen eher Freude und Zufriedenheit aus gemeinsam erreichten Zielen und Aufgaben ziehen (Earley, 1989). Arbeiten Menschen aus verschiedenen Ländern mit einer unterschiedlichen Tendenz zu sozialem Faulenzen zusammen, können hieraus zusätzliche Stressoren resultieren. Des Weiteren können durch die Zusammenarbeit in einem Team die Arbeitsanforderungen für den Einzelnen und damit die Anzahl der poten-

4.1 Zusammenhänge zwischen Stress und Teamarbeit

95

ziellen Belastungsmöglichkeiten steigen (Cruz, 2011, S. 72ff.). Beispielsweise können aus der Notwendigkeit als Team Entscheidungen zu treffen zusätzliche Anforderungen erwachsen. Entscheidungen werden häufig durch das Schließen von Kompromissen zwischen einzelnen Teammitgliedern getroffen. Gerade unter Zeitdruck können Verhandlungen zwischen einzelnen Teammitgliedern und der damit einhergehende Kommunikationsprozess eine kritische Bedeutung erhalten. Dabei stehen vor allem multikulturelle Teams oftmals der Herausforderung einer gemeinsamen Sprachfindung gegenüber. Die in den Teams vorhandene Diversität kann unter anderem den Gebrauch unterschiedlicher Kommunikationsstile und -regeln erforderlich machen. Dies bestätigen unter anderem die Ergebnisse von Cramton und Hinds (2007), die im Rahmen ihrer Studie zu der Kommunikation in deutsch-indischen und deutsch-amerikanischen Teams unterschiedliche Regeln in der Kommunikation nachwiesen. Durch die unterschiedlichen Regeln kann sich das Risiko auftretender Missverständnisse erhöhen (Pines & Zaidman, 2014). Diese können wiederum als Stressoren fungieren. Eine besondere Gefahr ist vor allem dann gegeben, wenn die verwendete Arbeitssprache nicht die Muttersprache der einzelnen Teammitglieder ist (Pines & Zaidman, 2014). Darüber hinaus ist Kommunikation wichtig, um ein gemeinsames Verständnis von Regeln und Erwartungen entwickeln zu können und Vertrauen innerhalb des Teams aufzubauen (Earley & Mosakowski, 2000; Zimmermann, 2011). Kommt es in der Kommunikation zu Missverständnissen, droht ein vermindertes Vertrauen oder gar Misstrauen innerhalb des Teams aufzutreten. Neben dem Umstand, dass ein vermindertes Vertrauen oder gar Misstrauen als Stressor wirken könnte, stellt die Kommunikation die Grundlage für den Austausch von Informationen innerhalb des Teams dar. Fühlen sich einzelne Mitarbeiter bei dem Erhalt arbeitsrelevanter Informationen ausgeschlossen, könnte sich dies auf die Kooperation einzelner Teammitglieder auswirken. Auf Kommunikationsprobleme und Informationsverzerrungen sowie die Auswirkungen auf die Kooperationsbereitschaft in heterogenen Teams gegenüber homogenen Teams weist unter anderem Podsiadlowski (2002b, S. 102) hin. Ferner können auch die verwendeten Bewältigungsstrategien selbst als Stressoren wirken. Die Wahl der zur Verfügung stehenden Bewältigungsstrategien wird unter anderem durch den kulturellen Hintergrund

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4 Stress in multikulturellen Teams

beeinflusst. Dies gilt zum einen für die Wahrnehmung der zur Verfügung stehenden Bewältigungsstrategien, zum anderen auch für die Präferenzen in der Verwendung der solchen. Setzt sich ein Team aus Mitgliedern zusammen, deren Gesellschaften jeweils kollektivistisch sowie individualistisch geprägt sind, kann angenommen werden, dass sich diese Teammitglieder hinsichtlich der gewünschten Bewältigungsstrategie voneinander unterscheiden. Angehörige kollektivistisch geprägter Gesellschaften scheinen andere Bewältigungsstrategien zu bevorzugen als Angehörige individualistisch geprägter Gesellschaften (vgl. Amason et al., 1999; Hoppe, 2011a). Menschen aus kollektivistisch geprägten Gesellschaften, wie beispielsweise China, verwenden eher emotionsorientierte Bewältigungsstrategien (O'Connor & Shimizu, 2002). Dem gegenüber tendieren Menschen aus individualistisch geprägten Gesellschaften, beispielsweise Deutschland, eher zu problemorientierten Bewältigungsstrategien (Hoppe, 2011a). Die Hintergründe für diese Tendenzen sind vielseitig. Eine wesentliche Bedeutung kommt, neben Unterschieden im Harmoniebestreben und Hierarchiedenken, auch dem Glauben daran zu, etwas an einer Situation ändern zu können. Der Glaube an das Schicksal spielt in diesem Zusammenhang keine unwesentliche Rolle. Ein hoch ausgeprägter Glaube an das Schicksal kann schnell zu dem Gedanken führen, dass die Dinge so sein sollen und ein Handeln zwecklos ist. Dadurch ist die Bereitschaft Ereignisse, Verhaltensweisen oder Umstände zu akzeptieren ohne aktiv gegen diese vorzugehen hoch ausgeprägt. Dies wiederum hat einen Einfluss auf die Wahrnehmung der zur Verfügung stehenden Bewältigungsstrategien (Slavin et al., 1991). Daneben spielen auch gesellschaftliche Normen bei der Verwendung von spezifischen Bewältigungsstrategien eine Rolle10. Die problemorientierten Bewältigungsstrategien kennzeichnen, dass das oberste Ziel in der Beseitigung des stressauslösenden Ereignisses liegt. Bei den emotionsorientierten Strategien geht es hingegen darum, den Umgang beziehungsweise die Wahrnehmung von stressauslösenden Bedingungen oder Ereignissen zu verändern. Es geht nicht 10 Bei derartigen Annahmen und Zuschreibungen handelt es sich um Verallgemeinerungen, die alleine der Vereinfachung dienen. Die Wahrnehmung und die Bewertung einzelner Aspekte sowie der Umgang mit diesen sind sehr stark von der subjektiven Wahrnehmung, den gesammelten Erfahrungen und auch der Akkulturation im Zielland, in welchem sich das Individuum befindet, abhängig.

4.1 Zusammenhänge zwischen Stress und Teamarbeit

97

darum, das Problem, das den Stressor verursacht, zu lösen (Busch, 2004, S. 65f.). Wenn Mitglieder mit derart unterschiedlichen Präferenzen in einem Team zusammenarbeiten, kann dies, beispielsweise bei Konflikten innerhalb des Teams, dazu führen, dass problem- und emotionsorientierte Bewältigungsstrategien aufeinandertreffen. Eine mögliche problemorientierte Strategie läge im direkten Ansprechen der Ursache des Konfliktes mit dem Ziel, den Konflikt zu lösen. Die emotionsorientierte Strategie könnte hingegen das Ausleben von Emotionen, beispielsweise Wut, vorsehen. In einem solchen Fall könnten diese beiden unterschiedlichen Strategien bei einem Aufeinandertreffen zu einer Eskalation führen und in neue Stressoren münden. In einem multikulturell zusammengesetzten Team kann es durchaus sein, dass sowohl Mitglieder individualistisch als auch kollektivistisch geprägter Gesellschaften in diesem Team vertreten sind. Auf Grund der genannten Ergebnisse ist anzunehmen, dass Mitglieder eines multikulturellen Teams insgesamt einer höheren Anzahl an Stressoren ausgesetzt sind als Angehörige monokultureller Teams. Dies bestätigen unter anderem auch die Ergebnisse von Hoppe (2011a, 2011b, 2011c). 4.1.2

Ressourcen der multikulturellen Teamarbeit

Neben möglichen stressinduzierenden Aspekten ist anzunehmen, dass die Zusammenarbeit in einem Team auch Auswirkungen auf die wahrgenommenen Ressourcen hat. Auf Grund ihrer besonderen Bedeutung wird an erster Stelle auf die soziale Unterstützung Bezug genommen. Auf die Bedeutung dieser Ressource wurde bereits in Kapitel 3.3.2 hingewiesen. Ein gleicher oder ähnlicher kultureller Hintergrund könnte sich, unter anderem durch ein erhöhtes Maß an sozialer Attraktivität, positiv auf die soziale Unterstützung durch Kollegen auswirken (Albrecht & Adelman, 1987). Fraglich ist, wie sich unterschiedliche kulturelle Hintergründe auf die Bedeutung, Einforderung und Wirkung sozialer Unterstützung auswirken. Kim et al. (2008) beschäftigen sich mit möglichen Zusammenhängen zwischen kulturellem Hintergrund und der Einforderung sozialer Unterstützung. Dabei kommt es neben den Erwartungen auch zu Unterschieden in der Einforderung sozialer Unterstützung. Im Zuge ihrer Studie haben Kim

98

4 Stress in multikulturellen Teams

et al. (2008) untersucht, ob und inwieweit sich US-Amerikaner europäischer und asiatischer Abstammung in der Suche nach sozialer Unterstützung unterscheiden. Ihren Ergebnissen zufolge sind Amerikaner asiatischer Abstammung wesentlich zurückhaltender in der Einforderung sozialer Unterstützung. Dies gilt selbst für ihnen nahestehende Personen. Die Zurückhaltung bei der Bitte um Hilfe bezieht sich dabei alleine auf jene Unterstützung, die mit stressigen Ereignissen in Verbindung stehen. In hiervon losgelösten Situationen ist die Wahrscheinlichkeit Unterstützung zu erbitten sogar höher ausgeprägt als bei den Amerikaner europäischer Abstammung (Kim et al., 2008). Damit könnte sowohl die Einforderung als auch die Bereitstellung sozialer Unterstützung je nach kulturellem Hintergrund variieren. In einem multikulturellen Team könnte sich dies in unterschiedlichen Erwartungen darüber, ob soziale Unterstützung erwünscht oder möglicherweise gar benötigt wird, ausdrücken (Er wird sich schon melden, wenn er Hilfe benötigt). Das Ausbleiben sozialer Unterstützung ist allerdings nicht mit einem sozialen Stressor gleichzusetzen. Nichtdestotrotz wird die Bedeutung sozialer Unterstützung in der Literatur vielfach betont (vgl. Beehr,1995, Busch et al., 2009, S. 18ff.; Kim, Sherman & Taylor, 2008; Shnaider, Sijercic, Wanklyn, Suvak & Monson, 2017). Darüber hinaus ist zu hinterfragen, inwieweit bereits die Wahrnehmung der sozialen Unterstützung durch den kulturellen Hintergrund beeinflusst wird. Amason et al. (1999) weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Höhe sozialer Unterstützung durch Kollegen mit dem gleichen kulturellen Hintergrund höher eingeschätzt wird als durch Kollegen mit sich unterscheidenden kulturellen Hintergründen. Ähnliches gilt auch für die Bedeutung der sozialen Unterstützung. So verweist Hoppe (2011b) auf eine höhere Bedeutung sozialer Unterstützung durch den Vorgesetzten und Kollegen bei Arbeitnehmern mit Migrationshintergrund als bei ihren deutschen Kollegen. Dies liegt nicht zuletzt an den unterschiedlichen Erwartungen, die Mitarbeiter abhängig von ihrem kulturellen Hintergrund an ihre Vorgesetzten und Kollegen haben (Amason et al., 1999). Auch die Wirkung der sozialen Unterstützung beziehungsweise die Einschätzung der solchen kann durch den kulturellen Hintergrund beeinflusst werden. Amason et al. (1999) stellten mittels eines Vergleichs zwischen angloamerikanischen und hispano-amerikanischen Beschäftigten fest, dass bereits die Frage danach, wem gegenüber soziale Unterstützung angeboten

4.1 Zusammenhänge zwischen Stress und Teamarbeit

99

wird, durch den kulturellen Hintergrund beeinflusst wird. Bei ihrem Vergleich konnten sie ein deutlich höheres Ausmaß an sozialer Unterstützung unter den hispanischen Kollegen feststellen als zwischen ihren anglo-amerikanischen Kollegen. Kritisch ist an dieser Stelle jedoch zu hinterfragen, ob nicht möglicherweise auch die Wahrnehmung der sozialen Unterstützung durch den kulturellen Hintergrund beeinflusst wurde. Dabei ist zu beachten, dass die Wahrnehmung sozialer Unterstützung von mehr Faktoren als der reinen kognitiven Wahrnehmung abhängig ist. Die Ergebnisse könnten auch in Differenzen in der Kommunikation begründet sein. Diese könnten sich in Form von Missverständnissen oder Sprachbarrieren negativ auf die Wahrnehmung, Inanspruchnahme und Bewertung sozialer Unterstützung auswirken (Amason et al., 1999). Mitglieder multikultureller Teams könnten durch vorhandene Sprachbarrieren möglicherweise dazu geneigt sein, erst gar keine soziale Unterstützung einzufordern. In Bezug auf eine kulturell diverse Zusammensetzung von Teams könnte dies implizieren, dass die soziale Unterstützung durch Teammitglieder gleichen oder ähnlichen Hintergrunds höher sein könnte als durch Mitglieder anderer Nationalitäten. Die Ausprägung sozialer Unterstützung in einem multikulturellen Team könnte damit geringer sein als in einem monokulturellen Team. Neben der sozialen Unterstützung könnten auch weitere Ressourcen in multikulturellen Teams anders ausgeprägt sein als in monokulturellen Teams. So könnten die in multikulturellen Teams vorhandenen diversen Hintergründe, Sichtweisen und Erfahrungen (Adler & Gundersen, 2008, S. 134ff.; Podsiadlowski, 2002b, S. 117) unter anderem zu einer höheren aufgabenbezogenen (Team-) Reflexivität führen. Die Teamreflexivität fokussiert die Zusammenarbeit innerhalb des Teams. Dabei geht es um eine Reflexion über die Qualität der Zusammenarbeit. Die Effektivität eines Teams kann durch eine kritische Betrachtung der Teammitglieder beeinflusst werden. Diese kann beispielsweise das Vorgehen des Teams, die Strategien sowie die Planungen umfassen (Brodbeck et al., 2000, S. 10). Dabei sollte das Team auch bereit sein, die eigene bisher verwendete Arbeitsweise zu modifizieren. Neben einer positiven Auswirkung auf die Leistung und Problemlösung eines Teams (West, 1996) kann die Teamreflexivität dazu beitragen, psychosomatische Beschwerden zu reduzieren (Busch et al., 2013). Durch die unterschiedlichen Hintergründe und damit

100

4 Stress in multikulturellen Teams

einhergehenden Sichtweisen und Erfahrungen könnte die Teamreflexivität als Ressource in multikulturellen Teams höher ausgeprägt sein als in monokulturellen Teams. Eine ebenfalls wichtige Ressource könnte die Gruppenkohäsion darstellen. Ein starker Zusammenhalt könnte als Ressource mögliche negative Effekte hoher Arbeitsbelastung auf das Wohlbefinden reduzieren (Podsiadlowski, 2002b, S. 82). Die Eignung der Kohäsion zur Vorhersage von Unruhe, Angstzuständen oder Beschwerden des muskuloskelettalen Systems konnte bereits bestätigt werden (Carayon, Haims, Hoonakker & Swanson, 2006). Durch die geringere wahrgenommene Ähnlichkeit und verminderte soziale Attraktivität in divers zusammengesetzten Teams, wie sie bereits in Kapitel 2.3.4 beschrieben wurde, ist davon auszugehen, dass die Kohäsion in multikulturellen Teams geringer ist. Darüber hinaus gibt es Hinweise, dass die gleichberechtigte Partizipation im Rahmen der Zusammenarbeit eine wichtige Ressource darstellt. Mit der Möglichkeit, gleichberechtigt an Entscheidungen mitzuwirken, steigt der Beitrag des einzelnen Teammitglieds (Brodbeck, Anderson & West, 2000, S. 6ff.). Ein wesentlicher Aspekt ist dabei, dass sich die Teammitglieder vorab über den Prozess des kollektiven Handlungsablaufs geeinigt haben (Brodbeck et al., 2000, S. 11). Dieser Handlungsablauf umfasst unter anderem den Prozess der Entscheidungsfindung. Dies bedeutet nicht, dass alle Entscheidungen stets gemeinsam durch das ganze Team getroffen werden. Es geht vielmehr um den dahinterstehenden Prozess. Der Vorteil eines derartigen Vorgehens liegt darin, dass Einzelentscheidungen, über deren Zustandekommen die Gruppe zuvor bereits entschiedenen hat, weiterhin möglich sind. Dadurch wird das Team handlungsfähiger und agiler. Diese „partizipativ optimierten Entscheidungsstrategien“ (Brodbeck et al., 2000, S. 11) können sich positiv auf die Zusammenarbeit der Teammitglieder auswirken. Mit der Möglichkeit der Partizipation einzelner Teammitglieder sind damit nicht individuelle Machtansprüche einzelner Teammitglieder zu verstehen, sondern vielmehr der gesamte gemeinsame Prozess der Entscheidungsfindung, der die Beiträge der einzelnen Teammitglieder sammelt (Brodbeck et al., 2000, S. 11). Diese Teilhabe aller Teammitglieder an der gemeinsamen Zusammenarbeit kann die Wirkung von außen eintretender Faktoren beeinflussen und damit als Puffer fungieren. Durch das in multikulturellen Teams vorhandene Risiko von Missverständnissen,

4.2 Der Einfluss von Kultur auf einzelne Komponenten

101

Konflikten und Diskriminierungen könnte die gleichberechtigte Partizipation in multikulturellen Teams ebenfalls geringer sein als in monokulturellen Teams. 4.2

Der Einfluss von Kultur auf einzelne Komponenten

Multikulturelle Teams setzen sich aus Mitgliedern unterschiedlicher kultureller Hintergründe zusammen. Der individuelle kulturelle Hintergrund beeinflusst die subjektive Wahrnehmung und Bewertung verschiedener Situationen und Sachverhalte. Die Kultur kann daher auch als kognitiver Filter bezeichnet werden (Slavin, Rainer, McCreary & Gowda, 1991). Die Bewertung einzelner Stressoren und Ressourcen oder die Verwendung spezifischer Bewältigungsstrategien wird durch den individuellen kulturellen Hintergrund beeinflusst. Der Einfluss des individuellen kulturellen Hintergrunds soll durch eine Erweiterung des transaktionalen Stressmodells um kulturrelevante Dimensionen verdeutlicht werden. Das Modell ist in Abbildung 10 dargestellt.

Zusätzliche kulturrelevante Dimensionen

Komponenten des Standardmodells

Primäre Bewertung - Irrelevant - Harmlos - Stressauslösend • Schaden/ Verlust • Gefährdung/ Bedrohung • Herausforderung

- Kulturelle/ familiäre Definition des Ereignisses - Maß der Passung zwischen dem Ereignis und dem kulturellen Rahmen

Auftreten eines möglichen stressinduzierenden Ereignisses - Große Ereignisse - Kleine Ereignisse (Ärgernisse)

Ereignisse betreffend - Minderheitenstatus - Sozioökonomischer Status - Diskriminierungen - Bräuche

Auswirkungen - Soziales Funktionieren - Gesundheitliche Auswirkungen

- Kulturelle Einflüsse auf das Zeigen von Symptomen - Kulturelle Normen für Verhalten

Bewältigung - Problemorientiert - Emotionsorientiert

- Kulturspezifische Bewältigungsstrategien - Kulturelle & etablierte Sanktionen gegen einige Bewältigungsstrategien - Erwerb von Fähigkeiten um zwischen kulturellen Settings zu verhandeln

Sekundäre Bewertung - Evaluation der Bewältigungsmöglichkeiten - Abschätzen der Wirksamkeit - Evaluation der vorhandenen Ressourcen

- Kulturelle Definitionen von Verhaltensoptionen: Definition von Rollen, Schicksal, Erwartungen an das System - Ethnische Identität - Definition von Familie, Gesellschaften & sozialen Netzwerken

102 4 Stress in multikulturellen Teams

Abbildung 10: Erweiterung des transaktionalen Stressmodells um kulturrelevante Dimensionen. Quelle: Eigene Darstellung, adaptiert nach Slavin, L.A. Rainer, K.L., McCreary, M.L., Gowda, K. K. (1991, S. 159); mit freundlicher Genehmigung von ã John Wiley and Sons 1991. All rights reserved.

4.2 Der Einfluss von Kultur auf einzelne Komponenten

103

Das Modell beginnt, wie bei Lazarus, mit dem Auftreten eines potenziell als stressend zu klassifizierenden Ereignisses. Die vorgenommene Erweiterung des transaktionalen Stressmodells beinhaltet bereits zusätzliche Stressoren, die aus einem anderen kulturellen Hintergrund erwachsen. Ein solcher Stressor kann beispielsweise aus einer wahrgenommenen Unterrepräsentativität der eigenen Nationalität resultieren. Diese wahrgenommene Unterrepräsentativität setzt nicht voraus, dass diese auch von den anderen Mitgliedern eines Teams wahrgenommen wird. Weiterhin unterliegt auch die Bewertung eines Ereignisses den kulturell geprägten Vorstellungen. Handelt ein Vorgesetzter beispielsweise anders als es Mitarbeiter auf Grund gesammelter Erfahrungen oder Wertvorstellungen erwarten, kann dies ebenfalls als negatives Ereignis klassifiziert werden. Dabei kommt es vor allem auf die Passung und ein mögliches Abweichen – dem fit zwischen dem stattfindenden Ereignis und dem eigenen, kulturell geprägten Verständnis – an. Auch die Wahrnehmung von Belastungen und Ressourcen wird durch diesen fit beeinflusst, wodurch es zu kulturellen Unterschieden kommen kann (vgl. O'Connor & Shimizu, 2002; Yang et al., 2012). Yang et al. (2012) stellen beispielsweise fest, dass Manager in individualistisch geprägten Gesellschaften eine höhere Arbeitsbelastung angeben als Manager aus kollektivistisch geprägten Gesellschaften. Die Anzahl der Arbeitsstunden war in der von ihnen herangezogenen Stichprobe für beide Gruppen jedoch identisch. Wenngleich diese Ergebnisse nicht zwangsläufig etwas über die tatsächliche Arbeitsbelastung aussagen, zeigen sie dennoch, dass es möglicherweise zu kulturell geprägten Unterschieden in der Wahrnehmung und der Bewertung von Belastungen kommen kann. Auch die Wirkung einzelner Ressourcen kann abhängig vom kulturellen Hintergrund variieren. Der Handlungsspielraum beispielsweise wirkt in einer Studie mit einheimischen Beschäftigten in Großbritannien und Schweden als Ressource, nicht jedoch bei ihren Kollegen mit Migrationshintergrund (Hoppe, 2011a). Eine ähnliche Studie mit Zustellern kommt zu dem gleichen Ergebnis (Hoppe, 2011b). Die Unterschiede in der Wirkung des Handlungsspielraums könnten unter anderem darin begründet sein, dass Arbeitnehmern aus Ländern mit höherer Hierarchieorientierung am Arbeitsplatz teilweise weniger Handlungsspielräume zur Verfügung stehen, was die Erlebbarkeit dieser Ressource verringern könnte (Hoppe, 2011c).

104

4 Stress in multikulturellen Teams

Neben der Wahrnehmung und Klassifizierung von Stressoren sowie Ressourcen beeinflussen kulturelle Unterschiede auch das Beschwerdeverhalten über die Auswirkungen der Stressoren (Slavin et al., 1991). So lassen Forschungsergebnisse Rückschlüsse darauf zu, dass Amerikaner asiatischer Abstammung beispielsweise weniger bereit sind über psychische Beschwerden in Gesprächen zu berichten als andere ethnische Gruppen. Dies könnte unter anderem daran liegen, dass psychische Beschwerden in asiatischen Kulturen häufig mit einem intensiveren Schamgefühl assoziiert werden, weshalb derartige Beschwerden seltener berichtet werden11 (Sue & Sue, 1990, S. 192). Der Prozess der Akkulturation ist sehr häufig eng verknüpft mit der Zusammenarbeit in einem multikulturellen Team. Konkret handelt es sich bei der Akkulturation um den Prozess einer kulturellen und psychologischen Veränderung, der aus dem Zusammentreffen verschiedener Kulturen resultiert (Sam & Berry, 2010). Angelehnt an das Stressmodell von Lazarus und Folkman (1984) und Berry (1997) erstellten Hoppe und Bamberg (2013) das in Abbildung 11 dargestellte Akkulturations-Stressmodell. Ausgangspunkt für das in Abbildung 11 dargestellte Modell ist auch hier wieder die aversive Stressprognose in Form von Herausforderungen, die als problematisch erlebt und bewertet werden. Das Modell nimmt Bezug auf Ereignisse, die in der Erfahrung der Akkulturation verwurzelt sind, einschließlich verschiedener Moderator- und Mediatorvariablen, welche die Wahrnehmung und Bewertung der Erfahrungen im Zuge des Prozesses beeinflussen (Sam & Berry, 2010).

11 Bei derartigen Verallgemeinerungen ist zu beachten, dass die Gruppe der Amerikaner asiatischer Abstimmung bereits sehr divers ist und es innerhalb dieser weitere Subgruppen gibt, die sich neben Prozessen der Akkuluration auch nach Sprache, Bildungsgrad und weiteren Faktoren unterscheiden (Sue & Sue 1990, S.189). Dieses Beispiel soll jedoch verdeutlichen, dass der kulturelle Hintergrund Einfluss auf die Wahrnehmung und Berichte von Befindensbeeinträchtigungen haben kann.

Stressoren bei der Arbeit

Politische, gesellschaftliche & wirtschaftliche Rahmenbedingungen

Zielland

Bewältigungsstrategien

(soziale Unterstützung, Handlungsspielräume)

Ressourcen bei der Arbeit

Bewertung der Stressoren

Feindseligkeit, Misstrauen Einstellungen, Werte Selbstwert, Optimismus

Politische, gesellschaftliche & wirtschaftliche Rahmenbedingungen

Akkulturation der Gruppe

Personenbezogene Merkmale

Herkunftsland

Organisationaler Kontext

Psychische & körperliche Gesundheit

4.2 Der Einfluss von Kultur auf einzelne Komponenten 105

Abbildung 11: Theoretisches Rahmenmodell zum Einfluss der Akkulturation auf den Stressprozess. Quelle: Eigene Darstellung, adaptiert nach Hoppe, A. & Bamberg, E. (2013, S. 438); mit freundlicher Genehmigung von ã Springer Nature 2013. All rights reserved.

106

4.3

4 Stress in multikulturellen Teams

Implikationen für die empirische Studie

Die vorangegangenen Abschnitte dieses Kapitels haben die stresstheoretischen Spezifika, die es in der Zusammenarbeit von Teams, insbesondere multikulturellen Teams, zu beachten gilt, herausgestellt. Dazu zählen vor allem die sozialen Stressoren und Ressourcen, die aus der Zusammenarbeit resultieren oder im Rahmen dieser an Bedeutung gewinnen. Neben den allgemeinen Stressoren, die sich aus der Teamarbeit ergeben, weisen die vorangegangenen Ausführungen darauf hin, dass die Mitglieder multikultureller Teams zusätzlichen Stressoren sowie einer höheren Ausprägung der solchen gegenüberstehen. Gleichzeitig scheint es einen Zusammenhang zwischen der kulturellen Diversität innerhalb der Teams und der Ausprägung und Wahrnehmung vorhandener Ressourcen zu geben. Im Verlauf dieser Arbeit wird überprüft, inwieweit die aus der Theorie abgeleiteten Annahmen tatsächlich zutreffen und es einen Unterschied in der Anzahl wahrgenommener sozialer Stressoren und Ressourcen gibt. Die Schwierigkeit wird zunächst in der Ermittlung der relevanten sozialen Stressoren und Ressourcen liegen. Auf diesen aufbauend werden weitere mögliche Variablen identifiziert, welche die Wahrnehmung und die Bewertung der Stressoren und Ressourcen beeinflussen können. Um einen tatsächlichen Unterschied messen zu können, muss ein Instrument entwickelt werden, das in der Lage ist, die wahrgenommene Ausprägung dieser Faktoren im Rahmen eines Gruppenvergleichs zu überprüfen. Konkret sollen die folgenden Fragestellungen im Rahmen dieser Arbeit näher untersucht werden: I. Unterscheiden sich die Mitglieder multi- und monokultureller Teams in der Ausprägung der von ihnen wahrgenommenen sozialen Stressoren innerhalb ihrer Teams? Um die Bedürfnisse von Mitgliedern multikultureller Teams erfassen zu können, soll zunächst in einer explorativen Untersuchung ermittelt werden, inwieweit es auch in der Praxis spezifische Stressoren gibt, die in der multikulturellen Teamarbeit vermehrt auftreten. Dabei werden, ausgehend von

4.3 Implikationen für die empirische Studie

107

der Interaktion am Arbeitsplatz, jene Stressoren betrachtet, welche aus der persönlichen Zusammenarbeit in einem multikulturellen Team resultieren. II. Gibt es einen Unterschied in der Ausprägung wahrgenommener sozialer Ressourcen zwischen Mitgliedern multikultureller Teams gegenüber Mitgliedern monokultureller Teams? Nachdem im ersten Fragenkomplex jene Faktoren eruiert werden, die potenziell dazu geeignet sind, Stress auszulösen, soll darauf aufbauend untersucht werden, inwieweit sich die Ausprägung wahrgenommener Ressourcen zwischen den beiden Teamkompositionen unterscheidet. III. Unterscheiden sich die Mitglieder multi- und monokultureller Teams hinsichtlich ihrer verwendeten Bewältigungsstrategie? Dieser Fragenkomplex zielt auf die Analyse persönlicher Bewältigungsstrategien der Mitglieder multikultureller Teams ab. Wie bereits ausgeführt, gibt es kulturell bedingte Unterschiede in der Verwendung spezifischer Bewältigungsstrategien. Fraglich ist, was geschieht, wenn Menschen aus verschiedenen Ländern in einem Team zusammenarbeiten. Es soll daher untersucht werden, inwieweit sich Mitglieder mono- und multikultureller Teams in der Verwendung verschiedener Bewältigungsstrategien unterscheiden.

5. Stress in multikulturellen Teams – qualitative Vorstudie Nachdem die vorherigen Kapitel die theoretischen Grundlagen dieser Arbeit behandelt haben, baut der folgende Teil auf diesen Kenntnissen auf. Im weiteren Verlauf werden nun die Besonderheiten, die sich aus der Zusammenarbeit in multikulturellen Teams ergeben und in einem Zusammenhang mit dem individuellen Wohlbefinden stehen, untersucht. In der vorliegenden Arbeit wird ein Mixed-Methods-Ansatz angewendet. Dies bedeutet, dass hier sowohl qualitative und quantitative Verfahren herangezogen werden. Dadurch soll ein breiteres und tieferes Verständnis für das zu untersuchende Phänomen entwickelt werden (Johnson, Onwuegbuzie & Turner, 2007). In einem ersten Schritt erfolgt eine explorative qualitative Untersuchung, um einen tieferen Einblick in das Themenfeld zu erhalten (vgl. Creswell, 2009, S. 211). Ziel dieser Untersuchung ist es, die Relevanz des Forschungsgegenstands, vor allem hinsichtlich der aus der Theorie ableitbaren kulturimanenten Probleme, einschließlich seiner möglichen stressindizierenden, aber auch -vermindernden Auswirkungen zu erfassen und zu vertiefen. Darauf aufbauend erfolgt eine quantitative Erhebung mittels Fragebogen, deren Zielsetzung eine höhere Repräsentativität gewonnener Daten ist. Ein solches Vorgehen entspricht dem in Mayring (2008, S. 21f.) dargestellten Phasenmodell zum Verhältnis von quantitativer und qualitativer Analyse. Es ermöglicht dabei die Komplementarität beider Ansätze (vgl. Hurmerinta-Peltomäki & Nummela, 2006) und ist vor allem dann ein Vorteil, wenn ein neues Untersuchungsinstrument entwickelt werden soll (Creswell, 2009, S. 212). Die im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten Untersuchungen sind daher in verschiedenen Stufen aufgebaut, deren Verlauf in Abbildung 12 dargestellt ist.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 K. Leifels, Stressoren und Ressourcen in der interkulturellen Teamarbeit, Internationale Wirtschaftspartner, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26009-5_5

110

5 Stress in multikulturellen Teams – qualitative Vorstudie

Explorative Voruntersuchung Abgleich mit den in der Literatur zu findenden Stressoren & Ressourcen, Identifizierung zusätzlicher sozialer Stressoren & Ressourcen, Erfassung verwendeter Bewältigungsstrategien & Auswirkungen

Entwicklung eines Modells Darstellung der Zusammenhänge einzelner Variablen

Quantitative Hauptuntersuchung Überprüfung der postulierten Zusammenhänge und Unterschiedsannahmen

Abbildung 12: Aufbau der durchgeführten Untersuchung. Quelle: Eigene Darstellung.

Die Untersuchung beginnt mit einer explorativen Voruntersuchung. Aufbauend auf den Ergebnissen der Voruntersuchung wird ein Modell entwickelt. Mit Hilfe dieses Modells sollen die im Rahmen der Voruntersuchung und in der Literatur zu findenden Komponenten dargestellt werden. Darauf basierend folgt die quantitative Hauptuntersuchung. In deren Rahmen werden die auf den Ergebnissen der Voruntersuchung zu formulierenden Unterschiedsannahmen zwischen multi- und monokulturellen Teams untersucht.

5.1 Aufbau des Untersuchungsdesigns

5.1

111

Aufbau des Untersuchungsdesigns

Um die Spezifika multikultureller Teams herauszuarbeiten, musste eine Erhebungsform gefunden werden, bei welcher ein Austausch mit den Personen stattfinden konnte, die Erfahrungen oder Kenntnisse in dem relevanten Feld haben. Besonders geeignet, um mögliche Besonderheiten im Auftreten sozialer Stressoren wie auch Ressourcen in multikulturellen Teams herauszuarbeiten, sind Interviews mit Mitgliedern multikulturell zusammengesetzter Teams. Um einen Vergleich zwischen den Interviews zu ermöglichen, wurde ein Leitfaden entwickelt. Durch einen solchen kann die Vergleichbarkeit der durchgeführten Interviews erhöht werden (Mayer, 2009, S. 37). Die Vergleichbarkeit ist wichtig, da Angehörige verschiedener Nationalitäten befragt werden und Rückschlüsse auf kulturübergreifende Stressoren, Ressourcen oder verwendete Bewältigungsstrategien gesammelt werden sollen. Ziel der Interviews ist es ferner, die praktische Relevanz des Forschungsgegenstands zu erfassen. Daneben sollen die in der Literatur zu findenden Komponenten individuell erfasst werden. Die Interviews sollen eine Erweiterung der zu findenden Forschungsliteratur darstellen, um im Weiteren die Übertragbarkeit der erfassten Aussagen hinsichtlich möglicher Generalisierbarkeit zu überprüfen. Um auch nicht-deutschsprachigen Mitgliedern multikultureller Teams eine Teilnahme an den Interviews zu ermöglichen, wurde zunächst ein deutschsprachiger Leitfaden entwickelt und anschließend ins Englische übersetzt. Die Korrektheit der Übersetzung wurde anschließend von einem englischen Muttersprachler überprüft. Im ersten Abschnitt des Leitfadens wurden zunächst die soziodemographischen Merkmale der Befragten erfasst. Zu diesen zählen:

112

5 Stress in multikulturellen Teams – qualitative Vorstudie

-

Alter Nationalität und Herkunft Dauer der Zusammenarbeit in dem derzeitigen Team Anzahl der Teammitglieder und Nationalitäten innerhalb des Teams Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit anderen Nationalitäten Dauer bisheriger Auslandsaufenthalte.

Um sicherzustellen, dass die Probanden und Interviewer die gleiche Definition von Stress verwenden, wurde dem Interviewteilnehmer zu Beginn eine Definition des Stressbegriffs vorgelesen. Nach dieser wird Stress oftmals als subjektiv intensiv unangenehmer Spannungszustand bezeichnet. Dieser entsteht in der Regel aus der Befürchtung, eine zeitlich nah bevorstehende oder bereits eingetretene unangenehme Situation nicht vollständig kontrollieren zu können. Diese Definition ist angelehnt an Zapf und Semmer (2004) und Greif (1991). Unter Berücksichtigung der Komponenten des transaktionalen Stressmodells untergliedert sich der weitere Leitfaden in die folgenden Abschnitte: - Stressoren, die aus der Interaktion mit den Teamkollegen resultieren - Ressourcen - verwendete Bewältigungsstrategien. Daneben wurden die Auswirkungen des Beanspruchungsempfindens abgefragt. Diese umfassten: - Auswirkungen auf das Arbeitsergebnis - Auswirkungen auf das Team - Auswirkungen auf das Wohlbefinden. Methodisch betrachtet ergibt sich die Schwierigkeit, dass problemorientierte Bewältigungsstrategien möglicherweise seltener genannt werden als emotionsorientierte Bewältigungsstrategien (Busch, 2004, S. 72). Diese Tendenz liegt insbesondere darin begründet, dass problemorientierte Bewältigungsstrategien mit einer Situationsspezifität einhergehen, welche eher das episodische Gedächtnis ansprechen (Busch, 2004, S. 72). Daher ist es zur Erfassung von problemorientierten Bewältigungsstrategien

5.2 Durchführung der Befragung und Merkmale der Stichprobe

113

wichtig, den Probanden eine möglichst konkrete Situation beschreiben zu lassen. Während der Interviews wurden die Interviewpartner gebeten, nacheinander drei möglichst konkrete Situationen zu schildern, welche in der Vergangenheit dazu führten, dass sie sich im beruflichen Kontext durch die persönliche Interaktion mit ihren Teamkollegen gestresst fühlten. Aufbauend auf jeder einzelnen Situation wurden die sechs zuvor genannten Komponenten abgefragt. Der Leitfaden ist in deutscher sowie englischer Sprache im Anhang, Anlage 3 (deutschsprachige Version) und Anhang 4 (englischsprachige Version) aufgeführt. 5.2

Durchführung der Befragung und Merkmale der Stichprobe

Die Auswahl der Interviewpartner erfolgte mittels Vorab-Festlegung der Stichprobe anhand zuvor definierter Merkmale (vgl. Mayer, 2013, S. 39). Die Befragten mussten jeweils Mitglied eines multikulturellen Teams sein, welches sich aus mindestens drei Nationalitäten zusammensetzt. Da neben der Nationalität auch weitere Faktoren, beispielsweise das Geschlecht (Khashabi, 1996, S. 129ff.), die Wahrnehmung von Stressoren und Ressourcen beeinflussen können, wurde bei der Auswahl der Teilnehmer zudem auf eine gleichmäßige Verteilung der Nationalität, des Alters, des Geschlechts, der Branche und der Unternehmen geachtet. Die Interviews wurden persönlich, telefonisch oder mittels Internet-Protokoll-Telefonie durchgeführt. Die Durchführung von Telefoninterviews sowie Internet-Protokoll-Telefonie ist methodisch anerkannt und bietet nicht zuletzt durch eine Verminderung zu erwartender Kosten bei geographischen Entfernungen Vorteile für die Gewinnung von Daten (Bertrand & Bourdeau, 2010; Novick, 2008). Die Internet-Protokoll-Telefonate wurden mit der Software Skype, einem Programm der Microsoft Corporation, durchgeführt. Die Interviewteilnehmer erhielten zuvor per E-Mail ein Informationsschreiben mit der Bitte, sich drei spezifische Situationen zu überlegen, welche in der Vergangenheit dazu geführt haben, dass sie sich durch die Zusammenarbeit in einem multikulturellen Team gestresst gefühlt haben. Dieses Schreiben befindet sich im Anhang als Anhang 1 (deutschsprachige

114

5 Stress in multikulturellen Teams – qualitative Vorstudie

Version) und Anhang 2 (englischsprachige Version). Die Zeitdauer der durchgeführten Interviews variierte zwischen 15 und 47 Minuten. Die Interviews wurden nach vorheriger Zustimmung der Teilnehmer aufgezeichnet. Insgesamt nahmen 15 Interviewpartner an der explorativen Voruntersuchung teil. Die Aufteilung der vertretenen Nationalitäten ist in Abbildung 13 dargestellt. Häufigkeit der vertretenen Nationalitäten deutsch

6

schweizerisch

3

französisch

2

chinesisch

1

schwedisch

1

ukrainisch

1

italienisch

1 0

1

N=15

2

3

4

5

6

7

Abbildung 13: Häufigkeit der vertretenen Nationalitäten.

Die folgenden Branchen/Industriezweige waren dabei vertreten: Elektro-, Luft- und Raumfahrt,- Pharma-, Automobil- und Informationsverarbeitungsindustrie sowie Öffentlicher Dienst. Das Alter der Interviewteilnehmer lag zwischen 27 und 54 Jahren. Die Teamgrößen lagen zwischen 4 und 65 Mitgliedern. Die Anzahl der in den Teams vertretenden Nationalitäten lag zwischen 3 und 12. Die Dauer der Zusammenarbeit in den betroffenen Teams variierte zum Teil stark, dauerte zwischen 4 und 84 Monaten und betrug durchschnittlich 18 Monate.

5.2 Durchführung der Befragung und Merkmale der Stichprobe

5.2.1

115

Auswertung der qualitativen Befragung

Das Ziel der Auswertung bestand darin, in den durchgeführten Interviews Gemeinsamkeiten zum Untersuchungsgegenstand zu identifizieren. Diese Gemeinsamkeiten sollten personenübergreifend interpretierbar und spezifisch für die dem Leitfaden zu Grunde liegenden Fragen sein (Mayer, 2013, S. 47). Die Sprachaufnahmen der Interviews wurden zu diesem Zweck mit der Transkriptionssoftware f4 transkribiert. Im Anschluss an die Transkription wurden die in den Interviews getätigten Aussagen nach mehrmaligem Lesen paraphrasiert. Im Zuge mehrerer Sichtungen des Datenmaterials wurde ein Kategoriensystem entwickelt. Mit Hilfe dieses Kategoriensystems war es möglich, die gesammelten Inhalte zu abstrahieren. Mittels Selektion identischer oder ähnlicher Paraphrasen wurden diese in die zu ihnen passenden Kategorien eingeordnet. Um die externe Heterogenität der erstellten Paraphrasen zu unterstützen, wurden weitere Kategorien auf einem höheren Abstraktionsniveau gebildet. Die Inhalte der einzelnen Interviews wurden immer wieder abgeglichen, um Gemeinsamkeiten sowie Unterschiede herauszuarbeiten. Eine Aussage sollte sich klar in eine Kategorie einordnen lassen. Gleichzeitig war es erforderlich das Kategorienschema so aufzubereiten, dass sich die einzelnen in einer Kategorie zu findenden Aussagen nicht zu sehr voneinander unterscheiden und inhaltlich homogen sind. Um dies zu unterstützen, wurden innerhalb der einzelnen Kategorien weitere Unterkategorien angelegt, durch welche die getätigten Aussagen weiter verdichtet und präzisere Erklärungen zu den einzelnen Phänomenen erhalten werden konnten. Nachdem alle Paraphrasen in die ihrem Inhalt entsprechenden Kategorien eingeordnet wurden, wurde in einem weiteren Schritt nach Gemeinsamkeiten in den Interviews gesucht. Das erstellte Kategorienschema wurde im Zuge weiterer Sichtungen und Einordnungen ständig neu überarbeitet und überprüft. Inhaltlich nicht klar einzuordnende Aussagen wurden in Bezug auf den ihnen zu Grunde liegenden Kontext neu untersucht. Im Anschluss wurden alle eingeordneten Aussagen noch einmal überprüft und Aussagen bzw. Paraphrasen, die sich durch ihre Nennung keiner Kategorie zuordnen ließen und nur einmal genannt wurden, zurückgestellt.

116

5 Stress in multikulturellen Teams – qualitative Vorstudie

5.2.2

Ergebnisse der Voruntersuchung

Nachdem der Prozess der Auswertung vorgestellt wurde, folgen die Ergebnisse der qualitativen Voruntersuchung. Die in den Grafiken enthaltenden Angaben beziehen sich auf die Anzahl an Interviewpartnern (N), die sich zu der jeweiligen Oberkategorie geäußert haben. Die hinter den einzelnen Kategorien zu findende Zahl gibt zusätzlich Aufschluss darüber, wie viele Teilnehmer sich innerhalb der Oberkategorie zu den enthaltenden Kategorien geäußert haben. Die Teilnehmer haben dabei zum Teil Aussagen getätigt, die sich in verschiedene Kategorien innerhalb der Oberkategorie einordnen ließen. Aus diesem Grunde kann die Anzahl der Interviewpartner, die sich insgesamt zu der Oberkategorie geäußert haben, von der Anzahl der Teilnehmer in den enthaltenden Kategorien abweichen. 5.2.2.1

Stressoren in multikulturellen Teams

Um einen ersten Überblick zu erhalten, sind in Abbildung 14 zunächst die Oberkategorien der erfassten Stressoren dargestellt. Insgesamt ließen sich die Aussagen der Interviewpartner in fünf verschiedene Oberkategorien einordnen. Häufigkeiten der Nennungen in den Oberkategorien Soziales Verhalten der Teammitglieder

11

Kommunikation

10

Arbeitseinstellung

10

Rahmenbedingung der Arbeit

N=15

4

Führung

3 0

2

4

6

8

10

12

Abbildung 14: Oberkategorien der sozialen Stressoren.

Um einen detaillierteren Überblick über die Ergebnisse zu erhalten, werden die Oberkategorien nachfolgend einzeln vorgestellt:

5.2 Durchführung der Befragung und Merkmale der Stichprobe

117

Stressoren aus dem sozialen Verhalten der Teammitglieder Wie Abbildung 14 zu entnehmen ist, wurden in 11 der Interviews Aussagen getätigt, die sich der Oberkategorie soziales Verhalten der Teammitglieder zuordnen lassen. Diese Kategorie umfasst Aussagen zu Verhaltensunterschieden, die zwischen Teammitgliedern auftraten. Diese Verhaltensunterschiede betreffen beispielsweise verschiedene Aspekte der Zusammenarbeit innerhalb des Teams, worunter unter anderem eine mangelnde Kooperation fällt. Eine Aufschlüsselung des sozialen Verhaltens von Teammitgliedern in einzelne Kategorien ist in Abbildung 15 aufgeführt. Häufigkeit der Nennungen in der Oberkategorie soziales Verhalten der Teammitglieder Abgrenzungsversuche

7

Zusammenarbeit im Team

5

Unterschiedliches Auftreten in sozialen Interaktionen

2

Nicht näher spezifizierte Verhaltensunterschiede

2

Umgang mit Regeln

1

Unterschiedliche Rituale und Bräuche

1

0

2

N=11

4

6

8

Abbildung 15: Ursprünge der Stressoren in der Oberkategorie soziales Verhalten der Teammitglieder.

Die höchste Anzahl an Nennungen betrafen Aussagen zu Abgrenzungsversuchen gegenüber Teammitgliedern auf Grund deren Herkunft und drücken sich beispielsweise durch mangelnde Anerkennung gegenüber Teammitgliedern aus. Hinzu kommen weitere Aspekte wie Stereotypisierung oder Diskriminierung von Teammitgliedern. Ein Beispiel liefert das folgende Zitat:

118

5 Stress in multikulturellen Teams – qualitative Vorstudie

„Dass man gerade als Deutscher ... einfach als arrogant bezeichnet wird, ein[e] arrogant[e] Vorgeschichte hat, ein arrogantes Image hat, sodass man schon auf Grund seiner eigenen Nationalität auf Abneigung stößt“ (Teilnehmer 2, Persönliche Kommunikation, 24. Februar 2013). Diese Stereotypisierungen oder Vorurteile wurden teilweise auch dazu verwendet, um sich über Teammitglieder lustig zu machen. Ein solches Verhalten wurde in drei Interviews beschrieben. Allen Situationsbeschreibungen war gemein, dass sich jeweils mehrere Teammitglieder zusammenschlossen, um sich über ein anderes Teammitglied lustig zu machen. „Wir machen ... eigentlich eher Scherze auf Kosten der anderen“ (Teilnehmer 1, Persönliche Kommunikation, 02. Februar 2013). „Wenn die anderen sich … lustig machen auf [sic] mich ... wegen meine [sic] Nationalität. Ach so, du bist Italiener, so Stadt von [sic] Mafia und von Berlusconi“ (Teilnehmer 8, Persönliche Kommunikation, 17. April 2013). Darüber hinaus äußerten sich 5 der Interviewpartner zu Inhalten, welche sich in die Kategorie Zusammenarbeit im Team einordnen ließen. Diese beinhaltet unter anderem ein mangelndes Vertrauen beziehungsweise Misstrauen zwischen den Teammitgliedern: „Und da musste ich feststellen, dass … die chinesische Art zusammen zu arbeiten … doch sehr anders ist als in Europa, weil wir in … Europa ja doch sehr vertrauensbasiert zusammenarbeiten und … haben … festgestellt, dass das in China nicht unbedingt so ist“ (Teilnehmer 3, Persönliche Kommunikation, 18. März 2013). Ebenfalls in die Kategorie Zusammenarbeit im Team wurden Aussagen betreffend einer mangelhaften Kooperation innerhalb des Teams eingeordnet. Eine mangelhafte Kooperation äußert sich beispielsweise durch das Zurückhalten von Informationen oder Konkurrenzverhalten unter Teammitgliedern, was durch das folgende Zitat verdeutlicht werden soll:

5.2 Durchführung der Befragung und Merkmale der Stichprobe

119

And sometimes I can see it very clearly … that they need to, so to say, defend their special knowledge within the department or wherever it can be. And therefore, they are reluctant to give away information which can weaken their own strengths, so to say, within the company, on their own expertise, you know. (Teilnehmer 13, Persönliche Kommunikation, 26. August 2013) Bei dem Zurückhalten von Informationen ist zu berücksichtigen, dass die Weitergabe dieser auch von Aspekten wie dem unternehmerischen Umfeld oder der Dauer der Zusammenarbeit in einem Team und der damit einhergehenden Vertrauensbildung beeinflusst werden kann: Man stößt auf Abneigung und muss sich also erst einmal das ... Vertrauen der Leute gewinnen und dadurch entsteht natürlich ein höherer Aufwand, was aus meiner Sicht dann auch relativ stressig ist, wenn man sich erst einmal lieb Kind machen muss irgendwo, damit die Leute einen anerkennen und verstehen. (Teilnehmer 2, Persönliche Kommunikation, 24. Februar 2013) Darüber hinaus wurden in zwei Interviews unterschiedliche Erwartungen darüber geäußert, wie ein korrektes Auftreten in sozialen Interaktionen zu erfolgen hat. Die von den Interviewpartnern genannten Verhaltensweisen lassen sich in ein bevorzugtes devotes und ein bevorzugtes dominantes Auftreten unterscheiden, was das folgende Zitat verdeutlicht: Also meine Kollegen aus anderen europäischen Ländern waren der Meinung, man müsste da … hart auftreten, weil man ein starker Partner ist … ich war mit den chinesischen Kollegen der Meinung, wir müssten mehr [sic] devot auftreten ... das war dann ein sehr starkes Spannungsfeld innerhalb der Besprechung. (Teilnehmer 7, Persönliche Kommunikation, 04. April 2013) Je ein Interviewpartner äußerte sich zu unterschiedlichen Ritualen und Bräuchen sowie dem Einhalten von Regeln und dem einhergehenden Umgang mit möglichen Sanktionen:

120

5 Stress in multikulturellen Teams – qualitative Vorstudie

„[Das] hat im Team zu starken Diskussionen und damit auch Stress geführt, weil es sehr verschiedene Meinungen gab, wie man jetzt mit diesem Fehlverhalten innerhalb der Firma umgeht“ (Teilnehmer 7, Persönliche Kommunikation, 04. April 2013). Stressoren in der Kommunikation Weiterhin wurden in 10 Interviews Aussagen zu Stressoren getätigt, die im Rahmen der Kommunikation auftraten. Die einzelnen Kategorien sind in Abbildung 16 näher aufgeschlüsselt. Häufigkeit der Nennungen in der Oberkategorie Kommunikation Unterschiede in der Explizitheit von Nachrichten

5

Hindernisse im Verstehen

4

Nicht näher spezifizierte Kommunikationsprobleme

3

Unterschiede in der Sprechweise

3

Hindernisse im sprachlichen Ausruck

N=10

2

Unterschiede in der Mimik

1 0

2

4

6

Abbildung 16: Ursprünge der Stressoren in der Oberkategorie Kommunikation.

Am häufigsten wurden von den Interviewpartnern Unterschiede in der Explizitheit von Nachrichten angesprochen. Hierunter sind Unterschiede in der Verwendung direkter oder indirekter Kommunikationsweisen zu verstehen. Während in einigen Ländern beispielsweise eine sehr direkte Kommunikation verwendet wird, wird beispielsweise in einigen Teilen Asiens ein sanfterer Kommunikationsstil verwendet (Brislin, 2008). Dabei scheint vor allem die Vermeidung von Verneinungen oder die indirekte Formulierung von Aussagen dazu geeignet zu sein, um bei Einzelnen Stress auszulösen. Das folgende Zitat soll einen solchen wahrgenommenen Unterschied verdeutlichen:

5.2 Durchführung der Befragung und Merkmale der Stichprobe

121

„Die Inder sind ja eher dafür bekannt, dass sie, wenn sie nein sagen müssen, dann sagen die nicht wirklich nein, sondern umschiffen das Problem eher und vertrösten dich“ 12 (Teilnehmer 6, Persönliche Kommunikation, 03. April 2013). Unterschiede in der Explizitheit von Nachrichten können für Betroffene zu einer Situationsunsicherheit führen, da es für getroffene Aussagen unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten gibt. Dies soll anhand des folgenden Zitats verdeutlicht werden: Aber ich weiß nicht, inwiefern das zählt, weil das weiß man eigentlich, also, oder ich zumindest, dass man davon ausgehen muss und das ist dann schon so ein bisschen, ah, ja, bei denen, die sagen vielleicht ja, aber vielleicht meinen sie nicht ja. (Teilnehmer 11, Persönliche Kommunikation, 06. Juni 2013) In vier Interviews wurden darüber hinaus Aussagen getätigt, welche sich in die Kategorie der Hindernisse im Verstehen einordnen ließen: Also ich kann mich noch erinnern, das war ein Projekt mit Indien und das war einfach, das Englisch war zwar gut, aber man konnte es einfach nicht verstehen, weil der so einen extremen Dialekt hatte und wir sind einfach nicht vorangekommen, weil wir uns gegenseitig einfach nicht verstanden haben. (Teilnehmer 5, Persönliche Kommunikation, 01. April 2013) Daneben wurden auch Aussagen zu Hindernisse im Verstehen auf Grund unterschiedlicher Bedeutung gleicher Begriffe zugeordnet:

12 Bei den in diesem oder anderen Abschnitten genannten Nationalitäten handelt es sich explizit nicht um allgemeingültige Aussagen oder auf alle Angehörigen einer Nationalität übertragbare Eigenschaften. Es handelt sich ausschließlich um die Aussagen und persönliche Meinung einzelner Interviewpartner. Die Wiedergabe dieser Aussagen soll der alleinigen Darstellung der wahrgenommenen Stressoren und Ressourcen im wissenschaftlichen Kontext dieser Arbeit dienen und ist keinesfalls als Pauschalisierung des Verhaltens Angehöriger einzelner Nationalitäten oder Gruppen zu verstehen.

122

5 Stress in multikulturellen Teams – qualitative Vorstudie

„Eine [sic] Problem, die [sic] ich hatte in diesem multikulturellen Team, ist, dass wir gar nicht dieselbe Bedeutung für die Worte [hatten]“ (Teilnehmer 15, Persönliche Kommunikation, 23. Mai 2013). In zwei Interviews wurden zudem Hindernisse im sprachlichen Ausdruck angesprochen. Diese umfassten Beispiele für Situationen, in denen Teammitglieder entweder einer Sprache nicht mächtig waren oder auf Grund sprachlicher Einschränkungen ihre Teamkollegen nicht in der Art erreichen konnten, wie sie dies gerne gewollt hätten: Ich habe zum Beispiel versucht eine bestimmte Arbeitsweise in ein Team, in ein französisches Team, [ein-] zubringen und ich glaube auf Grund der, ich sage mal, doch verminderten Kommunikationsmöglichkeiten, die man hat, da man die Gefühlsebene, wenn beide eine verschiedene Sprache sprechen, gar nicht erreicht, habe ich es nicht geschafft, die von der Arbeitsweise, die ich gerne hätte, zu überzeugen, und das hat bei mir ein unangenehmes Gefühl verursacht, weil ich wollte sie eigentlich gerne überzeugen. (Teilnehmer 1, Persönliche Kommunikation, 02. Februar 2013) Doch nicht nur im Inhalt einer Nachricht können Stressoren enthalten sein, sondern sie können auch durch Unterschiede in der Verwendung der Sprache entstehen. Innerhalb der Kategorie Unterschiede in der Sprechweise wurden sämtliche Aussagen eingeordnet, welche der paraverbalen Kommunikation zuzuordnen sind. Diese umfassen beispielsweise Unterschiede in der Lautstärke eines Sprechenden oder auch ein unterschiedliches Sprechtempo, was durch die folgenden Zitate verdeutlicht werden soll: „When I was talking to a team … I … had … one guy, he felt like I was insulting him and I was really pissed, which wasn’t true” (Teilnehmer 15, Persönliche Kommunikation, 23. Mai 2013).

5.2 Durchführung der Befragung und Merkmale der Stichprobe

123

„Das hat sie im Prinzip auch angewandt, dieses schnelle Sprechen, auf eines unserer Personalgespräche und dadurch gab es halt, hat sie dieses Gefühl geweckt, dass sie auch nicht richtig zuhört“ (Teilnehmer 1, Persönliche Kommunikation, 02. Februar 2013). Unterschiede in der Mimik sollen durch das folgende Zitat veranschaulicht werden: „Es war sehr anstrengend ... eine Kommunikation zu führen mit einer chinesischen Institution, die emotional überhaupt nichts ... gezeigt hat, ob [sic] was ihnen gefällt, was nicht gefällt“ (Teilnehmer 7, Persönliche Kommunikation, 04. April 2013). Stressoren aus Unterschieden in der Arbeitseinstellung Neben Stressoren aus den Bereichen der Kommunikation und dem sozialen Verhalten von Teammitgliedern äußerten sich zehn Interviewpartner zu Stressoren, die sich zu Unterschieden in der Arbeitseinstellung und damit verbundenen Verhaltensweisen und Einstellungen zuordnen ließen. Diese Oberkategorie umfasst im Gegensatz zu der Oberkategorie soziales Verhalten von Teammitgliedern nur Aussagen, die sich auf die Arbeitsaufgabe selbst und die damit zusammenhängenden Aspekten beziehen. Die einzelnen erarbeiteten Kategorien können Abbildung 17 entnommen werden. Am häufigsten wurden von insgesamt fünf Interviewpartnern Unterschiede im Arbeitsstil berichtet. In diese Kategorie fallen unter anderem getätigte Aussagen zu Unterschieden in der Aufgabenbearbeitung oder in der Art und Weise an eine Arbeitsaufgabe heranzutreten. Das folgende Zitat soll dazu beitragen, diese Kategorie besser zu erfassen:

124

5 Stress in multikulturellen Teams – qualitative Vorstudie

It´s supposed how to start the job. In … the German culture before to start we need … to have everything on the table. With the job description, with the input … a definition about what you want et cetera et cetera. And on the other way, [the] French style we start is with nothing, without exactly where we want to go …. So, it´s not at all the same way of working and [the] concrete experience was with ... some German guys, they don´t start at all before they don´t have everything on the table. And it was difficult to understand why they don´t do anything. (Teilnehmer 12, Persönliche Kommunikation, 24. Mai 2013) Häufigkeit der Nennungen in der Oberkategorie Arbeitseinstellung Unterschiedlicher Arbeitsstil

5

Unterschiedliches Qualitätsverständnis Unterschiedliches Zeitverständnis Unterschiedliche Ansichten über Hol- und Bringschuld Unterschiede in der Bereitschaft Überstunden zu machen Unterschiedliche Work-Life Balance Erwartungen

3 3 N=10

3 1 1 0

1

2

3

4

5

6

Abbildung 17: Ursprünge der Stressoren in der Oberkategorie Arbeitseinstellung.

Ebenfalls in diese Kategorie eingeordnet wurden Aussagen zu einer unterschiedlichen Beziehungs- oder Aufgabenorientierung: Ich habe dann auch den Vorschlag gemacht, dass man sich ja in der Gruppe teilen könnte, drei und drei, zum ein bisschen schneller vorwärts [zu] kommen, weil es einfacher ist, dann die Aufgabe zu lösen. Und dann war ich dann auch mit dem Vorwurf konfrontiert, dass wir nur effizient sind und dass wir herzlos sind. (Teilnehmer 11, Persönliche Kommunikation, 22. Mai 2013)

5.2 Durchführung der Befragung und Merkmale der Stichprobe

125

Drei Interviewpartner tätigten darüber hinaus jeweils Aussagen zu einem unterschiedlichen Qualitäts- oder Zeitverständnis. Auch dieses wurde von ihnen als stressauslösend bezeichnet: „Ja, wahrscheinlich in der Qualität der Ausführung und zwar mit dem Hintergrund … dass ich dann die Befürchtung habe, dass es eben wieder so ist, was natürlich mich unter [sic] Stress versetzt“ (Teilnehmer 4, Persönliche Kommunikation, 20. März 2013). Neben Unterschieden in der Qualität eines Arbeitsergebnisses wurde auch auf die Entstehung von Konflikten auf Grund unterschiedlicher Qualitätsvorstellungen hingewiesen: „In den USA hatten wir durchaus Konflikte innerhalb vom Team, weil … gewisse Teammitglieder nicht in der Qualität geliefert haben, wie wir das erwartet haben“ (Teilnehmer 3, Persönliche Kommunikation, 18. März 2013). Des Weiteren beschrieben drei Interviewpartner unterschiedliche Auffassungen über Hol- und Bringschulden als stressauslösende Faktoren. Dies soll ebenfalls durch ein Zitat verdeutlicht werden: Das war jetzt ein chinesischer Kollege und da hat man folgende Herausforderung, dass in China einfach die Kultur anders ist, dass man selten proaktiv von sich aus informiert und schon gar nicht, wenn man vielleicht mit seinem Task hinterher ist, und ... hat man natürlich die Erwartungen, wenn einer in seinem Fachbereich arbeitet, dann liefert er das auch und meldet sich sonst, wenn er sonst in Verzug ist, wenn er Hilfe braucht und das war halt in dem Fall nicht so. (Teilnehmer 3, Persönliche Kommunikation, 18. März 2013) Auch der durch Kollegen gezeigte Arbeitseinsatz, wie die Bereitschaft Überstunden zu leisten, scheint bei einem Abweichen der Erwartungshaltung als Stressor fungieren zu können. Gleiches gilt für unterschiedliche Erwartungen über eine Work-Life-Balance. Diese beinhaltet die Erwartung an einen angemessenen Ausgleich zwischen Arbeit und Privatleben. Sowohl die Unterschiede im Arbeitseinsatz als auch Unterschiedliche

126

5 Stress in multikulturellen Teams – qualitative Vorstudie

Erwartungen an die Work-Life-Balance wurden von je einem Interviewpartner genannt. Stressoren aus Rahmenbedingungen der Arbeit Neben den bereits erwähnten Stressoren wurden weitere Aussagen getätigt, welche sich den Rahmenbedingungen der Arbeit zuordnen ließen. Diese Kategorie bezieht sich auf allgemeine Arbeitsstressoren und weniger auf Stressoren, die aus der persönlichen Interaktion mit den Teammitgliedern resultierten. Die einzelnen Kategorien sind in Abbildung 18 aufgeführt. Häufigkeit der Nennungen in der Oberkategorie Rahmenbedingungen der Arbeit Interaktionen über verschiedene Länder und / oder Zeitzonen hinweg

3

Unzureichende Arbeitsmittel

1

Allgemeine Arbeitsbelastungen

1

Zeitdruck

1 0

N=4

2

4

Abbildung 18: Ursprünge der Stressoren in der Oberkategorie Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit.

Die Interaktion über verschiedene Länder und damit auch unterschiedliche Zeitzonen hinweg wurde von drei Interviewpartnern genannt. Durch das Erfordernis mit Kollegen zu interagieren, die sich in anderen Zeitzonen befinden, kann es zum Beispiel zu einem Ausbleiben notwendiger Rückmeldungen kommen. Dies soll durch das folgende Zitat verdeutlicht werden:

5.2 Durchführung der Befragung und Merkmale der Stichprobe

127

Wenn ich ... eine Aufgabe erledigen muss, dabei aber auf meine internationalen Kollegen angewiesen bin, zum Beispiel in Brasilien, ... und aufgrund von der Zeitverschiebung … kommt man so in die Stresssituation, dass man denkt, die werden es nicht rechtzeitig mitkriegen, meine Anfrage, beziehungsweise nicht rechtzeitig bearbeiten. (Teilnehmer 6, Persönliche Kommunikation, 03. Juni 2013) Unzureichende Arbeitsmittel fanden sich vor allem in unzureichenden Kommunikationsmedien wieder, durch welche eine Interaktion mit den anderen Teammitgliedern erschwert wurde: Stattdessen wurde dann einfach gesagt, ich solle per Skype dazukommen, was natürlich wegen Zeitverschiebung darauf hinausgelaufen ist, dass ich dann irgendwie um vier Uhr morgens zu den Meetings auf Skype dazukommen durfte mit schlechten Verbindungen, wo man die Hälfte nicht gehört hat. (Teilnehmer 14, Persönliche Kommunikation, 26. Mai 2013) Die in Abbildung 18 enthaltenen allgemeinen Arbeitsbelastungen sowie Zeitdruck waren vor allem im unternehmerischen Umfeld zu finden. Stressoren aus der Führung des Teams Doch nicht nur durch Kollegen oder Teammitglieder auf einer Hierarchieebene oder die Rahmenbedingungen der Arbeit können Stressoren entstehen, sondern auch durch die Interaktion mit der Führungskraft, welcher der einzelne oder das ganze Team unterstellt ist. Die Ursprünge der Stressoren in der Oberkategorie Führung sind in Abbildung 19 aufgeführt.

128

5 Stress in multikulturellen Teams – qualitative Vorstudie

Häufigkeit der Nennungen in der Oberkategorie Führung Unterschiedliche Erwartungen an eine Führungskraft

3

Abweichen von getroffenen Vereinbarungen

2 N=4

Unterschiede in der Machtdistanz

1 0

1

2

3

4

Abbildung 19: Ursprünge der Stressoren in der Oberkategorie Führung.

Gerade bei einer kulturell diversen Zusammensetzung kann die Erwartung darüber, welche Aufgaben von einer Führungskraft wahrgenommen werden sollen oder wie sich eine Führungskraft zu verhalten hat, voneinander abweichen: This means that it was more, so to say, a manager in maybe Sweden, as I see it, is more interested in leading the team without being an expert, so to say. This means, what I see here maybe in Sweden or from another Northern nationality easily you can have a department leader which is not a specialist in what he’s doing. He just needs to be a good, what they call a good leader. (Teilnehmer 13, Persönliche Kommunikation, 24. Mai 2013) Die in Abbildung 19 enthaltene Kategorie des Abweichens von getroffenen Vereinbarungen bezieht sich vor allem auf getätigte Aussagen der Führungskraft gegenüber ihrem/n Mitarbeiter(n). Die getätigten Aussagen zu Unterschieden in der Machtdistanz beziehen sich auf ein starkes Hierarchiedenken und von dem Interviewpartner wahrgenommene Diskreditierung seiner Person oder Fähigkeiten.

5.2 Durchführung der Befragung und Merkmale der Stichprobe

5.2.2.2

129

Ressourcen in multikulturellen Teams

Neben möglichen stressindizierenden Faktoren sollten die durchgeführten Interviews auch dazu beitragen herauszufinden, welche Ressourcen von den Interviewpartnern wahrgenommen wurden. Während bei den stressauslösenden Ereignissen insgesamt 135 Aussagen extrahiert wurden, waren es bei den Ressourcen lediglich 13 Aussagen, weshalb der Umfang der folgenden Ausführungen geringer ist als bei den Stressoren. Die im Rahmen der Interviews herausgearbeiteten Ressourcen lassen sich in die in Abbildung 20 zu findenden Ressourcen zusammenfassen: Häufigkeiten der Nennungen in den Oberkategorien der Ressourcen Soziale Unterstützung

6

Wissen und Kompetenzen

2

Arbeitsumfeld

1

Handlungsspielraum

1 0

1

N=7

2

3

4

5

6

7

Abbildung 20: Oberkategorien der sozialen Ressourcen.

Die Bedeutung der sozialen Unterstützung scheint sich zu bestätigen. Diese wurde von sechs Interviewpartnern als Ressource genannt. Dabei dominierte vor allem die soziale Unterstützung durch Kollegen in Form des Austauschs über ähnliche Erfahrungen: „Das, was hilft in solchen Situationen, sind oftmals die eigenen Kollegen, also gleicher Nationalität, wenn sie denn bereit sind, über Probleme zu sprechen ... oder diese, was auch deren Probleme sind. Dass man sich einander austauscht“ (Teilnehmer 2, Persönliche Kommunikation, 24. Februar 2013).

130

5 Stress in multikulturellen Teams – qualitative Vorstudie

Es ging damit weniger um eine Unterstützung in Form von Wissen, sondern vielmehr um einen Austausch von Erfahrungen oder auch die Bestätigung eigener getroffener Annahmen. Diese Formen wären entsprechend der Klassifizierung sozialer Unterstützung von House (1981, S. 39) in die emotionale Unterstützung einzuordnen. Neben der sozialen Unterstützung durch Kollegen oder den Vorgesetzten verwies ein Interviewpartner auf die soziale Unterstützung durch seinen Lebenspartner. Darüber hinaus verwiesen zwei Interviewpartner auf Ressourcen in Form von vorhandenem Wissen oder Kompetenzen. Als solche wurde von einem Interviewpartner fachliches Wissen von anderen Erfahrungen im interkulturellen Kontext genannt. Hierzu zählt auch das Wissen über spezifische Verhaltensweisen: Das ist vielleicht auch noch wichtig, glaube ich, dass die meisten Leute, oder eigentlich alle Leute im Team, diese Sensibilität haben, dass man das einschätzen kann, was man auch nicht so ernst nehmen darf und nicht so persönlich, weil man viel Erfahrung ... hat ..., wie andere Leute halt reagieren, die außerhalb des eigenen nationalen Kontexts [leben]. (Teilnehmer 11, Persönliche Kommunikation, 22. Mai 2013) Von jeweils einem Interviewpartner wurde ferner ein angenehmes Arbeitsumfeld sowie die Möglichkeit eigenständige Entscheidungen zu treffen als Ressourcen genannt. Letzteres lässt sich als Handlungsspielraum klassifizieren. 5.2.2.3

Verwendete Bewältigungsstrategien

Nachdem die Interviewpartner über wahrgenommene stressauslösende sowie stressvermindernde Faktoren gesprochen haben, fokussierte ein weiterer Teil der Interviews die Bewältigung der zuvor durch die Interviewpartner beschriebenen Situationen. Die Häufigkeit einzelner Nennungen im Bereich der Bewältigungsstrategien ist in Abbildung 21 dargestellt:

5.2 Durchführung der Befragung und Merkmale der Stichprobe

131

Häufigkeit der Nennungen in der Oberkategorie verwendete Bewältigungsstrategien Aktives Ansprechen

10

Aneignung und Austausch von Wissen

8

Aktiv Hilfe suchen

7

Vermeidung

6

Abmilderung

6

N=15

Anpassen

5

Aussitzen

2 0

5

10

15

Abbildung 21: Oberkategorien der verwendeten Bewältigungsstrategien.

Insgesamt gaben zehn Interviewpartner an, in mindestens einer der selbst beschriebenen Situationen ein vorhandenes Problem aktiv angesprochen zu haben: „Ich hab’ die Kolleginnen und Kollegen, die sich da aus meiner Sicht unverhältnismäßig verhalten haben, angesprochen auf ihr Verhalten, weil das nicht meiner Art, meinen Werten entspricht, wie man mit so was umgeht und dass man respektvoll miteinander umgeht“ (Teilnehmer 7, Persönliche Kommunikation, 04. April 2013). Ferner machten acht Interviewpartner Angaben dazu, sich Wissen, beispielsweise in Form von Informationen über einzelne Arbeitsschritte oder durch den Besuch eines Trainings, angeeignet zu haben. Ein Interviewpartner gab beispielsweise an, dass er sich Informationen über eine spezifische Nationalität proaktiv angeeignet habe. Auch ein Austausch mit Kollegen über spezifische Situationen wurde in diese Kategorie eingeordnet.

132

5 Stress in multikulturellen Teams – qualitative Vorstudie

Neben den bisher genannten Strategien wurde eine weitere Kategorie angelegt, welche verschiedene Formen der Hilfesuche enthält und in sieben Interviews genannt wurde. Bei den geschilderten Situationen suchten die Interviewpartner vor allem Hilfe bei ihrem direkten Vorgesetzten. Als weitere Hilfequellen wurden Personalabteilungen der jeweiligen Unternehmen, Kollegen, Freunde oder sogar die Inanspruchnahme professioneller medizinischer Hilfe genannt: Ich habe dann über die Situation mit verschiedenen Freunden geredet, die auch mal internationale Erfahrungen [gesammelt] haben und ich habe auch ... um Vorschläge gebeten bei meinen Bekannten, die auch Projektarbeitserfahrung haben, und die haben mir so ein bisschen geholfen und, weil die eben auch ähnliche Erfahrungen hatten. (Teilnehmer 9, Persönliche Kommunikation, 21. Mai 2013) Darüber hinaus wurden in sechs Interviews Aussagen getätigt, welche sich als Vermeidungsstrategien klassifizieren lassen. Beispiele sind ein Abbruch der Arbeitsaufgabe, die Beendigung der Zusammenarbeit oder auch der Gedanke daran sich eine neue Tätigkeit zu suchen: Also ich muss ehrlich sagen, mein erster Gedanke war, mir einen anderen Job zu suchen, weil das halt auch wirklich nicht die erste Situation war und ja, es gab einige Situationen und es gibt immer noch einige Sachen, die mir halt überhaupt nicht gefallen. (Teilnehmer 14, Persönliche Kommunikation, 26. Mai 2013) Ebenfalls in sechs Interviews wurden Strategien genannt, die sich unter den Begriff der Abmilderung fassen lassen. Diese ist dadurch gekennzeichnet, dass sie verschiedene Strategien umfasst, die auf eine Linderung der ausgelösten Emotion abzielen. Hierunter fallen beispielsweise Humor (indem sich die Interviewteilnehmer beispielsweise selbst über die Situation lustig machen), positives Denken, sich Zeit für sich zu nehmen oder über die Situation zu reden, mit dem Ziel sich besser zu fühlen. Ein Interviewpartner tätigte in diesem Zusammenhang folgende Aussage:

5.2 Durchführung der Befragung und Merkmale der Stichprobe

133

„Also einfach so mit jemandem drüber reden, und sagen, wie unbefriedigend die Situation ist und dann einfach mal, ja, Dampf ablässt“ (Teilnehmer 11, Persönliche Kommunikation, 26. Mai 2013). In fünf Interviews ließen sich zudem Aussagen darüber finden, sich in mindestens einer der beschriebenen Situationen angepasst zu haben. Hierunter fiel das Anpassen des eigenen Verhaltens wie auch ein Anpassen der Arbeitsweise. Zu letzterem zählte beispielsweise eine Änderung des Zeitmanagements innerhalb der Teams, eine zusätzliche schriftliche Dokumentation oder auch die Änderung des Kommunikationsmediums. Dies soll durch das folgende Beispiel veranschaulicht werden: Und was wir dann auch noch gemacht haben, weil ich gemerkt habe, dass wir face-to-face nicht funktionieren, habe ich gesagt, wir könnten ja versuchen, das irgendwie online zu machen, und jeder bearbeitet das dann im Stillen, und jeder gibt dann seinen Input, liest das von den anderen durch und schreibt dann noch was drunter, und das hat ziemlich gut dann funktioniert. (Teilnehmer 11, Persönliche Kommunikation, 26. Mai 2013) Eine Anpassung des eigenen Verhaltens soll durch das folgende Beispiel verdeutlicht werden: Ich glaube ja, weil, ... je nachdem, mit wem man es zu tun hat, je nachdem mit welcher Nationalität, man vielleicht ... sein Verhalten selbst anpasst und merkt, wie man die Message oder, ja, irgendwie die Art zu kommunizieren und so weiter, anpassen kann, dass man wirklich das kriegt, was man braucht. (Teilnehmer 11, Persönliche Kommunikation, 26. Mai 2013)

134

5 Stress in multikulturellen Teams – qualitative Vorstudie

5.2.2.4

Auswirkungen

Nach jeder einzelnen Situationsbeschreibung wurden die Interviewpartner gebeten zu spezifizieren, wie sich die zuvor beschriebene Situation ausgewirkt hat. Die Auswirkungen werden im Folgenden unterteilt in die - Auswirkungen auf das Arbeitsergebnis - Auswirkungen auf die Teamarbeit und - Auswirkungen auf das individuelle Wohlbefinden vorgestellt. Auswirkungen auf das Arbeitsergebnis Die Auswirkungen auf das Arbeitsergebnis waren bis auf eine Ausnahme, in der ein Interviewpartner auf ein besseres Ergebnis verwies, neutral (N=2) oder negativ (N=9). Die beschriebenen Auswirkungen ließen sich vor allem in der Qualität des Arbeitsergebnisses sowie in dem zur Erreichung des Arbeitsziels zu Grunde liegenden Zeitaufwand finden. Die einzelnen Kategorien sind in Abbildung 22 dargestellt: Häufigkeit der Nennungen in der Oberkategorie Auswirkungen auf das Arbeitsergebnis Zeitliche Auswirkungen

5

Qualitative Abweichungen

3

Keine Auswirkungen

3

Nicht näher spezifizierte Abweichungen

N=10

1 0

1

2

3

4

5

6

Abbildung 22: Auswirkungen auf das Arbeitsergebnis.

Die höchste Anzahl an Äußerungen wurde im Bereich der zeitlichen Auswirkungen getätigt. Diese umfassen vor allem Aussagen, die sich auf einen höheren Zeitaufwand oder sogar eine Überschreitung vorgegebener Fristen beziehen.

5.2 Durchführung der Befragung und Merkmale der Stichprobe

135

Die qualitativen Abweichungen äußerten sich vor allem in einem qualitativ schlechteren Arbeitsergebnis. Dennoch soll das folgende Zitat zeigen, dass auch positive Auswirkungen auf das Arbeitsergebnis genannt wurden: „Also ich denke, dass das Ergebnis oder die Arbeit eher besser geworden ist, weil man mit der Zeit sich halt extrem versucht, auf das zu konzentrieren, was gerade ansteht“ (Teilnehmer 6, Persönliche Kommunikation, 03. Juni 2013). Neben zeitlichen und qualitativen Abweichungen wurde in drei Interviews angegeben, dass es keine Auswirkungen gab. In einem Interview wurde lediglich auf Auswirkungen verwiesen, ohne dass diese näher spezifiziert wurden. Auswirkungen auf die Teamarbeit Die von den Interviewpartnern berichteten Auswirkungen auf die Teamarbeit sind in Abbildung 23 dargestellt: Häufigkeit der Nennungen in der Oberkategorie Auswirkungen auf die Teamarbeit Soziales Verhalten der Teammitglieder

5

Keine Auswirkungen

4

Leistungsfähigkeit des Teams

N=11

2

Nicht näher spezifizierte Auswirkungen

1 0

1

2

3

4

5

6

Abbildung 23: Auswirkungen auf die Teamarbeit.

Fünf der Interviewpartner äußerten sich zu dem sozialen Verhalten der Teammitglieder. Das soziale Verhalten unterteilte sich, ähnlich wie zuvor im Bereich der sozialen Stressoren, auf die Einstellung gegenüber Teammitgliedern und die Zusammenarbeit im Team. Hierunter fallen auftretende

136

5 Stress in multikulturellen Teams – qualitative Vorstudie

Spannungen, Misstrauen, die Bildung von Subgruppen wie auch eine Verschlechterung der Teammoral: Die Stimmung war nicht so gut ..., dass das hinderlich ist … für die weitere Zusammenarbeit, weil man einfach irgendwie ... schwierig schlechte Stimmung wahrnimmt, und dann macht das irgendwie nicht so Spaß, und man merkt, oh, da liegt vielleicht auch etwas in der Luft, was vielleicht auch ein bisschen subtiler ist und man nicht so echt greifen kann. (Teilnehmer 11, Persönliche Kommunikation, 26. Mai 2013) Insgesamt zeigen die in dieser Oberkategorie beschriebenen Auswirkungen ambivalente Wirkrichtungen, die sowohl positive als auch negative Aspekte umfassen. Unter die negativen Auswirkungen fallen auch die zuvor genannten Spannungen innerhalb der Teams. Dabei scheint auch die Nationalität einzelner Teammitglieder eine Rolle zu spielen, was durch das folgende Zitat verdeutlicht werden soll: Also Stress hat sich in dem Sinne aufgebaut, … dass die Mitarbeiter immer noch neben der Sympathieantenne, die sie oben hatten, ist mir jemand sympathisch, macht der eine gute Arbeit und so weiter, immer noch die Antenne dann zusätzlich oben war, was für eine Nationalität hat der, … es war so ein Basisstress. (Teilnehmer 7, Persönliche Kommunikation, 04. April 2013) Dennoch wurde in einem der Interviews auch von einem Anstieg der Bereitschaft sich untereinander zu unterstützen berichtet, was als positive Auswirkung zu bewerten ist. Die in zwei der Interviews angesprochenen Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit des Teams bezogen sich allerdings ausschließlich auf eine Verminderung der Leistungsfähigkeit des Teams. Auswirkungen auf das Wohlbefinden Zum Abschluss werden die im Rahmen der Interviews genannten Auswirkungen auf das Wohlbefinden vorgestellt. Dabei wurden die Teilnehmer konkret gebeten zu spezifizieren, wie sich die zuvor genannte Situation auf ihr Wohlbefinden ausgewirkt hat. Eine Übersicht über die geäußerten Auswirkungen ist in Abbildung 24 dargestellt.

5.2 Durchführung der Befragung und Merkmale der Stichprobe

137

Häufigkeit der Nennungen in der Oberkategorie Auswirkungen auf das Wohlbefinden Auswirkungen auf die Psyche

12

Keine Auswirkungen

3

Schlaflosigkeit oder Erschöpfung

2

Nicht näher spezifizierte Auswirkungen

2 0

N=14

5

10

15

Abbildung 24: Auswirkungen auf das Wohlbefinden.

Zwölf Interviewpartner tätigten Aussagen, die sich als Auswirkungen auf ihre Psyche beziehungsweise auf ihr psychisches Befinden klassifizieren lassen. Zu diesen Auswirkungen zählen Verstimmungen wie Frustration oder ein Nicht-abschalten-können, welche durch die beiden folgenden Zitate verdeutlicht werden soll: „So eine leichte Frustration, weil man halt auch einen guten Job machen will und merkt, ja man ist ebenso von der anderen Person zu einem gewissen Grad abhängig und kann dann halt seine Arbeit nicht richtig machen“ (Teilnehmer 11, Persönliche Kommunikation, 26. Mai 2013). „I felt, at some point it just moved on. But it kept on being around, you know, like as soon as I was in another incident, it kept being around, it reminded me” (Teilnehmer 15, Persönliche Kommunikation, 23. Mai 2013). Drei Interviewpartner gaben an, dass sie keinerlei Auswirkungen auf ihr Wohlbefinden wahrgenommen haben. Zwei weitere Interviewpartner wiesen zwar auf Auswirkungen hin, spezifizierten diese jedoch nicht näher. Aussagen zu dem Gefühl der Erschöpfung, welche ebenfalls in zwei Interviews geäußert wurden, sollen durch das folgende Zitat verdeutlicht werden:

138

5 Stress in multikulturellen Teams – qualitative Vorstudie

„Ja, also dass man dann später abends denkt, jetzt war ich vielleicht zehn Kilometer Joggen oder so, aber in Wahrheit saß ich nur zehn Stunden im Büro" (Teilnehmer 6, Persönliche Kommunikation, 03. Juni 2013). 5.3

Zusammenfassung der Ergebnisse

Die vorgestellten Ergebnisse der explorativen Voruntersuchung haben einen ersten forschungspraktischen Einblick in mögliche Stressoren und Ressourcen gegeben, die für die Zusammenarbeit in multikulturellen Teams von Bedeutung sind. Gleiches gilt für den herausgearbeiteten Umgang mit stressauslösenden Ereignissen und deren Auswirkungen auf die Arbeitsergebnisse, die Zusammenarbeit in den betroffenen Teams und das Wohlbefinden. Die Ergebnisse bestärken die zuvor im Theorieteil vorgestellten Auswirkungen kultureller Diversität auf die Zusammenarbeit in Teams. Bei den sozialen Stressoren konnten unter anderem kommunikative Missverständnisse, vorhandenes Misstrauen und die Diskriminierung von Teammitgliedern ermittelt werden. Bei den Ressourcen wurde die bereits im Theorieteil vorgestellte Bedeutung der sozialen Unterstützung bestärkt. Darüber hinaus scheint interkulturelles Wissen hilfreich im Umgang mit potenziell stressauslösenden Situationen zu sein. Werden die verwendeten Bewältigungsstrategien entsprechend des Differenzierungsansatzes von Lazarus (1991) in problemorientierte und emotionsorientierte Bewältigungsstrategien unterteilt, lassen sich 59 der Aussagen den problemlösungsorientierten Strategien und 15 den emotionsorientierten Bewältigungsstrategien zuordnen. Damit wurde ein häufigerer Einsatz problemorientierter gegenüber emotionsorientierter Bewältigungsstrategien festgestellt. Die Ergebnisse stehen damit in einem Widerspruch zu den Ausführungen von Busch (2004, S. 72), die in Forschungs-ergebnissen auf eine Überrepräsentativität emotionsorientierter Bewältigungsstrategien, bedingt durch Erinnerungsverzerrungen, hinweist. Die in der Literatur angeführten Auswirkungen von Stress auf das Wohlbefinden wie bei Bamberg (1992) und Busch et al. (2013) konnten

5.3 Zusammenfassung der Ergebnisse

139

ebenfalls festgestellt werden. Gleiches gilt für die Auswirkungen auf das Arbeitsergebnis sowie die Leistung eines Teams, auf die beispielsweise Jäkel (2008, S. 42ff.) verweist. Obwohl es bereits eine Vielzahl von Studien zu der Entstehung von Stress und den Auswirkungen kultureller Diversität gibt, mangelt es aktuell noch an einer Verbindung dieser Themenkomplexe. Die vorliegende Forschungsarbeit hat den Anspruch diese Lücke zu schließen. Aufbauend auf den bisherigen Ausführungen und den Ergebnissen der Voruntersuchung sollen im Zuge dieser Arbeit die folgenden sozialen Stressoren näher untersucht werden: -

soziales Faulenzen mangelhafte Weitergabe von (arbeitsrelevanten) Informationen Diskriminierung Konflikte Misstrauen Meinungsverschiedenheiten und Missverständnisse.

Darüber hinaus sollen die folgenden sozialen Ressourcen untersucht werden: -

soziale Unterstützung durch (Team-) Kollegen soziale Unterstützung durch den Vorgesetzten gleichberechtigte Partizipation (aufgabenbezogene) Teamreflexivität und Kohäsion.

Die einzelnen sozialen Stressoren und Ressourcen sind in Abbildung 25 zusammenfassend dargestellt.

Abbildung 25: Theoretisches Modell zu Stress in der Teamarbeit. Quelle: Eigene Darstellung. H1-

H1-

H1-

H1-

H1-

H1-

Missverständnisse

Meinungsverschiedenheiten

Konflikte

Diskriminierung

Mangelhafte Informationsweitergabe

Soziales Faulenzen

Misstrauen

H1-

H3-

H3-

H3-

H3-

H3-

H3-

H3-

H2+

Kohäsion

H2+

Wohlbefinden

H2+

Soziale Unterstützung Vorgesetzter

H2+

H2+

Teamreflexivität

Gleichberechtigte Partizipation

Soziale Unterstützung Kollegen

140 5 Stress in multikulturellen Teams – qualitative Vorstudie

5.4 Ableitung der Untersuchungshypothesen

5.4

141

Ableitung der Untersuchungshypothesen

Basierend auf den Ausführungen im theoretischen Teil dieser Arbeit und den Ergebnissen der Voruntersuchung werden im Weiteren die Untersuchungshypothesen abgeleitet. Zusammenhangshypothesen zwischen sozialen Stressoren, Ressourcen und dem Wohlbefinden Wie in den theoretischen Ausführungen dieser Arbeit dargestellt, wurden in der Vergangenheit positive Zusammenhänge zwischen auftretenden Stressoren am Arbeitsplatz und Befindensbeeinträchtigungen nachgewiesen (vgl. Bruk-Lee & Spector, 2006; Dormann & Zapf, 2002, 2004). Darüber hinaus berichteten die Teilnehmer der qualitativen Voruntersuchung von Befindensbeeinträchtigungen, die von ihnen selbst mit den beschriebenen stressvollen Ereignissen in Verbindung gebracht wurden. Auf diesen Ergebnissen aufbauend ist anzunehmen, dass die aus der Teamarbeit resultierenden sozialen Stressoren ebenfalls negativ mit dem Wohlbefinden korrelieren. Dies führt zu der Hypothese 1: Die sozialen Stressoren stehen in einem negativen Zusammenhang mit dem Wohlbefinden unabhängig von der kulturellen Diversität in dem Team. Neben den Stressoren kommt auch den Ressourcen im Stressprozess eine wichtige Bedeutung zu. Verschiedene Studien wie Busch (2004, S. 187ff.), Holahan et al. (1997) und Kim et al. (2008) verweisen auf gesundheitsfördernde Effekte von Ressourcen. Dies führt zu der Annahme, dass soziale Ressourcen ebenfalls positiv mit dem Wohlbefinden korrelieren. Hypothese 2: Die sozialen Ressourcen stehen in einem positiven Zusammenhang mit dem Wohlbefinden unabhängig von der kulturellen Diversität in dem Team. Neben direkten positiven Zusammenhängen zwischen sozialen Ressourcen und dem Wohlbefinden ist anzunehmen, dass Ressourcen auch dazu beitragen können, die negativen Effekte sozialer Stressoren auf das Wohlbefinden zu reduzieren. Neben den in Kapitel 3.3.2 vorgestellten

142

5 Stress in multikulturellen Teams – qualitative Vorstudie

Begriffsdefinitionen, wie jener von beispielsweise Frese (1994), welche explizit Bezug auf eine abpuffernde Wirkung der Ressourcen nehmen, weisen Forschungsergebnisse wie Busch (2004, S. 189f.) auf die indirekten Effekte von Ressourcen hin. Durch die bereits in Kapitel 3.3.2 dargelegten Auswirkungen von sozialen Ressourcen und aufgrund der Ergebnisse der qualitativen Untersuchung ist anzunehmen, dass ein solcher Effekt insbesondere für die soziale Unterstützung gilt. Die Literatur betont vor allem die Bedeutung der sozialen Unterstützung durch den Vorgesetzten. Die Bedeutung der sozialen Unterstützung als Ressource hat sich sowohl in der Voruntersuchung als auch in der Literatur (vgl. Beehr et al., 1990; Kirkmeyer & Dougherty, 1988; Viswesvaran et al., 1999) gezeigt. Eine weitere Hypothese lautet daher: Hypothese 3: Die soziale Unterstützung durch den Vorgesetzten vermindert die negativen Einflüsse der sozialen Stressoren auf das Wohlbefinden unabhängig von der kulturellen Diversität in dem Team. Hypothesen zu sozialen Stressoren im Teamvergleich Wie bereits in Kapitel 4.1.1 ausgeführt, können aus der kulturellen Diversität in einem Team zusätzliche soziale Stressoren erwachsen. Auf Basis der dargelegten Ausführungen in den Kapiteln 2.3.3.2 und Kapitel 4.1.1 sowie der Ergebnisse der qualitativen Voruntersuchung ist davon auszugehen, dass die Anzahl und die Ausprägung sozialer Stressoren in multikulturellen Teams höher sind als in monokulturellen Teams. Kulturelle Diversität kann sich unter anderem im unterschiedlichen Verhalten oder in unterschiedlichen Wertevorstellungen widerspiegeln (vgl. Podsiadlowski, 2002b, S. 33). Dies kann unter Berücksichtigung möglicher vorhandener sozialer Stressoren zu Unterschieden in gezeigten Verhaltensweisen oder in der Arbeitsweise führen. Dadurch wiederum können Meinungsverschiedenheiten ansteigen, was sich in der folgenden Hypothese wiederfindet: Hypothese 4: Meinungsverschiedenheiten treten in multikulturellen Teams häufiger auf als in monokulturellen Teams.

5.4 Ableitung der Untersuchungshypothesen

143

Darüber hinaus zeigen die Ergebnisse der explorativen Voruntersuchung sowie die Forschungsergebnisse von beispielsweise Jäkel (2008, S. 207) ein erhöhtes Risiko von Missverständnissen in der Kommunikation zwischen Teammitgliedern. Dieses Risiko ist besonders hoch, wenn die im Team verwendete Sprache nicht der Muttersprache der einzelnen Teammitglieder entspricht (Pines & Zaidman, 2014). Dieser Umstand ist vor allem in multikulturellen Teams gegeben und führt zu der folgenden Hypothese 5: Missverständnisse treten in multikulturellen Teams häufiger auf als in monokulturellen Teams. Die Kommunikation im Team ist wichtig für eine erfolgreiche Kooperation. Kommen die Kooperationspartner aus unterschiedlichen Ländern, kann es zu einer Verkomplizierung kommunikativer Prozesse kommen (Kühlmann, 1998). Seiner Argumentation folgend können die zuvor angeführten Missverständnisse, zumindest zu Beginn der Zusammenarbeit, die Kooperation negativ beeinflussen. Eine verminderte Kooperationsbereitschaft könnte in einer eingeschränkten Weitergabe arbeitsrelevanter Informationen zum Ausdruck kommen. Diese Annahme führt zu Hypothese 6: In multikulturellen Teams werden arbeitsbezogene Informationen seltener weitergegeben als in monokulturellen Teams. Neben Unterschieden in der Kommunikation kann sich die kulturelle Diversität auch auf die Tendenz zu sozialem Faulenzen auswirken (vgl. Earley, 1989). Diese kann sowohl zu einer Zunahme der Eigenleistung als auch zur Abnahme der solchen führen. Die Faktoren dafür sind vielseitig: Neben den bereits in Kapitel 4.1.1 angesprochenen Aspekten, wie der Identifizierbarkeit von Einzelleistungen, wird die Tendenz zu sozialem Faulenzen unter anderem durch den Zusammenhalt eines Teams beeinflusst. Je höher der Zusammenhalt, desto geringer die Tendenz zu sozialem Faulenzen (Karau & Hart, 1998). Da der Zusammenhalt in multikulturellen Teams, wie bereits in Kapitel 2.3.3.2 ausgeführt, häufig geringer ist als in monokulturellen Teams, ist im Umkehrschluss anzunehmen, dass soziales Faulenzen häufiger in multikulturellen Teams auftritt:

144

5 Stress in multikulturellen Teams – qualitative Vorstudie

Hypothese 7: Soziales Faulenzen tritt in multikulturellen Teams häufiger auf als in monokulturellen Teams. Diese wahrgenommene Andersartigkeit in multikulturellen Teams erhöht neben dem genannten Risiko von Missverständnissen auch die Wahrscheinlichkeit von Misstrauen und Konflikten in multikulturellen Teams (vgl. Adler & Gundersen, 2008, S. 134ff.; Podsiadlowski, 2002a; Stahl et al., 2010). Diese erhöhten Risiken führen zu den folgenden Hypothesen: Hypothese 8: Misstrauen unter Teammitgliedern tritt in multikulturellen Teams häufiger auf als in monokulturellen Teams. Hypothese 9: Konflikte treten in multikulturellen Teams häufiger auf als in monokulturellen Teams. Die wahrgenommene Andersartigkeit von Teammitgliedern anderer Nationalitäten kann darüber hinaus das Risiko der Diskriminierung erhöhen (Bochner & Hesketh, 1994; Hoppe, 2011a). Dies bestätigen auch die Ergebnisse der explorativen Voruntersuchung. Im Rahmen dieser fanden sich ebenfalls Aussagen zur wahrgenommenen Diskriminierung. Dies führt zu der folgenden Hypothese 10: Die Diskriminierung von Teammitgliedern tritt in multikulturellen Teams häufiger auf als in monokulturellen Teams. Hypothesen zu dem Umfang wahrgenommener sozialer Ressourcen im Teamvergleich Neben den Stressoren kommt auch den Ressourcen eine wichtige Bedeutung im Stressprozess zu. Aufbauend auf den Ausführungen in Kapitel 4.1.2 ist anzunehmen, dass sich die in multikulturellen Teams vorhandene Verschiedenheit überwiegend negativ auf die im Team vorhandenen sozialen Ressourcen auswirkt. Ein hohes Maß an sozialer Attraktivität kann sich beispielsweise unter anderem positiv auf die Bereitschaft und die Wahrnehmung sozialer Unterstützung auswirken. Es ist anzunehmen, dass das Ausmaß und die Bereitschaft zur sozialen Unterstützung bei Menschen, die sich ähnlich sind,

5.4 Ableitung der Untersuchungshypothesen

145

höher ausgeprägt ist (vgl. Amason et al., 1999). Mit den verschiedenen Herkünften in einem multikulturellen Team kann die wahrgenommene Ähnlichkeit der Teammitglieder untereinander sinken, was zu der Annahme führt, dass sich auch das Ausmaß an wahrgenommener sozialer Unterstützung verringert. Dies führt zu der folgenden Unterschiedshypothese: Hypothese 11: Mitglieder multikultureller Teams bewerten die wahrgenommene soziale Unterstützung durch Kollegen geringer als die Mitglieder monokultureller Teams. Die Kohäsion von Teams und deren Auswirkung auf verschiedene Variablen wurde bereits vielfach untersucht. Carayon et al. (2006) verweisen beispielsweise auf die Eignung der Kohäsion als Prädiktorvariable zur Vorhersage von Unruhe und anderen Gesundheitsindikatoren. Es ist jedoch anzunehmen, dass die wahrgenommene Andersartigkeit in multikulturellen Teams den Zusammenhalt negativ beeinflusst. Diese Annahme wird durch Forschungsergebnisse wie denen von Jäkel (2008, S. 207) und Staples und Zhao (2006) gestärkt. Die in Bezug auf den Gruppenvergleich abgeleitete Hypothese lautet: Hypothese 12: Die Kohäsion des eigenen Teams wird von den Mitgliedern multikultureller Teams geringer bewertet als von den Mitgliedern monokultureller Teams. Darüber hinaus ist anzunehmen, dass die in multikulturellen Teams vorhandenen unterschiedlichen Hintergründe, Sichtweisen und Erfahrungsweisen Auswirkungen darauf haben, wie Teammitglieder an eine Arbeitsaufgabe herantreten oder diese ausführen (vgl. Jäkel, 2008, S. 73ff.). Eine Annahme, die ebenfalls durch die Ergebnisse der explorativen Vorstudie bestätigt wird. Dies könnte dazu führen, dass die Mitglieder multikultureller Teams häufiger besprechen, wie eine Arbeitsaufgabe auszuführen ist oder wie die Zusammenarbeit innerhalb des Teams zu bewerten ist. Bei den dargelegten Aspekten handelt es sich um Komponenten der aufgabenbezogenen Teamreflexivität. Daraus lässt sich folgende Unterschiedshypothese ableiten:

146

5 Stress in multikulturellen Teams – qualitative Vorstudie

Hypothese 13: Mitglieder multikultureller Teams bewerten das Ausmaß der wahrgenommenen Teamreflexivität höher als Mitglieder monokultureller Teams. Wie bereits in den theoretischen Ausführungen in Kapitel 4.1.2 dargestellt, kann die gleichberechtigte Partizipation in der Teamarbeit eine wichtige Ressource darstellen (vgl. Brodbeck et al., 2000, S. 6ff.; Busch et al., 2013). Durch die Möglichkeit, gleichberechtigt am gemeinsamen Prozess der Entscheidungsfindung teilzunehmen, könnte das Wohlbefinden positiv beeinflusst werden. Die zuvor genannten Stressoren, beispielsweise auftretendes Misstrauen oder auch die angenommenen verstärkt auftretenden Missverständnisse in multikulturellen Teams, könnten sich negativ auf die gleichberechtigte Partizipation in multikulturellen Teams auswirken. Dies führt zu der Hypothese: Hypothese 14: Mitglieder monokultureller Teams bewerten das Ausmaß der wahrgenommenen gleichberechtigten Partizipation höher als Mitglieder multikultureller Teams. Hypothesen zu dem Wohlbefinden im Teamvergleich Die bisher dargelegten Forschungsergebnisse und Hypothesen basieren auf der Annahme, dass Mitglieder multikultureller Teams im Zuge der Ausführung ihrer Zusammenarbeit einer höheren Anzahl sozialer Stressoren bei einer zugleich geringeren Ausprägung vorhandener Ressourcen gegenüberstehen. In Anbetracht der zuvor dargelegten Zusammenhänge wäre damit anzunehmen, dass die Mitglieder multikultureller Teams ein schlechteres Wohlbefinden und ein höheres Beanspruchungsempfinden aufweisen. Auch diese Annahmen sollen im weiteren Verlauf überprüft werden und führen zu den folgenden Hypothesen: Hypothese 15: Mitglieder monokultureller Teams weisen ein höheres Wohlbefinden auf als Mitglieder multikultureller Teams. Hypothese 16: Mitglieder multikultureller Teams weisen ein höheres Beanspruchungsempfinden auf als Mitglieder monokultureller Teams.

5.4 Ableitung der Untersuchungshypothesen

147

Hypothese zu den verwendeten Bewältigungsstrategien im Teamvergleich Abschließend stellt sich die Frage, wie die Teilnehmer mit dem auftretenden Stress umgehen. Wie bereits in Kapitel 4.1.1 dargestellt, ist die Wahl der Bewältigungsstrategie durch den kulturellen Hintergrund beeinflusst. Angehörige kollektivistisch geprägter Gesellschaften verwenden beispielsweise eher emotionsorientierte Bewältigungsstrategien als Angehörige individualistisch geprägter Gesellschaften (vgl. Amason et al., 1999; Hoppe, 2011a; O'Connor & Shimizu, 2002). Die Ergebnisse der Voruntersuchung weisen auf eine häufigere Verwendung problemorientierter Bewältigungsstrategien bei den befragten Mitgliedern multikultureller Teams hin. Dies steht in Widerspruch zu den Ausführungen von Busch (2004, S. 72), nach denen (es oft durch Verzerrungen im Erinnerungsvermögen) zu einer überproportionalen Verwendung emotionsorientierter Bewältigungsstratgien kommt. Busch (2004) differenziert dabei nicht zwischen Angehörigen unterschiedlich zusammengesetzter Teams. Es stellt sich daher die Frage, ob sich die Ergebnisse der qualitativen Voruntersuchung auch im Rahmen einer größeren Stichprobe bestätigen lassen und die Mitglieder multikultureller Teams tatsächlich häufiger problemorientierte Bewältigungsstrategien verwenden als die Mitglieder monokultureller Teams. Dies führt zu der folgenden Hypothese: Hypothese 17: Mitglieder multikultureller Teams verwenden häufiger problemorientierte Bewältigungsstrategien als die Mitglieder monokultureller Teams.

6. Stress in multikulturellen Teams – quantitative Hauptuntersuchung Die zuvor formulierten Untersuchungshypothesen sollen im Rahmen einer breiter angelegten quantitativen Hauptuntersuchung überprüft werden. Dieses Kapitel widmet sich in einem ersten Schritt der Konzeption der quantitativen Untersuchung – von der Entwicklung des Messinstruments bis zu dessen Gütekriterien. Anschließend erfolgt eine Darstellung der Durchführung und eine Beschreibung der Stichprobe. Im Anschluss wird der Prozess der Auswertung dargelegt. Den Abschluss dieses Kapitels bildet eine umfassende Vorstellung der Ergebnisse. 6.1

Konzeption und Entwicklung der quantitativen Untersuchung

Die quantitative Hauptuntersuchung erfolgt mittels des zu diesem Zweck entwickelten Fragebogens. Neben den Faktoren, die im Rahmen der explorativen Voruntersuchung herausgearbeitet wurden, wurde das Instrument um weitere Faktoren, die in der Entstehung oder Verminderung von Stress in einem multikulturellen Team von Relevanz sind, erweitert. Der Fragebogen soll dazu dienen, die Häufigkeit und die Ausprägung einzelner stressrelevanter Aspekte näher zu analysieren. Neben wahrgenommenen Stressoren und Ressourcen sollen auch Bewältigungsstrategien erfasst und in Verbindung mit verschiedenen stressauslösenden Ereignissen gebracht werden. Dabei sollen etwaige Unterschiede zwischen den Mitgliedern mono- und multikultureller Teams mittels eines Gruppenvergleichs herausgearbeitet werden. Um einen Vergleich zwischen beiden Teamstrukturen zu ermöglichen, wurde der Fragebogen so konzipiert, dass die darin zu findenden Inhalte und Formulierungen Charakteristika beinhalten, die sowohl in multi- als auch monokulturellen Teams auftreten. Ziel war es, ein möglichst reliables und valides Instrument zu entwickeln. Daher wurde bei der Entwicklung des Fragebogens vor allem auf bereits in der Literatur vorhandene Skalen

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 K. Leifels, Stressoren und Ressourcen in der interkulturellen Teamarbeit, Internationale Wirtschaftspartner, https://doi.org/10.1007/978-3-658-26009-5_6

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6 Stress in multikulturellen Teams – quantitative Hauptuntersuchung

und Items zurückgegriffen, die bereits auf ihre psychometrische Qualität überprüft worden sind. Damit der Fragebogen möglichst viele Teilnehmer erreichen konnte, wurde ein onlinebasierter Fragebogen konzipiert. Die Befragung mittels eines Onlinefragebogens ist allerdings nicht frei von Kritik. Die Vor- und Nachteile dieser Erhebungsmethode sollen im Weiteren veranschaulicht werden. Ein Nachteil in der Verwendung eines Onlinefragebogens liegt beispielsweise in möglichen Sicherheitsbedenken, die mit der Speicherung personenbezogener Daten einhergehen. Diese Bedenken könnten einige Teilnehmer trotz Hinweise auf die Vertraulichkeit der Daten davon abgehalten haben, an der Befragung teilzunehmen. Ein großer Vorteil dagegen liegt in der Verfügbarkeit der Daten. Während bei der Verwendung eines Papierfragebogens die Ergebnisse zur Auswertung nachträglich manuell oder automatisiert in eine Software übertragen werden müssen, entfällt dieser Aufwand mitunter vollständig bei der Verwendung eines Onlinefragebogens. Die Daten werden von den Probanden eingegeben und sind unmittelbar für den Forscher verfügbar. Dabei ist oftmals auch eine Exportierung der Ergebnisse in spezielle statistische Analysesoftwares, wie das Softwareanalyseprogramm SPSS der Firma IBM, möglich. Dieses Vorgehen bietet den Vorteil, mögliche Fehler zu reduzieren, die im Zuge des manuellen Übertragens der Inhalte eines Papierfragebogens in eine Analysesoftware entstehen können. Ein weiterer Vorteil liegt in der Nachhaltigkeit und den geringeren Kosten gegenüber einer Papierbefragung, da bei einer Papierbefragung zusätzliche Kosten für Papier, Druck und möglicherweise Porto für die Einladungen zur Teilnahme sowie auch die Fragebögen selbst entstehen. Darüber hinaus ist es mittels einer onlinebasierten Befragung wesentlich einfacher und zeitlich effektiver, Teilnehmer im Ausland zu akquirieren. Durch die Möglichkeit, den Fragebogen via Link weiterzuleiten, kann zudem ein größerer Teilnehmerkreis angesprochen werden. Da der Fragebogen zu jeder Zeit durch Teilnehmer ausfüllbar ist, ist auch eine zeitgleiche Anwendung in verschiedenen Zeitzonen möglich. Ein weiterer Vorteil liegt darüber hinaus in der flexiblen Handhabung der Inhalte des Fragebogens. Gegenüber einem Papierfragebogen kann ein Onlinefragebogen dynamisch nach dem Antwortverhalten des Teil-

6.1 Konzeption und Entwicklung der quantitativen Untersuchung

151

nehmers programmiert werden. Dadurch können für den einzelnen Probanden ungeeignete Fragen ausgeblendet oder übersprungen werden. Dadurch wird das Ausfüllen erleichtert, was wiederum zu einer Reduzierung von Fehlerquellen führt. Zur Umsetzung des Onlinefragebogens wurde nach einer Analyse der auf dem Markt verfügbaren Programme das Programm Qualtrics ausgewählt. Die Vorteile des Programms liegen neben einer direkten Exportfähigkeit in SPSS in der Möglichkeit der Verschlüsselung der Daten. Dies war vor dem Hintergrund der Datensicherheit der Probanden ein weiterer wichtiger Punkt für die Entscheidungsfindung. Ein weiterer Vorteil der Software lag darin begründet, dass neben einer Teilnahme am Computer ebenfalls eine Teilnahme auf mobilen Endgeräten wie Smartphones möglich war. Um den Fragebogen auch für Teilnehmer zugänglich zu machen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, wurde der Fragebogen den Teilnehmern wahlweise in deutscher oder englischer Sprache zur Verfügung gestellt. Bei einem solchen Vorgehen ist es wichtig, eine sprachliche Äquivalenz der Fragebögen zu gewährleisten, um keine Fehler oder Verzerrungen in den Antworten durch sprachliche Fehler in der Übersetzung zu verursachen. Eine Schlüsselrolle kommt bei einem solchen Vorgehen der Übersetzung zu (Braun & Harkness, 2005). Bereits bei der Auswahl der Items wurde daher auf die Existenz überprüfter Übersetzungen geachtet. Für die Übersetzung des Fragebogens wurde zunächst der sogenannte commitee approach gewählt. Bei diesem Verfahren wird der Fragebogen gleichzeitig durch zwei zweisprachige Personen von einer Ausgangssprache (in diesem Fall Deutsch) in eine Zielsprache (in diesem Fall Englisch) übersetzt (Rippl & Seipel, 2015, S. 115). Im Anschluss an die beiden Übersetzungen wurden diese von einer dritten Person miteinander verglichen und untereinander abgestimmt. Aus dieser Abstimmung ging eine dritte Version hervor, welche die übereinstimmenden Inhalte der beiden vorangegangenen Versionen zusammenführte. Als vierter Schritt wurde eine Rückübersetzung durchgeführt. Bei diesem Verfahren wird der Fragebogen von der Zielsprache in die gewünschte Ausgangssprache zurückübersetzt. Anschließend wird der Ausgangsfragebogen mit dem zurückübersetzten Fragebogen verglichen (Rippl & Seipel, 2015, S. 116). Dieses Vorgehen wurde solange durchgeführt bis zwischen dem Ausgangsfrage-

152

6 Stress in multikulturellen Teams – quantitative Hauptuntersuchung

bogen und der rückübersetzten Version keine sprachlichen Unterschiede mehr zu erkennen waren. Dabei ist zu beachten, dass bei der Übersetzung von Fragebögen einige Besonderheiten zu beachten sind: Obwohl der deutsche Ausgangsfragebogen wörtlich übersetzt wurde, kann bei einem vermeintlich gleichen Fragebogen nicht von einem Äquivalent ausgegangen werden (Braun & Harkness, 2005). Bei einem Messinstrument, das in verschiedenen Sprachen verwendet wird, kann es beispielsweise zu Unterschieden in der Funktionsfähigkeit einzelner Items kommen (Rippl & Seipel, 2015, S. 104f.). Die Gründe hierfür können in einer inkorrekten Übersetzung von Items oder auch tieferliegenden Unterschieden in der Semantik, wie einer unterschiedlichen Konnotation von Aussagen oder einzelner Wörter, liegen (Braun & Harkness, 2005; Rippl & Seipel, 2015, S. 113). Um dieser Problematik entgegenzuwirken, wurden die deutsch- und englischsprachigen Items nach der sprachlichen Anpassung mehrfach getestet. Derartige Anpassungen sind bei der Verwendung von Fragebögen häufig erforderlich, da andernfalls auf Grund spezifischer sprachlicher Ausdrücke das Risiko besteht, dass einzelne Items nicht äquivalent sind (Poortinga & Vijver, 2013). Ziel war es dabei, die innere Konsistenz der Skalen zu überprüfen. Obwohl für alle Items der Prozess des commitee approach und der Rückübersetzung durchgeführt wurden, fielen die Reliabilitätswerte unterschiedlich aus. Aus diesem Grund wurden einige der Items nach jedem Testdurchlauf in der jeweiligen Zielsprache geringfügig modifiziert und anschließend erneut dem Prozess der Rückübersetzung unterzogen. Diese Prozedur wurde so lange durchgeführt, bis es zwischen der deutschsprachigen und der englischsprachigen Version des Fragebogens nur noch marginale Unterschiede gab. Um eine mögliche Verzerrung durch unterschiedliche Stichproben zu vermeiden, wurde der Fragebogen darüber hinaus an unterschiedlichen Stichproben mit Studierenden sowie Berufstätigen im In- und Ausland getestet. Die vorgenommene Mischung verschiedener Methoden im Rahmen des Übersetzungs-/Rückübersetzungsprozesses resultiert vor allem aus den Kritikpunkten des Verfahrens der Rückübersetzung. Zu diesen zählt, dass bereits der Prozess der Übersetzung und der Rückübersetzung selbst eine Quelle für mögliche Fehler ist: Es sei daher erstrebenswerter direkt „die bestmögliche Übersetzung“ (Rippl & Seipel, 2015, S. 116) zu erhalten.

6.1 Konzeption und Entwicklung der quantitativen Untersuchung

153

Das Survey Research Center (2016) verweist auf ein iteratives Vorgehen und empfiehlt die sogenannte TRAPD Methode (Translation, Review, Adjunction, Pretesting & Documentation). Zunächst wird das Ausgangsdokument übersetzt, wobei eine solche Übersetzung auch gleichzeitig und durch mehrere Personen erfolgen kann. Diese Übersetzungen werden anschließend miteinander verglichen. Direkt im Anschluss erfolgt ein erstes Testen des Fragebogens, welches bei Notwendigkeit zu neuen Anpassungen führt. Sind die Pretests erfolgreich, erfolgt der Einsatz des Instruments im Feld (Survey Research Center, 2016, S. 156). Problematisch an einem solchen Vorgehen ist, dass Fehler unter Umständen in einem ersten Pretest nicht auffallen, da die Fragebögen zwar sprachlich korrekt übersetzt sind, semantisch jedoch etwas Unterschiedliches abbilden. Gerade bei dem Einsatz eines Messinstruments in verschiedenen Ländern können vermeintlich korrekte Übersetzungen unterschiedliche Bedeutungen haben. Aus diesem Grund ist der Prozess der Rückübersetzung zwar aufwendiger, jedoch unerlässlich, um das Risiko weiterer Fehler so gering wie möglich zu halten. Neben der sprachlichen Übersetzung sollte ebenfalls darauf geachtet werden, dass die Antwortskalen in den beiden Fragebogenversionen äquivalent sind. Zu diesem Zweck wurde eine mehrfache Sichtung von verschiedenen Fragebögen in deutscher sowie englischer Sprache vorgenommen. Da angedacht war, die Befragung auch im englischsprachigen Raum durchzuführen, war es wichtig Formulierungen zu verwenden, die sowohl dem amerikanischen als auch dem britischen Englisch entsprechen. Voraussetzung für die Durchführung parametrischer Tests, ist die Verwendung intervallskalierter Antwortformate. Insgesamt wurden alle Items mit Ausnahme der verwendeten Bewältigungsstrategie auf einer 5er-Likert Skala erfasst. Bei der Auswahl geeigneter Antwortformate wurde darauf geachtet, dass es ein entsprechendes und bereits getestetes Äquivalent im Englischen gibt. Darüber hinaus wurde eine explorative Faktorenanalyse zur semantischen Überprüfung durchgeführt. Diese ergab, dass die Items der deutsch- und englischsprachigen Fragebogenversionen jeweils auf die gleichen Faktoren laden. Detaillierte Informationen zu den Faktorenanalysen einschließlich der Abbruchkriterien sind in Kapitel 6.1.3 zu finden.

154

6 Stress in multikulturellen Teams – quantitative Hauptuntersuchung

Bei der Konzeption des Fragebogens wurde darüber hinaus darauf geachtet, systematische Messfehler so gering wie möglich zu halten (vgl. Podsakoff, MacKenzie, Lee & Podsakoff, 2003; Podsakoff & Organ, 1986). Im Zuge der Erstellung wurden verschiedene Empfehlungen beachtet, wie sie unter anderem bei Bühner (2011, S. 58ff.), Lietz (2010), Moosbrugger und Kelava (2012, S. 27ff.) und Söhnchen (2007) beschrieben werden. Diese mündeten unter anderem in folgende Maßnahmen, die dem Auftreten eines systematischen Messfehlers präventiv entgegenwirken sollen (vgl. Söhnchen, 2007): - Allen Teilnehmern wurde im Rahmen der qualitativen und der quantitativen Untersuchung ihre Anonymität zugesichert. - Eine Erfassung weiterer unternehmensbezogener Daten, wie des Namens oder der Größe des Unternehmens, erfolgte nicht. - Die Teilnehmer wurden mittels eines Anschreibens und einer kurzen Einleitung über den Hintergrund der Studie informiert. - Die Teilnehmer wurden darauf hingewiesen, dass es keine falschen oder richtigen Antworten gibt und dass es besonders wichtig ist, dass sie ehrlich antworten. - Bei der Verwendung der Antwortskalen wurden Kriterien zur Quantifizierung mit aufgenommen, welche den Teilnehmern als Orientierung dienen (wie „alle paar Wochen“). - Variablen, die möglicherweise hoch miteinander (sowohl positiv als auch negativ) korrelieren, wie Stressoren und Ressourcen, wurden in unterschiedlichen Frageblöcken abgefragt. - Die Ergebnisse der quantitativen Untersuchung wurden mit den Ergebnissen der qualitativen Interviews abgeglichen. - Die Ergebnisse der qualitativen und quantitativen Untersuchungen wurden an Mitglieder mono- und multikulturell zusammengesetzter Teams zurückgespielt und durch diese evaluiert. - Bei der Formulierung der Items wurde darauf geachtet, dass diese einfach zu verstehen sind und eine klare Bedeutung haben. - Es wurde zudem darauf geachtet, dass die Items möglichst objektiv formuliert wurden und keine vorgegebene Meinung implizierten. - Die einzelnen Items und Fragebögen wurden sowohl in deutscher als auch in der englischen Sprache mehrfach getestet, nicht zuletzt,

6.1 Konzeption und Entwicklung der quantitativen Untersuchung

155

um mögliche sozial erwünschten Antworten/Aspekte frühzeitig zu identifizieren und den Fragebogen möglichst objektiv zu gestalten. Darüber hinaus wurden diverse Tests nach der Durchführung der Analysen durchgeführt. Zu diesen zählen unter anderem der Harman´s Einfaktoren-Test (vgl. Podsakoff, et al., 2003; Söhnchen, 2007). Bei diesem Test wurde im Rahmen einer unrotierten Faktorenanalyse überprüft, ob alle Variablen auf einen Faktor laden (Podsakoff, et al., 2003). Die Ergebnisse deuteten nicht auf das Vorliegen einer systematischen Verzerrung hin. Daneben wurden auch fehlende Werte und Ausreißer auf eine systematische Verzerrung der Daten hin überprüft. Auch ein Abgleich der Ergebnisse der qualitativen und quantitativen Untersuchung während und nach der Durchführung durch Angehörige mono- und multikultureller Teams zeigten keine Hinweise auf eine systematische Verzerrung. Darüber hinaus wurden die Antworten der deutschen und englischen Fragebögen sowie der Angehörigen unterschiedlicher Nationalitäten miteinander verglichen, um sprachliche oder kulturelle Verzerrungen auszuschließen. Dabei wurden ebenfalls keine Auffälligkeiten festgestellt. Ein t-Test für unabhängige Stichproben mit allen im Fragebogen enthaltenden Stressoren, Ressourcen, dem Wohlbefinden und dem Beanspruchungsempfinden zeigten ebenfalls keine Hinweise auf einen systematischen Messfehler.

156

6.1.1

6 Stress in multikulturellen Teams – quantitative Hauptuntersuchung

Aufbau des Messinstruments

Die folgenden Seiten befassen sich mit dem Aufbau des verwendeten Messinstruments. Zu Beginn des Fragebogens verwies ein kurzer Einleitungstext auf die Zielsetzung der Untersuchung und gab Hinweise für das Ausfüllen sowie die voraussichtliche Zeitdauer der Bearbeitung. Darüber hinaus war ein Hinweis zur Vertraulichkeit der Daten enthalten. Nach etwa 2/3 des Fragebogens wurde darauf hingewiesen, dass bereits ein Großteil der Untersuchung abgeschlossen sei. Der Aufbau des Fragebogens ist in Abbildung 26 visuell dargestellt. Bei der Erfassung von Teamdaten ist nicht auszuschließen, dass einige Teilnehmer zeitgleich in mehreren Teams arbeiten. Aus diesem Grund wurden die Teilnehmer gebeten, sich zu Beginn des Fragebogens auf ein spezifisches Team zu konzentrieren und im Laufe der Befragung dieses eine Team bei ihren Antworten zu berücksichtigen. Zunächst folgten einige Fragen zu dem Team, auf welches sich der Proband zu Beginn und im weiteren Verlauf der Befragung konzentrieren sollte. An dieser Stelle kamen bereits die ersten Filterfragen zum Einsatz. Die erste Filterfrage erfasste, ob der Teilnehmer in einem multi- oder monokulturellen Team arbeitet. Die zweite Filterfrage erfasste, ob die Zusammenarbeit innerhalb des Teams im persönlichen Kontakt oder virtuell stattfindet. Nach den Angaben zum Team folgte der zweite Themenblock. Dieser beinhaltete eine Abfrage der wahrgenommenen Ressourcen innerhalb des Teams. Diesem folgend konzentrierte sich der dritte Block auf die Häufigkeit und Intensität sozialer Stressoren. Aufbauend auf den Stressoren erfolgte in Abhängigkeit des vorherigen Antwortverhaltens die Erfassung individueller Bewältigungsstrategien im vierten Themenblock. Der fünfte Block des Fragebogens erfasste das Wohlbefinden der Teilnehmer. Dieses wurde mittels auftretender Befindensbeeinträchtigungen operationalisiert.

- Anzahl der Teammitglieder - Dauer der Zusammenarbeit - Anzahl der Nationalitäten - Nationalitäten der Teammitglieder - Art der Zusammenarbeit

Angaben zum Team

- Kohäsion - Reflexivität - Partizipation - Soziale Unterstützung durch die Kollegen - Soziale Unterstützung durch den Vorgesetzten

Ressourcen

- Meinungsverschiedenheiten - Misstrauen - Soziales Faulenzen - Mangelhafte Informationsweitergabe - Missverständnisse - Konflikte - Diskriminierung

Stressoren

- Problemorientierte Bewältigungsstrategien und - Emotionsorientierte Bewältigungsstrategien

Bewältigungsstrategien

- Befindensbeeinträchtigungen

Wohlbefinden

- Alter - Geschlecht - Muttersprache - Nationalität - Berufsgruppe

Soziodemographische Angaben

6.1 Konzeption und Entwicklung der quantitativen Untersuchung

Abbildung 26: Aufbau des Messinstruments. Quelle: Eigene Darstellung.

157

158

6 Stress in multikulturellen Teams – quantitative Hauptuntersuchung

Im abschließenden Teil des Fragebogens wurden die soziodemographischen Variablen des Teilnehmers, wie das Alter oder das Geschlecht erfasst. Die Anzeige einzelner Antwortmöglichkeiten erfolgte in Abhängigkeit des zuvor getätigten Antwortverhaltens. Im Folgenden werden die im Rahmen des Fragebogens verwendeten Skalen vorgestellt. Soziale Stressoren Alle sozialen Stressoren wurden mit jeweils zwei Items erfasst und werden im Folgenden je Stressor vorgestellt: Meinungsverschiedenheiten Durch diese Items wurden die Meinungsverschiedenheiten in einem Team erfasst. Gerade bei der Teamarbeit kann es zu einem Auftreten von verschiedenen Ansichten und damit verbundenen Meinungen kommen. Sind diese ein Hindernis für die Zielerreichung, können diese, ausgehend von der Theorie der Handlungsregulation, als Stressor fungieren. Die Skala ist angelehnt an die Interpersonal Conflict in Organizations Scale von BrukLee (2006, S. 92) und wurde für die deutsche Version des Fragebogens übersetzt.

Beispielitem:

Es kommt zu Meinungsverschiedenheiten darüber, wie eine Arbeitsaufgabe ausgeführt werden soll.

Konflikte Diese Items bilden die innerhalb des Teams auftretenden Konflikte ab. Konflikte können zum einen auf Basis vorangegangener Meinungsverschiedenheiten oder Missverständnisse auftreten, zum anderen entsprechend der Theorie der sozialen Identität auch als Folge möglicher Abgrenzungsversuche innerhalb eines Teams auftreten (Podsiadlowski, 2002b, S. 97). Die hier verwendeten Items sind angelehnt an Jehn (1995).

Beispielitem:

Es kommt zu Auseinandersetzungen mit Teamkollegen.

6.1 Konzeption und Entwicklung der quantitativen Untersuchung

159

Mangelhafte Informationsweitergabe Im Rahmen der durchgeführten Experteninterviews verwiesen einige Interviewpartner auf eine eingeschränkte und zum Teil unzureichende Weitergabe arbeitsrelevanter Informationen. Dabei handelte es sich um jene Informationen, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Erledigung der Arbeitsaufgabe stehen. Die verwendeten Items sind angelehnt an Items des Team Climate Inventory von Anderson und West (1998) und wurden für die Verwendung ins Deutsche übersetzt.

Beispielitem:

Teammitglieder neigen dazu, arbeitsbezogene Informationen für sich zu behalten.

Soziales Faulenzen Zur Erfassung des sozialen Faulenzens wurden Items der Social Loafing Scale von George (1992) entnommen. Die ursprünglichen Items wurden im Rahmen eines Fremdratings verwendet. Da dieses Messinstrument eine Selbstauskunft der Teilnehmer vorsieht, wurden die Items sprachlich geringfügig modifiziert, um adäquat für eine Selbstauskunft zu sein. Anschließend wurden die Items ins Deutsche übersetzt.

Beispielitem:

Einige Teammitglieder bringen sich weniger ein als andere Teammitglieder.

Misstrauen Weiterhin sollte das in dem Team vorhandene Misstrauen erfasst werden. Die Items wurden in Anlehnung an das Team Climate Inventory von Anderson und West (1998) sowie Simons und Peterson (2000) formuliert und ins Deutsche übersetzt.

Beispielitem:

Teammitglieder misstrauen sich gegenseitig.

160

6 Stress in multikulturellen Teams – quantitative Hauptuntersuchung

Missverständnisse Die Ergebnisse der durchgeführten explorativen Voruntersuchung wiesen auf das Risiko kommunikativer Missverständnisse hin. In Anlehnung an das Landauer Organisations- und Teamklima-Inventar von Müller (2013, S. 19) wurden zwei Items zur Erfassung kommunikativer Missverständnisse entwickelt und anschließend ins Englische übersetzt.

Beispielitem:

Bei der Zusammenarbeit im Team kommt es zu Missverständnissen.

Diskriminierung Die Diskriminierung innerhalb der Teams soll durch zwei Items erfasst werden, die an die Life Discrimination Skala von Sternthal, Slopen und Williams (2011) angelehnt sind. Die Life Discrimination Skala basiert auf einer gekürzten Version eines Instruments zur Erfassung von Diskriminierung auf Grund ethnischer Zugehörigkeiten sowie der Everyday Discrimination Scale von Williams, Yu, Jackson und Anderson (1997).

Beispielitem:

Einige Teammitglieder werden mit weniger Respekt behandelt als andere Teammitglieder.

Verwendete Antwortskala Um die Auswahl aus den zur Verfügung stehenden Antworten für die Teilnehmer zu vereinfachen, wurde in Anlehnung an Ducki (1998, S. 293) eine Kombination aus verbalen und fixen Zeitvorgaben verwendet. Durch die zeitliche Orientierung, wie selten (alle paar Monate) und sehr oft (fast täglich), hatte der einzelne Teilnehmer Anhaltspunkte, was unter den einzelnen Zeitvorgaben genau zu verstehen ist. Die Verwendung von fixen Zeitintervallen bietet zudem den Vorteil, dass das Auftreten einzelner Stressoren leichter zu quantifizieren ist. Dadurch können mögliche, kulturell bedingte Unterschiede im Antwortverhalten auf Grund unterschiedlicher Zeitwahrnehmung, wie Sanchez, Spector und Cooper (2006) sie beschreiben, vermindert werden. Die einzelnen Antwortvorgaben sind in Tabelle 8 dargestellt.

6.1 Konzeption und Entwicklung der quantitativen Untersuchung

161

Tabelle 8: Antwortskala für die Erfassung sozialer Stressoren. 1

2

3

4

5

Deutsch

nie

selten (alle paar Monate)

gelegentlich (alle paar Wochen)

oft (alle paar Tage)

sehr oft (fast täglich)

Englisch

never

rarely (every few months)

occasionally (every few weeks)

often (every few days)

very often (almost daily)

Die in Tabelle 8 dargestellten Antwortskalen wurden für sämtliche Stressoren verwendet. Soziale Ressourcen Einige Forscher differenzieren bei der Erfassung von Ressourcen zwischen tatsächlich vorhandenen und wahrgenommenen Ressourcen. Dies gilt vor allem für die soziale Unterstützung. Die Erfassung der tatsächlichen Ausprägung von Ressourcen ist mittels eines Fragebogens jedoch kaum möglich. Wird ein Proband nach der Höhe der ihm entgegengebrachten Unterstützung gefragt, sind die Antworten auf eine derartige Frage in der Regel subjektiv (House, 1981, S. 27). Die weiteren Ausführungen beziehen sich daher auf die wahrgenommenen Ressourcen. Die einzelnen Ressourcen wurden, mit Ausnahme der sozialen Unterstützung, mit jeweils zwei Items erfasst. Gleichberechtigte Partizipation Eine partizipative Gruppe kennzeichnet die Möglichkeit des einzelnen, gleichberechtigt an Entscheidungen der Gruppe teilnehmen zu können. Die im Rahmen des Fragebogens verwendeten Items fokussieren in erster Linie die Rahmenbedingungen, die für eine erfolgreiche Partizipation Voraussetzung sind. Die Skala mit den dazugehörigen Items stammt aus dem Projekt Stress- und Ressourcenmanagement für un- und angelernte Beschäftigte (Busch et al., 2013) und wurde der Arbeit von Behrendt (2009, S. 100) entnommen, in welcher die Items ebenfalls getestet wurden. Das

162

6 Stress in multikulturellen Teams – quantitative Hauptuntersuchung

zweite Item der Skala wurde in Anlehnung an das erste enthaltene Item selbst formuliert und anschließend übersetzt.

Beispielitem:

Jedes Mitglied des Teams kann gleichberechtigt Vorschläge oder Kritik einbringen.

Teamreflexivität Die hier verwendeten Items erfassen die aufgabenbezogene Teamreflexivität. Die Items wurden modifiziert nach Busch et al. (2013). Deren verwendete Originalitems sind angelehnt an Dick und West (2005, S. 50).

Beispielitem:

Wir besprechen die Art und Weise, wie wir unsere Arbeit machen.

Kohäsion Die Items zur Erfassung des Gruppenzusammenhalts sind angelehnt an die Skala Gruppenkohäsion von Pfaff (1989, S. 318). Im Zuge des Übersetzungsprozesses in die englische Sprache und der sprachlichen Anpassung wurden nach den Pretests eigene Formulierungen verwendet, die sich jedoch an jene von Pfaff anlehnen.

Beispielitem:

In meinem Team gibt es einen starken Zusammenhalt.

Soziale Unterstützung Die deutschsprachigen Items zur Erfassung der sozialen Unterstützung sind modifiziert nach Busch (2004, S. 88f.). Die englischsprachigen Items sind der Skala von Macdonald (1998) entnommen, welche die Grundlage der von Busch (2004) verwendeten Items bilden. Einzelne Items wurden geringfügig modifiziert, um neben der Unterstützung durch die Teammitglieder auch die soziale Unterstützung durch den Vorgesetzten mit jeweils vier Items erfassen zu können.

Beispielitem:

Meine Kollegen wissen es zu schätzen, was ich für sie tue.

6.1 Konzeption und Entwicklung der quantitativen Untersuchung

163

Verwendete Antwortskala Die verwendete fünfstufige Antwortskala diente der Erfassung des Ausmaßes wahrgenommener Ressourcen und ist in Tabelle 9 dargestellt. Tabelle 9: Antwortskala für die Erfassung wahrgenommener Ressourcen. 1

2

3

4

5

Deutsch

trifft gar nicht zu

trifft wenig zu

trifft etwas zu

trifft ziemlich zu

trifft voll und ganz zu

Englisch

doesn´t apply at all

applies a bit

applies somewhat

applies mostly

applies completely

Bewältigungsstrategien Zur Erfassung individueller Bewältigungsstrategien wurden Items des Brief COPE von Carver (1997) verwendet. Für die englischsprachige Version des Fragebogens wurden Originalitems von Carver (1997) verwendet, für die deutsche Version wurde die Übersetzung von Knoll, Rieckmann und Schwarzer (2005) genutzt. Die ursprüngliche Skala besteht aus 14 verschiedenen Bewältigungsstrategien mit jeweils zwei Items pro Bewältigungsstrategie. Da die Bewältigungsstrategien Planung und aktives Coping nach den Ausführungen von Carver (1997) sowie Monzani et al. (2015) auf den gleichen Faktoren laden, wurde die Bewältigungsstrategie Planung nicht aufgenommen. Stattdessen wurde der Fragebogen um zwei weitere, selbst formulierte Items ergänzt. Das erste Item beschreibt den Versuch, einer spezifischen Situation oder Kollegen aus dem Weg zu gehen. Das zweite Item repräsentiert eine Steigerung dieser Vermeidungsstrategie – die Erwägung einer arbeitnehmerseitigen Kündigung. Bei dem Brief COPE handelt es sich um eines der kulturübergreifend am häufigsten verwendeten Instrumente zur Erfassung von Bewältigungsstrategien (Ringeisen, 2013). Die Struktur des Brief COPE beziehungsweise die Einordnung einzelner Strategien in Oberstrategien wurde bereits in einer Vielzahl von Studien untersucht. Die Anzahl und Arten der Oberkategorien oder Zuordnungen schwanken dabei stark. Dabei gibt es dreiteilige

164

6 Stress in multikulturellen Teams – quantitative Hauptuntersuchung

Kategorisierungen in emotionsorientierte, problemorientierte und weniger hilfreiche Strategien (Carver, 1997). Dem gegenüber stehen Differenzierungen in vier Kategorien: Konzentration auf das Positive, unterstützende Bewältigung, aktive Bewältigung und ausweichende Bewältigung (Knoll et al., 2005). Die von Lazarus (1991) vorgeschlagene Einteilung in problemund emotionsorientierten Strategien ist trotz der Kritik einiger Autoren, wie Skinner et al. (2003) und Carver et al. (1989), nach wie vor eine der am häufigsten vorgenommenen Unterteilungen in der Erforschung von Bewältigungsstrategien (Skinner et al., 2003). Gerade in kulturvergleichenden Studien werden Bewältigungsstrategien oft nach diesem Muster eingeteilt, wie beispielsweise bei O'Connor und Shimizu (2002). Von dieser Differenzierung ausgehend, wurden alle erfassten Strategien und Handlungen mit dem Ziel, Änderungen der Situation oder des Verhaltens herbeizuführen, in die problemorientierten Strategien eingeordnet. Dem gegenüber wurden jene Strategien, welche die Wahrnehmung stressauslösender Ereignisses fokussierten, in die emotionsorientierten Bewältigungsstrategien eingeordnet. Darüber hinaus richtete sich die Einordnung nach den Einteilungen und Ausführungen von Solberg und Segerstrom (2006) sowie Monzani et al. (2015). Letztere nehmen explizit Bezug auf den Brief COPE. Die beiden zusätzlich formulierten Items wurden der problemorientierten Bewältigung zugeordnet, da in diesen kein Versuch unternommen wird, etwas an der Wahrnehmung der stressauslösenden Bedingung zu ändern. Vielmehr wird durch die darin enthaltenen Verhaltensweisen, wie ein Vermeiden der Situation oder einen Wechsel des Arbeitsplatzes die Situation dahingehend geändert, dass keine Begegnung mit dem Stressor mehr stattfindet bzw. dieser nicht mehr auftritt. Diese beiden Verhaltensweisen sind damit als vermeidungsorientiertes Verhalten zu klassifizieren, welches wiederum der problemorientierten Bewältigung zuzuordnen sind (Monzani et al., 2015). Die Einordnung aller abgefragten Bewältigungsstrategien befindet sich als Anhang 10 im Anhang. Jede Handlung oder Strategie wurde mit einem Item abgefragt. Zur Erfassung der Strategien ist es von Bedeutung, sie möglichst spezifisch zu benennen. „Nur wenn nach konkreten Situationen gefragt wird, wird beim Probanden das episodische Gedächtnis angesprochen, das konkrete Ereignisse und Situationen umfasst“ (Busch, 2004, S. 72). Konzentriert sich ein Fragebogen hingegen auf situationsübergreifende

6.1 Konzeption und Entwicklung der quantitativen Untersuchung

165

Strategien, droht die Gefahr, dass im Gehirn eher das semantische Gedächtnis angesprochen wird. Die darin enthaltenen Schemata sind situationsübergreifend stabil und werden damit eher mit den emotionsübergreifenden Bewältigungsstrategien in Verbindung gebracht (Busch, 2004, S. 72). Mit einer solchen Abfrage bestünde das Risiko, verwendete problemorientierte Bewältigungsstrategien zu vernachlässigen. Um diese zu erfassen, ist es daher zweckdienlich, dem Probanden eine spezifische Situation vor Augen zu führen (Busch, 2004, S. 72). Durch die Verbindung einer Bewältigungsstrategie mit einem spezifischen Stressor kann zudem das Risiko einer kulturell beeinflussten Rekonstruktion des Erinnerungsvermögens hinsichtlich der verwendeten Bewältigungsstrategie minimiert werden (Tweed & DeLongis, 2006). Die Situationen zur Erfassung von Bewältigungsstrategien sind daher bewusst vage formuliert, um auch die Möglichkeit der Übertragung auf verschiedene Situationen und Kontexte entsprechend der Ausführungen von Tweed und DeLongis (2006) zu gewährleisten. In der praktischen Umsetzung erfolgte dies mit Hilfe der dynamischen Programmierung des Fragebogens: Die einzelnen Frageblöcke wurden so programmiert, dass Fragen nach der Bewältigung spezifischer Situationen nur dann erschienen, wenn zwei vorangegangene Filtervariablen entsprechend zuvor festgelegter Kriterien beantwortet wurden. Ein Stressor musste mindestens oft aufgetreten sein und durch ihn ausgelöste Beanspruchungsempfinden als mindestens stark eingestuft worden sein. Erst dann wurden die verschiedenen Bewältigungsstrategien in Bezug auf den zuvor abgefragten Stressor angezeigt.

Beispielitem:

Ich habe mir eingeredet, dass das alles nicht wahr ist.

Verwendete Antwortskala Die verwendeten Bewältigungsstrategien wurden anhand einer Nominalskala abgefragt. Der Hintergrund liegt in einer Vereinfachung für die Untersuchungsteilnehmer: Insgesamt standen den Teilnehmern 15 verschiedene Bewältigungsstrategien zur Verfügung. Im Falle der Verwendung einer 5-er Likert Skala hätten den Teilnehmern 75 verschiedenen Antwortmöglichkeiten zur Verfügung gestanden. Diese Abfrage nach den verwendeten Bewältigungsstrategien konnte in Abhängigkeit vom

166

6 Stress in multikulturellen Teams – quantitative Hauptuntersuchung

gezeigten Antwortverhalten bis zu sieben Mal pro Teilnehmer erscheinen. Dies hätte die maximale Zahl der Antwortmöglichkeiten im Rahmen der verwendeten Bewältigungsstrategien auf 525 erhöht. Um die Breite der zur Verfügung stehenden Bewältigungsstrategien dennoch darstellen zu können und den Teilnehmer durch die Vielzahl von Antwortmöglichkeiten nicht zu überfordern, fiel die Wahl auf die Verwendung einer Nominalskala. Beanspruchungsempfinden Um dem Risiko einer einseitigen Ansprache des semantischen Gedächtnisses entgegenzuwirken, ist es zweckdienlich, zudem eine Kategorisierung des Stressors nach spezifischen Charakteristika vorzunehmen (Busch, 2004, S. 72). Eine solche könnte beispielsweise über die Einstufung der wahrgenommenen Intensität des Stressors erfolgen. Zu diesem Zweck wurde bei Stressoren, die mindestens oft auftraten, unmittelbar im Anschluss nach dem ausgelösten Beanspruchungsempfinden gefragt. Dieses wurde mit einem Item erfasst. Ein Vorgehen, das in der Stressforschung durchaus üblich ist (vgl. Pines & Zaidman, 2014). Die Frage nach der verwendeten Bewältigungsstrategie erschien, wenn das Beanspruchungsempfinden als mindestens stark eingestuft wurde.

Filterfrage:

Wie stark fühlen Sie sich dadurch beansprucht?

Verwendete Antwortskala Die in Tabelle 10 dargestellte Antwortskala nimmt Bezug auf die vorangegangene Frage nach dem Beanspruchungsempfinden, welches durch einen spezifischen Stressor ausgelöst wurde. Tabelle 10: Antwortskala für die Erfassung des Beanspruchungsempfindens. 1

2

3

4

5

Deutsch

überhaupt nicht

wenig

mittelmäßig

stark

sehr stark

Englisch

not at all

slightly

moderately

very

extremely

6.1 Konzeption und Entwicklung der quantitativen Untersuchung

167

Wohlbefinden Das Wohlbefinden wurde mittels geringfügig modifizierter Items der Skalen psychische Erschöpfung und Gereiztheit/Belastetheit von Ducki (1998, S. 293) erfasst. Die Grundlage für die von ihr verwendeten Skalen bilden die Skalen Gereiztheit/Belastetheit und psychosomatische Beschwerden von Mohr (1986, Anhang S. 8ff.). Der von Mohr verwendete Begriff der Gereiztheit/Belastetheit geht dabei von einem Zustand der Erschöpfung aus, der alleine durch tägliche Auszeiten nicht beseitigt werden kann (Ducki, 1998, S. 139). Die Items der dazugehörigen Skala sollen das Ausmaß der wahrgenommenen Regenerationsfähigkeit abbilden. Eine Zusammenfassung beider Skalen zu einer Gesamtskala wurde als sinnvoll erachtet, da die Items unspezifische Erschöpfungssymptome in Form von Befindensbeeinträchtigungen abbilden (vgl. Ducki, 1998, S. 168). Weiterhin wurde ein Zusammenfassen der Skala mittels einer Faktorenanalyse überprüft.

Beispielitem:

Ich spüre innere Nervosität und Anspannung.

Verwendete Antwortskala Die Erfassung des Wohlbefindens beziehungsweise der auftretenden Befindensbeeinträchtigungen wurde ebenfalls über die Häufigkeit des Auftretens gemessen. Da bei der Angabe psychischer Befindensbeeinträchtigungen mit Verleugnungstendenzen zu rechnen ist (Mohr, 1986, S. 153), wurde die Abstufung der Originalskala von Mohr (1986, S. 152) übernommen. Mit der von ihr vorgenommenen Abstufung ist auch die Berücksichtigung geringer und selten auftretender Befindensbeeinträchtigungen möglich (vgl. Mohr, 1986, S. 153). Die verwendete Skala umfasste fünf Items und ist in Tabelle 11 aufgeführt.

168

6 Stress in multikulturellen Teams – quantitative Hauptuntersuchung

Tabelle 11: Antwortskala für die Erfassung des Wohlbefindens. 1

2

3

4

5

Deutsch

nie

selten (alle paar Monate)

gelegentlich (alle paar Wochen)

oft (alle paar Tage)

sehr oft (fast täglich)

Englisch

never

rarely (every few months)

occasionally (every few weeks)

often (every few days)

very often (almost daily)

Kontrollvariablen Verschiedene Variablen können Auswirkungen auf das Antwortverhalten einzelner Teilnehmer haben. Einige Studien konnten beispielsweise einen Zusammenhang zwischen Alter und Irritation feststellen (Meier & Semmer, 2012). Auch Lantz et al. (2001) konnten Auswirkungen des Alters und des Geschlechts auf die Wahrnehmung von Belastungen nachweisen. Ein solcher Zusammenhang ist auch bei den im Zuge dieser Arbeit verwendeten Variablen nicht auszuschließen, weshalb das Alter und das Geschlecht als Kontrollvariablen mit in den Fragebogen aufgenommen wurden. Diese Variablen wurden auch in anderen Studien wie jenen von Harris, Harvez und Kacmar (2009), die zusätzlich lediglich noch die Dauer der Organisationszugehörigkeit erfassten, oder Nordenmark, Vinberg und Strandh (2012) verwendet. Letztere verweisen sogar darauf, dass Alter und Geschlecht die gängigen Kontrollvariablen in der Stressforschung sind. Darüber hinaus wurde eine schrittweise multiple Regressionsanalyse durchgeführt, um zu überprüfen, ob möglicherweise weitere Kontrollvariable einen Beitrag zur Aufklärung der Varianz des Wohlbefindens leisten können. Dabei konnte keine weitere Variable einen Beitrag zur Varianz leisten. 6.1.2

Durchführung der quantitativen Untersuchung

Um die Güte der zuvor ausgewählten und vor allem übersetzen Items zu überprüfen, wurden verschiedene Verfahren gewählt.

6.1 Konzeption und Entwicklung der quantitativen Untersuchung

169

Zunächst wurden die beiden Fragebogenversionen nach erfolgter Übersetzung und Rückübersetzung an verschiedenen Probanden getestet. Mittels mehrerer Erhebungen sollte die Zuverlässigkeit und die damit einhergehende Genauigkeit der erhobenen Daten überprüft werden. Eine besondere Bedeutung kommt an dieser Stelle der Reliabilität zu, unter welcher die Zuverlässigkeit beziehungsweise Genauigkeit eines Fragebogens verstanden wird (Sedlmeier & Renkewitz, 2013, S. 71). Auch bei wiederholten Messvorgängen sollte ein ähnliches Messergebnis erzielt werden. Dieses Verfahren wurde insgesamt vier Mal mit Studierenden verschiedener Hochschulen im In- und Ausland durchgeführt. Die Reliabilitätsschätzung erfolgte dabei mittels Cronbachs α Koeffizient (Cronbach, 1951). Im Zuge der Pretests wurde die Reliabilität der verwendeten Skalen berechnet. Alle Skalen, deren Items unter einem Wert von Cronbachs α = .70 lagen, wurden überarbeitet. Durch die Zweisprachigkeit des verwendeten Fragebogens musste im Falle einer Veränderung deutschsprachiger Items auch eine Veränderung des englischsprachigen Items vorgenommen werden und umgekehrt. Hinzu kam, dass die englischsprachigen Items anschließend wieder rückübersetzt werden mussten. Die Reliabilitätswerte wurden jeweils mit dem Cronbachs α Koeffizient des anderssprachigen Fragebogens verglichen. Bei stark abweichenden Werten wurden die Items entweder neu getestet oder so lange überarbeitet, bis die Items bei Folgetests Werte von mindestens α = .70 aufwiesen. Die Ansprache der Teilnehmer für die quantitative Hauptuntersuchung fand über verschiedene Kanäle statt. Zum einen wurden Aufrufe über soziale Medien, wie Xing oder Linkedin platziert. Die Aufrufe wurden sowohl in deutscher als auch englischer Sprache verfasst und umfassten neben näheren Informationen zum Forschungsvorhaben auch Verlinkungen zur deutsch- und englischsprachigen Umfrage, um eine direkte Teilnahme zu ermöglichen. Darüber hinaus kam es zu weiteren individuellen Ansprachen via Telefon oder E-Mail. Dabei variierte die Ansprache und damit verbundene Zugabe von Dokumenten je nach Kommunikationskanal. Des Weiteren erfolgten Aufrufe in Zeitschriften und verschiedenen Netzwerken, wie das Kunststoff-Netzwerk Franken oder das oberfränkische Personaler Netzwerk PERSONET. Daneben fand eine umfassende Ansprache von Unternehmensvertretern im In- und Ausland über einen Zeitraum von mehreren Monaten statt. Ziel war es, die Anzahl an Teilnehmern zu erhöhen.

170

6 Stress in multikulturellen Teams – quantitative Hauptuntersuchung

Zu diesem Zweck wurden auch unternehmensspezifische Ansprachen mit näheren Informationen zu dem Forschungsvorhaben und, sofern gewünscht, unternehmensspezifischen Umfragelinks versendet. Einige Unternehmen entschieden sich gegen einen unternehmensspezifischen Umfragelink, um mögliche Datenschutzbedenken ihrer Mitarbeiter im Vorfeld auszuräumen. Für eine unternehmensspezifische Auswertung konnten insgesamt drei Unternehmen gewonnen werden. Die Ansprache der Mitarbeiter in den kooperierenden Unternehmen erfolgte unterschiedlich. In allen Fällen wurden den Unternehmensvertretern Dokumente zur Weitergabe an die Mitarbeiter zur Verfügung gestellt, darunter ein Dokument, welches die Teilnehmer über die Hintergründe und Ziele der Untersuchung informierte. Ziel war es, durch Transparenz und persönliche Ansprache die Bereitschaft zu einer Teilnahme zu erhöhen und zugleich Abbrüchen während der Befragung entgegenzuwirken. Ein jeweils deutsch- und englischsprachiges Exemplar ist im Anhang, Anhang 5 (deutschsprachige Version) und Anhang 6 (englischsprachige Version), enthalten. In drei der beteiligten Unternehmen wurden die Mitarbeiter über die Personalabteilung zu einer Teilnahme aufgerufen. In einem Fall erfolgte die Ansprache über die Geschäftsführung. In den Fällen, in welchen die Unternehmen über einen allgemeinen Link an der Umfrage teilnahmen, wurden die Mitarbeiter u.a. über Mitarbeiterzeitungen oder Rundmails über die Möglichkeit einer Teilnahme an der Befragung informiert. In allen Fällen erfolgte die Teilnahme der Mitarbeiter ausdrücklich freiwillig. Des Weiteren konnte ein Panel für eine Teilnahme gewonnen werden – das Socio-Scientific Panel. Hierbei handelt es sich um ein peer-reviewed

6.1 Konzeption und Entwicklung der quantitativen Untersuchung

171

wissenschaftliches Befragungspanel zur Unterstützung wissenschaftlicher Forschung.13 Bei unternehmensbezogenen Umfragen erfolgte zwei Wochen nach Beginn der Befragung eine erneute Erinnerung. Bei öffentlichen Netzwerken erfolgte eine Statusaktualisierung, die an die Teilnahme erinnern sollte. Durch diese Maßnahmen sollte die Teilnahmebereitschaft ebenfalls erhöht werden. Zudem gab es einen Anreiz zur Teilnahme in Form einer Gutscheinverlosung. Durch den Einsatz von Incentives, beispielsweise in Form von Gutscheinen, kann die Teilnahmebereitschaft von Probanden erhöht werden (Hlawatsch & Krickl, 2014). Als solcher wurde ein Gutschein für einen Onlineshop der eigenen Wahl in Höhe von 40 Euro verlost. Die Durchführung der Befragung fand in dem Zeitraum vom 10. Dezember 2015 bis zum 12. April 2016 statt. 6.1.3

Aufbereitung der Daten und Gütekriterien des Messinstruments

Die Erhebung fand, wie bereits beschrieben, mittels unterschiedlicher Links statt. Die sich hieraus ergebenden acht Datensätze wurden zunächst einzeln aufbereitet und auf ihre Vollständigkeit hin geprüft. Daneben wurde auch der korrekte Import aus der verwendeten Fragebogensoftware überprüft. Anschließend erfolgte die Überprüfung der Reliabilität je Datensatz. Nach einer Prüfung der Reliabilitätswerte der deutsch- und englischsprachigen Datensätze wurden diese zu einem gesamten Datensatz zusammengefügt. Ein Zusammenfügen der Fragebögen war durch die gleichen Variablenbezeichnungen und äquivalenten Antwortformaten ohne weiteres möglich. Im Folgenden werden die Gütekriterien des Fragebogens vorgestellt. Dabei handelt es sich um Objektivität, Reliabilität und Validität (Bühner, 2011, S. 58). Als Objektivität lässt sich die Unabhängigkeit der Ergebnisse vom 13 Für die Teilnahme an der Untersuchung im Rahmen des Panels musste der Fragebogen einigen geringfügigen Änderungen unterzogen werden, die durch den Reviewprozess erforderlich waren. Diese umfassten eine geringfügige Änderung der Einleitung, die Aufnahme einer Zusatzfrage, ein Debriefing am Ende des Fragebogens samt Nennung eines Ansprechpartners sowie ein zusätzlicher Hinweissatz bei Interesse an der Verlosung. Es wurden jedoch keine Items, deren Anordnung oder die Programmierung des Fragebogens geändert, weshalb mit keiner Auswirkung auf die Daten zu rechnen ist.

172

6 Stress in multikulturellen Teams – quantitative Hauptuntersuchung

Untersucher bezeichnen (Bühner, 2011, S. 58). Dabei ist zwischen drei Arten der Objektivität zu differenzieren: Durchführungsobjektivität Die Durchführungsobjektivität ist gegeben, wenn die Durchführung bei jeder Untersuchung gleich bleibt und nicht variiert. Dies gilt insbesondere für das Verhalten des Untersuchungsleiters (Bühner, 2011, S. 59). Da es sich um einen Onlinefragebogen handelt und es damit zu keinem Kontakt zwischen den Teilnehmern und der Untersuchungsleiterin kam, kann von einer hohen Durchführungsobjektivität ausgegangen werden. Alle Fragen und Antwortvorgaben waren standardisiert, weshalb von einer hohen Durchführungsobjektivität auszugehen ist. Auswertungsobjektivität Die Auswertung beziehungsweise die Bewertung der Ergebnisse sollte unabhängig vom Auswertenden sein (Bühner, 2011, S. 59f.). Da es sich um einen digitalen Fragebogen handelt, dessen Antworten standardisiert und direkt wie eingegeben in die Auswertung eingeflossen sind, ist eine hohe Auswertungsobjektivität gegeben. Interpretationsobjektivität Die Interpretation der Testergebnisse sollte unabhängig vom Auswerter sein (Bühner, 2011, S. 60). Die Antworten der Teilnehmer erfolgten in nummerischen Werten oder dichotomen Ausprägungen, welche mit einem nummerischen Wert hinterlegt waren. Es gab keine offenen Antwortfelder. Die Bewertung der Ergebnisse erfolgt nach in der Wissenschaft verwendeten Maßstäben, die vielfach erprobt und bewertet wurden. Die Beurteilung der Ergebnisse ist damit unabhängig vom einzelnen Auswerter.

6.1 Konzeption und Entwicklung der quantitativen Untersuchung

173

Reliabilität der Skalen Daneben wurde die Reliabilität der Skalen überprüft. Zur Bewertung dieser wurde der α Koeffizient nach Cronbach (1951) herangezogen. Hinsichtlich einer ausreichenden Reliabilität gibt es verschiedene Auffassungen: Peterson (1994) zeigt in seiner Metaanalyse die Entwicklung der Bewertung unterschiedlicher Cronbachs α Werte auf. Bei dieser Betrachtung fällt auf, dass der empfohlene Wert des Cronbachs α Koeffizienten über die Jahrzehnte angestiegen ist (Peterson, 1994). Grundsätzlich werden bei der Bewertung die folgenden Richtwerte zu Grunde gelegt: α = .70 akzeptabel α = .80 gut α = .90 ausgezeichnet (Nunnally & Bernstein, 1994, S. 265). Ein wichtiger Aspekt bei der Bewertung des α Koeffizienten ist, dass das Cronbachs α auf Grund der dahinter liegenden Formel mit einer Zunahme an Items steigt (vgl. Peterson, 1994; Döring & Bortz, 2016, S. 468). Je mehr Items in einer Skala enthalten sind, desto höher ist der α Wert. Dies führt dazu, dass einige Forscher eher Skalen mit vielen Items verwenden, mit dem Ziel Cronbachs α zu erhöhen, zugleich jedoch nicht zwangsweise mehr Varianz aufklären (Vries, 2013). Je kürzer eine Skala, desto akzeptabler müsste im Umkehrschluss ein geringerer α Koeffizienten sein. Die Reliabilität pro Skala wurde zunächst je Datensatz berechnet. Dies gilt sowohl für die deutschsprachigen als auch für die englischsprachigen Versionen. Dabei wurde darauf geachtet, dass die Cronbachs α Werte nicht zu stark von ihrem sprachlichen Äquivalent abweichen und einen Mindestwert von α = .70 erreichen. In Tabelle 12 wird die Reliabilität der aufgenommenen Stressoren vorgestellt.

174

6 Stress in multikulturellen Teams – quantitative Hauptuntersuchung

Tabelle 12: Reliabilitätswerte der sozialen Stressoren. Skala

Anzahl der Items

Cronbachs α

Diskriminierung

2

.83

Konflikte

2

.83

Meinungsverschiedenheiten

2

.72

Misstrauen

2

.87

Mangelhafte Informationsweitergabe

2

.79

Missverständnisse

2

.80

soziales Faulenzen

2

.82

Bei der Betrachtung der Reliabilitätswerte fällt der geringe Wert des α Koeffizienten der Meinungsverschiedenheiten auf. Einer der möglichen Ursachen für den geringeren Wert könnte in der Formulierung der Items liegen. Die Items der Skalen befassen sich mit zwei unterschiedlichen Facetten der Meinungsverschiedenheiten. Zum einen wird abgefragt, wie häufig es zu Meinungsverschiedenheiten über die Art und Weise kommt, wie eine Arbeitsaufgabe auszuführen ist. Die andere Facette befasst sich mit Meinungsverschiedenheiten darüber, wann eine Aufgabe ausgeführt werden soll. Damit soll den Ergebnissen der Voruntersuchung Rechnung getragen werden, welche unter anderem Meinungsverschiedenheiten auf Grund eines unterschiedlichen Zeitverständnisses offenbarten. Diese unterschiedlichen Facetten können sich negativ auf den Reliabilitätswert ausgewirkt haben. Der Cronbachs α Wert von α = .72 ist dennoch als akzeptabel zu bewerten. Obwohl bei allen Skalen die Cronbachs α Werte recht ähnlich waren und die Fragebögen damit problemlos zu einem Gesamtdatensatz zusammengefügt werden konnten, gab es eine Skala, die trotz vorheriger mehrfacher Testung einen wesentlich geringeren Cronbachs α Wert in dem englischsprachigen Fragebogen gegenüber dem deutschen Fragebogen aufwies. Dies betraf die Skala zu dem Stressor mangelhafte Informationsweitergabe. Die Werte betrugen im deutschen Fragebogen α = .73, im englischen Fragebogen hingegen lediglich α = .58. Auch wenn beispielsweise

6.1 Konzeption und Entwicklung der quantitativen Untersuchung

175

Stadler (2009, S. 174), auf einen immer noch zufriedenstellenden Cronbachs α Wert von > .4 für eine Skala bestehend aus zwei bis drei Items verweist, ist dieser Wert unter Berücksichtigung der zuvor dargelegten Richtwerte als zu gering zu bewerten. Auch der Unterschied des Cronbachs α Wertes zwischen der deutschen und der englischsprachigen Version ist als zu hoch zu bewerten, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die beiden Skalen möglicherweise etwas anderes abbilden. Aus diesem Grund wurde die englischsprachige Skala zur mangelhaften Informationsweitergabe in der weiteren Auswertung nicht weiter berücksichtigt, was zu einem Ausschluss von 83 Fällen führte. Tabelle 13: Reliabilitätswerte der sozialen Ressourcen. Skala

Anzahl der Items

Cronbachs α

Teamreflexivität

2

.82

gleichberechtigte Partizipation

2

.86

Kohäsion

2

.85

soziale Unterstützung Kollegen

4

.80

soziale Unterstützung Vorgesetzter

4

.91

Die in Tabelle 13 aufgeführten Reliabilitätswerte der einzelnen sozialen Ressourcen sind ebenfalls als gut zu bezeichnen. Die leichte Modifizierung der Items Teamreflexivität und gleichberechtigten Partizipation wirkte sich positiv auf deren Reliabilität aus. Auch die Reliabilitätswerte zur sozialen Unterstützung sind als gut zu bewerten und entsprechen den zuvor gemessenen Werten anderer Autoren (Cronbachs α Werte zwischen α = .69 - .81 für die deutschsprachige Skala zur sozialen Unterstützung in einer Langform, bestehend aus 28 Items in Busch, 2004, S. 203; α = .86 in der englischsprachigen Originalskala von Macdonald, 1998).

176

6 Stress in multikulturellen Teams – quantitative Hauptuntersuchung

Tabelle 14: Reliabilitätswerte des Wohlbefindens. Skala Wohlbefinden

Anzahl der Items

Cronbachs α

5

.85

Tabelle 14 enthält den ermittelten Reliabilitätswert für die Skala Wohlbefinden. Dieser ist als gut zu bewerten und liegt sogar über den von Ducki (1998, S. 165.) angegebenen Werten (Skalen Gereiztheit/Belastetheit mit α = .58 - .63 und psychische Befindensbeeinträchtigungen mit α = .78 - .81). Für den Brief COPE gibt es in Abhängigkeit des herangezogenen Reliabilitätskoeffizienten unterschiedliche Reliabilitätswerte. Monzani et al. (2015) verwendeten beispielsweise den ω- Koeffizient von McDonald (1999, S. 89ff.) und ermittelten Werte zwischen ω = .705 - .976. Carver (1997) verweist auf Reliabilitätswerte mittels Cronbachs α Koeffizienten zwischen α = .50 - .90. Auch wenn die Reliabilitätswerte an dieser Stelle sehr gering erscheinen, ist zu berücksichtigen, dass es sich um sehr kurze Skalen, jeweils bestehend aus lediglich zwei Items, handelt. Validität Die Validität ist ein sehr wichtiges Gütekriterium. Sie gibt an, inwieweit der Test das misst, was er angibt zu messen (Bühner, 2011, S. 61). Besonders wichtig ist die Konstruktvalidität. Hierbei geht es darum zu messen, ob die in dem Test verwendeten Messinstrumente wirklich die theoretischen Konstrukte repräsentieren (Döring & Bortz, 2016, S. 63). Zur Überprüfung der Konstruktvalidität wurde eine explorative Faktorenanalyse durchgeführt. Mittels dieser können Variablen entsprechend ihrer korrelativen Beziehungen in unabhängige Gruppen klassifiziert werden (vgl. Bortz & Schuster, 2010, S. 386; DeVon et al., 2007). Unter Faktoren werden im Rahmen einer Faktorenanalyse hypothetische Größen verstanden, welche zur Erklärung von Merkmalszusammenhängen herangezogen werden können (Bortz & Schuster, 2010, S. 386). Ein Faktor ist dabei eine synthetische Variable, die ausgehend von den jeweiligen Korrelationen zwischen den gemessenen Variablen gebildet wird und mit sämtlichen Variablen

6.1 Konzeption und Entwicklung der quantitativen Untersuchung

177

möglichst hoch korreliert. Die gängigsten Verfahren zur Auswahl der Faktoren sind der Screen-Plot, durch welchen eine graphische Darstellung der Faktoren erfolgt, sowie das Kaiser-Kriterium. Die Anzahl der Faktoren wurde dabei nicht vorgegeben, sondern anhand des Kaiser-Kriteriums bestimmt. Nach diesem sind die Faktoren auszuwählen, deren Eigenwert größer als eins ist (Döring & Bortz, 2016, S. 482). Entsprechend diesem Verfahren wurde eine Hauptkomponentenanalyse mit einer Extraktion basierend auf dem Eigenwert größer als eins für die Skalen soziale Unterstützung durch Kollegen, soziale Unterstützung durch den Vorgesetzten und Wohlbefinden durchgeführt. Bei allen wurde jeweils nur ein Faktor extrahiert. Die Ergebnisse dieser Verfahren sind im Anhang als Anhang 11 enthalten. 6.1.4

Analyse der Daten

Alle Daten wurden auf mögliche Eingabe- oder Importfehler hin untersucht. Das Vorhandensein möglicher Ausreißer wurde mittels Boxplotverfahren überprüft. Um eine Informationsreduktion zu vermeiden und die Repräsentativität der Studie nicht einzuschränken, wurden alle Tests mit den ungefilterten Daten berechnet. Fehlende Werte wurden paarweise ausgeschlossen. Die Normalverteilung wurde mittels zentralem Grenzwerttheorem angenommen (vgl. Döring & Bortz, 2016, S. 641). Alle Tests wurden mit dem Statistikprogramm SPSS 23 und SPSS 24 berechnet. Die einzige Ausnahme stellt die Berechnung der Effektstärken dar, welche unter Zuhilfenahme von Microsoft Excel 2013 berechnet wurden. Die in den Hypothesen enthaltenen Unterschiedsannahmen zwischen multi- und monokulturell zusammengesetzten Teams wurden unter anderem durch t-Tests für unabhängige Stichproben analysiert. Zunächst wurde mittels des Levene-Tests die Gleichheit der Varianzen zwischen zwei Gruppen untersucht. Um die Ergebnisse zwischen zwei Gruppen interpretieren zu können, wurde zusätzlich die Effektstärke berechnet. Zu diesem Zweck gibt es verschiedene Größenmaße, die herangezogen werden können. Das Effektgrößenmaß von Cohen (1988, S. 20ff.) gilt als das am häufigsten verwendete und zugleich bekannteste Maß für die Berechnung von Effektgrößen bei Unterschieden zwischen zwei Gruppen (Döring & Bortz, 2016, S. 816). Die Formel zur Berechnung dieser lautet:

178

6 Stress in multikulturellen Teams – quantitative Hauptuntersuchung

𝛿" =

𝑥% − 𝑥' 𝜎)

(Döring & Bortz 2016, S. 822) Neben dem Effektgrößenmaß von Cohen gibt es in der Literatur noch weitere, auf Spezifika der Stichprobe eingehende, Modifikationen der dargestellten Formel. Ein solches Spezifikum stellt beispielsweise die unterschiedliche Größe der zu vergleichenden Gruppen dar. In der hier vorliegenden Studie ist die Stichprobe der Mitglieder monokultureller Teams größer als die der multikulturell zusammengesetzten Teams. Um auf dieσ ses Spezifikum eingehen zu können, ist eine andere Berechnung des + notwendig. Döring und Bortz (2016, S. 823) verweisen bei unterschiedlich großen Stichproben auf die folgende Formel:

(𝑛% − 1) + 𝜎%3 + (𝑛' − 1) + 𝜎'3 𝜎) = (𝑛% − 1) + (𝑛' − 1) Voraussetzungen für eine Berechnung der dargestellten Formel ist allerdings eine Gleichheit der Varianzen (Döring & Bortz, 2016, S. 823). Sind die Varianzen zwischen zwei Gruppen unterschiedlich, so wird empfohlen den d Koeffizienten von Glass (1976) zu verwenden (Döring & Bortz, 2016, S. 823). Neben der Durchführung der t-Tests wurde für den Vergleich der verwendeten Bewältigungsstrategien zwischen den Gruppen ein 𝝌2-Test durchgeführt. Dieser ist im Gegensatz zu dem t-Test auch für nominalskalierte Variablen geeignet (Döring & Bortz, 2016, S. 738). Um die Auswirkungen der sozialen Stressoren und Ressourcen auf das Wohlbefinden näher analysieren zu können, wurden zudem multiple Regressionsanalysen durchgeführt. Multiple Regressionsanalysen bieten den Vorteil, dass sie eine simultane Berücksichtigung verschiedener Prädiktorvariablen zulassen (vgl. Busch, 2004, S. 185). Bei der Vorhersagekraft der Variablen ist davon auszugehen, dass sowohl die Ressourcen als auch die Stressoren Auswirkungen auf das Wohlbefinden haben. Um diese zu überprüfen, wurde eine schrittweise hierarchische Regression nach dem Einschlussverfahren durchgeführt. Die Durchführung einer (multiplen) Regressionsanalyse ist an eine Reihe von Voraussetzungen

6.1 Konzeption und Entwicklung der quantitativen Untersuchung

179

gebunden. Neben der Notwendigkeit einer Normalverteilung der Daten sowie der Residuen müssen die Beobachtungen unabhängig sein und ein linearer Zusammenhang zwischen der abhängigen und den einzelnen unabhängigen Variablen bestehen. Darüber hinaus muss eine Homoskedastizität der Residuen gegeben sein. Diese Voraussetzungen wurden überprüft. Ferner darf keine Multikollinearität der Variablen vorliegen. Dies wurde mittels des Varianz-Inflations-Faktors (VIF) und Toleranzwerten der Kollinearitätsstatistik überprüft. Die Werte der Variablen lagen über 0.1 beziehungsweise unter 10, wodurch eine Kollinarität ausgeschlossen werden kann. Eine weitere Voraussetzung ist ein angemessenes Verhältnis zwischen der Anzahl der Fälle zur Anzahl an Variablen. In der Literatur finden sich hierzu verschiedene Richtlinien. Stevens (2009, S. 71) verweist auf ein Minimum von 15 Teilnehmer je Prädiktor, andernfalls droht die Aussagefähigkeit des Modells zu sinken. Diesem Minimum wird sich im Rahmen der durchzuführenden Regressionsanalysen angeschlossen. Bei den Berechnungen wurden die Kontrollvariablen in einem ersten Schritt aufgenommen. In einem zweiten Schritt wurden die unabhängigen Prädiktorvariablen aufgenommen. In den Modellen, in denen das Vorliegen eines Moderatoreffekts überprüft wurde, wurden in einem dritten Schritt die Interaktionsterme integriert. Diese Schritte wurden jeweils für multi- und monokulturell zusammengesetzte Teams durchgeführt und mit einem Konfidenzintervall von 95% berechnet. Für die multiplen Regressionsmodelle wurden ebenfalls Effektstärken berechnet. Die hierfür zu Grunde liegende Formel lautet:

𝑓3 =

𝑅3 1−𝑅3

(Cohen, 1992) 6.1.5

Beschreibung der Stichprobe

Insgesamt nahmen 1107 Teilnehmer an der Befragung teil. Da der Schwerpunkt dieser Arbeit auf der Erforschung von jenen Stressoren und Ressourcen liegt, die aus der direkten Interaktion in einem Team entstehen, wurden in einem ersten Schritt jene Teilnehmer, die nicht in

180

6 Stress in multikulturellen Teams – quantitative Hauptuntersuchung

persönlichem Kontakt (face-to-face) miteinander arbeiten, vom Gesamtdatensatz entfernt (n = 80). Eine weitere Einschränkung resultierte aus der in den Abschnitten 2.3.1 und 2.4 getätigten Teamdefinition, nach welcher Teams erst ab einer Größe von mindestens 3 bis maximal 30 Teammitgliedern berücksichtigt werden. Da die vorliegende Forschungsarbeit explizit die Spezifika multikultureller Teams im Vergleich zu monokulturellen Teams untersucht, wurden zudem jene Teams von der Untersuchung ausgeschlossen, die sich nach Angaben der Teilnehmer lediglich aus zwei Nationalitäten zusammensetzen. Die Gesamtgröße des Datensatzes reduzierte sich somit auf 720. Über eine weitere Variable wurde zudem abgefragt, ob der Fragebogen von weiteren Mitgliedern des eigenen Teams ausgefüllt wurde. Diese Frage haben lediglich 41 Teilnehmer und damit 6% der Befragten mit einem Ja beantwortet. Der größte Teil der Teilnehmer mit N = 353 gab an, hierüber keine Kenntnis zu haben, was 51.8% der Teilnehmer entspricht. Auch die zusätzliche Kontrollfrage, ob den Teilnehmern der Fragebogen von einem anderen Mitglied ihres Teams weitergeleitet wurde, wurde lediglich von 45 Teilnehmern und damit 6.3% mit einem Ja beantwortet. Es kann daher angenommen werden, dass die Teilnehmer überwiegend aus unterschiedlichen Teams stammen. Da der Fragebogen jedoch über verschiedene Links zugänglich war, kann nicht vollkommen ausgeschlossen werden, dass in Einzelfällen doch mehr als ein Mitglied pro Team an der Befragung teilgenommen hat. Bei dem Ausschluss jener Teilnehmer, die eine der beiden Fragen mit Ja beantwortet haben, bestünde daher die Gefahr, die Ergebnisse der Studie zu verfälschen. Aus diesem Grunde werden alle einzelnen Antworten berücksichtigt. Einzelheiten zu der Stichprobe sind aufgeteilt in den gesamten Datensatz sowie in multi- und monokulturelle Teams in Tabelle 15 aufgeführt.

6.1 Konzeption und Entwicklung der quantitativen Untersuchung

181

Tabelle 15: Beschreibung der Stichprobe. Gesamt

Mono. Teams

Multi. Teams

720

522

198

58.5% 41.5%

60.2% 39.8%

53.9% 46.1%

18 69 38

18 64 39

18 69 37

3 30 9.1

3 30 7.8

3 30 12.3

1 20 1.8

1 1 1

3 20 3.98

0.5 298 44.2

0.5 298 47.5

1 191 36.8

85.0% 5.8% 3.9% 5.3%

87.1% 4.0% 4.4% 4.4%

79.1% 10.7% 2.7% 7.5%

Anzahl Geschlecht weiblich männlich Alter (in Jahren) min. max. Ø Gruppengröße min. max. Ø Anzahl Nationalitäten min. max. Ø Dauer der Zusammenarbeit (in Monaten) min. max. Ø Beruf Angestellte Arbeiter Selbstständige Sonstige

Da ein Großteil der Daten in Deutschland erhoben wurde, überrascht es nicht, dass der Großteil der Stichprobe mit 580 Teilnehmern aus deutschen Staatsangehörigen besteht. Daneben sind 33 weitere Nationalitäten vertreten. 47 Teilnehmer haben keine Angaben zu ihrer Nationalität gemacht. Diese Teilnehmer wurden, sofern Angaben über die Muttersprache getätigt wurden, mittels dieser Angaben operationalisiert. Eine Operationalisierung über die Muttersprache war nicht in allen Fällen möglich, da einige Teilnehmer weder eine Nationalität noch eine Muttersprache ausgewählt haben. In diesem Fall wurden die Informationen offen gelassen. Gleiches gilt für Teilnehmer, die keine Angaben über ihre Nationalität

182

6 Stress in multikulturellen Teams – quantitative Hauptuntersuchung

getätigt haben und eine Muttersprache auswählten, die in mehreren Ländern gesprochen wird, beispielsweise Englisch oder Französisch. Bei diesen Teilnehmern wurde die Nationalität als fehlender Wert eingetragen. 25 Teilnehmer gaben an, mehr als eine Staatsangehörigkeit zu besitzen. Ein Teilnehmer gab sogar an, über fünf verschiedene Nationalitäten zu verfügen. Da diese Nationalitäten bei der Erfassung der Nationalitäten alphabetisch unmittelbar nebeneinander lagen, liegt die Annahme nahe, dass es sich um einen Eingabefehler handelt. Um eine Verzerrung der Ergebnisse zu vermeiden, wurden die Nationalitäten dieses Teilnehmers nicht weiter berücksichtigt. Bei der Betrachtung der Berufe der Teilnehmer fällt eine überdurchschnittlich höhere Teilnahme von Angestellten gegenüber Arbeitern auf. Dies kann möglicherweise mit der Bereitstellung eines internetfähigen Computers am Arbeitsplatz sowie der insgesamt größeren Anzahl an Angestellten gegenüber der Anzahl an Arbeitern in Deutschland zusammenhängen. Auch die geringe Teilnehmeranzahl an Selbstständigen kann mit dem geringen Anteil an Selbstständigen innerhalb der deutschen Gesamtbevölkerung (Bundeszentrale für politische Bildung, 2013; Statistisches Bundesamt, 2016, S. 351) in Verbindung stehen. Hinzu kommt, dass viele der Teilnehmer, wie in Kapitel 6.1.2 dargestellt, über Unternehmen angesprochen wurden. Da Selbstständige über diesen Kanal in der Regel nicht erreicht werden, blieben für sie als Zugangsmöglichkeiten soziale Netzwerke und die Weiterleitung der Fragebogenlinks. Eine Übersicht über die angegebenen Nationalitäten ist Tabelle 16 zu entnehmen. In der Tabelle sind auch jene Teilnehmer enthalten, die angaben, eine doppelte Staatsbürgerschaft zu besitzen. Aus diesem Grunde kann die Anzahl der Nationalitäten und die Anzahl der tatsächlichen Teilnehmer voneinander abweichen.

6.2 Ergebnisse der quantitativen Untersuchung

183

Tabelle 16: Anteil vertretener Nationalitäten. Nationalität

Häufigkeit

Anteil

Nationalität

Häufigkeit

Anteil

Deutsch Österreichisch Australisch Schweizer Amerikanisch Chinesisch Russisch Italienisch Türkisch Niederländisch Estnisch Brasilianisch Britisch Französisch Japanisch Mexikanisch Spanisch Summe

580 40 20 12 10 6 6 5 4 4 2 1 1 2 2 2 2 699

80.56 5.56 2.78 1.67 1.39 0.83 0.83 0.69 0.56 0.56 0.28 0.14 0.14 0.28 0.28 0.28 0.28 98.08

Tscheschich Pakistanisch Lettisch Kroatisch Griechisch Indisch Irisch Litauisch Polnisch Portugisisch Slowakisch Slowenisch Luxemburgisch Chilenisch Vietnamesisch Belgisch Sonstige Summe

2 2 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 19

0.28 0.28 0.14 0.14 0.14 0.14 0.14 0.14 0.14 0.14 0.14 0.14 0.14 0.14 0.14 0.14 0.14 2.64

6.2

Ergebnisse der quantitativen Untersuchung

Es folgen die Ergebnisse der quantitativen Untersuchung. Diese beginnen mit den Zusammenhängen zwischen den einzelnen Variablen sowie deren Vorhersageeigenschaften im Blick auf ein verringertes oder gesteigertes Wohlbefinden. 6.2.1

Ergebnisse der Zusammenhangsanalysen

Im Weiteren werden mögliche Zusammenhänge zwischen einzelnen Variablen untersucht und vorgestellt. Im Rahmen dieses Abschnitts soll die Frage beantwortet werden, ob und in welchem Umfang die sozialen Stressoren und sozialen Ressourcen dazu geeignet sind, ein gesteigertes oder vermindertes Wohlbefinden vorherzusagen. In einem ersten Schritt wurden Korrelationsanalysen durchgeführt. Zunächst werden die Ergebnisse für die multikulturell zusammengesetzten Teams vorgestellt. Die Ergebnisse, einschließlich der Mittelwerte und

184

6 Stress in multikulturellen Teams – quantitative Hauptuntersuchung

Standardabweichungen der untersuchten Variablen, sind in der Tabelle 17 dargestellt. Erwartungsgemäß korrelieren die sozialen Stressoren negativ mit dem Wohlbefinden. Der negative Zusammenhang zwischen den untersuchten sozialen Stressoren und dem Wohlbefinden ist hoch signifikant (p < .01). Die mangelhafte Informationsweitergabe weist den stärksten negativen Zusammenhang mit dem Wohlbefinden auf (r = -.42, p < .01), gefolgt von den Konflikten (r = -.40, p < .01). Zwischen der Anzahl der Mitglieder in einem Team und allen Stressoren mit Ausnahme der mangelhaften Informationsweitergabe besteht ein signifikanter positiver Zusammenhang. Der stärkste Zusammenhang besteht dabei zwischen dem Wohlbefinden und dem sozialen Faulenzen (r = .29, p < .01), gefolgt von den auftretenden Konflikten (r = .28, p < .01). Je höher die Anzahl der Teammitglieder, desto häufiger werden die Stressoren mit Ausnahme der mangelhaften Informationsweitergabe wahrgenommen. Die einzelnen sozialen Ressourcen korrelieren erwartungsgemäß positiv mit dem Wohlbefinden. Die stärksten Zusammenhänge bestehen zwischen dem Wohlbefinden und der sozialen Unterstützung durch den Vorgesetzten (r = .31, p < .01), gefolgt von der sozialen Unterstützung durch Kollegen (r = .28, p < .01). Die Korrelationsanalysen bestätigen den in den Forschungshypothesen 1 und 2 unterstellten Trend. Die Hypothese 1: Die sozialen Stressoren stehen in einem negativen Zusammenhang mit dem Wohlbefinden sowie Hypothese 2: Die sozialen Ressourcen stehen in einem positiven Zusammenhang mit dem Wohlbefinden sind auf Basis der in Tabelle 17 dargestellten Ergebnisse für die multikulturellen Teams als gut bewährt zu bewerten.

12.32

3.98

c

5 6

0.79 -.36** -.00d -.04 .07d .17*d .04d -.09f .05f

0.86 .22** -.06d -.09 -.00d .04d -.06d .06f -.03f -.03f -.23** -.65** -.46** -.50** -.58** -.49** -.45**

0.99

0.72 .28** -.04

2.32

2.61

3.67

3.73

3.77

3.71

3.46

16 MIS

17 Kohae

18 Refl

19 Part

20 SUK

21 SUV

d

d

.09 f

.16* .05 .04

d

.02

-.10 .15

d d

d

-.01

.00 d

d

.02

d

.03

f

f

.02f

-.01d -.01

.14* -.10d -.05 -.01d .12d .01d

.06f .60** .68** .55** .59** .59** .75**

.05f .62** .72** .56** .56** .62**

.05f .42** .71** .56** .58**

-.03f .38** .59** .39**

.01f .40** .59**

18 19

-.07f -.01f -.17* -.49** -.30** -.47** -.48** -.40** -.36** .63** .61** .48**

.03f -.02f -.16* -.50** -.29** -.43** -.47** -.40** -.35** .55** .54**

.03f -.01f -.03 -.42** -.24** -.41** -.36** -.32** -.28** .63**

.09 -.02d .28**d .10d -.05f .05f

.07

f

-.18* .09

d

-.09

f

f

d

17 20 21

Notiz: N=191. Geschlecht: 1 = männlich, 2= weiblich. a Dauer der Zusammenarbeit; bAnzahl der Teammitglieder cAnzahl der Nationalitäten innerhalb des Teams Rangkorrelation nach Spearman, e biseriale Rangkorrelation, f punktbiseriale Korrelation, g Phi Koeffizient, sonst Korrelation nach Pearson. Mittelwert und Standardabweichung werden nur für die ordinal- und intervallskalierten Variablen angegeben. **p