Stahlhochbau: Entwurf und Bemessung von Hallen und Geschossbauten (German Edition) [1 ed.] 3433034109, 9783433034101

Die deutsche Ausgabe des Buches TGC 11 "Charpentes Métalliques" der EPF Lausanne baut auf dem deutschen TGC 10

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Stahlhochbau: Entwurf und Bemessung von Hallen und Geschossbauten (German Edition) [1 ed.]
 3433034109, 9783433034101

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Stahlhochbau Entwurf und Bemessung von Hallen und Geschossbauten

Manfred A. Hirt, Michel Crisinel, Alain Nussbaumer

Stahlhochbau

Stahlhochbau Entwurf und Bemessung von Hallen und Geschossbauten

Manfred A. Hirt, Michel Crisinel und Alain Nussbaumer

Übersetzung aus dem Französischen ins Deutsche durch Herrn Dipl.-Ing. ETH Werner Rinderknecht

Autoren Prof. hon. EPFL, Dr., Manfred A. Hirt

Chemin du Prumay 9 CH-1026 Echandens Switzerland MSc. EPFL, Michel Crisinel

Chemin du Chêne 6 CH-1054 Morrens Switzerland Prof. EPFL, Dr., Alain Nussbaumer

Chemin de la Clergère 7 CH-1027 Lonay Switzerland

Titelbild Tramdepot Bernmobil, Bern, Schweiz Bauherrschaft: Bernmobil, Bern Architekten und Ingenieure: Penzel Valier AG, Zürich Stahlbau: Josef Meyer Stahl & Metall AG, Emmen Baujahr: 2011 (Foto: Dominique Uldry Fotografie, Bern)

Alle Bücher von Ernst & Sohn werden sorgfältig erarbeitet. Dennoch übernehmen Autoren, Herausgeber und Verlag in keinem Fall, einschließlich des vorliegenden Werkes, für die Richtigkeit von Angaben, Hinweisen und Ratschlägen sowie für eventuelle Druckfehler irgendeine Haftung. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

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Print ISBN 978-3-433-03410-1 ePDF ISBN 978-3-433-61154-8

Gedruckt auf säurefreiem Papier.

V

Inhaltsverzeichnis Über die Autoren XIII Vorwort XV Bezeichnungen XVII 1 1.1 1.2 1.3 1.3.1 1.3.2 1.4 1.4.1 1.4.2 1.4.3 1.4.4 1.5 1.5.1 1.5.2 1.5.3 1.6

Einleitung 1 Grundlagen, Hochbau, Brückenbau 1 Aufbau und Inhalt 1 Dokumente und Referenzen 2 Normen und Empfehlungen 2 Andere Referenzen 4 Konventionen 6 Terminologie und Typologie 6 Achsen 6 Verständigung und Vorzeichen 7 Einheiten 7 Kurzer historischer Abriss des Stahlhochbaues 7 18. und 19. Jahrhundert 7 Erste Hälfte des 20. Jahrhunderts 11 Zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts 14 Literaturverzeichnis 20

2 2.1 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4 2.2.5 2.2.6 2.3 2.3.1 2.3.2

Entwurf und Stabilisierung von Hallen und Geschossbauten Einleitung 21 Aus Ebenen gebildete Tragstrukturen 21 Form von Strukturen 21 Kraftverlauf und Zerlegung der Struktur 23 Rahmen aus Doppel-T-Profilen 25 Fachwerkbinder 32 Andere Binderformen 33 Rahmenstützen 34 Stabilisierung von Hallen 37 Windverbandsysteme 37 Abtragung der Horizontalkräfte 40

21

VI

Inhaltsverzeichnis

2.3.3 2.3.4 2.3.5 2.3.6 2.4 2.4.1 2.4.2 2.4.3 2.5 2.5.1 2.5.2 2.5.3 2.5.4 2.5.5 2.5.6 2.5.7 2.6 2.6.1 2.6.2 2.6.3 2.6.4 2.7 2.7.1 2.7.2 2.7.3 2.8 2.8.1 2.8.2 2.9 A2 A2.1

Begrenzung der Deformationen 41 Stabilisierung der Tragelemente 44 Stabilisierungselemente 46 Windverbände in geneigten Dächern 50 Shedkonstruktionen 52 Von der Haupttragstruktur unabhängige Shedkonstruktionen 53 In der Tragstruktur integrierte Shedkonstruktionen 54 Stabilisierung von Shedhallen 55 Typische Tragstrukturen von Geschossbauten 59 Gelenkige Strukturen 59 Tragstrukturen mit zentralem Kern 60 Konstruktionen mit steifen Rahmen 64 Strukturen mit rohrförmigem Grundriss 68 Anordnung vertikaler Tragelemente 70 Windverbände 72 Systeme von Balkenlagen 74 Räumliche Strukturen 77 Trägerroste 78 Raumfachwerke 78 Gekrümmte Oberflächen 81 Faltwerke 84 Sonderkonstruktionen 85 Hängekonstruktionen 85 Gespannte Konstruktionen 86 Membranstrukturen 88 Rechenbeispiel 89 Tragsystem einer Industriehalle 89 Einwirkungen und Reaktionen auf die Industriehalle 92 Literaturverzeichnis 96 Anhang 97 Empirische Regeln für die Vordimensionierung 97

3 3.1 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.2.5 3.2.6 3.2.7 3.3 3.3.1 3.3.2

Pfetten und Fassaden-Unterkonstruktionen 99 Einleitung 99 Pfetten 99 Funktion der Pfetten 99 Einwirkungen und Gefährdungsbilder 100 Statische Systeme 102 Berechnung der Auswirkungen und Deformationen 104 Querschnittswiderstände 105 Tragsicherheit 107 Nachweis der Gebrauchstauglichkeit 113 Fassaden-Unterkonstruktionen 113 Funktion der Fassaden-Unterkonstruktionen 113 Zu betrachtende Lasten 115

Inhaltsverzeichnis

3.3.3 3.3.4 3.3.5 3.4 3.4.1 3.4.2 3.4.3 3.5

Statische Systeme 117 Nachweis der Tragsicherheit 117 Nachweis der Gebrauchstauglichkeit 119 Rechenbeispiele 119 Bemessung einer Pfette 119 Bemessung eines Riegels 124 Bemessung eines Kassettenprofils 129 Literaturverzeichnis 131

4 4.1 4.1.1 4.1.2 4.1.3 4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.3.4 4.4 4.5

Blechverbunddecken 133 Einleitung 133 Profilbleche 134 Verbindung zwischen Blech und Beton 134 Zu berücksichtigende Einwirkungen 136 Bemessung des Profilbleches 137 Berechnung der Auswirkungen 137 Widerstand und Steifigkeit der Querschnitte 138 Nachweise der Profilbleche 138 Bemessung der Blechverbunddecke 140 Berechnung der Auswirkungen 140 Querschnittswiderstände 141 Nachweis der Tragsicherheit 149 Nachweis der Gebrauchstauglichkeit 151 Rechenbeispiel: Bemessung einer Blechverbunddecke 155 Literaturverzeichnis 163

5 5.1 5.2 5.2.1 5.2.2 5.3 5.3.1 5.3.2 5.3.3 5.3.4 5.3.5 5.3.6 5.4 5.4.1 5.4.2 5.4.3 5.4.4 5.5 5.5.1

Haupt- und Deckenträger 165 Einführung 165 Verbindungen 165 Gelenkige Verbindungen 166 Biegesteife Verbindungen 168 Träger aus Walzprofilen und Vollwandträger 170 Zu berücksichtigende Einwirkungen 170 Statische Systeme und Berechnung der Auswirkungen 170 Wirkungsweise einer Verbindung mit teilweiser Einspannung 171 Einleitung konzentrierter Kräfte 173 Nachweis der Tragsicherheit 177 Nachweis der Gebrauchstauglichkeit 181 Träger mit Stegöffnungen 184 Querkraftwiderstand 185 Biegewiderstand 187 Verstärkungen 188 Berechnung der Durchbiegungen 188 Stahl-Beton-Verbundträger 189 Einführung 189

VII

VIII

Inhaltsverzeichnis

5.5.2 5.5.3 5.5.4 5.5.5 5.5.6 5.5.7 5.5.8 5.5.9 5.5.10 5.6 5.6.1 5.6.2 5.6.3 5.6.4 5.6.5 5.7 5.7.1 5.7.2 5.7.3 5.7.4 5.7.5 5.8

Querschnittswiderstand 191 Tragverhalten von Verbundträgern 192 Ermittlung der Auswirkungen 197 Verbindung Stahl-Beton 202 Widerstand der Verbindungsmittel 211 Abscheren längs in der Betondecke 214 Nachweis der Tragsicherheit 217 Nachweis der Gebrauchstauglichkeit 221 Methode zur Bemessung eines Verbundträgers mit halbsteifen Knoten 227 Deckenschwingungen 231 Menschliche Wahrnehmung 232 Schwingungsfrequenz 233 Maximale Beschleunigung 234 Dämpfung 235 Nachweise 235 Rechenbeispiele 236 Bemessung der Deckenträger 236 Bemessung eines Unterzuges als einfachen Balken 244 Bemessung eines Unterzuges als Dreifeldträger 252 Rechenbeispiel eines Unterzuges mit halbsteifen Knoten 264 Nachweis der Schwingung eines Bodens 267 Literaturverzeichnis 270

6 6.1 6.2 6.2.1 6.2.2 6.2.3 6.2.4 6.2.5 6.3 6.3.1 6.3.2 6.3.3 6.3.4 6.3.5 6.4 6.4.1 6.4.2 6.4.3 6.4.4 6.4.5 6.4.6

Statik der Hallenrahmen 271 Einführung 271 Strukturelles Verhalten eines Rahmens 272 Einfluss der Steifigkeit der Elemente 272 Grundlegende Zustände eines Rahmens 273 Imperfektionen 275 Einflüsse der Nichtlinearität 279 Klassifizierung von Rahmen 281 Statik von Rahmen 285 Einwirkungen und Gefährdungsbilder 285 Bemessungsmethoden 286 Elastische Methode 289 Plastische Methode 290 Wahl einer Bemessungsmethode 299 Elastische Stabilität von Rahmen 300 Einführung 300 Wiederholung der Knicktheorie 301 Idealer Rahmen mit Knotenlasten 303 Idealer Rahmen ohne Knotenlasten 305 Bestimmung der Knicklängen 307 Wirkung von Dachverbänden 311

Inhaltsverzeichnis

6.4.7 6.5 6.5.1 6.5.2 6.5.3 6.5.4 6.5.5 6.5.6 6.6 6.6.1 6.6.2 6.6.3 6.7 6.7.1 6.7.2 6.8

Einfluss der geometrischen Imperfektionen 317 Bemessungsvorgang 317 Vordimensionierung 317 Methoden zur Bestimmung der Auswirkungen 318 Berechnung der Auswirkungen erster Ordnung 320 Berechnung der Auswirkungen zweiter Ordnung 320 Nachweis der Tragsicherheit 324 Nachweis der Gebrauchstauglichkeit 325 Statik und Knicklängen von Geschossrahmen 326 Globales System 326 Aneinanderreihung von Tragelementen 326 Knicklängen von Geschossrahmen 327 Rechenbeispiel zur Bemessung eines Rahmens 331 Randbedingungen des Rahmens 331 Berechnung der Auswirkungen 336 Literaturverzeichnis 340

7 7.1 7.2 7.2.1 7.2.2 7.2.3 7.3 7.3.1 7.3.2 7.3.3 7.3.4 7.3.5 7.4 7.4.1 7.4.2 7.4.3 7.5 7.5.1 7.5.2 7.5.3 7.6 7.6.1 7.6.2 7.6.3 7.6.4 7.7 7.7.1 7.7.2

Rahmenelemente 343 Einführung 343 Riegel aus Doppel-T-Profilen 344 Typen von Riegeln 344 Tragsicherheit 344 Gebrauchstauglichkeit 350 Fachwerkbinder 351 Typen von Fachwerkbindern 351 Innere Kräfte 352 Tragsicherheit 359 Gebrauchstauglichkeit 366 Nachweis der Knoten 368 Stützen von Hallenrahmen 374 Stützen mit konstantem Querschnitt 374 Zusammengesetzte Stützen 379 Stützen mit variablem Querschnitt 385 Rahmenecken 391 Grundsätze 391 Gelenkige Rahmenecken 393 Biegesteife Rahmenecken 394 Stützenfüsse 402 Grundlagen 402 Abtragung der Kräfte in den Beton 404 Gelenkige Stützenfüsse 409 Eingespannte Stützenfüsse 410 Rahmen mit halbsteifen Knoten 416 Verhalten der Knoten 416 Modellierung des Knotens 418

IX

X

Inhaltsverzeichnis

7.7.3 7.7.4 7.8 7.8.1 7.8.2 7.8.3 7.8.4 7.8.5 7.9

Klassifikation der Knoten 421 Statische Berechnung von Rahmen mit halbsteifen Knoten 422 Rechenbeispiele 423 Nachweis eines Binders 423 Nachweis einer Stütze 430 Nachweis einer Rahmenecke 435 Nachweis eines gelenkigen Stützenfusses mit Zentrierleiste 441 Nachweis einer eingespannten Stütze 443 Literaturverzeichnis 446

8 8.1 8.2 8.2.1 8.2.2 8.3 8.3.1 8.3.2 8.3.3 8.3.4 8.3.5 8.4 8.4.1 8.4.2 8.4.3 8.4.4 8.4.5 8.5 8.5.1 8.5.2 8.6 A8 A8.1

A8.3

Windverbände 447 Einleitung 447 Windverbandsysteme 448 Einwirkungen und statische Systeme 448 Kraftfluss der Horizontalkräfte 449 Fachwerkverbände 456 Ebene Fachwerke 456 Nicht in einer Ebene liegende Fachwerke 459 Exzentrische Stabanschlüsse 460 Temperatureinwirkung 461 Äquivalentes Trägheitsmoment 462 Windaussteifung mit Profilblechen 463 Scheibenwirkung 463 Scheibenelemente 466 Scheibenwirkung ohne Interaktion mit den Rahmen 472 Scheibenwirkung mit Interaktion mit den Rahmen 475 Stabilisierung der Pfetten 479 Rechenbeispiele 482 Bemessung eines Dachlängsverbandes mit Andreaskreuzen 482 Bemessung eines Dachverbandes mittels Profilblechen 488 Literaturverzeichnis 494 Anhänge 494 Koeffizient 𝛼 zur Berücksichtigung der Wirkung der Zwischenpfetten 494 Koeffizient 𝛽 zur Berücksichtigung der Anzahl Befestigungen Blech-Pfette auf der Baubreite einer Blechtafel 495 Konstante 𝐾 zur Berücksichtigung der Befestigungsart des Bleches 496

9 9.1 9.1.1 9.1.2 9.1.3 9.2 9.2.1

Kranbahnträger für Laufkrane 499 Einleitung 499 Krananlagen 499 Laufkrane 500 Klassifikation von Laufkranen 503 Konstruktionsdetails und Toleranzen 504 Kranschienen 504

A8.2

Inhaltsverzeichnis

9.2.2 9.2.3 9.3 9.3.1 9.3.2 9.3.3 9.4 9.4.1 9.4.2 9.5 9.5.1 9.5.2 9.5.3 9.5.4 9.6 9.6.1 9.6.2 9.6.3 9.7 9.7.1 9.7.2 9.7.3 9.7.4 9.7.5 9.8

Trägerstösse 506 Toleranzen 507 Kraftverläufe 509 Vertikallasten 509 Horizontale Lasten quer 512 Horizontalkräfte längs 513 Gebrauchstauglichkeitsnachweis der Kranbahnträger 514 Berechnung der Verformungen des Kranbahnträgers 515 Richtwerte für Deformationen und Nachweise 516 Tragsicherheitsnachweis von Kranbahnträgern 517 Spannungen im Kranbahnträger 517 Mitwirkung der Kranschiene 520 Berechnung der Schienenbefestigung 520 Wirkung der konzentrierten Lasten 522 Ermüdungssicherheit 525 Nachweisprinzip 525 Berechnung der Auswirkungen und Spannungen 526 Ermüdungswiderstand 527 Rechenbeispiel eines Kranbahnträgers 529 Vordimensionierung 531 Nachweis der Tragsicherheit 532 Ermüdungsnachweis 537 Bemessung der Schienenbefestigung 540 Krafteinleitungen 541 Literaturverzeichnis 544 Stichwortverzeichnis

545

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XI

XIII

Über die Autoren

Manfred A. Hirt, geb. 1942, Bauingenieurstudium an der ETH Zürich, Ingenieur bei Basler & Hofmann in Zürich; Promotion bei Prof. John Fisher an der Lehigh University Bethlehem, Ingenieur bei HNTB in New York City, Mitarbeiter bei Prof. Jean-Claude Badoux am Stahlbauinstitut ICOM der EPF Lausanne, 1993–2007 Professor für Stahlbau an der EPFL, 1980–1998 Vorsitzender ECCS TC9 Ermüdung, 2004–2007 IABSE Präsident, 2006 ECCS Prix Charles Massonnet.

Michel Crisinel, geb. 1945, Bauingenieurstudium an der EPF Lausanne, Mitarbeiter bei Prof. Dr. Jean-Claude Badoux am Stahlbauinstitut ICOM der EPF Lausanne, Abteilungsleiter, Vorlesungen über Stahl- und Verbundbau, Forschung zu Verbunddecken, ehem. Vorsitzender ECCS TC11 Composite Structures.

Alain Nussbaumer, geb. 1964, Bauingenieurstudium an der EPF Lausanne, 1991–1994 Promotion bei Prof. John Fisher an der Lehigh University in Bethlehem, Ingenieur am CTICM in Paris, seit 1997 Mitarbeiter am Stahlbauinstitut der EPF Lausanne, seit 2005 Titularprofessor für Stahlbau, Vorlesungen über Stahl- und Verbundbau, 1998–2005 Vorsitzender ECCS TC9 Ermüdung, SIAProjektleitung für Stahlbau Eurocode 2. Generation.

XV

Vorwort Die vorliegende deutsche Ausgabe des Buches „Charpentes Métalliques“ der EPFL PRESS erläutert Entwurf und Bemessung von Stahlhochbauten. Es nimmt Bezug auf das Buch „Stahlbau – Grundbegriffe und Bemessungsverfahren“ der gleichen Autoren der ETH Lausanne und wendet die Grundbegriffe an. Das Buch beschreibt das physikalisch/mechanische Verhalten der Tragwerke und erwähnt den Bezug zu den Normen. Es ist in neun Kapitel unterteilt: Kapitel 1 und 2 behandeln den ENTWURF und richten sich sowohl an Ingenieure als auch an Architekten. Kapitel 1 enthält einen kurzen historischen Rückblick des Stahlbaus am Beispiel der Schweiz. Kapitel 2 beschreibt verschiedene Tragsysteme von Hallen und Geschossbauten in Stahlbauweise, insbesondere deren Stabilität und Aussteifung. Die beiden Kapitel enthalten keine Berechnungsmethoden, aber geben dem Entwerfenden, sei es Ingenieur oder Architekt, die Grundlage für praxisgerechte und tragfähige Konzepte für Stahlbauten als Basis für die Vorbemessung im Rahmen eines Vorprojektes oder Wettbewerbes sowie für die Zusammenstellung eines Leistungsverzeichnisses. Danach konzentriert sich dieses Buch auf die BEMESSUNG. Dieser Teil, der in sieben Kapitel unterteilt ist, behandelt die häufigsten Aufgabenstellungen, welche sich einem Ingenieur für die Berechnung und Bemessung von Hallen und Geschossbauten in Stahl und Verbundbau stellen. Es wird der Kraftverlauf in den Tragwerken, ausgehend von den Einwirkungen (Lasten und Kräfte) bis in die Fundamente angesprochen. Im Kapitel 3 werden zuerst die Stahlunterkonstruktionen für Dach- und Wandelemente besprochen. Kapitel 4 beschreibt Verbunddecken mit Profilblechen. Die nachfolgenden Kapitel behandeln die Haupttragelemente, also Haupt- und Deckenträger (Kapitel 5), Hallen- und Gebäuderahmen sowie deren Bauteile und Verbindungen (Kapitel 6 und 7) und Windverbände (Kapitel 8). Diese Kapitel zeigen ausführlich die üblichen Fälle, behandeln aber auch speziellere Themen wie Fachwerkträger und ihre Verbindungen, Träger mit Stegöffnungen, zusammengesetzte Stützen und Stützen mit variablem Querschnitt, biegesteife Rahmenecken, Stützenfüsse, Fachwerkverbände und auch Windverbände aus Profilblechen (Scheibenwirkung). Abschließend werden in Kapitel 9 Kranbahnträger für Laufkrane, welche vorwiegend in Industriehallen vorkommen, beschrieben. Der Schwerpunkt dieses Buches liegt auf der konstruktiven Ausbildung und Bemessung der Tragwerke sowie ihre Überprüfung durch Nachweise auf der Grundla-

XVI

Vorwort

ge der schweizerischen und europäischen Normen. Es wird auf die Normen SIA 263 (2013) und SIA264 (2014) sowie vereinzelt auf die Eurocodes EN1993-1-1 und EN1994-1-1 verwiesen. Fachausdrücke und Bezeichnungen sind aus den genannten Normen übernommen worden. Das Buch ist mit zahlreichen Bildern sowie detaillierten und numerischen Beispielen versehen. Das Buch richtet sich an Studierende des Bauingenieurwesens und an Ingenieure, die sich mit Stahlbau beschäftigen. Es geht darum, Stahlhochbauten materialgerecht zu entwerfen und zu bemessen und deren Tragsicherheit und Gebrauchstauglichkeit zu garantieren. Es werden auch Formeln und Richtwerte angegeben. Der Gebrauch des Buches erfordert eine entsprechende Ausbildung als Bauingenieur sowie grundlegende Kenntnisse der Baustatik und Strukturmechanik. Die kompetente und sorgfältige Übersetzung aus dem Französisch verdanken wir Herrn Werner Rinderknecht, Dipl. Bauing. ETH, Prof. emer. FH Luzern. Lausanne, August 2023

Manfred A. Hirt

XVII

Bezeichnungen Lateinische Grossbuchstaben

A, B, C, . . . 𝐴 𝐵 𝐶 C 𝐷 𝐸 𝐹 𝐺 G 𝐻 𝐼 𝐾 K 𝐿 𝑀 ℳ 𝑁 𝒩 𝑃 𝑄 𝑅 𝑆 𝑇 𝑉 𝒱 𝑊 1, 2, 3, … 1

besondere Punkte; Arten von Nutzlasten Querschnittsfläche, Oberfläche; aussergewöhnliche Einwirkung Biegesteifigkeit (Profilbleche) Beiwert; Wert einer Gebrauchsgrenze Schubmittelpunkt Durchmesser; Plattensteifigkeit; Beiwert; Ablenkkräfte Elastizitätsmodul; Wert einer Auswirkung Kraft; (Längs-)Schubkraft; Wert einer Einwirkung; Widerstand ständige Last (Eigenlast); Schubmodul Schwerpunkt; geometrischer Mittelpunkt Horizontalkraft; Höhe Trägheitsmoment; Impuls Torsionskonstante; Steifigkeit; Deformationskoeffizient Konstante (Profilbleche) Länge; Spannweite; seitlicher Druck Biegemoment; Biegewiderstand; Massenmittelpunkt Biegemoment nach Theorie zweiter Ordnung Normalkraft; Normalkraftwiderstand; Nummer Normalkraft nach Theorie 2. Ordnung konzentrierte Einzellast; Schraubenvorspannung Einwirkung (Einzellast); Wert einer veränderlichen Einwirkung Wert eines Tragwiderstandes; Resultierende; Auflagerreaktion; Rückhaltekraft; seitliche Steifigkeit (Rahmen); Koeffizient (Profilbleche) statisches Moment; Beanspruchung; seitliche Steifigkeit (Verbindungen) Torsionsmoment; Temperatur; Schwingzeit Querkraft; Schubkraft; Querkraftwiderstand Querkraft nach Theorie 2. Ordnung Widerstandsmoment (elastisch, plastisch, wirksam) besondere Punkte Einheitskraft

XVIII

Bezeichnungen

Lateinische Kleinbuchstaben

𝑎, 𝑏 𝑎

Abmessungen einer Platte (Länge, Breite) Achsabstand; Spannweite; Radstand; Hebelarm; Beschleunigung; Wert einer geometrischen Grösse; Wurzelmass einer Schweissnaht 𝑏 Abmessung; Flanschbreite; Breite des betrachteten Beulfelds 𝑐 Biegsamkeit (Profilblech); Koeffizient 𝑑 Dicke; Durchmesser (Schrauben); statische Höhe; Rippenabstand (Profilbleche) 𝑒 Exzentrizität; Abstand; Distanz 𝑓 Eigenfrequenz; Werkstofffestigkeit; Funktion 𝑔 gleichmässig verteilte Eigenlast; Erdbeschleunigung; Schweissnaht-Abstand ℎ Höhe; Stockwerkhöhe; Profilhöhe 𝑖, 𝑗, … , 𝑛 Ordnungszahl 𝑖 Trägheitsradius 𝑘 Formfaktor; Beulwert; Vergrösserungsfaktor; Beiwert; thermische Leitfähigkeit 𝑙 Länge; Spannweite 𝑚 Masse; Zahl; Drehmoment; Koeffizient 𝑚 Masse pro Längeneinheit 𝑛 Betonwertigkeit; Grad der statischen Bestimmtheit; Anzahl 𝑝 (Schrauben-)Abstand; Druck; Wahrscheinlichkeit 𝑞 Einwirkung (verteilte Last); Druck (Wind); Verhaltensbeiwert (Erdbeben) 𝑟 Radius; Entfernung; Polarkoordinate; Parameter 𝑠 Schneelast; Schenkelmass (Kehlnaht); Höhe (Profilblech); Gleitung 𝑡 Dicke; Zeit 𝑢, 𝑣, 𝑤 Verschiebungen oder Komponenten einer Verschiebung in Richtung der Achsen 𝑥, 𝑦, 𝑧 𝑢 Umfang; abgewickelte Länge 𝑣 Schubfluss; Schubkraft pro Längeneinheit; Geschwindigkeit; horizontale Auslenkung 𝑤 Durchbiegung; vertikale Auslenkung; Streichmass 𝑥, 𝑦, 𝑧 Koordinaten in Richtung der Achsen 𝑥, 𝑦, 𝑧 𝑥 Höhe der Betondruckzone (Verbundquerschnitte) 𝑧 Hebelarm 𝑢, 𝑣 Hauptachsen (asymmetrische Querschnitte) 𝑥 Längsachse eines Bauteiles 𝑦, 𝑧 Hauptachsen (symmetrische Querschnitte)

Bezeichnungen

Griechische Grossbuchstaben

Δ seitliche Verschiebung (Rahmen); Intervall 𝛷 Beiwert (Knicken, Kippen); dynamischer Beiwert (Kranbahnträger); Rotationskapazität; Krümmung Θ Stahltemperatur; Winkel Griechische Kleinbuchstaben

𝛼 Neigung; Faktor; Imperfektionsbeiwert (Knicken, Kippen); Dilatationsfaktor; Lastfaktor; Stegfeld-Seitenverhältnis 𝛽 Beiwert; Neigungswinkel (Rahmenbinder); Stegschlankheit 𝛾 Lastbeiwert; Widerstandsbeiwert; Gleitung 𝛿 bezogene Fläche; seitliche Verschiebung, Verformung 𝜀 Dehnung 𝜂 Umrechnungsfaktor; Hebelarm 𝜃 Winkel (Polarkoordinaten); Verdrehung 𝜆 Schlankheit; Betriebslastfaktor (Ermüdung) 𝜆 bezogene Schlankheit 𝜇 Dachformbeiwert; Reibungsbeiwert 𝜈 Querdehnungszahl (Poisson) 𝜉 Hubbeiwert; Koeffizient (Befestigungsart von Profilblechen) 𝜋 Pi (Ludolfsche Zahl 3.1416) 𝜗 Krümmung ρ Dichte; Bewehrungsgrad 𝜎 Normalspannung 𝜏 Schubspannung 𝜑 Kriechzahl (Beton); Winkel 𝜙 Stabdurchmesser; Rotation 𝜒 Abminderungsfaktor (Knicken, Kippen); bezogene Steifigkeit 𝜓 Reduktionsfaktor (Begleiteinwirkungen); Momentenverhältnis 𝜔 Beiwert (Momentenverteilung) Indizes

𝐵 𝐷 𝐸 𝐺 𝐾 𝐿 𝑀 𝑁 𝑃 𝑄 𝑅 𝑆 𝑇

Schrauben, Zugstangen Kopfbolzendübel; Verbundmittel; Kippen Elektrode (Schweissgut); Euler (elastisches Knicken); Auswirkung Eigenlasten Knicken längs bezüglich eines Biegemomentes; Teilwiderstandsbeiwert bezüglich einer Normalkraft Beulen; Vorspannung veränderliche Einwirkung Tragwiderstand Beanspruchung; Stütze Temperaturdehnung (𝛼𝑇 ); Temperatur

XIX

XX

Bezeichnungen

𝑉 𝑎 𝑏 𝑐 𝑑 𝑒 𝑓

bezüglich einer Querkraft; Abscheren Baustahl (warm gewalzt); geometrische Grösse Verbund; seitlicher Druck Beton; Druck; Kontakt; Beiwert Bemessungswert; rechte Seite Exzentrizität; Abstand; aussen gerissener Querschnitt; Flansch; Gurtlamelle; Reibung; Fundation; Feuer (Brand) 𝑔 linke Seite; Vergleichswert (von Mises) ℎ ungerissener, homogener Querschnitt; Höhe; horizontal 𝑖, 𝑗, … , 𝑛 Werte bezüglich eines Elementes 𝑖, 𝑗, … , 𝑛 𝑖 unabhängig; innen 𝑗 Knoten; Tag 𝑘 charakteristischer Wert 𝑙 Längsschub; seitlich; parallele Richtung; Grenze 𝑚 Mittelwert; Montage; Stütze 𝑛 Nettoquerschnitt; Knoten 𝑜 oben; Öffnung 𝑝 Dünnblech (kalt geformt); Pfette; Scheibe; Lochung 𝑞 Druck (Wind) 𝑟 Steife; Verbinder; repräsentativer Wert; Bruch 𝑠 Schenkelquerschnitt (Kehlnaht); Spannungsquerschnitt; Steife (Profilblech); Bewehrung; Schwinden; Schnee; Abscheren; Verteilung 𝑡 Zug; Zeit; total; rechtwinklig; Blech; seitlich; Querträger 𝑢 Versagen; Bruch; Grenz𝑣 vertikal; Schubfluss; Hub; Saint-Venantsche Torsion 𝑤 Steg; Wurzelquerschnitt (Kehlnaht); Wind; Wölbkrafttorsion 𝑦 Fliessgrenze 𝑥, 𝑦, 𝑧 bezüglich der Achsen 𝑥, 𝑦, 𝑧 acc aussergewöhnlich adm zulässig ag Schwerachse anc Anker brut Brutto cd Rahmen coff Schalung court Kurzzeit cr kritisch cs Schwinden des Betons cv Windverband dep Senke dev zunehmend diag Diagonale (Fachwerk), diagonal disp verfügbar dyn dynamisch

Bezeichnungen

eff el ent eq erf ext fat fi fin fp id inf int lat lim long max min mont nec net nom part pl pr red req res ser sol som sup susp syst test th tot trav 𝜙 𝜑 𝜏 𝜓 0 1 2

wirksam; mitwirkend elastisch bezüglich Unterstützung gleichwertig erforderlich äusserlich Ermüdung Brand, Feuer letzte Arbeiten; nichttragende Elemente abgehängte Decke ideell unten innen seitlich Grenzwert Langzeitmaximal minimal Pfosten (Fachwerk) erforderlich NettoNennpartiell plastisch Druck reduziert erforderlich EigenGebrauchszustand bezüglich eines Trägers bezüglich eines Unterzuges oben abgehängt System experimentell, empirisch thermisch total -quer zeitversetzte Einwirkungen (Kriechen und Schwinden des Betons) Rotation Abscheren bezüglich des Momentenverhältnisses Bezugswert; Anfangswert; Referenzwert; seltener Wert häufiger Wert; erste Schwingungsamplitude quasiständiger Wert

XXI

XXII

Bezeichnungen

1, 2, 3, … Einzelwerte ∞ Endwert Exponenten

...+ ...– . . . ./ ...*

positiv; Rest negativ bezüglich eines Teilquerschnittes erhöhter Wert

Werkstoff-Festigkeiten

𝑓𝑐 𝑓𝑠 𝑓𝑡 𝑓𝑢 𝑓uE 𝑓𝑣 𝑓𝑦 𝑓ya 𝑓yb 𝜎0.2 𝜏𝑦 Δ𝜎𝐶

Betondruckfestigkeit Fliessgrenze des Betonstahls Zugfestigkeit Stahlzugfestigkeit Zugfestigkeit des Schweisszusatzes Schubfestigkeit Stahlfliessgrenze mittlere Stahlfliessgrenze von kaltverformtem Stahl (Dünnbleche, Profilbleche) Ausgangsstahlfliessgrenze vor der Kaltverformung, (Dünnbleche, Profilbleche) linear elastische Fliessgrenze (0.2 % Dehnung) Schubfliessgrenze von Stahl nominelle Ermüdungsfestigkeit (bei 2 ⋅ 106 Spannungswechseln); Kerbgruppe

Funktionen

Δ 𝛴 d max min sin cos cot ∞ ⊥ ∥ → ×

Variation; Differenz Summe Ableitung Maximalwert Minimalwert Sinus Cosinus Cotangens unendlich rechtwinklig parallel zur Folge haben mal

1

1 Einleitung 1.1 Grundlagen, Hochbau, Brückenbau Das vorliegende Buch ist im Rahmen der Reihe „Traité de Génie Civil“ (TGC) der EPFL Lausanne das zweite von drei Büchern zum Stahlbau: Band 1 (TGC 10): Stahlbau – Grundbegriffe und Bemessungsverfahren Band 2 (TGC 11): Stahlhochbau – Entwurf und Bemessung von Hallen und Geschossbauten Band 3 (TGC 12): Steel Bridges – Conceptual and structural design of steel and steel-concrete composite bridges Diese drei Bücher richten sich einerseits an Studierende zur Unterstützung der Vorlesungen und andererseits an interessierte Praktiker, die einen möglichst vollständigen Überblick über die Gebiete des Stahlhochbaus und des Stahlbrückenbaus haben möchten. Sie basieren auf Vorlesungsunterlagen des Stahlbauinstituts ICOM 1969–2016 der ETH Lausanne (EPFL). Das Ziel von Band 2 ist, die Grundlagen von Entwurf und Bemessung von Tragstrukturen und Verbundbauteilen von Hallen und Gebäuden aufzuzeigen. Die Konzepte basieren einerseits auf der in der Schweiz gewonnen Praxis und Erfahrung [1] sowie auch von anderen Ländern, die eine lange Tradition im Stahlbau haben wie Deutschland [2], USA, Kanada, Frankreich und Großbritannien. Grundlage bilden ebenfalls die erprobten Schweizer Normen (SIA) sowie die Erfahrungen aus dem europäischen Normenwerk (Eurocode). In den meisten Kapiteln sind Übungsbeispiele zu Entwurf und Bemessung angefügt, welche die Themen so konkret wie möglich illustrieren. Für Verständnis und Anwendung dieses Buches sind Vorkenntnisse der Stabstatik sowie die Grundlagen des Stahlbaues aus dem oben erwähnten Band 1 wünschenswert.

1.2 Aufbau und Inhalt Wie es der Untertitel des Buches sagt, werden gleichzeitig Entwurf und Bemessung von Stahlkonstruktionen behandelt, siehe auch Tabelle 1.1. Stahlhochbau – Entwurf und Bemessung von Hallen und Geschossbauten, 1. Auflage. Manfred A. Hirt, Michel Crisinel und Alain Nussbaumer. © 2024 EPFL Press. Published 2024 by Ernst & Sohn GmbH.

2

1 Einleitung

Tab. 1.1 Struktur von Band 2 Stahlhochbau (TGC 11). Thema Entwurf Bemessung

Kapitel 1. Einleitung 2. Entwurf und Stabilisierung von Hallen und Geschossbauten 3. Pfetten und Fassaden-Unterkonstruktionen 4. Blechverbunddecken 5. Hauptträger und Deckenträger 6. Statik der Hallenrahmen 7. Elemente der Rahmen 8. Windverbände 9. Kranbahnträger für Laufkrane

• Kap. 1 und 2 behandeln den ENTWURF und richten sich sowohl an Ingenieure als auch an Architekten. Das Kap. 1 enthält einen kurzen historischen Rückblick des Stahlbaues, im Speziellen in der Schweiz. Das nachfolgende Kap. 2 zeigt die verschiedenen Tragsysteme von Hallen und Geschossbauten in Stahlbauweise und insbesondere deren Aussteifung. Diese Kapitel enthalten keine Berechnungsmethoden und geben dem Entwerfenden, sei es Ingenieur oder Architekt, eine Grundlage für realistische und tragfähige Konzepte für Stahlbauten, die als Basis für die Vorbemessung im Rahmen eines Vorprojektes oder Wettbewerbes sowie für die Zusammenstellung eines Leistungsverzeichnisses dienen kann. • Der größere Teil des Buches konzentriert sich auf die BEMESSUNG und behandelt in sieben Kapiteln die häufigsten Aufgabenstellungen, welche sich einem Ingenieur für die Berechnung und Bemessung von Hallen und Geschossbauten in Stahl stellen. Es wird der Kraftverlauf in den Tragstrukturen von den Einwirkungen bis in die Fundamente angesprochen. Zuerst werden die Stahlunterkonstruktionen für Dach- und Wandelemente besprochen (Kap. 3), danach die Blechverbunddecken (Kap. 4), die Haupt- und Deckenträger (Kap. 5), die Hallenrahmen und deren Elemente (Kap. 6 und 7), die Windverbände (Kap. 8) und zum Schluss die Kranbahnträger für Laufkrane (Kap. 9), welche vorwiegend in Industriehallen vorkommen.

1.3 Dokumente und Referenzen 1.3.1

Normen und Empfehlungen

Unabhängig von den Normen sind die grundlegenden Kenntnisse des Materialverhaltens und der Statik sowie der Band 1 „Stahlbau“ (TGC 10) die Basis für die theoretischen Überlegungen in den verschiedenen Kapiteln dieses Buches. Die länderspezifischen Normen hingegen beeinflussen die Bemessung. In diesem Werk wird auf die Normen des schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins (SIA) in Zürich (www.sia.ch) Bezug genommen und vereinzelt ein Ausblick auf den Euro-

1.3 Dokumente und Referenzen

code gegeben. Die folgenden Normen mit ihren ergänzenden Festlegungen dienen als Referenz: • • • • • • • • •

SIA 260 „Grundlagen der Projektierung von Tragwerken“ (2013), SIA 261 „Einwirkungen auf Tragwerke“ (2020), SIA 261/1 „Einwirkungen auf Tragwerk – ergänzende Festlegungen“ (2020), SIA 262 „Betonbau“ (2013), SIA 262/1 „Betonbau – ergänzende Festlegungen“ (2019), SIA 263 „Stahlbau“ (2013), SIA 263/1 „Stahlbau – ergänzende Festlegungen“ (2020), SIA 264 „Stahl-Beton-Verbundbau“ (2014), SIA 264/1 „Stahl-Beton-Verbundbau – ergänzende Festlegungen“ (2014).

In gewissen Fällen verweisen die SIA-Normen den Benutzer auf den Eurocode, im Speziellen bei Berechnungsmethoden; die SIA-Normen zeigen vor allem die Rechengrundsätze. Das vorliegende Buch basiert somit ebenfalls auf den folgenden Dokumenten, welche vom Europäischen Kommitee für Normung (CEN) in Brüssel herausgegeben werden (www.cenorm.be): EN 1990 Eurocode 0 „Grundlagen der Tragwerksplanung“ (2002), EN 1991 Eurocode 1 „Einwirkungen auf Tragwerke“ (2002), EN 1992-1-1 Eurocode 2, Teil 1-1 „Bemessung und Konstruktion von Stahlbetonund Spannbetontragwerken – Allgemeine Bemessungsregeln für den Hochbau“ (2004), EN 1993-1-1 Eurocode 3, Teil 1-1 „Bemessung und Konstruktion von StahlbautenAllgemeine Bemessungsregeln für den Hochbau“ (2005), EN 1994-1-1 Eurocode 4, Teil 1-1 „Bemessung und Konstruktion von Verbundtragwerken aus Stahl und Beton – Allgemeine Bemessungs- und Anwendungsregeln für den Hochbau“ (2004). Neben den zitierten Normen wird oft auch auf die Publikationen des „StahlbauZentrum-Schweiz“ in Zürich (SZS) verwiesen (www.szs.ch). Diese vervollständigen das Buch zu Entwurf, Berechnung und Ausführung von Stahlhochbauten und auch zu Brandschutz und Oberflächenschutz. Die SZS-Publikationen liefern weiterhin wichtige Informationen zu Querschnittswerten und Widerständen von Profilen und Befestigungsmitteln sowie auch Tabellenwerte zum Knicken, Kippen oder von Verbundquerschnitten. Es handelt sich um folgende Publikationen: steelwork C1/12:

steelwork C4/06:

„Verbundbau Bemessungstafeln“ (2012); Verbundträger, Träger mit Stegöffnungen, Kammerbetonträger, Blechverbunddecken, Slim-Floor-Decken, Verbundstützen, Verbund-Anschlüsse, Brandbemessung, „Bemessungstafeln“ (2021) – Neu für Stahlqualität S460; Knicken, Kippen, Blechträger, Lochstegträger, Slim-Floor-Träger, Kranbahnträger, Statische Hilfstabellen,

3

4

1 Einleitung

steelwork C5/18:

steelwork C9.A/14: steelwork C9.B/15: steeltec 01 (steeldoc 01/06) steeltec 02 (steeldoc 05/17) steeltec 03 (steeldoc 01/12) steeltec 04 (steeldoc 02/18) steeltec 05 (steeldoc 03/19) steelcomment: steelcomment: steelaid: C2.5:2017: C2.6:2015:

„Konstruktionstabellen“ (2018); konstruktive und technische Querschnittswerte, Widerstandswerte von Profilen und Verbindungsmittel, konstruktive Details im Stahlhochbau (NEU) und Erläuterungen, Tabellenwerk für „Trägerstösse mit Stirnplatten, Fahnenblechanschlüsse“ (2014), Tabellenwerk für „Rahmenknoten“ (2015), TrägerStützen-Anschlüsse mit Stirnplatten, „konstruktives Entwerfen“ (2006), „Brandschutz im Stahlbau“ (2017), „Hallenbau – Planungsleitfaden“ (2012), „Verbundkonstruktionen im Stahlbau“ (2018), „Erdbebensicher bauen in Stahl“ (2019), zur SN EN 1090-2:2018 und SIA 263/1:2020, Bestimmung der Ausführungsklassen (2020), Der Einfluss von Feuerverzinkung auf den Feuerwiderstand von Stahlbauteilen (2021), Oberflächenschutz für Stahlkonstruktionen – Konzept & Submission (2021), Dämmschichtbildende Brandschutzsysteme, Stand der Technik Papier (2017), Grundlagendokument zu steeltec 02:2015 Brandschutz im Stahlbau.

Die oben erwähnten Normen und Dokumentationen sowie auch die anderen beiden TGC-Stahlbaubände werden in den Literaturverzeichnissen zu den einzelnen Kapiteln nicht mehr erwähnt, da es sich um allgemein gültige Referenzen des Gesamtwerkes handelt. Die in jeder Referenzliste aufgeführten Publikationen sind im Text durch Zahlen in eckigen Klammern und in der Reihenfolge des Auftretens im Text aufgelistet.

1.3.2

Andere Referenzen

Neben den oben genannten Normen und Empfehlungen wird im vorliegenden Buch eine große Zahl von Literatur für den Entwurf und die Dimensionierung von Stahlbauten aufgeführt. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit werden nachfolgend einige Grundlagenwerke zum Thema des Buches aufgeführt: Sachbücher

• Hirt, Manfred A.; Bez, Rolf; Nussbaumer, Alain: „Stahlbau, Grundbegriffe und Bemessungsverfahren“, 2. Auflage, PPUR, 2006 (TGC, Band 10). • Petersen, Christian: „Grundlagen der Berechnung und baulichen Ausbildung von Stahlbauten“, 4. Auflage, Springer Vieweg, 2013. • Deutscher Stahlbau-Verband, „Stahlbau-Handbuch“ für Studium und Praxis Band 1, Teil A, 1993, Stahlbau-Verlagsgesellschaft mbH, Köln.

1.3 Dokumente und Referenzen

• Deutscher Stahlbau-Verband, „Stahlbau-Handbuch“ für Studium und Praxis Band 1, Teil B, 1996, Stahlbau-Verlagsgesellschaft M B H, Köln. • Schulitz, Helmut; Sobek, Werner; Habermann, Karl: „Stahlbau Atlas“, Birkhäuser Edition Detail, 2001. • „Stahl im Hochbau“, Band 1, Anwenderhandbuch, 15. Auflage, Stahleisen M B H Düsseldorf, 1995. • Kindmann, Rolf; Krüger, Ulrich: „Stahlbau, Teil 1 Grundlagen“, Ernst & Sohn, 2013. • Kindmann, Rolf, „Stahlbau, Teil 2 Stabilität und Theorie II. Ordnung“ Ernst & Sohn, 2021. Webseiten

Im Internet findet man unzählige Freeware, z. B.: • www.steelconstruction.info/The_Steel_Construction_Information_System • https://szs.ch/download-fachthemen • www.bauforumstahl.de Fachbeiträge, Übungsbeispiele und Skriptvorlagen gibt es insbesondere von deutschen Hochschulen. Periodika

• ECCS/CECM/EKS, Europäische Konvention für Stahlbau, Brüssel. Internationale Vereinigung der nationalen Stahlbauverbände, 1955 gegründet, repräsentiert die europäische Stahlbauindustrie. Netzwerkbildung, technische Unterstützung und Forschung, Promotion und Marketing, Publikationen, www.steelconstruct.com. • CIDECT, internationaler Verband der Hersteller von Hohlprofilen. Forschung und Bemessungshilfen, gegründet 1962, www.cidect.org. • Stahlbau-Kalender, erscheint jährlich, Ernst & Sohn Berlin. Kommentare zu den Eurocodes und Schwerpunktthemen, www.ernst-und-sohn.de/es-kalender. • bauen in stahl, Herausgeber: SZS Zürich, vier Ausgaben pro Jahr als steeldoc mit Schwerpunktthema oder steeltec mit technischen Neuerungen. • Stahlbau, Ernst & Sohn, Berlin, Deutschland (www. ernst-und-sohn.de/stahlbau), die Fachzeitschrift des Stahlbaues seit 1928, erscheint monatlich. • ÖSTV-Richtlinien, Österreichischer Stahlbauverband (www.stahlbauverband.at). • DASt, Deutscher Ausschuss für Stahlbau, Düsseldorf (www.deutscherstahlbau. de/dast). • Bemessungshilfen, Arbeitshilfen sowie BFS-Richtlinien, bauforumstahl (www.bauforumstahl.de).

5

6

1 Einleitung

1.4 Konventionen 1.4.1

Terminologie und Typologie

Den Konventionen der TGC-Reihe entsprechend wurden die folgende Terminologie und Typologie übernommen: • Das Buch ist unterteilt in Kapitel und Abschnitte. • Die Gleichungen ausserhalb des Textes sind pro Kapitel fortlaufend mit zwei Ziffern in runden Klammern nummeriert (Ausnahme: die Gleichungen aus dem Eurocode sind nicht nummeriert). Eine Nummerierung im Text, z. B. (6.18), gibt immer einen Hinweis auf eine Gleichung ausserhalb des Textes. • Kursive Schrift stellt im Text gewisse Begriffe heraus, sie stehen für die EurocodeErgänzungen, für Zitate sowie für fremde Ausdrücke. • Eine ganze Zeile mit kursivem Text entspricht einer Information bezüglich des Eurocodes. • Fettgedruckte Schrift wird verwendet, wenn ein neuer Begriff eingeführt wird, um die Stelle zu finden, wo er definiert ist. Fettgedruckte Begriffe sind mehrheitlich im Stichwortverzeichnis am Schluss des Buches aufgeführt.

1.4.2

Achsen

Die orthonormierten Achsbezeichnungen in diesem Buch stimmen mit denjenigen in den SIA-Normen und den SZS-Publikationen überein. Die allgemeine Konvention für Stabachsen ist die folgende (Bild 1.1): 𝑥-Achse: Achse in Stab-Längsrichtung, 𝑦-Achse: Achse im Querschnitt quer zur Längsachse, parallel zu den Flanschen beziehungsweise zur Schmalseite von Hohlprofilen (Hauptachse) oder zum kleineren Schenkel von Winkelprofilen, 𝑧-Achse: Achse im Querschnitt quer zur Längsachse, senkrecht zur y-Achse und senkrecht zu den Flanschen beziehungsweise zur Schmalseite von Hohlprofilen (Hauptachse) und parallel zum grösseren Schenkel von Winkelprofilen.

y

y

y u

y x

z

z

(a) Stabelement mit Koordinatensystem Bild 1.1 Achskonvention für Stäbe.

z

(b) Querschnitte mit Koordinatensystem

z

v

1.5 Kurzer historischer Abriss des Stahlhochbaues

Die Richtung der drei Achsen untereinander wird mit der sogenannten „RechteHand-Regel“ definiert. Die Verformungen in die drei Stabrichtungen 𝑥, 𝑦 und 𝑧 werden mit 𝑢, 𝑣 und 𝑤 bezeichnet. Bei Winkelprofilen und anderen asymmetrischen Profilen werden die Hauptachsen auch mit 𝑢 und 𝑣 bezeichnet, falls sie nicht mit der 𝑥- und 𝑦-Achse übereinstimmen.

1.4.3

Verständigung und Vorzeichen

Am Schluss des Buches ist eine ausführliche Liste der Bezeichnungen aufgeführt, welche kompatibel ist mit den einschlägigen SIA-Normen und SZS-Tabellen; es gibt zudem Legenden zu einzelnen Formeln. Für die Vorzeichen gelten folgende Regeln: Zugkräfte sind positiv, Druckkräfte sind negativ. Die Vorzeichen der Biegemomente richten sich nach den Vorgaben der Statik. Positive Biegemomente sind in der Regel auf der Zugseite eines Stabes aufgezeichnet. Diese Regeln dürfen allerdings nicht in jedem Fall blind angewendet werden, weil gewisse Interaktionsformeln mit den Absolutwerten der Kräfte angewendet werden. Solche Ausnahmen werden im Text vermerkt.

1.4.4

Einheiten

Das Buch basiert auf dem internationalen Einheitensystem (SI). Die Grundeinheiten sind Meter, Kilogramm und Sekunde. Das Newton [N] ist die physikalische Masseinheit für die Kraft einer Masse von 1 kg mit einer Beschleunigung von 1 m/s2 , 1 N = 1 kg m/s2 . Die systematischen Einheiten sind somit die Folgenden: Abmessung: Millimeter (mm) oder Meter (m), Einzellast: Kilonewton (kN) oder Newton (N), gleichmässig verteilte Last: Kilonewton pro Quadratmeter (kN/m2 ) oder Kilonewton pro Laufmeter (kN/m), Spannung: Newton pro Quadratmillimeter (N/mm2 ). Um allfällige Verwechslungen bezüglich der Einheiten zu vermeiden, wird in den Übungsbeispielen daran erinnert. Das ermuntert gleichzeitig zu einer gewissen Gründlichkeit in der Berechnung und verhindert größere Fehler.

1.5 Kurzer historischer Abriss des Stahlhochbaues Im Literaturverzeichnis sind weitere Quellen angegeben [1, 2].

1.5.1

18. und 19. Jahrhundert

Eisen ist Mitte des 18. Jahrhunderts als Konstruktionsmaterial in Erscheinung getreten, damals als die üblichen Baumaterialien noch Holz und Stein waren. Seine Hauptanwendungen waren vor allem Verzierungen und Verstärkungen von Trag-

7

8

1 Einleitung

werken und in grosser Zahl als Agraffen (Krampen) zum Verbinden und Fixieren von Steinelementen. Am Ende des 18. Jahrhunderts waren Eisenteile nicht mehr in den Mauern versteckt, sondern bildeten Hauptelemente von Konstruktionen und trugen zu einer neuen Form der Architektur bei. Im Kontext der Industrialisierung und der ungeheuren Fortschritte, die sich vollzogen, war die Intention der Architekten unmissverständlich: die neuen technischen Möglichkeiten zu nutzen, welche sie zu dieser Zeit als konform betrachteten. Ebenso zeigte sich ihre Vorliebe für den Stahl mit den Vorzügen der Vorfabrikation und Trockenmontage. Ein Vorreiter der Stahlbauweise war Victor Louis, der 1786 die erste nur mit Stahl realisierte Konstruktion baute, das Dach des „Théâtre Français“ in Paris. Die Architekten des Modernismus versuchten mit Gründlichkeit und Einsatz den Grundstein für eine neue Tradition zu legen. Mit dem Eisen wurden die Vorstellungen oder Methoden des Entwerfens über den Haufen geworfen. So arbeitete der Planer nicht mehr mit einzelnen gegossenen Elementen, sondern mit Standardprofilen (I, T, L) wo der Zusammenbau mit erprobten Lösungen möglich war. Dieser einmalige Übergang zu genormten Elementen war nur möglich Dank der zahlreichen Entwicklungen im Bereich des europäischen Eisenbahnbaus. Das führte wiederum Anfang des 19. Jahrhunderts zu den ersten Gusseisen-Profilen in I-, T- oder L-Form. Der Erfolg der Standardisierung und Vorfabrikation von Metallkonstruktionen wäre ohne Nieten nicht möglich gewesen. Dieses Verbindungsmittel erlaubte nun praktisch unbegrenzte Möglichkeiten der Kombination von Standardprofilen und ermöglichte Lösungen für die unterschiedlichsten Probleme, die sich stellten. Die neuen Verbindungsmittel und die zahlreichen Standardprodukte führten zu einer revolutionären Architektur, welche mit Eisen, Stahl und Holz konstruierte. Das bedeutendste Werk dieser neuen Bewegung war dasjenige von Joseph Paxton. Dieser entwickelte um 1850 eine Sammlung von Regeln für Metallkonstruktionen zusammen mit Glaselementen. Durch die Konstruktion von vielen Prototypen legte er die Basis für eine modulare Architektur und schuf praxisbezogene Anwendungen für die vollständige Vorfabrikation von Komponenten eines Gebäudes. Die spektakulärste Konstruktion, bei der Paxton alle seine Theorien anwendete, war der Cristal Palace (Bild 1.2), erbaut 1851 für die Weltausstellung in London. Dieses Gebäude basierte auf einem Verkleidungselement aus Glas von 2,44 m, das auf der Metallkonstruktion auflag. Die Montage der gesamten Konstruktion dauerte nur vier Monate, ein Rekord für ein solches Volumen. Nebenbei zeigte Paxton auch die wirtschaftlichen Vorteile seiner Konzeption auf. Danach wurde die Anwendung von Eisen vor allem wegen den Vorzügen der leichten Struktur im Zusammenhang mit den Regeln der Glasarchitektur, wo das Licht bis in die Tiefen des Raumes vordrang, begünstigt. Die Lime Street Station in London von Turner und Locke war eines der ersten Bauwerke, welches die Begeisterung für eine Architektur mit Stahl und Glas weckte. Das plötzliche Wachstum der Städte und des Handels begünstigte die Schaffung von unterschiedlichsten Bauwerken (Hallen, öffentliche Gebäude, Geschäfte, überdeckte Passagen, Vordächer usw.) und bevorzugte den Gebrauch dieser beiden Materialien. Als Beispiele können folgende Bauten in Paris genannt werden:

1.5 Kurzer historischer Abriss des Stahlhochbaues

Bild 1.2 Cristal Palace in London, 1851. Foto: Roger-Viollet, Paris

• Die Nationalbibliothek, 1868 erbaut von Henri Labouste, ein Beispiel der transparenten Architektur. Das Dach des grossen Lesesaals besteht aus einer Metallkonstruktion mit einer Reihe von nebeneinanderliegenden Kuppeln. Die Dachverkleidung besteht aus Stahl und gewährleistet den Lichteinfall in den Lesesaal. • Die Fassaden der Handelshäuser in der „rue Réamur“. • Die grossen Verglasungen der „Société Générale“. • Die „Magasins du Printemps“ und die „Galeries Lafayette“. Die Fortschritte auf dem Gebiet der Produktion von Metallkonstruktionen führten zur Entwicklung eines neuen Materials, dem Stahl. Dieser wurde direkt aus Eisen gewonnen und erschien Ende des 19. Jahrhunderts und veränderte noch einmal den Bausektor. Die Möglichkeiten dieses neuen Materials bewirkten die Modifikation der Anschlussverfahren, der Walztechnik und der Bemessungsmethoden. So wird mit dem Schweissen eine punktuelle Nietverbindung zu einer linienförmigen Verbindung. Mit der Verfügbarkeit von Stahl gewinnen ebenfalls die Abmessungen der im Werk hergestellten Profile an Bedeutung. Es ist nun möglich, Profile mit einer Länge von mehr als 6 m einzusetzen. Auch erreichte Ende des 19. Jahrhundert die rasant steigende Menge des verbrauchten Stahls eine Wachstumsrate von mehr als 25 %. In der Schweiz entstanden die ersten Stahlbau-Konstruktionen Mitte der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts [3]. Eines der ersten Gebäude mit einem Stahlskelett als Haupttragstruktur war die Börse in Zürich, entworfen 1878 von Albert Müller. Das Gebäude hatte eine Abmessung von 32,5 m Länge, 21,8 m Breite und 17 m Höhe und wurde nach den Berechnungen von Prof. Ludwig Tetmajer (Tetmajer-Gerade) von der Firma Ott realisiert. In dieser Zeit entstanden andere Bauwerke mit grossen Abmessungen wie die Bahnhofshalle in Zürich (Bild 1.3), ausgeführt 1867 nach den Plänen des Ingenieurs Heinrich Gerber (Erfinder des Gerber-Trägers) durch die Maschinenfabrik Augs-

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1 Einleitung

Bild 1.3 Bahnhofshalle Zürich, 1867. Foto: Stahlbauzentrum Schweiz, Zürich

burg-Nürnberg. Ebenso wurden die Bahnhöfe von Fribourg (1875) und von Bellinzona (1884) in Stahl erstellt. Nach dieser Epoche – wie aus der die Broschüre des Verbandes Schweizerischer Brückenbau- und Stahlhochbau-Unternehmungen (V.S.B) [3] zitiert – „haben die Stahlkonstruktionen dank der Entwicklung unserer grossen Städte und der IndustrieUnternehmungen ein rasches Wachstum genommen“. Die nachfolgenden Beispiele zeugen vom Wachstum der Stahlbauweise in der Anwendung von Gebäuden: • das Stadttheater von Zürich, ausgeführt 1890–1891 nach Berechnungen von Prof. W. Ritter, • das Dach und die Kuppel der Kirche Zürich-Enge, 1892–1894, • die Kuppel des Bahnhofs Luzern, 1894–1895, • die Kuppel des Bundeshauses in Bern, 1899–1900, • der Bahnhof Olten, 1899–1900. Die Broschüre des V.S.B [3] präzisiert, dass schon ab 1890 dem Stahlbau der Vorzug für grosse Gebäude gegeben wurde, im Speziellen den Lagerhallen in Basel und Zürich wie auch für Hotels in Luzern und andernorts. Das Geschäftshaus Jelmoli in Zürich [Bild 1.4], 1898 von Stalder und Usteri erbaut, verdient eine spezielle Erwähnung, weil es das erste ganz in Stahl erbaute Gebäude war. Dieses auf dem Beispiel des monumentalen Gebäudes „Printemps“ in Paris erstellten Bauwerks war das erste, welches uns die in Stahlkonstruktionen innewohnenden Vorteile aufzeigte: weiträumig gut beleuchtete Säle, grosse Schaufenster, Raumgewinn und Sicherheit im Brandfall. Der Stahl wurde mehr und mehr verwendet und trug dazu bei, obwohl versteckt angewendet, unseren Städten ein modernes Erscheinungsbild zu geben. Zwischen 1890 und 1900 zögerten die grossen Maschinen- und Energie-

1.5 Kurzer historischer Abriss des Stahlhochbaues

Bild 1.4 Geschäftshaus Jelmoli in Zürich, 1898. Foto: Stahlbauzentrum Schweiz, Zürich

Unternehmen nicht, für ihre Werkstätten und Lagerhallen auf den Werkstoff Stahl zurück zu greifen. Genannt werden: • • • • • •

Escher und Wyss in Zürich, 1891, Dubied in Couvet, 1891–1892, Brown Boveri & Cie. in Baden, 1891–1892, Saurer in Arbon, 1893–1894, Gas- und Wasserwerke in Basel, 1890, Gaswerke in Zürich, 1897–1898.

1.5.2

Erste Hälfte des 20. Jahrhunderts

Während dieser Zeitspanne litt der Stahlbau in starkem Masse unter der Konkurrenz durch den Betonbau. Die Begeisterung für dieses neue Material bei Architekten und Ingenieuren bewirkte einen spürbaren Rückgang der während in dieser Epoche mit Stahl erstellten Bauten. Dennoch entwickelten mehrere Planer weiterhin mittels Prototypen die Basis für eine wirtschaftliche und rationelle Architektur und versuchten, die Berufswelt für die Vorteile von Stahlkonstruktionen zu sensibilisieren. Die Kunstakademie in Glasgow, in zwei Phasen um 1896 und 1909 erbaut durch C.R. Macintosh, enthielt grosse geneigte mit Stahl und Glas ausgeführte Flächen, welche viel Licht in die Ateliers eindringen liessen und einer der ersten Prototypen bezüglich der Stahlbauten des ausgehenden 19. Jahrhunderts war. Die Planung der ersten Industriehallen trug dazu bei, die Verwendung von Stahl im Bausektor beizubehalten. Die Schlachthöfe von Lyon (Bild 1.5), erbaut von Tony Garnier im Jahr 1917, sind dafür ein gutes Beispiel.

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1 Einleitung

Bild 1.5 Schlachthöfe von Lyon, 1917. Foto: Inventaire général Rôhnes-Alpes, ADAGP, L.M. Raffle, 1997

Neben den erwähnten Gebäuden zeugen viele Werke von der effektiven Entwicklung des konstruktiven Stahlbaus in Europa während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und dies trotz des Aufschwungs der Betonbauweise. Unter den bekanntesten sollen die Folgenden erwähnt werden: • die Turbinenwerke von AEG in Berlin, entworfen von Peter Behrens 1909, • der Glashauspavillon der Messe in Leipzig von Bruno Taut, 1914, bestehend aus einer vergoldeten Kuppel über einer achteckigen Pyramide, aus Rauten mit Glas und einer Stahlkonstruktion, • das Warenhaus Petersdorff in Breslau von Erich Mendelsohn, 1927, mit Fassaden vollständig aus Stahl und Glas erbaut, • der Pavillon in Barcelona von Mies van der Rohe, 1929, • das Gebäude Clarté in Genf von Le Corbusier, 1930, • das „Glashaus“ in Paris von Pierre Charreau, 1932. In den USA war die Situation des Stahlbaus das Gegenteil von Europa. Der Werkstoff Stahl entsprach zufriedenstellend den Erwartungen für die Erstellung von hohen Gebäuden und wurde entsprechend sehr viel als Konstruktionsmaterial verwendet. Unter den bedeutendsten sind einige Werke von Mies van der Rohe erwähnt: • • • •

Minerals and Metals Research Building, Chicago (1942), Alumni Memorial Hall, IIT Campus, Chicago (1945–1946), Farnsworth House, Plano, Illinois (1946–1947), Lake Shore Drive Apartments, Chicago (1948–1950).

In der Schweiz erwähnt die Broschüre des V.S.B [3] dass die Entwicklung des Stahlbaus eng an die Vergrösserung der Städte gebunden war. Es ist offensichtlich, dass in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts

1.5 Kurzer historischer Abriss des Stahlhochbaues

die Bevölkerung mehr und mehr in die Städte zog. Umso mehr sich diese ausdehnten, drängten die Geschäftsviertel in die Innenstädte, was aufgrund der hohen Bodenpreise dazu führte, höhere Gebäude zu errichten. Auf der anderen Seite bemühte man sich, im gleichen Gebäude Büros und Geschäfte unterzubringen. Um diese Anforderung zu erfüllen, musste man den vorhandenen Raum optimal nutzen, was zur Folge hatte, nicht nur in die Höhe zu bauen, sondern auch die Wand- und Deckenstärken sowie die Stützenabmessungen zu reduzieren. Dieses neue Problem wurde mit verschieden nutzbaren Stockwerken gelöst, wo die massiven Konstruktionen durch eine skelettartige Konstruktion ersetzt wurden. Die Stahlbauweise erwies sich nun mit den vielen Vorteilen als sehr gefragt für den Bau von grossen Geschäftshäusern. Ähnliche Probleme stellten sich für andere städtische Bauten wie Hotels, Schulen, Theater, Kinos und Lager, für welche man rationelle Lösungen suchte. Unter den zahlreichen Stahlbauten dieser Zeitepoche werden die Folgenden erwähnt: • • • • •

Hotel Cornavin in Genf (1930), Turm des „Bel-Air Métropole“ in Lausanne (1931–1932), (Bild 1.6), die grossen Lagerhallen „Rheinbrücke“ in Basel (ca. 1940), das Kino Rex in Zürich (ca. 1945), die grossen Lagerhallen „Innovation S.A“ in Lausanne (1949).

Im Bereich von Wohnbauten in Stahlbauweise wurden zwischen den beiden Weltkriegen mehrere bildhafte Bauten erstellt wie das Gebäude „Clarté“ von Le Corbusier in Genf oder die Häuser des Doldertals von Marcel Breuer und Alfred und Emil Roth in Zürich. Im Zeitalter des Modernismus regte der Stahl mit seinem unerwarteten architektonischen Ausdruck, den kühnen Spannweiten und der Feinheit der Konstruktion die Fantasie der Architekten an und versprach nichts weniger als eine neue Ära des Konstruierens. Wir wissen heute, dass dies für Wohnbauten nicht der Fall war. Im Bereich der Industriegebäude dagegen wird Stahl ab Beginn des 20. Jahrhunderts verwendet und die Erfolgsstory ist ungebrochen. Tatsächlich wurde Stahl in der Folge mehr und mehr in der Industrie aufgrund der wirtschaftlichen und technischen Leistungsfähigkeit sowie der Leichtigkeit verwendet. Unzählige Beispiele von Industriehallen aus Stahl zeugen davon, beispielhaft die folgenden: • die Spinnereihallen in Obfelden (1947), • die Stahlwerke von Louis von Roll in Choindez (ca. 1940–1945). Das Ende der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war geprägt durch die Ausführung von zahlreichen Hangars und Hallen in Stahl: • Festhallen der Landesausstellung in Zürich mit beweglichem Dach (1939), vor einiger Zeit in Bulle rekonstruiert mit festem Dach durch die Firma Bernard Sottas SA nach Plänen des Ingenieurbüros Barras SA (1996) (Bild 1.7),

13

14

1 Einleitung

Bild 1.6 Turm „Bel-Air Métropole“ (1931– 1932). Foto: Archives de la construction moderne, Lausanne

• Hangars auf dem Flughafen Zürich-Kloten (1949), • die überdachte Radrennbahn in Oerlikon (1949–1950), • die Halle des Comptoir Suisse in Lausanne (1951) (Bild 1.8).

1.5.3

Zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts

Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg war geprägt durch das dringende Bedürfnis des Wiederaufbaus. Eine schnelle Ausführung, der sparsame Umgang mit den Mitteln und die Rationalisierung waren die Auflagen für die Planer dieser Zeit. Der Stahlbau wurde von Ingenieuren und Architekten befürwortet, weil er perfekt diesen Bedürfnissen entsprach und von einer leistungsfähigen Stahlindustrie profitieren konnte (entscheidende Entwicklungen zwischen den Jahren 1940–1950 aus militärischen Gründen). Das führte erneut zu einer vermehrten Verwendung von Stahl als Konstruktionsmaterial. Der deutsche Pavillon für die Weltausstellung in Brüssel 1958 von Egon Eiermann ist ein Beispiel eines Bauwerkes, dessen Teile vollkommen in der Werkstatt vorgefertigt wurden. Dieses Werk ist gekennzeichnet durch eine leichte Stahlkonstruktion, die in keiner Weise die angestrebte Transparenz verhindert und in der Fassade Glastafeln angeordnet hat. Der Wiederaufbau der im Krieg zerstörten Stadtteile in Berlin war eine Nagelprobe für die Stahlbauweise. Als Beispiel kann der gesamte Campus in Berlin-Dahlem von Wood und Schildhelm, erbaut 1963–1973, genannt werden, der überwiegend in

1.5 Kurzer historischer Abriss des Stahlhochbaues

(a)

(b) Bild 1.7 Hallen „Landi“: (a) um 1939 in Zürich. Foto: Stahlbauzentrum Schweiz, Zürich; (b) um 1996 in Bulle. Foto: Auguste Barras, Bulle

Stahl gebaut wurde. So ist das Tragskelett der Bauten vollständig in Stahl und die Fassaden bestehen aus vorgefertigten Metalltafeln. Die 1970er-Jahre waren geprägt durch das Auftreten eines neuen Architekturtypus basierend auf der Betonung der Hochtechnologie. Die Vorreiter dieser HighTech-Architekturströmung waren Norman Foster und Richard Rogers, Renzo Piano und Peter Rice [4–6]. Unter den bekanntesten Konstruktionen können erwähnt werden: • „Centre Georges Pompidou“, erbaut 1972–1977 von Renzo Piano, realisiert durch das Ingenieurbüro Ove Arup & Partners unter der Leitung von Peter Rice, deren Stahlstruktur aus 14 modularen Rahmen besteht. Das Gebäude zeigt alle ansons-

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16

1 Einleitung

(a)

(b) Bild 1.8 Comptoir Suisse in Lausanne, 1951. Foto: Stahlbauzentrum Schweiz, Zürich

ten versteckten Versorgungsanlagen, Treppen und Lifte in der Aussenfassade mit Farben je nach Funktion der einzelnen Leitungen. • Das Labor der Universität Cambridge-Hertfordshire, 1979 von Richard Rogers erbaut, eine Stahlkonstruktion versehen mit vorfabrizierten Sandwich-Paneelen. Die gesamten Technikleitungen sind sichtbar und verleihen dem Inneren eine Struktur, die wie eine besondere Plastikkunst wirkt. Man musste nun die Mitte der 1980er-Jahre abwarten, um die ersten Anzeichen einer erfinderischen Architektur – den Charakter des heutigen Stahlbaus – zu erkennen. Die Gewächshäuser des botanischen Gartens Lucile Halsell Conservatory von San Antonio (Bild 1.9), erbaut von Emilio Ambasz um 1986–1987, bestehend aus einer Rohrkonstruktion mit dreidimensionalen Knoten, die mit einem EDVProgramm berechnet wurde, sowie mit Glaspaneelen ohne Kämpferprofile, zeugen vom technischen Einfallsreichtum dieser Zeit. Die Wiederentdeckung von Stahlkonstruktionen in der Mitte der 1980er-Jahre ist im Handbuch „Construire en acier“, erschienen 1995 im Verlag Le Moniteur, wie folgt beschrieben:

1.5 Kurzer historischer Abriss des Stahlhochbaues

Bild 1.9 Gewächshaus von Lucile Halsell Conservatory, San Antonio. Foto: Richard Payne, Houston

. . . als Ergebnis der jüngsten Konjunktur ebenso wie einer langsamen Reifung. Die Verwendung von Stahl erlaubt eine bessere Produktionskontrolle und lässt Planung und Ausführung besser übereinstimmen. Die aktuelle Tendenz geht in Richtung abstrakter Referenzen wie Informatik oder Biologie. Die „Maschinen“, von denen man träumt, sind glatt und ergonomisch und voll von Bildschirmen und Mikroprozessoren. In diesem Zusammenhang bevorzugt die Architektur des ausgehenden 20. Jahrhunderts kontinuierliche Verkleidungen, erfindet Flugzeugflügel, errichtet Türme und kleidet sich in Häute aus Glas und Stahl. Einige Beispiele sind das „Hôtel industriel“ in Pantin (Bild 1.10), 1990 erbaut von Jean Nouvel mit einer Konstruktion und Verkleidung in Stahl, die Glashalle der Neuen Messe Leipzig (Bild 1.11) erbaut um 1995–1996 von Ian Ritchie, von Gerkan, Marg und Partner sowie Stefan Polonyi mit einer Tragstruktur in Stahl und einer Eindeckung aus Glas mit veränderlichem Lichteinfall. Für diese Art kann man weitere bemerkenswerte Bauten nennen wie: • Der Berliner Hauptbahnhof anstelle des historischen Lehrter Bahnhof wurde 2006 fertiggestellt und ist einer der grössten Bahnhöfe in Europa. Er besteht aus einem 321 m langen Dach in Bogenform mit einer Spannweite von 66 m ohne Zwischenstützen; das Dach besteht aus Glas und enthält teilweise Photovoltaikelemente. • Das Hochhaus an der 30 St Mary Axe in London, auch bekannt als Swiss-Re Tower oder aufgrund seiner Form als „The Gherkin“, wurde 2004 fertiggestellt. Hier werden Norman Fosters Erfahrungen mit Hochhäusern, z. B. auch das Commerzbank-Hochhaus in Frankfurt, erneuerbaren Energien und mit Stahl-Glas-Konstruktionen deutlich.

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1 Einleitung

Bild 1.10 „Hôtel industriel“ in Pantin. Foto: Archipress, Paris

Bild 1.11 Glashalle Neue Messe Leipzig. Foto: Leipziger Messe, Leipzig

In der Schweiz war diese Zeit geprägt durch die Ausführung von vielen Stahlbauten für die öffentliche Hand (Verwaltung, Schulen, Sportzentren) und viel weniger im privaten Sektor (Bürobauten, Einkaufszentren). Folgende bemerkenswerte Bauten sind nachfolgend erwähnt: • Verwaltungsgebäude von Nestlé in Vevey erbaut 1957–1960 vom Architekten Jean Tschumi, erweitert 1974 und saniert 1997–1998 durch die Architekten Richter & Dahl Rocha und dem Ingenieurbüro Tappy, Bornand & Michaud, • die erste Etappe der Universität Lausanne-Dorigny, 1969–1970 erbaut vom Architekten- und Ingenieurkonsortium B. Janin & T. Girard und L. Gabella, • das Verwaltungsgebäude von Bobst SA in Prilly erbaut 1978–1979 vom Architekten J.P. Cahen und den Ingenieuren A. Kugler und F. Matter,

1.5 Kurzer historischer Abriss des Stahlhochbaues

• die Sporthallen der eidgenössischen Hochschule für Sport in Magglingen, 1975– 1981 erbaut vom Architekten M. Schlup und den Ingenieuren Schaffner & Dr. Mathys und Schmid, • diverse Gebäude des Flughafens in Genf (Kontrollturm, Frachthalle, Ausstellungshalle, Gebäude der Gepäcksortierung, Eventhalle usw.), • Gebäude der ersten Etappe der ETH Lausanne-Ecublens, 1977–1983 von den Architekten Zweifel & Strickler, • das beheizte Gewächshaus des botanischen Gartens in Genf, 1987 erbaut von den Architekten Lamunière & van Bogaert, Marchand & Partner, Ritter, Sauty & Partner, Châtelain & Konsorten, Ingenieur J.-M. Yokoyama, • die Postautostation in Chur, 1991–1992 von den Architekten R. Brosi und Obrist & Partner, Ingenieure Toscano, Hegland & Partner und Ove Arup & Partner, • das Verwaltungsgebäude in Langenthal, 1996, des Architekten Geiser und den Ingenieuren Duppenthaler & Wälchli, • das Swisscom-Gebäude in Lausanne-Ecublens, 1996 erbaut von den Architekten R. Lüscher, Mitarbeiter D. Linford, den Ingenieuren Hitz & Partner und D. Crottaz, • der 1998–1999 von Theo Hotz erstellte Bau der Halle 1 der Messe Basel, ein mehrstöckiger Stahlbau, 200 m lang und 90 m breit mit einer vorgehängten Glasfassade auf beiden Längsseiten, • es folgten der Messeturm in Basel, erbaut in den Jahren 2001–2003, ein 105 m hohes Hochhaus von den Architekten Meinrad Morgner, Daniele Marques und Heinrich Degelo, • Überdeckung des Messeplatzes in Basel von Herzog & De Meuron, 2011–2013. Wieso konnte sich der Stahlbau für grosse Wohnbauten nicht durchsetzen? Einige Architekten haben sich damit befasst, Stahl auch bei Wohn- und Bürogebäuden einzusetzen. Zu nennen sind z. B. die Residenz Dolderpark über der Kurhausstrasse in Zürich von Marcel Thoenen oder das Gebäude „zur Schanze“ der Architekten René Herter und Werner Stücheli. Letzterer war zu Beginn des 21. Jahrhunderts der Initiator für die Wiederentdeckung von Stahl durch die Architekten Romero & Schaefle sowie das Ingenieurbüro Dr. Lüchinger & Meyer in Zürich (siehe Bild 1.12). Allerdings gibt es unter den Schweizer Vertretern dieser Stahl- und Glasarchitektur, der sogenannten Solothurner Schule, erstaunlicherweise kein grosses Wohnhaus in Stahlbauweise. Die Beispiele von Wohnbauten sind Raritäten geblieben, die Konstruktionsweise bleibt weiterhin fest beim Betonbau. Die Widerstände für den Einsatz von Stahl waren und bleiben die konkrete Antwort auf die Anforderungen der Brandschutzsicherheit, die akustische und thermische Trennung oder die wichtigen finanziellen Risiken gegenüber einer als neu betrachteten Konstruktionsart – obwohl genau diese Konstruktionsart de facto einen raschen „return on investement“ anbietet. Dazu kommt heute die neuere Herausforderung bezüglich Energieeffizienz. In den Unternehmungen, wo sich die Konstruktionstechniken als bewährt erweisen, hören Weiterentwicklungen und Verfeinerungen nicht auf und man wird mit ganzer Kraft ausgetretene Pfade verlassen. Sind doch die konkreten Antworten auf die genannten Herausforderungen vorhanden [7]. Für eine vermehrte Ver-

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20

1 Einleitung

Bild 1.12 Gebäude „zur Schanze“ mit Aufstockung in Zürich.

wendung von Stahl für Tragwerke insbesondere für Wohnbauten braucht es bessere Kenntnisse über die Stahlbauweise, was mit der Ausbildung von Architekten und Ingenieuren beginnt; man muss es wagen. Wir möchten mit dem vorliegenden Buch dazu beitragen.

1.6 Literaturverzeichnis 1 Bollinger, K. et al. (2011). Atlas moderner Stahlbau – Material, Tragwerksentwurf, Nachhaltigkeit. Verlag Detail. 2 Verein deutscher Eisenhüttenleute (Hrsg.) (1995). Stahl im Hochbau, Bd. 1, Anwenderhandbuch, 15. Aufl. Düsseldorf: Verlag Stahleisen M B H. 3 VSB (1950). La construction métallique en Suisse, Union des constructeurs suisses de ponts et de charpentes métalliques. Zurich et Brugg. 4 Sudjic, D., Foster, N., Rogers, R. und Stirling, J. (1986). New Directions in British Architecture. London: Thames & Hudson. 5 Buchanan, P. (1993). Renzo Piano Building Workshop: Complete Works. London: Phaidon. 6 Rice, P. (1993). An Engineer Imagines. London: Artemis. 7 Braun, D. (2019). Structural Steel Reuse: assessment, testing and design principles, rapport SCI P427, The Steel Construction Institute, London.

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2 Entwurf und Stabilisierung von Hallen und Geschossbauten 2.1 Einleitung Das Tragsystem einer Stahlbau-Halle entsteht aus dem Zusammenbau von ProfilStäben und Flachprodukten. Dieses Gerippe hat primär die Funktion, einwirkende Lasten aufzunehmen und in die Fundationen abzutragen. Im Weiteren muss die Befestigung von umhüllenden Elementen von Dach und Fassade sowie von inneren Abtrennungen gewährleistet sein. Unabhängig vom zu begrenzenden Volumen bestehen Tragstrukturen aus räumlichen Systemen, die sich unter Lasten dreidimensional verhalten. Hingegen wird der Ingenieur die Tragstruktur sowohl für das Konzept als auch die Bemessung in ebene Systeme der drei räumlichen Achsen aufteilen (Grundriss, Ansicht, Schnitt). Diese Vereinfachung ist bei den häufigsten Hallenkonstruktionen aus Sicht der Kalkulation, Fabrikation und Montage gerechtfertigt. Es gibt hingegen echte dreidimensionale Tragstrukturen, bestehend aus Wänden, Schalen, Zelten oder Membrane, welche aufgrund des dreidimensionalen Tragverhaltens grosse Spannweiten zu überbrücken vermögen. In diesem Kapitel sollen verschiedene Konzepte von Hallentragsystemen aufgezeigt werden. Dabei werden lediglich die Haupttragstrukturen und Verbände behandelt. Konzepte der Sekundärstrukturen von Dach und Wand werden später im Kap. 3 vorgestellt. Hauptsächlich geht es um die Stabilisierung von Hallen und Geschossbauten (Abschn. 2.3 und 2.5). Die Spezialkonstruktionen von Shedbauten werden auch behandelt (Abschn. 2.4). Bezüglich Raumtragwerken (Abschn. 2.6) und besonderen Tragwerken (Abschn. 2.7) werden Beispiele aufgezeigt, ohne die Tragkonzepte immer detailliert darzustellen. Im Anhang A2.1 werden empirische Regeln zur Vordimensionierung aufgelistet. Weitere Hinweise befinden sich im angehängten Literaturverzeichnis [1–3] sowie im Kap. 1 des Buches.

2.2 Aus Ebenen gebildete Tragstrukturen 2.2.1

Form von Strukturen

Eine einfache Halle kann als Schachtel betrachtet werden (Bild 2.1a), welche aus sechs Flächen besteht. Die Stahlstruktur und die Eindeckungen werden aus dem Stahlhochbau – Entwurf und Bemessung von Hallen und Geschossbauten, 1. Auflage. Manfred A. Hirt, Michel Crisinel und Alain Nussbaumer. © 2024 EPFL Press. Published 2024 by Ernst & Sohn GmbH.

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2 Entwurf und Stabilisierung von Hallen und Geschossbauten Dacheindeckung Binder Pfette Wandverkleidung

C B

Wandriegel

Giebelwandstütze

(a) Schachtel

A

Windverband

Lä n

gss

eit e

Rahmenstütze

Gie

belw

and

(b) Tragstruktur

Bild 2.1 Beispiel einer einfachen Halle.

Dach und den vier Wänden gebildet, der Boden wird durch die Fundationen oder einen Unterbau verkörpert. Die Tragstruktur der „Schachtel“ wird in die drei Raumachsen aufgeteilt und besteht aus (Bild 2.1b): Binder und Stützen in Querrichtung (parallel, Ebene AB), dem Dach (parallel, Ebene AC) und den Längswänden (parallel, Ebene BC). Um die Stabilität dieser Schachtel zu gewährleisten, ist es nötig, dass jede der drei Richtungen in ihrer Ebene durch Verbände oder eine Rahmenwirkung stabil ist. Bild 2.1b zeigt das Beispiel des Tragsystems einer Halle, bestehend aus drei Rahmen (Binder und zwei Stützen) und den zwei Giebelwänden, auf welchen die Fassadenriegel und Dachpfetten befestigt sind. Auf diesen eindimensionalen Elementen sind schlussendlich die ebenen Eindeckungen von Dach und Fassade befestigt. Die Stabilität ist in diesem Beispiel durch Windverbände aus gekreuzten Diagonalstäben gewährleistet. Betrachten wir in groben Zügen verschiedene mögliche Tragsysteme, welche ausgehend von der Standardhalle aus Bild 2.1b für die Form eines Quaders vorgesehen werden können. In der ersten Lösung bestehen die Binder aus Walzprofilen. Bei grösseren Spannweiten werden diese Elemente durch Blechträger oder hohe Fachwerkträger ersetzt (Bild 2.2a). Wenn nun die Pfetten geneigt angeordnet werden, sodass ein Pfettenende auf dem Obergurt des Fachwerkes und das andere Ende auf dem Untergurt des benachbarten Fachwerkes aufliegt, erhalten wir eine Shedkonstruktion (Bild 2.2b). Eine andere Variante einer Shedkonstruktion besteht darin, die Fachwerke selber geneigt anzuordnen und sie paarweise zu einem Dreigurtbinder zu formen, welche auf einem Längsträger aufliegen. Falls die Füllglieder des Fachwerks durch Profilbleche ersetzt werden, welche in den Gurtungen verbunden sind, erhalten wir die Konstruktion eines Faltwerkes (Bild 2.2d). Schlussendlich können die Fachwerke in Längs- und Querrichtung angeordnet werden und wir erhalten eine zweifach gerichtete Konstruktion als Raumfachwerk, bei welcher die Anzahl der Abstützungen wesentlich reduziert werden kann (Bild 2.2e).

2.2 Aus Ebenen gebildete Tragstrukturen

(a)

(b)

(d)

(c)

(e)

Bild 2.2 Verschiedene Tragstrukturen von Hallen.

2.2.2

Kraftverlauf und Zerlegung der Struktur

Um die Funktion der zugrunde gelegten Halle von Bild 2.1 zu veranschaulichen, zerlegen wir die Tragstruktur in ebene Flächen und beziehen die Abtragung von horizontalen und vertikalen Lasten ein. Betrachten wir vorerst die auf das Dach wirkenden lotrechten Lasten, z. B. eine verteilte Last 𝑞, welche die Schneelast darstellt (Bild 2.3a). Diese Last wirkt via die Dachhaut auf die Pfetten, welche ihrerseits ihre Reaktionen auf die Binder abtragen. Letztere liegen auf den Stützen, welche die Lasten in die Fundationen abgeben; die vertikale Lastabtragung ist somit gegeben. Betrachten wir jetzt die Windlasten, welche von links seitlich auf die Fassade wirken (Bild 2.3b). Die Wandverkleidung stützt sich auf die horizontalen Wandriegel, welche ihre Reaktionen an die Hallenstützen abgeben. Somit beanspruchen die

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24

2 Entwurf und Stabilisierung von Hallen und Geschossbauten Vertikallast q Dachelement Pfette

Binder

Stütze

Fundation

(a)

Fundation Verkleidung

Windverbandsystem

seitlicher Wind

Wandriegel

(b)

Bild 2.3 Vertikaler und horizontaler Kraftverlauf.

senkrecht auf die Längsseite der Halle wirkenden horizontalen Kräfte den Hallenrahmen seitlich. Letzterer muss also die Lasten in die Fundationen abtragen, wenn nötig mit einem Windverbandssystem (Abschn. 2.3). Die gleiche Betrachtung kann für in Längsrichtung auf die Giebelwände wirkende Windlasten gemacht werden. In diesem Fall werden nun die Längswände beansprucht. Die Stabilisierung von Hallen wird in Abschn. 2.3 ausführlich behandelt.

2.2 Aus Ebenen gebildete Tragstrukturen

25

Der vertikale und horizontale Kraftverlauf geschieht also über ebene Elemente der drei Hauptabmessungen einer Halle: • die Länge (Pfetten, Riegel), • die Breite (Rahmen), • die Höhe (Stützen). Der vorliegende Abschn. 2.2 bezieht sich auf die Ausführung von ebenen, eingespannten oder gelenkig gelagerten Rahmen, bestehend aus Binder und Stützen, die durch vertikale und horizontale (seitliche) Kräfte in Rahmenebene beansprucht werden.

2.2.3

Rahmen aus Doppel-T-Profilen

Die Wahl der Rahmenform hängt im Speziellen von der Konzeption der Halle, den Spannweiten, vom anzunehmenden statischen System und von der Konstruktionsart ab. Wie Bild 2.4 zeigt, kann der Hallenbinder verschiedene Formen haben: horizontal, geneigt, mit Giebel, mit konstanter oder variabler Trägerhöhe, mit Vouten, gebogen etc. Die Rahmen können ein- oder mehrschiffig sein. Die Wahl der spezifischen Geometrie bestimmt die Einfügung von vertikalen oder geneigten Verglasungen im Dach, wie sie speziell im Abschn. 2.4 (Shedkonstruktionen) gezeigt werden. Rahmen können auch eine Bogenform annehmen. Es ist ebenfalls möglich, einen Rahmen mit auskragenden Vordächern oder Markisen zu erweitern. Schliesslich können Rahmen aus Walzprofilen, Blechträgern oder Lochträgern konstruiert werden. In der Praxis liegt die Trägerhöhe mit H-Profilen in der Grössenordnung von 𝑙∕15 bis 𝑙∕30, dabei ist 𝑙 die Spannweite des Binders (vgl. Anhang A2.1). Spannweiten und Abstände von Rahmen

Die Spannweiten von Rahmen sind durch zwei gegensätzliche Bedingungen bestimmt: • Nutzungsanforderungen, welche möglichst grosse stützenfreie Flächen erfordern, • wirtschaftliche Gründe, welche kürzere Spannweiten bedingen.

(a) horizontaler Binder

(e) verstärkter Binder

(b) schräger Binder

(c) geknickter Binder (d) Binder und Stützen mit variabler Höhe

(f) gebogener Binder

Bild 2.4 Beispiele von Rahmenformen mit H-Profilen.

(g) mehrschiffiger Rahmen

26

2 Entwurf und Stabilisierung von Hallen und Geschossbauten

Übliche Hallen haben eine Spannweite von 10 bis 30 m. Für grosse Hallen, insbesondere im Sport- und Eventbereich, sind Spannweiten weit über 50 m möglich. Die Wahl der Rahmenabstände ergibt sich aus der Kostenoptimierung der Konstruktion. Bei grossen Rahmenabständen resultieren schwerere und zahlreichere Sekundärkonstruktionen wie Riegel und Fassadenzwischenstützen sowie grosse Pfettenprofile; dagegen ist die Anzahl der Rahmen geringer. Bei kleineren Rahmenabständen ergeben sich somit mehrere, aber leichtere Rahmen; die Sekundärkonstruktionen sind weniger bestimmend. Geläufige Rahmenabstände bewegen sich zwischen 5 und 7 m, maximal bis 15 m. Für die Befestigung von horizontal verlegten Wandkassetten ist ein Rahmenabstand von 5 bis 7 m ideal, weil für diese Abmessungen keine Zwischenstützen erforderlich sind. Statische Systeme

Die Verbindung der Rahmenelemente untereinander sowie auf die Fundationen ergeben in einer ersten Annäherung zwei Typen: • gelenkige Anschlüsse, welche eine gegenseitige Verdrehung benachbarter Stäbe erlauben, • biegesteife Anschlüsse, welche eine gegenseitige Verdrehung zweier benachbarter Elemente verhindern. Andererseits ist zu bemerken, dass sich das tatsächliche Verhalten von Verbindungen immer zwischen diesen Extremfällen einstellt. Man spricht dabei von einer teilweisen Einspannung. Erinnern wir uns auch, dass jede gelenkige Verbindung den Grad der statischen Bestimmtheit 𝑛 einer Tragstruktur um den Wert „1“ reduziert (Tabelle 2.1). Wir bezeichnen einen Rahmen als statisch bestimmt, wenn die statische Bestimmtheit 𝑛 = 0 vorliegt. Ein Rahmen, der nicht genügend Auflagerkräfte aufweist, um das Gleichgewicht mit den einwirkenden Lasten zu gewährleisten, ist ein Mechanismus und somit instabil. Sein Gleichgewicht muss durch zusätzliche Auflager hergestellt werden, was oft durch einen Windverband geschieht. Es handelt sich hier um eine sogenannte statische Stabilität, nicht zu verwechseln mit der Formstabilität. Wir behandeln die Stabilisierung von Rahmen im Kap. 6 des vorliegenden Werkes. Statisch unbestimmte Strukturen ergeben: • einen guten Ausgleich der Biegemomente, welche in der Regel kleiner sind als bei statisch bestimmten Systemen und gleichzeitig kleinere Deformationen (Tabelle 2.2a); • die Möglichkeit der Umverteilung von Auswirkungen aus aussergewöhnlichen Einwirkungen wie Brand, Anprall oder Explosion usw. (Tabelle 2.2b); • eine grosse Flexibilität bezüglich konstanter und ungleichmässiger Temperatureinwirkung und bezüglich ungleichmässiger Setzungen der Stützenfüsse (Tabelle 2.2c) sowie bezüglich Verschiebungen von Stützfundationen und Ungenauigkeiten der Fabrikation und Montage usw.

2.2 Aus Ebenen gebildete Tragstrukturen

Tab. 2.1 Statische Bestimmtheit n von Rahmen. Stützenfuss

Statische Systeme (Beispiele)

Statische Bestimmtheit

Rahmentyp

–1

Instabil (Mechanismus)

0

Statisch bestimmt

+1

Statisch unbestimmt

0

Statisch bestimmt

+1

Statisch unbestimmt

+2

Statisch unbestimmt

+3

Statisch unbestimmt

Gelenkig

Eingespannt

Es gilt zu beachten, dass bei gleicher statischer Bestimmtheit die Anordnung von Gelenken einen grossen Einfluss auf die Verteilung der Auswirkungen und somit auch auf die Grösse der Auflagerreaktionen hat. Tabelle 2.3 zeigt den Einfluss für die Biegemomente und die Deformationen eines Rahmens mit unterschiedlicher Anordnung der Gelenke unter der Einwirkung einer horizontalen Einzellast sowie einer gleichmässig verteilten vertikalen Last. Die Wahl der statischen Unbestimmtheit und die Anordnung der Gelenke und Einspannungen müssen von Fall zu Fall aufgrund der oben genannten Aspekte sowie auch gemäss nachfolgender Bedingungen geschehen:

27

28

2 Entwurf und Stabilisierung von Hallen und Geschossbauten

Tab. 2.2 Einfluss der statischen Unbestimmtheit auf das Tragverhalten eines Rahmens. Statisch unbestimmte Struktur

Statisch bestimmte Struktur

(a) Biegemomente und Deformationen

100% 11% M 22%

100%

5% w

(b) Versagen einer Stütze

Kein Einsturz

Einsturz

(c) Auflagersenkung

Keine aufgezwungenen Kräfte

Aufgezwungene Kräfte

Baugrund. Gewisse Böden sind aus wirtschaftlichen Gründen nicht in der Lage, Biegemomente oder horizontale Reaktionen der Stützenfüsse (in Einzelfällen auch vertikale Lasten) aufzunehmen. Mit gelenkigen Stützenfüssen können die Fundamente entlastet werden, was logischerweise eine massivere Stahlstruktur zur Folge hat. Es ist im Weiteren möglich, die horizontalen Auflagerreaktionen durch Anordnung eines Zugbandes in der Ebene der Fundationen zu reduzieren oder ganz zu eliminieren und damit eine vorteilhaftere Momentenverteilung zu erreichen. Das erlaubt nun, die horizontalen Lasten aus den vertikalen Einwirkungen auszugleichen, nicht aber das Gleichgewicht mit äusseren horizontalen Einwirkungen her-

2.2 Aus Ebenen gebildete Tragstrukturen

29

Tab. 2.3 Einfluss der Anordnung der Gelenke eines Rahmens auf die Verteilung der Biegemomente und die Deformationen. Gelenke am Stützenkopf

Lastfall

Biegemomente

Zugband

Verformungen

Gelenke am Stützenfuss

Biegemomente

Verformungen

Aufhängung des Zugbandes

Zugband bestehend aus der Armierung der Bodenplatte

(a)

(b)

Bild 2.5 Beispiele von Rahmen mit Zugbändern.

zustellen. Das Zugband kann auf Höhe der Rahmenecken (Bild 2.5a) oder auf Höhe der Stützenfüsse (Bild 2.5b) angeordnet werden. Im letzteren Fall geschieht das durch Anordnung einer entsprechenden Armierung oder einer Vorspannung in der Bodenplatte. Montage. Ein Montagestoss kann das statische System bestimmen. Zum einen ist ein Gelenk für die Montage einfacher und wirtschaftlicher als ein biegesteifer Stoss.

30

2 Entwurf und Stabilisierung von Hallen und Geschossbauten

Zum anderen erleichtern Einspannungen die Montage, da provisorische Abstützungen wegfallen können. Konstruktionsdetails

Hallenrahmen aus Doppel-T-Profilen müssen Anschlussdetails aufweisen, welche dem statischen System entsprechen. Im Gegenzug muss die Modellbildung des statischen Systems der Struktur den realen Verbindungen – gelenkig oder eingespannt – Rechnung tragen (TGC 10, Abschn. 2.5.1). Die Stützenfüsse bilden die Schnittstelle zwischen der Stahlkonstruktion und den Fundationen (oder Unterbauten) in Stahlbeton. Sie können gelenkig oder eingespannt vorgesehen werden. Die Modellbildung entspricht selten den reellen Begebenheiten. Tatsächlich ist ein gelenkiger Anschluss aufgrund der Biegesteifigkeit der Stützenfussplatte nie perfekt und die Einspannung ist in der Regel aufgrund der Weichheit der Verbindung zwischen Stütze und Fundament, insbesondere aber aufgrund der Nachgiebigkeit des Baugrundes, nachgiebig. Bild 2.6 zeigt vier typische Beispiele von Stützenfüssen. Das erste Beispiel wird als gelenkig betrachtet (Bild 2.6a), besteht aus einer Fussplatte und zwei Befestigungsschrauben und ist in der Lage, vertikale und horizontale Kräfte aufzunehmen. Das zweite Beispiel (Bild 2.6b) ist durch Anordnung eines Flacheisens gelenkig, eine Lösung für den Fall einer vorbestimmten Rotation. Das dritte Beispiel (Bild 2.6c) wird als eingespannt betrachtet, besteht aus einer dicken Fussplatte und vier Ankerstangen und ist in der Lage, ein bedeutendes Biegemoment sowie vertikale und horizontale Kräfte aufzunehmen. Das vierte Beispiel schliesslich (Bild 2.6d) zeigt eine Stütze, die in ein massives Fundament einbetoniert ist (Köcherfundament) und als direkt eingespannt betrachtet werden kann. Rahmenecken bilden die Verbindungsbereiche zwischen Binder und Stützen. Sie sind gelenkig oder biegesteif ausgebildet und geschweisst oder geschraubt ausge-

(a)

(b) (c)

Bild 2.6 Stützenfüsse.

(d)

2.2 Aus Ebenen gebildete Tragstrukturen

(a) Gelenkige Rahmenecken

(b) Biegesteife Rahmenecken

Verstärkung der Ecke (Voute)

(c) Besondere biegesteife Rahmenecken Bild 2.7 Rahmenecken.

führt. Gelenkige Rahmenecken (Bild 2.7a) werden geschraubt ausgeführt. Es sind zwei Varianten möglich: Der Binder liegt auf der Stütze oder ist an dieser befestigt. Aus Montagesicht ist die Befestigung des Binders auf der Stütze die einfachere Lösung, die Befestigung an der Stütze hingegen benötigt oft Montagehilfen. Biegesteife Rahmenecken (Bild 2.7b) werden für Hallenrahmen angewendet und müssen die Biegemomente übertragen und die Stabilität gewährleisten. Falls der Montagestoss mit vorgespannten SHV-Schrauben bei der Rahmenecke vorgesehen ist, werden die Werkstücke in der Regel auf der Baustelle verbunden. Falls in der Rah-

31

32

2 Entwurf und Stabilisierung von Hallen und Geschossbauten

(a) Gelenkig

(b) Biegesteif

Bild 2.8 Firstverbindungen.

menecke kein Montagestoss vorgesehen ist oder dieser entfernt vom Knoten ausgeführt wird, kann die Rahmenecke unter idealen Bedingungen vollständig im Werk geschweisst und als Ganzes auf die Baustelle transportiert werden. Das linke Bild in Bild 2.7c zeigt eine biegesteife Lösung, bei welcher Binder und Stütze schräg geschnitten werden, idealerweise angewendet bei gleicher Profilhöhe von Stütze und Binder. Diese Lösung wird häufig bei Rahmen mit Hohlprofilen vorgesehen. Biegesteife Rahmenecken können auch mit Verstärkungen ausgeführt werden, insbesondere bei Auftreten von maximalen Beanspruchungen (Moment und Querkraft). Solche Eck-Verstärkungen werden realisiert bei unterschiedlichen Höhen von Stütze und Binder (Darstellung rechts, Bild 2.7c), als Vouten in geschweisster Ausführung oder mit längs schräg geschnittenen Walzprofilen. Die Firstverbindungen mit geknickten Doppel-T-Profilen bilden gleichermassen einen speziellen Punkt des Rahmens. Dieser kann abhängig vom statischen System gelenkig (Bild 2.8a) oder biegesteif (Bild 2.8b) ausgeführt werden.

2.2.4

Fachwerkbinder

Bei grosser Spannweite eines Rahmens oder wenn ein Giebeldach vorgesehen ist, kann der Binder als Fachwerk ausgeführt werden (Bild 2.9). Solche Binder bestehen aus einem Ober- und Untergurt und einer Ausfachung mit Diagonalen und Pfosten (Bild 2.9a). Je nach Formgebung (Bild 2.9b) bezeichnen wir die Fachwerke als dreieckförmig, trapezförmig oder parallelgurtig. Dreieckförmige Fachwerke werden gelenkig gelagert, in der Regel auf Stützen; Trapezförmige und parallelgurtige Fachwerke hingegen können in die Randstützen eingespannt werden. Je nach Anordnung der Füllglieder unterscheiden wir einfache oder doppelte Strebenzüge sowie V-, K- oder N-Fachwerke (Bild 2.9). Bei sehr grossen Spannweiten können Sekundärfachwerke eingeführt werden, um den Obergurt zu halten (Bild 2.9d). Dadurch werden die Knicklängen der gedrückten Obergurtstäbe in Fachwerkebene verkleinert und die Aufnahme von konzentrierten Lasten ohne Sekundärbiegung zwischen den Knoten des Hauptfachwerkes ermöglicht. Ebenso ist es möglich, einen Binder bestehend aus zwei Fachwerken und einer Zugstange auszuführen (Bild 2.9e). Die aktuelle Entwicklung bei Fachwerken zeigt die Tendenz zur Reduktion der Knoten und einer Vergrösserung der Stablängen. Das führt zu einer Erhöhung des Eigengewichtes aufgrund der grösseren Sekundärbiegung und der längeren Druck-

2.2 Aus Ebenen gebildete Tragstrukturen

First Knoten

u r t (S

par re

n)

Pfosten

Ob e r g

Di

Firstständer

ag

on

ale

Untergurt (Zugband)

(a)

allfällige Strebe Stütze

(d)

(e)

(b)

(c) Bild 2.9 Beispiele von Fachwerkbindern.

stäbe. Eine andere Tendenz zeigt sich in der Verwendung von Hohlprofilen, die ohne Knotenbleche verschweisst werden [4] sowie in der Anwendung von Stahlleichtprofilen.

2.2.5

Andere Binderformen

Einige weniger gebräuchliche und durch die neuere Entwicklung des Stahlbaus fast vergessene, aber früher häufig verwendete Formen sollen trotzdem erwähnt werden. Es handelt sich um den unterspannten Balken, der sich aus einem Träger, aus einem oder zwei Pfosten und einem Zugband zusammensetzt (Bild 2.10). Dieses System kann auch zur Verstärkung von bestehenden Konstruktionen verwendet werden. Der Vierendeel-Träger oder Rahmenträger (Bild 2.11a) besteht aus zwei parallelen Gurten und rechtwinklig dazwischenliegenden Posten. Als Biegeträger ohne Diagonalen sind die Stäbe stärker beansprucht als bei einem Fachwerk mit parallelen Gurten, was zu massiveren Stäben und kostenintensiven Schweissverbindungen in den Knoten führt. Im Gegenzug haben wir freiere Öffnungen im Träger. Bild 2.11b zeigt einen Fachwerkträger kombiniert mit einem Vierendeel-Feld.

33

34

2 Entwurf und Stabilisierung von Hallen und Geschossbauten Träger

Träger mit einem Pfosten

Zugband

Pfosten Zugband

Träger mit zwei Pfosten

Bild 2.10 Unterspannte Balken.

(a) Vierendeel-Träger

(b) Kombination Fachwerkträger-Vierendeel-Träger Bild 2.11 Vierendeel-Träger (statische Systeme).

2.2.6

Rahmenstützen

Rahmenstützen sind die vertikalen Elemente von zwei- und mehrstieligen Rahmen, welche die Reaktionen aus dem Binder in die Fundationen leiten. Die Stützenwahl hängt von verschiedenen nachstehend erwähnten Parametern ab: • die Beanspruchungsart, das heisst die Verhältnisse zwischen Biegung in und aus der Rahmenebene sowie der Normalkraft, • die Schlankheit der Stütze in und aus der Rahmenebene im Hinblick auf das Knicken, • die Wahl des Binderprofils und die vorgesehene Befestigung an die Stütze, welche möglichst einfach und direkt sein soll – im Falle einer steifen Verbindung, bei welcher massgebende Biegemomente übertragen werden müssen, ist es oft erforderlich, für Binder und Stützen den gleichen Profiltyp (z. B. Walzprofile) zu wählen, • das Vorhandensein einer Kranbahnkonsole und deren Befestigung (siehe Kap. 9 im vorliegenden Werk), • das Vorhandensein von Fassadenriegel; Fassadenriegel tragen häufig zur Verbesserung der Stabilität der Rahmenstütze bei.

2.2 Aus Ebenen gebildete Tragstrukturen

Profile mit konstantem Querschnitt

Doppel-T-Walzprofile sind die am häufigsten verwendeten Elemente für Rahmenstützen. Diese Profile sind als Biegeträger um ihre starke Achse geeignet. Breitflanschträger (H-Profile) im speziellen HEM- und HD-Profile sind im Weiteren in der Lage, grössere Normalkräfte aufzunehmen. Die Dicke ihrer Flansche verhindert das lokale Beulen. Die Profilform ist zudem sehr vorteilhaft für die Befestigung von Trägern, Riegeln und Windverbänden usw. Die Profile können zur Vergrösserung der Biegesteifigkeit bezüglich der einen oder anderen Achse mit angeschweissten Flanschblechen, welche auf oder zwischen die Flansche angebracht werden, verstärkt werden (Kastenquerschnitt). Im Weiteren vermindern diese Verstärkungen das lokale Beulen des Querschnittes. Geschweisste H-Profile mit konstantem Querschnitt und vollflächigen Stegen werden selten als Stützen eingesetzt. Hohlprofile verschiedener Ausführung besitzen vorteilhafte Biege- und Normalkraft-Steifigkeiten, um die zweiachsige Biegung abzutragen. Dagegen sind sie nicht wirtschaftlich und komplizierter, was die Anschlüsse von Haupt- und Sekundärträgern betrifft. Bild 2.12 zeigt prinzipielle Beispiele von Profilen mit konstantem Querschnitt.

Walzprofile

Zusammengesetzte Vollwandprofile

Bild 2.12 Stützen mit konstantem Querschnitt.

Zum Kastenquerschnitt verstärktes Profil

Hohlprofile

35

36

2 Entwurf und Stabilisierung von Hallen und Geschossbauten

Konische Stützen

Bajonettstützen

Bild 2.13 Stützen mit variablem Querschnitt.

Profile mit variablem Querschnitt

Stützen mit variablem Trägheitsmoment sind charakterisiert durch eine lineare Verkleinerung ihrer Abmessungen von der Rahmenecke zum Stützenfuss. Es handelt sich grundsätzlich um zusammengesetzte Profile mit vollwandigen Stegen und offenem oder geschlossenem Querschnitt, die durch das Zusammenschweissen von konischen Blechen hergestellt werden. Stützen mit abgestuftem Querschnitt bestehen aus unteren grossen Profilen und oberen kleineren Profilen. Die Abstufung in der Stütze dient hauptsächlich zur Aufnahme von einem oder mehreren Kranbahnträgern. Der obere kleinere Stützenquerschnitt hingegen trägt den Dachbinder. Die Stützen können aus verschiedenen Profilen hergestellt sein (Walzprofile, Blechträger, Fachwerke, ausgefachte Stäbe usw.). Bild 2.13 zeigt einige Beispiele von Stützen mit variablem Querschnitt. Zusammengesetzte Profile

Zusammengesetzte Profile bestehen aus Stabstählen, welche verschweisst oder verschraubt sind und ein leichtes Element mit grosser Biege- und Drucksteifigkeit ergeben. Dabei handelt es sich um ausgefachte Stäbe oder Rahmenstäbe für Stützen und Binder. Als Haupttragelemente solcher Stützen mit zwei oder vier Gurten werden sehr häufig Winkel-, U- oder C-Profile verwendet. Die Füllglieder und Bindebleche sind meistens Flachbleche, Winkel oder U- und C-Profile. Die Vorteile dieser Stützenart sind Gewichts- und Materialeinsparungen sowie der grosse Knickwiderstand und die grosse Biegesteifigkeit aufgrund der Materialkonzentration weit ausserhalb des Schwerpunktes des Querschnittes. Die höheren Fabrikationskosten gehen ohne Zweifel zu Lasten der genannten Vorteile. Dieser Typ von Stützen wird bei sehr hohen Normalkräften angewendet. Bild 2.14 zeigt zwei Beispiele.

2.3 Stabilisierung von Hallen

Rahmenstütze

Fachwerkstütze

Bild 2.14 Zusammengesetzte Stützen.

2.3 Stabilisierung von Hallen Im Abschn. 2.2 haben wir gesehen, dass eine einfache Halle stabil ist, wenn jede Richtung des Raumes stabilisiert ist, das heisst, wenn eine gewisse Anzahl Scheiben (tragende Flächen) so angeordnet ist, dass eine räumliche Struktur entsteht. In horizontaler Richtung wird die formstabile Ebene in der Regel durch die Dachscheibe gebildet. In Längsrichtung wird die Stabilität durch eine oder zwei Längsscheiben gewährleistet. In Querrichtung schliesslich wird die Stabilität durch die Rahmen selber sichergestellt, sofern diese in sich stabil sind (siehe Tabelle 2.1). Wenn die Rahmen gelenkig (instabil) ausgebildet sind, muss die Gesamtstabilität der Halle durch ein Windverbandssystem sichergestellt werden.

2.3.1

Windverbandsysteme

Um eine einfache Hallenstabilisierung durch ein System von Verbänden zu beschreiben, betrachten wir das Beispiel von Bild 2.1, welches eine Schachtel von tragenden Flächen darstellt. Bild 2.15 zeigt schematisch eine grundlegende Anordnung von Verbänden in den Scheiben A–D. Man sieht, dass diese Scheiben als grosse Rahmen angeordnet sind und durch die grosse statische Höhe den Horizontalkräften widerstehen können. Um die Zuordnung der verschiedenen Verbände zu erleichtern, definieren wir diese bezüglich der Anordnung in der Halle (Dach, Längsseite, Giebelwand) sowie

37

38

2 Entwurf und Stabilisierung von Hallen und Geschossbauten

Traufpfette

Dach

Querträger (4)

B

(3)

C

A

(2) Stütze (1)

D

A

Längswand C

Giebelwand

Bild 2.15 Schematische Darstellung von Windverbandscheiben.

bezüglich der Funktion in der Halle (längs, quer). Für die betrachtete Halle können wir folgende vier Verbandstypen unterscheiden: • • • •

Verband in der Längsfassade (A), Dachverband quer (B), Verband in der Giebelwand (C), Dachverband längs (D).

Die erforderliche Schubsteifigkeit einer Scheibe wird gewährleistet: • durch Diagonalen, welche einen Fachwerkverband bilden (1), • durch eine Wand aus Stahlbeton (2) oder eine Scheibe aus Stahlblechen (3), • durch biegesteife Rahmenecken in der Konstruktion, welche einen Portalrahmen bilden (4). In Fachwerkverbänden werden die Lasten durch Normalkräfte in den Stäben übertragen. Bei Scheiben werden die Lasten in der Ebene vorwiegend durch Schub im Stahlbeton oder Stahlblech übertragen. Bei Portalrahmen schliesslich werden die Lasten durch Biegung der Stützen und Binder übertragen. Es gibt verschieden Möglichkeiten, die Verbände anzuordnen (Bild 2.16). Um eine im Grundriss beliebig wirkende Last abzutragen, sind drei Bedingungen einzuhalten: 1. Es müssen mindestens drei Auflagerreaktionen vorhanden sein. 2. Die Vektoren der Auflagerreaktionen dürfen sich nicht in einem Punkt schneiden. 3. Die Vektoren der Auflagerreaktionen dürfen nicht alle parallel zueinander verlaufen.

2.3 Stabilisierung von Hallen

(a) stabil

(b) stabil

Wind längs

Wind quer

(c) stabil

Exzentrizität

Bild 2.16 Beispiele der Anordnung von Windverbänden.

(d) instabil

39

40

2 Entwurf und Stabilisierung von Hallen und Geschossbauten

Lösung (a) im Bild 2.16 ist die konventionelle. Jeder Dachverband trägt die senkrecht zu ihm wirkenden Lasten auf je zwei Vertikalverbände in den Fassaden ab. Die drei oben genannten Gleichgewichtsbedingungen sind eingehalten. Die Lösung (b) ist die gleiche wie (a) mit Ausnahme, dass die Dachverbände doppelt vorhanden sind. In der Lösung (c) werden die Längskräfte nur durch den Verband in einer Längsfassade aufgenommen. Die Gleichgewichtsbedingungen sind eingehalten, weil das Moment aus der Exzentrizität der Längskraft zum vorhandenen Fassadenlängsverband als Kräftepaar durch die beiden rechtwinklig dazu stehenden Giebelwandverbände aufgenommen wird. Die Lösung (d) schliesslich, wo der Dachverband gleichzeitig als Längs- und Querverband wirkt, ist instabil, da Bedingung 2 nicht erfüllt ist (die Vektoren der Auflagerkräfte schneiden sich in einem Punkt). Windverbände haben allgemein die Aufgabe, eine Halle zu stabilisieren. Darunter kann man drei grundsätzliche voneinander abhängige Funktionen verstehen: • Abtragung der Horizontalkräfte (Abschn. 2.3.2), • Begrenzung der Deformationen (Abschn. 2.3.3), • Beitrag zur Erhöhung der Stabilität einer Struktur und ihrer Elemente (Abschn. 2.3.4).

2.3.2

Abtragung der Horizontalkräfte

Es geht darum, das Gleichgewicht aufgrund der horizontalen Einwirkungen auf die Struktur sicherzustellen, das heisst deren Abtragung in die Fundationen zu gewährleisten. Folgende horizontalen Kräfte wirken auf die Tragstruktur einer Halle: • • • •

Windlasten, Einwirkungen aus Laufkrane und anderer Maschinen, Erdbeben, Anprall.

Im Gegensatz zu den Gravitationskräften, welche immer in die gleiche Richtung wirken, können die meisten horizontalen Lasten in allen Richtungen in der Ebene vorkommen. Das System der Verbände muss diesem Umstand Rechnung tragen. Wie auch immer das vorhandene System aussieht, ist es wichtig, die Abtragung der horizontalen Lasten in die Fundationen zu gewährleisten und in jedem Fall das Gleichgewicht der Kräfte sicherzustellen. Betrachten wir beispielhaft den Kraftverlauf aus der horizontalen Windeinwirkung auf eine Giebelwand (Bild 2.17): • Der Wind wirkt auf die Fassadenelemente (Blech, Beton, Holz, Glas usw.), welche sich als Platte auf die Riegel stützen; diese ihrerseits tragen die Kräfte an die Giebelwandstützen ab. • Die Stützen sind in der Regel in vertikaler Ebene wirkende einfache Balken, welche ihre Reaktionen unten in die Fundamente und oben im gezeichneten Beispiel direkt als Normalkräfte in die Pfetten abtragen. • Die gedrückten Pfetten übertragen diese Kräfte in den Dachverband quer.

2.3 Stabilisierung von Hallen

Dachverband

Längsverband

Pfette

Stütze

Riegel Fassadenelemente Winddruck

Bild 2.17 Beispiel zur Abtragung der Horizontallasten

• Der Dachverband quer übernimmt als Fachwerk auf zwei Lagern die Pfettenlasten und überträgt diese auf die beiden vertikalen Fassadenverbände in der Längsfassade. • Die Fassadenverbände längs tragen diese Lasten als eingespannter Kragarm in die Fundationen ab. Die Auflagerreaktionen sind sowohl vertikale wie auch horizontale Lasten, je nach Ausführungsart des Fassadenverbandes und Richtung der horizontalen Einwirkungen. Eine analoge Betrachtung kann für Windeinwirkungen in Querrichtung auf die Längsfassade gemacht werden. In diesem Fall überträgt der Dachlängsverband die Lasten in die Giebelwandverbände (siehe Bild 2.3b).

2.3.3

Begrenzung der Deformationen

Eine Begrenzung der Deformationen kann aufgrund von Eigenschaften der Fassade (Glas), von rissempfindlichen Trennwänden und der einwandfreien Funktion von Kranbahnen angezeigt sein. Wir sehen im Abschn. 2.3.4 sowie im Kap. 6 des vorliegenden Werks, dass Verformungen von Tragwerken einen ungünstigen Einfluss auf seine Stabilität haben können (Einfluss zweiter Ordnung). Wirkung von horizontalen Lasten

Rahmen mit vier Gelenken sind unter Einwirkung horizontaler Lasten instabil (Bild 2.18a). Es braucht ein Windverbandsystem, um die Stabilität sicherzustellen.

41

42

2 Entwurf und Stabilisierung von Hallen und Geschossbauten

Verband

(instabil)

Lösung

(a) verstärkter Rahmen

(weich)

1 ung Lös Lös ung 2

Verband

(b)

Bild 2.18 Einfluss von Windverbänden auf die seitliche Auslenkung von Rahmen.

Die seitlichen Auslenkungen des Rahmens sind somit durch die Deformationen des Windverbandes begrenzt. Im Falle statisch unbestimmter und demzufolge stabiler Rahmen (Bild 2.18b) kann es sein, dass obwohl die Tragsicherheit der Rahmen erfüllt ist, die horizontalen Deformationen unter seitlichen Lasten zu gross sind. Es gibt nun zwei Möglichkeiten, den Anforderungen der Gebrauchstauglichkeit zu genügen: • den Rahmen mit grösseren Profilen stärker ausbilden, • ein Windverbandssystem anordnen. Im ersten Fall bleibt das statische System unverändert ein statisch unbestimmter Rahmen. Im zweiten Fall wirken die immer noch steifen Rahmen zusammen mit einem Windverband, welcher als Auflager mit einer Dehnfeder wirkt. Die Anteile der horizontalen Lasten, welche vom Rahmen und vom Windverband aufgenommen werden, hängen von den relativen Steifigkeiten der beiden Elemente ab (Anwendung des Prinzips der Vereinbarkeit der Deformationen, siehe Kap. 6 im vorliegenden Werk). Diese Lösung ist nicht sehr wirtschaftlich, da sie gleichzeitig aufwendige biegesteife Rahmenecken und Windverbandsstäbe beinhaltet. Bei den häufigsten Praxisfällen wird beim Vorhandensein eines Windverbandes der Rahmen nicht mehr mit biegesteifen Rahmenecken, sondern mit Gelenken entworfen (Bild 2.19a). Es ist in der Tat einfacher, einen sehr steifen Windverband zu projektieren, um die Verschiebungen zu begrenzen, ohne dabei noch die Steifig-

2.3 Stabilisierung von Hallen

Wind

(a) Rahmen mit vier Gelenken (Stabilisierung durch Windverbände)

Wind

(b) Rahmen mit biegesteifen Knoten (Stabilisierung durch Rahmenwirkung)

Bild 2.19 Stabilisierung von gelenkigen und biegesteifen Rahmen.

keit des Rahmens einzubeziehen. Der Materialverbrauch wird logischerweise höher, aber im Gegenzug sind die Anschlüsse gelenkig, was in der Summe zu kleineren Kosten führen wird. Bei einer sehr langen Halle oder wenn der Baugrund eine schwache Tragfähigkeit aufweist, ist die Lösung mit biegesteifen stabilen Rahmen oft vorteilhafter und die Windeinwirkung wird auf alle Rahmen abgetragen. Im Gegensatz zu Rahmen mit vier Gelenken ist keine Verstärkung des bestehenden Stabilisierungssystems erforderlich (Bild 2.19b). Bei Dachverbänden sind die Pfetten Teil der Fachwerkstäbe (Gurte oder Pfosten) und müssen entsprechend stärker ausgeführt werden. Im Weiteren leiten die Stützen als Teil der Fassadenverbände grosse Zug- und Druckkräfte in die Fundationen, was besonders bei der Bemessung der Stützenfüsse zu berücksichtigen ist. Wirkung von Temperaturdehnungen

Im Abschn. 2.3.2 wurde ein Beispiel mit der Lastabtragung einer horizontal in Längsrichtung wirkenden Einwirkung durch einen Querverband in Hallenmitte gezeigt (Bild 2.17). Diese Anordnung hat einen Einfluss auf die Ausdehnung der Halle aufgrund wechselnder Temperaturen. Bild 2.20 zeigt schematisch die Deformation der Halle aufgrund von Temperaturschwankungen bei verschiedener Anordnung der Verbände sowie mit oder ohne Dilatationsfuge: • Die Disposition von Bild 2.20a ist angebracht bei einer Hallenlänge von 30 bis 40 m. Sie hat den Vorteil, die Halle ausgehend von einem Verbandssystem im Randfeld fortschreitend montieren zu können, sodass keine provisorischen Abspriessungen erforderlich sind. • Die Anordnung von Bild 2.20b ist sinnvoll bei einer langen Halle mit einem einzigen Verbandssystem. Die Temperaturausdehnung erfolgt zu gleichen Teilen in jeder Hallenhälfte.

43

44

2 Entwurf und Stabilisierung von Hallen und Geschossbauten

(a)

(d) Dilatationsfuge

(e)

(b)

(c)

ohne Dilatationsfuge

mit Dilatationsfuge

Bild 2.20 Temperaturdehnungen.

• Bei der Lösung von Bild 2.20c werden die Windlasten bei jeder Giebelwand direkt in die Fundationen geleitet. Die Temperaturausdehnungen sind daher verhindert und ergeben zusätzliche Kräfte in die Struktur. • Die Systeme von Bild 2.20d und 2.20e sind gerechtfertigt bei sehr langen Hallen, wo es aufgrund der beachtlichen Temperaturausdehnungen erforderlich ist, eine oder mehrere Dilatationen vorzusehen. Die maximale Hallenlänge ohne Dilatationen hängt von der Fassaden-Konstruktion sowie den inneren Trennwänden ab und bewegt sich zwischen 40–60 m. Es gibt Hallen, welche im Wesentlichen aus ästhetischen Gründen mit einer ausserhalb von Dach und Wand liegenden Konstruktion konzipiert werden. In diesen Fällen ist die Tragstruktur den Temperaturschwankungen unmittelbar ausgesetzt, da sie nicht isoliert ist. Die daraus entstehende Problematik der Dilatationen ist sehr wichtig und muss mit entsprechender Sorgfalt behandelt werden.

2.3.4

Stabilisierung der Tragelemente

Neben ihrer Hauptfunktion des Abtrages der horizontalen Lasten in die Fundationen und der Begrenzung der Deformationen können sowohl vertikale wie horizontale Windverbände als Auflager für die Stabilisierung von Tragelementen dienen. Bei horizontal beanspruchten Rahmen verändert das Vorhandensein einer seitlichen Halterung durch einen Dachlängsverband die Knicklänge der Stütze und somit auch die Grösse der Traglast massgeblich. Ohne Verband ist der biegesteife Rahmen seitlich nicht gehalten (Bild 2.21a) und die Knicklänge der Stütze wird mindestens doppelt so lang wie die Rahmenhöhe. Mit einem Windverband (Bild 2.21b) ist die Rahmenecke durch die Bildung eines praktisch festen Auflagers seitlich gehalten. Die Knicklänge der Rahmenstütze ist kleiner als die Rahmenhöhe. Somit erhöht die seitliche elastische Halterung des Rahmens durch den Dachlängsverband die Steifigkeit beziehungsweise die Traglast des Rahmens erheblich (siehe Kap. 6 „Statik der Hallenrahmen“). Aus der Rahmenebene betrachtet, bewirkt der Dachquerverband durch die Bildung von Auflagerpunkten in den Knoten die Erhöhung des Kippwiderstandes des

45

h

2h

2.3 Stabilisierung von Hallen

h

h

(a)

hK

h

(b)

l Pfette

Kippen des Binders

Fassadenriegel Rahmen

(c) Bild 2.21 Stabilisierung von Tragelementen durch Windverbände.

h h

Knicken aus der Stützenebene

46

2 Entwurf und Stabilisierung von Hallen und Geschossbauten

Binders (Bild 2.21c); der Fassadenverband verkleinert in gleicher Weise die Knicklänge der Stütze um die schwache Achse. Im Allgemeinen werden – bei genügend grosser Steifigkeit der Fachwerkverbände – diese Auflager als feste Auflager betrachtet, obwohl sie grundsätzlich als Federn wirken (siehe Kap. 6 im vorliegenden Werk). Ein Augenmerk gilt den Elementen, die das Zusammenwirken zwischen dem Stabilisierungselement (Verband) und dem zu stabilisierenden Element (Rahmen) herstellen. Im Dach sind das die Pfetten und in der Fassade die Riegel (Bild 2.21c). Die durch diese Elemente aufzunehmenden Kräfte sind eher klein, im theoretischen Fall von idealen Stäben sogar null. Die Normen geben ein Hundertstel der maximalen Druckkraft von jedem zu stabilisierenden Element vor. Man darf nicht vergessen, dass der Windverband in der Regel gleichzeitig mehrere Rahmen aus ihrer Ebene stabilisieren muss; das bedeutet, dass die Stabilisierungskraft aus der Summe aller zu stabilisierenden Rahmen besteht.

2.3.5

Stabilisierungselemente

Wie wir in Bild 2.15 gesehen haben, kann die Steifigkeit einer Scheibe entweder durch Fachwerke, durch Füllungen (Bleche, Holz, Beton) oder durch biegesteife Rahmenecken (Portale) erfolgen. Betrachten wir diese drei Stabilisierungsarten im Detail. Fachwerke

Um eine steife Scheibe zu erzeugen, genügt es, einen Diagonalstab vorzusehen, der je nach Kraftrichtung gezogen oder gedrückt ist. Alle Formen der Ausfachung sind zulässig, vorausgesetzt, die Druckstäbe sind knickstabil ausgebildet. Wenn man Druckstäbe vermeiden will, kann im gleichen Feld eine zweite gegenläufige Diagonale angebracht werden, die dann auf Zug beansprucht ist (Andreaskreuz). Fachwerkverbände haben zudem den Vorteil, dass die Montage beim Verbandssystem beginnen kann und keine provisorischen Montageabstützungen erforderlich sind. Betrachten wir zur Vereinfachung zuerst nur, was in Hallenlängsrichtung geschieht. Bild 2.22 zeigt zwei Möglichkeiten, ein Windverbandssystem auszuführen. Im Fall von Bild 2.22a besteht das System einzig aus einem Dachverband und zwei Fassadenverbänden und kann Windkräfte in beiden Längsrichtungen abtragen. Pfetten und Riegel müssen demzufolge in der Lage sein, die Druckkräfte aus der entgegengesetzten Windrichtung aufzunehmen. Bei der Halle von Bild 2.22b haben wir ein doppeltes System von Windverbänden. Man darf davon ausgehen, dass jeder Verband nur die in eine Richtung wirkenden Windkräfte (Druck und Sog) aufnimmt und keinen Beitrag zum Windabtrag in der entgegengesetzten Richtung liefert. In diesem Fall erfolgt die Bemessung des Verbandes mit der auf die anliegende Giebelwand wirkenden Windlast (keine Lastumkehr). Es gilt zu beachten, dass diese Ausführungsart zu Problemen bei Temperaturdehnungen führen kann (Abschn. 2.3.3 in diesem Buch).

2.3 Stabilisierung von Hallen

47 Wind

Wind

(a)

Wind

(b) Bild 2.22 Mögliche Anordnung von Querverbänden.

Die oben gemachte Unterscheidung der beiden Lösungen ist wichtig, da die Fachwerke nicht für beide Kraftrichtungen die gleiche Traglast haben. Der einfache Strebenzug passt gut, wenn es keine oder nur eine kleine Umkehr der Kräfte gibt. Kund V-Fachwerke weisen je nach Kraftrichtung gedrückte Diagonalen auf und haben den Nachteil, dass sie gegenüber den meisten anderen Ausführungsarten eine grössere Anzahl an Knoten benötigen. Fachwerke mit zwei Diagonalen pro Feld (Andreaskreuz) haben eine gedrückte und eine gezogene Diagonale, je nachdem, in welche Richtung die Kraft wirkt, und sind somit statisch überbestimmt. Der Widerstand der gedrückten Diagonale ist für das Gleichgewicht des Systems somit nicht

Wind

48

2 Entwurf und Stabilisierung von Hallen und Geschossbauten

unbedingt notwendig. Es ist üblich, die Mitwirkung der gedrückten Diagonalen zu vernachlässigen und nur die gezogenen Diagonalen einzubeziehen. Als Schlussfolgerung und allgemeine Regel kann man festhalten: • Fachwerke mit gekreuzten Diagonalen, eventuell K- oder V-Fachwerke, sind dort angebracht, wo grosse gegenläufige Kräfte aufzunehmen sind (Bild 2.22a). • Einfache Strebenzüge, eventuell K- oder V-Fachwerke, passen dort, wo die Windverbände in eine Richtung beansprucht sind (Bild 2.22b). Scheiben und Platten

Scheiben aus Profilblechen oder Sandwichplatten sowie Platten aus Stahlbeton oder Verbundsystemen sind in der Lage, eine Ebene auszusteifen und Schubkräfte aufzunehmen und diese in die Stabilisierungselemente weiterzuleiten. Vertikale Scheiben können aus Stahlbeton oder Mauerwerk bestehen, welche zwischen einem oder zwei Stützenfeldern angeordnet werden. Beton wird bei grossen Kräften, grossen Hallen und Erdbebenwirkung angewendet, Mauerwerk hingegen wird bei kleineren Kräften vorgesehen. Verkleidungen aus Trapezprofiblechen oder Sandwichplatten können ebenfalls als Stabilisierungsscheiben ausgebildet werden. Bild 2.23a zeigt einige Beispiele. Im Weiteren kann für die Aussteifung einer Halle ein Kern oder eine Zwischenwand aus Stahlbeton vorgesehen werden (Bild 2.23b). Diese Art von Stabilisierung wird häufig für mehrgeschossige Bauten angewendet, wo Lift- und Treppenhäuser sowie Trennwände aus Stahlbeton als aussteifende Elemente für den Abtrag von horizontalen Lasten wirken. Dieses Thema wird im nachfolgenden Abschn. 2.5 ausführlich behandelt. Alle oben erwähnten Konstruktionen wie vertikale Wände aus Beton oder Mauerwerk, Eindeckungen von Dach und Wand, Decken usw. tragen zur Aussteifung von Gebäuden bei, obwohl sie nicht als Stabilisierungselemente vorgesehen sind. Für den Fall, dass diese Elemente zur Stabilisierung vorgesehen sind, müssen sie rechnerisch nachgewiesen und mit den entsprechenden Konstruktionsdetails ausgeführt werden. Im Speziellen muss die Übertragung der Schubkräfte zwischen dem Tragsystem und den Stabilisierungsscheiben sichergestellt werden. Profilbleche müssen mittels geschossener oder geschraubter Schrauben oder Nägel untereinander und mit der Stahlkonstruktion ausreichend verbunden werden. Die Verbindung zwischen Betonplatten und der Stahlkonstruktion geschieht mittels aufgeschweissten Kopfbolzendübel oder Verbunddübel sowie anderer Verbundmittel. Portalrahmen oder Stabilisierungsgerüst

Bei stabilen Portalrahmen gewährleisten die biegesteifen Rahmenecken die Steifigkeit der Wand (Bild 2.24a). Der Portalrahmen kann auch mit ausgefachten Stäben ausgeführt werden (Bild 2.24b). Wenn verschiedene Rahmenfelder zur Aussteifung dienen, erhalten wir einen mehrstieligen Portalrahmen (Bild 2.24c). Um mit einem Portalrahmen eine vergleichbare Steifigkeit wie mit einem Kreuzverband zu erhalten, müssen die Stahlquerschnitte grösser ausgelegt sein, als es aufgrund der Biegebeanspruchung erforderlich wäre. Ein Portalrahmen rechtfertigt

2.3 Stabilisierung von Hallen Beton- oder Verbunddecke

horizontale Scheibe aus Profilblech

Mauerwerks- oder Betonscheibe

(a)

vertikale Scheibe aus Profilblech

Stabilisierungswand quer Kern

(b) Bild 2.23 Stabilisierungsscheiben und -platten.

sich in gewissen Fällen jedoch zur Stabilisierung um: • freie Durchfahrt für Fahrzeuge zu erhalten (keine Diagonalen im Freiraum), • Diagonalen zu vermeiden, die aus ästhetischen Gründen unerwünscht sind, • Freiheiten für spätere Umnutzungen zu erhalten (neue Raumeinteilung).

49

50

2 Entwurf und Stabilisierung von Hallen und Geschossbauten

(a)

(b)

(c) Bild 2.24 Portalrahmen.

2.3.6

Windverbände in geneigten Dächern

Abtragung von vertikalen Lasten

Windverbände in geneigten Dächern beteiligen sich auch an der Abtragung von vertikalen Lasten. Dazu betrachten wir eine Stahlhalle mit zweiseitigem Giebeldach (Bild 2.25a). Bei Einwirkung einer vertikalen Kraft auf diese Struktur hat der First die Tendenz, sich nach unten und die Traufe die Tendenz, sich nach aussen zu verschieben. Diese Bewegungen können sich nicht einstellen, ohne dass es Deformationen in der Dachebene gibt. Die gesamte Tragstruktur (Binder, Pfetten, WindverQV

QV

ausgesteifte Giebelwand

(c)

Firstpfette Traufpfette

(a)

(b)

Windverband

Bild 2.25 Abtragung der vertikalen Lasten in einem zweiseitig geneigten Dach.

2.3 Stabilisierung von Hallen

band, Eindeckung, Befestigungen) verhalten sich wie ein Faltwerk mit dreidimensionalem Tragverhalten (Abschn. 2.6.4). Die einzelnen Dachebenen widerstehen diesen Verformungen entsprechend ihrer Steifigkeit als Träger mit einer grossen statischen Höhe (Bild 2.25b), dessen Gurte die Randpfetten (Traufe und First), der Steg die Eindeckung oder der Windverband und die Auflager die ausgesteiften Giebelwände sind. Die in diesen Ebenen wirkenden Kräfte erhält man durch eine einfache Zerlegung der vertikalen Last 𝑄𝑉 entsprechend der Dachneigung (Bild 2.25c). Abtragung der Horizontallasten

Dachverbände zur Abtragung von horizontalen Lasten können bei geneigten Dächern auf zwei Arten ausgebildet werden. Entweder werden sie horizontal in der Ebene der Traufpfetten (Bild 2.26a) oder in der geneigten Dachebene (Bild 2.26b) angeordnet. Die schraffierten Flächen von Bild 2.26 zeigen die StabilisierungseleKräfte in Längsrichtung

Kräfte in Querrichtung

(a) Windverband unabhängig von der Dachkonstruktion

(b) Windverbände in der Dachebene Bild 2.26 Verbände zur Abtragung von horizontalen Lasten bei geneigten Dächern.

51

52

2 Entwurf und Stabilisierung von Hallen und Geschossbauten

mente der Halle bezüglich Kraftrichtung (längs oder quer) und bezüglich Lage des Dachverbandes (horizontal oder geneigt). Es bleibt anzumerken, dass bei horizontal angeordneten Dachverbänden mindestens ein Feld des geneigten Daches ausgefacht werden muss (Bild 2.26a).

2.4 Shedkonstruktionen Als Shed eines Daches bezeichnet man ein dreieckförmiges, asymmetrisches und horizontal liegendes Prisma; die Halle bekommt damit die Form eines Sägeblattes (Bild 2.27). Diese Konstruktion erlaubt es, einen bedeutenden Teil des Daches zu verglasen, im Allgemeinen der steilere Teil des Sheds. Man erhält zudem eine gleichmässige, natürliche Belichtung der Halle ohne direkte Sonneneinstrahlung. Deshalb müssen die verglasten Flächen in Richtung Nordost bis Nordwest ausgerichtet sein (in der nördlichen Hemisphäre). Nachteile von Shedkonstruktionen sind die Probleme der Dichtigkeit aufgrund von Regenwasseransammlung (oder Schnee) in der Kehle des Sheds und die generell komplizierten Details sowie die in gewissen Fällen nicht beheizten oder klimatisierten Shedhohlräume. Das Verhältnis der Grösse der Verglasungen zur Hallenhöhe beeinflusst die gleichmässige Beleuchtung. Mit der damit grossen zur Verfügung stehenden statischen Höhe des Sheds ergibt sich ein Kriterium zur Wahl der Abmessungen, insbesondere der Abstände von Stützen und Rahmen. Wir unterscheiden zwei Fälle: • Shedkonstruktionen, die nicht Bestandteil der Haupttragstruktur sind (falsche Shed) und somit die Hauptaufgabe haben, die gewünschte Dachgeometrie zu bilden, • Shedkonstruktionen, welche ein integrierter Bestandteil der Haupttragstruktur sind. Abstand der Glasebenen

N

60°

30°

statische Höhe Hallenhöhe

Bild 2.27 Schematische Perspektiven von Shedhallen.

2.4 Shedkonstruktionen

2.4.1

53

Von der Haupttragstruktur unabhängige Shedkonstruktionen

Im ersten Fall besteht die Haupttragstruktur aus ebenen Querrahmen, auf welchen anstelle der Pfetten dreieckförmige Sekundärstrukturen aufliegen. Die Ausführung dieser Strukturen kann sehr unterschiedlich sein (Bild 2.28): • geknickte Pfette (zweidimensional) mit einem Zugband (Bild 2.28a), • Fachwerkträger auf zwei Auflager (Bild 2.28b), • durchlaufener Fachwerkträger (Bild 2.28c). Bei der Lösung mit durchlaufendem Fachwerkträger kann der Abstand zwischen den Querrahmen aufgrund der grossen statischen Höhe des Fachwerkes vergrössert werden. Dieses Konzept erlaubt die Möglichkeit, zwischen den Rahmen mehrere Fensterflächen vorzusehen. Der Rahmenbinder (Bild 2.28a,b) besteht in der Regel aus einem H-Profil oder einem Hohlprofil. Er kann ebenfalls durch eine tragende Rinne in der Kehle des Sheds ersetzt werden (Bild 2.28d). Eine andere Art von unabhängigen Shedkonstruktionen kann durch eine Art Mini-Shed (Bild 2.29) realisiert werden, welcher gute Bedingungen für die lotrechte Belichtung ergibt. In diesem Fall verläuft die Haupttragstruktur in Hallenlängsrichtung. Sie besteht aus ebenen Rahmen, auf welchen in Querrichtung Doppelfachwerkträger in umgekehrter V-Form aufgelegt sind. Der durch die geneigten Träger hervorgerufene Dachschub kann durch einen z. B. am Hallenrand liegenden Horizontalverband in der Ebene der Fachwerkuntergurte abgetragen werden. Fachwerkträger

geneigte Pfette verglaste Ebene

verglaste Ebene allfällige Zugstange Binder

Binder Querrahmen

Stütze

Querrahmen

Stütze

(b)

(a) durchlaufender Fachwerkträger verglaste Ebene

tragende Rinne

Binder Querrahmen Stütze

(c) Bild 2.28 Auf den Rahmenbindern aufgesetzte Shedkonstruktionen.

(d)

54

2 Entwurf und Stabilisierung von Hallen und Geschossbauten

Mini-Shed

Horizontalverband quer

längslaufender Rahmen

Bild 2.29 Mini-Shed auf längslaufenden Rahmen.

2.4.2

In der Tragstruktur integrierte Shedkonstruktionen

Im vorhergehenden Abschnitt haben wir die auf konventionellen Hallen (Bild 2.1) liegenden unabhängigen Shedkonstruktionen betrachtet, welche ein Dach in Sägezahnform bilden. Wenn nun die Tragstruktur in dieser Dachform integriert ist (Bild 2.2b), kann die statische Höhe, welche sich aus der Glashöhe ergibt, sinnvoll genutzt werden. Der Rahmenbinder (Fachwerk, Vierendeel-Träger) kann voll oder teilweise in dieser Höhe eingebunden sein (Bild 2.30). Die Pfetten sind einfache Balken, welche sich auf einer Seite auf dem Untergurt und auf der anderen Seite auf dem Obergurt des Nachbarbinders abstützen. Der konstruktiven Ausbildung dieser Ausführungsart, insbesondere der Anordnung der Wasserrinnen, ist grosse Beachtung zu schenken. Im Falle von vertikalen Bindern und vertikalen Lasten (Eigengewicht, Schnee) haben die Auflagerreaktionen der geneigten Pfetten eine vertikale Komponente in der Binderebene (Bild 2.30a). Beim senkrecht zu den Dachflächen wirkenden Wind beanspruchen die schrägen Pfetten die Bindergurte auch aus ihrer Ebene, was eine Stabilisierung der Tragstruktur erfordert. Bei geneigten Bindern (Bild 2.30b) bewirken die vertikalen Lasten Auswirkungen aus der Ebene, welche durch einen Windverband abgetragen werden müssen (Abschn. 2.4.3 folgend).

2.4 Shedkonstruktionen Binder

55

Glas-Ebene Pfette

Schnee

Binder

Wind

Pfette

(a) Vertikaler Binder

Schnee

Binder

Wind

Pfette

(b) Geneigter Binder

Bild 2.30 In die Tragstruktur integrierte Shed.

2.4.3

Stabilisierung von Shedhallen

Der kurze Blick auf die verschiedenen Shedsysteme zeigt deutlich, dass der Kraftfluss in diesen Strukturen manchmal sehr komplex ist. Das hat einerseits damit zu tun, weil die Tragsysteme geneigt sind (Fachwerke in der Ebene der Verglasungen, geknickte Pfetten) und andererseits, weil der Wind nicht nur auf die Fassaden, sondern auf alle Ebenen des Shedaufbaus wirkt. Es muss also sowohl die Stabilisierung der einzelnen Shedaufbauten wie auch der gesamten Halle unter der gleichzeitigen Wirkung von horizontalen und vertikalen Lasten sichergestellt werden. Aus Gründen der Klarheit werden die Grundsätze der Stabilisierung aufgrund von vertikalen und horizontalen Einwirkungen getrennt dargelegt. In Wirklichkeit gibt es allerdings keine getrennte Betrachtung der entsprechenden Bauteile, welche diese gleichzeitig wirkenden Einwirkungen abtragen müssen. Stabilisierung aufgrund vertikaler Lasten

Betrachten wir die durch vertikale Lasten beanspruchte Shedhalle in Bild 2.31. Die Struktur besteht aus einem geneigten Fachwerkträger in der Ebene der Verglasung und geneigten Pfetten als einfache Balken in der anderen Ebene (Bild 2.31a). Die Vertikalkomponente 𝑄𝑉 auf die geneigte Glasebene wird durch Biegung des Fachwerkträgers aufgenommen. Aufgrund der kleinen Steifigkeit dieses Trägers aus der Ebene kann die lotrecht auf das Fachwerk wirkende Kraft 𝑄𝑉 nicht ins Gleichgewicht gebracht werden. Die Struktur ist instabil. Um dieses System zu stabilisieren, gibt es verschiedene Möglichkeiten, wovon zwei dargelegt werden. Eine erste Lösung besteht darin, in der Pfettenebene zusätzliche Diagonalen anzuordnen (Bild 2.31b), wodurch ein zweites Fachwerk entsteht. In einer ersten Näherung kann die Statik für jedes geneigte Fachwerk einzeln gemacht werden, wobei der Einfluss der benachbarten Träger vernachlässigt wird, obwohl in der Tat und Wahrheit ein äusserst statisch unbestimmtes System vorliegt. Effektiv ist jeder Oberund Untergurt Teil von zwei benachbarten Fachwerken; die Verträglichkeit der Verformungen muss logischerweise entlang dieser gemeinsamen Linie gewährleistet sein. Ein solches System wird als Faltwerk bezeichnet (Abschn. 2.6.4). An den En-

56

2 Entwurf und Stabilisierung von Hallen und Geschossbauten

Fachwerkträger Vertikallast QV Schrägpfette

QV

QV Q Diagonalen in Pfettenebene

Q

Zugband am Rand

(a) Verformung unter Vertikallasten: Instabilität

(b) Lösung 1: Bildung eines Faltwerkes

Zugband bei jedem Pfettenstrang Horizontalverband quer

(c) Lösung 2: Zugband und Windverband in Horizontalebene Bild 2.31 In die Tragstruktur des Sheds integrierte Stabilisierung.

den des Shedträgers benötigen wir ein senkrecht zu den Stützen liegendes Zugband, welches verhindert, dass der Shed sich „öffnet“. Das ist zweifellos für die Randsheds oder für diejenigen Sheds wichtig, welche nicht gleichförmig belastet sind. Eine Bedingung für die Bemessung von Faltwerken – unter anderem – ist diejenige, dass die Unverschieblichkeit der Profile in den vertikalen Randfeldern garantiert ist (sei es durch ein Zugband oder eine Scheibe). Dieses System stellt in gewisser Weise ein Raumtragwerk dar, für welches keine weiteren Verbände erforderlich sind, ausser dass die vertikalen Verbände mit den Fundationen verbunden sind. Eine zweite Lösung (Bild 2.31b) besteht darin, die Diagonalen in der Pfettenebene durch horizontale Zugbänder bei jeder Pfette anzuordnen und dadurch das Sheddreieck zu „schliessen“. Die räumliche Stabilisierung geschieht durch unverschiebliche vertikale Dreiecke. Allerdings müssen in diesem System die Zugkräfte der Zugbänder in einen quer verlaufenden und horizontal angeordneten (oder in Pfettenebene liegenden) Windverband abgetragen werden können.

2.4 Shedkonstruktionen

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Stabilisierung aufgrund von horizontalen Längskräften

Betrachten wir nun die Halle von Bild 2.32, die durch eine in Längsrichtung wirkende Windlast beansprucht wird. Jeder Shed erfährt eine Druckkraft auf der Windseite und eine Sogkraft auf der windabgewandten Seite. Wie auch immer der Shed ausgebildet ist, muss die resultierende Windkraft durch ein Verbandssystem, welches die Stabilität des Sheds garantiert, in die Vertikalverbände geführt werden. Bild 2.32a zeigt das wenig effiziente System mit der Ausfachung eines einzelnen Sheds (z. B. den Randshed); wenn die weiteren Rahmen nicht verbunden werden, sind die anderen Sheds instabil. Bild 2.32b zeigt eine erste Lösung, wo alle Sheds ausgefacht sind. Die Abtragung der Längswindkräfte geschieht wie folgt: Windverband im Shed → Zugband in der Fassade → vertikaler Windverband. Man kann die gesamte geneigte Fassade oder nur einen Teil davon ausfachen. Bild 2.32c zeigt eine zweite Lösung, den Shed auszufachen. Anstatt die Kräfte wie im vorhergehenden Fall zuerst quer auf die Längsfassaden und dann längs abzutragen, werden die horizontalen Windkräfte mit Zugstäben in Traufebene und einem horizontalen Querverband in die Fassadenverbände abgetragen. Es gilt zu beachten,

Horizontallast

Zugstab in der Längsfassade Vertikalverband

(b) Lösung 1: Jeden Shed ausfachen

(a) Verformung unter Vertikallasten: Instabilität

Geneigter Windverband Horizontalverband

Zugstab

Zugstab

Vertikalverband

(c) Lösung 2:

(d) Lösung 3:

Zugband und Windverband in Horizontalebene

Zugstäbe und Verbände in der Dachschräge

Bild 2.32 Stabilisierung des Sheds unter horizontalen Längskräften.

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2 Entwurf und Stabilisierung von Hallen und Geschossbauten

dass bei umgekehrter Windrichtung die Zugstäbe gedrückt werden oder es wird bei beiden Giebelwänden ein Horizontalverband vorgesehen. Im Weiteren ist es möglich, den Dachquerverband in der geneigten Dachebene anzuordnen (Bild 2.32d). In dieser dritten Lösung beteiligen sich die beiden benachbarten vertikalen Fachwerke (Rahmenbinder) ebenso an der Abtragung der Horizontallasten. Die Lösung 2 gewährleistet den direktesten Lastabtrag, da die Kräfte in den Zugstäben horizontal verlaufen. Man sieht, dass die Lösungen 2 und 3 von Bild 2.32b,c mit den Varianten von Bild 2.31b,c übereinstimmen; das bedeutet, dass es bei Shedkonstruktionen für die Abtragung von vertikalen und horizontalen Lasten keine genaue Unterscheidung bezüglich der einzelnen Elemente gibt. Entscheidend ist, dass die Vertikalverbände in jedem Fall die Windkräfte auf die Giebelwand und auf die Dachkonstruktion abtragen. Stabilisierung aufgrund von Horizontallasten quer

Bei Windeinwirkung quer zur Halle erfährt ein Sheddach eine nahezu gleichförmige vertikale Sogbelastung analog wie bei einem Flachdach. Der Dachlängsverband dient dadurch im Wesentlichen zur Aufnahme der Windeinwirkungen auf die

unbelastet

belastet Wind

Wind

(a) Horizontalverband

unbelastet

Zugstab zweiter Zugstab

(b) geknickter Windverband Bild 2.33 Längsaussteifung einer Shedhalle.

belastet

2.5 Typische Tragstrukturen von Geschossbauten

Längsfassade. Die direkteste Art, diese Kräfte in die Giebelwandverbände zu leiten, ist ein horizontal liegender Windverband (Bild 2.33a). Der in Bild 2.33b dargestellte geknickte Längsverband scheint nur auf den ersten Blick stabil, ist es aber tatsächlich nicht. Aufgrund der Änderungen der Ebene des Dachverbandes kann in Wirklichkeit die Kontinuität des Biegemomentes nur durch Torsion der vertikalen Teilflächen erreicht werden. Da aber diese Teilflächen eine vernachlässigbare Torsionssteifigkeit haben, verhalten sie sich wie ein Gelenk. Bild 2.33b zeigt das verformte Bild eines solchen Windverbandes im Grundriss aufgrund der Windeinwirkung. Man könnte dieses System durch Anordnung eines zweiten Zugbandes in der Ebene des inneren Gurtes stabil machen. Trotzdem bleibt die Struktur sehr weich und ineffizient. Sie bleibt ineffizient, auch wenn alle geneigten Ebenen des Daches ausgesteift werden. Die am meisten befriedigende Lösung bleibt diejenige mit dem horizontal verlaufenden Windverband von Bild 2.33a.

2.5 Typische Tragstrukturen von Geschossbauten 2.5.1

Gelenkige Strukturen

Bild 2.34 zeigt die wesentlichen Elemente von Geschossbauten. Der Vergleich mit einer einfachen Halle (Bild 2.1) zeigt eine Analogie der beiden Typen. Die Hauptunterschiede betreffen die Anzahl von Querträgern sowie die Ausführung der horizontalen Verbände als Platten. Bei diesen Konstruktionen sind alle Verbindungen zwischen den Tragelementen (Träger, Stützen) als Gelenke angenommen (Bild 2.35a). Die auf das Dach und die Böden wirkenden vertikalen Lasten werden über Biegeträger und Druckstützen in die Fundamente geleitet. Die horizontalen Lasten werden über die Böden (Träger und Platten) sowie durch vertikale Verbände im Inneren oder in der Fassade in die Fundamente geleitet. Diese Verbände sind Stahlfachwerke oder Betonscheiben. Es gibt zwei Möglichkeiten für die Ausbildung der vertikalen Scheiben: • Die Stützen sind durchlaufend und die Träger sind dazwischengespannte einfache Balken (Bild 2.35b). • Die Träger sind durchlaufend und die Stützen sind auf jedem Stockwerk unterbrochen (Bild 2.35c). Manchmal werden Systeme vorgesehen, wo sowohl die Stützen wie auch die Träger als Doppelträger durchlaufend sind. Die Träger werden beidseits der Stützen angeordnet und die Verbindung Träger–Stütze bleibt gelenkig. Die Vorteile von gelenkigen Verbandssystemen sind: • • • •

Knoten mit einfacher Konstruktion und einfacher Herstellung, rasche Montage der Konstruktion, einfache und auf Herstelltoleranzen unempfindliche Richtarbeiten, im Wesentlichen kompakte Stützen.

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60

2 Entwurf und Stabilisierung von Hallen und Geschossbauten Decke als Horizontalscheibe

Innenstütze Eckstütze

Träger Unterzug Randträger

Fassadenstütze

Vertikalverband längs

Vertikalverband quer

Bild 2.34 Konstruktionselemente eines Geschossbaus.

Die Nachteile sind: • Träger als einfache Balken haben grosse Querschnitte oder sind durchlaufend als Doppelträger ausgeführt, • die Durchleitung der Vertikallasten aus den Stützen durch die Bodenträger ist bei einer bestimmten Gebäudehöhe nicht mehr möglich, • Verbandsstäbe können störend sein.

2.5.2

Tragstrukturen mit zentralem Kern

Bei der Planung der Nutzflächen werden bei Geschossbauten im Kern des Gebäudes Serviceräume ohne Tageslichtbedarf (Archive, sanitäre Anlagen usw.) sowie

2.5 Typische Tragstrukturen von Geschossbauten

Träger Stütze Vertikalverband

(a) statisches System

(b) durchlaufende Stützen

(c) Durchlaufträger

Bild 2.35 Gelenkige und ausgefachte Strukturen.

Längsschnitt

zentraler Kern Abtragung der Horizontallasten

Querschnitt

zentraler Kern Decke

Grundriss

Perspektive

Bild 2.36 Gelenkige Strukturen mit zentralem Kern.

vertikale Erschliessungen (Treppen, Lifte) und Energieträger (technische Fallschächte) angeordnet. Es ist möglich, diese Einrichtungen in Stahlbeton vorzusehen und dabei eine sehr steife vertikale Konstruktion (zentraler Kern) auszubilden (Bild 2.36). Dieser Kern dient dazu, alle horizontalen Lasten aus den Decken und horizontalen Verbänden aufzunehmen. Der zentrale Kern wirkt somit als in den Fundationen oder den Unterbauten eingespannter Kragarm, der auf Biegung und Querkraft, bei exzentrischer Anordnung im Grundriss eventuell auf Torsion beansprucht ist. Die Stahlkonstruktion selbst (Träger und Stützen) nimmt also nur vertikale Kräfte auf. Die Anschlüsse dieser Teile (Sekundärträger, Hauptträger, Stützen) werden gelenkig vorgesehen. Abhängig von den Gebäudeabmessungen ist es denkbar, zwei Kerne oder eine Kombination eines zentralen Kerns und Vertikalverbänden in der Fassade vorzusehen.

61

62

2 Entwurf und Stabilisierung von Hallen und Geschossbauten

Öffnung

(a) Kern aus Stahlbeton

(b) Kern aus biegesteifen Rahmen

(c) Kern aus Fachwerken

Bild 2.37 Kerne gelenkiger Strukturen.

Der Vorteil von Betonkernen ist ihre grosse Steifigkeit (Bild 2.37a). Die Masstoleranzen und das Schwinden des Betons, das unterschiedliche zeitliche Verhalten von Stahl und Beton ergeben Befestigungsprobleme zwischen Kern und der ihn umgebenden Stahlkonstruktion. Deshalb ist es auch möglich, den Kern vollständig in Stahl zu konstruieren, sei es als mehrstöckige Rahmen (Bild 2.37b) oder als Fachwerke (Bild 2.37c). Die Montage solcher Kerne ist schneller, der Nachteil ist, dass die vertikalen Scheiben aus ihrer Ebene weniger steif sind als Betonwände; dieser Umstand ist für hohe Gebäude zu beachten (horizontale Auslenkung). Die Aspekte des Brandschutzes sind zudem genau zu untersuchen. Es ist auch denkbar, gemischte Kerne als Kombination aus Betonwänden und vertikalen Stahlverbänden vorzusehen. Um die horizontale Auslenkung an der Spitze von Hochhäusern aus Windeinwirkung (Bild 2.38a) zu reduzieren, braucht es ein wirkungsvolles System. Es geht dabei darum, die Aussenstützen mit einem Fachwerksystem im obersten Geschoss an den Kern zu verbinden und somit an der Gesamtsteifigkeit des Gebäudes zu beteiligen (Hutfachwerk, auch Outrigger-System; Bild 2.38b). Das statische System besteht somit aus dem eingespannten Kragarm (Kern) und einer mit diesem Kern steif verbundenen Traverse (Hutfachwerk), die durch Zugbänder (Aussenstützen) mit dem Boden verbunden ist. Es ist auch möglich, diese Konstruktion zwischen Kern und Aussenhülle auf verschiedenen Zwischengeschossen anzuordnen. Abgehängte Konstruktionen

Eine abgehängte Konstruktion kann als Spezialfall einer gelenkigen Konstruktion mit zentralem Kern betrachtet werden (Bild 2.39). Konkret geht es um eine Anzahl Geschosse, welche an ein Hutfachwerk ähnlich der Ausführung von Bild 2.38b aufgehängt sind. Die Auflagerreaktionen der Geschossdecken werden durch Zugstangen nach oben geführt und durch das massive Hutfachwerk an den Kern abgegeben. Im Erdgeschoss schafft man stützenfreie Zonen. Die Bauarbeiten beginnen mit dem Betonkern und werden mit der Montage der Stahlkonstruktion des Hutfachwerkes ab der Spitze des Gebäudes fortgesetzt. Die weiteren Bauelemente werden danach von oben nach unten angehängt. Deshalb müssen die Bodenplatten aus montagetechnischen Gründen eine ausreichende Biegesteifigkeit haben.

2.5 Typische Tragstrukturen von Geschossbauten Δ

Δ Hutfachwerk Hänger

Wind

Wind

Fassadenstütze Kern

(a) Grosse Deformation Δ

(b) Reduktion der

infolge Windlast

Horizontalverschiebung Δ infolge des Hutfachwerkes

Bild 2.38 Einfluss des Hutfachwerkes auf die horizontale Deformation einer gelenkigen Konstruktion mit zentralem Kern.

Hut

Hänger Montagerichtung Unterzug

Betonkern

Unterbau

Bild 2.39 Schnitt durch ein abgehängtes Gebäude.

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64

2 Entwurf und Stabilisierung von Hallen und Geschossbauten

Die horizontalen Einwirkungen werden über die genügend steifen oder ausgefachten Bodenplatten an den Kern weitergeleitet. Da die Kerne durch die vertikalen Einwirkungen stark auf Druck beansprucht sind, erfahren sie weniger Biegung aufgrund asymmetrischer Vertikallasten und weniger Torsion aufgrund der Horizontallasten. Biege- und Torsionsbeanspruchung bestimmen die wirtschaftliche Höhe solcher Konstruktionen. Bei sehr hohen Gebäuden muss den dynamischen Aspekten Rechnung getragen werden, da die Gesamtsteifigkeit abgehängter Konstruktionen kleiner ist als bei konventionellen Bauten. Die Vorteile abgehängter Konstruktionen können wie folgt zusammengefasst werden: • optimale Materialausnützung (Beton auf Druck, Stahl auf Zug), • keine Stabilitätsprobleme der vertikalen Pfosten (Zugstäbe), • kleinere Querschnitte der Hänger, dadurch Gewinn an Nutzfläche (Hänger in die Fassade integriert), • Schaffung einer freien Fläche unter der Konstruktion zugunsten der Bauinstallationen und Nutzung als Publikumsfläche, • Fundamente nur im Zentrum des Gebäudes, dadurch keine Beeinträchtigung von Nachbargebäuden, insbesondere im städtischen Raum. Die Nachteile sind: • grosse Beanspruchungen im Fundationsbereich, • dynamische Probleme bei hohen Gebäuden, • die Problematik der Dehnungen der Zughänger unter den statischen Lasten der Decken während der Montage, • die unterschiedlichen Dehnungen der Hänger aufgrund der Temperaturänderungen und des Kriechens des Kerns, • die Gefahr des Einsturzes aufgrund von Brandeinwirkung oder einem Unfallereignis. Das Verwaltungsgebäude am Place de Chauderon in Lausanne ist der Typ eines oben beschriebenen Gebäudes; es weist fünf Geschosse auf. Die Stahlkonstruktion ist an Hauptträgern aufgehängt, welche sich auf vier Kerne und zwei Pfeiler in Stahlbeton abstützen (Bild 2.40).

2.5.3

Konstruktionen mit steifen Rahmen

Um störende Verbandsstäbe zwischen den Stützen von Tragstrukturen zu vermeiden, können biegesteife Rahmenkonstruktionen ausgeführt werden. Diese Art von Aussteifung ist allerdings teurer als Windverbände, was dann in der Regel zu kombinierten Systemen führt. Als Beispiel führt man Rahmen aus, die in Querrichtung steif und in Längsrichtung durch Windverbände stabilisiert sind; die horizontale Steifigkeit wird durch Betonscheiben gebildet (Bild 2.41).

2.5 Typische Tragstrukturen von Geschossbauten

Hut

2.7.65 m

Hänger

Unterzug Kern

27.65 m

Querschnitt

Ansicht

22.40 m

62.00 m

Grundriss

Bild 2.40 Konstruktion des abgehängten Verwaltungsgebäudes Chauderon in Lausanne, 1974.

65

66

2 Entwurf und Stabilisierung von Hallen und Geschossbauten

biegesteifer Rahmen

Träger Stütze

Längsschnitt

Querschnitt Längsverband

Unterzug Betondecke

Grundriss

Bild 2.41 Tragstruktur mit biegesteifen Rahmen in Querrichtung.

Die Vorteile von in einer Richtung steifen Rahmen im Gegensatz zu gelenkigen Tragwerken sind die Folgenden: • die grosse statische Unbestimmtheit des Systems in Querrichtung, welche eine Umlagerung der Auswirkungen, kleinere Querschnitte der Hauptträger und eine grössere Sicherheit gegenüber Brandeinwirkung und Unfallereignissen ergibt; • eine viel grössere Kostenersparnis der Tragstruktur durch Momentenausgleich bei plastischer Berechnung. Die Nachteile sind: • Die Ausbildung der biegesteifen Knoten und die Einleitung der Biegemomente der Träger in die Stützen ist kostenintensiv und aufwendiger für die Montage. • Die Möglichkeit zum Ausgleich von Fabrikationstoleranzen während der Montage ist kleiner, die Verbindungen sind in der Regel geschweisst. • Die Beanspruchungen der Stützen aus horizontaler Verschiebung der Geschosse vergrössern sich durch die exzentrische Vertikalkraft (Berechnung zweiter Ordnung). Tragwerke mit in beiden Richtungen steifen Rahmen sind eher selten. Solche Konstruktionen bestehen aus Stützen und Träger (Hauptträger und Sekundärträger), welche biegesteif untereinander verbunden sind (Bild 2.42). Wenn Sekundär- und Hauptträger auch biegesteif miteinander verbunden sind und so eine horizontale Rahmenstruktur bilden, haben wir es mit einer sogenannten eigenstabilen Konstruktion eines räumlichen Rahmens mit in allen Richtungen biegesteifen Knoten zu tun. Diese Ausführung ist in der Fabrikation sehr kostenintensiv. Bei solchen Konstruktionen sind aber keine Verbände erforderlich. Bild 2.43 zeigt schematisch eine standardisierte Stahlkonstruktion, die aus Rahmen mit biegesteifen Knoten besteht. Das System C.R.O.C.S (Centre de rationalisation et d’organisation des constructions scolaires) wurde in den 1960er-Jahren in Lausanne für Bauten mit maximal vier Geschossen und sechs oder sieben Spann-

2.5 Typische Tragstrukturen von Geschossbauten

Stütze Unterzug Träger

Bild 2.42 Konstruktion mit biegesteifen Rahmen in beiden Richtungen. 7.8 m

Längsschnitt A-A 5.4 m

Querschnitt B-B B

7.8 m

7.8 m

Hauptträger Sekundärträger A

Grundriss

B

A

Bild 2.43 Räumliche Rahmenkonstruktion mit biegesteifen Knoten.

weiten in beiden Richtungen und ohne Verbände entwickelt. Die Hauptfelder der Konstruktion sind ausgelegt für Spannweiten von 5.4 oder 7.8 m in beiden Richtungen. Die durchlaufenden runden Stützen sind in den Achsenschnittpunkten angeordnet, am Fuss gelenkig gelagert und enthalten auf jedem Geschoss im Werk angeschweisste Konsolen zur Befestigung der Hauptträger der Geschosse. Diese Träger

67

68

2 Entwurf und Stabilisierung von Hallen und Geschossbauten Δ

Wind

Δ

Wind

Bild 2.44 Einfluss eines Vertikalverbandes auf die horizontale Auslenkung eines steifen ebenen Rahmens.

sind als Doppelträger auf beiden Seiten der Hauptachsen angeordnet. Sie haben für eine Spannweite von 7.8 oder 5.4 m eine konstante Höhe von 450 mm. Bei hohen Gebäuden mit in Querrichtung biegesteifen Rahmen wird die horizontale Auslenkung für die Dimensionierung bestimmend (Bild 2.44a). Bei diesem Konzept werden häufig grössere Querschnitte von Stützen und Riegel erforderlich, und zwar im Vergleich zur Berechnung des Widerstandes am unverformten System. Aus diesem Grund ist es wirtschaftlich, gewisse Felder trotz biegesteifer Ausführung auszufachen (Bild 2.44b). Vor- und Nachteile eines solchen gemischten Systems sind die gleichen wie sie vorgängig für nicht ausgefachte Rahmen aufgelistet wurden, ausser, dass sich die horizontale Verschiebung der Knoten verkleinert. Die vertikalen Kräfte werden im Wesentlichen wie bei gelenkigen Systemen durch die Bodenträger, Hauptträger und Stützen aufgenommen; die horizontalen Kräfte werden durch die Vertikalverbände in die Fundationen geleitet. Bei solchen Systemen wirken die Rahmen und Verbände zusammen, wie es im Abschn. 2.3.3 (Stabilisierung von Hallen) gezeigt wurde. Der Anteil der Horizontalkräfte von Rahmen und Verbänden hängt von der relativen Steifigkeit der beiden Elemente ab. Ein solches kombiniertes System ist nicht sehr wirtschaftlich, da es die aufwendigen Knotenkonstruktionen und Verbandsstäbe vereinigt. In der Praxis ist es einfacher, zur Begrenzung der horizontalen Auslenkung steife Verbände ohne zusätzliche biegesteife Knoten vorzusehen.

2.5.4

Strukturen mit rohrförmigem Grundriss

Auf ein hohes Gebäude sind die horizontalen Einwirkungen wie Wind und Erdbeben bestimmend. Bei kompakten Gebäudegrundrissen (quadratisch oder rund) nehmen wir einen im Boden eingespannten Träger als statisches System an. Es erscheint deshalb logisch, die widerstandsfähigen Konstruktionselemente möglichst weit vom Schwerpunkt des Gebäudegrundrisses anzuordnen. Damit wird die äusse-

2.5 Typische Tragstrukturen von Geschossbauten

69

Stütze Nutzfläche äusseres Rohr

inneres Rohr

Wind

(a) Gebäudegrundriss

(b) Fassade mit Fach-

(c) Fassade mit biege-

werkverband

steifen Rahmen

Bild 2.45 Strukturen mit rohrförmigem Querschnitt.

re Hülle aus Trägern und Stützen für die Aufnahme der Horizontallasten herangezogen. Das strukturelle System besteht aus zwei im Boden eingespannten Rohren. Diese Anordnung von Stützen im Kern und in der Fassade bietet eine totale Freiheit für die Gestaltung der Geschossflächen (Bild 2.45a). Gebäude mit bis zu 100 Geschossen und bis 400 m Höhe wurden nach diesem Konzept erstellt, das bekannteste waren die Zwillingstürme des World Trade Center in New York [5]. Die Steifigkeit der Struktur wird durch das äussere Rohr gewährleistet; die Wände senkrecht zur Windrichtung ergeben die Biegesteifigkeit (Flansche des Rohres) und die Wände parallel zur Windrichtung die Schubsteifigkeit (Stege des Rohres). Diese Wände bilden aus der Verbindung aller Stützen mit einem „Andreaskreuz“ (Bild 2.45b) oder als biegesteifer Rahmen aus Stützen und Fassadenträgern (Bild 2.45c) steife Scheiben. Diese Schubsteifigkeit der Wände ist nötig, damit die Struktur als robustes Rohr zur Aufnahme der Horizontallasten funktioniert. Um ein Gebäude mit grosser Höhe zu realisieren, ist die Konzeption der Aneinanderreihung mehrerer Rohre besonders interessant, weil man mit der Gesamtheit von mehreren Rohren (modulare Struktur) im Gegensatz zu konzentrischen Rohren eine bessere Verteilung der in den Stützen wirkenden Axialkräfte erreichen kann. Diese Methode wurde 1974 für die Konstruktion eines der höchsten Gebäude der Welt, den Sears Tower in Chicago mit 442 m, [6] verwendet (Bild 2.46). Die Basis bilden neun Hauptmodule mit 23 m Seitenlänge. Die unterschiedlich hohen Module verleihen dem Gebäude einen besonderen Ausdruck.

70

2 Entwurf und Stabilisierung von Hallen und Geschossbauten 110 Stockwerke = 442 m

90

66

50

Grundrisse

23 m 3 m = 69

Bild 2.46 Hochhaus mit verschiedenen Modulen.

2.5.5

Anordnung vertikaler Tragelemente

Die Lage der vertikalen Tragelemente der Stahlkonstruktion eines Gebäudes bestimmen den Entwurf direkt. Die Vertikallasten aus dem Dach und den Geschossdecken werden durch vertikale Bauteile in die Fundationen geleitet; der Stützenabstand bestimmt die Spannweite der Bodenträger und Decken; es können auch Auskragungen vorkommen. Die vertikalen Elemente sind in der Regel gedrückt (gelenkige Lagerung), auf Druck und Biegung beansprucht (Rahmenkonstruktionen) oder gezogen (abgehängte Konstruktionen). Gewisse Stabilisierungselemente (Betonkern und tragende Zwischenwände aus Beton) können auch zur Abtragung von Vertikallasten herangezogen werden. Die unteren Geschosse haben häufig eine andere Nutzung als die oberen. Allzu oft wünschen die Architekten eine Transparenz im Bereich des Erdgeschosses. Diese Anforderungen führen zu unterschiedlichen Stützenanordnungen im Untergeschoss, im Erdgeschoss und in den oberen Geschossen, was eine Lastabtragung durch Biegeträger erfordert. Bild 2.47 zeigt einige Beispiele des vertikalen Lastabtrags bezüglich der Stützenanordnung (mit Einzellasten dargestellt). Im Zusammenhang mit der Anordnung der vertikalen Tragelemente ergeben sich folgende Überlegungen:

2.5 Typische Tragstrukturen von Geschossbauten

• Die Innen- und Aussenstützen des Gebäudes stehen von unten bis oben übereinander (Bild 2.47a). • Die Gebäudefassade weist auf gewissen Geschossen Ausbuchtungen auf, die Stützen sind von der Fassade zurückversetzt angeordnet (Bild 2.47b). • Die Fassadenstützen der Obergeschosse stehen nicht auf den Stützen des Erdgeschosses; zur Abtragung der Kräfte müssen zusätzliche Konstruktionselemente im Erd- oder Dachgeschoss vorgesehen werden (Bild 2.47c).

(a)

(b)

(d)

(c)

(e) Bild 2.47 Verschiedene Konzepte der vertikalen Lastabtragung (aus [9]).

71

72

2 Entwurf und Stabilisierung von Hallen und Geschossbauten

• Die Lasten werden einzig und allein durch auskragende Zwischenträger in die innere, vertikale Tragstruktur aus Vollstahl oder Stahlbeton abgetragen (Bild 2.47d). • Falls das Erdgeschoss innen stützenfrei ist, werden die Lasten nur über die Aussenstützen in die Fundamente abgeleitet. Das geschieht durch dazwischengelegte Unterzüge mit grossen Spannweiten, mit Innenstützen, die an einen massiven Abfangträger im Dachgeschoss aufgehängt sind oder mit Innenstützen, welche sich auf einen massiven Abfangträger über dem Erdgeschoss abstützen (Bild 2.47e).

2.5.6

Windverbände

Verbandssysteme

Die Grundsätze aus Abschn. 2.3 bezüglich der Verbandsanordnung bei Hallenbauten gelten analog für Geschossbauten in Stahlbauweise. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass die Gebäudehöhe zu den Grundrissabmessungen viel grösser ist sowie dass die Horizontallasten (Wind, Erdbeben) gegenüber den Vertikallasten massgebend werden. Nachdem wir nun die Möglichkeiten einer den Lasten entsprechenden Projektierung kennen, werden nachfolgend einige Methoden zur Ausbildung der Stabilisierungsverbände dargelegt. Die Vertikalverbände haben zum Ziel, die Horizontalkräfte in die Fundationen zu leiten, die Horizontalverbände hingegen haben zum Ziel, horizontale Scheiben (Decken, Dach) zu bilden, welche die auf die Fassade wirkenden Windkräfte an vertikale Fixpunkte abgeben. Vertikalverbände

Gekreuzte Verbandsstäbe stellen das wirtschaftlichste und effizienteste Mittel zur Stabilisierung von Stahlkonstruktionen dar. Statisch gesehen sind diese Verbände im Boden eingespannte Fachwerke. Die Fachwerkgurte werden durch die Gebäudestützen, die Pfosten durch die Unterzüge oder Bodenträger gebildet. Die Diagonalen sind zusätzliche Bauelemente, welche bei Verbänden im Gebäudeinneren oft die Nutzung einschränken. Die Diagonalen sollten – wenn möglich – in Innenwänden, um Treppen- und Liftschächte herum oder in der Fassade angeordnet werden (Bild 2.48a). In der Regel werden diese Fachwerkverbände so ausgelegt, dass die Diagonalen nur auf Zug beansprucht werden: Es sind somit zwei gekreuzte Diagonalen erforderlich (Andreaskreuz). Wenn das Fachwerk schmal ist, sind die horizontalen Auslenkungen gross. Deshalb ist es vorteilhaft, wenn das Verbandsfachwerk mehrere Felder oder die ganze Fassadenbreite beansprucht (Bild 2.48b). Eine zweite vertikale Ausfachungsart sind Stahlbetonscheiben. Dabei handelt es sich um Wände in der Fassade (Bild 2.48c) oder im Gebäudeinnern (Bild 2.48d), die über die gesamte Höhe ausgeführt werden. Wie bei den Hallen im Abschn. 2.3.1 gibt es verschiedene Arten, die Vertikalverbände im Gebäudegrundriss anzuordnen. Bild 2.48a zeigt den Fall eines Gebäudes, wo die Vertikalverbände symmetrisch in beiden Richtungen senkrecht zueinander angeordnet sind. Die Horizontalverbände in Dach und Böden stützen sich als einfache Balken auf die beiden Vertikalverbände in den Fassaden ab, und zwar in beiden Richtungen. Beim Fall von Bild 2.48c wird der Wind in Querrichtung (auf die

2.5 Typische Tragstrukturen von Geschossbauten

(a)

(b)

(c)

(d)

Bild 2.48 Vertikalverbände.

Längsseite) durch ein Zusammenwirken der Betonscheibe in der Giebelwand und der beiden Verbände in den Längswänden abgetragen. Dazu müssen Dach und Geschossdecken als steife Scheiben ausgebildet sein. Die im Abschn. 2.3.1 stipulierten Gleichgewichtsbedingungen sind eingehalten, weil die in der Betongiebelwand auftretende exzentrische Windkraft ein Kräftepaar erzeugt, das durch die beiden vertikalen, senkrecht zur Betonwand stehenden Stahlfachwerke in den Längsfassaden aufgenommen wird. Horizontalverbände

Meistens sind Geschoss- und Dachdecken genügend steif ausgebildet, um die Horizontallasten zu übertragen. Wenn die Decken diese Stabilisierungsfunktion nicht übernehmen, sind Horizontalverbände erforderlich. Wenn die Stützen durchlaufend sind, ist es ausreichend, Horizontalverbände alle zwei bis drei Geschosse anzuordnen, da die Biegesteifigkeit der Stützen auf die Höhe von zwei bis drei Geschossen in der Regel ausreichend ist, um die Horizontalkräfte

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2 Entwurf und Stabilisierung von Hallen und Geschossbauten

Vertikalverbände Stütze

Träger

Unterzug

Bild 2.49 Horizontalverbände.

aus Wind und Erdbeben aufzunehmen. Bild 2.49 zeigt Beispiele für die Anordnung von Horizontalverbänden. Montageverbände

Provisorische Montageverbände sind überall dort erforderlich, wo die Stabilität eines Montagezustandes nicht durch die bereits montierte Konstruktion gewährleistet werden kann. Diese übertragen Horizontallasten aus Wind sowie Konstruktionslasten in die Fundamente oder auf stabile Gebäudeteile. Provisorische Verbände in vertikaler und horizontaler Lage bestehen meistens aus Andreaskreuzen mit Winkel- oder Rundstählen. Es ist auch möglich, Seile (Spannsets) zu verwenden, welche auch zum Ausrichten der Konstruktion eingesetzt werden können. Horizontale Montageverbände ersetzen in der Regel im Montagezustand noch nicht gegossene und ausgehärtete Betondecken, welche später die stabilisierende Funktion übernehmen. Manchmal werden Profilbleche für diesen Zweck eingesetzt.

2.5.7

Systeme von Balkenlagen

Balkenlagen mit horizontal liegenden Stahlträgern übertragen die auf die Decken einwirkenden Kräfte an die Stützen. Dieses Netz von Bodenträgern, in der Regel parallel zueinander angeordnet, übernimmt direkt die Lasten aus den Decken und überträgt sie an die rechtwinklig dazu angeordneten Hauptträger, welche auf den Stützen aufliegen. In Einzelfällen liegen die Hauptträger auf einer dritten Trägerebene, den Unterzügen, welche dann die Lasten an die Stützen abgeben. Das erlaubt, die Spannweiten zu erhöhen und die Anzahl an Stützen zu verringern. Das Konzept der Trägerlage bestimmt die Anordnung und den Abstand der Biegeelemente in Funktion der Stützenlage. Das Konzept ergibt die Wahl der geläufigsten Typen von Böden mit Stahlträgern. Decken mit einer Trägerlage

Die Decke liegt direkt auf den parallel angeordneten Deckenträgern, welche an den Stützen befestigt sind (Bild 2.50a). Der Weg der Lastabtragung ist kurz. Die Grundrissraster bestehen aus langgezogenen Rechtecken, die Stützen sind an den Trägerenden und in kleinem Abstand untereinander angeordnet (Bild 2.50b). Diese Kon-

2.5 Typische Tragstrukturen von Geschossbauten

75

Deckenrand Stütze

(b) Grundriss Zwischenwand

(a) Perspektive

(c) Variante mit zwei Reihen Innenstützen

Bild 2.50 Decken mit einer Trägerlage.

struktionsart eignet sich für langgezogene Gebäude mit begrenzter Spannweite und aussenliegenden Stützen. Mit diesem System können auch Gebäude mit mehreren Stützenreihen ausgeführt werden, die inneren Stützen können dann in den Korridorwänden vorgesehen sein (Bild 2.50c). Die Bodenträger sind in der Regel Walzprofile, Lochträger oder Blechträger mit vollem oder gelochtem Steg. Die Konstruktionshöhe ist abhängig vom Stützenabstand und liegt in der Grössenordnung von 350 bis 700 mm. Die Haustechnikleitungen werden in der Bodenkonstruktion geführt, und zwar in Längsrichtung des Gebäudes durch die Trägerstege und in der anderen Richtung parallel zum Trägersteg. Decken mit zwei Trägerlagen

Um die engen Stützenreihen in der Fassade und in den Zwischenwänden zu vermeiden, muss der Stützenabstand in Gebäudelängsrichtung vergrössert werden. Die Bodenträger müssen deshalb auf senkrecht dazu liegenden Hauptträgern abgestützt werden (Bild 2.51a). Diese Ausführungsart erlaubt es, grosse Stützweiten in beiden Richtungen zu realisieren (siehe Bild 2.51b). Der Raster ist somit nicht mehr unbedingt regelmässig und lässt eine grosse Gestaltungsfreiheit offen (Bild 2.51c). Bezüglich Stützenanordnung führt eine Kombination der beiden vorgestellten Systeme zu interessanten Lösungen. Im Beispiel von Bild 2.51d ruhen die Bodenträger auf dem engen äusseren Stützenraster, was wenig störend ist, da diese einen Teil der Fassade bilden; die Zwischenwände können in jeder beliebigen Achse der Bodenträger vorgesehen werden. Die inneren Hauptträger, welche die Lasten der Bodenträger übernehmen, liegen auf den weiter auseinanderstehenden Stützen und es gibt freiere Gestaltungsmöglichkeiten. Tragelemente der Boden- und Hauptträger können vollwandige Profile, Träger mit gelochten Stegen oder Fachwerke sein. Sie können aufeinanderliegend oder eingesattelt sein. Die Trägeroberflansche können sich auf gleicher oder verschiedener Höhe befinden. Trägertyp und Niveau der Profile hängt von der vorhandenen Bauhöhe sowie der vorgesehenen Leitungsführung der Gebäudetechnik ab.

Träger

76

2 Entwurf und Stabilisierung von Hallen und Geschossbauten

Unterzug

Träger

(b) Grundriss

Deckenrand

(d) Kombination von Trägersystemen

(a) Perspektive (c) Variante mit unregelmässigem Raster

Bild 2.51 Decken mit zwei Trägerlagen.

Wenn die Träger aufeinanderliegen (Bild 2.52a), beanspruchen sie eine grosse Bauhöhe, bieten aber eine grosse Freiheit für die Leitungsführung. Sie eignen sich also zu Gebäuden mit vielen Haustechnikanlagen. Im Gegensatz dazu ergeben eingesattelte Träger (Bild 2.52b) eine gedrungene Konstruktionshöhe, erfordern aber für die Leitungsführung Aussparungen in den Trägerstegen oder die Leitungen werden unter der Balkenlage geführt. Fachwerkträger erlauben sowohl eine einfache Leitungsführung als auch die Verschachtelung der Trägerlagen (Bild 2.52c). Decken mit drei Trägerlagen

Bei grossen Spannweiten oder wo aus Nutzungsgründen Stützen entfallen müssen, werden die Lasten aus den Hauptträgern von Unterzügen übernommen und an die Stützen geleitet (Bild 2.53). Das ist besonders in den unteren Geschossen der Fall, da diese eine andere Bestimmung haben und somit eine andere Stützenanordnung als die oberen Geschosse erfordern. Die Unterzüge oder Abfangträger sind in der Regel Vollwandträger oder Fachwerke; wir betrachten nachfolgend drei Ausführungsmöglichkeiten. Im ersten Fall (Bild 2.53a) werden die Unterzüge unter die Balkenlage gelegt und erhalten direkt keine Kräfte aus der Decke. Beim zweiten Beispiel (Bild 2.53b) stellt der Fachwerkobergurt des Unterzuges gleichzeitig den Deckenträger dar. Er erhält also direkte Kräfte aus der Decke. Beim dritten Fall wird der Unterzug geschosshoch ausgeführt z. B. als Technikgeschoss eines Hochhauses. Bei Ausführung im ersten Geschoss übernimmt er die Lasten der gedrückten Stützen aus den oberen Geschossen (Bild 2.53c) und bei Anordnung im Dachgeschoss übernimmt er die Hängestützen (Bild 2.53d).

2.6 Räumliche Strukturen

77

Stütze Decke

Träger

Hauptleitung

Träger Sekundärleitung Unterzug

(a) Unterzug Decke

Stütze

Öffnung

Träger

Unterzug

(b) Decke

Leitung

Unterzug

Unterzug

Träger

(c)

Bild 2.52 Beispiele von Decken mit zwei Trägerlagen.

2.6 Räumliche Strukturen Eine räumliche oder dreidimensionale Struktur besteht aus Stäben, Platten oder Scheiben, welche gegenseitig so zusammengefügt sind, dass sie Kräften aus allen Richtungen des Raumes standhalten können. Die meisten dreidimensionalen Tragstrukturen aus Stahl bestehen aus räumlichen Gitterstrukturen (Raumfachwerke, Roste) mit geraden Stäben und Knoten (netzartige Strukturen). Die geläufigsten sind Trägerroste, Raumfachwerke, einfach oder doppelt gekrümmte Oberflächen (zylindrische, kugelförmige, parabolische und hyperbolische Flächen) sowie Faltwerke.

Träger

78

2 Entwurf und Stabilisierung von Hallen und Geschossbauten

(c)

(a)

(d) Träger

Unterzug Hauptträger

(b) Bild 2.53 Decken mit drei Trägerlagen.

2.6.1

Trägerroste

Trägerroste bestehen aus Walzprofilen, Blechträger oder Fachwerkträger, welche untereinander biegesteif verbunden sind (Bild 2.54). Die Biege- und Torsionssteifigkeit der beiden rechtwinklig zueinanderstehenden Netzstäbe können gleich (Bild 2.54a) oder sehr verschieden sein (Bild 2.54b). Der Trägerrost mit rechtwinklig zueinanderstehenden Stäben von Bild 2.54c beinhaltet Randträger und weniger beanspruchte sekundäre Zwischenstäbe. In Bild 2.54d sind die gekreuzten Stäbe parallel und diagonal angeordnet, sodass sich die langen Stäbe auf die kurzen abstützen. Verschiedene Dispositionen erlauben es, die Stäbe zu optimieren und die Stützen am Rand oder innerhalb des Rostes anzuordnen, um so mit quadratischen oder rechtwinkligen Maschen durchlaufende oder auskragende Felder zu generieren. Das Verhältnis von statischer Höhe zu Spannweite ist für Trägerroste mit rechtwinkligen Maschen im Allgemeinen 1/30 und für diejenigen mit diagonalen Maschen 1/40. Trägerroste mit rechtwinklig angeordneten Stäben sind in ihrer Ebene nicht steif. Deshalb braucht es zur Ausfachung zusätzliche Diagonalen (Bild 2.54e). Im Falle von diagonal angeordneten Stäben übernehmen die Randträger die Rolle der Ausfachung (Bild 2.54d).

2.6.2

Raumfachwerke

Ein Raumfachwerk besteht aus zwei parallelen Ebenen mit gekreuzten Stäben (Gurte), deren jeweiligen Knoten mit Diagonalen verbunden sind, die den Steg des Fachwerkes bilden. Der Unterschied zu einem Trägerrost aus Fachwerken besteht darin,

2.6 Räumliche Strukturen

79

(b) (a)

(c)

(d)

(e)

Bild 2.54 Trägerroste.

dass die oberen und unteren Knoten nicht lotrecht übereinanderstehen. Wenn die horizontalen Maschen quadratisch sind, nennt man das Raumfachwerk doppelt gerichtet. Man findet in diesem System gewisse Raumfachwerktypen mit ebenen aber geneigten Fachwerkträgern (Bild 2.55a). Man kann diese Strukturen auch als zusammengesetzte Raumelemente betrachten, deren Kanten die Stäbe bilden; das erleichtert die Fabrikation und Montage. Die Gurte der beiden Flächen können parallel (Bild 2.55a) oder diagonal (Bild 2.55b) angeordnet sein. Im zweiten Fall sind die Untergurte um 45° zu den Obergurten gedreht angeordnet. Man erkennt keine ebenen Fachwerke mehr, aber die Raumelemente sind noch vorhanden. Diese Raumtragstrukturen sind sehr steif und können Kräften aus beliebiger Richtung standhalten. Es sind freie Spannweiten bis zu 100 m möglich. Im Weiteren muss man sich an die Raumstruktur aus drei Ebenen mit gekreuzten Stäben halten. Da diese Strukturen statisch hochgradig unbestimmt sind, ist es möglich, Stäbe zu entfernen, ohne weder die Sicherheit noch die Stabilität der zweifachen oder dreifachen Fläche zu gefährden. Man lässt übrigens häufig Stäbe an einem Knoten weg, um im Inneren des Raumfachwerkes Freiräume für andere Zwecke zu schaffen. Bild 2.56 zeigt zwei Typen von reduzierten Fachwerkstrukturen mit zwei Ebenen: • In einem System mit parallel verlaufenden Gurten: Eliminieren von einem von zwei Untergurten sowie die vier Diagonalen eines Elementes (Bild 2.56a); diese Anordnung entspricht der Struktur eines Dreigurtfachwerkes; man beachte das frei nutzbare Volumen in der Skizze.

80

2 Entwurf und Stabilisierung von Hallen und Geschossbauten Diagonale Obergurt Grundelement

Untergurt geneigter Fachwerkträger

(a) Fachwerk aus geneigten Trägern mit parallelen Gurten Grundelement

Obergurt

Untergurt

(b) Fachwerk aus geneigten Trägern mit Diagonalgurten Bild 2.55 Beispiele von Raumfachwerken.

• In einem System mit diagonal verlaufenden Gurten: Eliminieren von einem von zwei Untergurten sowie die zwei Diagonalen einer Masche (Bild 2.56b); diese Anordnung entspricht einer durch horizontale Stäbe verbundene und auf dem Kopf stehende quadratische Pyramide; man beachte das frei nutzbare Volumen in der Skizze. Wenn die obere und untere Fläche drei- oder sechseckige Maschen aufweist, nennt man dieses System dreifach gerichtet (Bild 2.57). Man erkennt sowohl geneigte ebene Fachwerke wie auch Volumeneinheiten. Es ist somit möglich, eine Unzahl von Raumfachwerken mit zwei Ebenen, die von irgendeinem aufeinander abgestimmten Raster ausgehen, zu konstruieren. Die Wahl der vielfältig möglichen geometrischen Formen muss folgende Prinzipien und Ziele beinhalten: • bezüglich Fabrikation und Montage der Stäbe und Knoten eine Systematik finden, • die Anzahl Stäbe und Knoten auf ein Maximum begrenzen, • aus Gründen der Belichtung und Ästhetik sowie für die erforderlichen Freiräume für die Haustechnik eine Transparenz suchen, • um den Montagevorgang zu erleichtern (Knoten und Teile der Fachwerke), die Konstruktion der Verbindungen genau studieren. Die zahlreichen Systeme von kommerziellen und patentierten Raumfachwerken zeigt das Interesse für solche Konstruktionen; es zeigt sich aber auch die Schwierig-

2.6 Räumliche Strukturen

dreigurtiger Raumfachwerkträger

ausgerücktes Element

(a) parallele Gurte

ausgerücktes Element Pyramide

(b) diagonale Gurte Bild 2.56 Reduzierung von Raumfachwerken.

keit der Realisierung von ästhetischen, ökonomischen und einfachen Strukturen, einerseits bezüglich Gesamtkonzeption und im Besonderen der Knotenausbildung. Bild 2.58 zeigt die Knoten von zwei verbreiteten Systemen: kugelförmig (Bild 2.58a) und mit Flacheisen (Bild 2.58b). Das Erste mit kugelförmigen Knoten und Gewindelöchern erlaubt einen perfekt zentrischen Anschluss der Stäbe, welche am Ende ein Gewinde aufweisen. Das Zweite besteht aus Stäben mit gequetschten und gelochten Enden, die an ein Gussformstück oder Schweisselement mit drei orthogonalen Platten geschraubt werden.

2.6.3

Gekrümmte Oberflächen

Im Abschn. 2.2 haben wir gesehen, dass Hallenrahmen eine Bogenform haben können (Bild 2.4f), wo der Anteil der Biegung gegenüber rechteckigen Rahmen reduziert werden kann. Gleichermassen ist es möglich, die Krümmung durch einfach oder doppelt gekrümmte Oberflächen räumlich auszubilden.

81

82

2 Entwurf und Stabilisierung von Hallen und Geschossbauten

geneigter Träger

Grundelement

Bild 2.57 Dreifach gerichtetes System mit dreieckigen Maschen.

(a) System mit Kugelknoten

(b) System mit Plattenknoten

Bild 2.58 Zwei patentierte Fachwerkknoten.

Oberflächen mit einfacher Krümmung

Stahl-Tragstrukturen mit einfacher Krümmung [7] sind im Wesentlichen zylindrische Flächen. Die Oberfläche enthält in der Regel Bögen, Längsträger und Diagonalen (Bild 2.59a). Im allgemeinen Fall kann man das System derart zerlegen, dass es nicht mehr einer dreidimensionalen Struktur gleichgesetzt werden muss. Im Gegenzug erzielt man durch Weglassung der Längsträger (Bild 2.59b) oder selbst der Bögen (Bild 2.59c) eine wirkliche räumliche Netzstruktur – auch gebogenes Netzfachwerk genannt. Die Krümmung der Tragstruktur erzeugt bei den Auflagern eine bedeutende Horizontalkraft, den Horizontalschub. Wenn sich die Bogenkonstruktion direkt auf dem Untergrund abstützt, muss die Reaktion durch massive Fundationen aufgenommen werden. Im anderen Fall muss die Kraft in der Regel durch direkt am Bogenfuss angebrachten Zugstäbe oder durch darunterliegende Tragelemente (Stützen, Wände) abgetragen werden.

2.6 Räumliche Strukturen

83

Diagonale Stichhöhe (Scheitel)

Mantellinie (Pfette) Bogen

Sehne

(a) allgemeiner Fall

(b) ohne Mantellinien

(c) ohne Bögen

Bild 2.59 Einfache zylindrische Netzflächen.

Im Weiteren ist es möglich, einen Teil der Längsträger und Diagonalen durch ein Profilblech zu ersetzen, was allerdings Blechformen erfordert, welche in der Lage sind, die vorhandenen grossen Biegemomente, Druck- und Schubkräfte aufzunehmen (Bild 2.60). Die wirtschaftliche Spannweite solcher Tragwerke ist in der Grössenordnung von 20 m für zylindrische Formen mit einer Ebene und von 60 m mit Formen aus zwei Ebenen. Die grösste Effizienz wird bei einem rechteckigen ebenen Grundriss mit einem Seitenverhältnis von eins zu zwei erreicht. Das optimale Verhältnis von Stichhöhe zu Sehne des Bogens ist in der Grössenordnung von 0.15–0.20 vorhanden. Doppelt gekrümmte Flächen

Die einfachste und eindeutigste doppelt gekrümmte Fläche ist die Kalotte, welche die kleinste Oberfläche zum vorhandenen Volumen aufweist. Ausgehend vom parabolischen Bogen entsteht die Fläche eines Domes, einer geometrischen Form, die durch Drehung einer Parabel um eine vertikale Achse entsteht. Wenn die Krüm-

Bild 2.60 Struktur eines durch Bleche ausgesteiften Bogens.

84

2 Entwurf und Stabilisierung von Hallen und Geschossbauten

mung invers ist, entsteht ein hyperbolisches Paraboloid („Reitsattel“). Die hauptsächliche Schwierigkeit bei solchen Flächen besteht darin, die Knoten so zu definieren, dass möglichst wenig verschiedene Typen von Knoten, Stäben und Flächen entstehen. Der klassische Fall einer räumlichen Kalotte entsteht durch räumliche Einbindung eines Polyeders, z. B. eines Ikosaeders (ein Raumkörper, dessen Oberfläche aus genau 20 gleichseitigen Dreiecken besteht). Jede Oberfläche ist in Elemente unterteilt, welche mathematisch nicht identisch sein müssen, z. B. Sechsecke, Fünfecke oder Dreiecke (Bild 2.61a). Beim hyperbolischen Paraboloid, einer regelmässigen Struktur, sind die geraden Rippen in einem gleichmässigen Abstand angeordnet und die Triangulation ist durch die den identischen parabolischen Kurven folgenden Diagonalen vollständig (Bild 2.61b). Da einerseits die Krümmungen gering und andererseits die Spannweiten gross sind, spielen Phänomene bezüglich Gesamtstabilität bei einfachen Flächen eine entscheidende Rolle. Deshalb ordnet man häufig eine zweite Fläche an und verbindet dabei die Knoten der beiden Flächen wie bei ebenen Raumfachwerken (Abschn. 2.6.2). Die beiden Flächen werden im Allgemeinen parallel angeordnet, um die Verbindungsstäbe zu vereinfachen. Konstruktionen mit doppelter Krümmung erlauben Spannweiten bis zu 40 m (einfache Flächen) und bis 100 m (doppelte Flächen). Es gibt weitere Bedachungen, die der Kategorie der gekrümmten Konstruktionen zugeteilt werden wie Hängekonstruktionen oder mit Kabeln abgespannte Tragwerke. Der Abschn. 2.7 (Sonderkonstruktionen) ist diesem Thema gewidmet.

2.6.4

Faltwerke

Ein Faltwerk (Bild 2.62a) ist eine räumliche Struktur, die durch Aneinanderreihung von ebenen Flächen (Einzelteile) besteht, sodass eine prismatische oder pyramidenförmige Struktur entsteht. Die Einzelteile können aus Betonelementen, Stahlfachwerken oder Profilblechen bestehen. Sie sind gegenseitig an ihren Kanten (Falt) in der Art eines idealen Scharniers verbunden. Die Abstützkonstruktionen müssen steif sein, was durch Dreiecksgiebel oder Rahmen erreicht werden kann. Eine solche Struktur verhält sich somit wie ein steifer Träger, der den Kräften in den ebenen Flä-

(a) kugelförmige Kalotte

(b) hyperbolisches Paraboloid

Bild 2.61 Oberflächen mit doppelter Krümmung.

2.7 Sonderkonstruktionen Falz (Scharnier)

T (o rä de ge r M rw e m i rk b r u ng an Pl e) at ten wi rk Sp un an g nw e it e

Teilfläche

Giebelfeld

(a)

(b)

Bild 2.62 Beispiele von Faltwerken.

chen standhält (Membranwirkung oder Trägerverhalten), wo sich aber die Einzelteile in Querrichtung unter senkrecht dazu einwirkenden Lasten verformen (Plattenwirkung). Bild 2.62b zeigt ein ausgeführtes Beispiel eines Faltwerkes, bei dem die Flächen aus gerippten Blechen und die Kanten aus Abkantprofilen bestehen.

2.7 Sonderkonstruktionen Wir zeigen in diesem Abschnitt einige Hallenkonstruktionen, welche nicht zwingend einer Kategorie zugeordnet werden können, da sie sowohl ebene wie auch räumliche Elemente und Flächen beinhalten. Alle enthalten jedoch Zugelemente, welche für Tragwiderstand, Steifigkeit und Stabilität erforderlich sind.

2.7.1

Hängekonstruktionen

Als Hängekonstruktionen bezeichnet man steife Überdachungen, die nicht nur durch Stützen, sondern ebenso durch Kabel, Zugstangen oder Abspannungen gehalten sind mit dem Zweck, die freien Spannweiten zu vergrössern sowie stützenfreie Flächen zu schaffen. Abgespannte Strukturen sind typisch für Hängekonstruktionen. Im Beispiel von Bild 2.63a ist die Haupttragstruktur ein Rahmen mit drei Gelenken, wo die Stützen nach oben verlängert sind und die Abspannmaste bilden. Diese Konstruktion eignet sich ebenfalls für Flugzeughangars, weil sie eine vollständig offene Fassade erlaubt (Bild 2.63b). Bei dieser Konstruktionsart [8] sind die Kabel reine Zugelemente, während die Dachkonstruktion den üblichen Einwirkungen unterworfen ist. Es gilt speziell dar-

85

86

2 Entwurf und Stabilisierung von Hallen und Geschossbauten 1

1

1

1 5

5

3

4

2

3

4 2

(a)

(b) 1 Kabel

3 Hauptträger

2 Zugband

4

Stütze

5 Mast

Bild 2.63 Hängekonstruktionen.

auf zu achten, dass im Fall von Windsog die Kabel unter dem Dacheigengewicht immer auf Zug beansprucht sind.

2.7.2

Gespannte Konstruktionen

Um eine grosse stützenfreie Fläche mit einem leichten und oft transparenten Dach zu überdecken, benötigt man synthetische Materialien in Form von Zelten. Bei grossen Spannweiten sind die Abdeckmaterialien nicht so robust und die Befestigungen stellen heikle Probleme dar. Deshalb ist es nötig, Funktion und Tragfähigkeit zu trennen, was durch Verwendung von Stahlkabeln geschehen kann. In diesem Fall übertragen die Kabel nicht nur die Kräfte in die Verankerungen wie bei den Hängekonstruktionen, sondern bilden auch das Netz der Struktur, welche den Einwirkungen standhält. Das spezielle Verhalten solcher Strukturen beeinflusst massgeblich seine Form und bedingt neue Montageverfahren. Aufgrund des geringen Einflusses ihres Eigengewichtes und ihrer Trägheit sind gespannte Konstruktionen den Windeinwirkungen, welche asymmetrische Verformungen und unerwünschte Schwingungen verursachen, stark ausgesetzt. Aus diesem Grund ist es fundamental, dass die Kabel immer unter Zugwirkung bleiben. Es gibt zwei Möglichkeiten, das zu gewährleisten: die Überdeckung zu beschweren oder die Kabel vorzuspannen. Bei beschwerten Konstruktionen, wo es sich um einfache oder doppelte Krümmungen handelt, sind die Kabel in gleicher Richtung gekrümmt (Bild 2.64). Diese lose verlegte oder gespannte Konstruktion muss ein Eigengewicht aufweisen, das in der Lage ist, die Windeinwirkungen oder asymmetrische Auswirkungen zu kompensieren. Diese Ausführungsart hat den Nachteil, der Leichtigkeit nicht zu entsprechen, die man bei gespannten Konstruktionen sucht. Bei vorgespannten, nicht beschwerten Konstruktionen müssen die Tragkabel derart angeordnet sein, dass sie gegenläufige Krümmungen aufweisen. In einem ebenen System, auch Kabelträger genannt, ist dies das Trag- und das Spannkabel, verbunden mit Zugdiagonalen (Bild 2.65a), gedrückten Diagonalen (Bild 2.65b) oder mit Pfosten (Bild 2.65c). Diese Ausführungsart gewährleistet einen in seiner Ebene steifen Träger und erlaubt eine rasche Dämpfung von längslaufenden Schwingungen.

2.7 Sonderkonstruktionen

87

Bild 2.64 Beispiel einer beschwerten gespannten Konstruktion. Tragkabel

Zugkabel

Zugkabel

Tragkabel

(a) mit Zugdiagonalen

(b) mit Druckdiagonalen Tragkabel

Zugkabel

(c) mit Pfosten Bild 2.65 Beispiele von Kabelträgern.

Bei einem räumlichen, nicht beschwerten System sind die Kabel in zwei Ebenen so angeordnet, dass sie eine doppelte, gegenläufige Oberfläche bilden. Das Beispiel von Bild 2.66 zeigt das Olympiadach in München, 1970/1971, mit einer Netzstruktur von 750 × 750 mm und einer Abdeckung aus durchsichtigem Acrylglas. Soweit das Dach keiner weiteren Anforderung genügen muss, trägt die Ebene der Tragkabel einzig die vertikalen Schwerelasten (Eigengewicht und Schnee) und die andere Ebene hält einzig das System an Ort und Stelle. Obwohl diese Ebene mit den Kabeln vorgespannt ist, wird die Last nicht ausschliesslich durch die Tragkabel (die Spannung wird vergrössert), sondern auch durch die Spannkabel getragen (die Spannung wird verkleinert). Im Fall von Windsog muss analog die maximale Spannung im umgekehrten Sinn so berechnet werden, dass die Kabel immer gespannt bleiben. Aus diesen beiden räumlichen Systemen ergeben sich folgende zwei Typen: • Weich, das heisst Verschiebungen werden ohne Dehnung unter einer bestimmten Last hingenommen, bevor sich ein Gleichgewichtszustand einstellt. • Steif, das heisst dort, wo sich Verschiebungen nur aus Dehnungen ergeben.

88

2 Entwurf und Stabilisierung von Hallen und Geschossbauten

Netz der Tragkabel

Kabel

Mast Zugband

Bild 2.66 Beispiel einer gespannten unbelasteten Konstruktion.

2.7.3

Membranstrukturen

Aufgrund ihrer gewobenen Struktur verhalten sich Membrane wie Kabelnetze mit zwei Ebenen (Bild 2.67), aber die Konstruktionsart ändert sich je nach verwendeten Materialien (Stoff, Verbundmaterial, Stahl usw.). Membrane können sich verbiegen, Stahlplatten hingegen nicht. Polyestertextilien haben einen schwachen mechanischen Widerstand, sind aber weniger anfällig auf Kriechen und Alterung als resistentere Materialien.

Glasfaser-Membrane Kabel

Mast

Bild 2.67 Beispiel einer Membranstruktur ohne Belastung. Dach des internationalen Stadions in Riyad, 1985. Membrane mit aus Teflon beschichtetem Fiberglas, Kabel und Maste aus Stahl. Arch. J. Fraser mit H. Berger.

2.8 Rechenbeispiel

2.8 Rechenbeispiel 2.8.1

Tragsystem einer Industriehalle

Ziel des Beispiels

Das Ziel dieses Beispiels ist die Festlegung der statischen Systeme, des Stabilisierungskonzeptes und der Einwirkungen als Basis für die weiteren Beispiele in diesem Buch. Nutzungsvereinbarung

Vorgängig der Erarbeitung eines Projektes wird mit dem Bauherrn und dem Architekten eine Nutzungsvereinbarung erstellt. Diese enthält im Besonderen die erforderlichen Abmessungen des Bauwerkes sowie nutzungsbezogene Einwirkungen. Die Umwelt und die geografischen Gegebenheiten haben einen entscheidenden Einfluss auf das gewählte Konzept der Halle. In diesem Beispiel wird eine Industriezone in einer ländlichen Umgebung von Willisau, Kanton Luzern angenommen. Die Halle wird der Bauwerksklasse (BWK) I nach Norm SIA 261 zugeordnet. Die Höhe über Meer des Standortes beträgt 600 m. Die Abmessungen der Halle ohne Innenstützen sind die folgenden: Länge 42 m, Breite 15 m, Höhe 8 m, vereinfachend als Achsmasse angenommen. Tragstruktur

Bei der eher kleinen Querspannweite von 15 m wird ein System mit Querrahmen mit geknickten Bindern aus Walzprofilen als Haupttragsystem der Halle vorgesehen. Der Binderabstand ist im Wesentlichen von den Dachlasten (Eigengewicht, Schnee, Wind) und den Einwirkungen auf die Fassaden (Wind) abhängig. Allerdings sind die Abmessungen der Sekundärelemente (Pfetten, Riegel) umso grösser, je grösser der Binderabstand ist. Es gilt also, das Optimum zwischen Anzahl Binder und Abmessung der Sekundärelemente zu finden. Für das vorliegende Beispiel wählen wir einen Binderabstand von 6 m. Die Wahl eines geknickten Riegels mit 17 % Neigung (ca. 9.5°) ist durch die Anwendung eines Leichtmetalldaches (Abflussneigung der Profilbleche) gegeben. Dieses Dachsystem bedingt längslaufende Pfetten mit einem optimalen Abstand von 1.9 m. Die Fassadeneindeckung besteht aus vertikal verlegten Sandwichplatten, welche auf horizontale Riegel im Abstand von 2.0 m befestigt sind. Die so beschriebene Stahlkonstruktion aus Rahmen, Pfetten und Riegel ist im Bild 2.68 dargestellt. Statisches System

Für den erforderlichen Widerstand zu den vorhandenen Einwirkungen müssen alle Tragwerkselemente ein stabiles Gleichgewicht in den drei Dimensionen sowie für alle Gefährdungsbilder aufweisen. Nachfolgend werden für jedes Tragelement (Binder, Stützen, Pfetten, Riegel) die Randbedingungen definiert. • Stützenfüsse: Zwei Lösungen sind möglich: gelenkig oder eingespannt. Die Wahl hängt von der Bodenbeschaffenheit ab. Gewisse Böden vermögen aus technischer Sicht keine Biegemomente oder grössere Querkräfte aufnehmen. Wenn gelenkige

89

90

2 Entwurf und Stabilisierung von Hallen und Geschossbauten Stütze Riegel Pfette

6.0 6.0

Geknickter Binder 6.0 6.0 7 × 6.0 = 42.0 6.0 6.0 9.25 8.0

1.9 2.0 7.50

6.0

Masse in [m]

7.50 15.0

Bild 2.68 Struktur der gewählten Halle (Masse in m).

Stützenfüsse vorgesehen sind, werden die Fundationen und der Baugrund zulasten der Stahlkonstruktion „entlastet“. Im vorliegenden Beispiel werden gelenkige Stützenfüsse vorgesehen. • Rahmen: Die Wahl von gelenkigen Stützenfüssen erlaubt die folgenden Lösungen für das statische System des Rahmens: Zweigelenkrahmen, statisch unbestimmtes System (Bild 2.69a); Dreigelenkrahmen, statisch bestimmtes System (Bild 2.69b); Viergelenkrahmen, seitlich gehalten, statisch bestimmtes System (Bild 2.69c). Die Vorteile eines statisch unbestimmten Systems sind die Materialoptimierung und die Umverteilung der Auswirkungen für den Fall einer aussergewöhnlichen Einwirkung (Anprall, Brand usw.). Dagegen können im statisch unbestimmten System gegenüber dem statisch bestimmten System kleinere geometrische Abweichungen des Systems von Verformung aus den Einwirkungen aufgefangen werden. Es wird ein Zweigelenkrahmen mit biegesteifem First und biegesteifen Rahmenecken gewählt. • Pfetten und Riegel: Die statischen Systeme dieser Elemente werden im Rechenbeispiel von Kap. 3 dieses Buches diskutiert. Horizontale Stabilität

Die Windverbände gewährleisten die Stabilität der Gesamtstruktur und verhindern Verschiebungen und Kippen von Elementen unter horizontalen Einwirkungen wie Wind und Erdbeben. Die Stabilität muss in zwei rechtwinklig aufeinanderstehenden Richtungen sichergestellt werden, um gegen Einwirkungen aus irgendeiner Richtung wirksam zu sein. Die Längsstabilität der Halle wird durch einen Dachquerverband und zwei Vertikalverbände in den Fassaden sichergestellt. Ein Verbandssystem in Hallenmitte

2.8 Rechenbeispiel Gelenke

geknickter Riegel

Montant

(a) Zweigelenk-Rahmen

(b) Dreigelenk-Rahmen

(c) Viergelenk-Rahmen

ohne seitliche Halterung

mit seitlicher Halterung

Bild 2.69 Mögliche statische Systeme des Rahmens. 3.8

6.0

3.75

(a) Querverband

(b) Längsverband

Bild 2.70 System der Windverbände.

längs gewährleistet zwängungsfreie Dehnungen infolge Temperatureinwirkung, das bedeutet aber, dass die Kräfte auf die Giebelwände via die Pfetten zum Verband „transportiert“ werden müssen. Bei einer Lösung mit zwei Querverbänden an den Hallenenden können die Kräfte auf die Giebelwände direkt in die Fundationen abgetragen werden. In diesem Fall sind Dilationen für Temperaturausdehnungen erforderlich. Bild 2.70a zeigt das gewählte System mit gekreuzten Diagonalen in Hallenmitte. Das gewählte System mit Zweigelenkrahmen gewährleistet grundsätzlich die Stabilität in Hallenquerrichtung. Ein Hallenlängsverband (Bild 2.70b) erweist sich trotzdem als sinnvoll, um die seitliche Auslenkung der Rahmen zu begrenzen und ein seitliches Auflager zu bilden. Das ist besonders von Bedeutung beim Vorhandensein eines Hallenlaufkrans.

91

92

2 Entwurf und Stabilisierung von Hallen und Geschossbauten

Vordimensionierung

Abschliessend zur konzeptionellen Entwicklung dieses Beispiels können wir basierend auf den empirischen Regeln im Anhang A2.1 die Tragelemente wie folgt vordimensionieren: Binder: Walzprofil ℎ ≅ 1∕30 = 15 000 mm∕30 = 500 mm → Wahl IPE 450 Stützen: Profil HE mit ca. gleicher Fläche wie der Binder → Wahl HEA 280/300 Pfetten: durchlaufendes Walzprofil ℎ ≅ 1∕40 = 6000 mm∕40 = 150 mm → Wahl IPE 140 oder 160 Riegel: durchlaufendes Walzprofil ℎ ≅ 1∕40 = 6000 mm∕40 = 150 mm → Wahl IPE/UPE 140

2.8.2

Einwirkungen und Reaktionen auf die Industriehalle

Vorgaben

Die untersuchte Halle befindet sich in Willisau (LU) auf einer Höhe von 600 m über Meer. Die Struktur gemäss Bild 2.68 besteht aus acht Rahmen in Stahl S 235 im Abstand von 6 m. Die Gesamtlänge beträgt 42.0 m, die Breite 15.0 m und die Traufhöhe 8.0 m. Das Dach ist beidseitig leicht geneigt. Der Dachaufbau ist in Bild 2.71 dargestellt. Ständige Lasten

Ständige Lasten sind hier das Eigengewicht der Stahlstruktur sowie der umhüllenden Elemente. Die charakteristischen Lasten sind die Folgenden: Dach

äusseres Blech: Dichtbahn: Isolation: Dampfsperre: Tragblech: Total Dacheindeckung

150 N/m2 50 N/m2 100 N/m2 50 N/m2 150 N/m2 𝑔𝑘 = 500 N∕m2

Tragstruktur (Vordimensionierung gemäss Abschn. 2.8.1)

Pfetten (lPE 160): 𝑔𝑎 = 0.16 kN∕m Binder (lPE 450): 𝑔𝑎 = 0.78 kN∕m 1

2 1 äusseres Blech

5

3 4

2 Dichtbahn 3 Isolation 4 Dampfsperre

Pfette

Bild 2.71 Dachaufbau.

5 Tragblech

2.8 Rechenbeispiel

Stützen (HEA 300): 𝑔𝑎 = 0.88 kN∕m Riegel (IPE 140): 𝑔𝑎 = 0.13 kN∕m Wandverkleidung

Sandwichplatten (100 mm): 𝑔𝑏 = 0.15 kN∕m2 Veränderliche Lasten Schnee

Gemäss Norm SIA 261, Anhang D entspricht die Referenzhöhe ℎ0 für den Standort Willisau LU ohne Zuschlag der Meereshöhe. Somit ist ℎ0 = 600 m. Gemäss Art. 5.2.6 derselben Norm berechnet sich der charakteristische Wert der Schneelast 𝑠𝑘 auf horizontalem Gelände mit folgender Formel: 2

𝑠𝑘 = [1 + (

ℎ0 ) ] ⋅ 0.4 kN∕m2 = 1.58 kN∕m2 350

und somit grösser als das Minimum von 0.9 kN/m2 . Der charakteristische Wert der Schneelast auf Dächern, bezogen auf die überdeckte Grundrissfläche beträgt: 𝑞𝑘 = 𝜇𝑖 ⋅ 𝐶𝑒 ⋅ 𝐶𝑇 ⋅ 𝑠𝑘 Für eine beidseitige Dachneigung von 𝛼 = 9.5◦ betragen die Beiwerte gemäss Norm SIA 261, Figur 2 und 3: Lastmodell 1: 𝜇11 = 𝜇12 = 0.8 Lastmodell 2: 𝜇11 ∕2 = 0.40; 𝜇12 ∕2 = 0.4 Für Gebäude mit einer Höhe < 20 m muss der Beiwert 𝜇1 nicht erhöht werden. Der Expositionsbeiwert 𝐶𝑒 entspricht 1.0 (normale Windexposition). Der thermische Beiwert 𝐶𝑇 entspricht 1.0. Somit wird 𝑞𝑘 Schnee zu: 𝒒𝒌 = 0.8 ⋅ 1.0 ⋅ 1.0 ⋅ 1.58 kN∕m2 = 1.26 kN/m2 Wind

Windeinwirkungen werden nach Norm SIA 261, Kap. 6 berechnet. Darin berechnet sich der Staudruck 𝑞𝑝 wie folgt: 𝑞𝑝 = 𝑐ℎ ⋅ 𝑞po 𝑞po ist der Referenzwert des Staudruckes und wird nach Anhang E der Norm SIA 261 bestimmt, er richtet sich nach dem Windklima und dem Standort des Gebäudes. Für Willisau LU beträgt 𝑞po = 0.9 kN∕m2 . 𝑐ℎ ist der Profilbeiwert und berücksichtigt das Windgeschwindigkeitsprofil in Funktion zur Höhe 𝑧 über Boden und kann nach Figur 6 der Norm SIA 261 oder der nachfolgenden Formel bestimmt werden: 𝛼𝑟

2

⎡ 𝑧 ⎤ 𝑐ℎ = 1.6 ⋅ ⎢( ) + 0.375⎥ = 0.984 𝑧𝑔 ⎣ ⎦

93

94

2 Entwurf und Stabilisierung von Hallen und Geschossbauten

In der Tabelle 4 der Norm SIA 261 sind die Parameter definiert. Mit der zu definierenden Geländekategorie III (Ortschaften, freies Feld) und der Höhe 𝑧 = 9.25 m wird: die Gradientenhöhe: 𝑧𝑔 = 450 m und der Exponent der Bodenrauigkeit: 𝛼𝑟 = 0.23, damit wird der Profilbeiwert 𝑐ℎ = 0.984 und der Staudruck 𝑞𝑝 zu: 𝒒𝒑 = 𝑐ℎ ⋅ 𝑞po = 0.89 kN/m2 Druckbeiwerte 𝑐pe wirken auf äussere Oberflächen und Druckbeiwerte 𝑐pi wirken auf innere Oberflächen. Die charakteristischen Winddrücke betragen dann: 𝒒𝒌 = 𝒄𝒑 𝒒𝒑 , je für innere und äussere Oberflächen von Gebäuden (siehe auch Figur 7, Norm SIA 261). Die Druckbeiwerte werden nach Anhang C der genannten Norm bestimmt; sie richten sich nach den Gebäudeabmessungen und der Gebäudeart und werden für Einwirkungen in die beiden Hauptrichtungen eines Gebäudes angegeben (siehe Tabelle 2.4). Die Tabelle 59a im Anhang C entspricht am ehesten den Abmessungen des vorliegenden Rechenbeispiels bezogen auf den Grundriss und die Tabelle 33 bezogen auf die Dachform. Da die Tabellen nicht gemischt werden sollten, ist zu prüfen, welche Tabelle berücksichtigt wird. Der Vergleich der Tabellen 32 (Flachdach) und 33 (Giebeldach) zeigt, dass die Druckbeiwerte für das Dach praktisch gleich sind. Somit wird die Grundrissform (Rechteck statt Quadrat) massgebend. Wir benützen die Tabelle 59a. Für die Innendrücke werden die Werte „glm.“ (Undichtheit gleichmässig verteilt) verwendet. Das entspricht dem Normalfall und ist realistisch. Grosse vorherrschende Undichtheiten (z. B. Fassadenöffnungen) müssen separat betrachtet werden. Positive Werte sind Druckkräfte, negative Werte sind Sogkräfte auf die jeweilige Teilfläche. Lokale Windkräfte

Diese Kräfte werden als Einwirkungen auf Pfetten, Riegel, Rahmen usw. verwendet. Sie werden für die verschiedenen Oberflächen und Windrichtungen nach der folgenden Formel berechnet: 𝑞𝑘 = (𝑐pe − 𝑐pi ) ⋅ 𝑞𝑝

in kN/m2

Tab. 2.4 Druckbeiwerte für die Halle. 𝝋

Lokale Druckbeiwerte cpe Teilfläche

cpi Undichtheit vorherrschend auf Fläche A B C D E F G H glm. A B 0° 0.6 –0.3 –0.4 –0.4 –0.6 –0.6 –0.3 –0.3 ±0.1 0.6 –0.3 90° –0.35 –0.35 0.7 –0.25 –0.4 –0.25 –0.4 –0.25 ±0.1 –0.35 –0.35

Globale Kraftbeiwerte cf1 cf2 cf3 Bezugsfläche 𝑏⋅ℎ 𝑑⋅ℎ 𝑑⋅𝑏 0.9 0 –0.45 0 0.95 –0.33

2.8 Rechenbeispiel B – 0.3

B – 0.35

D

E –0.4

C

H – 0.3

– 0.4

G – 0.3

–0.4

=90°

0.7

C

H 0.25 0.25

G –0.4

F – 0.25

– 0.35 A

E –0.6

D

F – 0.6

0.6 A =0°

Bild 2.72 Druckbeiwerte auf die Halle.

Die Aussen- und Innendrücke müssen also unter Beachtung der Vorzeichen summiert werden. In der Regel kann die massgebende Einwirkung mit den beiden Hauptwindrichtungen erfasst werden. Im vorliegenden Beispiel gibt es zwei Fälle: Wind in Hallenlängsrichtung: 𝜑 = 0◦ Wind in Hallenquerrichtung: 𝜑 = 90◦ In Bild 2.72 sind die Druckbeiwerte 𝑐pe zusammengefasst. Die Druckbeiwerte im Inneren 𝑐pi = ±0.1 müssen sinngemäss addiert werden. Numerische Werte Riegel: • max 𝑞𝑘+ = (0.7 + 0.1)0.89 kN∕m2 = 0.71 kN∕m2 ; Seite C, 𝜑 = 90◦ • min 𝑞𝑘− = −(0.4 + 0.1)0.89 kN∕m2 = −0.45 kN∕m2 ; Seite D, 𝜑 = 0◦ Pfetten: • max 𝑞𝑘+ = −(0.6 + 0.1)0.89 kN∕m2 = −0.62 kN∕m2 ; Seite E, F, 𝜑 = 0◦ • min 𝑞𝑘− = (−0.25 + 0.1)0.89 kN∕m2 = −0.15 kN∕m2 ; Seite F, H, 𝜑 = 90◦ Rahmen: für 𝜑 = 90◦ , Wind quer (zweiter Index ist die Hallenoberfläche) • • • •

𝑞k,C = (0.7 − 0.1)0.89 = 0.53 kN∕m2 𝑞k,D = −(0.25 + 0.1)0.89 = −0.31 kN∕m2 𝑞k,E = −(0.4 + 0.1)0.89 = −0.45 kN∕m2 𝑞k,F = −(0.25 + 0.1)0.89 = −0.31 kN∕m2

alle gleichzeitig wirkend.

95

96

2 Entwurf und Stabilisierung von Hallen und Geschossbauten

Globale Windeinwirkungen

Mit den globalen Kraftbeiwerten werden Windkräfte auf ein ganzes Bauwerk oder Bauteil bestimmt. In den Tabellen sind globale Kraftbeiwerte aufgeführt (siehe Tabelle 2.4). Der entsprechende Wert kann auch durch Summation der auf seiner Oberfläche lokal wirkenden Aussen- und Innendrücke bestimmt werden. Typische Bauteile dafür sind die für das Gesamtbauwerk vorgesehenen Windverbände. Die Werte werden je nach Oberfläche und Windrichtung mit folgender Formel bestimmt: 𝑄𝑘 = 𝑐red ⋅ 𝑐𝑑 ⋅ 𝑐𝑓 ⋅ 𝑞𝑝 ⋅ 𝐴ref Reduktionsfaktor 𝑐red : nach Figur 9, Norm SIA 261. Für 𝜑 = 0◦ (Wind längs) ist der Quotient 𝛽 = 𝑏(Breite) zu ℎ(Höhe) = 15∕9.25 = 1.62 und somit 𝑐red = 0.86. Das analoge Vorgehen für 𝜑 = 90◦ (Wind quer) ergibt 𝛽 = 4.54 und 𝑐red = 0.8. Für Dachflächen ist 𝑐red = 1.0. Dynamischer Faktor 𝑐𝑑 : Dieser Faktor ist für Gebäude mit einer Höhe < 15 m: 1.0. Kraftbeiwert 𝑐𝑓 : je nach Windrichtung; Index 1 für 𝜑 = 0◦ , Index 2 für 𝜑 = 90◦ , Index 3 für das Dach. Staudruck: 𝑞𝑝 = 0.89 kN∕m2 (siehe oben). Bezugsfläche: 𝐴ref als kN/m2 oder als Linienlast auf Länge oder Breite kN/m. Numerische Werte für die Dachverbände: 𝜑 = 0◦ (Dachquerverband, Anteil Windlast auf Verband), 𝑄k,AB = 𝑐red ⋅ 𝑐𝑑 ⋅ 𝑐f1 ⋅ 𝑞𝑝 ⋅ 𝑏 ⋅ ℎ = 0.86 ⋅ 1.0 ⋅ 0.9 ⋅ 0.89 ⋅ 9.25∕2 = 3.19 kN∕m , 𝜑 = 90◦ (Dachlängsverband, Anteil Windlast auf Verband), 𝑄k,CD = 𝑐red ⋅ 𝑐𝑑 ⋅ 𝑐f2 ⋅ 𝑞𝑝 ⋅ 𝑑 ⋅ ℎ = 0.8 ⋅ 1.0 ⋅ 0.95 ⋅ 0.89 ⋅ 9.25∕2 = 3.13 kN∕m . Die aktuelle Norm SIA 261 (Einwirkungen) sieht mit den globalen Windlasten eine zur Mittelachse exzentrisch wirkende Einwirkung und damit eine globale Torsionsbeanspruchung auf den Gebäudegrundriss vor. Das wird im vorliegenden Beispiel nicht berücksichtigt.

2.9 Literaturverzeichnis 1 Marcus, S.H. (1977). Basics of Structural Steel Design. Reston: Reston publishing company, Inc. 2 Ballio, G. und Mazzolani, F.M. (1983). Theory and Design of Steel Structures. London: Chapman and Hall. 3 Dubas, P. und Gehri, E. (1988). Stahlhochbau. Berlin: Springer-Verlag. 4 Eekhout, M. (2011). Tubular Structures in Architecture, 2. Aufl. CIDECT, free for download at: www.cidect.org/ 5 Feld, L.S. (1971). Superstructure for 1350 ft. World Trade Center, Bd. 41, Nr. 6, S. 66–70. New York: Civil Engineering ASCE.

A2 Anhang

6 Iyengar, H.S. (1972). Bundled-Tube Structure for Sears Tower, Bd. 42, Nr. 11, S. 71–75. New York: Civil Engineering ASCE. 7 Makowski, Z.S. (1985). Analysis, Design and Construction of Braced Barrel Vaults. London: Elsevier. 8 Buchholdt, H.A. (1999). An Introduction to Cable Roof Structures, 2. Aufl. London: Thomas Telford. 9 Schulitz, H., Sobek, W. und Habermann, K. (2001). Stahlbau Atlas. Birkhäuser Edition Detail.

A2 Anhang A2.1

Empirische Regeln für die Vordimensionierung

Die unten stehenden Regeln dienen zur Vordimensionierung von Stahlbau-Tragelementen von Hallen und Geschossbauten. Sie geben für Biegeträger das Verhältnis der Querschnittshöhe ℎ zur freien Spannweite 𝑙 sowie für Druck- oder Zugelemente die Schlankheit 𝜆𝑘 = 𝑙𝑘 ∕𝑖 an. Industriehallen Durchlaufende Dachpfette aus Walzprofilen Durchlaufende Dachpfette aus kalt geformtem Profil Durchlaufender Fassadenriegel aus Walzprofilen Fassadenträger aus Walzprofilen Rahmenriegel aus Walzprofilen Rahmenriegel aus Vollwandträger Fachwerkträger mit konstanter Höhe Dreieckförmiger Fachwerkträger Biegesteif mit dem Binder verbundene Rahmenstütze aus Walzprofilen Beidseits gelenkig gelagerte Rahmenstütze aus Walzprofil Dreieckförmige Windverbandsdiagonale

ℎ ≅ 1∕40 ℎ ≅ 1∕30 ℎ ≅ 1∕40 ℎ ≅ 1∕30 ℎ ≅ 1∕30 ℎ ≅ 1∕15 bis 1∕25 ℎ ≅ 1∕12 ℎ ≅ 1∕4 bis 1∕6 HE-Profil mit dem gleichen Querschnitt wie der Binder Schlankheit HE-Profil 𝜆𝑘 ≤ 50 Profil-Schlankheit 𝜆𝑘 ≤ 250

Geschossbauten Verbunddecke mit Profilblech Bodenträger aus Walzprofil Hauptträger aus Walzprofil Stützen aus Walzprofilen

𝑑 ≅ 1∕32 (𝑑: statische Höhe) ℎ ≅ 1∕30 ℎ ≅ 1∕20 bis 1∕25 Schlankheit HE-Profil 𝜆𝑘 ≤ 50

97

99

3 Pfetten und Fassaden-Unterkonstruktionen 3.1 Einleitung Pfetten und Fassaden-Unterkonstruktionen sind sekundäre Tragelemente und Bestandteil der Eindeckungen von Gebäuden. Ihre Hauptfunktion besteht darin, die auf Dach und Wand einwirkenden Lasten auf die Haupttragelemente abzutragen. Konstruktive Details von Dach- und Wandeindeckungen können den einschlägigen Produktinformationen entnommen werden. Die Anwendung von hohen Trapezprofilblechen kann je nach statischem Konzept der Dachkonstruktion die Pfetten ersetzen und somit die Abtragung der Dachlasten von Rahmen zu Rahmen übernehmen. Das Kapitel ist der Bemessung dieser Sekundärelemente gewidmet. Die Basis dazu bildet die Theorie über Biege- und Druckstäbe im TGC Band 10, Kap. 5 und 6. Im nachfolgenden Abschn. 3.2 wird die Dimensionierung der Pfetten (Bauteile im Dach) und im Abschn. 3.3 diejenige der Riegel und Fassadenstützen (Bauteile der Fassaden-Konstruktion) aufgezeigt. In jedem dieser beiden Abschnitte werden die Tragfunktion, die betreffenden Einwirkungen und die Gefährdungsbilder bezüglich der statischen Systeme und der Auswirkungen dargelegt. Danach werden die Berechnung der Querschnittswiderstände, der Tragsicherheit und Gebrauchstauglichkeit geführt. Abschliessend werden im Abschn. 3.4 einige numerische Berechnungsbeispiele von Pfetten und Fassadentragstrukturen gezeigt.

3.2 Pfetten 3.2.1

Funktion der Pfetten

Die Pfetten stützen die Dach-Tragbleche und übertragen die auf das Dach wirkenden Lasten auf die Haupttragstruktur einer Halle. Sie sind parallel zur Längsseite der Halle beziehungsweise in Firstrichtung angeordnet. In der Regel sind sie im gleichen Abstand angeordnet. Firstpfetten bei geneigten Dächern sollen miteinander verbunden werden. Pfetten als Bestandteil eines Dachverbandes (Gurte, Pfosten) müssen speziell dimensioniert und allenfalls verstärkt werden. Traufpfetten können gleichzeitig die Rolle eines Fassadenriegels übernehmen und müssen somit auch

Stahlhochbau – Entwurf und Bemessung von Hallen und Geschossbauten, 1. Auflage. Manfred A. Hirt, Michel Crisinel und Alain Nussbaumer. © 2024 EPFL Press. Published 2024 by Ernst & Sohn GmbH.

100

3 Pfetten und Fassaden-Unterkonstruktionen Eventuell zusätzliche Schraube für > 30° Pfettenhalter (Abkantblech)

(a) Befestigung auf horizontale

(b) Befestigung auf geneigte Binder

oder leicht geneigte Binder

Schnitt Grundriss Gelenkig

Gelenk und Dilatation

Langloch

(c) Verbindung der Firstpfetten

(d) Gelenkige Pfettenstösse

Bild 3.1 Beispiele von Pfettenbefestigungen.

horizontale Windlasten auf die Fassade übernehmen. Bild 3.1 zeigt verschiedene Befestigungsmöglichkeiten auf dem Binder.

3.2.2

Einwirkungen und Gefährdungsbilder

Pfetten übernehmen die folgenden Lasten: • • • • •

Eigengewicht der Pfette 𝑔𝑎 , Gewicht der Dacheindeckung 𝑔fin , Schnee 𝑞𝑠 , Wind 𝑞𝑤 , abgehängte Lasten 𝑞susp oder 𝑄susp .

Die Gravitationskräfte (Eigengewicht, Schnee, abgehängte Lasten) wirken lotrecht, die Windlasten (Sog und Druck) wirken rechtwinklig zur Dachebene. Bei einem Flachdach wirken alle Lasten lotrecht und parallel zum Pfettensteg (Bild 3.2a). Bei einem geneigten Dach können die Pfetten vertikal (Bild 3.2b und Bild 3.3a) oder geneigt (Bild 3.2c und Bild 3.3b,c) angeordnet werden, wobei hier immer ein Teil der Lasten quer zum Pfettensteg wirkt. Bei einem Flachdach sind die Pfetten auf Biegung um eine Hauptachse und bei geneigten Dächern auf schiefe Biegung um die beiden Hauptachsen beansprucht. Im Weiteren kann in beiden Fällen gleichzeitig eine Normalkraft vorhanden sein,

3.2 Pfetten

101

qw qs

qw

qw

g fin

qs

qs

g fin

g fin

ga

ga

q susp oder Q susp

q susp oder Q susp

(a) horizontales Dach

(b) Dach geneigt, Pfette vertikal

ga q susp oder Q susp

(c) Dach geneigt, Pfette geneigt

Bild 3.2 Kraftrichtungen auf Pfetten.

(a)

(b)

(c)

Bild 3.3 Befestigung von Pfetten auf geneigten Dächern.

wenn die Pfetten Bestandteil eines Windverbandes sind oder als seitliche Halterung eines Tragelementes dienen (z. B. Rahmenbinder). Gefährdungsbilder und zugehörige Lasten sind in der Tabelle 3.1 zusammengestellt. Tab. 3.1 Mögliche Gefährdungsbilder und Lastfälle für den Tragsicherheitsnachweis. Gefährdungsbild Lastfälle Nr. Ständige Lasten Nutzlast Schnee Wind Windsog

1 2 3 4

𝑔𝑎 + 𝑔fin 𝑔𝑎 + 𝑔fin 𝑔𝑎 + 𝑔fin 𝑔𝑎 + 𝑔fin (𝛾G,inf )

Veränderliche Lasten Nutzlast Schnee Leiteinwirkung — — Leiteinwirkung — Begleiteinwirkung — –

Wind Begleiteinwirkung Begleiteinwirkung Leiteinwirkung Leiteinwirkung

102

3 Pfetten und Fassaden-Unterkonstruktionen

Der Fall 1 entspricht beispielsweise einem begeh- oder befahrbaren Dach, als Ausstellungsfläche oder als Helikopterplattform. In den anderen Fällen (ohne Nutzlast) sind die Dächer nur für Unterhaltsarbeiten begehbar. Diese Nutzlast von 0.4 kN/m2 gemäss Norm SIA 261 ist in der Regel einzurechnen. Im Fall 2 kann der Wind vernachlässigt werden, sofern Sog vorherrscht; der Fall 3 kann zutreffen bei geneigten Pfetten oder wenn diese ein Bestandteil eines Verbandes sind; im Fall 4 haben wir Windsog auf dem Dach und deshalb muss das Eigengewicht mit dem Lastbeiwert 𝛾G,inf = 0.8 berücksichtigt werden.

3.2.3

Statische Systeme

Für statische Systeme von Pfetten gibt es mehrere Möglichkeiten: einfacher Balken, Gelenkträger (oder Gerberträger) und Durchlaufträger. Der einfache Balken (Bild 3.4a) hat eine grössere Bauhöhe und schlechtere Materialausnützung infolge der grösseren Durchbiegungen und wird deshalb auf dem Binder aufliegend selten eingesetzt. Die Verwendung als Teil eines Dachfachwerkes ist denkbar (mit grösserem Profilquerschnitt). Hingegen sind für eingesattelte Pfetten mit an der Oberkante bündigen Flanschen von Pfette und Binder einfache Balken eine sinnvolle Lösung; hier lassen sich gelenkige Anschlüsse mit sogenannten „Fahnenblechen“ auch montagetechnisch wirtschaftlich ausführen. Der Gelenkträger (Bild 3.4b) hat im Gegensatz zum Stahlbau beim Holzbau noch heute seine Bedeutung. Eine intelligente Anordnung der Gelenke erlauben einerseits einen Momentenausgleich der Stützen- und Feldmomente und anderseits die Deformationen des statisch bestimmten Systems in der Größenordnung eines Durchlaufträgers zu erreichen. Mit Bezug auf die plastische Bemessung im Stahlbau sind allerdings die Vorteile von Gelenkträger illusorisch. Die heutigen Möglichkeiten von geschraubten und geschweissten Verbindungen erlauben eine einfachere Ausführung von Durchlaufträgern als früher. Im Weiteren muss festgehalten werden, dass für dieses statisch bestimmte System ein Ausfall einer einzigen Pfette (Brand, Explosion) das Versagen der gesamten Dachkonstruktion zur Folge haben kann. Der Durchlaufträger ist das am meisten verbreitete System. Die Pfetten können auf die gesamte Hallenlänge durchlaufend sein (Bild 3.4c); sie können abhängig von den Fabrikations- (bis 18 m) oder Transportlängen (bis 30 m) auf zwei oder drei Felder ausgelegt sein (Bild 3.4d). Die Konstruktionsdetails von Bild 3.4e zeigen verschiedene Varianten: Gelenke über den Auflagern (Detail 1), Gelenke im Feld (Detail 2), den biegesteifen Stoss eines Durchlaufträgers (Detail 3). Im Falle von Durchlaufträgern über zwei oder drei Felder empfiehlt es sich, die Pfetten versetzt auf den Bindern anzuordnen wie in Bild 3.5 dargestellt (Beispiel mit Zweifeldträgern). Dadurch wird die Summe der Auflagerkräfte der Pfetten auf benachbarte Binder praktisch gleich. Bei Mehrfeldträgern mit gleichen Spannweiten sind die Reaktionen auf das erste Innenauflager grösser als auf die weiteren Innenauflager. Es können folgende Massnahmen getroffen werden:

3.2 Pfetten

103

Detail 1

(a) einfacher Balken Detail 2

(b) Krag- oder Gerberträger Detail 3

(c) Durchlaufträger Detail 1

(d) Dreifeldträger Detail 1

Detail 2

Detail 3

(e) Konstruktionsdetails Bild 3.4 Statische Systeme von Pfetten.

• die Spannweiten der Randfelder verringern, was in der Praxis kaum angewendet wird; • die Pfetten nach den Randfeldern bemessen, was zur Folge hat, dass die Innenfelder überdimensioniert sind;

104

3 Pfetten und Fassaden-Unterkonstruktionen

Bild 3.5 Auflagerreaktionen eines Systems mit Ein- und Zweifeldträgern.

• die Pfetten nach den Innenfeldern bemessen und die Randfelder lokal verstärken; • die Randfelder mit einem stärkeren Profil ausführen.

3.2.4

Berechnung der Auswirkungen und Deformationen

Die Auswirkungen der Teilfelder einer Pfette aufgrund gegebener Einwirkungen hängen vom statischen System ab. Die Tabelle 3.2 zeigt die Werte eines Einfeld- und Durchlaufträgers aufgrund einer gleichmässig verteilten Last 𝑞 über alle Felder: • • • •

maximale Durchbiegung 𝑤max , Momenten-Schnittkraftlinie, elastisch, Querkraft-Schnittlinie, elastisch, plastische Traglast.

Momenten- und Querkraft-Schnittlinien für Kragträger sowie plastische Schnittkraftlinien mit den Versagensmechanismen für Durchlaufträger bei anderen Einwirkungen (Einzellasten auf einzelnen Feldern) können analog bestimmt werden (siehe Bemessungstafeln SZS C4). Pfetten aus Walzprofilen werden in der Regel plastisch bemessen (Verfahren PP), diejenigen aus dünnwandigen, kalt geformten werden elastisch bemessen (Verfahren EE oder EER).

3.2 Pfetten

105

Tab. 3.2 Durchbiegung, Auswirkungen und Versagensmechanismen verschiedener statischer Systeme von Pfetten. (a) Einfacher Balken

(b) Durchlaufpfette, Innenfeld

(c) Zweifeldpfette

Last q Statisches System

A

B

A

B

l

w max =

wmax

5 ql 4 384 EI

wmax =

wmax

ql 4 384 EI

– Mmax +

+ Mmax

ql 2 Mmax = 8

8

– Mmax M+

max

– ql 2 12 2 + = ql Mmax 24 R

ql 2

Vmax =

ql 2

R = 2 Vmax= ql qu

Versagensmechanismus

Mpl plastisches Gelenk qu =

3.2.5

8 Mpl l2

ql 4 185 EI

2 – = – ql Mmax 8 M + = 0.07 ql 2

0.375 l

Vmax

wmax =

ql 2 8

– = Mmax

Querkraftlinie V Vmax

R = Vmax =

0.4215 l

ql 2

Mmax

Momentenlinie M

B l

wmax

Durchbiegung w

A

l

max

VBg VA

VBd

VA = 0.375 ql

VBd = VBg= 0.625 ql

RA=VA

RB =1.25 ql qu

qu Mpl

Mpl

Mpl Mpl qu =

16 Mpl l2

RB

Mpl qu =

11.67 Mpl

Querschnittswiderstände

Walzprofile

Die Widerstände von warm gewalzten Pfettenprofilen können nach den Methoden im TGC Band 10 Kap. 4 bestimmt werden. Im Übrigen sind die meisten Werte in den Konstruktionstabellen C5 des SZS tabelliert. Die Wichtigsten sind: • der Biegewiderstand 𝑀Rd bezüglich einer der beiden Hauptachsen, • der Querkraftwiderstand 𝑉Rd , • in einem geringeren Masse der Normalkraftwiderstand 𝑁Rd . Im Falle gleichzeitig wirkender Auswirkungen werden Interaktionsformeln angewendet. Zum Beispiel bei geneigten Pfetten (𝑀𝑦 und 𝑀𝑧 ) und bei Pfetten als Bestandteil eines Verbandes (𝑀𝑦 und 𝑁𝑥 oder 𝑀𝑦 , 𝑀𝑧 und 𝑁𝑥 ). Nötigenfalls ist auch die Interaktion eines Biegemomentes 𝑀𝑦 und einer Querkraft 𝑉𝑧 zu beachten (Auflagerquerschnitt bei einem Durchlaufträger).

l2

106

3 Pfetten und Fassaden-Unterkonstruktionen

Kaltgeformte Profile

∑ Die am meisten verwendeten kaltgewalzten Profile sind C-Profile, -Profile und Z-Profile (Bild 3.6). Es handelt sich um nicht symmetrische, offene und dünnwandige Querschnitte, für welche die Voraussetzungen von warm gewalzten Profilen nicht mehr zutreffen, im Speziellen: • Die Querschnitte sind nicht wölbfrei. • Eine vollständige Querschnitts-Plastifizierung kann nicht erreicht werden. • Es ist nicht der ganze Querschnitt wirksam. Wie für Trapezprofilbleche werden auch die Widerstandswerte von dünnwandigen Profilen mit den Bemessungsquerschnitten gemäss Norm SIA 263 (Verfahren EER) berechnet. Für wirtschaftliche Lösungen sollten die Querschnittsteile der Pfetten im Druckbereich eine Grenz-Schlankheit 𝑏∕𝑡 unter dem Maximalwert (Norm SIA 263 Querschnittsklasse 3) oder längslaufende Sicken aufweisen. Bild 3.6 zeigt Querschnitte von C- und Z-Pfetten, die exakt auf folgende Kriterien ausgelegt sind: • effiziente Formgebung (Abkantungen, Sicken in den geraden Querschnittsteilen), • Vermeiden von allzu grossen Torsionsbeanspruchungen (Kraftvektor nahe beim Schubmittelpunkt 𝐶), • Hauptachsen in Kraftrichtung (Z-Pfetten). Um einen optimalen Kippwiderstand zu erreichen, sollten asymmetrische und offene Pfettenprofile seitlich gehalten werden. Die aufliegenden Tragbleche können dazu einen grossen Beitrag liefern: • Sie halten den Pfettenobergurt in der Dachebene (Bild 3.7a) durch den Schubwiderstand (Schubfeldwirkung, Abschn. 8.4.1). • Sie halten teilweise den freien Untergurt durch ihren Biegewiderstand (Einspannung der Pfette im Tragblech). Infolge des nicht gleichmässig verteilten Schubflusses 𝑣𝑥 zwischen Steg und Flansch hat Letzterer die Tendenz, sich gegen den Steg zu verschieben (Bild 3.7b). Z-Pfetten

C-Pfetten

C y

y C

G

z

y C

G

z

G

y C G

u

z

z

C : Schubmittelpunkt G : Schwerpunkt

Bild 3.6 Dünnwandige, kalt geformte Pfetten.

C y u

v

G

C y u

z v

z v

G

3.2 Pfetten

107

qz

q

qz

qy Profilblech

vx y

y x

Pfette z

(a) Halterung des Obergurtes

z

(b) Teilweise Stabilisierung des freien Gurtes fy fy

My

fy fy

(c) Spannungsverteilung (Biegung um y-Achse) Bild 3.7 Querschnittswiderstände eines C-Profils (Biegung um die y-Achse).

Die Lasteinleitung mit den Befestigungselementen der Tragbleche muss so ausgelegt werden, dass die globale Instabilität (Kippen der Pfetten) oder die aufgezwungene Torsion des Pfettenprofils verhindert wird. Geeignete Befestigungsmittel müssen gewährleisten, dass sich das Pfettenprofil nur senkrecht zur Dachfläche verschiebt. Somit genügt es also, für den Querschnittswiderstand von kalt geformten, dünnwandigen Pfetten lediglich 𝑀y,Rd aufgrund der Lastkomponente 𝑞𝑧 zu bestimmen und zwar nach dem Verfahren EE (Bild 3.7c). Die Aktivierung der plastischen Querschnittsreserven sowie ein gewisser Momentenausgleich bleiben möglich, z. B. mit einer plastischen Berechnung. Die Lastkomponente 𝑞𝑦 in der Dachebene wird durch die Schubfeldwirkung der Tragbleche aufgenommen.

3.2.6

Tragsicherheit

Warmgewalzte Profile

In der Regel werden solche Pfetten mit dem Verfahren PP gerechnet. Die Verfahren EP und EE sind auch anwendbar (TGC Band 10, Kap. 5 und 6). Der Nachweis des Querschnittswiderstandes einer Pfette, beansprucht auf einfache Biegung um eine Hauptachse, geschieht nach der Gleichung

108

3 Pfetten und Fassaden-Unterkonstruktionen

𝑀Ed ≤ 𝑀Rd = 𝑀pl ∕𝛾M1 . Für 𝑞Ed als massgebende Bemessungslast in 𝑧-Richtung eines Gefährdungsbildes wird beim Verfahren PP für das Randfeld: 𝑀y,Ed =

𝑀y,pl 𝑞Ed ⋅ 𝑙2 = 𝑀y,Rd ≤ 11.67 𝛾M1

(3.1)

die Innenfelder: 𝑀y,Ed =

𝑀y,pl 𝑞Ed ⋅ 𝑙2 ≤ = 𝑀y,Rd 16 𝛾M1

(3.2)

Die Abmessungen und die vorhandenen Kipplängen der verwendeten Profile müssen selbstredend den Schlankheitsbedingungen und kritischen Kipplängen für das Verfahren PP genügen (Querschnittsklasse 1 nach SIA 263). Erinnern wir uns, dass das Kippen der Pfetten in der Regel durch das Dach-Tragblech verhindert ist. In den Bemessungstafeln C4 des SZS wird für diesen Fall eine Methode „Kippen bei gebundener Drehachse“ vorgestellt. Wenn die Pfette zusätzlich durch eine Normalkraft beansprucht ist, wird bei einachsiger Biegung um die starke Achse für den Stabilitätsnachweis eine Interaktionsformel verwendet, z. B. Formel (49) aus der Norm SIA 263/2013: 𝜔𝑦 𝑀y,Ed,max 𝑁Ed 1 + ≤ 1.00 𝑁Ky,Rd 1 − 𝑁Ed 𝜉 𝑀y,Rd

(3.3)

𝑁cr,y

𝜔𝑦 :

Beiwert für die Momentenverteilung = 1.0, wenn der Stab querbelastet ist, 𝑀y,Rd : Biegewiderstand um die 𝑦-Achse, 𝜉: Beiwert zur Berücksichtigung des Normalkrafteinflusses auf den Biegewiderstand bei doppelsymmetrischen I-Querschnitten und rechteckig gewalzten Hohlquerschnitten (TGC Band 10, Kap. 6.3.2, Norm SIA 263). Bei geneigten Dächern oder allgemein bei schiefer Biegung mit oder ohne Normalkrafteinfluss wird der Tragwiderstand der Pfette auch mit Interaktionsformeln ermittelt (Interaktion von 𝑀𝑦 , 𝑀𝑧 und 𝑁𝑥 ), z. B. mit Formel 48 (Querschnitt) und Formel 51 (Stabilität) der Norm SIA 263/2013. Um das Moment um die schwache Achse zu reduzieren, können die Pfetten durch Zugstangen in 𝑦-Richtung (oder durch Dach-Tragbleche) zwischen den Bindern zusätzlich gehalten werden (Bilder 3.8 und 3.9). Damit diese Bedingung erfüllt ist, müssen die Zugstangen im Firstbereich verbunden werden, was eine resultierende vertikale Kraftkomponente zur Folge hat. Die Spannweiten der Pfetten in 𝑦- und 𝑧-Richtung werden somit unterschiedlich. Für die Berechnung der Auswirkungen genügt es, in den entsprechenden Formeln für 𝑀z,Ed die Länge 𝑙 durch 𝑙∕2 oder 𝑙∕3 zu ersetzen, je nachdem, ob eine oder zwei Zugstangen vorhanden sind. Dieses Vorgehen ist konservativ, die Gleichgewichtsbedingungen und Tragsicherheit bleiben erfüllt, die Traglast wird kaum erreicht.

3.2 Pfetten

109

qz

Pfette

qz

Binder

qy

ly = l

Pfettenhalterung

Ansicht (bezüglich Biegung um y-Achse)

y qy

Schnitt A-A

A

Pfettenhalterung

Binder

z A

Pfette

l 3

l z=

l 3

l 3

Grundriss (bezüglich Biegung um z-Achse)

Bild 3.8 Geneigte Pfette mit seitlicher Halterung durch Zugstangen. siehe Detail IV

Detail IV Firstpfette

Pfette Ansicht Pfettenhalterung Traufpfette Binder

Detail III siehe Detail III

Binder

Binder Detail I

siehe Detail I siehe Detail II Pfettenhalterung

Zu

gst

ab

Detail II

Zugstab Verbindung der Traufpfetten Pfettenhalterung

Binder

Grundriss

Bild 3.9 Beispiele von Pfettenhalterungen mit Zugstangen.

Firstpfette

110

3 Pfetten und Fassaden-Unterkonstruktionen

Kaltgeformte Profile

Betrachten wir bei einem Schrägdach verschiedene Profiltypen und Befestigungsmöglichkeiten (Bild 3.10a) und unter den vereinfachenden Annahmen bezüglich Torsionssteifigkeit, Funktionsweise und Dimensionierung der Pfetten. Betrachten wir im Speziellen ein kalt geformtes C-Profil, welches seitlich durch ein mit Bügel oder Schrauben befestigtes Trapezprofilblech gehalten und durch Druckeinwirkungen (Eigengewicht, Schnee) oder Sogeinwirkungen (Wind) beansprucht wird (Bild 3.10b). Falls eine C-Pfette durch eine aufliegende Druckeinwirkung belastet wird, hat sie die Tendenz, sich infolge des Schubflusses 𝜈𝑥 (Bild 3.7b) im Drehsinn gemäss Skizze zu verdrehen. Wenn das Dachblech verschraubt ist, wird diese Rotation durch eine Reaktion 𝑅 (in der Dachebene) verhindert und die Schraube auf Abscheren beansprucht. Wenn nun das Dachblech mit einem Bügel befestigt ist, kann sich die Pfette verdrehen, da die Reibung zwischen Pfette und Dachblech nicht in der Lage ist, die Resultierende 𝑅 abzutragen. Es muss also eine Lösung in Betracht gezogen werden, welche die Rotation verhindert, z. B. durch einen zusätzlichen Haken am Oberflansch des C-Profiles. Im Fall von abhebenden Einwirkungen (Windsog) will sich das Profil in entgegengesetzter Richtung verdrehen und das Gleichgewicht stellt sich durch eine Reaktion 𝑅 ein, die ebenfalls in entgegengesetzter Richtung wirkt [1]. Wenn das Dachblech verschraubt ist, wird die Rotation verhindert. Wenn das Dachblech durch einen Bügel befestigt ist, kann sich die Pfette nicht verdrehen, weil sie gegen den Steg des mit Schrauben Schraube

mit Bügel kleiner Bügel

Profilblech

G

G

C G

C Pfette

C G

C Bügel

(a) Befestigungsarten des Bleches auf den Pfetten

Lasten auf Druck Q

Lasten auf Sog Q

R

Q R

(b) Belastungsarten auf den Pfetten Bild 3.10 Durch das Dachblech gehaltene Pfetten.

Q R

3.2 Pfetten Profilblech

b

qz

Einspannungswirkung

111

qz

a qy Scheibenwirkung h

y

y

y

Nx

h 0.27h

t qh z

z

(a)

(b)

entsprechender Flansch

e z

(c)

Bild 3.11 Modellbildung für kalt geformte Profile.

Bügels stösst. In beiden Fällen wird das Gleichgewicht erreicht, wenn die Resultierenden von 𝑄 und 𝑅 durch den Schubmittelpunkt der Pfette gehen. Während der Montage der Pfetten und des Dachbleches ist insofern Vorsicht geboten, dass die ständigen Lasten vor der Befestigung des Dachbleches keine Torsionsmomente und dadurch Verschiebungen und Verformungen der Pfetten hervorrufen. Die gleichen Betrachtungen können für Z-Pfetten angewendet werden mit dem Unterschied, dass bei gleichen Lasten die Verdrehungen in entgegengesetzter Richtung als bei den C-Pfetten erfolgen (der nicht gleichmässig verteilte Schubfluss zwischen Steg und Flansch wirkt in die andere Richtung). Der Nachweis der Tragsicherheit von dünnwandigen C- oder Z-Pfetten, deren Oberflansch seitlich durch ein durchlaufendes Dachblech gehalten ist (Bild 3.11a), erfolgt für jedes Gefährdungsbild mit einem Verfahren EE oder EP mit folgenden Annahmen (Eurocode 3, Teil 1-3) (Bild 3.11b): • Die Auswirkungen aus der Komponente 𝑞𝑧 werden durch Biegung und Schub vom wirksamen Querschnitt bezüglich der 𝑦-Achse aufgenommen. Eine allfällige Normalkraft 𝑁𝑥 wird ebenfalls durch diesen Querschnitt aufgenommen. • Die Auswirkungen aus der Komponente 𝑞𝑦 werden direkt vom Dachblech in der Dachebene aufgenommen. • Der Einfluss aus Torsion und seitlicher Biegung auf den nicht gehaltenen Unterflansch wird ersetzt durch die Wirkung einer seitlichen Hilfskraft 𝑞ℎ auf einen entsprechenden Flansch. Dieser entsprechende Flansch (Bild 3.11c) besteht aus dem vollen Unterflansch und einem Steganteil von 0.27 h. Der Schubfluss 𝜐𝑥 im Schnittpunkt von Flansch und Steg berechnet sich wie folgt: 𝜐𝑥 =

𝑉𝑧 ⋅ 𝑆𝑓 𝐼y,eff

(3.4)

Wirkung aus Torsion und seitlicher Biegung

112

3 Pfetten und Fassaden-Unterkonstruktionen

𝑉𝑧 : Querkraft im betrachteten Querschnitt, 𝑆𝑓 : statisches Moment des entsprechenden Flansches bezüglich 𝑦-Achse, 𝐼y,eff : Trägheitsmoment des wirksamen Querschnittes bezüglich 𝑦-Achse. Die seitliche Biegung des Unterflansches erfolgt aus der Tatsache, dass der Schubfluss 𝜐𝑥 in einer Exzentrizität 𝑒 zur vertikalen Schwerachse des entsprechenden Steges wirkt. Die seitliche Hilfskraft 𝑞ℎ berechnet sich wie folgt: 𝑞ℎ =

𝑆𝑓 ⋅ 𝑒 𝐼y,eff

⋅ 𝑞𝑧 = 𝑘ℎ ⋅ 𝑞𝑧

(3.5)

𝑘ℎ : Koeffizient, abhängig von der Geometrie der Pfette und der Kraftrichtung der Einwirkung von 𝑞𝑧 ; der Eurocode 3, Teil 1-3 (Kap. 10.1.4) gibt Werte von 𝑘ℎ für gebräuchliche C- und Z-Querschnitte an. Der Querschnittsnachweis von dünnwandigen Pfettenprofilen besteht aus der elastischen Berechnung der Spannungen, welche der folgenden Gleichung genügen müssen (Querschnittsklasse 4 nach Norm SIA 263): 𝜎max,Ed =

𝑓𝑦 𝑁Ed 𝑀y,Ed + 𝑒𝑧 ⋅ 𝑁Ed 𝑀fz,Ed + 𝑒𝑦 ⋅ 𝑁Ed + + ≤ 𝑊eff ,y 𝑊fz 𝛾M1 𝐴eff

(3.6)

𝑁ed : 𝐴eff : 𝑀y,Ed :

Bemessungswert der Normalkraft, wirksamer Querschnitt der Pfette unter gleichmässigem Druck, Bemessungswert des Biegemomentes aufgrund der Lastkomponente in Stegrichtung (𝑞z,Ed ), 𝑊eff ,y : Widerstandmoment des wirksamen Querschnittes um die 𝑦-Achse, 𝑀fz,Ed : Bemessungswert des seitlichen Biegemomentes des entsprechenden nicht gehaltenen Flansches unter der Last 𝑞h,Ed , elastisches Widerstandsmoment des entsprechenden Flansches um die 𝑊fz : 𝑧-Achse, Verschiebung in 𝑧-Richtung des Schwerpunktes des wirksamen Quer𝑒𝑧 : schnitts gegenüber dem Vollquerschnitt 𝑒𝑦 : Verschiebung in 𝑦-Richtung des Schwerpunktes des wirksamen Querschnitts gegenüber dem Vollquerschnitt. Die berechneten Spannungen sind positiv unter Zug und negativ unter Druck. Das seitliche Biegemoment 𝑀fz,Ed verkörpert die Beanspruchung aus Torsion oder die seitliche Biegung des Profils; diese Auswirkung wirkt auf den entsprechenden nicht gehaltenen Unterflansch, welcher als elastisch gelagerter horizontaler Balken betrachtet wird. Sie ist abhängig vom statischen System der Pfette (einfacher Balken, Durchlaufträger), vom Nachweisquerschnitt (Feld, Auflager) und von der elastischen Federkonstante. Diese kann zu null gesetzt werden, wenn der nicht gehaltene Flansch auf Zug beansprucht ist. Der Eurocode 3, Teil 1-3 gibt die notwendigen Hinweise zur Berechnung dieses Momentes.

3.3 Fassaden-Unterkonstruktionen

Der Kippnachweis einer dünnwandigen Pfette wird durch den Nachweis des seitlichen Knickens des gedrückten Flansches ersetzt: 𝜎x,Ed =

𝑀fz,Ed 𝑓𝑦 1 𝑁Ed 𝑀y,Ed + ≤ [ ]+ 𝜒𝐾 𝐴eff 𝑊eff ,y 𝑊fz 𝛾M1

(3.7)

Der Abminderungsfaktor 𝜒𝐾 für Knicken des gedrückten und nicht gehaltenen Flansches ist durch die Knickkurven in Funktion von 𝜆𝐾 gegeben (TGC, Band 10, Kap. 6.6). Der Eurocode 3, Teil 1-3 enthält Formeln, welche erlauben, die Knicklängen 𝑙fz der entsprechenden gedrückten Gurte zu bestimmen.

3.2.7

Nachweis der Gebrauchstauglichkeit

Beim Gebrauchstauglichkeitsnachweis muss die Funktionstüchtigkeit der Pfetten unter Gebrauchslasten innerhalb der vorgesehenen Grenzen sichergestellt werden. Im Detail geht es darum, dass die Durchbiegungen eines bestimmten Lastfalles keine Schäden weder der Bedachung noch der Dichtigkeit hervorrufen. Diese Forderung als Bemessungskriterium ist häufig profilbestimmend. Ebenso darf eine häufige veränderliche Last (Schnee, Wind) einen bestimmten Grenzwert der Durchbiegung nicht überschreiten, z. B.: 𝑤30 = 𝑤(𝜓11 ⋅ 𝑞𝑘 ) ≤ 𝑤lim

(3.8)

Die Richtwerte der maximalen Durchbiegungen sind in der Norm SIA 260 aufgeführt. Für Decken und Träger z. B. (𝑙 freie Spannweite) gilt: 𝑤lim =

𝑙 350

(3.9)

In den Bemessungstafeln SZS C4 sind weitere für den Stahlbau relevante Verformungsgrenzen aufgeführt.

3.3 Fassaden-Unterkonstruktionen 3.3.1

Funktion der Fassaden-Unterkonstruktionen

Die Fassaden-Konstruktionen bestehen aus horizontalen und vertikalen Elementen, welche die Fassaden halten und Einwirkungen an die Haupttragkonstruktionen übertragen (Bild 3.12). Diese Konstruktionen sind im Wesentlichen durch Wind auf die Fassaden und Eigengewicht beansprucht. Sie bestehen im Allgemeinen aus Riegeln und Stützen. Riegel sind horizontal und durchlaufend vor den Rahmenstützen angeordnete Profile. Falls Riegel zwischen den Stützen, also unterbrochen angeordnet werden, sind es Fassaden-Querträger und einfache Balken. Fassaden-Zwischenstützen sind vertikale Elemente, welche zwischen den Rahmenstützen angeordnet werden. Zusätzlich zu der beschriebenen Tragfunktion können gewisse Fassaden-Unterkonstruktionen gleichzeitig als Teil von Windverbänden oder zur Stabilisierung

113

114

3 Pfetten und Fassaden-Unterkonstruktionen oberer Riegel

Verkleidung

allfällige Hänger Riegel Riegel

Rahmenstütze

(a) Fassadenriegel Traufpfette

Querträger Querträger

(b) Fassadenquerträger

Fassadenzwischenstütze Riegel Rahmenstütze

Riegel

(c) Riegel mit Fassadenzwischenstützen Traufpfette horizontal verlegtes Blech Rahmenstütze

Fassadenzwischenstütze

(d) Fassade ohne Riegel Bild 3.12 Fassaden-Konstruktionen.

3.3 Fassaden-Unterkonstruktionen 10 7

9

1

2 3

4

8

5 6

(a) Leichtbaufassade

(b) Verkleidung auf Riegel

(c) Verkleidung mit Isolation zwischen den Riegeln

1 Rahmenstütze

4 Befestigung mit Schrauben

8 Profilblech

2 innere Verkleidung

oder Nägeln 5 Befestigung mit Schrauben oder Nieten

9 Riegel

3 äussere Verkleidung

6 Isolation

10 Isolation mit

Dampfsperre 7 Dichtstreifen

Bild 3.13 Leichtbaukonstruktionen.

der Rahmenstützen in Fassadenebene dienen. Wenn die Fassaden-Konstruktion mit Kassettenprofilen oder Sandwichelementen ausgeführt wird, sind Riegel und Zwischenstützen nicht mehr zwingend erforderlich. Dieser Abschnitt betrifft Leichtbaukonstruktionen (Bild 3.13), Metallfassaden (Bild 3.14) oder Glasplatten (Bild 3.15). Schwere Fassaden mit vorfabrizierten Betonelementen oder Backsteinfassaden werden hier nicht behandelt, da diese in der Regel keine Sekundärkonstruktionen benötigen.

3.3.2

Zu betrachtende Lasten

Riegel und Zwischenstützen sind biegeweiche Träger, welche hauptsächlich senkrecht zur Fassade wirkende Windlasten aufnehmen (Druck und Sog) (Bild 3.16a). Sie sind in der Regel so angeordnet, dass die starke Achse parallel zur Fassade liegt. Zudem übernehmen sie ebenfalls ihr Eigengewicht und das Eigengewicht der Fassade. Sie sind somit zweiachsiger Biegung unterworfen. Ihre Befestigung muss deshalb so ausgelegt werden, dass sowohl horizontale wie vertikale Reaktionen abgetragen werden können.

115

116

3 Pfetten und Fassaden-Unterkonstruktionen

(a)

(b)

(c)

Bild 3.14 Elementfassaden.

(a)

(b)

Bild 3.15 Glasfassaden.

(a) Riegel

Eigengewicht der Kassettenprofile

(b) Kassettenprofile

Eigengewicht der Sandwichplatten Verbindung der Platten

Wind auf Fassade

Eigengewicht des Riegels

Gewicht der Verkleidung

Wind auf Fassade

Wind auf Fassade

Gewicht der Fassadenelemente

(c) Sandwichplatten

Bild 3.16 Beanspruchung von Riegelprofilen, Kassetten und Sandwichplatten.

Kassettenprofile (Bild 3.16b) und Sandwichelemente (Bild 3.16c) weisen eine grosse vertikale Biegesteifigkeit auf, zudem sind sie gegenseitig ineinandergefügt. Das hat zur Folge, dass die Spannungen aus den vertikalen Lasten klein (Eigengewicht) und im Allgemeinen vernachlässigbar sind. Man nimmt somit an, dass Fassaden-Konstruktionen in diesem Fall nur dem Wind (Druck und Sog) unter-

3.3 Fassaden-Unterkonstruktionen

worfen sind. Im Weiteren können zusammengesetzte Fassaden-Konstruktionen aus Verkleidungen, Kassetten oder Sandwichplatten mit profilierten Blechen als Scheibe wirken und in ihrer Ebene Windverbände ersetzen (Kap. 8). Zwischenstützen

Zwischenstützen sind vertikale Stäbe, welche aufgrund der horizontalen Einwirkungen aus Wind via Riegel und Fassadeneindeckungen auf Biegung beansprucht sind. Normalkräfte in den Stützen stammen aus dem Eigengewicht der Fassade sowie aus den Einwirkungen der Traufpfette, sofern diese auf der Stütze aufliegt. Um zu verhindern, dass die Fassaden-Zwischenstützen durch grössere Normalkräfte aus dem Dach beansprucht werden, müssen die Schraubenverbindungen zwischen Stütze und Traufpfette oder Giebelwandbinder mit vertikalen Langlöchern ausgeführt werden (Bild 3.12d), um so eine Vertikalverschiebung zu ermöglichen. Als Alternative müssen die auftretenden Normalkräfte in die Bemessung einbezogen werden.

3.3.3

Statische Systeme

Das statische System der Riegel ist im Allgemeinen ein Durchlaufträger. Mit diesem System werden die Durchbiegungen und die Kipplängen reduziert. Fassaden-Querträger zwischen den Stützen werden als einfache Balken angenommen. FassadenZwischenstützen von Hallen sind auf Biegung und Druck beanspruchte ZweigelenkTräger. Das Kippen dieser Elemente kann durch Riegel (oder Querträger), welche an einen Vertikalverband der Halle angeschlossen sind und dadurch ein festes Auflager bilden, verhindert werden. Bezüglich Biegung der Riegel um die horizontale (schwache) Achse können allfällige vertikale Hängestangen ein Zwischenauflager bilden. Die Bemerkungen über die Pfetten (Abschn. 3.2.3) bezüglich des statischen Systems und die Ausbildung von Montagestössen gelten sinngemäss für die Riegel.

3.3.4

Nachweis der Tragsicherheit

Riegel und Querträger

Riegel sind im Allgemeinen einfach symmetrische warm gewalzte oder kalt geformte C-, Z- oder L-Profile. Sie sind auf schiefe Biegung durch die gleichzeitige Wirkung von Wind (horizontal) und Eigengewicht (vertikal) beansprucht. Da die Verkleidung meistens am äusseren Flansch befestigt wird (Bild 3.16a), werden die Riegel auch durch Torsion beansprucht. Wenn die Biegung um die schwache Achse durch Anbringen von vertikalen Hängestangen reduziert wird, müssen die vertikalen Auflagerkräfte aller Riegel entweder durch den obersten Riegel oder die Traufpfette aufgenommen werden. Es gibt auch die Möglichkeit, die Summe dieser Auflagerkräfte mittels diagonal angeordneter Zugstangen in die Rahmenecken abzutragen. Der Nachweis der Tragsicherheit des Querschnittes geschieht in der Regel nach dem Verfahren EE. Die Interaktionsformel summiert alle elastischen Spannungen

117

118

3 Pfetten und Fassaden-Unterkonstruktionen

mit Berücksichtigung der Vorzeichen (Zug positiv, Druck negativ): 𝜎x,Ed =

𝑓𝑦 𝑁Ed 𝑀y,Ed 𝑀z,Ed + ≤ + 𝑊y,el 𝑊z,el 𝛾M1 𝐴

(3.10)

𝑀y,Ed : 𝑀z,Ed :

Bemessungswert des Biegemomentes aus Wind (horizontal), Bemessungswert des Biegemomentes aus Eigengewicht (vertikal), Bemessungswert der Normalkraft im Riegel (z. B. als Teil eines 𝑁x,ed : Windverbandes oder aus der Stabilisierung einer Stütze), 𝐴, 𝑊y,el , 𝑊z,el: Querschnittswerte des gewählten Profils. Für doppelsymmetrische warm gewalzte Profile kann das Verfahren EP angewendet werden. Die entsprechenden Formeln können der Norm SIA 263 entnommen werden (siehe auch: TGC, Band 10, Kap 5 und 6). Die Schlankheiten nach Tabelle 5 der Norm SIA 263 sind einzuhalten. Der Stabilitätsnachweis von Riegeln aus Doppel-T-Profilen geschieht nach Formel (51) der Norm SIA 263/2013; Knicken und Kippen aus der Ebene ist nicht verhindert. Kassettenprofile

Die Kassettenprofile bestehen aus dünnwandigen, kalt geformten Blechen; ihr Biegewiderstand wird im Allgemeinen mit einem elastischen Grenzwert von den Lieferanten angegeben. Weil diese Profile bezüglich der 𝑧-Achse nicht symmetrisch sind, ist das positive und negative Widerstandsmoment unterschiedlich. Es ist deshalb bezüglich Montageanordnung der Profile auf der Fassade Vorsicht geboten, im Besonderen aufgrund der Windeinwirkung (Druck oder Sog). Zwischenstützen

Die Zwischenstützen (Pendelstützen) sind durch die horizontalen Einwirkungen der angeschlossenen Riegel, Querträger und Kassettenprofile beansprucht. Sie sind deshalb insbesondere auf Biegung 𝑀𝑦 um die starke Achse und eine kleine Normalkraft 𝑁𝑥 beansprucht. Prinzipiell gibt es keine Biegung 𝑀𝑧 um die schwache Achse. Der Nachweis kann nach dem Verfahren EP erfolgen, sofern ein doppelsymmetrisches H-Profil vorliegt und die Schlankheitsbedingungen nach Tabelle 5 der Norm SIA 263 erfüllt sind. Der Querschnittsnachweis geschieht wie folgt: ⎡ 1 𝑀Ed ≤ 𝑀y,N,Rd = 𝑀y,Rd ⎢ 0.5𝐴−𝑏𝑡𝑓 ⎢ 1− 𝐴 ⎣

⎤ ⎥ (1 − 𝑁Ed ) ⎥ 𝑁Rd ⎦

(3.11)

Der Stabilitätsnachweis kann nach der Gl. (3.3) erfolgen. Diese Beziehungen können nur für Träger mit konstantem Profilquerschnitt angewendet werden. Profile mit variablem Querschnitt oder mit abschnittsweisen Lasten sind im Abschn. 7.4.3 behandelt.

3.4 Rechenbeispiele

3.3.5

Nachweis der Gebrauchstauglichkeit

Die Bemessung der Riegel und Zwischenstützen muss den Durchbiegungsgrenzen und Verschiebungen von Wänden, Rahmen und Stützen Rechnung tragen und auch die Funktion von Fenstern und Türen gewährleisten. Ebenso müssen die Anforderungen von Relativverschiebungen von an der Fassade befestigten Glaselementen berücksichtigt werden. Die horizontale Deformation von Riegel, Querträgern und Zwischenstützen berechnen sich aus der Bemessungslast von Wind (Norm SIA 260 und SIA 261). Die Gebrauchsgrenze ist definiert durch ℎ∕200 (ℎ: Geschosshöhe). Die vertikale Durchbiegung dieser Teile berechnet sich aus der Bemessungslast aus Eigengewicht von Profil und Fassade (ständige oder quasiständige Last). Die Gebrauchsgrenze ist definiert durch ℎ∕250. Für grössere Deformationen kann man Aufhängestangen (z. B. in Trägermitte) vorsehen und ein zusätzliches Auflager schaffen. Eine Überhöhung der Profile ist auch denkbar. In den Bemessungstafeln SZS C4 sind weitere für den Stahlbau relevante Verformungsgrenzen aufgeführt.

3.4 Rechenbeispiele 3.4.1

Bemessung einer Pfette

Vorgaben

Es handelt sich um eine Industriehalle mit Giebeldach mit einer Dachneigung von je 9.5° aus Rahmen im Abstand von 6.0 m und Pfetten im Abstand von 1.9 m (Bild 2.68). Statische Systeme

Senkrecht zur Dachebene sind alle Pfetten Durchlaufträger mit einer Spannweite von 6.0 m. In der Dachebene sind drei Varianten denkbar: 1. Zusätzlich zur Auflage auf den Bindern werden in Querrichtung alle 2 m Zugstangen angeordnet (zwei Zugstangen pro Feld), 2. wie Punkt 1, aber ohne Zugstangen, 3. seitliche Halterung der Pfetten durch eine Scheibe aus Profilblechen. Die Varianten 1 und 2 werden nachfolgend behandelt. Im Weiteren werden folgende Annahmen getroffen: Das Tragblech verhindert die Torsion aufgrund der exzentrischen Einwirkungen sowie das Kippen der Pfetten (Vorsicht bei Sogkräften, wo der gedrückte Untergurt seitlich nicht gehalten ist). Charakteristische Werte der zu betrachtenden Einwirkungen

Eigengewicht der Durchlaufpfetten (IPE 160): 𝑔𝑎 = 0.16 kN∕m. Eigengewicht der Dacheindeckung total: 500 N/m2 , ergibt eine Linienlast von 𝑔fin = 0.5 kN∕m2 ⋅ 1.9 m = 0.95 kN∕m

119

120

3 Pfetten und Fassaden-Unterkonstruktionen qk,s q k,w

y

gfin

ga

z

Bild 3.17 Einwirkungen auf die Pfetten.

Die lotrecht wirkende Schneelast: 𝑞k,s = 1.26 kN∕m2 ergibt eine senkrecht auf die Pfetten wirkende Linienlast von: 𝑞k,s,z = 1.26 kN∕m2 ⋅ 1.9 m ⋅ cos 9.5◦ = 2.36 kN∕m. Der maximale Windsog senkrecht zur Dachfläche: 𝑞𝑘 = −1.07 kN∕m2 , ergibt eine senkrecht auf die Pfetten wirkende Linienlast von: 𝑞k,w = −1.07 kN∕m2 1.9 m = −2.03 kN∕m Infolge der Dachneigung werden die Pfetten auf zweiachsige Biegung beansprucht (Bild 3.17). Biegung um die 𝑦-Achse ergeben: 𝑔𝑎 cos 𝛽, 𝑔fin cos 𝛽, 𝑞k,s cos 𝛽, 𝑞k,w Biegung um die 𝑧-Achse ergeben: 𝑔𝑎 sin 𝛽, 𝑔fin sin 𝛽, 𝑞k,s sin 𝛽 Gefährdungsbilder und Lastfälle

Es werden zwei Gefährdungsbilder betrachtet (Grenzzustand Typ 2; Norm SIA 260, Tabelle 1): Nr. 1: Leiteinwirkung Schnee mit dem entsprechenden Lastfall: 𝐸𝑑 = 𝐸{𝛾𝐺 (𝑔𝑎 + 𝑔fin ) + 𝛾𝑄 𝑞k,s } Nr. 2: Leiteinwirkung Windsog 𝐸𝑑 = 𝐸{𝛾G,inf (𝑔𝑎 + 𝑔fin ) + 𝛾𝑄 𝑞k,w } Rechenwerte und Auswirkungen

Wir wählen eine plastische Bemessung der Auswirkungen: Gefährdungsbild Nr. 1: Leiteinwirkung Schnee • Um die starke Achse (Bild 3.18a): 𝑞y,Ed = 1.35(0.16 kN∕m + 0.95 kN∕m) cos 9.5◦ + 1.50 ⋅ 2.36 kN∕m ⋅ cos 9.5◦ = 5.0 kN∕m 𝑀y,Ed =

𝑞y,Ed 𝑙𝑦2 16

=

5.0 kN∕m ⋅ (6 m)2 = 11.3 kN m 16

3.4 Rechenbeispiele qy,Ed qy,Ed l y2 16

qy,Ed l y2 16

ly = 6.0 m

(a) um die starke Achse qz,Ed qz,Ed l z2 16

qz,Ed l z2 16

l z = 2.0 m

(b) um die schwache Achse (mit Zugbändern) Bild 3.18 Statisches System und Momentenlinien.

• Um die schwache Achse, Variante 1 mit Zugstangen (Bild 3.18b): 𝑞z,Ed = 1.35(0.16 kN∕m + 0.95 kN∕m) sin 9.5◦ + 1.50 ⋅ 2.36 kN∕m ⋅ sin 9.5◦ = 0.83 kN∕m 𝑀z,Ed =

𝑞z,Ed 𝑙𝑧2 0.83 kN∕m ⋅ (2 m)2 = = 0.21 kN m 16 16

• Um die schwache Achse, Variante 2, ohne Zugbänder: 𝑀z,Ed =

0.83 kN∕m ⋅ (6 m)2 = 1.9 kN m 16

Gefährdungsbild Nr. 2: Leiteinwirkung Windsog • Um die starke Achse (Eigengewicht günstig wirkend): 𝑞y,Ed = 0.80 ⋅ (0.16 kN∕m + 0.95 kN∕m) cos 9.5◦ + 1.50(−2.03 kN∕m) = −2.17 kN∕m 𝑀y,Ed =

𝑞z,Ed 𝑙𝑦2 16

=

2.17 kN∕m ⋅ (6 m)2 = −4.88 kN m 16

• Um die schwache Achse, mit Zugstangen (Eigengewicht ungünstig wirkend): 𝑞z,Ed = 1.35 ⋅ (0.16 kN∕m + 0.95 kN∕m) sin 9.5◦ = 0.25 kN∕m 𝑀z,Ed =

0.25 kN∕m ⋅ (2 m)2 = 0.06 kN∕m 16

121

122

3 Pfetten und Fassaden-Unterkonstruktionen

• Um die schwache Achse, ohne Zugstangen: 𝑀z,Ed =

0.25 kN∕m ⋅ (6 m)2 = 0.56 kN∕m 16

Das Gefährdungsbild Nr. 1 ist massgebend.

Tragsicherheit Der Nachweis der Tragsicherheit erfolgt nach dem Verfahren plastisch-plastisch (PP). Der Querschnitt ist durch zweiachsige Biegung beansprucht (Interaktion 𝑀y,Ed −𝑀z,Ed ) und der Nachweis der Pfette IPE 160 geschieht nach der Norm SIA 263, Formel (48): 𝛽

2

(

𝑀y,Ed 𝑀z,Ed ) +( ) ≤ 1.0 𝑀y,N,Rd 𝑀z,N,Rd

𝛽 = 1.1 da 𝑁Ed = 0 ist. • Nachweis mit Zugstangen: 𝑀y,N,Rd = 𝑀y,Rd = 𝑓𝑦 𝑊y,pl ∕𝛾𝑎 = 235 N∕mm2 ⋅ 124 ⋅ 103 mm3 ∕1.05 = 27.8 ⋅ 106 N mm = 27.8 kN m 𝑀z,N,Rd = 𝑀z,Rd = 𝑓𝑦 𝑊z,pl ∕𝛾𝑎 = 235 N∕mm2 ⋅ 26.1 ⋅ 103 mm3 ∕1.05 = 5.8 ⋅ 106 N mm = 5.8 kN m 2

(

0.21 kN m 11.3 kN m ) +( ) 27.8 kN m 5.8 kN m

1.1

= 0.19 < 1.0

Der Nachweis gelingt auch mit einem IPE 120 (0.81 < 1.0). • Nachweis ohne Zugstangen: 2

(

1.9 kN m 11.3 kN m ) +( ) 27.8 kN m 5.8 kN m

1.1

= 0.46 < 1.0

Der Nachweis gelingt auch mit einem IPE 140 (0.74 < 1.0). Das IPE 120 mit zwei Zugbändern ist die leichteste Lösung. Beim Wegfall der Zugbänder erhält man ein leicht schwereres Profil (IPE 140). Wir wählen das IPE 140. In den Randfeldern wird die Gebrauchstauglichkeit massgebend sein; dort sehen wir ein HEB 140 vor, ein stärkeres Profil mit der gleichen Höhe wie das IPE 140.

Gebrauchstauglichkeit Es geht darum, die maximale vertikale Durchbiegung im Randfeld der Pfette HEB 140 unter ständigen Lasten nachzuweisen.

3.4 Rechenbeispiele

Durchbiegung aus Eigengewicht der Pfette (HEB 140) 𝑔𝑎 = 0.34 kN∕m und der Dacheindeckung 𝑔fin = 0.95 kN∕m • Um die starke Achse: 𝑤 ′ (𝑔𝑘 ) =

2.5(𝑔𝑎 + 𝑔fin ) cos 𝛽𝑙𝑦4 384𝐸𝐼𝑦

2.5(0.34 + 0.95) N∕mm ⋅ cos 9.5◦ ⋅ (6000 mm)4 = = 3.4 mm 384 ⋅ 210 000 N∕mm2 ⋅ 15.1 ⋅ 106 mm4 • Um die schwache Achse (ohne Zugstangen im Feld): 𝑤 ′′ (𝑔𝑘 ) =

2.5(𝑔𝑎 + 𝑔fin ) sin 𝛽𝑙𝑧4

384𝐸𝐼𝑧 2.5(0.34 + 0.95) N∕mm ⋅ sin 9.5◦ ⋅ (6000 mm)4 = = 1.6 mm 384 ⋅ 210 000 N∕mm2 ⋅ 5.5 ⋅ 106 mm4

• Vektorielle Addition: √ √ 𝑤(𝑔𝑘 ) = [𝑤 ′ (𝑔𝑘 )]2 + [𝑤 ′′ (𝑔𝑘 )]2 = (3.4 mm)2 + (1.6 mm)2 = 3.8 mm

Durchbiegung aus Schneelast (veränderliche Einwirkung) • Um die starke Achse: 𝑤 ′ (𝑔k,s ) = =

2.5𝜓1 𝑞k,s cos 𝛽𝑙𝑦4 384𝐸𝐼𝑦 ) ( 250 ⋅ 2.36 N∕mm ⋅ cos 9.5◦ ⋅ (6000 mm)4 2.5 ⋅ 1 − 600

384 ⋅ 210 000 N∕mm2 ⋅ 15.1 ⋅ 106 mm4

= 3.6 mm

• Um die schwache Achse (ohne Zugstangen im Feld): 𝑤 ′′ (𝑔k,s ) = =

2.5𝜓1 𝑞k,s sin 𝛽𝑙𝑧4 384𝐸𝐼𝑧 ) ( 250 ⋅ 2.36 N∕mm ⋅ sin 9.5◦ ⋅ (6000 mm)4 2.5 ⋅ 1 − 600

384 ⋅ 210 000 N∕mm2 ⋅ 5.50 ⋅ 106 mm4

= 1.7 mm

• Vektorielle Addition: √ √ 𝑤(𝑞k,s ) = [𝑤 ′ (𝑞k,s )]2 + [𝑤 ′′ (𝑞k,s )]2 = (3.6 mm)2 + (1.7 mm)2 = 4.0 mm

123

124

3 Pfetten und Fassaden-Unterkonstruktionen

Nachweise • Häufiger Lastfall, Funktionstüchtigkeit: 𝑤 = 𝑤(𝑔𝑘 ) + 𝑤(𝜓1 𝑞k,s ) = 3.8 mm + 4.0 mm = 7.8 mm
1.0 11.7 kN m 4.3 kN m Das Profil IPE140 genügt knapp nicht als Riegel. Es muss ein IPE 160 vorgesehen werden. Da der Lastfall Windsog allein massgebend ist, braucht man keine weiteren Nachweise zu führen.

Gebrauchstauglichkeit Es geht darum, die horizontalen und vertikalen Durchbiegungen des Randfeldes unter ständigen und häufigen Einwirkungen nachzuweisen. Dabei ist für das IPE 160 𝑔𝑎 = 0.16 kN∕m einzusetzen. Durchbiegung unter ständigen Lasten • Um die starke Achse (horizontal): 𝑤 ′ (𝑔𝑘 ) = 0

3.4 Rechenbeispiele

• Um die schwache Achse (vertikal): 𝑤 ′′ (𝑔𝑘 ) = =

𝑙4 2.5 (𝑔𝑎 + 𝑔fin ) 𝑧 384 𝐸𝐼𝑧 (6000 mm)4 2.5 (0.16 N∕mm + 0.28 N∕mm) 384 210 ⋅ 103 N∕mm2 ⋅ 0.683 ⋅ 106 mm3

= 25.9 mm Durchbiegung unter Windlasten; der Winddruck ist massgebend. • Um die starke Achse (horizontal): 2.5 𝑞k,pr 𝑙𝑦 384 𝐸𝐼𝑦

4

𝑤 ′ (𝑞k,pr ) = =

1.86 ⋅ (6000 mm)4 2.5 = 8.6 mm ⋅ 384 210 ⋅ 103 N∕mm2 ⋅ 8.69 ⋅ 106 mm3

• Um die schwache Achse (vertikal): 𝑤 ′′ (𝑞k,pr ) = 0 Nachweise • Häufige Lasten, Funktionstüchtigkeit horizontale Durchbiegung um die starke Achse: 𝑤 = 𝑤(𝜓1𝑞k,pr ) ≤

𝑙 350

𝑤 = 0.5 ⋅ 8.6 mm = 4.3 mm
4.2𝑡𝑤 𝑓𝑦 𝑀Rd : 𝐼𝑦 : 𝐴𝑓 : 𝐴𝑤 : 𝑊pl,y : 𝑉o,Rd :

ℎ𝑜 ℎ𝑤

(5.39)

)] (5.40a)

ist 𝜒2 = 1.0

(5.40b)

ist 𝜒2 = 1.126 − 0.03

𝑙𝑜 𝑡𝑤



𝑓𝑦 𝐸

(5.40c)

Biegewiderstand des Vollquerschnittes gemäss Querschnittsklasse, Trägheitsmoment des Vollquerschnittes um die starke Achse, Fläche eines Flansches (symmetrischer Querschnitt), Stegquerschnitt ohne Öffnung, plastisches Widerstandsmoment des Vollquerschnittes, Wert gemäss Gl. (5.31).

Runde Öffnungen

Der Rechenwert des Biegewiderstandes im Bereich der Öffnung ist durch folgende Beziehung gegeben (Bezeichnungen gemäss Bild 5.14): 𝑀o,Rd = 𝑀Rd [1 −

mit 𝜒1 =

𝑉Ed 𝑡𝑤 (0.9𝐷𝑜 + 2𝑒)3 − 𝜒1 ] 12𝐼𝑦 𝑉0,𝑅𝑑

2 [1 + 1.35 (0.7 − 0.9 0.25𝑡𝑤 ℎ𝑤

𝑊pl,y

𝐷𝑜 ℎ𝑤

)

𝐷𝑜 ℎ𝑤

(5.41) ] (5.42)

187

188

5 Haupt- und Deckenträger

b

l0

(a)

d

(b)

(c)

(e)

(d)

(d)

(e)

Bild 5.15 Verstärkungen von Stegöffnungen.

5.4.3

Verstärkungen

Um die Schwächung einer Stegöffnung zu reduzieren, kann es notwendig sein, diese mit horizontalen oder vertikalen Flacheisen zu verstärken (Bild 5.15). Die Rippen können einseitig des Steges angeordnet sein (Bild 5.15b) und ihre Querschnittsfläche darf nicht kleiner als 0.1𝐴𝑤 sein. Bei grossen Öffnungen kann es wirtschaftlich vorteilhaft sein, horizontale Steifen anzuordnen (Bild 5.15c), um die Grenztragfähigkeit der Interaktion von Biegung und Querkraft zu erhöhen. Es ist auch möglich, die Stegverstärkung durch ein- oder beidseitig an den Steg geschweisste Bleche (Bild 5.15d) oder durch eingeschweisste Rohrstücke (Bild 5.15e) auszuführen. Die Reduktionsfaktoren des Schubwiderstandes und des Biegewiderstandes von Vollquerschnitten befinden sich im SCI_P355 (Steel Construction Institute, UK) [1]. Die geometrischen Randbedingungen von Gl. (5.29) gelten auch für gelochte Träger mit Verstärkungen.

5.4.4

Berechnung der Durchbiegungen

Für Träger in Gebäuden mit der Querschnittsklasse 1–3 und mit Stegöffnungen wird die Durchbiegung wie folgt bestimmt: 𝑤tot = 𝑤 + 𝑤𝑣 𝑤𝑣 = (𝑤vM + 𝑤vV )𝛼𝑠

(5.43)

5.5 Stahl-Beton-Verbundträger

189

𝑤: 𝑤𝑣 :

Durchbiegung des Vollquerschnittes, zusätzliche Durchbiegung aus der Wirkung eines Rahmenträgers (Vierendeel), 𝑤vM : Anteil der zusätzlichen Durchbiegung aus Momenteneinfluss, 𝑤vV : Anteil der zusätzlichen Durchbiegung aus Querkrafteinfluss, Koeffizient zur Berücksichtigung der geometrischen Lage der Öffnung 𝛼𝑠 : (siehe SCI P355 [1]).

5.5 Stahl-Beton-Verbundträger 5.5.1

Einführung

Bei einer Betondecke auf Stahlträgern kann es vorteilhaft sein, die Decke für die Biegesteifigkeit der Träger beizuziehen. Dafür braucht es zwischen Decke und Träger eine geeignete Verbindung, um die gegenseitige Verschiebung der beiden Bauelemente zu verhindern. Damit stellen wir einen Verbundträger her (Bild 5.16), wie er in der Folge für Tragelemente aus den Materialien Stahl und Beton beschrieben wird. Bei den Bezeichnungen brauchen wir für konstruktiven Stahl den Index 𝑎, für Beton den Index 𝑐, für die Armierung den Index s und für den Verbundquerschnitt den Index 𝑏. Im Abschn. 4.7 des TGC 10 sind die Grundsätze von Verbundquerschnitten und die Bemessung von Querschnittswerten mit Zahlenbeispielen und im Abschn. 5.8 desselben Buches die Verbundträger im Speziellen behandelt. In der Folge werden charakteristische Querschnittswerte und die Grenztragfähigkeit auf Biegung besprochen. Hinweise und Tabellen zu Slim-Floor-Decken befinden sich in den VerbundbauBemessungstabellen C 1/12 des SZS im Kap. 4. Die Vergrösserung des Widerstandes und der Steifigkeit, welche vom Verhältnis des Profiltyps (Abmessungen) und der Dicke der Betonplatte abhängt, kann bei Mitwirkung der Decke bezüglich Biegung ungefähr einen Faktor von 1.25–10 aufweisen. Bild 5.17 zeigt einige Beispiele des Verhältnisses der plastischen Widerstandmomente 𝑊pla ∕𝑊plb sowie der Trägheitsmomente 𝐼𝑎 ∕𝐼𝑏 für IPE-Profile in Funktion zur Deckenstärke ℎ𝑐 . Die Verbundbau Bemessungstafeln C 1/12 des SZS enthalten Stahlbeton-Platte

A

Kopfbolzendübel

Stütze

Kopfbolzendübel

Bewehrung hc

StahlbetonPlatte A

gelenkiger Anschluss

Stahlträger

Ansicht

Bild 5.16 Stahl-Beton-Verbundträger.

biegesteifer Anschluss

Schnitt A-A

Stahlträger

ha

190

5 Haupt- und Deckenträger Ia Ib

Wpla Wplb 1.0

1.0 beff = b + 15h c

beff = b + 15hc

hc

0.8 npl = IP E5 IP 50 E4 IP 50 E3 IP 60 E3 0 IPE 0 240 IPE 200

0.6

0.4

fyd = 16 0.85fcd

IPE

n el = Ea / Ec = 13

0.6 600

IPE 50 IPE 0 400 IPE 33 IPE 0 270 IPE 220

40

IP E 5 IP 50 E 45 0 IP E3 IP 60 E3 0 IPE 0 240 IPE 200

0.4

0.2

0.2

0

hc

0.8

80

120

160

(a) plastische Widerstandsmomente

h c [mm] 200

0

40

80

120

IPE 6 IPE 00 500 IPE 40 I PE 0 33 IPE 0 27 IPE 0 220

160

200

hc [mm]

(b) Trägheitsmomente

Bild 5.17 Vergrösserung des Widerstandes und der Steifigkeit von Trägern aufgrund der Verbundwirkung.

umfassende Querschnittswerte für die Biegewiderstände 𝑀plb,Rd und die Trägheitsmomente 𝐼𝑏 für IPE- und HE-Profile bezüglich den entsprechenden Parameter. Aus dem Zusammenwirken von Stahl und Beton bei gleichen Lasten ergeben sich einerseits eine spürbare Abminderung der Durchbiegungen sowie eine Verkleinerung der Stahlquerschnitte oder beides, was zu wirtschaftlicheren Stahlgewichten, zu weniger hohen Deckenkonstruktionen oder zu mehr Freiraum für die Leitungsführung unter der Trägerlage führt. Der Vergleich in Tabelle 5.4 illustriert für einen konkreten Fall die Vorteile der Plattendicke einerseits bezüglich Verbundmittel und andererseits bezüglich plastischem Tragverhalten. Es handelt sich um einen einfachen Balken mit 7.5 m Spannweite, der durch ständige Lasten (Eigengewicht Stahlträger und Betonplatte 𝑔𝑎 + 𝑔𝑐 , Bodenbelag und Beschichtungen 𝑔fin ) sowie Nutzlasten 𝑞𝑘 ohne Spriessung während dem Betoniervorgang beansprucht ist. Die Platte mit der konstanten Dicke ℎ𝑐 = 140 mm ist nach anderen Kriterien dimensioniert (Tragfähigkeit quer zu den Trägern und Schallschutz). Die Betonqualität ist C 25/30 (𝑓ck = 25 N∕mm2 ) und die Stahlsorte S235 (𝑓𝑦 = 235 N∕mm2 ). Um den Vergleich zu vereinfachen, wurden Walzprofile der Serie IPE gewählt. Der Extremfall zeigt, dass bei vollständiger Verdübelung eine Gewichtseinsparung des Trägers von 45 % und eine Reduktion der Bauhöhe von 130 mm resultieren

5.5 Stahl-Beton-Verbundträger

191

Tab. 5.4 Beispiel des Einflusses eines Verbundträgers und der Bemessungsmethode auf einen Biegeträger. Vorgaben qk = 4 kN/m 2 gfin =1 kN/m 2 140

ga + gc hc = 140 mm

h 7500

2500 Vergleichswerte

Ohne Verbund Plastische Berechnung

Höhe h [mm]

540

Mit Verbund Elastische Berechnung

500

Plastische Berechnung Verbund: 40% Verbund: 100%

440

410

IPE 400

IPE 360

IPE 270

IPE 300

Profileigengewicht [kg/m]

66.3

57.1

36.1

42.2

Gesamtanzahl der Dübel (ø 19 mm)



13

25

12

10

12

33

24



6

7

7

8

3

6

10

Profiltyp

Durchbiegung aus ständigen Lasten [mm] Durchbiegung infolge Schwinden ( cs, = 0.35 · 10 –3) [mm] Durchbiegung aus Nutzlast [mm]

kann. Allerdings wird dieser Vorteil durch die grössere Anzahl der erforderlichen Dübel (25 statt 13) etwas wettgemacht. Die Reduktion auf zwölf Dübel kann durch eine teilweise Verdübelung erfolgen (Abschn. 5.5.5), allerdings mit dem Vorbehalt eines leicht höheren und schwereren Trägers.

5.5.2

Querschnittswiderstand

Die Berechnung des Biegewiderstandes von Verbundträgern in Gebäuden ist im Abschn. 4.7.4 des TGC 10 behandelt worden. Wir werden hier nicht darauf zurückkommen. Um allerdings den Gebrauch des vorliegenden Buches zu vereinfachen, werden die Tabellen mit den Gleichungen und Kennwerten der elastischen Berechnung (Tabelle 5.5) und der plastischen Berechnung von Verbundträgern (Tabelle 5.6) aufgeführt. Die mitwirkende Breite 𝑏eff der Platte ist im Abschn. 5.8.2 des TGC 10 definiert.

192

5 Haupt- und Deckenträger

Tab. 5.5 Elastische Kennwerte eines Verbundquerschnittes. beff As

x

zs

tf

b

zb

Im Feld

( h − za

za im Feld

− hc

)

A hc < c n el 2

zb = h −

n el A a b eff

I b = Ia + Aa Im Stahlträger: Aa

( h − za

Ab = Aa +

Über dem Auflager

− hc

Ac nel

)

A hc ≥ c n el 2

zb =

1 Ac Aa + n el

I b = Ia + Aa

zb =

1 +

( za

1 +

− zb ) 2 +

Aa za +

1 ( Aa za + As zs Aa + As

)2

2 b eff

(h

n el A a

1 b eff 3 n el

Ac n el

( h − za ) 2 +

I b = I a + Aa ( z a − z b

5.5.3

h

ha

Lage der Neutralachse und Trägheitsmoment des Querschnittes

In der Betonplatte:

Aa

zb

tw

über dem Auflager Querschnitt Neutralachse

hc e

h −

(h −

− za

)

z b )3

hc 2

1 Ac 2 h c − Ab 3 n el

( h − zb ) 2

)

+ As ( z b − z s

)2

Tragverhalten von Verbundträgern

Die Einwirkungen bei Verbundträgern sind grundsätzlich dieselben wie bei Stahlträgern im Abschn. 5.3.1. Der Unterschied ergibt sich aufgrund der Bauweise. Man unterscheidet zwei verschiedene Zustände: • den Bauzustand (ohne Mitwirkung der Betondecke), • den Endzustand (Träger und Decke sind verbunden). Tabelle 5.7 veranschaulicht die Entwicklung der Tragstruktur, das statische System, den wirksamen Querschnitt und die auf die beiden Zustände anwendbaren Lasten und Reaktionen. Folgende Lasten und Reaktionen sind zu berücksichtigen: • Eigengewicht: Stahlträger, armierte Betonplatte oder die Blechverbund-Decke; • Lasten im Bauzustand: Schalung, konzentrierte Betonlagerungen, Gewicht der Arbeiter, Installationen für das Betonieren; • allfälliges Lagergut; • Reaktionen der Spriessungen;

5.5 Stahl-Beton-Verbundträger

193

Tab. 5.6 Plastische Kennwerte eines Verbundquerschnittes. beff As

x

zb

tw

über dem Auflager Querschnitt Im Feld

Neutralachse In der Betonplatte:

Im Oberflansch:

Im Steg:

Über dem Auflager

tf

b

zs

Im Oberflansch:

Im Steg:

hc e zb zc

h ha

za im Feld

Lage der Neutralachse und plastische Widerstandsmomente des Querschnittes

194

5 Haupt- und Deckenträger

Tab. 5.7 Entwicklung der Tragstruktur und des statischen Systems eines Verbundträgers. Tragstruktur, statisches System des Trägers

wirksamer Querschnitt

Einwirkungen und Reaktionen

• Profil (Eigengewicht)

Montagezustand

Profil

Konstruktionslast; Montagelasten

Frischbeton

allfällige Spriessungen

Schalung

• Profil • Schalung • Frischbeton • Konstruktionslast; Montagelasten

ausgehärteter Beton

• Profil • ausgehärteter Beton • Reaktion der Spriesse

Endzustand

Absenken der Spriesse

Nutzlast

Reaktion

Unterlagsboden

abgehängte Decke

Zwischenwand

• ständige Lasten • Nutzlast - LangzeitEinwirkung (Nutzlast) - KurzzeitEinwirkung (Nutzlast) • indirekte Lasten

• ständige Einwirkungen: Isolation, Unterlagsboden, Bodenabdeckungen, Zwischenwände, abgehängte Decken, Haustechnikleitungen; • veränderliche Einwirkungen: Langzeiteinwirkungen (Mobiliar, Maschinen), Kurzzeiteinwirkungen (Personen, Fahrzeuge), Schnee; • indirekte Einwirkungen: Schwinden, Kriechen, Temperatur, Vorspannung.

5.5 Stahl-Beton-Verbundträger

Bauzustand

Der Bauzustand beinhaltet alle Phasen, bevor der Beton der Deckenplatte ausgehärtet ist. Der Bauzustand ist dadurch gekennzeichnet, dass die Tragfähigkeit einzig und allein durch den Stahlträger gewährleistet wird (Tabelle 5.7). Das statische System ist durch die Stahlkonstruktion ohne Verbindung mit dem Beton gegeben. Falls die Träger abgespriesst werden, sind die Spriessungen zusätzliche Auflager im statischen System. In diesem Zustand sind Tragsicherheits- und Gebrauchstauglichkeitsnachweise analog zu führen, wie sie in Abschn. 5.3 für Walzprofile und Blechträger beschrieben sind. Das gewählte Nachweisverfahren ist in der Regel EE (elastisch-elastisch) gemäss Norm SIA 263. Die zu erfüllenden Schlankheitskriterien für die Querschnitte sind somit weniger streng als beim Verfahren EP. Die Norm SIA 263 gibt für die Querschnittsklasse 3 von doppelsymmetrischen Querschnitten folgende Schlankheitskriterien (siehe auch Abschn. 5.3.5): √ 235 𝑐 ≤ 14 (𝑓𝑦 in N∕mm2 ) (5.44) Gleichmässig gedrückter Flansch: 𝑡𝑓 𝑓𝑦 √ 𝑏𝑤 235 Steg unter reiner Biegung: ≤ 124 (𝑓𝑦 in N∕mm2 ) (5.45) 𝑡𝑤 𝑓𝑦 𝑐: freie Flanschhälfte, 𝑏𝑤 : freie Steghöhe. (Siehe dazu auch die Bilder in Norm SIA 263, Tabelle 5.) Bei noch nicht ausgehärteter Betonplatte sind die Bodenträger seitlich nicht gehalten. Im Fall der Ausführung mit einem Profilblech als verlorene Schalung können die Bleche die Funktion der seitlichen Halterung übernehmen, sofern sie ausreichend mit Schrauben oder Nieten auf den Trägern befestigt sind (siehe Abschn. 8.4). Eine Holzschalung muss eine genügende Steifigkeit und angemessene Befestigung an die Stahlträger aufweisen, um diese seitlich halten zu können. Andererseits entspricht die Kipplänge 𝑙𝐷 der Träger der Distanz der Momentennullpunkte (Spannweite eines einfachen Balkens). Diese Länge darf nicht grösser sein als 1.1 ⋅ 𝑙cr (Verfahren EE); 𝑙cr ist die kritische Kipplänge nach Norm SIA 263 (siehe auch Abschn. 5.3.5). Ansonsten muss ein Kippnachweis geführt werden oder es müssen provisorische seitliche Halterungen vorgesehen werden. Die Hauptträger werden durch die Deckenträger und an den Auflagerpunkten als seitlich gehalten betrachtet. Die Kipplänge darf hier bei Anwendung des Verfahrens EE auch nicht grösser als 1.1 ⋅ 𝑙cr sein. Für den Tragfähigkeitsnachweis des Bauzustandes wird das Gewicht des frisch eingebrachten Betons selten massgebend sein. Effektiv wird er in der Regel als Begleiteinwirkung mit dem Wert des gleichmässig verteilten Eigengewichtes der theoretischen Betonstärke betrachtet. Die massgebende Last wird durch die Installationslasten während des Betoniervorgangs gebildet. Konkret handelt es sich um die temporäre Anhäufung von Beton, die Bauarbeiter und allfällige Bauinstallationen

195

196

5 Haupt- und Deckenträger

(Kübel, Wagen usw.). Als charakteristische Last kann dafür eine gleichmässig verteilte Last von 1 kN/m2 angenommen werden (Eurocode 1, Teil 1-6). Es müssen die erforderlichen Massnahmen getroffen werden, damit die rechnerisch vorgesehene Betonmenge nicht überschritten wird (Kontrolle der Durchbiegung der Schalung, Kontrolle der Spriessungen, Instruktionen an die ausführenden Personen usw.). Falls keine Installationslasten oder spezielle Massnahmen beim Betonieren vorgesehen sind, empfiehlt es sich, den frisch eingebrachten Beton als massgebende Einwirkung anzunehmen. Eine Massnahme, um wesentliche vertikale Deformationen zu vermeiden und damit unzulässige Betonmengen einzubringen, besteht im rechnerischen Nachweis der Durchbiegung des Stützträgers im Bauzustand. Es geht somit um den Gebrauchstauglichkeitsnachweis. Als andere Massnahme kann der Träger so überhöht werden, dass er im Endzustand horizontal ist. Eine Zwischenspriessung ist auch eine Lösung, welche allerdings den Baufortschritt in den unteren Geschossen des Bauwerkes beeinträchtigt. Endzustand

Sobald der Beton erhärtet ist und eine genügende Druckfestigkeit aufweist, ist die tragende Verbundwirkung gewährleistet. Im Falle einer Unterspriessung des Stahlträgers muss der Verbundträger die Auflagerreaktionen aus der Entfernung der Spriessung und weitere quasiständige Lasten (nichttragende Bauteile, Unterlagsboden, Zwischenwände, abgehängte Decken usw.) sowie die Nutzlasten aufnehmen. Die Langzeiteinwirkungen wirken also auf den Verbundträger; die Wirkung des Schwindens des Betons hat in gewissen Fällen einen nicht zu vernachlässigenden Einfluss auf die Durchbiegungen. Wenn der Stahlträger beim Betonieren nicht abgespriesst ist, übernimmt der Verbundträger nur die zusätzlichen, quasiständigen Lasten und die Nutzlasten. In diesem Fall ist der Einfluss des Schwindens weniger gross, da er nur aus einem Teil der Langfristeinwirkungen kommt. Das statische System des Endzustandes kann aus zwei Gründen unterschiedlich zum Bauzustand sein. Auf der einen Seite sind die allfälligen Abspriessungen entfernt und damit sind die freien Spannweiten jetzt definitiv. Auf der anderen Seite verändert die armierte Betondecke die Steifigkeit und den Widerstand bei den Auflagern der Stahlträger: • Falls die Anschlüsse des Stahlträgers im Bauzustand als gelenkig angenommen wurden (Bild 5.16, linkes Auflager), bewirkt die Mitwirkung der Deckenarmierung eine teilweise Einspannung im Endzustand. • Falls die Anschlüsse des Stahlträgers im Bauzustand als biegesteif angenommen wurden (Bild 5.16, rechtes Auflager), vergrössert die Mitwirkung der Deckenarmierung diese Einspannung sowie die Grenz-Tragfähigkeit über dem Auflager. Ein Verbundträger aus einem statisch bestimmten Stahlträger ist demzufolge kein einfacher Balken mehr, sondern ein teilweise eingespannter Träger; ein Verbundträger aus einem teilweise eingespannten Stahlträger wird zu einem Durchlaufträger. Der Einfluss der Rissebildung des Betons und das elastoplastische Verhalten des

5.5 Stahl-Beton-Verbundträger

Stahls haben einen wichtigen Einfluss auf die Bestimmung der Auswirkungen des Systems. Die Veränderung der Wirkungsweise der Anschlüsse aus der Verbundwirkung sowie auch die Tragsicherheit (Widerstand) und die Gebrauchstauglichkeit (Deformationen) werden in den Rechenbeispielen 5.7.2–5.7.4 untersucht.

5.5.4

Ermittlung der Auswirkungen

Die vorherrschenden Auswirkungen von Verbundträgern in Gebäuden sind Biegemomente und die zugehörigen Querkräfte. Die Bestimmung dieser Werte kann mit elastischer und plastischer Berechnung geschehen. Elastische Berechnung

Die elastische Berechnung der Schnittgrössen basiert auf einem linear elastischen Materialverhalten, unabhängig von der Grösse der Spannungen. Die Querschnittskennwerte werden in der Regel auf der gesamten Trägerlänge als konstant angenommen. Der Wert der Biegesteifigkeit 𝐸𝑎 𝐼b,h entspricht dabei einem Querschnitt im ungerissenen Zustand. Das Trägheitsmoment 𝐼b,h gehört zu einem homogenen Querschnitt (Index ℎ), wo der Beton durch einen äquivalenten Stahlquerschnitt ersetzt ist, der mithilfe der Betonwertigkeit 𝑛el = 𝐸𝑎 ∕𝐸𝑐 berechnet wird (siehe auch TGC 10, Abschn. 4.7.2). Diese elastische Berechnung eines Durchlaufträgers mit konstantem Trägheitsmoment berücksichtigt die allfällige Rissebildung des Betons über dem Auflager und damit den Momentenausgleich vom Auflager in die Felder nicht. Es ist hingegen möglich, mit einfachen Methoden diesen vorteilhaften Momentenausgleich zu berücksichtigen, da die eingesetzten Materialien besser ausgenützt werden. Der Momentenausgleich muss die Gleichgewichtsbedingungen erfüllen. Weiter müssen die Rissebildung im Beton, das elastoplastische Verhalten des Materials sowie das lokale Beulen des Stahlträgers über dem Auflager berücksichtigt werden. Für die Modifikation der Biegemomenten-Verteilung sind zwei Methoden möglich: • Elastische Berechnung der Biegemomente eines Durchlaufträgers mit konstantem Trägheitsmoment 𝐼b,h (Bild 5.18a) im ungerissenen Zustand auf der ganzen Länge: Abminderung des Auflagermomentes gemäss den Prozentwerten in Tabelle 5.8 (obere Zeile) und entsprechende Vergrösserung der Feldmomente. • Elastische Berechnung der Biegemomente eines Durchlaufträgers mit variablem Trägheitsmoment (Bild 5.18b), einem Trägheitsmoment 𝐼b,f auf einer Länge von 0.15𝑙 beidseits des Auflagers, im gerissenen Zustand (Index 𝑓), Querschnitt bestehend aus dem Stahlträger und der Zugarmierung: Abminderung des Auflagermomentes gemäss den Prozentwerten in Tabelle 5.8 (untere Zeile) und entsprechende Vergrösserung der Feldmomente. (Die Bezeichnungen 𝐼b,h und 𝐼b,f gibt es in den SIA-Normen und SZS-Tabellen nicht.) Die maximal zulässigen Werte der anzunehmenden Umlagerung (Tabelle 5.8) hängen vom Rotationsvermögen des Stahlquerschnittes im Auflagerbereich, das heisst von der Querschnittsklasse ab: Ein Querschnitt, der das plastische Moment

197

198

5 Haupt- und Deckenträger q

l

l

l

Ib, h

Ib, h

Ib, h

30%

l Ib, f 0.15 l

elastische Verteilung Umverteilung

0.15 l

elastischeVerteilung Umverteilung

(a) Konstantes Trägheitsmoment

Ib, h

15%

(b) Variables Trägheitsmoment

Bild 5.18 Elastische Berechnung der Auswirkungen eines Durchlaufträgers und Momentenumlagerung über dem Auflager (Querschnittsklasse 2). Tab. 5.8 Maximale zulässige Momentenumlagerung von elastisch ermittelten Stützmomenten in Prozent des ursprünglichen elastischen Momentes; (siehe auch Tabelle 4, Norm SIA 264/2014). Elastische Berechnung der Auswirkungen mit: Konstantes Trägheitsmoment und ungerissener Zustand (Bild 5.18a) Variables Trägheitsmoment und gerissener Zustand (Bild 5.18b)

Querschnittsklasse 1 im negativen Momentenbereich 40 %

Querschnittsklasse 2 im negativen Momentenbereich 30 %

25 %

15 %

aufbauen kann, die Rotationskapazität aber infolge lokaler Instabilitäten begrenzt ist (Querschnittsklasse 2), erlaubt eine kleinere Abminderung als ein Querschnitt mit grosser Rotationskapazität, der ein plastisches Gelenk zulässt (Querschnittsklasse 1). Im zweiten Fall ist es möglich, eine plastische Berechnung der Auswirkungen durchzuführen. Ein Profilquerschnitt wird aufgrund seiner am ungünstigsten gedrückten Scheibe aus Stahl in eine Klasse eingeteilt. Daraus folgt, dass nur diejenigen Verbundquerschnitte, welche einem negativen Moment ausgesetzt sind, in Querschnittsklassen eingeteilt werden. Bei positivem Moment ist der eventuell gedrückte Oberflansch durchgehend und steif mit der Betonplatte verbunden, was eine lokale Instabilität verhindert. Im Eurocode 3, Teil 1-1 werden die Querschnittsklassen wie folgt definiert: • Klasse 1: Die Querschnitte können plastische Gelenke oder Fliesszonen mit ausreichender plastischer Momententragfähigkeit und Rotationskapazität für die plastische Berechnung ausbilden.

5.5 Stahl-Beton-Verbundträger Ql

Moment M = 4

Mpl

Q

Klasse 1

Mel

Klasse 2

l

Klasse 3 Klasse 4 lokales Beulen Rotation inelastische Rotation el

Bild 5.19 Tragverhalten und Klassifikation von Verbundquerschnitten.

• Klasse 2: Die Querschnitte können plastische Momententragfähigkeit entwickeln, haben aber aufgrund örtlichen Beulens nur eine begrenzte Rotationskapazität. • Klasse 3: Querschnitte erreichen für eine elastische Spannungsverteilung die Streckgrenze in der ungünstigsten Querschnittsfaser, können aber wegen örtlichen Beulens die plastische Momententragfähigkeit nicht entwickeln. • Klasse 4: Die Querschnitte sind solche, bei denen örtliches Beulen vor Erreichen der Streckgrenze in einem oder mehreren Teilen des Querschnittes auftritt. Bild 5.19 zeigt für einen Verbundquerschnitt unter positivem Biegemoment verschiedene theoretisch mögliche Kurven im Momenten-Krümmungsdiagramm nach Querschnittsklassifikation. Die Anwendung der Werte der Momentenumlagerung über dem Auflager führt häufig zu Sprüngen in der Bemessung, zu uneinheitlichen Abweichungen der Sicherheit einer Verbundstruktur und zu grossen Unterschieden von einem Element zum anderen. Um diese Nachteile zu umgehen, wurde eine Bemessungsmethode entwickelt (siehe Publication ICOM 358 [2]), welche die effektiv erforderliche Momentenumlagerung für das Versagen eines durchlaufenden Verbundträgers berechnet und diesen Wert für die Bemessung verwendet. Für die Praxis gibt diese Methode Diagramme mit Werten für die verfügbare Momentenumlagerung von Auflagermomenten in Funktion der vom System erforderlichen Rotationskapazität an. Plastische Berechnung

Die plastische Berechnung eines statisch unbestimmten Systems (z. B. ein Durchlaufträger) besteht darin, den Tragwiderstand als grösste gleichmässig verteilte Last zu finden. Es handelt sich somit darum, aufgrund der Momentenumlagerung infolge Rotation der plastifizierten Querschnitte einen Versagensmechanismus zu definieren. Zu diesem Zweck ist es erforderlich, das plastische Moment im Feld vom plastischen Moment über dem Auflager zu unterscheiden. Es gelten folgende Bezeichnungen (siehe auch TGC 10, Abschn. 4.7 und 5.8):

199

200

5 Haupt- und Deckenträger

𝑊plb : plastisches Widerstandsmoment des entsprechenden Verbundquerschnittes, + : positives plastisches Moment des Verbundquerschnittes, 𝑀plb − 𝑀plb : negatives plastisches Moment des Verbundquerschnittes, 𝑥: Stabachse (𝑥 = 0 beim linken Auflager, Bild 5.20), 𝑞𝑢 : Traglast (kN/m): • im Feld + + 𝑀plb = 𝑓𝑦 𝑊plb

(5.46)

• über dem Auflager − − 𝑀plb = 𝑓𝑦 𝑊plb

(5.47)

Die plastische Bemessung eines Verbundträgers ist anwendbar, wenn diese Bedingungen erfüllt sind: • Der Stahlquerschnitt ist doppelsymmetrisch bezüglich Stegebene. • Die Rotationskapazität ist ausreichend, um die Ausbildung von plastischen Gelenken zu ermöglichen. • Das Kippen ist verhindert. Zur Veranschaulichung einer plastischen Bemessung betrachten wir den zweifeldrigen Verbundträger von Bild 5.20a, der durch eine gleichmässig verteilte Last 𝑞 beansprucht ist (eine ausführliche schrittweise Bemessung befindet sich in Abschn. 6.3.4 „Statik der Hallenrahmen“). Das maximale Moment über dem Auflager aufgrund dieser Einwirkung beträgt (Bild 5.20b): − =− 𝑀max

𝑞𝑙2 8

(5.48)

− | den Wert Ein erstes plastisches Gelenk bildet sich über dem Auflager, sobald |𝑀max − 𝑀plb erreicht, zugehörig zur Last 𝑞u1 :

𝑞u1 =

8𝑀 − plb

(5.49)

𝑙2

Wenn diese Last erreicht ist (Bild 5.20c), wird das ursprünglich statisch unbestimmte System statisch bestimmt. Die Gleichung für das Biegemoment wird zu: 𝑀 + (𝑥)

𝑞𝑥2 + =− 2

𝑞𝑙 2 2

− − 𝑀plb

𝑙

𝑥

(5.50)

Und die Lage des maximalen Momentes ist: 𝑞𝑙 2 + 𝑥(𝑀max )

=

2

− − 𝑀plb

𝑞𝑙

(5.51)

5.5 Stahl-Beton-Verbundträger

201

Last-Verformungs-Kurve

q

(a) statisches System

l

q

l _ Mplb

+ Mplb

+ Mplb _ Mplb _ Mmax

(b) elastische Berechnung

qu1

_ Mplb

– w +

+

M+

max

Fliessgelenk

_

_

q u2

q

Mmax = Mplb

(c) Fliessgelenk über

q u1

dem Auflager

–-

+

+ + Mmax

x

w

+ Mplb

+ Mplb

xmax

Fliessgelenk

_

_

Mmax = Mplb

(d) Mechanismus

q

q u1

-– +

q u2

+ w M+

+ max = Mplb

Bild 5.20 Plastische Berechnung eines Verbundträgers auf drei Auflagern.

Das maximale im Feld erreichbare Moment findet man durch Einsetzen von Gl. (5.51) in Gl. (5.50): + 𝑀max

− 2 𝑞𝑙2 1 𝑀plb = ) ( − 2 2 𝑞𝑙2

(5.52)

202

=

5 Haupt- und Deckenträger

qu l 2

_

+ Mplb

qu = 16 16

16

Mplb l2

l 15

_

Mplb

14

+ Mplb

13 12

11.66

11

_

qu = 11.66

10 _ Mplb + Mplb

9 8

0

0.2

0.4

0.6

0.8

l

1.0

Mplb l2

_

Mplb + Mplb

Bild 5.21 Diagramm zur Bestimmung der Traglast eines Verbundträgers.

Wenn die Last weiter erhöht wird, bildet sich in jedem Feld ein Gelenk (absolute + + Symmetrie vorausgesetzt) und 𝑀max erreicht 𝑀plb mit der Einwirkung 𝑞u2 :

𝑞u2

√ + ⎛ − − ⎞ √ 𝑀pbl 𝑀plb 𝑀plb √ 1 √ ⎜ =4 2 1+ + 1+ + ⎟ 2 𝑀+ 𝑙 ⎜ 𝑀plb ⎟ plb ⎝ ⎠

(5.53)

In diesem Zustand wird das System zu einem Mechanismus (Bild 5.20d). Die Last 𝑞u2 ist die Traglast des Systems. Bild 5.20 zeigt ebenso die Entwicklung der maximalen Durchbiegung 𝑤 des Verbundträgers in Funktion der zugehörigen Last 𝑞. Mit dem Diagramm in Bild 5.21 lässt sich für ein Rand- und Innenfeld die Traglast 𝑞𝑢 in Funktion des Verhältnisses der jeweiligen plastischen Momente bestimmen + − (gleich wie das Verhältnis der plastischen Widerstandsmomente 𝑊plb ∕𝑊plb ). Die Rissebildung des Betons ist in diesem Diagramm nicht berücksichtigt. Der Wert der Traglast beträgt: 𝑞u = 𝛼

+ 𝑀plb

𝑙2

(5.54)

𝛼: Koeffizient gemäss Diagramm in Bild 5.21.

5.5.5

Verbindung Stahl-Beton

Definitionen

Die Verbindung zwischen Stahlträger und Betonplatte ist die Bedingung an sich für eine Verbundkonstruktion. Diese Verbindung wird mit sogenannten Kopfbolzendübeln realisiert, welche die Funktion haben, das relative Gleiten wie auch die Trennung (das Abheben der Betonplatte) zwischen den beiden Elementen zu verhin-

5.5 Stahl-Beton-Verbundträger Kraft P [kN]

PRk

duktil Dübel starr

P

Beton Stahl

P Gleitung

0

1

2

3

4

5

6

[mm]

7 uk

Bild 5.22 Verhalten der Verbindungsmittel.

dern. Bezüglich Verhalten der Verbindungsmittel infolge einwirkender Kraft und Gleitung an der Verbundfuge kann die Interaktion verschieden sein (Bild 5.22). Bezüglich Steifigkeit und Widerstand der Verbindung kann Folgendes gesagt werden: • Ein Verbindungsmittel ist weich (oder duktil), wenn es ein ausreichendes Rotationsvermögen für die Hypothese eines linear plastischen Verhaltens der Verbindung der betrachteten Struktur aufweist; ein Verbindungsmittel kann als duktil betrachtet werden, wenn seine Gleitfähigkeit einen charakteristischen Wert 𝛿uk von mindestens 6 mm aufweist (Bild 5.22); Kopfbolzendübel mit einer Gesamtlänge von mindestens viermal dem Durchmesser – nach der Schweissung – können als duktil betrachtet werden (siehe auch Norm SIA 264/2014, Art. 3.4 und 6.1). • Wenn der Widerstand der Verbindungen den Tragwiderstand der Biegung durch die Anordnung von zusätzlichen Verbindungsmitteln nicht erhöht, spricht man von voller Verdübelung. • Wenn die Anzahl der Dübel kleiner ist als für die volle Verdübelung, spricht man von einer teilweisen Verdübelung. • Der Verdübelungsgrad ist das Verhältnis der Anzahl Dübel 𝑁 für eine teilweise Verdübelung zur Anzahl einer vollen Verdübelung 𝑁𝑓 eines Teilstückes des Verbundträgers; dieser Grad ist auch definiert durch das Verhältnis der reduzierten Normalkraftspannung in der Betonplatte und der Normalkraftspannung in der Platte, die dem rechnerischen plastischen Biegewiderstand 𝑀pl,Rd entspricht (siehe nachfolgenden Abschn. „Plastische Berechnung der Längsschubkräfte“). Bezüglich Verteilung der Dübel entlang eines Trägers gelten folgende Grundsätze: • Ein kritischer Schnitt ist ein spezieller Querschnitt des Verbundträgers, wo das Biegemoment null oder maximal ist (und wo ein plastisches Moment erreicht werden kann), oder ein Querschnitt, wo ein Momentensprung oder ein abrupter Wechsel des Trägheitsmomentes auftritt. • Eine kritische Länge ist ein Trägerabschnitt zwischen zwei benachbarten kritischen Schnitten.

203

204

5 Haupt- und Deckenträger q +d MV

vel

M + dM V – qdx

Bild 5.23 Elastisches Rechenmodell der Längsschubkraft.

dx

Der Schubfluss ist eine längslaufende Schubkraft, welche in der Verbundfuge zwischen Betonplatte und Stahlträger von den Verbindungen übertragen werden muss. Sie entspricht dem Unterschied der Normalkraft zwischen zwei Querschnitten, im Beton oder Stahl je nach Lage der Neutralachse. Es muss bemerkt werden, dass die Definitionen für volle Verdübelung, teilweise Verdübelung und Verdübelungsgrad nur bei plastischer Berechnung der Verdübelung von Verbundträgern im Bereich positiver Momente Sinn machen. Bei dieser Berechnung ist die Anzahl der Dübel tatsächlich eine Funktion der Flächen des Betons oder des Konstruktionsstahls im Verbundquerschnitt und nicht direkt eine Funktion der Auswirkungen. Im Gegensatz dazu ist bei elastischer Berechnung die Anzahl der Dübel direkt proportional zum Rechenwert der Querkräfte. Elastische Berechnung des Schubflusses

Die elastische Berechnung des Schubflusses wird auch angewendet, wenn der Querschnittswiderstand elastisch gerechnet ist (Querschnittsklasse 3 oder 4). Diese Rechenart eignet sich sowohl für duktile als auch für nicht duktile Verbindungsmittel. Der Schubfluss 𝜈 ist gegeben durch das Gleichgewicht an einem infinitesimalen Element des Verbundträgers (Bild 5.23): 𝜈el 𝑑𝑥 = ∫ 𝑑𝜎𝑑𝐴𝑐 = 𝐴𝑐

𝑑𝑀𝑆𝑐 𝑛el 𝐼𝑏

(5.55)

mit 𝜈el =

𝑉𝑆𝑐 𝑛el 𝐼𝑏

(5.56)

𝜈el : elastische Längsschubkraft im betrachteten Schnitt, 𝑆𝑐 : statisches Moment der Betonplatte mit der Breite 𝑏eff bezüglich der Neutralachse des Verbundquerschnittes, 𝑛el : elastische Betonwertigkeit (𝑛el = 𝐸𝑎 ∕𝐸𝑐 ), 𝐼𝑏 : Trägheitsmoment des Verbundquerschnittes, 𝑉: Querkraft im betrachteten Querschnitt, 𝐸𝑐 : Elastizitätsmodul des Betons (nach SIA 264). Der Schubfluss ist also linear proportional zur Querkraft 𝑉 aufgrund der Einwirkungen nach dem Trägerverbund. Im Hochbau erzeugten Schubfluss gibt es nicht nur durch Einwirkungen, sondern auch durch das Schwinden von Beton. Die Wirkungen aus Temperatur und Vorspannung sind im Detail in TGC 12 beim Thema

5.5 Stahl-Beton-Verbundträger es

205

dx Ncs

Ncs zc – z b

zc

zb

=

Mcs

+

za

dx

dx

(a) Schwindmass

Ncs

dx

(b) Verträglichkeit der

(c) Gleichgewicht der Kräfte

Verformungen

+ (Ncs)

+ (Ncs)

= (Mcs)

(d) Spannungen Bild 5.24 Kräfte und Spannungen infolge von Schwinden.

Verbundbrücken beschrieben. In unserem Fall der Geschossdecken ist der Einfluss der Temperatur gering und die Vorspannung eher selten. Schubfluss aus Schwinden

Schwinden ist die Schrumpfung des Betons im Verlauf der Zeit. Gemäss TGC 10, Abschn. 5.8.5 erzeugt das Schwinden des Betons bei mit dem Stahlträger zusammenhängenden Betonplatten Eigenspannungen im Querschnitt, die im Gleichgewicht sein müssen. Dieser Zustand kann durch den Ersatz des Schwindens durch ein äusseres Kräftepaar mit gleicher Wirkung definiert werden (Bild 5.24). • Sind bei einem Verbundträgerelement der Länge dx Stahl und Beton nicht miteinander verbunden, kann sich das Schwinden mit der Verkürzung 𝜀cs ⋅ 𝑑𝑥 frei vollziehen (Bild 5.24a). 𝜀cs ist das Schwindmass des Betons. • Da Schwinden durch die Verbindung von Beton und Stahl verhindert ist, muss auf die Betonplatte aus Verträglichkeitsbedingungen eine fiktive Zugkraft 𝑁cs einwirken (Bild 5.24b): 𝑁cs = 𝜀cs,∞ 𝐸cs 𝐴𝑐 = 𝜀cs,∞ 𝐸𝑎

𝐴𝑐 𝑛𝑠

(5.57)

mit 𝑛𝑠 =

𝐸𝑎 𝐸 = 𝐸𝑎 cm 𝐸cs

(5.58)

2

und √ 3 𝐸cm = 𝑘𝐸 𝑓cm

(5.59)

206

5 Haupt- und Deckenträger

𝜀cs,∞ : 𝐴𝑐 : 𝐸𝑎 : 𝑛𝑠 : 𝐸cs :

End-Schwindmass (0.4 o/oo für unbewehrten Beton), Querschnittsfläche des Betons (𝐴𝑐 = ℎ𝑐 𝑏), Elastizitätsmodul von Baustahl, elastische Wertigkeit mit Schwindeinfluss, wirksamer Elastizitätsmodul von Beton für das Schwinden mit Kriecheinfluss (𝐸cs = 𝐸cm /2), 𝜑(𝑡, 𝑡0 ): Kriechzahl gemäss Norm SIA 262, Mittelwert des Elastizitätsmoduls für Beton [N/mm2 ], 𝐸cm : von Gesteinskörnung abhängiger Beiwert zur Bestimmung von 𝐸cm 𝑘𝐸 : (zwischen 6000 und 12 000), Mittelwert der Zylinderdruckfestigkeit [N/mm2 ]. 𝑓cm : • Diese Zugkraft auf den Beton muss im Gleichgewicht sein mit einer gleich grossen Druckkraft im Schwerpunkt der Betonplatte, jedoch auf den Verbundquerschnitt wirkend (Bild 5.24c). • Die Wirkung der auf den Betonquerschnitt einwirkenden Druckkraft 𝑁cs ist äquivalent zu einer Druckkraft im Schwerpunkt des Verbundquerschnittes und einem Biegemoment 𝑀cs = 𝑁cs (𝑧𝑐 − 𝑧𝑏 ). Der Wert (𝑧𝑐 − 𝑧𝑏 ) ist der Abstand der Schwerpunkte der Betonplatte und des Verbundquerschnittes. In Bild 5.24d sind die sich ergebenden Spannungen aufgezeichnet. • Der tatsächliche Spannungszustand ergibt sich durch Superposition der Spannung aus 𝑁cs auf die Betonplatte und der Spannung aus 𝑁cs + 𝑀cs auf den Verbundquerschnitt. Die Spannung in der Schwerachse des Stahlprofils lautet: 𝜎ag,s = −

𝑁cs 𝑀cs + (𝑧 − 𝑧𝑎 ) 𝐼𝑏 𝑏 𝐴𝑏

(5.60)

• Für einen einfachen Balken sind die Normalspannungen aus Schwinden konstant über die Trägerlänge; sie erzeugen demnach keinen Schubfluss in der Verbindung von üblichen Querschnitten. Bei einem Durchlaufträger muss dem Schubfluss aufgrund der Querkräfte Rechnung getragen werden. In beiden Fällen ist die Normalkraft an den Enden des Trägers identisch. Da die End-Querschnitte (freie Oberflächen) keine Normalspannungen aufnehmen können, muss die Normalkraft 𝐹vs aus dem Schwinden verankert, d. h. in konzentrierter Form eingeleitet werden. • Diese am Trägerende zu verankernde Normalkraft 𝐹vs ist gleich der resultierenden Kraft aus den Normalspannungen auf die Schwerachse des Stahlprofils 𝜎ag,s , multipliziert mit dem Stahlquerschnitt 𝐴𝑎 : 𝐹vs = 𝐴𝑎 𝜎ag,s

(5.61)

• Da die Normalkraft an den Trägerenden nicht konzentriert eingeleitet werden kann, nehmen wir dank der Duktilität der Verbindungsmittel an, dass sie dreieckförmig auf eine Distanz von 𝑥𝑠 verteilt wird. Der maximale Schubfluss an den Trägerenden wird somit zu: 𝑣𝑠 =

2𝐹𝑣𝑠 𝑥𝑠

(5.62)

5.5 Stahl-Beton-Verbundträger

• Die zu berücksichtigende Länge 𝑥𝑠 kann als der kleinere der beiden folgenden Werte angenommen werden: 𝑥𝑠 = min(𝑏eff ; 𝑙∕10)

(5.63)

𝑏eff : mitwirkende Breite der Betonplatte, 𝑙: Trägerspannweite. Plastische Berechnung der Längsschubkräfte

Die plastische Berechnung der Längsschubkräfte wird angewendet, wenn der Querschnittswiderstand plastisch gerechnet ist (Querschnittsklasse 1 und 2). Sie findet in erster Linie Anwendung mit duktilen Verbindungsmitteln und in Sonderfällen mit starren Verbindungsmitteln. Bei der plastischen Berechnung des Biegewiderstandes von Verbundquerschnitten (TGC 10, Abschn. 4.7.4) haben wir ausdrücklich angenommen, dass der Verbund ausreichenden steif sein muss, damit sich ein plastisches Moment des Querschnittes ausbilden kann. Wir haben eine volle Verdübelung und die Verbindungsmittel sind so bemessen, dass sie nicht zur Versagensursache werden. Aber in gewissen Fällen ist es vernünftig (oder sogar unerlässlich), weniger Verbindungsmittel als zur Erreichung des plastischen Widerstandes vorzusehen. Es handelt sich dabei um folgende Praxisfälle: • Der Betonquerschnitt, dimensioniert auf Biegung senkrecht zu derjenigen des Trägers, ist viel grösser als für den Biegewiderstand des Trägers erforderlich. • Der im Bauzustand dimensionierte Träger ist viel grösser als erforderlich. • Das Vorhandensein eines Profilbleches – senkrecht zur Trägerachse montiert – erlaubt es nicht, die erforderliche Anzahl Verbinder zu montieren (Sickenabstand). Es ist ebenfalls möglich, dass die Suche nach einem wirtschaftlichen Optimum zwischen Profilblechabmessung und Anzahl Verbindungsmittel eine Reduktion derselben erlaubt (Tabelle 5.4). Eine Reduktion stellt sich als notwendig heraus, wenn die Übertragung des plastischen Schubflusses zwischen Verbindungsmittel und Betondecke nicht möglich ist: Die längslaufende Schubkraft kann aufgrund einer querlaufenden Armierung nicht von der möglichen Bruchfläche der Verbindungsmittel aufgenommen werden (Abschn. 5.5.6). In allen diesen Fällen ist es angebracht, weniger Verbindungsmittel als für eine volle Verdübelung erforderlich auszuführen und somit eine teilweise Verdübelung vorzusehen. Nachfolgend wird die plastische Berechnung des Schubflusses in unterschiedlichen Situationen untersucht. Volle Verdübelung, duktile Verbindungsmittel

Die plastische Berechnung der Längsschubkraft geschieht durch eine Gleichgewichtsbetrachtung eines Trägerabschnittes des Verbundträgers zwischen zwei benachbarten kritischen Schnitten (Bild 5.25):

207

208

5 Haupt- und Deckenträger qu

l _ Mplb

+

l

+ Mplb

_

Ns,Rd

hc

x 2

l+ Nc,Rd

Na,Rd

Na,Rd

Bild 5.25 Modell für die plastische Berechnung der Längsschubkraft.

• Im Feld (Abschnitt 𝑙+ für das positive Moment); der Rechenwert der Längsschubkraft ist gegeben durch: Neutralachse in der Betonplatte (𝐴𝑎 ≤

𝑓ya 𝐴𝑐 + = 𝑁a,Rd = 𝐴 ): 𝐹v,Ed 𝑛pl 𝛾𝑎 𝑎 (5.64)

Neutralachse im Profil (𝐴𝑎 >

𝐴𝑐 0.85𝑓ck + = 𝑁c,Rd = 𝐴𝑐 ): 𝐹v,Ed 𝑛pl 𝛾𝑐

(5.65)

• Über dem Auflager (Abschnitt 𝑙− für das negative Moment); der Rechenwert der Längsschubkraft ist gegeben durch die Kraft in der Armierung, gerissener Beton: − = 𝑁s,Rd = 𝐹v,Ed

𝐴𝑎 : 𝐴𝑐 : 𝐴𝑠 : 𝛾𝑎 : 𝛾𝑐 : 𝛾𝑠 :

𝑓ys 𝛾𝑠

𝐴𝑠

Fläche des Stahlquerschnittes, Fläche des Betonquerschnittes (𝐴𝑐 = 𝑏eff ℎ𝑐 ), Fläche des Armierungsquerschnittes in der mitwirkenden Breite 𝑏eff , Widerstandsbeiwert von Baustahl (= 1.05), Widerstandsbeiwert von Beton (= 1.50), Widerstandsbeiwert von Armierungsstahl (= 1.15).

(5.66)

5.5 Stahl-Beton-Verbundträger

Teilweise Verdübelung, duktile Verbindungsmittel

Die Anzahl der in einem Abschnitt vorgesehenen Verbindungsmittel ist kleiner als + in Gln. (5.64) und (5.65). Die Längsschubkraft, welche in der Schnittder Wert 𝐹v,Ed stelle aufgenommen werden kann, entspricht der Summe des Schubwiderstandes aller Verbindungsmittel: + = 𝑁𝑃Rd 𝐹v,Ed

(5.67)

𝑁: Anzahl Verbindungsmittel im Abschnitt 𝑙+ , 𝑃Rd : Rechenwert des Schubwiderstandes eines Verbindungsmittels (siehe z. B. Gl. (5.72a,b)). Bei teilweiser Verdübelung resultiert eine Verminderung des Querschnitts-Biegewiderstandes abhängig vom Verdübelungsgrad. Im Weiteren sind die inneren Zugund Druckkräfte nicht mehr im Gleichgewicht. Um das Gleichgewicht wieder herzustellen, muss das Fehlen des Druckwiderstandes infolge der kleineren Anzahl von Verbindungsmitteln mit einer Mitwirkung des Stahlquerschnittes auf Druck geschehen. Die Rechenmethode mit der Beziehung zwischen der Biegesteifigkeit 𝑀Rd und dem Verdübelungsgrad 𝑁∕𝑁𝑓 (Methode der teilweisen Verdübelung, Bild 5.26, Kurve (a)) besteht darin, die Verteilung der plastischen Spannungen im Verbundquerschnitt analytisch entsprechend des effektiven Widerstandes der Verbindungsmittel zu bestimmen. Eine Alternative besteht darin, Verbundquerschnitte mit teilweiser Verdübelung durch reduzierte Verbundquerschnitte mit voller Verdübelung zu ersetzen (Bild 5.27). Diese Methode erlaubt es, die Gleichungen der Tabelle 5.6 (plastische Kennwerte) zu verwenden. Somit genügt es, für die Berechnung des plastischen + bei teilweiser Verdübelung die Höhe der Betonplatte ℎ𝑐 Widerstandsmomentes 𝑊plb durch eine aufgrund des Widerstandes der effektiven Anzahl 𝑁 von Verbindungsmitteln reduzierte Höhe ℎ𝑐′ zu ersetzen: MRd Mplb,Rd

1.0

C B

(a) Methode der teilweisen Verdübelung

(b) vereinfachte Methode Mpla,Rd Mplb,Rd

A N Nf 0

1.0

Bild 5.26 Grenztragfähigkeit in Funktion des Verdübelungsgrades (Diagramm der teilweisen Verdübelung).

209

210

5 Haupt- und Deckenträger beff 0.85 fcd

Resultierende Kräfte

hc

hc

Nc fyd

Mplb,Rd

h ha za

fyd

Nac

zc

zb

Nat

Bild 5.27 Verbundquerschnitt mit teilweiser Verdübelung.

Wenn 𝐴𝑐 𝐴𝑎 ≤ ∶ 𝑛pl

𝑓ya

𝑁 ℎ𝑐′ = 𝑁𝑓

𝛾𝑎

𝐴𝑎

0.85𝑓ck 𝛾𝑐

(5.68)

𝑏eff

Wenn 𝐴𝑎 > 𝑛pl :

𝐴𝑐 ∶ 𝑛pl

ℎ𝑐′ =

𝑁 𝐴𝑐 𝑁𝑓 𝑏eff

plastische Betonwertigkeit (𝑛pl =

(5.69) 𝑓yd 0.85𝑓cd

=

𝑓ya

𝛾𝑐

𝛾𝑎 0.85𝑓ck

),

𝑏eff : mitwirkende Breite der Betonplatte, 𝐴𝑐 : Beton-Querschnittsfläche (𝐴𝑐 = 𝑏eff ℎ𝑐 ), 𝑓ck : charakteristischer Wert der Zylinderdruckfestigkeit des Betons. In den Gleichungen der Tabelle 5.6 muss ersetzt werden: • 𝑧𝑐 durch 𝑧𝑐′ = ℎ − ℎ𝑐′ ∕2, • 𝐴𝑐 durch 𝐴𝑐′ = 𝑏eff ℎ𝑐′ . Eine vereinfachte konservative Methode besteht darin, die konvexe Kurve ABC von Bild 5.26 durch eine Gerade von Punkt A (kein Verbund, nur Stahlträger) zum Punkt C (volle Verdübelung) zu ersetzen. Diese Kurve erlaubt einerseits den Rechenwert von 𝑀Rd in Funktion der Anzahl Verbindungsmittel 𝑁 zu bestimmen, andererseits die erforderliche Anzahl von Verbindungsmitteln in Funktion des Bemessungswertes des Biegemomentes 𝑀Ed zu finden:

𝑀Ed :

𝑁 (𝑀 − 𝑀pla,Rd ) 𝑁𝑓 plb,Rd 𝑀Ed − 𝑀pla,Rd = 𝑁 𝑀plb,Rd − 𝑀pla,Rd 𝑓

𝑀Rd = 𝑀pla,Rd +

(5.70)

𝑁nec

(5.71)

Bemessungswert des im Verbundquerschnitt wirkenden Biegemomentes, 𝑀pla,Rd : Rechenwert des plastischen Biegewiderstandes des Stahlträgers, 𝑀plb,Rd : Rechenwert des plastischen Biegewiderstandes des Verbundquerschnittes.

5.5 Stahl-Beton-Verbundträger

Gemäss Norm SIA 264 und Eurocode 4 darf der Verdübelungsgrad bestimmte Werte nicht unterschreiten. Wenn dieser zu tief ist, sind die Kurven (a) und (b) in Bild 5.26 nicht mehr gültig und das Versagen erfolgt durch Bruch der Verbindungsmittel, da die Rotationsfähigkeit nicht ausreicht und sich kein plastisches Gelenk im kritischen Schnitt bilden kann. Für die Verbundträger in Hochbauten mit Walzprofilen sind die Grenzwerte die folgenden: 𝐿𝑒 ≤ 25 m ∶

𝑁 355 mm2 ≥1− (0.75 − 0.03𝐿𝑒 ) ≥ 0.4 𝑁𝑓 𝑓𝑦

(5.72a)

𝐿𝑒 > 25 m ∶

𝑁 ≥1 𝑁𝑓

(5.72b)

𝑁𝑓 : erforderliche Anzahl von Verbindungsmitteln für volle Verdübelung, 𝑁: vorgesehene Anzahl von Verbindungsmitteln (teilweise Verdübelung), 𝐿𝑒 : Abstand zwischen den Momentennullpunkten [m]. Teilweise Verdübelung, starre Verbindungsmittel

Ein Verbundträger mit teilweiser Verdübelung und starren Verbindungsmitteln kann mit der Bedingung realisiert werden, wenn der Schubfluss ausgehend von der Spannungsverteilung in den kritischen Schnitten aufgrund der totalen Kontinuität in der Verbundfuge (kein Gleiten) bestimmt werden kann. Der Eurocode 4 zeigt die Anwendung einer vereinfachten Methode mit teilweiser Verdübelung und starren Verbindungsmitteln. Diese Regeln gelten für Verbindungsmittel, welche eine Rotationsfähigkeit von mindestens 2 mm besitzen (siehe Bild 5.22).

5.5.6

Widerstand der Verbindungsmittel

Geschweisste Kopfbolzendübel

Der Schubwiderstand von geschweissten Kopfbolzendübeln hängt von der Versagensart der Verbindung ab (TGC 10, Abschn. 5.8.6), entweder das Stauchen des Betonkörpers vor dem Dübel oder der Bruch des Dübelschaftes (eine Kombination von Biegung, Schub und Zug). Bei plastischer Berechnung des Widerstandes und bei voller Betonplatte (ohne Profilblech) ist der Rechenwert des Schubwiderstandes 𝑃Rd der kleinere der beiden folgenden Werte; dieser ist gültig bei Verwendung von Kopfbolzendübeln, wenn deren Gesamtlänge die Bedingung ℎ𝐷 ≥ 4𝑑𝐷 erfüllt: 0.29𝑑 𝐷 √ 𝑓ck 𝐸cm 𝛾𝑣 0.8𝑓u,D 𝜋𝑑 2𝐷 = 𝛾𝑣 4 2

Versagen des Betons: 𝑃c,Rd = Versagen des Dübels:

𝑃D,Rd

(5.73a) (5.73b)

211

212

5 Haupt- und Deckenträger

PRd 300

2 dD

[N/mm2]

(5.73a) (5.73b) für fu,D = 450 N/mm2

200 100

fck [N/mm2]

0

10

20

30 29

40

50

Bild 5.28 Dübelwiderstand in Bezug zum Betonwiderstand.

𝑑𝐷 : 𝑓ck : 𝐸cm : 𝑓u,D : 𝛾𝑣 :

Schaftdurchmesser des Kopfbolzendübels, charakteristischer Wert der Zylinderdruckfestigkeit des Betons, Mittelwert des Elastizitätsmoduls von Beton, Zugfestigkeit des Bolzendübel-Werkstoffs (normal 𝑓u,D = 450 N∕mm2 , maximal 500 N/mm2 in den Berechnungen), Widerstandsbeiwert für Verbundmittel (𝛾𝑣 = 1.25).

Bild 5.28 zeigt, dass das Versagen des Bolzenschaftes gemäss Gl. (5.73b) massgebend wird für 𝑓ck ≥ 25 N∕mm2 (Beton C 25/30 nach Norm SIA 262). Bei elastischer Berechnung des Querschnittswiderstandes wird der Dübelwiderstand auf 75 % reduziert, um das Gleiten in der Scherfuge zu begrenzen und die Hypothese vom Ebenbleiben der Querschnitte zu befriedigen. Tabelle 5.9 gibt Widerstandswerte 𝑃Rd von geschweissten Kopfbolzendübeln für die elastische und plastische Berechnung von Verbundquerschnitten und für Betonqualitäten C 16/20– C 35/45 (𝑘𝐸 = 10 000). Tab. 5.9 Bemessungswerte des Schubwiderstandes PRd von geschweissten Kopfbolzendübeln (fuD = 450 N∕mm2). Plastische Berechnung

Elastische Berechnung

Durchmesser dD des Kopfbolzen-Dübels

Beton Beton Beton Beton Beton Beton Beton Beton Beton C 16/20 C 20/25 C 25/30 ≥ C 16/20 C 20/25 C 25/30 C 30/37 C 35/45 C 30/37

13 mm

27 kN

31 kN

36 kN

39 kN

20 kN

23 kN

27 kN

30 kN

33 kN

16 mm

41 kN

47 kN

54 kN

58 kN

31 kN

35 kN

40 kN

45 kN

50 kN

19 mm

57 kN

66 kN

75 kN

82 kN

43 kN

49 kN

57 kN

64 kN

70 kN

22 mm

77 kN

88 kN

101 kN

110 kN

58 kN

66 kN

76 kN

85 kN

94 kN

Schenkeldübel mit Setzbolzen

Versuche mit Schenkeldübel haben gezeigt, dass sich diese duktil verhalten und bei plastischer Berechnung des Tragwiderstandes von Verbundquerschnitten wie

5.5 Stahl-Beton-Verbundträger

213

Tab. 5.10 Schubwiderstand PRd von HVB-Schenkeldübeln. Typ des Dübels HVB 80 HVB 95–140

Plastische Berechnung 23 kN 28 kN

Elastische Berechnung 16 kN 20 kN

Kopfbolzendübel angewendet werden können. Für Betonqualitäten C 16/20 (𝑓ck = 16 N∕mm2 ) bis C 35/45 (𝑓ck > 35 N∕mm2 ) ist der Widerstand durch Bruch des Dübels oder der Bolzen bestimmt. Es gibt deshalb keine Bemessungsformeln, sondern von den Abmessungen abhängige feste experimentelle Werte. Bei elastischer Berechnung des Verbundquerschnittes wird der Widerstand analog zu den Kopfbolzendübeln mit dem Faktor 0.7 reduziert. Die Bemessungswerte des Widerstandes 𝑃Rd aufgrund von Versuchen sind in der Tabelle 5.10 aufgeführt. Sie sind für die plastische und elastische Berechnung des Querschnittswiderstandes unabhängig der Richtung der Längsschubkräfte gültig. Widerstand von Verbindungsmitteln bei Profilblechen

Wenn die gedrückte Platte des Verbundträgers eine Blechverbunddecke ist (Bild 5.29), sind die Verbindungsmittel in die Wellentäler eingelassen. Versuche haben gezeigt, dass je nach Form und Abmessung dieser Wellentäler der Widerstand der Verbindungsmittel reduziert und die Duktilität verringert sein kann. Die Reduktion aufgrund der Profilbleche ist durch Koeffizienten gegeben, welche auf die Widerstände der Gl. (5.73a,b) angewendet werden (siehe auch Norm SIA 264 und Eurocode 4). Diese Koeffizienten sind die folgenden: • Blechrippen in Längsrichtung, parallel zum Träger (Bild 5.29a), Versagen durch Stauchung des Betons Gl. (5.73a): 𝛼𝑙 = 0.60

𝑏0 ℎ𝐷 − 1) ≤ 1.0 ( ℎ𝑝 ℎ𝑝

(5.74)

• Blechrippen in Querrichtung, senkrecht zum Träger, eine Dübelreihe (Bild 5.29c): 0.70 𝑏0 ℎ𝐷 𝛼𝑡 = √ − 1) ( 𝑁𝑟 ℎ𝑝 ℎ𝑝

(5.75)

hp

hp dD

b0

hD b0

(a) Blechrippen parallel zum Träger

(b) Blechrippen senkrecht zum Träger mit zwei Reihen Kopfbolzendübel

(c) Blechrippen senkrecht zum Träger mit einer Reihe Kopfbolzendübel

Bild 5.29 Verbundträger mit Stahlträger und Betonplatte mit Profilblech.

(d) Abstand der Wellenberge

214

5 Haupt- und Deckenträger

Tab. 5.11 Grenzwerte 𝛼t,max für den Reduktionskoeffizienten 𝛼t .

Anzahl Verbindungsmittel Nr pro Rippe

Dicke t [mm] des Profilbleches

1

≤1 >1 ≤1 >1

2

Oberer Grenzwert 𝜶t,max Schaft dD ≤ 20 mm Schaft dD ≤ 22 mm durch das Blech durch gelochtes aufgeschweisst Blech auf Stahlträger aufgeschweisst 0.85 0.75 1.00 0.70 0.60 0.80

𝑏0 :

mittlere Breite (Trapezprofilbleche) beziehungsweise minimale Breite (Schwalbenschwanzprofile) der Wellentäler der Profilbleche (Bild 5.29d), ℎ𝑝 : Höhe des Profilbleches, ℎ𝐷 : Länge des montierten Verbindungsmittels (Bild 5.29a), 𝑁𝑟 : Anzahl Dübel in der Rippe (Bild 5.29b: 𝑁𝑟 = 2). Der Koeffizient 𝛼𝑡 darf nicht grösser sein als 𝛼t,max (gemäss Tabelle 5.11). Damit die Verbindungsmittel mit Profilblechen voll wirksam sind, müssen folgende Bedingungen bezüglich Abmessungen von Dübeln und Profilblech erfüllt sein: Kopfbolzendübel 𝑑𝐷 ≤ 20 mm (Schweissung durch das Blech) 𝑑𝐷 ≤ 22 mm (Schweissung durch gelochtes Blech) ℎ𝐷 ≤ ℎ𝑝 + 75 mm

(5.76)

ℎ𝐷 ≥ ℎ𝑝 + 35 mm Profilblech ℎ𝑝 ≤ 85 mm 𝑏0 ≥ ℎ𝑝 𝑏0 ≥ 2.5𝑑𝐷 𝑏0 ≥ 6𝑑𝐷

und 𝑏0 ≥ 50 mm

(𝑁𝑟 = 1)

(5.77)

(𝑁𝑟 = 2)

Weitere Verbundmittel wie Hilti X-HVB sind in den einschlägigen Firmendokumentationen beschrieben. Diapason Schenkeldübel sind in den VerbundbauBemessungstafeln C 1/12 des SZS im Anhang C 1 beschrieben.

5.5.7

Abscheren längs in der Betondecke

Die Übertragung des Schubflusses zwischen Verbundmittel und Betondecke geschieht durch längslaufendes Abscheren (in Längsrichtung des Trägers). Für die

5.5 Stahl-Beton-Verbundträger eq a

At

a

a

At

Ab

At Type

Ab

b

b

At

a

Ab

e

At

e

Ab

c

c

a

a

d

At

Ab

f c c f

Ab

d

g

g

Ae

Lc

a-a (Ab+At)

h

b-b

2 Ab

2 hD+eq+dk

c-c

2 Ab

2 hD+dk

d-d

2 Abh

e-e

At

f-f

2 Ab

g-g (Ab+At)

hc hc

Bild 5.30 Für Schubbruch gefährdete Längsschnitte.

Übertragung dieser Kräfte sind alle potenziellen Querschnitte für einen Bruch auf Abscheren in Betracht zu ziehen. Im Bild 5.30 sind diese Querschnitte dargestellt. Beanspruchung

Der Bemessungswert des Schubflusses 𝑣Ed aufgrund des Bemessungswertes der Querkraft 𝑉 Ed beträgt im betrachteten Querschnitt: Elastische Berechnung: 𝑣Ed,el = Plastische Berechnung: 𝑣Ed,pl =

𝑉Ed 𝑆𝑐 𝑛el 𝐼𝑏 𝐹vi,Ed 𝑙𝑖

(5.78) (5.79)

𝐹vi,Ed : Längsschubkraft auf dem betrachteten Abschnitt 𝑖 (siehe Gln. (5.64)– (5.67)), 𝐿𝑖 : Länge des Abschnittes 𝑖. Die Einwirkung des Schubflusses in den Längsschnitten a-a bis g-g gemäss Bild 5.30 sind die Folgenden: Schnitt a-a, e-e, g-g 𝑣Ed =

𝑏eff − 𝑏 2𝑏eff

Schnitt b-b, c-c, d-d, f-f 𝑣Ed = 𝑣Ed

𝑣Ed

(5.80) (5.81)

Widerstand

Um der durch die Verbindungsmittel eingeleiteten Kraft zu widerstehen, muss die Betondecke eine ausreichende Armierung aufweisen, welche quer zu den Längsschnitten von Bild 5.30 verläuft. Der längslaufende Schubwiderstand in den potenziellen Schnitten der Decke kann gemäss den Vorgaben der Norm SIA 262 mit einem Fachwerkmodell bestimmt werden (Bild 5.31). Der Bemessungswert der Längsschubkraft 𝑣Ed (pro

215

216

5 Haupt- und Deckenträger

sD sf f

Ae

f

h

Aefsd

Bild 5.31 Fachwerkmodell zum Widerstand des Längsschubes.

Längeneinheit) darf an keiner Stelle den Längsschubwiderstand überschreiten: 𝑣Ed ≤ 𝑣Rd + 𝑣pd

(5.82)

𝑣Rd : Anteil der Armierung, 𝑣pd : Anteil eines Profilbleches. Um das Profilblech anrechnen zu können, müssen dessen Rippen senkrecht zur Trägerachse verlaufen und über dem Stahlträger durchlaufen oder mittels Kopfbolzendübel mit dem Stahlträger verschweisst sein. Der Anteil der Querarmierung zum Längsschubwiderstand beträgt: 𝑣Rd =

𝐴𝑒 𝑓 cot 𝛩𝑓 𝑠𝑓 sd

(5.83)

mit einer Begrenzung aufgrund des Versagens der Beton-Druckstrebe: 𝑣Rd ≤ 𝑘𝑐 𝑓cd 𝐿𝑐 sin 𝛩𝑓 cos 𝛩𝑓 𝑘𝑐 : 𝐴𝑒 : 𝑓sd : 𝛩𝑓 :

Reduktionsfaktor (𝑘𝑐 = 0.6), wirksamer Querschnitt der Querarmierung (Bild 5.30), Bemessungswert der Streckgrenze von Betonstahl, Neigung der Betondruckdiagonalen bezüglich der Trägerlängsachse: • gedrückte Platte: 25◦ ≤ 𝛩𝑓 ≤ 45◦ , • gezogene Platte: 35◦ ≤ 𝛩𝑓 ≤ 45◦ , 𝑓cd : Bemessungswert der Zylinderdruckfestigkeit des Betons, 𝐿𝑐 : Länge des Schnittes gemäss Bild 5.30, 𝑠𝑓 : Abstand der Querbewehrung zur Trägerlängsrichtung.

(5.84)

5.5 Stahl-Beton-Verbundträger

Bei quer zur Trägerachse über dem Träger durchlaufenden Profilblechen beträgt der Beitrag an den Längsschubwiderstand: 𝑣pd =

𝐴𝑝 𝑓yp

(5.85)

𝛾ap

𝐴𝑝 : Querschnittsfläche des Profilblechs pro Längeneinheit, 𝑓yp : Streckgrenze des Profilblechs, 𝛾ap : Widerstandsbeiwert für das Profilblech (𝛾ap = 1.05). Bei quer zur Trägerachse über dem Träger nicht durchlaufenden Profilblechen, bei welchen die Dübel direkt durch das Blech verschweisst werden, beträgt der Beitrag an den Längsschubwiderstand: 𝑣pd =

𝑃pb,Rd 𝛾ap



𝐴𝑝 𝑓yp

𝛾ap 1 𝑃pb,Rd = 𝑘𝜑 𝑑𝑑0 𝑡𝑓yp 𝛾ap 𝑎 ≤ 6.0 𝑘𝜑 = 1 + 𝑑𝑑0

(5.86) (5.87) (5.88)

𝑃pb,Rd : Lochleibungswiderstand des Profilbleches, Durchmesser des Schweisswulsts, der als 1.1-facher Durchmesser des 𝑑𝑑0 : Dübelschaftes angesetzt werden darf, 𝑎: Abstand vom Mittelpunkt des Kopfbolzens bis zum Blechende (𝑎 ≥ 1.5𝑑𝑑0 ), 𝑡: Dicke des Profilblechs, Achsabstand der Kopfbolzendübel in Trägerlängsrichtung. 𝑠𝐷 :

5.5.8

Nachweis der Tragsicherheit

Bemessungsmethoden

Die Tragsicherheit nach den verschiedenen Bemessungsverfahren EER, EE, EP und PP wird wie für die Stahlträger nach Abschn. 5.3.5, Gl. (5.13) durchgeführt. Jedes dieser Verfahren bezieht sich auf eine Versagensform, welche von den Querschnittsklassen und dem statischen System abhängig ist. Deshalb müssen für die Anwendung dieser Verfahren gewisse Bedingungen bezüglich Schlankheit, Kippen und Trägerspannweiten erfüllt sein. Das Verfahren EER wird nicht behandelt, da sehr schlanke Träger der Klasse 4 in Gebäuden im Gegensatz zu Brückenbauten selten verwendet werden. Das Verfahren EE, das auf der Begrenzung der Spannungen aufbaut, ergibt in der Regel einen tieferen Biegewiderstandswert als der tatsächliche Wert. Dagegen ist das Gebrauchsverhalten absolut garantiert. Die Spannungsberechnung geschieht mit der Betonwertigkeit 𝑛 aus den verschiedenen Elastizitätsmodulen des Betons, je nach Art der Einwirkung (siehe TGC 10, Abschn. 4.7). Das Verfahren EP bezieht sich auf

217

218

5 Haupt- und Deckenträger

Tab. 5.12 Grenzschlankheiten (gedrückte Stahlteile des Verbundquerschnittes). Gedrücktes Bauteil

Gedrückter Flansch

c c

Querschnittsklasse 3

2

1

c ≤ 14 tf

235 fy

c ≤ 10 tf

235 fy

c ≤ 9 tf

235 fy

bw ≤ 42 tw

235 fy

bw ≤ 38 tw

235 fy

bw ≤ 33 tw

235 fy

-

Gebogener Steg

bw

-

𝑐: freie gedrückte Flanschbreite, 𝑡𝑓 : Dicke des gedrückten Flansches, 𝑏𝑤 : freie Steghöhe (Walzprofil: 𝑏𝑤 = ℎ1 = ℎ𝑎 − 2𝑡𝑓 − 2𝑟), ℎ𝑎 : Höhe des Stahlprofils, 𝑡𝑤 : Stegdicke.

den Fall, wo die Rotationskapazität begrenzt ist, aber ein plastisches Moment aufgebaut werden kann. Schlussendlich ist das Verfahren PP, welches eine Umlagerung der Auswirkungen erlaubt, für Verbundträger am besten geeignet. Dieses Verfahren ist bei den folgenden Bedingungen anwendbar: • die Differenz der Länge benachbarter Felder ist nicht grösser als 50 % des kürzesten Feldes, • die Spannweite des Randfeldes übersteigt 115 % des benachbarten Feldes nicht, • die Einwirkungen müssen im Wesentlichen gleichmässig verteilt oder vergleichbar mit verteilten Lasten sein. Beulen

Je nach angewandter Methode (EE, EP oder PP) müssen die Querschnittselemente in den kritischen Schnitten des Verbundträgers entsprechende Schlankheitskriterien erfüllen. Für doppelsymmetrische Stahlprofile werden wie in der Norm SIA 263 die Grenzschlankheiten der Tabelle 5.12 vorgegeben. Kippen

Nachweisverfahren von durchlaufenden Verbundträgern – elastisch oder plastisch – sind nur anwendbar, wenn Kippen verhindert ist. Im Allgemeinen ist im Endzustand der Träger-Oberflansch kontinuierlich und steif mit einer Beton- oder Verbunddecke verbunden und somit ist bei positiven Momenten (Oberflansch gedrückt) kein Kippnachweis erforderlich. Im Bereich von negativen Momenten, wo der Unterflansch des Stahlträgers gedrückt ist, muss ein Kippnachweis wie für einen Stahlträger allein gemacht werden (Abschn. 5.3.5), z. B. durch Überprüfung der Kriterien nach Tabelle 6 der Norm SIA 263 (kritische Kipplängen). Für Walzprofile

5.5 Stahl-Beton-Verbundträger

219

Tab. 5.13 Einwirkungen für den Tragsicherheitsnachweis. Bauzustand (nur Stahlträger); Querschnittswiderstand Elastisch Plastisch

Einwirkung Profileigengewicht Schalung oder Profilblech Beton-Eigenlast Konstruktionslasten Zwischenlasten Wind während der Montage Eigenlast des Verbundträgers Spriesslasten Überzüge, Beläge Schwindeinfluss Nutzlasten (kurzzeitig, langzeitig) Temperatur Wind Schnee

𝑔𝑎 𝑔coff oder 𝑔𝑝 𝑔𝑐 𝑞𝑚 𝑞entr 𝑞w,m

Endzustand (Verbundträger); Querschnittswiderstand Elastisch Plastisch (Wertigkeit n)

𝑔𝑎 𝑔coff oder 𝑔𝑝 𝑔𝑐 𝑞𝑚 𝑞entr 𝑞w,m 𝑔𝑎 + 𝑔𝑝 + 𝑔𝑐 𝑅 (𝑛𝜑 ) 𝑔fin (𝑛𝜑 ) 𝜀cs (𝑛𝜑 ) 𝑞𝑘 (𝑛0 , 𝑛𝜑 ) Δ𝑇 (𝑛𝜑 ) 𝑞𝑤 (𝑛𝜑 ) 𝑞𝑠 (𝑛𝜑 )

𝑔𝑎 + 𝑔𝑝 + 𝑔𝑐 𝑔fin 𝑞𝑘 𝑞𝑤 𝑞𝑠

kann eine genügend steife Einspannung in die Betondecke und somit eine seitliche Halterung des Unterflansches bei den folgenden Bedingungen angenommen werden: • HE Profile: Höhe kleiner als 800 mm (S 235), kleiner als 650 mm (S 355), • PE-Profile: Höhe kleiner als 600 mm (S 235), kleiner als 400 mm (S 355), • die Betondecke ist mindestens 100 mm stark und mit aufgeschweissten Kopfbolzendübeln versehen. Hier ist kein Kippnachweis erforderlich. Nachweise

In der Tabelle 5.13 werden nochmals die entsprechenden Einwirkungen für den Tragsicherheitsnachweis aufgelistet (Abschn. 5.3.1 und 5.5.3). Diese hängen vom Zustand (Bauzustand, Endzustand) und von der Art des Querschnittswiderstandes ab (elastisch, plastisch). Der Tragsicherheitsnachweis muss für jeden Lastfall in jedem kritischen Schnitt durchgeführt werden. Er geschieht je nach Verfahren unterschiedlich: Verfahren EE 𝜎a,Ed ≤

𝑓ya 𝛾𝑎

und 𝜎c,Ed ≤

0.85𝑓ck 𝛾𝑐

(5.89)

220

5 Haupt- und Deckenträger

𝜎a,Ed : 𝜎c,Ed : 𝑓ya : 𝑓ck : 𝛾𝑎 : 𝛾𝑐 :

Bemessungswert der maximalen Spannung im Stahl, Bemessungswert der maximalen Druckspannung im Beton, Streckgrenze des Stahlprofils, charakteristischer Wert der Zylinderdruckfestigkeit des Betons, Widerstandsbeiwert für Baustahl (𝛾𝑎 = 1.05), Widerstandsbeiwert für Beton (𝛾𝑐 = 1.5), Verfahren EP 𝑀Ed ≤

𝑀plb 𝛾𝑎

(5.90)

𝑀Ed : Bemessungswert des Biegemomentes, 𝑀plb : plastisches Widerstandsmoment des Verbundquerschnittes (Gln. (5.46) und (5.47)). Verfahren PP 𝑞Ed ≤

𝑞𝑢 𝛾𝑎

(5.91)

𝑞Ed : Bemessungswert der Einwirkung auf dem Träger, 𝑞𝑢 : Traglast des Verbundträgers aufgrund des Versagensmechanismus der plastischen Berechnung; z. B. Zweifeldträger mit gleichmässig verteilter Last (Gl. (5.53) und Bild 5.20). Anzahl Verbindungsmittel

Die Anzahl Verbindungsmittel auf einem Träger wird durch einen Vergleich der aufzunehmenden Längsschubkraft mit dem Widerstand eines Dübels bestimmt. Beim Verfahren EE variiert die Anzahl Verbindungsmittel pro Längeneinheit proportional zur aus der Querkraftlinie 𝑉Ed bestimmten Längsschubkraft 𝑣Ed,el . Die Anzahl 𝑁el pro Längeneinheit ergibt sich zu: 𝑁el =

𝑣Ed,el 𝑃Rd,el

(5.92)

𝑣Ed,el : Bemessungswert der Längsschubkraft Gl. (5.78), 𝑃Rd,el : elastischer Widerstandswert eines Verbindungsmittels (Tabellen 5.9 und 5.10). Bei plastischer Berechnung (Verfahren EP und PP) wird die Anzahl der Verbindungsmittel pro Trägerabschnitt zwischen zwei benachbarten kritischen Schnitten bestimmt. Die Gesamtanzahl pro Abschnitt 𝑖 beträgt: 𝑁𝑖 =

𝐹vi,Ed 𝑃Rd,pl

𝐹vi,Ed : Bemessungswert der plastischen Längsschubkraft im Abschnitt 𝑖 (Gln. (5.64) und (5.67)), 𝑃Rd,pl : plastischer Widerstandswert eines Verbindungsmittels (Tabellen 5.9 und 5.10).

(5.93)

5.5 Stahl-Beton-Verbundträger

300

5 300

4 150 6 125

3 150

5 300

3 200

4 200

221

5 400

200

300

8 125

HEA 650

l = 3750

l = 3750

l = 2500

10 000

(a) elastisch 240

160

44 180 (2 Reihen)

6 240 240 (1 Reihe)

HEA 450

l = 4150

l = 4150

l = 1700

10 000

(b) plastisch Bild 5.32 Beispiele für die Anordnung von Dübeln (Masse in mm).

Verteilung der Verbindungsmittel

Die Abmessungen und Anordnung der Dübel auf einem Träger sowie eines allfälligen Profilbleches müssen für eine volle Wirkung gewisse Bedingungen erfüllen. Zusätzlich zu den Ungleichungen (5.76) und (5.77) werden in Trägerrichtung folgende Abmessungen definiert: Maximaler Abstand zwischen zwei Dübeln: 4ℎ𝑐 Minimaler Abstand zwischen zwei Dübeln: 5𝑑𝐷

oder 600 mm

(5.94)

Bild 5.32a zeigt ein Beispiel mit einer elastischen Berechnung (Anordnung der Dübel proportional zu 𝑣Ed,el ); Bild 5.32b zeigt ein Beispiel mit plastischer Berechnung (regelmässige Anordnung der Dübel je Trägerabschnitt).

5.5.9

Nachweis der Gebrauchstauglichkeit

Im Abschn. 5.3.6 wurde der Nachweis der Gebrauchstauglichkeit von Walzprofilen im Wesentlichen durch die Überprüfung der Durchbiegungen gemacht. Für Verbundträger sind die Nachweise identisch mit der Ausnahme, dass der Beton, der zur Steifigkeit und dem Widerstand beiträgt, eine bedeutende Rolle bei der Berechnung der Durchbiegungen sowie der Schwingungen spielt (Abschn. 5.6). Grenzwerte der Deformationen

Bei Stahl-Beton-Verbundkonstruktionen werden die Durchbiegungen aufgrund der Dauer der ständigen Lasten infolge der unterschiedlichen Wirkung des Betons ver-

222

5 Haupt- und Deckenträger

grössert (zeitliche Entwicklung der Deformationen). Deshalb ist es erforderlich, die Durchbiegungsgrenzwerte für beide Zustände in Funktion des Tragelementes wie auch des Gebrauchs und der Nutzung des Bauwerkes zu definieren. Im Bauzustand, insbesondere für während dem Betoniervorgang nicht abgespriesster Träger, müssen die Grenzwerte zu grosse, ständige Durchbiegungen und unerwünschten Aufbeton verhindern. Im Endzustand müssen die Grenzwerte bei Flachdächern im Speziellen gegen die Ansammlung von Regenwasser ausgelegt sein (Wasseransammlung). Im Bauzustand (Stahlträger allein) muss der Grenzwert den Anforderungen des Aussehens genügen. Der Durchbiegungsgrenzwert bezüglich Stahlkonstruktionen aus dem Abschn. 5.3.6 gilt demzufolge auch für den Träger vor dem Aushärten des Betons: 𝑤lim =

𝑙 300

(5.95)

Im Endzustand (Verbundquerschnitt) müssen die Grenzwerte nach den Anforderungen Funktionstüchtigkeit, Komfort und Aussehen betrachtet werden. Die entsprechenden Richtwerte sind die folgenden: Funktionstüchtigkeit: 𝑤lim = Komfort:

𝑙 500 𝑙 = 300

𝑙 350

𝑤lim =

Aussehen: 𝑤lim

(5.96) (5.97) (5.98)

Im Fall der Funktionstüchtigkeit bezieht sich der Grenzwert auf die Oberkante der Decke. Im Fall des Aussehens bezieht sich der Grenzwert auf die Unterkante des Trägers. Berechnung der Durchbiegungen

Die Berechnung der Durchbiegungen erfolgt analog Abschn. 5.3.6 unter Beachtung der Bauzustände (Betonieren mit oder ohne Spriessung), dem Alter des Betons bezüglich der Bauzustände, der Dauer der Einwirkungen sowie des Schwindens. Die Berechnung kann nicht ohne genaue Kenntnis des realen statischen Systems des Trägers, der Beziehung benachbarter und parallel liegender Träger erfolgen. Speziell muss die Rissebildung von Verbundträgern über den Auflagern bei Durchlaufträger beachtet werden. Für die Bestimmung der Grösse einer Überhöhung des Stahlträgers gelten dieselben Betrachtungen. Die Nachweise können z. B. für folgende Zustände erfolgen (Tabelle 5.14): Stahlträger • im Bauzustand (Betonieren der Decke), Verbundträger • beim Entfernen der Spriesse, • unter ständigen Einwirkungen, • unter veränderlichen Einwirkungen, • unter Schwindeinfluss.

5.5 Stahl-Beton-Verbundträger

223

Tab. 5.14 Zustände, Systeme und Querschnitte für Berechnungen der Durchbiegung, erforderliche Nachweise. Statisches System Einwirkungen und Auflagerreaktionen (Durchbiegungen w)

Wirksamer Querschnitt

w0

Vorgaben Durchbiegungen Nachweise Aussehen w0

Bauzustand

l

EIa

Überhöhung (w0)

0.025 l

10 mm

wg = w1 + w31

ga + g c + gcoff w0 + w1 + w31

wg

l 300

ohne Spriesse EIa

w0 mit Abspriessung Träger + Frischbeton + Schalung (wg)

Funktionstüchtigkeit R

R

wR= (w1 + w2)

wR mit Abspriessung Reaktionen aus Spriessung (wR )

wgfin = (w1 + w2) EIb (n ) wqcourt = w 31 gfin

ohne Spriesse

Duktile Elemente

wgfin

EIb (n )

w0 + w1 + w2 + w31

l 350

Endzustand

gfin spröde Elemente mit Abspriessung ständige Lasten (wgfin)

wgfin

Mcs

Mcs Schwinden

w0 + w1 + w2 + w30

Aussehen

ws

EIb (ns) qk,long =

l 500

wqlong = w32

q 2 k

wqlong Langzeit-Einwirkung (Nutzlast) (wqlong) qk,court =q ou q k 1 k

ws = w2

w0 + w1 + w2 + w32

l 300

EIb (nt) Komfort

wqcourt Kurzzeit-Einwirkung (Nutzlast) (wqcourt )

EIb (n 0)

w31

l 350

224

5 Haupt- und Deckenträger

Durchbiegungen im Bauzustand

Die Einwirkungen bei der Montage des Stahlträgers und des Betoniervorganges wirken ausschliesslich auf den Stahlträger. Deshalb muss in den Berechnungsformeln das Trägheitsmoment des Stahlprofils eingesetzt werden (𝐼 = 𝐼𝑎 ). Die zu berücksichtigenden Lasten sind das Stahleigengewicht und das Gewicht des Frischbetons sowie das Eigengewicht der Schalung, sofern diese vom Träger getragen wird. Im Fall von Spriessungen sind die Durchbiegungen des Stahlträgers im Bauzustand in der Regel sehr klein und können vernachlässigt werden. Dagegen müssen die Durchbiegungen des Verbundträgers beim Entfernen der Spriesse berechnet werden (Endzustand). Durchbiegungen im Endzustand

Die Durchbiegungen aus ständigen Einwirkungen entstehen im Verlauf der Zeit, da die ständigen Spannungen das Kriechen des Betons hervorrufen. Kriechen hängt im Wesentlichen von der Zeit 𝑡0 beim Einbringen des Betons und der danach verflossenen Zeit 𝑡 ab. Kriechen ist durch die Kriechzahl 𝜀 (𝑡, 𝑡0 ) definiert und vervielfacht die elastische Dehnung des Betons: 𝜀cc (𝑡) = 𝜑(𝑡, 𝑡0 )𝜀c,el

(5.99)

Die Enddehnung des Betons aus Kriechen 𝜀cc (∞) ist gegeben durch: 𝜀cc (∞) = 𝜑∞ 𝜀c,el 𝜀cc (𝑡): 𝜑(𝑡, 𝑡0 ): 𝜀c,el : 𝜑∞ :

(5.100)

Kriechdehnung des Betons zur Zeit 𝑡, Kriechzahl gemäss Norm SIA 262, elastische Dehnung des Betons zur Zeit 𝑡 = 0, Endkriechzahl (z. B. 𝜑∞ = 2.0).

Bild 5.33 veranschaulicht die grafische 𝜎−𝜀 Beziehung des Betons unter Kriecheinfluss. In Verbundquerschnitten verursacht Kriechen eine Umverteilung der Spannungen. Allerdings verformt sich der Beton unter konstanten Lasten kontinuierlich im [N/mm2] Zug c,el + cc (t)

c,el + cc ( )

c,el

[‰] 1

Ec ( ) t=

Ec(t)

1

t

1

Druck

Ec 0

t =0

Bild 5.33 𝜎−𝜀 Diagramm unter Kriecheinfluss.

c,el

5.5 Stahl-Beton-Verbundträger



Beton M = const.

Neutralachse t = 0 Neutralachse t = ∞

Stahl

Bild 5.34 Umverteilung der Spannungen in einem Verbundquerschnitt infolge Kriechen.

Verlauf der Zeit und überträgt einen Teil seiner Spannungen an den Stahlträger. Dieses Phänomen zeigt die Darstellung im Bild 5.34 mit der Verteilung der Dehnungen 𝜀 und den Spannungen 𝜎 bei einem Verbundquerschnitt zur Zeit 𝑡 = 0 und 𝑡 = ∞. Die Vergrösserung der Betondehnungen (𝜀0 zu 𝜀∞ ) erzeugt eine Verminderung der Spannungen 𝜎𝑐 im Beton und eine Erhöhung der Spannungen 𝜎𝑎 im Stahlprofil. Somit verhält es sich, wie wenn das Kriechen die Steifigkeit der Betonplatte vermindern würde. Mit der Einführung der Kriechzahl Gl. (5.99) kann man nun die Entwicklung dieser Steifigkeit mithilfe eines fiktiven Elastizitätsmoduls des Betons ausdrücken: 𝐸𝑐 (𝑡) =

𝜎c,el 𝜀c,el + 𝜀cc (𝑡)

=

𝐸cm 𝜀c,el 𝜀c,el + 𝜀cc (𝑡)

=

𝐸cm 1 + 𝜑(𝑡, 𝑡0 )

(5.101)

Für Verbundkonstruktionen ist es möglich, Kriechen durch den Gebrauch von wirksamen Elastizitätsmoduln 𝐸c,eff von Beton auf eine vereinfachte Art zu behandeln; die Nennwerte aus Norm SIA 264 sind die folgenden: 𝐸c0 = 𝐸cm für Kurzzeiteinwirkungen 𝐸cm für Langzeiteinwirkungen (mit Kriechen) 𝐸c∞ = 3 𝐸cm für den Schwindeinfluss 𝐸cs = 2

(5.102)

Die Betonwertigkeit 𝑛 = 𝐸𝑎 ∕𝐸𝑐 erlaubt bei elastischer Berechnung der Verbundquerschnitte, den Betonquerschnitt durch einen äquivalenten Stahlquerschnitt zu ersetzen und trägt so auch dem Kriechen des Betons Rechnung. • Bei der Berechnung der Durchbiegungen infolge von ständigen Lasten (𝑡 = ∞) wird in den Gln. (5.25) oder (5.26) das Trägheitsmoment 𝐼𝑏 des Verbundquerschnittes eingesetzt, welches mit der Betonwertigkeit 𝑛𝜑 mit Kriecheinfluss berechnet wird: 𝑛𝜑 =

𝐸𝑎 𝐸𝑎 =3 = 3𝑛0 𝐸𝑐𝜑 𝐸cm

(5.103)

• Die Durchbiegung der veränderlichen Lasten (Tabelle 5.14) hängt von der Wirkungsdauer ab. Die Langzeiteinwirkungen sind unter der Bedingung der Berücksichtigung der Kriechzahl 𝜑(𝑡, 𝑡0 ), welche der reellen Lastdauer entspricht, mit

225

226

5 Haupt- und Deckenträger

Ncs

Mcs

Ncs

+

Ncs

Ncs

+

Einwirkungen Mcs Mcs Ncs

Ncs

Mcs Ncs

Ncs l

l

l 1M 2 cs

Momentenlinien M Mcs

Mcs

ws

Durchbiegungen w

ws

(b) Zweifeldträger

(a) einfacher Balken

Bild 5.35 Auswirkungen und Durchbiegungen infolge Schwinden.

den ständigen Lasten vergleichbar. Somit wird für 𝐼𝑏 der Wert 𝑛𝑡 mit dem Elastizitätsmodul 𝐸𝑐 (𝑡) aus der Gl. (5.97) eingeführt. • Für Kurzzeiteinwirkungen wird das Kriechen nicht wirksam und man kann die Durchbiegungen des Verbundträgers mit dem Elastizitätsmodul von Beton 𝐸c0 berechnen. Die Betonwertigkeit beträgt dann 𝑛0 = 𝐸𝑎 ∕𝐸cm . • Die Durchbiegungen aufgrund von Schwinden werden mit dem konstanten Moment 𝑀cs , das an den freien Enden des Trägers wirkt, berechnet (Bild 5.35). Die maximale Durchbiegung aus Schwinden erhält man durch Einsetzen des Trägheitsmomentes des ungerissenen Verbundquerschnittes 𝐼b,h mit 𝑛𝑠 = 𝐸𝑎 ∕𝐸cs = 2𝑛0 : Für einen einfachen Balken: 𝑤𝑠 = Für einen Zweifeldträger: 𝑤𝑠 ≅

𝑀cs 𝑙2 8𝐸𝑎 𝐼b,h

𝑀cs 𝑙2 27𝐸𝑎 𝐼b,h

Für das Randfeld eines Drei- und Mehrfeldträgers: 𝑤𝑠 ≅

(5.104) (5.105) 𝑀cs 𝑙2 (5.106) 20𝐸𝑎 𝐼b,h

Rissebildung des Betons

Die Rissebildung von Beton in Zugzonen von negativen Momenten bei durchlaufenden Verbundträgern bewirkt eine Umverteilung der Momente von den Auflagern in die Felder und eine Erhöhung der Deformationen. Der Grund liegt darin, dass sich die in der Berechnung als konstant angenommene Steifigkeit über den Auflagern verringert. Um den Bauzustand unter Berücksichtigung der gerissenen Zonen nachzuweisen, ist es möglich, die Beziehung der maximalen Durchbiegungen 𝑤max,h ∕𝑤max,f

5.5 Stahl-Beton-Verbundträger q I += const l

l

wmax,h Träger mit konstantem Trägheitsmoment

q _

I+

I

l+ l

2l

_

I+ l+ l

wmax,f Träger mit gerissenem Beton über dem Auflager

Bild 5.36 Durchbiegungen von durchlaufenden Verbundträgern.

in Relation zu den Trägheitsmomenten über dem Auflager und im Feld 𝐼 − ∕𝐼 + zu stellen (Bild 5.36). 𝑤max,h : 𝑤max,f : 𝐼 +: 𝐼 −:

maximale Durchbiegung im Feld mit konstanter Biegesteifigkeit EI und homogenem Querschnitt, maximale Durchbiegung im Feld mit reduzierter Steifigkeit und gerissenem Querschnitt über dem Auflager, Trägheitsmoment des Verbundquerschnittes im Feld mit homogenem Querschnitt, Trägheitsmoment des Verbundquerschnittes über dem Auflager aus dem Stahlträger und der Bewehrung in der Decke. Diese Definition von 𝐼 − , auf der Länge 𝑙− im Bereich der negativen Momente, ist nicht streng exakt; in Wirklichkeit befindet sich das repräsentative Trägheitsmoment, wie oben gegeben, zwischen den Werten 𝐼 − und 𝐼 + . Je nach Grösse und Anordnung der Bewehrung ist es nicht ausgeschlossen, dass das Trägheitsmoment über dem Auflager trotz Rissebildung sehr nahe beim Trägheitsmoment im Feld liegt (Länge 𝑙+ ).

Die Kurven von Bild 5.37 zeigen numerische Werte für die Berechnung von Durchbiegungen für Zwei- und Dreifeldträger unter einer gleichmässig verteilten Last 𝑞.

5.5.10 Methode zur Bemessung eines Verbundträgers mit halbsteifen Knoten In den nachfolgenden Zahlenbeispielen dieses Kapitels werden Verbundträger als einfacher Balken (Abschn. 5.7.2) und als Durchlaufträger (Abschn. 5.7.3) vorgestellt. In den Zahlenbeispielen wird auch eine Zwischenlösung gezeigt, bei welcher die Träger halbsteif an die Stützen befestigt werden. Diese Struktur wird mithilfe einer neuen elastisch-plastischen Methode nachgewiesen, einem Nachweisverfahren von ausgesteiften Rahmen mit halbsteifen Verbundknoten (Thèse EPFL Nr. 2055 [3]). Die Methode wird nachfolgend vorgestellt. Modellbildung

Die vorgeschlagene Methode besteht darin, den Biegewiderstand eines Trägers einer Tragstruktur in einem ausgesteiften Gebäude mit Berücksichtigung des plas-

227

228

5 Haupt- und Deckenträger

wmax,h wmax,f

wmax,h wmax,f

1.0

1.0 = 1.0 = 0.5

0.8

0.8 = 1.0

= 0.5

0.6

0.6 = 2.0 q

0.4 l

l I+

0.2

I

_

I+

0.2

0.4

0.6

0.8

l

l I+

0.2

I

I

_

I+

l I

_

I+

_

M 0.0

q

0.4

_

M

I I+ 0.0

1.0

I

0.2

0.4

Zweifeldträger

0.6

0.8

I I+ 1.0

Dreifeldträger

Bild 5.37 Einfluss der Rissebildung über dem Auflager auf die Durchbiegung von Verbundträgern.

tischen Momentes der Verbindungen dieses Trägers an den Stützen sowie einem Prozentanteil des plastischen Momentes des Trägers im Feld zu berücksichtigen. Um das zu veranschaulichen, betrachten wir das Beispiel eines Dreifeldträgers gemäss Bild 5.38. Die Verbundknoten bei den Innenstützen sind mit Drehfedern modelliert, jede Verbindung habe eine Biegesteifigkeit 𝑆𝑗 und einen Bemessungswert des Biegewiderstandes von 𝑀j,Rd (Abschn. 5.7.2). In den Randfeldern übertragen die Verbindungen an den Aussenstützen keine Momente, diese Anschlüsse sind somit gelenkig. halbsteifer Verbundanschluss (Sj ; Mj,Rd) Gelenk

Gelenk

Träger Stütze

l

l

Bild 5.38 Modell eines Dreifeldträgers.

l

5.5 Stahl-Beton-Verbundträger

Prinzip der Methode

Damit der Querschnitt eines Trägers im Feld plastifiziert, ist eine bestimmte Rotation seiner Anschlüsse an den Rändern des Feldes nötig. Diese erforderliche Rotation hängt von verschiedenen Parametern ab, insbesondere von der Schlankheit 𝑙∕ℎ𝑡 des Trägers, der Stahlsorte, der Belastungsart (punktförmig, gleichmässig verteilt) und der Konstruktionsart (abgespriesstes oder nicht abgespriesstes Profilblech beim Betoniervorgang). Wenn die verfügbare Rotation, welche die Verbindung ohne Widerstandsverlust aufnehmen kann, grösser ist als die erforderliche Rotation, kann der Träger im Feld seinen plastischen Widerstand erreichen. Im anderen Fall kann im Feld nur ein Prozentanteil des plastischen Widerstandes mobilisiert werden. Dieser Prozentanteil der erreichbaren Plastifizierung 𝜔att (Bild 5.39) wurde für die verschiedenen aufgezählten Parameter von Verbundträgern berechnet unter der Annahme, dass eine verfügbare Rotation der Verbindungen gleich oder höher 30 mrad sei und auch, dass die Stützen keine Rotation erfahren, beispielsweise aufgrund eines Biegemomentes. Konzeptionelle und konstruktive Regeln [4] erlauben es, eine minimale verfügbare Rotation von 30 mrad zu erhalten und einen vorzeitigen Bruch der Verbindungen zu verhindern. Die Traglast 𝑞u,Rd , welche ein Verbundträger aufnehmen kann, wird berechnet in Funktion des Widerstandes der Verbundanschlüsse 𝑀j1,Rd und 𝑀j2,Rd , sowie des plastischen Biegewiderstandes des Verbundträgers 𝑀pl,Rd und der Spannweite 𝑙 mithilfe folgender allgemeinen Gleichung, welche auf der Hypothese der Bildung von drei Fliessgelenken basiert [4]: 𝑞u,Rd =

2 (2𝜔att 𝑀pl,Rd − 𝑀𝑗1,𝑅𝑑 − 𝑀j2,Rd 𝑙2 √ +2 (𝑀𝑗1,𝑅𝑑 − 𝜔att 𝑀pl,Rd )(𝑀j2,Rd − 𝜔att 𝑀pl,Rd ))

(5.107)

qu

Mj2,Rd

Mj1,Rd

Mpl,Rd

Konstruktionsart Mit Spriessung Ohne Spriessung

Stahlsorte S 235 S 355 S 235 S 355

l /ht 15 – 22 23 – 30 1.00 0.90 0.95 0.85 0.95 0.85 0.90 0.80

Prozentanteil der erreichbaren Plastifizierung (gleichmässig verteilte Last).

l

M q l2 8

Bild 5.39 Mechanismus eines Durchlaufträgers und Prozentanteil der erreichbaren Plastifizierung.

229

230

5 Haupt- und Deckenträger Nutzlast

q Ed

Eigengewicht

gEd

Mj,Rd

Mj,Rd

Mechanismus att Mpl,Rd

l

att Mpl,Rd

l

att Mpl,Rd

l

Bild 5.40 Symmetrische, gleichmässig verteilte Einwirkung auf der Decke.

Innenstützen sind nicht durch Biegung beansprucht

Bei symmetrischer Einwirkung (gleichförmig verteilte Last auf der Decke) und unter der Annahme, dass alle inneren Anschlüsse den gleichen plastischen Widerstand haben (Bild 5.40), sind die Innenstützen keinem Biegemoment unterworfen. Die Traglast 𝑞u,Rd kann für jedes Feld separat bestimmt werden mit der Hypothese, dass die Verbundanschlüsse ihren plastischen Widerstand erreichen. Somit kann man direkt den Wert 𝜔att aus der Tabelle in Bild 5.39 benützen. Innenstützen sind auf Biegung beansprucht

Bei asymmetrischer Einwirkung (keine gleichförmig verteilte Last auf der Decke; Bild 5.41) oder bei ungleichen Feldspannweiten oder auch bei verschiedenen plastischen Widerständen der Verbundanschlüsse in jedem Feld, können die Biegemomente an den Knoten auf jeder Seite der Stütze verschieden und somit auf Biegung beansprucht sein. Die Rotation 𝜙𝑚 der Stütze muss nun zur verfügbaren Rotation der Verbindung addiert werden, bevor sie mit der erforderlichen Rotation verglichen wird; sie hat somit einen Einfluss auf den Prozentanteil der Plastifizierung, welche der Träger im Feld erreichen kann. In den meisten praktischen Fällen erfährt die Stütze eine Rotation beim (Rand-)Feld mit der grösseren Belastung, eine Rotation, welche also einen Beitrag zur Vergrösserung des plastischen Momentes im Feld liefert. Es ist nun konservativ, diesen günstigen Effekt zu vernachlässigen, wodurch es erlaubt ist, die Werte 𝜔att der Tabelle in Bild 5.39 zu benützen, wo keine Biegung in den Stützen angenommen ist. Wenn die Rotation der Stütze in die Richtung zum Innenfeld erfolgt, ist der Prozentsatz der erreichbaren Plastifizierung reduziert; die Rotation der Stütze muss also von der verfügbaren Rotation abgezogen werden. Eine weitere wichtige Folgerung im Fall von durch Biegung beanspruchten Stützen ist die Reduktion des plastischen Widerstandes des Knotens aufgrund der Schubbeanspruchung des Stützensteges.

5.6 Deckenschwingungen

231

Nutzlast

qEd

Eigengewicht

gEd

Mj,Rd

Mj

Mj

Mj,Rd

Mechanismus att Mpl,Rd

Mm,sup m

att Mpl,Rd

l

l

l

Mj

Mj,Rd Mm,inf

Mj,Rd att Mpl,Rd

Mj

M att Mpl,Rd

Bild 5.41 Asymmetrische Belastung der Decke.

5.6 Deckenschwingungen Schwingungen von Gebäudedecken werden erzeugt durch Maschinen mit Kreisbewegungen oder vibrierender Funktion (insbesondere beim Anlassen), durch Personen mit regelmässigen Taktbewegungen (Sport, Tanz usw.) oder Personen, die sich fortbewegen. In den beiden ersten Fällen handelt sich um fortlaufende Schwingungen; als Erstes muss eine dynamische Berechnung erfolgen, welche das dynamische Verhalten der Struktur erfasst und das Risiko einer Resonanzanregung durch die Maschinen abschätzt. Danach muss das einwandfreie Funktionieren der Maschinen, der Widerstand der Tragstruktur und der Komfort der Personen mit folgenden Massnahmen je nach Konstruktionsart gewährleistet werden: • die dynamischen Einwirkungen via Stützen direkt in den Untergrund leiten, • die Steifigkeit des Bodens so anpassen, dass die Eigenfrequenzen beträchtlich von den Erzeugerfrequenzen abweichen, • Boden und Maschinen durch Dämpfungselemente trennen. Im dritten Fall handelt es sich um vorübergehende Schwingungen; hier muss mit der Berechnung des dynamischen Verhaltens der für statische Lasten dimensionierte Boden überprüft werden. Insbesondere Verbundträger mit grossen Spannweiten können unter normalem Gebrauch durch Personenbewegungen in vorübergehende Schwingungen versetzt werden. Träger mit grossen Spannweiten (mit dem Vorteil grosser Freiflächen ohne störende Tragelemente) können Dank ständiger Weiterentwicklung der Berechnungsmethoden und der Anwendung von höherfesten Stählen

232

5 Haupt- und Deckenträger

und Betonsorten realisiert werden. Diese Entwicklung ermöglicht es, Masse und Steifigkeit zu verringern und die Weichheit zu vergrössern. Wir zeigen nachfolgend eine in Kanada entwickelte Methode [5, 6], welche darin besteht, ein Annahme-Kriterium der menschlichen Wahrnehmung zu definieren, welches auf die maximale Beschleunigung, die Frequenzschwingung und die Dämpfung des Bodens Rücksicht nimmt.

5.6.1

Menschliche Wahrnehmung

Die menschliche Wahrnehmung von Schwingungen ist ein komplexes Phänomen, welches von der Schwingungsamplitude und der Umgebung der eigenen Wahrnehmung einer Person abhängt. Eine andauernde Bewegung kann störender sein als ein gelegentlicher Stoss, der eine vorübergehende Schwingung auslöst. Die Schwelle der Wahrnehmung einer Bewegung eines Bürobodens kann je nach Person mehr oder weniger hoch sein als in einer Wohnung. Es ist deshalb extrem schwierig, die menschliche Reaktion auf Bewegungen eines Bodens zu erfassen und alle Versuche, um Massstäbe für die menschliche Wahrnehmung zu definieren, haben nie zu kohärenten und präzisen Empfehlungen geführt. Jedoch können die von verschiedenen Autoren oder Normen vorgeschlagenen Skalen dazu führen, die gleiche Decke in einem Fall als annehmbar und in einem anderen Fall als nicht annehmbar zu werten. Es ist möglich, daraus aus Beobachtung ein Kriterium abzuleiten, das vor allem vom Dämpfungsfaktor des Bodens abhängt. Die Decken können in verschiedene Kategorien eingeteilt werden, die sich aus der menschlichen Reaktion der erzeugten Schwingungen ergeben: • • • •

von den Benutzern nicht wahrgenommen, wahrgenommen, aber nicht störend, störend und beunruhigend, solche, welche die Leute krank machen.

Die kanadische Stahlbau-Norm [6] gibt ein Kriterium, welches die Toleranzschwelle bezüglich der Unannehmlichkeit aus vorübergehenden Schwingungen für Decken in Wohngebäuden, Schulen und Geschäftshäusern definiert. Dieses Kriterium kommt aus Versuchen, welche die Werte der Anfangsamplitude unter einem Fersenschlag mit der Frequenz und Dämpfung der Schwingung vergleichen. Zudem ordnet man jeder Decke eine befriedigende oder unbefriedigende Beurteilung aufgrund der subjektiven Einschätzung von Benutzern oder Forschern zu. Die Toleranzschwellen sind somit eine Kombination von Beschleunigung und Dämpfung der Decke in Funktion ihrer Eigenfrequenz. Die Schwellen sind die folgenden (Bild 5.42): • 1.5 % der Erdbeschleunigung 𝑔 für eine Dämpfung von 3 %, • 5.0 % der Erdbeschleunigung 𝑔 für eine Dämpfung von 6 %, • 15.0 % der Erdbeschleunigung 𝑔 für eine Dämpfung von 12 %. Das Bild 5.42 [6] gibt eine obere Grenze der fortlaufenden Schwingungen in Funktion der maximalen Beschleunigung an, welche nicht überschritten werden darf.

5.6 Deckenschwingungen maximale Beschleunigung a0 in Prozent von g 100 50

20 15

Dämpfung

vorübergehende Schwingungen

= 12%

10 5.0 = 6%

dauernde Schwingungen

1.5

= 3%

1.0 0.5

0.1

Frequenz f [s –1] 1

2

4

6

10

20

Bild 5.42 Toleranzschwellen von Deckenschwingungen in Gebäuden aufgrund des Personenverkehrs.

5.6.2

Schwingungsfrequenz

Die Schwingungsfrequenz von Decken mit oder ohne mitwirkende Platte kann annähernd wie bei einem einfachen Balken berechnet werden, unter der Bedingung, das Trägheitsmoment mit folgenden Hypothesen zu berechnen [7]: • Es handelt sich um einen Verbundträger, wie auch immer der Bauzustand sei (mit oder ohne Verbindung), • die mitwirkende Breite der Betonplatte ist gleich dem Abstand 𝑠 der Stahlträger, • die Dicke der Verbundplatte entspricht derjenigen einer massiven Platte mit identischem Gewicht. Die Eigenfrequenz 𝑓1 der ersten Schwingung eines einfachen Balkens beträgt: 𝜋 𝑓1 = 2



𝐸𝑎 𝐼𝑏 𝑚 ⋅ 𝑙4

[s−1 ]

(5.108)

233

234

5 Haupt- und Deckenträger

𝐸𝑎 : Elastizitätsmodul von Baustahl (𝐸𝑎 = 210 ⋅ 109 N∕m2 ), 𝐼𝑏 : Trägheitsmoment des homogenen Verbundträgers [m4 ], 𝑚: lineare Masse des schwingenden Trägers [kg/m], die Eigengewicht, ständige Lasten und ein geschätzter Teil an Nutzlasten enthält, 𝑙: Spannweite des einfachen Balkens [m]. Wenn die einfachen Balken auf senkrecht dazu angeordneten Unterzügen liegen, ist die Eigenfrequenz des Systems f 1,sys viel kleiner, weil die Steifigkeit des Systems viel grösser ist. Diese Eigenfrequenz kann näherungsweise durch folgende Gleichung berechnet werden: 1 2 𝑓1,sys

=

1 2 𝑓1,sol

+

1 2 𝑓1,som

(5.109)

𝑓1,sol : Eigenfrequenz des einfachen Balkens, 𝑓1,som : Eigenfrequenz des Unterzuges, rechtwinklig unter dem Balken. Durchlaufträger können wie einfache Balken behandelt werden, da die benachbarten Felder in die entgegengesetzte Richtung schwingen.

5.6.3

Maximale Beschleunigung

Die maximale Anfangsbeschleunigung 𝑎0 aus einem Impuls 𝐼 beträgt: 𝑎0 = 0.9 𝑓1 : 𝐼: 𝑀: 0.9:

2𝜋𝑓1 𝐼 𝑀

[

m ] s2

(5.110)

Eigenfrequenz der ersten Schwingung [s–1 ], Impuls [N s], schwingende Masse [kg], Korrekturfaktor, welcher die Dämpfung der Antwort berücksichtigt.

Wenn der Impuls 𝐼 durch einen Fersenschlag geschieht, wird er zu 67 N s angenommen. Die wirksam schwingende Masse für einen einfachen Balken (Sinusschwingung) beträgt 0.67-mal die effektive Masse 𝑔tot (Eigengewicht der Decke, ständige Lasten und ein geschätzter Teil an Nutzlasten). Die Beschleunigung 𝑎0 in Prozent der Erdbeschleunigung 𝑔 beträgt somit: 𝑎0 = 𝑓1 : 𝑔tot : 𝑏: 𝑙:

60𝑓1 𝑔tot 𝑏𝑙

[% g]

(5.111)

Eigenfrequenz der ersten Schwingung [s–1 ], Gewicht der Decke, inklusive Langzeiteinwirkungen [kN/m2 ], mitwirkende Breite der Decke (als Abstand der Träger angenommen) [m], Spannweite des einfachen Balkens [m].

5.6 Deckenschwingungen

Im Fall von Decken mit übereinanderliegenden Trägern (Bodenträger, Unterzug) wird die Fläche der Decke 𝑏 ⋅ 𝑙 mit folgendem Wert in die Gl. (5.111) eingesetzt: 𝑏𝑙 = (

𝑓1,sys 𝑓1,sol

2

) 𝑏sol 𝑙sol + (

𝑓1,sys 𝑓2,som

2

) 𝑏som 𝑙som

(5.112)

𝑏sol : 𝑙sol : 𝑏som : 𝑙som : 𝑓1,sys :

Plattenbreite abhängig des Trägers (= Achsabstand der Bodenträger), Spannweite des Bodenträgers, Plattenbreite abhängig des Unterzuges (𝑏som = 𝑏sol ), Spannweite des Unterzuges, gemäss Gl. (5.109).

5.6.4

Dämpfung

Der verfügbare prozentuale Anteil der Dämpfung 𝜁 in einer Decke ist der wichtigste Parameter einer Deckenschwingung und sehr schwierig zu bestimmen. Er ist abhängig von der Konstruktion, der Dicke und des Gewichtes der Decke und vor allem vom Vorhandensein von weiteren Elementen wie Brandschutz, Zwischenwände, Haustechnikleitungen, Bodenabdeckungen, Mobiliar usw. Die kanadische Norm [6] empfiehlt folgenden prozentualen Anteil der Dämpfung: • nackte Decke: 𝜁 = 3 %, • fertige Decke (mit Leitungen, abgehängten Decken, Bodenabdeckung, Mobiliar): 𝜁 = 6 %, • fertige Decke mit Zwischenwänden: 𝜁 = 12 %.

5.6.5

Nachweise

Bei fortlaufenden Schwingungen müssen die Eigenfrequenzwerte (allenfalls mit Einbezug der harmonischen Schwingungen höherer Ordnung) mit der Erregerfrequenz des Trägers oder Systems überprüft werden. Wenn die Frequenzen nahe beieinanderliegen, ist die Wahrscheinlichkeit einer Anregung gross. Die Norm SIA 260 gibt untere Richtwerte von Eigenfrequenzwerten verschiedener Bauwerke an. Bei vorübergehenden Schwingungen kann die Grafik in Bild 5.42 für den Nachweis verwendet werden. Die Grundfrequenz 𝑓1 des betrachteten Trägers oder Systems wird mit den Gln. (5.107) und (5.109) berechnet; die maximale Beschleunigung (in Prozent der Erdbeschleunigung 𝑔) der Schwingungen 𝑎0 wird mit der Gl. (5.111) berechnet. Durch eine Übertragung der Werte in die Grafik findet man einen Punkt zwischen den verschiedenen Toleranzschwellen. Durch Interpolation findet man den erforderlichen prozentualen Anteil der Dämpfung 𝜁, damit der Toleranzwert einer solchen Beschleunigung nicht überschritten wird. Wenn der prozentuale Anteil der Dämpfung 𝜁 bekannt ist oder geschätzt werden kann, ist es möglich, mithilfe der Grafik die maximale Beschleunigung 𝑎0 (in Prozent von 𝑔) zu bestimmen, welche die Decke aushalten kann, ohne die Toleranzschwelle zu überschreiten.

235

236

5 Haupt- und Deckenträger

5.7 Rechenbeispiele Die ersten drei Beispiele behandeln die Berechnung einer Deckenkonstruktion in einem Gebäude. Beim vierten Beispiel wird ein halbsteifer Knoten berechnet. Beim fünften Beispiel geht es um die Schwingungsberechnung einer Decke.

5.7.1

Bemessung der Deckenträger

Vorgaben

In diesem Beispiel werden die Deckenträger eines Bürogebäudes bemessen (Bild 5.43). Die Träger übernehmen die Einwirkungen der Blechverbunddecke aus dem Abschn. 4.4. Träger: IPE 270 in Stahl S 235 (𝑓ya = 235 N∕mm2 ), Blechverbunddecke: Verbundblech Cofrastra 40/0.75, Stahl S 350 GD (𝑓yp = 350 N∕mm2 ), Fläche 𝐴𝑝 = 1184 mm2 ∕m, • Gesamtdicke: ℎ = 100 mm, • äquivalente Dicke: ℎeq = 86.4 mm (Dicke einer vollen Betondecke mit gleichem Gewicht), • Beton: C√ 25/30 (𝑓ck = 25 N∕mm2 , 3 𝐸𝑚 = 𝑘𝐸 𝑓cm = 34,4 kN∕m2 ), • Bewehrung: geschweisstes Netz 4 mm, 𝑠 = 100 mm, Stahl B500B (𝑓sk = 500 N∕mm2 ), • Fläche: 𝐴 = 126 mm2 ∕m, • Verbundmittel: 𝑑𝐷 = 16 mm, ℎ𝐷 = 75 mm, Stahl S235 J2, kaltgeformt (𝑓uB = 450 N∕mm2 ). Statisches System

Verbundträger im Abstand von 2.0 m als einfache Balken mit einer Spannweite von 8.0 m. In der Bauphase bildet das Verbundblech die seitliche Halterung des gedrückten Obergurtes gegen Kippen. Charakteristische Einwirkungen Bauzustand (Bild 5.43b)

Trägereigengewicht (IPE 270): Gewicht des Bleches: Frischbetongewicht: Konstruktionslasten:

𝑔𝑎 = 0.361 kN∕m, 𝑔𝑝 = 0.099 kN∕m2 ⋅ 2 m = 0.2 kN∕m, 𝑔𝑐 = 2.25 kN∕m2 ⋅ 2 m = 4.5 kN∕m, 𝑞𝑚 = 1.0 kN∕m2 ⋅ 2 m = 2.0 kN∕m.

Endzustand (Bild 5.43c)

Trägereigengewicht (IPE 270): 𝑔𝑎 = 0.361 kN∕m, Eigengewicht der Decke (Blech + Beton): 𝑔𝑏 = 𝑔𝑝 + 𝑔𝑐 = 0.2 kN∕m + 4.5 kN∕m = 4.7 kN∕m, Gewicht der Auflasten: 𝑔fin = 1.6 kN∕m2 ⋅ 2 m = 3.2 kN∕m, Nutzlasten (Büro): 𝑞𝑘 = 3.0 kN∕m2 ⋅ 2 m = 6.0 kN∕m.

5.7 Rechenbeispiele 150

Blech Cofrastra 0.75 100 270

Träger IPE 270

Unterzug HEA 280

8.0 m

(a) Tragstruktur

qm ga + gp + g c

(b) statisches System im Bauzustand

qk ga + gb + gfin

(c) statisches System im Endzustand Bild 5.43 Verbundträger und Einwirkungen.

Gefährdungsbilder und Lastfälle Bauzustand Es gibt ein Gefährdungsbild: Leiteinwirkung Konstruktionslasten.

Der Lastfall berechnet sich wie folgt (Grenzzustand Typ 2): 𝐸𝑑 = 𝐸{𝛾𝐺 (𝑔𝑎 + 𝑔𝑝 + 𝑔𝑐 ) + 𝛾𝑄 𝑞𝑚 } Endzustand

Für den Verbundträger gibt es ein Gefährdungsbild: Leiteinwirkung

Nutzlasten. Der Lastfall berechnet sich wie folgt (Grenzzustand Typ 2): 𝐸𝑑 = 𝐸{𝛾𝐺 (𝑔𝑎 + 𝑔𝑏 + 𝑔fin ) + 𝛾𝑄 𝑞𝑘 } Bemessungswerte der Auswirkungen Bauzustand + 𝑀Ed = 1.35(𝑔𝑎 + 𝑔𝑝 + 𝑔𝑐 )

𝑙2 𝑙2 + 1.50𝑞𝑚 8 8

= 1.35(0.36 kN∕m + 0.2 kN∕m + 4.5 kN∕m) ⋅ + 1.50 ⋅ 2.0 kN∕m ⋅ = 78.7 kN m

(8 m)2 8

(8 m)2 8

237

238

5 Haupt- und Deckenträger

𝑙 𝑙 𝑉Ed = 1.35(𝑔𝑎 + 𝑔𝑝 + 𝑔𝑐 ) + 1.50𝑞𝑚 2 2 = 1.35(0.361 kN∕m + 0.2 kN∕m + 4.5 kN∕m) ⋅ + 1.50 ⋅ 2.0 kN∕m ⋅

8m 2

8m 2

= 39.3 kN Endzustand + 𝑀Ed = 1.35(𝑔𝑎 + 𝑔𝑏 + 𝑔fin )

𝑙2 𝑙2 + 1.50𝑞𝑘 8 8

= 1.35(0.361 kN∕m + 4.7 kN∕m + 3.2 kN∕m) ⋅ + 1.50 ⋅ 6.0 kN∕m ⋅

(8 m)2 8

(8 m)2 8

= 161.2 kN m 𝑙 𝑙 𝑉Ed = 1.35(𝑔𝑎 + 𝑔𝑏 + 𝑔fin ) + 1.50𝑞𝑘 2 2 = 1.35(0.361 kN∕m + 4.7 kN∕m + 3.2 kN∕m) ⋅ + 1.50 ⋅ 6.0 kN∕m ⋅

8m 2

8m 2

= 80.6 kN Tragsicherheit Bauzustand

• Widerstand: Im Bauzustand ist Kippen verhindert. Um eine Profilplastifizierung zu verhindern und die Verformungen zu begrenzen, wird der elastische Querschnittswiderstand angewendet: 𝑀𝑅 = 𝑀el+ = 𝑓𝑦 𝑊el = 235 N∕mm2 ⋅ 429 ⋅ 103 mm3 = 101 ⋅ 106 N mm = 101 kN m 𝑓𝑦 [ ] 𝑉𝑅 = 𝜏𝑦 𝐴𝑣 = √ 𝐴 − 2𝑏 𝑡𝑓 + (𝑡𝑤 + 2𝑟) 𝑡𝑓 3 235 N∕mm2 [4590 mm2 − 2 ⋅ 135 mm ⋅ 10.2 mm = √ 3 + (6.6 mm + 2.15 mm) 10.2 mm] = 300 kN • Nachweise:

𝑉Ed

𝑀el+

101 kN m = 96.2 kN m 1.05 𝑉 300 kN m = 39.3 kN ≤ 𝑅 = = 285.7 kN 𝛾𝑎 1.05

𝑀Ed = 78.7 kN m ≤

𝛾𝑎

=

5.7 Rechenbeispiele

239

beff = 2000 mm e

e x

e

h p = 40 mm

e

hc + hp = 100 mm ha = 270 mm

0.85fck / c – h= 370 mm

+ fy / a

IPE 270 Querschnitt

Spannungen

Bild 5.44 Trägerquerschnitt und plastische Spannungen.

Bemerkung: 𝑉Ed < 50 % 𝑉Rd : die 𝑀-𝑉-Interaktion wird nicht nachgewiesen, weil wir uns beim Trägerende befinden (𝑀 = 0). Endzustand

• Widerstand des Verbundträgerquerschnittes (Bild 5.44): Mitwirkende Plattenbreite 𝑏eff gemäss Norm SIA 262 (Betonbauten, Kap. „Tragwerksanalyse“): ∑ 𝑏eff = 𝑏eff ,i + 𝑏𝑤 ≤ 𝑏 (Trägerabstand) ; 𝑏𝑤 ∶ Flanschbreite 𝑏eff ,i = 0.2𝑏𝑖 + 0.1𝑙0 = 0.2(2000 mm − 135 mm)1∕2 + 0.1 ⋅ 8000 mm = 987 mm < 0.2𝑙0 = 0.2 ⋅ 8000 mm = 1600 mm 𝑏𝑖 ∶ halber Trägerabstand ohne Flanschbreite 𝑏𝑤 𝑏eff = 2𝑏eff ,i + 𝑏𝑤 = 2 ⋅ 987 mm + 135 mm = 2109 mm > 2000 mm 𝑏eff = 2000 mm

Lage der Neutralachse (Tabelle 5.6): 𝐴𝑎 = 4590 mm2
𝑣Rd • Beitrag des Profilbleches: 𝑣pd =

𝐴𝑝 𝑓yp 𝛾ap

=

1184 mm2 ∕m ⋅ 350 N∕mm2 = 394.7 N∕mm 1.05

• Nachweis 𝑣Ed = 120 N∕mm < 𝑣Rd + 𝑣pd = 94.9 N∕mm + 394.7 N∕mm = 489.6 N∕mm Gebrauchstauglichkeit Bauzustand Es geht darum, die Durchbiegung des Stahlträgers unter ständigen Las-

ten nachzuweisen (Lastfall quasiständig).

241

242

5 Haupt- und Deckenträger

Tab. 5.15 Elastische Querschnittswerte des Verbundträgers. 𝑛 𝐼𝑏 [106 mm4 ] 𝑧𝑏 [mm]

Eigengewicht — 57.9 135

Nutzlasten 6.1 219 301

Auflasten 18.3 170 256

Schwinden 12.2 190 275

• Durchbiegung unter Eigengewicht des Trägers 𝑔𝑎 , des Bleches 𝑔𝑝 und des Frischbetons 𝑔𝑐 : 𝑤(𝑔𝑎 + 𝑔𝑝 + 𝑔𝑐 ) = =

5 (𝑔𝑎 + 𝑔𝑝 + 𝑔𝑐 ) ⋅ 𝑙 384 𝐸𝑎 𝐼ya

4

5 (0.361 N∕mm + 0.2 N∕mm + 4.5 N∕mm) ⋅ (8000 mm)4 384 210 ⋅ 103 N∕mm2 ⋅ 57.9 ⋅ 106 mm4

= 22.2 mm • Nachweis: 𝑤 = 22.2 mm
350

𝑤 = 𝑤(𝑔𝑎 + 𝑔𝑏 ) + 𝑤(𝑔fin ) + 𝑤𝑠 + 𝜓1 𝑤(𝑞𝑘 )long ≤

Eine Überhöhung des Trägers zum Ausgleich der Durchbiegung aufgrund des Eigengewichtes, der Auflasten und des Schwindens ist unumgänglich. Wahl: 𝑤0 = 40 mm Diese √ Überhöhung muss bei einer Trägerlänge von 8 m mindestens 𝑤0 = 0.025 ⋅ 8000 = 14 mm betragen, was der Fall ist.

243

244

5 Haupt- und Deckenträger

• Häufige Lasten, Nutzung und Betrieb, Komfort: 𝑤 = 𝜓1 𝑤(𝑞𝑘 )court ≤

𝑙 350

= 0.5 ⋅ 7.0 mm = 3.5 mm


𝐴𝑐 130.103 mm2 = 8230 mm2 = 𝑛pl 15.8

𝐴𝑐 = ℎeq 𝑏eff ,1 = 86.4 mm ⋅ 1500 mm = 130 ⋅ 103 mm2 𝑛pl =

𝑓ya 0.85𝑓ck



235 N∕mm2 𝛾𝑐 1.5 = ⋅ = 15.8 𝛾𝑎 0.85 ⋅ 25 N∕mm2 1.05

⇒ Die Neutralachse befindet sich im Stahlprofil. Das gedrückte Profilblech wird vernachlässigt. 𝐴𝑎 − 2𝑏𝑡𝑓 = 9730 mm2 − 2 ⋅ 280 mm ⋅ 13 mm = 2450 mm2
50 %𝑉Ed = 205 kN ⇒ Ein Nachweis ist erforderlich. • 𝑀-𝑉 Interaktion: 𝑀v,Rd = =

𝑏 ⋅ 𝑡𝑓 ⋅ 𝑓𝑦 ⋅ (ℎ − 𝑡𝑓 ) 𝛾M1

+

ℎ22 ⋅ 𝑡𝑤 ⋅ 𝑓𝑦 4 ⋅ 𝛾M1

⋅ [(

𝑉Ed 2 ) ] 𝑉Rd

280 mm ⋅ 13 mm ⋅ 235 N∕mm2 ⋅ (270 mm − 13 mm) 1.05 2 (244 mm)2 ⋅ 8 mm ⋅ 235 N∕mm2 286 kN ⋅ [1 − ( + ) ] 4 ⋅ 1.05 410 kN

= 223 ⋅ 106 N mm = 223 kN • Nachweis: − = 221 kN < 𝑀v,Ed = 223 kN 𝑀Ed

259

260

5 Haupt- und Deckenträger

Bemessung der Verbundmittel Schubkräfte

Da die Neutralachse im Stahlquerschnitt ist, erhalten wir folgende Bemessungswerte der Schubkräfte: + = 𝑁c,Rd = 𝐹v,Ed

0.85 ⋅ 25 N∕mm2 0.85 ⋅ 𝑓ck 𝐴𝑐 = ⋅ 110 ⋅ 103 mm3 𝛾𝑐 1.5

= 1560 ⋅ 103 N = 1560 kN − = 𝑁s,Rd = 𝐹v,Ed

500 N∕mm2 𝑓sk ⋅ 295 mm2 = 128 ⋅ 103 N = 128 kN 𝐴𝑠 = 𝛾𝑠 1.15

Tragwiderstand eines Kopfbolzendübels dD = 16 mm, hD = 75 mm

• Betonversagen: 𝑃c,Rd =

√ 0.29𝑑𝐷2 √ 0.29(16 mm)2 𝑓ck 𝐸cm = 25 N∕mm2 ⋅ 34 400 N∕mm2 𝛾𝑣 1.25

= 55.1 ⋅ 103 N = 55.1 kN • Bruch des Dübels: 𝑃D,Rd =

0.8𝑓u,D 𝜋𝑑𝐷2 0.8 ⋅ 450 N∕mm2 𝜋(16 mm)2 = ⋅ 𝛾𝑣 4 1.25 4

= 57.9 ⋅ 103 N = 57.9 kN • Abminderungsfaktor aufgrund des Profilbleches (Rippen parallel zum Träger): 𝛼𝑙 = 0.60 = 0.60

𝑏0 ℎ𝐷 − 1) ≤ 1.0 ( ℎ𝑝 ℎ𝑝 102.5 mm 75 mm ( − 1) = 1.35 > 1.0 ⇒ 𝛼𝑙 = 1.0 40 mm 40 mm

Der Bemessungswert des Schubwiderstandes eines Dübels ist somit 𝑃Rd = 𝑃c,Rd = 55.1 kN. Die Anzahl Dübel für jeden Anschnitt li beträgt somit: +

𝑁 𝐹v,Ed 1560 kN ⋅ = 0.6 ⋅ = 17 𝑁𝑓 𝑃Rd 55.1 kN − 𝐹v,Ed 128 kN − = 𝑁 = = 2.3 ⇒ 𝑁 − = 3 𝑃Rd 55.1 kN

𝑁+ =

Randfeld: 𝑁tot = 2𝑁 + + 𝑁 − = 2 ⋅ 17 + 3 = 37 Dübel Mittelfeld: 𝑁tot = 2𝑁 + + 2𝑁 − = 2 ⋅ 17 + 2 ⋅ 3 = 40 Dübel Bemerkung: Die Verankerung in den Endzonen infolge von Schwinden wurde im Allgemeinen nicht betrachtet, weil sie entgegen den Schwerkräften wirkt, d. h., sie vermindern die vorhandenen Schubspannungen.

5.7 Rechenbeispiele

Bild 5.51 Umverteilte Momentenlinie und Anordnung der Dübel.

Verteilung der Dübel gemäss Gl. (5.94), Bild 5.51

• Minimaler Abstand zwischen den Dübeln: 5𝑑𝐷 = 5 ⋅ 16 = 80 mm. • Maximaler Abstand: 800 mm oder 6 ⋅ ℎ𝑐 = 6 ⋅ 100 mm = 600 mm. Längsschub Bemessungswerte der plastischen Schubkräfte

• Im Bereich der positiven Momente, das Mittelfeld ist massgebend: + 𝑣Ed =

+ 𝑁 𝐹v,Ed 1560 ⋅ 103 N = 520 N∕mm ⋅ + = 0.6 ⋅ 𝑁𝑓 1800 mm 𝑙2

• Im Bereich der negativen Momente. Das Randfeld ist massgebend: − 𝑣Ed

=

− 𝐹v,Ed

𝑙1−

=

128 ⋅ 103 N = 142 N∕mm 900 mm

Schubfluss pro Längeneinheit und Schnitt g-g

• Positive Momente: + + = 𝑣Ed 𝑣Ed(g−g)

𝑏eff ,1 − 𝑏 2𝑏eff ,1

= 520 N∕mm ⋅

1275 mm − 280 mm = 203 N∕mm 2 ⋅ 1275 mm

= 142 N∕mm ⋅

750 mm − 280 mm = 44.5 N∕mm 2 ⋅ 750 mm

• Negative Momente: − − = 𝑣Ed 𝑣Ed(g−g)

𝑏eff ,2 − 𝑏 2𝑏eff ,2

Längsschub-Widerstand pro Längeneinheit

• Anteil der Querarmierung ø 6 mm, 𝑠𝑓 = 100 mm: 𝑣Rd =

𝐴𝑒 28.3 mm2 500 N∕mm2 𝑓sd cot 𝛩𝑓 = ⋅ ⋅ cot 30◦ = 213 N∕mm 𝑠𝑓 100 mm 1.15

261

262

5 Haupt- und Deckenträger

mit: 𝐴𝑒 =

𝜋𝜙2 𝜋(6 mm)2 = = 28.3 mm2 4 4 𝛩𝑓 = 30◦ (Wahl)

• Grenzwert in Bezug auf Bruch im Druckkegel: 𝑣Rd,lim ≤ 𝑘𝑐 𝑓cd 𝐿𝑐 sin 𝛩𝑓 cos 𝛩𝑓 = 0.6 ⋅

25 N∕mm2 ⋅ 60 mm ⋅ sin 30◦ ⋅ cos 30◦ 1.5

= 259.8 N∕mm mit (im Schnitt g-g): 𝑘𝑐 = 0.6 𝐿𝑐 = ℎ𝑐 = 60 mm Der Bemessungswert des Längsschub-Widerstandes ist somit: 𝑣Rd = 213 N∕mm, da 𝑣Rd = 213 N∕mm < 𝑣Rd,lim = 259.8 N∕mm ist. Nachweise

• Positive Momente: + 𝑣Ed(g−g) = 203 N∕mm < 𝑣Rd = 213 N∕mm

• Negative Momente: − 𝑣Ed(g−g) = 44.5 N∕mm < 𝑣Rd = 213 N∕mm

Gebrauchstauglichkeit Bauzustand

Es geht um den Nachweis der Durchbiegung des Stahlträgers unter ständigen Lasten (Lastfall quasiständig). • Durchbiegung aufgrund des Eigengewichts des Trägers 𝑔𝑎 und der Decke (𝑔𝑝 + 𝑔𝑐 ): 𝑊(𝑔𝑎 + 𝑔𝑝 + 𝑔𝑐 ) =

32.2 ⋅ (𝑔𝑎 + 𝑔𝑝 + 𝑔𝑐 )𝑙4 𝐼ya

32.2 ⋅ (2.2 + 0.8 + 18) ⋅ 103 ⋅ (6 m)4 = 136.7 ⋅ 106 mm4 = 6.4 mm • Nachweis: 𝑤(𝑔𝑎 + 𝑔𝑝 + 𝑔𝑐 ) = 6.4 mm
Ncr

labil

Bild 6.20 Stabilitätsformen eines seitlich nicht gehaltenen Rahmens.

6.4 Elastische Stabilität von Rahmen

Bild 6.21 Stabilitätsformen von zwei seitlich gehaltenen Rahmen.

annimmt. Das erklärt sich infolge einer „inneren“ Verformungsenergie, die sich aufgrund der Störung aufbaut und vom Rahmen durch Wiederherstellung der ursprünglichen Form zurückgegeben wird; diese Rückgabe ist physikalisch die Wirkung einer elastischen Antwort des Rahmens. Die Störung (aufgezwungene Verschiebung) muss kinematisch zulässig sein, das heisst die Auflagerbedingungen und Freiheitsgrade der Knoten respektieren. Verschiedene Verformungen ergeben ein indifferentes Gleichgewicht des Rahmens; sie beziehen sich auf viele Instabilitätsformen, welche mit unterschiedlichen Werten der elastischen kritischen Knicklast zusammenhängen. Die entscheidende Instabilitätsform ist diejenige, welche die kleinste kritische Knicklast ergibt. Diese Last dient zur Bestimmung der Knicklänge der Stützen, mit der wir dann den Knickwiderstand mittels der Knickkurven bestimmen können. Diese Knicklänge beinhaltet ipso facto die ungünstigste seitliche Bewegung des Rahmens bezüglich seiner Stabilität und sie ist grösser als die Knicklänge der Stützen eines gleichen seitlich gehaltenen Rahmens. Gehaltener Rahmen (Knicken bei festen Knoten)

Wenn ein ähnlicher Rahmen wie in Bild 6.20 steif oder ausgefacht ist (im Sinne von Abschn. 6.2.5), erfolgt seine Instabilität in der Art mit festen Knoten. In diesem Fall reduziert sich die Untersuchung der Rahmenstabilität auf die Stabilität von Stützen, deren Enden gegenseitig keine seitliche Verschiebung erfahren. Der Widerstand des Rahmens beschränkt sich auf den Widerstand der Druckstützen, welche im Riegel quasielastisch eingespannt sind (Bild 6.21). Nach der Bestimmung der Knicklängen erfolgen die Nachweise des Knickwiderstandes wieder mit den Knickkurven.

6.4.4

Idealer Rahmen ohne Knotenlasten

Entgegen den Ausführungen im Abschn. 6.4.3 betrachten wir nun den idealen Rahmen, der nicht durch Knotenlasten beansprucht ist. Der Unterschied dieser beiden Fälle bedingt hier eine andere Vorgehensweise. Wir unterscheiden wiederum die Instabilität eines nicht gehaltenen Rahmens (verschiebliche Knoten) und des gehaltenen Rahmens (feste Knoten) und untersuchen hier zuerst im Gegensatz zum Abschn. 6.4.3 den gehaltenen Rahmen.

305

306

6 Statik der Hallenrahmen

Binder Stütze

M

Bild 6.22 Seitlich gehaltener Rahmen ohne Knotenlasten.

Gehaltener Rahmen (Knicken bei festen Knoten)

Wir nehmen an, der Rahmen sei steif im Sinne von Abschn. 6.2.5 oder ausgefacht nach Bild 6.22 und nicht durch Kontenlasten beansprucht. Seine Instabilität erfolgt nach der Art mit festen Knoten. Der grundlegende Unterschied zwischen den gleichartigen Rahmen mit und ohne Knotenlasten ist im Fall ohne Knotenlasten so, dass die gedrückten Stützen Biegemomente erhalten und sich somit keine Rahmeninstabilität, sondern eine Instabilität von Stützen ergibt. Die gleichmässig verteilte Last auf dem Riegel erzeugt Übergangsmomente in der Rahmenecke. Eine ähnliche Situation ergibt sich, wenn konzentrierte oder verteilte Lasten seitlich auf die Stützen wirken (Wind, Kranbahnträger). Die Biegung der Stütze eines Rahmens mit Einwirkungen ohne Knotenlasten erzeugt häufig dieselben Wirkungen wie diejenigen, die schon Normalspannungen herbeigeführt haben. Das Beispiel von Bild 6.22 zeigt klar, dass eine Kraft auf die Traverse gleichzeitig eine Druck- und Biegebeanspruchung in der Stütze erzeugt. Aufgrund dieser Biegung reduziert sich die Traglast der Stütze gegenüber einer Stütze, welche nur Druckspannungen unterworfen ist. Für die Instabilität bei festen Knoten ist es somit möglich, die einzelnen Rahmenelemente getrennt zu betrachten. Trotzdem muss neben dem Einfluss der Interaktion von Normalkraft 𝑁 und Biegemoment 𝑀 die lokale Wirkung zweiter Ordnung bei gedrückten Elementen untersucht werden. Die Traglast eines Elementes ist durch den Grenzwiderstand des am meisten beanspruchten Querschnittes begrenzt. Sie wird durch die Anwendung von Interaktionsformeln ermittelt, bei welchen die relativen Druckspannungsanteile durch Einführung entsprechender Knicklängen der Stützen von gehaltenen Rahmen zustande kommen (Norm SIA 263 und TGC 10, Kap. 6). Seitlich nicht gehaltener Rahmen (Knicken bei verschieblichen Knoten)

Die seitliche Verschieblichkeit des Rahmens bestimmt den elastischen Knickwiderstand, wie wir es schon bei der Betrachtung des Rahmens mit Knotenlasten gesehen haben. Andererseits ergeben Lasten senkrecht auf die Stäbe (Riegel, Stützen) Biegespannungen und tragen zur Verringerung der Traglast bei. Die Vorgehensweise zur Lösung der elastischen Stabilitätsprobleme ist ähnlich wie im vorhergehenden Fall; der einzige Unterschied besteht in der Anwendung der kritischen Knicklast und somit in der Bestimmung der Knicklänge, welche bei der seitlichen Verschieblichkeit einen ungünstigen Einfluss auf die Rahmenstabilität

6.4 Elastische Stabilität von Rahmen

hat. Der Problemansatz ist aber identisch. In Kap. 7 (Rahmenelemente) werden wir sehen, dass die einfache Ermittlung der Wirkung zweiter Ordnung in den Interaktionsformeln dazu führt, die kritischen Lasten von gehaltenen und nicht gehaltenen Systemen gemäss den einschlägigen Formeln zu bestimmen.

6.4.5

Bestimmung der Knicklängen

In den allermeisten Fällen wird die Kontrolle der Knickstabilität eines Rahmens durch den Nachweis der Knickstabilität seiner gedrückten Elemente (Stabilität eines Bauteils) sowie der gedrückten und gebogenen strukturellen Elemente (Kombination von Knicken und möglichem Kippen) gemacht. Dieser Nachweis erfordert die Bestimmung der Knicklänge auf verschiedene Arten, je nach Nachweisform (Vordimensionierung, Vorprojekt, genauer Nachweis usw.). Folgende Vorgehensweisen sind möglich: • Abschätzung der Knicklänge auf der Basis von Grenzwerten für verschiedene Lagerbedingungen der Stützen, • Berechnung des elastischen Gleichgewichtes des gesamten Rahmens mit der Deformationsmethode, • Anwendung von Tabellen und Diagrammen, welche in grafischer Form eine grosse Anzahl von statischen Systemen abdecken. Abschätzung

Aufgrund der verschiedenen Auflagerbedingungen von Rahmen (Bild 6.23) können die Grenzen, zwischen denen sich die Knicklänge 𝑙𝑘 befinden muss, definiert werden. Es ist also möglich, mit der relativen Steifigkeit von Riegel und Stütze die Knicklänge zu schätzen. Der Bereich dieser Knicklängen ist bei seitlich gehaltenen Rahmen etwas beschränkt. Dagegen kann bei verschieblichen Rahmenknoten der Bereich von Knicklängen relativ gross sein. Die Schätzung wird durch das statische „Gespür“ des Ingenieurs beziehungsweise durch seine Erfahrung aus früheren ähnlichen Fällen erleichtert. Eine solche Abschätzung genügt meistens für die Vordimensionierung. Man kann zur Kontrolle von Knicklängen aus Berechnungen oder aus Diagrammen auch darauf zurückgreifen. Deformationsmethode

Bei der Anwendung der Deformationsmethode wird die kritische Knicklast einer Stütze 𝑖 eines Rahmens wie folgt bestimmt (siehe einschlägige Literatur der Baustatik): 𝑁cr,i =

𝜙𝑖2 𝐸𝐼𝑖 ℎ𝑖2

(6.12)

Dabei ist 𝛷𝑖 ein numerischer Koeffizient, der von den Auflagerbedingungen des statischen Systems und der relativen Steifigkeit von Riegel und Stütze abhängt.

307

308

6 Statik der Hallenrahmen EIt h

EIm

hK

l

hK

0.5 h ≤ hK ≤ 0.7 h

h hK

hK

0.7 h ≤ hK ≤ 1.0 h seitlich gehaltene Rahmen

h

hK

hK

1.0 h ≤ hK ≤ 2.0 h

hK h

2.0 h ≤ hK ≤ ∞ seitlich nicht gehaltene Rahmen

Bild 6.23 Grenzwerte von Knicklängen.

Die Knicklänge ℎKi der Stütze kann nun durch Gleichstellung dieser kritischen Knicklast mit der kritischen elastischen Knicklast (Eulersche Last) eines beidseits gelenkig gelagerten Stabes mit der Länge ℎ𝑖 abgeleitet werden: 𝜙𝑖2 𝐸𝐼𝑖 ℎ𝑖2

=

𝜋2 𝐸𝐼𝑖 2 ℎki

(6.13)

6.4 Elastische Stabilität von Rahmen

und somit: ℎKi =

𝜋 ℎ 𝛷𝑖 𝑖

(6.14)

Diese Annäherung ergibt zweifelsohne einen „exakten“ Wert der Knicklänge der Stütze, da die elastische Stabilität des Rahmens als Ganzes untersucht wird. Diagramme

Für einfache Strukturen wie eingeschossige Hallenrahmen können die Ergebnisse der Deformationsmethode (oder einer anderen elastischen Methode) auf nützliche Art in grafischer Form dargestellt werden. Das erlaubt eine rasche Bestimmung der Knicklängen ohne eine elastische Berechnung der Rahmenstabilität durchführen zu müssen. Die dargestellte Methode (Tabelle 6.4) ist auch in den Bemessungstafeln C 4 des SZS enthalten. Die Wirkung der elastischen Einspannung wird durch die Angabe der relativen Steifigkeit der Stütze bezüglich des Riegels ausgedrückt (bei gleichem Material kann der Ausdruck EI durch 𝐼 ersetzt werden). Es ist wichtig, seitlich gehaltene Rahmen von seitlich nicht gehaltenen Rahmen zu unterscheiden. Bei dieser grafischen Darstellung wird die Art der Struktur durch einen Faktor 𝜂 und den sechs Kurven A–F in Funktion der Auflagerbedingungen charakterisiert. Der Parameter 𝜌 berechnet sich zu: 𝜌=𝜂

𝐼𝑚 ∕ℎ 𝐸𝐼𝑚 ∕ℎ =𝜂 𝐸𝐼𝑡 ∕𝑙 𝐼𝑡 ∕𝑙

(6.15)

Nach der Berechnung des Parameters 𝜌 können wir aus den Kurven in Tabelle 6.4 den Quotienten 𝛽 = ℎ𝑘 ∕ℎ herauslesen und damit die Knicklänge ℎ𝑘 berechnen. Es gilt zu bemerken, dass: • die vertikalen Asymptoten der Kurve A, B und C der seitlich gehaltenen Rahmen gegen die bekannten Werte 0,7 beziehungsweise gegen 1.0 gehen. • Die Kurven D, E und F der seitlich nicht gehaltenen Rahmen ergeben 𝛽-Werte grösser als 1.0 (Kurven D und E) oder sogar 2.0 (Kurve F). Die Werte der Kurve D nähern sich gegen 2.0 und die Werte der Kurven E und F gegen unendlich. Die beschriebene Berechnungsmethode mit den Diagrammen gilt genau genommen nur für die dargestellten Fälle. Die Kurven von Tabelle 6.4 gelten z. B. nicht für andere Praxisbeispiele wie mehrschiffige Hallen oder Stockwerkrahmen usw. Das Grundlagenkonzept von Unterstrukturen, auf welchem die Kurven aufbauen (eine Stütze und anliegende Riegel am Stützenende), kann nur übernommen werden, wenn das Verhalten der wirklichen Struktur, bei der die Enden von benachbarten Riegeln kompatible Auflagerbedingungen mit der Reaktion der wirklichen Struktur aufweisen oder wenn als Näherung definierbare Wendepunkte, um die Hallenschiffe trennen zu können, möglich sind. Ausserdem nehmen die Diagramme keinerlei Rücksicht auf die elastische Einspannung der betrachteten Stützenenden, welche sich ergibt, wenn diese in ein oberes oder unteres Geschoss beziehungsweise in die Fundationen verlängert sind. Wir

309

310

6 Statik der Hallenrahmen

Tab. 6.4 Beispiel eines Diagrammes zur Berechnung der Knicklänge von Rahmen. Die Länge l entspricht der Gesamtlänge jedes Rahmenbinders. Seitlich gehaltene Rahmen A

B

Seitlich nicht gehaltene Rahmen

C

D

E

F

3 2

1

3 4

1 2

1 4

3 16

A

B C

D

E

4 3 F

2 1 0

= 0.5

0.7

1.0

1.5

2.0 h

hK hK

3.0

2.5

hK

EIt EIm

EIm l

hK h

6.4 Elastische Stabilität von Rahmen

sehen im Abschn. 6.6, dass es möglich ist, die Diagramme von Tabelle 6.4 durch andere allgemeinere und auf Stockwerkrahmen abgestimmte Kurven zu ersetzen, welche noch auf dem Konzept von Unterstrukturen aufbauen, aber auf der Basis von stark vereinfachten Hypothesen weiterentwickelt sind.

6.4.6

Wirkung von Dachverbänden

Im Abschn. 6.2.5 wurde der Unterschied von weichen (nicht gehaltenen) und steifen Rahmen erläutert. Die Forderung, horizontale Verschiebung zu begrenzen, führt dazu, die elastische kritische Knicklast eines idealen Rahmens zu erhöhen oder die Knicklänge der Stützen bei verschieblichen Knoten zu reduzieren; das kann durch einen Vertikalverband (in Rahmenebene) oder – was häufiger ist – durch einen horizontalen Verband in der Dachebene bewerkstelligt werden. Der Dachverband stützt sich auf die Giebelwände oder Zwischenrahmen ab, welche in ihrer Ebene ausgesteift sind (siehe auch Abschn. 2.3.3). Der Dachverband bildet somit für die Zwischenrahmen ein elastisches Auflager. Wenn dieses elastische Auflager genügend steif ist, ist es in der Lage, den Rahmen seitlich zu stabilisieren und „steif“ auszubilden, sodass er wie seitlich gehalten betrachtet werden kann. Um das zu veranschaulichen, betrachten wir den Extremfall eines Rahmens mit vier Gelenken (Bild 6.24a). Beim Fall A ohne seitliche Halterung (Dachverband) ist das System statisch unterbestimmt und labil und seine kritische Knicklast ist null. Die Knicklänge der Stützen ist unendlich und seine Instabilität erfolgt durch die verschieblichen Knoten ohne Biegung in irgendeinem Element des Rahmens. Nehmen wir nun an, die Wirkung des Dachverbandes sei durch eine elastische Dehnfeder mit der Steifigkeit 𝑘cv [kN/mm] auf Höhe des Riegels dargestellt (Fall B). Die kritische Knicklast 𝑁cr,k des ausgefachten Systems kann man in der als Parallelogramm verformten Konfiguration durch den Ausdruck des Momentengleichgewichts aufgrund der auf den Rahmen einwirkenden Kräfte erhalten. Durch eine virtuelle horizontale Verschiebung 𝛥 erzeugen die Vertikalkräfte aufgrund dieser Exzentrizität eine seitliche Destabilisierung des Rahmens; dagegen erzeugt die Feder eine stabilisierende Wirkung. Die kritische Knicklast erhält man durch Gleichsetzen des destabilisierenden Momentes mit dem stabilisierenden Moment: 2𝑁cr,k 𝛥 = 𝑘cv 𝛥ℎ

(6.16)

und daraus: 𝑁cr,k =

1 𝑘 ℎ 2 cv

(6.17)

Entgegen der Gl. (6.17) kann die kritische Last nicht unbegrenzt mit der Federsteifigkeit 𝑘cv wachsen. Die kritische Knicklast des seitlich nicht gehaltenen Systems kann nie den Wert des gehaltenen Rahmens (Fall C) übersteigen. Dieser Fall ist mit einer Federsteifigkeit 𝑘cv = ∞ gerechnet und ergibt eine kritische Last von: 𝑁cr,∞ =

𝜋2 𝐸𝐼𝑚 ℎ2

(6.18)

311

312

6 Statik der Hallenrahmen

Ncr = 0

Ncr = 0 EIt

h

Ncr Fall A : kcv = 0

EIm

2 EIm

C

h2 B Ncr, k

A

Ncr, k 0 kcv

kcv,min

(b) Beziehung der Steifigkeit kcv zur Eulerschen Knicklast Ncr

Fall B : Steifigkeit kcv

= Ncr =

2 EIm

h

Ncr =

2

kcv

2 EIm

hK h

h2

Fall C : kcv = ∞

1.0 kcv 0

(a) Einfluss der Steifigkeit kcv zur seitlichen Halterung

k cv,min

(c) Beziehung der Steifigkeit kcv zur Knicklänge hk

Bild 6.24 Einfluss der seitlichen Halterung auf die kritische Knicklast eines Rahmens mit vier Gelenken.

Aus diesem Grenzwert folgt, dass eine beliebige Vergrösserung der Federsteifigkeit keine Erhöhung der kritischen Last zur Folge hat (Bild 6.24b). Das heisst, es gibt eine minimale Federsteifigkeit 𝑘cv,min , ab welcher sich der Rahmen wie seitlich gehalten verhält. Durch Gleichsetzung der Gln. (6.17) und (6.18) erhält man für diese minimale Federsteifigkeit: 𝜋2 𝐸𝐼𝑚 1 = 𝑘cv ℎ 2 ℎ2

(6.19)

und daraus: 𝑘cv,min =

2𝜋2 𝐸𝐼𝑚 ℎ3

(6.20)

Die Knicklänge ℎ𝐾 der Stütze ist also gleich der Höhe ℎ für alle Werte von 𝑘cv grösser als 𝑘cv,min (Bild 6.24c). Betrachten wir nun den Fall irgendeines asymmetrischen und seitlich nicht gehaltenen Rahmens mit einer statischen Bestimmtheit 𝑛 > 0

6.4 Elastische Stabilität von Rahmen 1.5 N

N I2

B

C

I1

h1

313

I3

h3

A D l =

(a) irgendein asymmetrischer Rahmen

N

1.5 N

N

B kcv

hK1 h1 1.5 N

2.23

N

1.5 N

kcv 3

1

h1

1.13 kcv h 31 EI1

C

B

B

C

(b) verformte Lage des Rahmens

01

5

10

15

20

(c) Beziehung zwischen relativer Federsteifigkeit und Knicklänge

Bild 6.25 Einfluss der seitlichen Halterung eines weichen Rahmens auf die elastische kritische Last.

(Bild 6.25a). Im Abschn. 6.4.5 haben wir gesehen, wie ein solcher weicher oder steifer Rahmen zu berechnen ist. Bild 6.25b zeigt die verformte Lage des Rahmens und Bild 6.25c die Beziehung zwischen Knicklänge und der Federsteifigkeit 𝑘cv , welche den Verband simuliert. Wir erkennen den Fall der Instabilität mit seitlich verschieblichen Knoten (nicht gehaltener Rahmen, 𝑘cv = 0) und denjenigen mit seitlich nicht verschieblichen Knoten (gehaltener Rahmen, 𝑘cv = ∞). Die steifen Rahmenecken zwischen Stützen und Riegel bewirken, dass bei jeder Stabilitätsform eine Biegeverformung in allen Rahmenelementen auftritt. Im Gegensatz zum vorhergehenden Beispiel ist erklärt, dass es keine komplette Entkoppelung der Fälle gibt. Hier tendiert die Knicklänge asymptotisch zum Wert 𝛽 = 1.13, entsprechend einem gehaltenen Rahmen mit zunehmender Federsteifigkeit. Im Weiteren bemerkt man in diesem Beispiel, dass der Verhältniswert 𝛽 für die linke Stütze des gehaltenen Rahmens grösser ist als 1.0; das folgt aus der speziellen Geometrie des Rahmens mit verschieden langen Stützen. Für die Praxis kann man annehmen, dass die Feder ein festes Auflager ist, wenn sich die Wirkung der beiden Auflagerarten (fest und elastisch) nur um einen kleinen Wert unterscheidet. Dieser kann z. B. durch die entsprechende Knicklänge eines festen Auflagers ausgedrückt werden. Das bedeutet schlussendlich, dass es für die Sicherstellung der seitlichen Stabilität eines Rahmens nicht erforderlich ist, weder

314

6 Statik der Hallenrahmen

ein effektiv festes Auflager auszuführen noch die Federsteifigkeit auf einen unbegrenzten Wert über deren Grenzwert (𝑘cv,min ) zu erhöhen; die erzielte Verbesserung der kritischen Knicklast ist nicht signifikant. Diese Erkenntnis ist von grossem Interesse; bei den meisten Hallenrahmen wird die Stabilisierung mehrerer Rahmen durch einen nicht unendlich steifen Dachverband gewährleistet. Die Steifigkeit der entsprechenden Feder muss also so bestimmt werden, dass der Einfluss der übrigen Konstruktion auf den untersuchten Rahmen dargestellt werden kann. Weil der Dachverband verschiedene Rahmen stabilisiert, ändert die Federwirkung von einem Rahmen zum anderen. Dazu betrachten wir das Beispiel von Bild 6.26. Wir gehen davon aus, dass jeder Zwischenrahmen der Halle dieselben Knotenlasten erfährt, wie in der Ansicht von Bild 6.26a gezeigt. Der am meisten kritische Rahmen ist offensichtlich der Rahmen in der Mitte der Hallenlänge, welcher in Bild 6.26b dargestellt ist; hier ist die horizontale Auslenkung des Verbandes am grössten und konsequenterweise die schwächste Wirkung der Feder. Für die Berechnung der elastischen kritischen Knicklast in der Rahmenebene (sowie der entsprechenden Knicklänge) müssen wir die Rahmensteifigkeit 𝑘cd und die Steifigkeit des Verbandes 𝑘cv kennen. Die Rahmensteifigkeit erhalten wir durch Anwendung des Prinzips der virtuellen Einheitslast (Bild 6.26). Auf Riegelhöhe wird eine horizontale Einheitslast 𝐻 = 1 (dimensionslos) angesetzt und daraus die Momentenlinie des Rahmens und die Horizontalverschiebung 𝛥𝐻 = 1 bestimmt. Die Rahmensteifigkeit ist ganz einfach der Reziprokwert dieser Verschiebung: 𝑘cd =

1 𝛥𝐻=1

(6.21)

Aus dem Beispiel ergibt sich die Biegesteifigkeit eines rechteckigen symmetrischen Rahmens mit gelenkigen Stützenfüssen zu: 𝑘cd =

1 ℎ3 6𝐸𝐼𝑚

+

ℎ2 𝑙

(6.22)

12𝐸𝐼𝑡

Die Steifigkeit des Fachwerkes ist der Reziprokwert der horizontalen Durchbiegung 𝑢cv des Verbandes, welche man durch Ansetzen einer Einheitslast in jeder Binderachse erhält (Bild 6.26d). Im Kap. 8 wird die detaillierte Bestimmung dieser Durchbiegung für Fachwerkverbände (Abschn. 8.3) und für steife Dachscheiben mit Profilblechen (Abschn. 8.4) erklärt. Das statische System des Rahmens mit Dachverband ist in Bild 6.27a schematisch dargestellt. Die seitliche Auslenkung des Rahmens kann durch Gleichsetzung der Auslenkung eines gleichen Rahmens unter der Einwirkung einer horizontalen Einheitslast auf Riegelhöhe, welcher durch eine Feder mit der Steifigkeit 𝑘cv gehalten ist, angenähert werden (Bild 6.27b). Wenn wir bei dieser Annäherung die Senkung 𝑢 an der Krafteinleitungsstelle aus der Biegeverformung des Rahmens und die Verkürzung der Stütze vernachlässigen, erhalten wir die Auslenkung 𝛥 wie folgt: 𝛥=

1 𝑘cd + 𝑘cv

(6.23)

6.4 Elastische Stabilität von Rahmen

315

N/2 N/2

N N

N N

N a

N

N N

N N

N/2

horizontaler Dachlängsverband betrachteter Rahmen

N

N

N/2

EIt h

kcv EIm

EIm

Vertikalverband in der Giebelwand

l

(a) statisches System der Gesamtstruktur

(b) statisches System eines Rahmens

H =1

H =1 EIt EIm

1 EIm a

(c) Berechnung der Steifigkeit eines Rahmens

a

1

1

Icv

ucv

a

a

Wenn wir nun in der Gl. (6.17) 𝑘cv durch 𝑘cd + 𝑘cv ersetzen, erhalten wir die kritische Last des ausgefachten Rahmens zu: 1 (𝑘 + 𝑘cv )ℎ 2 cd

(6.24)

Durch Vergleich mit der kritischen elastischen Knicklast (Eulersche Last): 𝑁cr =

𝜋2 𝐸𝐼𝑚 ℎ𝐾2

erhalten wir die Knicklänge der Stütze zu: √ 2𝜋2 𝐸𝐼𝑚 ℎ𝐾 = (𝑘cd + 𝑘cv )ℎ

a

a

(d) Berechnung der Steifigkeit des Windverbandes

Bild 6.26 Wirkungsweise der Steifigkeit eines Dachverbandes.

𝑁cr,k =

1

1

(6.25)

(6.26)

Wenn wir nun noch die Senkung aus der Biegeverformung und die Stützenverkürzung berücksichtigen (Bild 6.27d), ergibt sich die „exakte“ Knicklänge durch folgen-

316

6 Statik der Hallenrahmen x

Windverband

N

N

EIt EIm

h

EIm y l

(a) H=1

kcv

H=1 kcv

kcd

(b)

(c)

N

N u

(d) Bild 6.27 Seitliche Rahmeninstabilität eines rechteckigen Rahmens mit Dachverband.

den Ausdruck [4]: √ 4𝛼𝜋2 𝐸𝐼𝑚 ℎ𝐾 = (𝑘cd + 𝑘cv )ℎ

(6.27)

In dieser Formel hängt der Koeffizient 𝛼 von den Auflagerbedingungen ab, variiert aber wenig und sein Wert kann vernünftigerweise zu 0.56 angesetzt werden. Unter Berücksichtigung der nachgewiesenen Ausdrücke von 𝛥 und 𝑘cd schreibt sich die Knicklänge für den Rahmen in Bild 6.27 wie folgt: ℎ𝑘 = 2ℎ √

2.34 𝑘cv 6 + 𝑘𝑚 1 + 𝐼𝑚 ∕𝐼𝑡 𝑙∕(2ℎ)

(6.28)

6.5 Bemessungsvorgang

𝑘𝑚 : 𝑘cv : 𝐼𝑚 : 𝐼𝑡 :

Steifigkeit der Stütze (𝑘𝑚 = 𝐸𝐼𝑚 ∕ℎ3 ), Steifigkeit des Verbandes, Trägheitsmoment des Stützenquerschnittes, Trägheitsmoment des Riegelquerschnittes.

Bei Kenntnis der Rahmengeometrie, der Steifigkeit der Rahmenelemente und der Steifigkeit des Dachverbandes kann man die effektive kritische Knicklänge des Rahmens, welcher durch den Dachverband gehalten ist, berechnen. Die Gl. (6.28) ergibt immer eine grössere Knicklänge ℎ𝑘 als die „exakte“ Lösung.

6.4.7

Einfluss der geometrischen Imperfektionen

Jeder weiche Rahmen weist geometrische Imperfektionen auf; insbesondere haben seine Stützen Abweichungen zum Lot, welche in Form einer Anfangsschrägstellung gegenüber der Vertikalen berücksichtigt werden. Unter anderem haben wir im Abschn. 6.2.3 gesehen, dass man diese Imperfektionen durch eine auf Riegelhöhe wirkende Horizontalkraft mit gleichzeitiger Wirkung der Schwerkraft ersetzen kann. Daraus folgt prinzipiell, dass die Instabilität eines Rahmens mit verschieblichen Knoten und Knotenlasten kein elastisches Knicken als Verzweigungsproblem, sondern ein Traglastproblem ist. Auf der anderen Seite führt jede äussere Horizontalkraft irgendeines Lastfalls offensichtlich zu einer ähnlichen Situation. Die direkt oder durch Substitution einwirkenden Horizontalkräfte haben einen doppelten Effekt: • In erster Ordnung erzeugen sie in den Stützen Normal- beziehungsweise Zug- und Druckspannungen und im Rahmen eine antimetrische Biegung. • Sie bewirken eine Horizontalverschiebung des Riegels und ergeben somit einen Hebelarm zu den vertikalen Knotenlasten, was zur Folge hat, dass es zusätzliche Biegemomente zweiter Ordnung aus den Einwirkungen auf den deformierten Rahmen gibt.

6.5 Bemessungsvorgang 6.5.1

Vordimensionierung

Wenn der Rahmen vier Gelenke aufweist und somit ausgesteift werden muss, kann die Vordimensionierung der Riegel und Stützen mit einfachen empirischen Formeln geschehen, z. B. (siehe auch Kap. 7): ℎ𝑚 50 𝑙 Riegel als einfacher Balken: ℎ ≅ 30 Beidseits gelenkige Stütze: 𝑖𝑦 ≅

(6.29) (6.30)

317

318

6 Statik der Hallenrahmen

𝑖𝑦 : ℎ𝑚 : ℎ: 𝑙:

Trägheitsradius für Knicken in Rahmenebene, Stützenhöhe bis zur Rahmenecke, Trägerhöhe des Riegels, Spannweite des Riegels.

Wenn die Rahmenecken steif sind (statisch bestimmter oder unbestimmter Rahmen), wird man generell eine elastische Vordimensionierung erster Ordnung ausführen, und zwar unter der Annahme, dass das Trägheitsmoment von Stützen und Riegel gleich ist (𝐼𝑚 = 𝐼𝑡 ) oder man benützt das Verhältnis von 𝐼𝑚 ∕𝐼𝑡 . Ebenso ist es möglich, aufgrund eigener Erfahrung oder nach den empirischen Regeln a priori Ausgangsprofile von Stützen und Riegel zu wählen. Wenn der Rahmen weich ist oder eine grosse Spannweite aufweist, wird der Nachweis der Gebrauchstauglichkeit häufig massgebend. Die vorgegebenen Gebrauchsgrenzen (SIA 260) von seitlichen Verschiebungen oder Durchbiegungen der Riegel können als gute Basis für die Vordimensionierung herangezogen werden. Wenn der Rahmen vordimensioniert ist, wird man eine erste Kontrolle der gewählten Profile für den massgebenden Lastfall machen: • Stützen: mit den Interaktionsformeln 𝑀-𝑁 und der entsprechenden Knicklänge (gehaltener oder nicht gehaltener Rahmen) und falls nötig mit Einfluss zweiter Ordnung; • Riegel: mit dem Querschnittswiderstand des am stärksten beanspruchten Biegequerschnittes.

6.5.2

Methoden zur Bestimmung der Auswirkungen

Nach der Vordimensionierung der Rahmenprofile müssen die Auswirkungen für jeden Lastfall bestimmt werden. Die Wahl des Verfahrens ist nicht frei, weil es vom Rahmentyp (gehalten, nicht gehalten, steif oder weich, Tabelle 6.5) sowie von der Angemessenheit zwischen Profilwahl und Bemessungsverfahren (Schlankheitskriterien) abhängt. Die theoretisch möglichen Verfahren, welche nachträglich im Detail erläutert werden, sind die folgenden: • Elastische Berechnung erster Ordnung. Diese Bemessung passt zu gehaltenen (ausgefachten) oder nicht gehaltenen steifen Rahmen. Man kann die Anfangsverformungen der gedrückten Elemente in der Regel vernachlässigen, weil ihr Einfluss auf die statische Berechnung nicht signifikant ist. Der Nachweis des Widerstandes bei gedrückten oder gedrückten und gebogenen Elementen muss unter Beachtung der geometrischen Imperfektionen erfolgen. • Elastische Berechnung zweiter Ordnung. Dieser Nachweis passt zu weichen Rahmen. Die Anfangsauslenkungen müssen als Schrägstellung der Stützen beachtet werden, was durch eine entsprechende Horizontalkraft simuliert werden kann. Die meisten Computerprogramme für statische Berechnungen erlauben heute problemlos diese direkte elastische Berechnung unter Berücksichtigung der An-

6.5 Bemessungsvorgang

319

Tab. 6.5 Nachweisverfahren in Funktion der seitlichen Steifigkeit des Rahmens. Rahmentyp

Berechnungsart der Auswirkungen

elastisch gehalten

Erste Ordnung (Abschn. 6.5.3)

plastisch, mit zusätzlichen Anforderungen (siehe SIA 263 oder EN 1993-1-1)

elastisch steif, nicht gehalten, Formel (6.7)

Erste Ordnung (Abschn. 6.5.3)

plastisch, mit zusätzlichen Anforderungen (siehe SIA 263 oder EN 1993-1-1)

Vergrösserung der Biegemomente

weich, nicht gehalten, Formel (6.7)

elastisch * Zweite Ordnung (Abschn. 6.5.4) direkt die P-Δ-Effekte müssen berückplastisch, mit zusätzlichen Anforderungen sichtigt werden (und anschliessend die P-δ-Effekte auch)

* Siehe auch Tabelle 6.6.

fangsverformungen. Für einfache Rahmen kann diese Berechnung von Hand oder mit geeigneten Formeln geschehen [4]. • Plastische Berechnung erster Ordnung. Eine solche Bemessung kann für einfache Rahmen von Hand gemacht werden. Da der Effekt der Instabilität nicht eintritt, bleibt die Bestimmung der elastischen kritischen Knicklast erforderlich. Wenn diese berechnet ist, können die Interaktionsformeln zwischen Plastizität und Instabilität von Merchant-Rankine (Abschn. 6.5.4) gebraucht werden. • Plastische Berechnung zweiter Ordnung. Diese passt zu weichen Rahmen, für welche die 𝑃-𝛥-Effekte beachtet werden müssen. Diese Methode muss die progressive Verschlechterung der Rahmensteifigkeit beachten, welche je nach Lage der Fliessgelenke unter der horizontalen Auslenkung und der Wirkung der zweiten Ordnung empfindlich wächst. Bemessungsprogramme erlauben die Behandlung solcher Fälle, sollten aber bezüglich Plausibilität kontrolliert werden. Es stehen auch einfache Methoden zur Verfügung.

320

6 Statik der Hallenrahmen

Wenn die angewandten Verfahren nicht zufriedenstellend sind, ist es unbedingt nötig, die Profilierung der Rahmen anzupassen, die Auswirkungen neu zu rechnen und die Nachweise zu wiederholen. Eine neue Bemessung ist auch angezeigt, wenn die Elemente überdimensioniert sind.

6.5.3

Berechnung der Auswirkungen erster Ordnung

Die Methode der elastischen Berechnung erfordert keine spezielle Erwähnung. Man kann in gleicher Weise die eine oder andere linear elastische Bemessungsmethode von (statisch unbestimmten) Tragwerken anwenden. Wenn man eine plastische Berechnung erster Ordnung machen will (Abschn. 6.3.4), darf die bezogene Schlankheit 𝜆𝐾 für das Knicken der Stützen in der Rahmenebene, wo sich Fliessgelenke bilden, nicht zu gross sein. Die Norm SIA 230 und der Eurocode 3 geben dafür Grenzwerte für die bezogene Schlankheit 𝜆𝐾 für Stützen, je für seitlich gehaltene und seitlich nicht gehaltene Tragwerke und der Theorie erster Ordnung (Norm SIA 230; 2013, Ziff. 4.2.4.3). √

𝐴𝑓𝑦 𝑁Ed √ 𝐴𝑓𝑦 Nicht ausgefachte, steife Rahmen: 𝜆𝐾 ≤ 0.32 𝑁Ed Ausgefachte, gehaltene Rahmen: 𝜆𝐾 ≤ 0.4

(6.31) (6.32)

𝜆𝐾 : bezogene Schlankheit für Knicken; berechnet mit ℎ𝐾 = ℎ𝑚 . Diese Anforderungen haben zum Ziel, allzu schlanke Stützen zu vermeiden, bei welchen das nichtlineare Tragverhalten die Verteilung der Auswirkungen entscheidend beeinflusst und in erster Ordnung problematisch wiedergibt. Bei der Überprüfung der Anforderungen von 𝜆𝐾 und beim Knicknachweis der Stützen in der Rahmenebene, bei denen sich plastische Gelenke bilden, wird vorgeschlagen, als konservative Knicklänge ℎ𝑘 die effektive Stützenhöhe ℎ𝑚 anzunehmen.

6.5.4

Berechnung der Auswirkungen zweiter Ordnung

Elastische Berechnung

Mit der direkten elastischen Berechnung zweiter Ordnung nach Tabelle 6.5 werden nur die Anfangsverdrehungen (Schiefstellungen) der Stützen berücksichtigt, sofern die betrachteten Stützen nicht zu schlank sind. Bei dieser Methode wird der Einfluss zweiter Ordnung der 𝑃-𝛥-Effekte ausschliesslich auf der Seite der Auswirkungen berücksichtigt. Beim Nachweis der gedrückten Elemente müssen auch die Anfangsverformungen einbezogen werden (𝑃-𝛿-Effekte). Dazu brauchen wir die Knickkurven unter Berücksichtigung der Knicklängen in der Rahmenebene nach der Instabilitätsart mit festen Knoten. Man kann für eine genauere Bestimmung der Knicklängen die Diagramme von Tabelle 6.4 benützen. Die direkte elastische Berechnung zweiter Ordnung verlangt geeignete Programme, welche geometrische

6.5 Bemessungsvorgang

und materielle Imperfektionen berücksichtigen können. Aus diesem Grund behilft man sich oft mit einer der unten dargestellten vereinfachten Methoden. Für ein- und mehrgeschossige biegesteife Rahmen und gleichmässige Lasten ist die elastische Berechnung durch Vergrösserung der Biegemomente eine vereinfachte Methode, welche die zweite Ordnung durch Erhöhung der Biegemomente aus einer Berechnung erster Ordnung mit einem Vergrösserungsfaktor 1∕[1 − (1∕𝛼cr,sw )] berücksichtigt; 𝛼cr,sw ist der in Abschn. 6.2.5 definierte Beiwert (Klassifizierung von Rahmen). Die zu vergrössernden Biegemomente sind die Momente, welche aus der seitlichen horizontalen Verschiebung des Riegels resultieren. Sie ergeben sich aus den Horizontallasten (Einwirkungen und horizontale Ersatzlasten aufgrund der globalen Schiefstellung der Struktur) sowie aus Vertikallasten auf den Rahmen oder bei asymmetrischer Lastanordnung. Der Eurocode 3 empfiehlt diese Methode bei besonders weichen Rahmen nicht anzuwenden, das heisst, wenn 𝛼cr,sw kleiner als 3.0 ist. Für den Nachweis der Stäbe kann man hier auch die Knicklänge in der Rahmenebene nach der Instabilität mit festen Knoten verwenden, wo die 𝑃-𝛥-Effekte schon berücksichtigt wurden. Dieses Vorgehen ist eindeutiger als die Näherung in verschiedenen Normen wie auch der SIA 263, wonach der Gebrauch der Biegemomente erster Ordnung mit den Knicklängen bezüglich Instabilität mit verschieblichen Knoten angewendet werden kann. Man kommt somit auf die Anwendung einer ähnlichen Methode wie die „equivalent member method“ aus dem Eurocode, die nicht zu empfehlen ist. Unter Berücksichtigung der kleinen, oft feinen Unterschiede der Vorgehensweisen, die sich dem Ingenieur für die Berechnung der Auswirkungen anbieten, zeigt die Tabelle 6.6 für die Praxis eine kurze Zusammenstellung der elastischen Berechnung zweiter Ordnung [5]. Plastische Berechnung

Die vereinfachte Methode der plastischen Berechnung von weichen Rahmen (Bild 6.28a), für welche der Einfluss zweiter Ordnung berücksichtigt werden muss, beruht auf einem Steifigkeitskriterium des Rahmens. Die Bestimmung dieser Steifigkeiten benützt die Resultate von zwei prinzipiell sehr einfachen Analysen, nämlich die Analyse mit Knicken als Verzweigungsproblem und die starr-plastische Analyse. Die Resultate dieser beiden unabhängigen Methoden werden nachfolgend gezeigt, um den Steifigkeitsgrad des Rahmens abzuschätzen. • Knickanalyse als Verzweigungsproblem des Rahmens (Bild 6.28b): Die gleichmässig verteilten Lasten werden als Knotenlasten in den Rahmenecken zusammengefasst und die Horizontalkräfte werden vernachlässigt. Diese Berechnung kann auf der Basis der in den Abschn. 6.4.3 und 6.4.5 vorgestellten Theorie geschehen, mit der Knicklänge ℎ𝐾 der Stützen für weiche, nicht gehaltene Rahmen; man erhält dabei eine Knicklänge ℎ𝐾 > ℎ. Diese Knicklänge wird nun für die Bestimmung der kritischen elastischen Knicklast (Eulersche Last) 𝑁cr herangezogen, womit dann

321

322

6 Statik der Hallenrahmen

Tab. 6.6 Methoden der elastischen Berechnung zweiter Ordnung. Elastische Bemessungsmethode

Berücksichtigte Imperfektionen (in der Ebene)

Auswirkungen

Erste Ordnung + Vergrösserung der Momente

=

Zweite Ordnung, direkt + Knickkurven

Zweite Ordnung, direkt

1

1–

1 cr,sw

M

Bemessung der losgelösten Elemente*

Knicklänge

Bemerkungen (nach EC 3)

Querschnittswiderstand + Knicken der Stützen (inkl. Kippen)

Verfahren mit festen Knoten

Anwendbar, wenn

Querschnittswiderstand + Knicken der Stützen (inkl. Kippen)

Verfahren mit festen Knoten

cr,sw

3.0

Nur anwendbar, wenn Stützen nicht zu schlank sind… NEd Ncr,ns

0.25

Querschnittswiderstand

, w0

*Die Nachweise aus der Ebene dürfen nicht vergessen werden. N, V, M: Normalkraft, Querkraft, Biegemoment erster Ordnung : Auswirkungen zweiter Ordnung elastische Eulersche Knicklast der Stütze beim Verfahren mit festen Knoten. Ncr,ns:

eine kritische gleichmässig verteilte Last 𝑞cr bestimmt wird: 𝑁cr = 𝑞cr =

𝜋2 𝐸𝐼 ℎ𝐾2 𝑁cr 𝑙

(6.33) (6.34)

2

Der kritische elastische Faktor 𝛼cr der einzigen vertikalen Einwirkungen für den betrachteten Gefährdungszustand beträgt somit: 𝛼cr =

𝑞cr 𝑞Ed

(6.35)

• Starr-plastische Analyse des Rahmens (Bild 6.28c): Diese Analyse geschieht erster Ordnung (ohne Berücksichtigung irgendeiner Instabilität der Struktur) nach der Mechanismusmethode von Abschn. 6.3.4. Der Rahmen wird mit allen proportional wachsenden Einwirkungen betrachtet. Dieses Verfahren erlaubt es, einen plastischen Grenzwertfaktor 𝛼pl erster Ordnung der Bemessungslast für das gleiche Gefährdungsbild zu ermitteln: 𝛼pl =

𝑞𝑢 𝑞Ed

(6.36)

6.5 Bemessungsvorgang

323

qEd HEd EIt EIm

EIm

h

l

(a) nicht gehaltener Rahmen (weich) qEd l 2

qEd l 2

hK > h

(b) Knicken als Verzweigungsproblem

qEd

HEd

Fliessgelenk

(c) starr-plastische Analyse mit allen Lasten (Versagensmechanismus)

mit Knotenlasten

Bild 6.28 Untersuchung der Rahmensteifigkeit aus Sicht einer plastischen Berechnung zweiter Ordnung.

Je nach dem Verhältnis der beiden oben berechneten 𝛼-Faktoren kann der Rahmen als steif oder weich beurteilt werden, was zu den verschiedenen Bemessungsverfahren führt: • 𝛼cr ∕𝛼pl > 10: Der Rahmen ist gegenüber den horizontalen Auslenkungen genügend steif , sodass der Einfluss zweiter Ordnung vernachlässigt werden kann; der Rahmen kann als steif angenommen werden. Somit genügt es, eine plastische Berechnung erster Ordnung und die Nachweise wie oben beschrieben durchzuführen (Mechanismusmethode). Für die Bestimmung der Knicklängen muss beachtet werden, dass die Fliessgelenke die Steifigkeit des Trägers, in welchem sie auftreten, verändern. • 4 ≤ 𝛼cr ∕𝛼pl ≤ 10: Der Rahmen hat eine mittlere Steifigkeit. Der Grenzlastfaktor 𝛼𝑢 , welcher der Interaktion von Instabilität und Plastizität Rechnung trägt, kann einfach nach der Formel von Merchant-Rankine ermittelt werden: 𝛼pl (6.37) 𝛼𝑢 = 𝛼 0.9 + pl 𝛼cr

Der Faktor 0.9 anstelle von 1.0 in der ursprünglichen Formel berücksichtigt pauschal die vorteilhafte Wirkung der Materialverfestigung und einer gewissen minimalen Steifigkeit aufgrund von Füllungen und Verkleidungen. Der Wert 𝛼𝑢 muss kleiner gleich 1.0 sein, weil die Lastbeiwerte schon in den Dimensionierungswerten des untersuchten Gefährdungsbildes enthalten sind.

324

6 Statik der Hallenrahmen

Im Weiteren muss der Rahmen aus Profilen konstruiert sein, die eine plastische Bemessung zulassen; die Gl. (6.37) ist von den beiden folgenden Bedingungen abhängig: – Die Fliessgelenke dürfen sich nur im Riegel ausbilden. Gelenke in den Stützen sind ausser beim Stützenfuss (gelenkige Stützen) nicht erlaubt. – Der Rahmen muss aus der Ebene, insbesondere im Bereich der Fliessgelenke wirkungsvoll gehalten sein. Die erste Bedingung ist für Hallenrahmen praktisch unmöglich zu erfüllen, was die Anwendung dieser Methode beträchtlich einschränkt. • 𝛼cr ∕𝛼pl < 4.0: Der Rahmen ist besonders weich und somit sehr empfindlich auf horizontale Auslenkungen. Es ist einleuchtend, dass der Rahmen kaum kompatibel mit der Gebrauchstauglichkeit der Halle bezüglich Beschränkung von horizontalen Verschiebungen ist. Es sind massgebliche Einflüsse zweiter Ordnung zu erwarten. Der Rahmen muss somit mit einer Methode nach zweiter Ordnung unter Berücksichtigung des elastisch-plastischen Materialverhaltens bemessen werden. Folgendes Vorgehen kann gewählt werden: – die Einwirkungen inklusive Ersatzlasten aufgrund der globalen Imperfektionen auf die Struktur ansetzen, – die daraus entstehenden Deformationen bestimmen und die verformte Lage der gedrückten Stäbe eruieren, – erneut die Einwirkungen auf die aktuell deformierte Tragstruktur ansetzen, – die zusätzlichen Deformationen berechnen und den Anfangsverformungen superponieren; das Verfahren des vorhergehenden Schrittes wiederholen, – so lange fortfahren, bis die verformte Rahmenstruktur stabil ist, – die am so verformten Rahmen erhaltenen Auswirkungen sind die Schnittkräfte zweiter Ordnung, – den Knicknachweis der gedrückten Elemente mit den Schnittkräften zweiter Ordnung und den Knicklängen in der Ebene aus der Methode mit festen Knoten rechnen und dabei Rücksicht auf die vorhandenen Fliessgelenke nehmen. Bei der Bildung eines Fliessgelenkes in einem gedrückten Element ist es wichtig, dass eine ausreichende Rotationskapazität vorhanden ist; der entsprechende Querschnitt muss somit den Querschnittsklassen für Querschnitte bei einer globalen plastischen Berechnung genügen (Verfahren PP).

6.5.5

Nachweis der Tragsicherheit

Wenn es für die Statik nicht erforderlich ist, die 𝑃-𝛥-Effekte (Schiefstellung) zu betrachten, rechnet man grundsätzlich die Auswirkungen elastisch erster Ordnung. Das System wird in äquivalente Einzelstäbe zerlegt (Stützen, Riegel), an welchen man an den Knoten die Auswirkungen als „Einwirkungen“ ansetzt. Für die hauptsächlich gedrückten Stäbe (Stützen) muss der Knicknachweis bezüglich beider Hauptachsen des Querschnittes gemacht werden; vorgängig müssen die entsprechenden Knicklängen definiert werden. Der Nachweis mit den europäischen Knickkurven deckt den 𝑃-𝛿-Effekt (Anfangsauslenkung) automatisch ab.

6.5 Bemessungsvorgang

Für gedrückte und gleichzeitig gebogene Elemente erfolgen der Querschnittsnachweis und der Nachweis der Ersatzstäbe mit den Interaktionsformeln. Diese Nachweise berücksichtigen indirekt die 𝑃-𝛥-Effekte: • sei es durch eine Vergrösserung der Momente erster Ordnung mit dem Faktor 1∕[1 − (1∕𝛼cr,sw )] (mit den Knicklängen aus der Instabilitätsform mit festen Knoten), • sei es mit einer Knicklänge aus der Instabilitätsform mit verschieblichen Knoten (mit Gebrauch der pauschalen Vergrösserung der Biegemomente aufgrund der mit erster Ordnung gerechneten seitlichen Verschiebung). Da die Koexistenz der beiden Verfahren zu möglichen Verwirrungen führt, wird empfohlen, nur das Erste anzuwenden, auf das sich meisten Normen in der Regel auch beziehen (Vergrösserungsfaktor); in der SIA 230 kommen beide Verfahren vor; die zu betrachtenden Knicklängen sind diejenigen mit der Instabilitätsform der festen Knoten. Es gibt zudem Interaktionsformeln, welche auch, falls erforderlich, das Kippen abdecken. Wenn der Nachweis des Querschnittswiderstandes mit den Auswirkungen aus einer direkten Berechnung zweiter Ordnung gemacht wird, welche auch die globalen Imperfektionen der Tragstruktur und die lokalen Imperfektionen der gedrückten Stäbe beinhaltet, ist der Nachweis der Stabilität in der Ebene nicht mehr erforderlich; dieser ist in der Bemessung enthalten. Zudem muss man sich mit der räumlichen Stabilität, der Kombination von Knicken um die schwache Achse (aus der Ebene) und dem Kippen befassen und entsprechende Massnahmen treffen (siehe Abschn. 7.4).

6.5.6

Nachweis der Gebrauchstauglichkeit

Für diesen Nachweis werden die seitliche Verschiebung des Rahmens wie auch die Durchbiegungen der Stäbe aufgrund der verschiedenen betrachteten Nutzlasten mit der Elastizitätstheorie erster Ordnung berechnet. Für gehaltene und nicht gehaltene Rahmen ist die Durchbiegung aus den Schneelasten auf den Riegel (oder Windsog bei leichten Dächern) die massgebende Einwirkung; das garantiert eine ausreichend steife Tragstruktur. Aus Gründen des Aussehens muss die Durchbiegung aus Eigengewicht und Schnee, allenfalls mit einer Überhöhung nachgewiesen werden. Im Übrigen muss bei Flachdächern einer möglichen Wasseransammlung Beachtung geschenkt werden. Für weiche, nicht gehaltene Rahmen ist der wichtigste Nachweis die horizontale Auslenkung der Rahmenecke aufgrund von Windeinwirkung. Dieser Nachweis betrifft in erster Linie die Funktionstüchtigkeit des Rahmens; im Speziellen dürfen z. B. Fenster aus allzu grossen Deformationen der Tragstruktur nicht beschädigt werden. Bei Hallen mit Kranbahnen erfolgt ein Nachweis der Horizontalverschiebung des Rahmens auf Schienenhöhe aufgrund der Kranlasten horizontal quer (oder Wind), um die Funktion des Laufkranes zu garantieren. Grenzwerte sind in der Norm SIA 260 definiert (siehe auch Kap. 9).

325

326

6 Statik der Hallenrahmen

Hauptträger (Riegel)

ebener Rahmen

Stütze / Rahmenstütze

Bild 6.29 Geschossrahmen mit Tragelementen in drei Richtungen.

6.6 Statik und Knicklängen von Geschossrahmen 6.6.1

Globales System

Die Berechnung von Geschossrahmen (Bild 6.29) geschieht ähnlich wie bei Hallenrahmen. Der Rahmen wird wie ein statisch globales System betrachtet, dessen Tragsicherheitsnachweis für eine gewisse Anzahl Lastfälle erfolgen muss. Ein Geschossrahmen, der in der Regel mehrere Binder und Stockwerke aufweist, erfordert oft den Einbezug verschiedener Lastanordnungen auf den Decken im gleichen Gefährdungsbild. Die Bemessung basiert auf einer vorher definierten Struktur, z. B. durch eine Vordimensionierung nach Anhang A2.1, Kap. 2 (Trägerhöhen, Schlankheitskriterien), auf vereinfachten Regeln oder aus Erfahrung.

6.6.2

Aneinanderreihung von Tragelementen

Der Nachweis der Tragsicherheit geschieht häufig durch Aufteilung der Tragstruktur in ihre Elemente. In Geschossbauten sind die Träger hauptsächlich auf Biegung und Querkraft beansprucht (die Normalkräfte bleiben klein), während die Stützen vorwiegend auf Druck, teilweise auf Biegung beansprucht sind (für Biegeträger siehe Kap. 5 in diesem Buch). Die gedrückten Elemente (Stützen) von gehaltenen oder nicht gehaltenen Rahmen werden zur Untersuchung der Stabilität als beidseitig gelenkig gehaltene Stäbe mit festen Knoten betrachtet, deren Enden durch eine konstante Normalkraft 𝑁 und durch die sich aus der effektiven Tragstruktur ergebenden Auswirkungen (Biege-

6.6 Statik und Knicklängen von Geschossrahmen

Bild 6.30 Auslenkung und Knicklängen der Stützen von steifen Geschossrahmen mit festen Knoten.

moment 𝑀 und Querkraft 𝑉) beansprucht sind. Die Knicklänge ℎ𝑘 hängt vom Einspanngrad an den Knoten ab. Im Weiteren erfahren gewisse Stützen gleichmässig verteilte oder punktförmige Einwirkungen quer zur Stabachse, die berücksichtigt werden müssen (siehe auch Abschn. 7.4). Die Berechnung von weichen, nicht gehaltenen Rahmen kann mit dem gleichen Verfahren wie steife, nicht gehaltene Rahmen geführt werden; dabei muss die Rahmenstabilität mit der Methode von verschieblichen Knoten untersucht werden.

6.6.3

Knicklängen von Geschossrahmen

Wie schon im Abschn. 6.4.5 erwähnt, geschieht die Ermittlung der Knicklängen der Stützen von Geschossrahmen hier noch auf der Basis von Substrukturen, aber angepasst an Geschossbauten. Die Berechnung der Gesamtstruktur basierend auf der kritischen Normalkraft, z. B. nach der Deformationsmethode, ergibt für jede Stütze genauere Resultate als das Ersatzstab-Verfahren. Knicken bei festen Knoten

Bei einem Rahmen mit seitlich festgehaltenen Knoten ist die Knicklänge immer kleiner gleich die Geschosshöhe ℎ (Bild 6.30). Wenn eine Stütze steif an die benachbarten Träger (oder die Fundation) angeschlossen ist und der Träger eine viel grössere Steifigkeit als die Stütze aufweist, ist die Knicklänge der Stütze gleich der halben Stützenlänge. Bei theoretisch beidseitig gelenkig angeschlossenen Stützen ist die Knicklänge gleich der Höhe ℎ. In der Realität sind die Träger immer teilweise eingespannt; somit bewegt sich die Knicklänge der Stützen ℎ𝐾 zwischen 0.5 und 1.0ℎ. Ausser den „exakten“ Methoden, welche die Biege- und Torsionssteifigkeiten aller Stäbe an der Stütze berücksichtigen, gibt es Näherungsmethoden zur Bestimmung der Knicklängen. Im Abschn. 6.4.5 wurde eine für Hallenrahmen geeignete, aber für Geschossrahmen weniger geeignete Methode vorgestellt. Ein anderes Näherungsverfahren basierend auf dem Konzept von Substrukturen (und demzufolge

327

328

6 Statik der Hallenrahmen

auf einer Anzahl vereinfachten Hypothesen) wird allgemein als Methode von Wood bezeichnet [7]. Diese Methode wird in Kurven dargestellt, aus denen sich mit Bezug auf die relativen Steifigkeiten an den Stützenenden ein Koeffizient 𝛽 = ℎ𝑘 ∕ℎ für die Knicklänge herauslesen lässt. Betrachten wir den Bereich der Stütze 𝑚 des seitlich gehaltenen Rahmens von Bild 6.31. In einer ersten Näherung wird die Stützenverlängerung der untersuchten Stütze nach oben und unten nicht betrachtet. Die relativen Steifigkeitskoeffizienten 𝜂sup und 𝜂inf am oberen und unteren Stützenende werden nach der folgenden Formel analog den Verteilwerten in der Methode nach Cross berechnet: 𝐾𝑚 ∑ 𝐾𝑚 + 𝐾t,sup 𝐾𝑚 = ∑ 𝐾𝑚 + 𝐾t,inf

𝜂sup =

(6.38)

𝜂inf

(6.39)

mit Bezug auf Bild 6.31: 𝐾𝑚 = 𝐸𝐼𝑚 ∕ℎ𝑚 : Steifigkeit der Stütze 𝑚 mit Trägheitsmoment 𝐼𝑚 und Länge ℎ𝑚 , Steifigkeit eines Trägers mit Trägheitsmoment 𝐼𝑡 und Länge 𝑙𝑡 (sie𝐾𝑡 = 𝐸𝐼𝑡 ∕𝑙𝑡 : he nachfolgender Unterabschnitt „Steifigkeit der Träger und Stützenfüsse“) ∑ ∑

𝐾t,sup = 𝐾t,g,sup + 𝐾t,d,sup 𝐾t,inf = 𝐾t,g,inf + 𝐾t,d,inf

Indizes: 𝑚: 𝑡: sup: inf : 𝑑: 𝑔:

Stütze Riegel (Träger) Stützenkopf Stützenfuss rechts von der Stütze links von der Stütze

Für das Modell der Gln. (6.38) und (6.39) haben wir angenommen, dass die Stütze nicht durchgehend ist und die Drucknormalkraft 𝑁 an den Stützenenden wirkt. Dieses Modell kann für durchgehende Stützen verallgemeinert werden; man postuliert, dass die Verhältnisse von 𝑁∕𝑁cr der aufeinanderfolgenden Stützenabschnitte identisch sind. Falls sich dieses Verhältnis ändert, wird diejenige Knicklänge aus der untenstehenden Methode genommen, welche dem Stützenabschnitt mit dem grössten Wert von 𝑁∕𝑁cr entspricht. Die Ausdrücke der relativen Steifigkeitskoeffizienten werden wie folgt modifiziert: 𝐾𝑚 + 𝐾m,sup ∑ 𝐾𝑚 + 𝐾m,sup + 𝐾t,sup 𝐾𝑚 + 𝐾m,inf = ∑ 𝐾𝑚 + 𝐾m,inf + 𝐾t,inf

𝜂sup =

(6.40)

𝜂inf

(6.41)

6.6 Statik und Knicklängen von Geschossrahmen N

3

Km,sup sup

K t, g, sup

h m, suph

329

K t, d, sup oberer Träger

Stütze m

hm

hK =

hm

Km

hm

unterer Träger h m, inf

K t, d, inf K t, g, inf inf N

l t, g

l t, d

statisches System des Rahmens

Km, inf

Bereich bezüglich Stütze m

Bild 6.31 Unterstruktur des Rahmens: Knicken mit festen Knoten.

Die Knicklänge ℎ𝐾 wird mit dem Koeffizient 𝛽 aus den Kurven in Bild 6.32a berechnet: 𝐻𝐾 = 𝛽ℎ

(6.42)

Anstelle der Kurven in Bild 6.32a kann die Knicklänge mit guter Genauigkeit mit den relativen Steifigkeitskoeffizienten an den Stabenden mit folgender empirischer Formel berechnet werden: 𝛽=

1 + 0.145(𝜂inf + 𝜂sup ) − 0.265 𝜂inf 𝜂sup ℎ𝐾 = ℎ 2 − 0.364(𝜂inf + 𝜂sup ) − 0.247𝜂inf 𝜂sup

(6.43)

Knicken bei verschieblichen Knoten

Bei Rahmen mit horizontal verschieblichen Knoten von Stütze und Träger ist die Knicklänge immer grösser als die Geschosshöhe ℎ der Stützen. Sie kann sogar unendlich werden, wenn die Träger gegenüber den Stützen sehr weich sind. Die Methode von Wood vom vorhergehenden Abschnitt kann auch auf die Instabilität bei verschieblichen Knoten angewendet werden. Unter der Annahme der vereinfachten Hypothesen kann sie auch gebraucht werden, wenn die Stützenhöhe, die Trägheitsmomente und das Verhältnis 𝑁∕𝑁cr der einen Stütze zur anderen nicht stark abweichen. Die Knicklänge einer durchgehenden Stütze kann mit den Kurven aus Bild 6.32b auf der Basis der relativen Steifigkeitskoeffizienten an den Stabenden bestimmt werden; die Koeffizienten sind dieselben wie in den Gln. (6.38)–(6.43). Anstelle der Kurven in Bild 6.32b kann die Knicklänge mit guter Genauigkeit mit den relativen Steifigkeitskoeffizienten an den Stabenden mit folgender empirischer Formel berechnet

330

6 Statik der Hallenrahmen

Steifigkeitskoeffizient sup 1.0

(gelenkig)

9 0.

0 5. 0 4. 0 3. .5 8 2 2. 4 2.

0 1.

(gelenkig)

95 0.

1.0

Steifigkeitskoeffizient sup

0.

0.8

85

0.8

2 2. 0 2. .9 1 8 1. .7 1 6 1. 1.5

8

0.

= 75 0.

/h hK

=h

K/

0.6

=

0.6

7

0.

4

5 65 0.

1.

67

0.

1.

25

5 6

2 1.

0.

15

5

57

1.

0. 55

1 1.

0.2

0.

0.2

5

05

52

1.

0. 0

5

1.

0.

0 (steif)

3

1.

0.4

62

0.

0.4

h=

0.2

0.4

0.6

Steifigkeitskoeffizient inf

(a) Methode mit gehaltenen Knoten

0.8

1.0 (gelenkig)

0 (steif)

0.2

0.4

0.6

0.8

Steifigkeitskoeffizient inf

1.0 (gelenkig)

(b) Methode mit verschieblichen Knoten

Bild 6.32 Knicklängenkoeffizient 𝛽 = hk ∕h von Stützen einer Substruktur.

werden: √ ℎ𝐾 √ √ 1 − 0.2(𝜂inf + 𝜂sup ) − 0.12𝜂inf 𝜂sup = 𝛽= ℎ 1 − 0.8(𝜂inf + 𝜂sup ) + 0.6 𝜂inf 𝜂sup

(6.44)

Steifigkeit der Träger und der Stützenfüsse

Die Steifigkeit eines Trägers, der keine bedeutenden Normalkräfte aufzunehmen hat, kann mit den Formeln in der dritten Spalte von links aus Tabelle 6.7 bestimmt werden. Die in dieser Tabelle wiedergegebenen Werte sind eine Funktion der Trägereinspannung an dessen Ende B gegenüber der Stütze. Sie sind gültig, solange der Träger im elastischen Bereich bleibt. Wenn der Bemessungswert des Biegemomentes 𝑀Ed des Trägers in einem Punkt den Bemessungswert des elastischen Biegewiderstandes 𝑀el,Rd übersteigt, muss der Träger an diesem Ende als gelenkig betrachtet werden, was sein statisches System ändert. Für den Fall, wo der Träger massgebende Normalkräfte aufnehmen muss, wird seine Biegesteifigkeit reduziert. Diese Reduktion kann durch folgende vereinfachte Annahmen berücksichtigt werden: • Bei Zugkräften kann ein Steifigkeitsgewinn komplett vernachlässigt werden. • Bei Drucknormalkräften kann der Steifigkeitsverlust durch Multiplikation der Steifigkeit mit dem Faktor in Spalte 4 der Tabelle 6.7 berücksichtigt werden. Wenn ein Träger an seinen Enden halbsteif (semirigid) angeschlossen ist (siehe Abschn. 7.7), muss seine Steifigkeit konsequenterweise reduziert werden. Halbsteife Anschlüsse werden mit einem Reduktionsfaktor in Bezug zu einem vollsteifen Anschluss berücksichtigt.

6.7 Rechenbeispiel zur Bemessung eines Rahmens

331

Tab. 6.7 Steifigkeiten von Trägern. Statisches System

Bedingung am Ende B des Trägers

Stütze m B

A

Allgemeiner Fall B ≠ A aber B ≠ 0

Steifigkeit des Trägers (NEd ist klein)

1.0 + 0.5

B A

Reduktionsfaktor der Steifigkeit bei wesentlichem NEd

It lt

Doppelkurve B =

A

I 1.5 t lt

1.0 − 0.2

N Ed N cr

I 0.5 t lt

1.0 − 1.0

N Ed N cr

I 1.0 t lt

1.0 − 0.4

N Ed N cr

I 0.75 t lt

1.0 − 1.0

N Ed N cr

Einfache Kurve B = − A

Eingespannt B = 0

Gelenkig MB = 0

Was die Steifigkeit der Stützenfüsse betrifft, wird in der Praxis allgemein ein gelenkiger Stützenfuss auf die Fundation mit einem Wert 𝜂inf = 0.05 angenommen. Umgekehrt wird empfohlen, bei eingespannt angenommenen Stützenfüssen nie einen Wert 𝜂inf grösser als 0.95 vorzusehen.

6.7 Rechenbeispiel zur Bemessung eines Rahmens In diesem Abschnitt werden die statische Berechnung und Bemessung eines Hallenrahmens nach den verschiedenen Verfahren in den Abschn. 6.3 (Statik von Rahmen) und 6.5 (Bemessungsvorgang) gezeigt. Der Tragsicherheits- und der Gebrauchstauglichkeitsnachweis der einzelnen Rahmenelemente werden im Abschn. 7.8 behandelt.

6.7.1

Randbedingungen des Rahmens

Vorgaben

Es handelt sich um einen Innenrahmen der Halle gemäss Bild 2.68 mit der Spezifikation gemäss Bild 6.33a. Die Profile basieren auf einer Vordimensionierung und den Einwirkungen, die in Abschn. 2.8.1 und 2.8.2 beschrieben sind. Bei einem Pfettenabstand von 1.9 m werden die Einwirkungen auf den Binder als gleichmässig verteilt angenommen.

332

6 Statik der Hallenrahmen aa = 1.9

m

1.5 m

Pfette IP

E 140

Binder IP

d = 2.0 m

Stütze HEA 300

h = 8.0 m

H = 9.25 m

E 450

Riegel IPE 160

geknickter Binder

Stütze

b = 15.0 m

(a) Tragstruktur

(b) Statisches System

Bild 6.33 Innenrahmen der Halle.

Statisches System

Das gewählte System ist ein Zweigelenkrahmen (Bild 6.33b). Die seitliche Stabilität des Rahmens muss durch die biegesteifen Rahmenecken gewährleistet werden, es gibt in der Rahmenebene keine seitliche Halterung. Alle vertikalen und horizontalen Lasten müssen durch den Rahmen allein aufgenommen werden. Charakteristische Einwirkungen

Eigengewicht der Tragstruktur • Binder IPE 450: 𝑔a,t = 078 kN∕m, • Stütze HEA 300: 𝑔a,m = 0.88 kN∕m, • Mittleres Eigengewicht der Pfetten IPE 160 auf einen Innenbinder: 𝑔pfette = 0, 16 kN∕m(6 m∕1.9 m) = 0.51 kN∕m, • Eigengewicht der Dacheindeckung: 𝑔𝑝 + 𝑔fin = 0.5 kN∕m2 ⋅ 6 m = 3.0 kN∕m, Schnee: 𝑞𝑘,𝑠 = 1.26 kN∕m2 ⋅ 6 m = 7.6 kN∕m, Wind: massgebender Fall: siehe Bild 6.34. Die Durchlaufwirkung von Pfetten und Riegel ist nicht berücksichtigt. Gefährdungsbilder und Lastfälle

Wir betrachten in diesem Beispiel zwei mögliche Gefährdungsbilder mit den entsprechenden Lastfällen, wobei einige eher akademischer Art sind. Sie sind der Vollständigkeit halber erwähnt. In der Tabelle 6.8 sind alle Lastbeiwerte der untersuchten Gefährdungsbilder aufgelistet. Für jeden Lastfall muss bekannt sein, ob der Rahmen steif oder weich klassifiziert ist. Deshalb wenden wir vorerst das allgemeine Kriterium und danach das vereinfachte Verfahren an. Letzteres ist anwendbar für leicht geneigte Dachformen.

6.7 Rechenbeispiel zur Bemessung eines Rahmens

333

3.41 kN/m 0.78 kN/m

ga

gpfette + gp + gfin

Eigengewicht

Pfetten und nichttragende Elemente

7.7 kN/m 5.9 kN/m

Wind

q k,s

2.2 kN/m

3.8 kN/m

2.7 kN/m

q k,w

Schnee

Wind quer

Bild 6.34 Charakteristische Einwirkungen auf den Rahmen. Tab. 6.8 Lastbeiwerte für verschiedene Lastfälle. Gefährdungsbild

A Schnee B Wind A Schnee B Wind

Lastfall

Nr. 1 2 3 4

Leiteinwirkung Schnee Wind Schnee + Wind Wind + Schnee

Eigengewicht ga

Gewicht der nichttragenden Elemente gpfette + gp + gfin

Schnee qk,s

Wind qk,w

𝛾𝐺 𝛾𝐺 𝛾𝐺 𝛾𝐺

𝛾𝐺 𝛾𝐺 𝛾𝐺 𝛾𝐺

𝛾𝑄 = 1.50 — 𝛾𝑄 = 1.50 𝜓0 = 0.90

— 𝛾𝑄 = 1.50 𝜓0 = 0.60 𝛾𝑄 = 1.50

= 1.35 = 1.35 = 1.35 = 1.35

= 1.35 = 1.35 = 1.35 = 1.35

Allgemeines Kriterium

Die Berechnung der kritischen Knicklast (für einen Rahmen mit seitlich verschieblichen Knoten) kann mithilfe der Diagramme in Tabelle 6.4 oder mit einem Bemessungsprogramm erfolgen. Verwendung der Diagramme

Zuerst muss der Parameter 𝜌 gemäss Gl. (6.15) mit Knotenlasten an den Stützenköpfen berechnet werden. Diese Methode gilt streng genau nur für horizontale Binder, was hier nicht der Fall ist.

334

6 Statik der Hallenrahmen

Tab. 6.9 Verhältnis von 𝛼cr = Qcr ∕QEd für verschiedene Lastfälle. Lastfall Nr. 1 259 2142 8.27

𝑄Ed [kN] 𝑄cr [kN] 𝛼cr

2 91 2142 23.5

3 260 2142 8.24

4 194 2142 11.0

𝐼𝑚 𝑙 1 182.6 ⋅ 106 mm4 ⋅ 15 m = 0.51 = ⋅ 2 337.4 ⋅ 106 mm4 ⋅ 8 m 𝐼𝑡 ℎ ℎ 𝛽 = 𝐾 = 2.35 (Kurve F, Tabelle 6.4) ℎ 𝜋2 ⋅ 210 kN∕mm4 ⋅ 182.6 ⋅ 106 mm4 𝜋2 𝐸𝐼𝑚 𝜋2 𝐸𝐼𝑚 𝑁cr = = = (𝛽ℎ)2 (2.35 ⋅ 8000 mm2 )2 ℎ2 ∑𝐾 𝑄cr = 𝑁cr = 2 ⋅ 1071 kN = 2142 kN 𝜌=𝜂

Verwendung eines Programmes

Die Berechnung der kritischen Knicklast kann auch mit einem entsprechenden Computerprogramm berechnet werden. Ein solches Programm ergibt die kritische Last von 2170 kN. Wir sehen, dass der Wert aus den Diagrammen recht gut mit dem „exakten“ Wert übereinstimmt. Auswirkungen

Die Bemessungswerte der resultierenden Vertikalkraft 𝑄Ed kommen aus einer elastischen Berechnung erster Ordnung und sind in der Tabelle 6.9 für jeden Lastfall zusammengefasst. Exemplarisch werden die Lastfälle Nr. 1 und 4 aufgeführt. Lastfall Nr. 1 (Leiteinwirkung Schnee), resultierende Vertikalkraft: ) ( √ 𝑄Ed = (1.35 ⋅ 0.78 kN∕m + 1.35 ⋅ 3.51 kN∕m) ⋅ 2 ⋅ (7.5 m)2 + (1.25 m)2 + 1.5 ⋅ 7.6 kN∕m ⋅ 15 m = 259 kN Lastfall Nr. 4 (Leiteinwirkung Wind und Begleiteinwirkung Schnee), resultierende Vertikalkraft: ) ( √ 𝑄Ed = (1.35 ⋅ 0.78 kN∕m + 1.35 ⋅ 3.41 kN∕m) ⋅ 2 ⋅ (7.5 m)2 + (1.25 m)2 + 0.9 ⋅ 7.7 kN∕m ⋅ 15 m − 1.5 ⋅ (5.9 kN∕m + 2.7 kN∕m) ⋅ cos 9.5◦ ⋅ 7.5 m = 94 kN Der Rahmen kann wie folgt klassifiziert werden:

• weich (𝛼cr < 10) für die Lastfälle Nr. 1 und 3, • steif (𝛼cr ≥ 10) für die Lastfälle Nr. 2 und 4. Der Lastfall Nr. 1, bei welchem der Rahmen als „weich“ klassifiziert ist, erweist sich als derjenige, der eine praktisch maximale Vertikallast, aber keine direkt einwirkende Horizontalkraft aufweist. Diese Tatsache ist nur scheinbar paradox; effektiv be-

6.7 Rechenbeispiel zur Bemessung eines Rahmens

rücksichtigen die weiteren statischen Berechnungen die Auswirkung der Anfangsverdrehung 𝜑0 als äquivalente Horizontalkräfte. Der Lastfall Nr. 4 wird in der Folge als Beispiel für die elastische Berechnung eines Rahmens gezeigt. Vereinfachtes Kriterium

Für das vereinfachte Verfahren der Klassifizierung, Gln. (6.8) und (6.8a), muss die Horizontalverschiebung 𝛥 für jeden Lastfall auf Binderhöhe berechnet werden. Im vorliegenden Beispiel kann der effektive Rahmen durch einen ähnlichen Rahmen mit horizontalem Binder ersetzt werden, für welchen verschiedene Formelsammlungen den Wert der horizontalen Verschiebung aufgrund horizontaler Lasten angeben. Wir nehmen an, dass die Windlasten auf die Fassade je hälftig in die Fundation und auf die Rahmenecken wirken. Lastfall Nr. 1 (Leiteinwirkung Schnee)

• Resultierende Vertikalkraft: 𝑄Ed = 259 kN • Horizontalkraft aus Wind: 𝐻w,Ed = 0.0 kN • Horizontalkraft aufgrund der Schiefstellung: 𝐻eq,Ed = 𝜑𝑄Ed =

𝛼ℎ 𝛼𝑚 ⋅ 259 kN = 0.8 kN (mit 𝛼ℎ = 0.71 und 𝛼𝑚 = 0.87) 200

• Gesamte Horizontalkraft: 𝐻Ed = 𝐻w,Ed + 𝐻eq,Ed = 0.0 + 0.8 kN = 0.8 kN • Horizontalverschiebung: 𝛥=

𝐻Ed ℎ3 𝐼𝑚 𝑙 0.8 kN ⋅ (8 m)3 ( + 2) = 12𝐸𝐼𝑚 𝐼𝑡 ℎ 12.210 ⋅ 106 kN∕m2 ⋅ 182.6 ⋅ 10−6 m4 ⋅(

182.6 ⋅ 10−6 m4 15 m ⋅ + 2) 337.4 ⋅ 10−6 m4 8 m

= 2.7 ⋅ 10−3 m = 2.7 mm 𝛼cr =

𝑄cr ℎ𝐻Ed 8000 mm ⋅ 0.8 kN ≈ = = 9.15 < 10 𝑄Ed Δ𝑄Ed 2.7 mm ⋅ 259 kN

⇒ Der Rahmen ist weich, im Vergleich war beim allgemeinen Kriterium 𝛼cr = 8.27.

335

336

6 Statik der Hallenrahmen

Lastfall Nr. 3 (Leiteinwirkung Schnee und Begleiteinwirkung Wind)

• Resultierende Vertikalkraft: 𝑄Ed = 260 kN • Horizontalkraft aus Wind: 𝐻w,Ed = 0.6 ⋅ (5.6 kN∕m − 0.5 kN∕m)0.5 ⋅ 8 m = 12.2 kN • Horizontalkraft aufgrund der Schiefstellung: 𝐻ea,Ed = 𝜑𝑄𝑑 =

0.71 ⋅ 0.87 ⋅ 260 kN = 0.8 kN 200

• Gesamte Horizontalkraft: 𝐻Ed = 𝐻w,Ed + 𝐻eq,Ed = 12.2 + 0.8 kN = 13.0 kN • Horizontalverschiebung: 𝛥=

𝐻Ed ℎ3 𝐼𝑚 𝑙 13.0 kN ⋅ (8 m)3 ( + 2) = 12𝐸𝐼𝑚 𝐼𝑡 ℎ 12.210 ⋅ 106 kN∕m2 ⋅ 182.6 ⋅ 10−6 m4 ⋅(

182.6 ⋅ 10−6 m4 15 m ⋅ + 2) 337.4 ⋅ 10−6 m4 8 m

= 43.6 ⋅ 10−3 m = 43.6 mm 𝛼cr =

𝑄cr ℎ𝐻Ed 8000 mm ⋅ 13.0 kN ≈ = = 9.17 < 10 𝑄Ed Δ𝑄Ed 43.6 mm ⋅ 260 kN

⇒ Der Rahmen ist weich, im Vergleich war beim allgemeinen Kriterium 𝛼cr = 8.24. Wir sehen also, dass die Anwendung des vereinfachten Verfahrens für die Klassifizierung von rechteckförmigen Rahmen die Klassifizierung des allgemeinen Verfahrens bestätigt. Wir können eine analoge Berechnung für die anderen Lastfälle machen. Der Umstand, dass diese Rahmen auf der Basis des allgemeinen Verfahrens eindeutig als steif gelten, macht den Vergleich überflüssig. Es sei bemerkt, dass das vereinfachte und allgemeine Verfahren möglicherweise bei gewissen Lastfällen zu verschiedenen Klassifizierungen führen kann. Um auf der sicheren Seite zu sein, empfiehlt es sich, in diesen Fällen den Rahmen als „weich“ zu betrachten.

6.7.2

Berechnung der Auswirkungen

Da der nicht ausgesteifte Rahmen als „steif“ klassifiziert wurde, können die für die Bemessung erforderlichen Auswirkungen durch eine elastische Berechnung erster Ordnung erfolgen; das ist hier der Fall für die Lastfälle Nr. 2 und 4. Bild 6.35 zeigt die Auswirkungen von 𝑁, 𝑀 und 𝑉 der einzelnen nicht faktorisierten (charakteristischen) Einwirkungen. Damit können durch Superposition die Auswirkungen der einzelnen Lastfälle berechnet werden.

6.7 Rechenbeispiel zur Bemessung eines Rahmens

– 2.1

– 9.0

V [kN]

N [kN] – 1.1

M [kNm]

337

12.0

– 5.7 – 6.0

1.1

–1.1

Eigengewicht ga

– 39.2

– 9.1

– 4.9 – 24.8

51.9

4.9

– 25.9

– 4.9

Gewicht der nichttragenden Elemente gPfette + gp+ g fin – 87.4 – 20.3

116.0

– 10.8 – 55.2

– 57.8

10.9

– 10.9

Schnee qs – 67.2

– 73.3 48.0 – 33

8.7

– 14.8

7.2 – 0.7

127.0 48.8

15.8 – 31.1 Wind qw

Bild 6.35 Verteilung der Auswirkungen auf den Rahmen für jeden Lastfall.

Um die Schiefstellung zu berücksichtigen, können die äquivalenten Horizontalkräfte wie folgt angenommen werden: 𝐻eq,ED = 𝜑 ⋅ 𝑄Ed . Im Falle eines geknickten Binders muss die resultierende äquivalente Horizontalkraft je hälftig auf jede Rahmenecke angesetzt werden (Bild 6.36). Daraus werden die entsprechenden antimetrischen Spannungen ermittelt. Da diese resultierende äquivalente Kraft je nach betrachtetem Lastfall proportional zu den Vertikalkräften ist, ist die Momentenverteilung durch einen Einheitswert der äquivalenten Kraft gegeben. Für jeden Lastfall wird der charakteristische Wert wie folgt berechnet: 𝐸𝑑 = 𝛴𝛾𝑖 𝐸𝑖 +

𝜑𝑄Ed 𝐸 𝐻 𝐻

4.7

– 12.9

338

6 Statik der Hallenrahmen

0.5 kN

0.5 kN

Äquivalente horizontale Einheitslast

verformte Lage V [kN]

N [kN]

M [kNm]

– 0.087

– 4.0

4.0

0.526

0.087 – 0.53

– 0.53

– 0.5

0.5

Verteilung der Auswirkungen

Bild 6.36 Verteilung der Auswirkungen aufgrund einer äquivalenten horizontalen Einheitslast.

𝐸𝑖 : 𝐸𝐻 :

Auswirkung (𝑁, 𝑉 oder 𝑀) für die Last 𝑖, nicht faktorisiert, Auswirkung (𝑁, 𝑉 oder 𝑀) aufgrund der horizontalen äquivalenten Einheitslast 𝐻 = 1, Lastbeiwert für die Last 𝑖 und für den betrachteten Lastfall, 𝛾𝑖 : 𝜑, 𝑄Ed : Schiefstellung, Bemessungswert der totalen Vertikallast für den betrachteten Lastfall, 𝐻: Äquivalente horizontale Einheitslast (𝐻 = 1). Für den Lastfall Nr. 4 ergibt sich z. B.: • ein maximales negatives Moment am rechten Stützenkopf, • eine entsprechende Normalkraft: − = 1.35(−9.0 kN∕m) + 1.35 ⋅ (−39.2 kN∕m) + 0.90 ⋅ (−87.4 kN m) 𝑀Ed

+ 1.50 ⋅ (−33.0 kN m) +

1 kN m ⋅ 94 kN ⋅ (−4.0 ) 200 kN

= −195.1 kN m 𝑁Ed = 1.35(−6.0 kN) + 1.35 ⋅ (−25.9 kN) + 0.90 ⋅ (−57.8 kN) + 1.50 ⋅ (−15.8 kN) +

1 kN ⋅ 94 kN ⋅ (−0.53 ) 200 kN

= −119.0 kN Man sieht, dass der Einfluss der geometrischen Imperfektionen (äquivalente horizontale Einheitslast) für den als steif betrachteten Rahmen sehr klein ist; er beträgt 0.9 % beim Biegemoment und 0.3 % bei der Normalkraft.

6.7 Rechenbeispiel zur Bemessung eines Rahmens

Elastische Berechnung, weicher Rahmen

Für den Lastfall Nr. 1 ist der Rahmen als „weich“ klassifiziert; somit kann der Einfluss zweiter Ordnung berücksichtigt werden. Es sind mehrere Berechnungsmethoden möglich (Abschn. 6.5.4, Tabelle 6.6). Vergrösserung der Biegemomente

Diese Methode besteht darin, die elastischen Momente erster Ordnung aufgrund der Horizontallasten mit dem Faktor 1∕[1 − (1∕𝛼cr,sw )] zu erhöhen und die Stützen unter der Annahme eines gehaltenen Rahmens zu berechnen: ∑ ∑ 𝜑𝑄Ed 1 (𝛾𝑖 𝑀𝑖 ) = [ 𝑀𝐻 + (𝛾𝑗 𝑀𝑗 )] 𝐻 1−

𝑀Ed =

1

𝛼cr,sw

𝑀𝑖 : 𝑀𝑗 :

Moment aufgrund der Vertikallasten (Last 𝑖, nicht faktorisiert), Moment aufgrund der wesentlichen Horizontallasten (Last 𝑖, nicht faktorisiert), 𝑀𝐻 : Moment aufgrund der äquivalenten horizontalen Einheitslast (𝐻 = 1), 𝐻: äquivalente horizontale Einheitslast (𝐻 = 1). Lastfall Nr. 1: • Vergrösserungsfaktor: 1 1−

1 𝛼cr,sw

=

1 1−

1

= 1.12

9.15

• Maximales positives Moment in Bindermitte: + = 1.35 ⋅ 12.0 kN m + 1.35 ⋅ 41.9 kN m + 1.50 ⋅ 116 kN m 𝑀Ed,max

+[

kN m 1 ] ⋅ 1.12 = 260 kN m ⋅ 259 kN ⋅ 0 200 kN

• Maximales negatives Moment am rechten Stützenkopf: − 𝑀Ed,max = 1.35 ⋅ (−9.0 kN m) + 1.35 ⋅ (−39.2 kN m) + 1.50 ⋅ (−87.4 kN m)

+[

kN m 1 )] ⋅ 1.12 = −202 kN m ⋅ 259 kN ⋅ (−4.0 200 kN

Direkte Berechnung zweiter Ordnung

Die andere Möglichkeit zur Berücksichtigung der zweiten Ordnung ist eine direkte Berechnung mit der Gesamtheit der Einwirkungen des betrachteten Lastfalles (Prinzip der nicht anwendbaren Superposition). Die Tabelle 6.10 zeigt die maximalen positiven und negativen Momente mit Gegenüberstellung der Resultate erster Ordnung mit den vergrösserten und nicht vergrösserten Momenten. Wir sehen, dass der Unterschied der Resultate zwischen Berechnung erster und zweiter Ordnung klein ist. Im Weiteren ist der Einfluss der geometrischen Imperfektionen mit der äquivalenten Kraft 𝜑 ⋅ 𝑄Ed ohne grossen Einfluss. Das kommt daher, weil der Rahmen relativ steif ist.

339

340

6 Statik der Hallenrahmen

Tab. 6.10 Maximale positive und negative Momente für den Lastfall Nr. 1. Art der elastischen Berechnung Erste Ordnung Erste Ordnung (mit äquivalenter Kraft 𝜑𝑄Ed ) Erste Ordnung vergrössert mit 1∕[1 − (1∕𝛼cr )] Zweite Ordnung Zweite Ordnung (mit äquivalenter Kraft 𝜑𝑄Ed )

+ MEd,max [kN m] 260 260 260 263 263

− MEd,max [kN m] –196 –201 –202 –196 –202

Plastische Berechnung

Plastische Berechnungen erster und zweiter Ordnung erfolgen mit Programmen für den einzigen Lastfall Nr. 1. Die Ergebnisse beziehungsweise die Vergrösserungsfaktoren für plastische Berechnung der faktorisierten Lasten des betrachteten Lastfalles sind in Tabelle 6.11 aufgeführt. Tab. 6.11 Plastische Vergrösserungsfaktoren für den Lastfall Nr. 1. Plastisches Verfahren Erste Ordnung Erste Ordnung (mit äquivalenten Kräften 𝜑0 𝑄Ed ) Zweite Ordnung Zweite Ordnung (mit äquivalenten Kräften 𝜑0 𝑄Ed )

𝜶pl 1.492 1.473 1.470 1.421

Die Werte der kritischen Vergrösserungsfaktoren für Knicken finden wir in der Tabelle 6.9, für den Lastfall Nr. 1 also: 𝛼cr =

𝑄cr 2142 kN = = 8.27 𝑄Ed 259 kN

Das Verhältnis 𝛼cr ∕𝛼pl = 8.27∕1.473 ist 5.61, also im Bereich zwischen vier und zehn, was erlaubt, den Grenzfaktor nach Merchant-Rankine zu bestimmen: 𝛼𝑢 =

𝛼pl 0.9 +

𝛼pl 𝛼cr

=

1.473 0.9 +

1.473

= 1.37 > 1.0

8.27

Das bedeutet, dass sich der entscheidende Kapazitätsverlust durch Interaktion zwischen Plastifizierung und Instabilität für Lasten grösser als 37 % gegenüber den mit Lastbeiwerten multiplizierten Lastbeiwerten ergibt.

6.8 Literaturverzeichnis 1 Knobloch, M., Bureau, A., Kuhlmann, U., Simoes da Silva, L., Snijder, H.H., Taras, A., Bours, A.-L. und Jörg, F. (2020). Structural members stability verification in the new Part 1-1 of the second generation of Eurocode 3, Two-part article. Steel Construction, 13 (2/3). 2 CONSTRADO (1994). Steel Designer’s Manual. 4. Aufl. (1972) London: Crosby Lockwood, 5. Aufl. (1994). SCI and Blackwell Science.

6.8 Literaturverzeichnis

3 Verein deutscher Eisenhüttenleute (Hrsg.) (1986). Stahl im Hochbau, 14. Aufl., Bd. 1. Düsseldorf: Verlag Stahleisen M B H. 4 Petersen, C. (1982). Statik und Stabilität der Baukonstruktionen, 2., durchgesehene Auflage, Nachdruck 1992. Braunschweig/Wiesbaden: F. Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft mbH. 5 Braham, M. und Lascrompes, E. (1992). L’analyse élastique des ossatures au moyen de l’Eurocode 3. Construction métallique, St-Rémy-lès-Chevreuse 29 (4), 31–60. 6 Beer, H. und Schulz, G. (1970). Grundsätzliche Theorie zu den europäischen Knickkurven. CTICM, St-Rémy-les-Chevreuses 3: 37–57. 7 ECCS/CECM/EKS (1978). European Recommendations for Steel Construction, European Convention for Constructional Steelwork. Bruxelles.

341

343

7 Rahmenelemente 7.1 Einführung Im Kap. 6 wurde die Statik von Hallenrahmen behandelt, um die Auswirkungen der Tragelemente (Riegel, Stützen) zu bestimmen. Das vorliegende Kapitel ist der Bemessung dieser Elemente gewidmet (Bild 7.1). An erster Stelle werden die Riegel behandelt, als H-Profile (Abschn. 7.2), als Fachwerke (Abschn. 7.3) und danach die Stützen (Abschn. 7.4). Ein Abschnitt behandelt die Verbindungen zwischen Stützen und Riegeln, die Rahmenecken (Abschn. 7.5), ein weiterer Abschnitt die Stützenfüsse (Abschn. 7.6) als Verbindungen in die Fundation oder auf Unterkonstruktionen. Im letzten Abschnitt (Abschn. 7.7) wird noch auf die halbsteifen Knoten eingegangen. In jedem Abschnitt werden die geläufigen typischen Elemente vorgestellt und die Auswirkungen und gängigen Nachweise der Tragsicherheit und Gebrauchstauglichkeit dargelegt. Im Abschn. 7.8 sind einige Zahlenbeispiele zum Thema gerechnet. In diesem Kapitel gibt es verschiedene Hinweise zum deutschsprachigen Buch von Hirt, Bez, Nussbaumer: „Stahlbau, Grundbegriffe und Bemessungsverfahren“, TGC 10, PPUR Lausanne, 2006.

Rahmenecke

Riegel aus Doppel-T-Profil

Fachwerkbinder

Stütze Stützenfuss

Bild 7.1 Elemente von Hallenrahmen.

Stahlhochbau – Entwurf und Bemessung von Hallen und Geschossbauten, 1. Auflage. Manfred A. Hirt, Michel Crisinel und Alain Nussbaumer. © 2024 EPFL Press. Published 2024 by Ernst & Sohn GmbH.

344

7 Rahmenelemente

7.2 Riegel aus Doppel-T-Profilen 7.2.1

Typen von Riegeln

Riegel sind die horizontal oder geneigt angeordneten Tragelemente, welche die Dachlasten aufnehmen und deren Konzeption im Kap. 2 behandelt wurde. Die Hauptfunktion besteht in der Abtragung der Dachlasten in die Stützen. Im Fall von biegesteifen Verbindungen zwischen Riegeln und Stützen werden auch horizontale Lasten wie Wind und Erdbeben in die Stützen übertragen. H-Profile von Rahmenriegeln bestehen aus Walzprofilen oder geschweissten Vollwandträgern mit konstanter oder variabler Höhe. Die Höhe ℎ der Riegel liegt zwischen 𝑙∕30 und 𝑙∕15 und hängt vom statischen System des Rahmens ab (𝑙 ist die Spannweite des einfachen Balkens oder der Abstand zwischen den Momenten-Nullpunkten). Die Riegel können im Bereich maximaler Beanspruchungen Verstärkungen haben sowie seitliche Kipphalterungen, Öffnungen zur Durchleitung von Haustechnikleitungen und Montagestösse usw. aufweisen. Bild 7.2 zeigt einige typische Rahmenriegel aus H-Profilen. Konstruktionsdetails von Rahmenecken, Stützenfüssen und Montagestössen wurden im Abschn. 2.2.3 aufgezeigt.

7.2.2

Tragsicherheit

Auswirkungen

Rahmenriegel können als unabhängige Stäbe betrachtet werden, welche durch die Kräfte aus der statischen Berechnung beansprucht sind. Diese Kräfte sind direkt wirkende Einwirkungen sowie die Auswirkungen an den Stabenden, welche wie Einwirkungen betrachtet werden können (Bild 7.3). Die Beanspruchungen sind die folgenden: • Einwirkungen von aussen: – Eigengewicht des Stabes; – Auflagerreaktionen der Pfetten: Pfetten-Eigengewicht, Eigenlasten der Bedachung, Windlasten (Sog und Druck), Schnee, Nutzlasten für begehbare und nicht begehbare Dächer; – allfällige Hängelasten.

Walzprofil

Wabenträger

Bild 7.2 Rahmenriegel aus Doppel-T-Profilen.

Vollwandträger

7.2 Riegel aus Doppel-T-Profilen

g+q (Pfetten)

Einwirkungen aus der Stütze NA

g (Riegel) VB NB

VA Riegel

MA

MB A

B l

Bild 7.3 Beanspruchung eines Riegels.

• Einwirkungen an den Stabenden: – ein Biegemoment; – eine Normalkraft; – eine Querkraft. Die „äusseren“ Lasten an den Riegelenden sind in der Regel – auch bei symmetrischen Systemen – aufgrund von asymmetrisch wirkenden Lasten (im Speziellen aus Windeinwirkung) nicht dieselben. Um das Auftreten von Torsion zu vermeiden, müssen entsprechende konstruktive Massnahmen bezüglich Kraftübertragung vorgesehen werden, z. B. durch das Vermeiden von exzentrischen Lasteinleitungen bezüglich der Riegelebene. Der Tragsicherheitsnachweis beinhaltet die Überprüfung der massgebenden Querschnittswiderstände (Maximalmomente, Auflager usw.) wie auch das Kippen des gesamten Stabes. Diese Nachweise müssen nach dem für den Rahmen vorgesehenen Bemessungsverfahren erfolgen: PP, EP, EE oder EER; dabei müssen die gedrückten Elemente die entsprechenden Schlankheitskriterien erfüllen (siehe Norm SIA 263 „Modellbildung“). Querschnittswiderstand

Dazu gelten die folgenden Nachweise: 𝑙𝐷 ≤ 𝑙cr

𝑀Ed ≤ 𝑀Rd

(7.1a)

𝑙𝐷 > 𝑙cr

𝑀Ed ≤ 𝑀D,Rd

(7.1b)

ebenso: 𝑉Ed ≤ 𝑉Rd 𝑀Ed : 𝑀Rd :

345

(7.2)

Bemessungswert des Biegemomentes, Bemessungswert des Biegewiderstandes (𝑀pl,Rd , 𝑀el,Rd oder 𝑀eff ,Rd , je nach gewähltem Bemessungsverfahren), 𝑀D,Rd : Bemessungswert des Kippwiderstandes, Kipplänge, 𝑙𝐷 : kritische Kipplänge, 𝑙cr : Bemessungswert der Querkraft, 𝑉Ed : 𝑉Rd : Bemessungswert des Querkraftwiderstandes.

346

7 Rahmenelemente

Kippen

Beim konventionellen Hallenbau ist das Kippen des Riegels nicht immer relevant. Im Bereich der positiven Momente ist der gedrückte Obergurt in der Regel durch Sekundärelemente wie die Pfetten gehalten (Bild 7.4); die Pfetten müssen korrekt an den Riegeln befestigt und kraftschlüssig an einen Windverband angeschlossen sein. In diesem Fall ist die Kipplänge 𝑙𝐷 gleich dem Pfettenabstand. Wenn 𝑙𝐷 kleiner ist als die kritische Kipplänge 𝑙cr , wird Kippen nicht massgebend. Im Bereich von negativen Momenten ist der gedrückte Untergurt nicht gehalten und kann kippen. Hier nimmt man als Kipplänge die Distanz zwischen der Rahmenecke (Ort des grössten negativen Momentes) und dem nächstgelegenen Momenten-Nullpunkt an. Bei dieser Annahme muss die Rahmenecke aus der Rahmenebene fest durch die Traufpfetten oder Schrägstreben gehalten sein (Bild 7.4a). Falls das nicht der Fall ist, verlängert man den Riegel durch die „heraufgeklappte“ Stütze und definiert die Kipplänge vom oben erwähnten Momenten-Nullpunkt bis zum nächsten von der Rahmenecke aus der Rahmenebene gehaltenen Punkt der Stütze, deren Untergurt unter einem negativen Moment gedrückt ist (Bild 7.4b). Bild 7.4 zeigt den Lösungsansatz für den Riegel eines einfachen Rahmens mit den zu berücksichtigenden Kipplängen bei lotrecht wirkenden Lasten. Im Punkt A ist der Rahmenknoten aus der Ebene seitlich gehalten; im Punkt B ist das Modell bei nicht gehaltenen Rahmenecken dargestellt. qEd NB

NA A

MA

B MEd, max

MEd, max MEd, min



MB

MEd, max

MEd, min



M + _ lD

MEd, min

_ lD

+ lD



A

A

N

Schnitt A-A

(a) gehaltene Rahmenecke

(b) nicht gehaltene Rahmenecke

Bild 7.4 Kipplängen für den Kippnachweis eines Rahmenriegels.

7.2 Riegel aus Doppel-T-Profilen

Wenn die Kipplänge 𝑙𝐷 grösser ist als die kritische Kipplänge 𝑙cr (beziehungsweise 1.1𝑙cr beim Bemessungsverfahren EE), muss der Kippwiderstand nachgewiesen oder die Struktur mit geeigneten Massnahmen zusätzlich seitlich gehalten werden, um die Bedingung 𝑙𝐷 ≤ 𝑙cr (oder 1.1𝑙cr ) zu erreichen. Es gilt zu beachten, dass der Untergurt des Riegels bei umgekehrt wirkenden Lasten (z. B. bei Windsog) auch kippen kann. Bei Anwendung des am meisten praktizierten Verfahrens EP wird die kritische Kipplänge 𝑙cr gemäss Norm SIA 263 wie folgt berechnet: √ 𝐸 𝑙cr = 2.7𝑖𝑧 (1 − 0.5𝛹) (7.3) 𝑓𝑦 𝑖𝑧 : Trägheitsradius um die schwache Achse, 𝛹: im untersuchten Kippfeld das Verhältnis des kleineren Endmomentes zum grösseren, unter Berücksichtigung des Vorzeichens (𝛹 = 𝑀Ed,min ∕𝑀Ed,max ). Diese Formel ist gültig bei kleinen Normalkräften (𝑁Ed ∕𝑁pl,Rd ≤ 0.15). Das mittlere Kippfeld des Riegels ist gekennzeichnet durch eine praktisch konstante Momentenverteilung (𝑀Ed,min ≅ 𝑀Ed,max ), und somit durch 𝛹 = 1, was zu einer kritischen Kipplänge von 𝑙cr ≅ 40𝑖𝑧 führt. Für ein Kippfeld mit 𝑀Ed,min = 0 an einem Ende wird 𝑙cr ≅ 81𝑖𝑧 . Andere numerische Werte (z. B. für parabelförmige Momentenverteilungen) befinden sich im Kap. 5 des TGC 10 Stahlbau. Bei grösseren Normalkräften muss eine M-N-Interaktion gemacht werden. In diesem Fall muss der Riegel wie ein gedrückter und gebogener Stab mit den Interaktionsformeln von Norm SIA 263 oder Abschn. 6.3.2 des TGC 10 Stahlbau bemessen werden. Bei grösseren Kipplängen 𝑙𝐷 als 𝑙cr (oder 1.1𝑙cr ) muss der Kippnachweis geführt werden. Das heisst, der Bemessungswert des Biegewiderstandes des Riegels entspricht nicht dem Bemessungswert des Querschnittswiderstandes (allgemein 𝑀pl,Rd ), sondern er ist begrenzt durch den Bemessungswert des Kippwiderstandes 𝑀D,Rd des Querschnittes im betrachteten Kippfeld. Die detaillierten Nachweise befinden sich in Anhang B und Ziff. 4.5.2 der Norm SIA 263/2013 sowie im Kap. 11 des TGC 10 Stahlbau. Riegel mit variablen Querschnitten

Ein Riegel mit variablen Querschnitten (Bild 7.5) kann nicht gleich behandelt werden, wie oben dargelegt. Die Trägheitsmomente und Torsionskonstanten sind entlang der Trägerachse variabel, und die kritische Kippspannung unter reiner Biegung (Referenzfall) wie auch der Grenzwiderstand der Biegung sind nicht mehr gleich wie für geläufige Profile. Zudem ist beim Vorhandensein einer ungleichmässigen Momentenverteilung über die Kipplänge der massgebende Querschnitt nicht mehr zwingend an der Stelle des maximalen Momentes. Man muss also einen Referenzquerschnitt beiziehen; über dieses Thema sind verschiedene Ansätze in der Literatur beschrieben. Eine einfache Methode besteht darin, das Kippen eines Riegels oder Kippfeldes unter reiner Biegung für einen einfach symmetrischen H-Träger mit linear variabler

347

A

7 Rahmenelemente

y

h (x)

h min

h max

x

z A

348

z Schnitt A-A

Ansicht

Bild 7.5 Riegel mit variablen Querschnitten.

Steghöhe zwischen einem maximalen Wert ℎmax und einem minimalen Wert ℎmin , dessen Enden gabelartig gelagert angenommen werden, in gleicher Weise wie einen Träger mit konstantem Querschnitt nachzuweisen. Die charakteristischen Äquivalenzwerte des Trägers mit variablem Trägheitsmoment sind die folgenden: 𝐼z,eq = 𝐼𝑧 ℎw,eq

(vernachlässigbare Variation) √ = ℎmax 0.283 + 0.434 𝛿 + 0.283 𝛿2

𝐾eq = 0.5(𝐾max + 𝐾min ) 𝐼𝑧 : 𝛿: ℎ𝑤 : 𝐾:

(7.4) (7.5) (7.6)

Trägheitsmoment um die schwache Achse, Verhältnis der Querschnittshöhen (𝛿 = ℎmin ∕ℎmax ), linear variable Steghöhe, Torsionskonstante.

Wenn die beiden Trägerenden um die schwache Achse eingespannt sind, kann anstelle von Gl. (7.5) die folgende Gleichung verwendet werden: √ ℎw,eq = ℎmax 0.34 + 0.40 𝛿 + 0.26 𝛿2 (7.7) Berechnungen zeigen, dass für gebräuchliche Querschnitte die Unterschiede mit der äquivalenten Höhe wenig von einer Anwendung mit der mittleren Höhe abweichen. Vereinfachend kann mit der mittleren Höhe gerechnet werden: ℎeq ≅ 0.5(ℎmax + ℎmin ). Riegel aus Vollwandträger mit variabler Höhe

Riegel aus Vollwandträgern mit variabler Höhe haben häufig einen sehr schlanken Steg. Das bedeutet, dass die Saint-Venantsche Torsion keinen Beitrag zum Kippwiderstand leistet und vernachlässigt werden kann; der Kippwiderstand reduziert sich demzufolge auf das seitliche Knicken des gedrückten Flansches. Für eine konstante Biegemomenten-Verteilung berechnet sich das ideelle Kippmoment mit der einfachen Formulierung (siehe auch Gl. (11.12) im TGC 10): 𝑀cr =

𝜋2 𝐸𝐼zf 𝑙𝐷2

(ℎ𝑤 +

𝑡𝑓1 + 𝑡𝑓2 2

)

(7.8)

7.2 Riegel aus Doppel-T-Profilen

𝐼zf :

Trägheitsmoment des gedrückten Flansches um seine Vertikalachse (𝑧-Achse), Kippfeld-Länge, 𝑙𝐷 : Steghöhe, ℎ𝑤 : 𝑡𝑓1 , 𝑡𝑓2 : Dicke des gedrückten beziehungsweise gezogenen Flansches. Das ideelle Kippmoment bei ungleichförmiger Momentenverteilung erhält man durch Multiplikation von Gl. (7.8) mit dem Faktor 𝐶1 aus der Tabelle 11.8 des TGC 10. Die Berechnung der bezogenen Kippschlankheit ist wie folgt definiert: √ 𝜆𝐷 = √ 𝜆𝐷 =

𝑓𝑦 𝜎cr,D 𝑓𝑦 𝜎cr,D



𝑊pl 𝑊el

Querschnittsklassen 1 und 2

Querschnittsklassen 3 und 4

(7.9a)

(7.9b)

𝜎cr,D : ideelle Kippspannung nach der Elastizitätstheorie, z. B. Anhang B, SIA 263. Es stellt sich nun die Frage, welcher Wert für das Widerstandsmoment 𝑊 einzusetzen ist, da dieses entlang des Trägers variiert. Numerische Parameterstudien haben gezeigt, dass es konservativ ist, den Grenzwiderstand desjenigen Querschnittes anzunehmen, für welchen der Tragwiderstand zuerst erreicht wird. Die Bestimmung dieses Querschnittes ist nicht sofort erkennbar und keine intrinsische Eigenschaft des Trägers; die Stelle hängt offensichtlich von der Momentenverteilung entlang des Trägers ab. Der massgebende Querschnitt kann z. B. durch das folgende einfache Vorgehen gefunden werden: • Man zeichnet den Bemessungswert der Biegesteifigkeit der Querschnitte entlang des Riegels auf; • man zeichnet ebenso die Momentenlinie des Riegels; • man vergrössert Letztere proportional; • die so vergrösserte Momentenlinie schneidet in einem Punkt die Linie der Biegesteifigkeiten; dieser Punkt definiert den massgebenden Querschnitt mit dem gesuchten Widerstandsmoment. Die Bestimmung des Bemessungswertes des Kippwiderstandes erfolgt gemäss Abschn. 11.3 im TGC 10 beziehungsweise Ziff. 4.5.2 Norm SIA 263/2013. Gelochte Träger

In diesem Fall wird empfohlen, das Kippen durch das seitliche Knicken des gedrückten Gurtes inklusive 1/6 der gesamten Steghöhe zu ersetzen; dieser Steganteil darf aber nicht grösser sein als die Distanz der Innenseite des gedrückten Flansches zur nächsten Stegöffnung. Im Übrigen beeinflussen diese Öffnungen den Schubwiderstand des Trägers (siehe Abschn. 5.4 im vorliegenden Buch sowie Abschn. 5.6 im TGC 10). Im Bereich grosser Querkräfte sollten keine Öffnungen vorgesehen werden.

349

350

7 Rahmenelemente

7.2.3

Gebrauchstauglichkeit

Dieser Nachweis besteht im Vergleich der vertikalen Durchbiegung des Riegels zum Grenzwert der Funktionstüchtigkeit des Komforts und des Aussehens der Tragstruktur. Die zu wählenden Einwirkungen für die Berechnung der Durchbiegungen müssen aufgrund von Überlegungen bezüglich der Folgen der Verformungen für das einwandfreie Tragverhalten erfolgen. Ebenso müssen die entsprechenden Grenzwerte gewählt werden. Im Anhang A der Norm SIA 261 sind die verschiedenen Grenzwerte in Funktion des Grenzzustandes und der Folgen der Auswirkungen vorgeschlagen. Der Nachweis der Gebrauchstauglichkeit geschieht mit elastischer Berechnung erster Ordnung. Die Verformungen eines Rahmenriegels aus den Einwirkungen und infolge der Randmomente können superponiert werden. Der Einfluss der Randmomente ist offensichtlich vorteilhaft, weil er einer Teileinspannung des Riegels in die Stütze entspricht. Im Fall einer bedeutenden Normalkraft im Riegel ist Vorsicht geboten, da diese Kraft ein Verhalten zweiter Ordnung herbeiführt und auch zur Vergrösserung der Deformationen beiträgt. Weil bei zweiter Ordnung das Superpositionsgesetz nicht mehr angewendet werden darf, kann dafür die Durchbiegung erster Ordnung mit einem Vergrösserungsfaktor der Form 1/(1 – 𝑁Ed ∕𝑁cr ) multipliziert werden. Wenn die Stegöffnungen eines gelochten Trägers eine gewisse Grösse bezüglich der Gesamthöhe erreichen – was häufig der Fall ist – wird die Durchbiegung zusätzlich durch den Schubeinfluss bestimmt. Der Schubeinfluss kann anstelle eines genaueren Nachweises mit der um 20 % erhöhten Deformation infolge Momenteneinfluss eines Ersatzträgers mit gleichem Trägheitsmoment wie der gelochte Träger (im Bereich der Stegöffnung) berechnet werden (Abschn. 5.6.3 im TGC 10). Um dem Aussehen gerecht zu werden, wird der Riegel im Allgemeinen überhöht. Der Wert der Überhöhung wird für die Durchbiegung aus den ständigen Lasten und einem Teil der variablen Lasten (häufig 50 %) gewählt. Der Riegel erscheint dann im Langzeitzustand als nicht verformt. Wenn der Rahmen seitlich nicht gehalten ist, wird oft die horizontale Deformation massgebend. Für Hallenrahmen gibt Anhang A der Norm SIA 260 einen Richtwert für variable Lasten von 𝑢 ≤ ℎ∕200, wobei ℎ hier die Hallenhöhe ist. Beim Vorhandensein von Kranbahnträgern wird im Anhang F der Norm SIA 261 ein Grenzwert für die horizontale Durchbiegung der Stütze aufgrund der horizontalen Kranlasten von 𝑢 ≤ ℎ∕300 empfohlen. Bei zweiseitig geneigten Dächern kann die Horizontalverformung der Stützen gegenüber horizontaler Ausführung mit gleicher Spannweite und gleicher Beanspruchung grösser werden (Spreizwirkung), siehe Abschn. 8.4.4.

7.3 Fachwerkbinder

7.3 Fachwerkbinder 7.3.1

Typen von Fachwerkbindern

Fachwerkbinder sind typische Tragelemente von Hallendächern (siehe Abschn. 2.2.4). Sie stellen häufig die leichteste Lösung zur Ausführung von Rahmenriegeln dar und werden für grosse Spannweiten verwendet, können aber auch für kleinere Spannweiten Anwendung finden (leichte Fachwerke). Das statische System ist meistens ein einfacher Balken oder ein elastisch eingespannter Balken, wenn beide Fachwerkgurte fest mit den Stützen verbunden sind, und bei mehrfeldrigen Rahmen manchmal ein Durchlaufträger. Die Wahl der Fachwerkhöhe ℎ hängt von der Spannweite 𝑙 ab, wobei 𝑙 die Länge des einfachen Balkens oder die Distanz der Momenten-Nullpunkte ist; ℎ bezeichnet die grösste Höhe des Fachwerkes. Das Verhältnis von 𝑙∕ℎ liegt für parallelgurtige Fachwerke bei zwölf und für dreieckförmige Fachwerke zwischen fünf und sechs. Die Schätzung des Eigengewichtes kann in erster Näherung durch eine einfache empirische Formel erfolgen. Diese Regel ist anwendbar für Fachwerke mit der Stahlsorte S 235 und einer Spannweite von 5–6 m sowie einem Leichtbaudach und einer Schneelast von 1.5 kN/m2 : 𝑔𝑎 = 0.85

𝑙 100

(7.10)

𝑔𝑎 : Fachwerk-Eigengewicht pro m2 Hallenfläche (kN/m2 ), 𝑙: Spannweite des Fachwerkes (m). Um ein Fachwerk mit minimalem Gewicht zu erhalten, neigt man dazu, jeden Stab gemäss seiner Beanspruchung zu dimensionieren. Für die Pfosten und Diagonalen ist das möglich, andererseits wird man aus wirtschaftlichen und fabrikationstechnischen Gründen eine beschränkte Anzahl von Querschnitten vorsehen. Bei den Gurten dagegen ist ein Profilwechsel bei jedem Knoten aufgrund der dadurch entstehenden Zusatzaufwendungen nicht wirtschaftlich. In der Praxis werden die Gurte für leichte Fachwerke und kleine Spannweiten auf die gesamte Länge konstant angenommen. Die wirtschaftlichste Lösung ist nicht diejenige mit dem kleinsten Gewicht, sondern diejenige, wo die Summe von Gewicht und Arbeitszeit minimal ist. Bild 7.6 zeigt zwei Beispiele von Fachwerkbindern von Hallen. Bei einem Fachwerkbinder bildet die Verbindung der einzelnen Stäbe ein entscheidendes Konstruktionselement. Die Konzeption der Knoten und der Verbindungen erfordert spezielle Sorgfalt, sodass diese einfach und kostengünstig realisierbar sind. Somit hat die Wahl der Konstruktionsdetails einen entscheidenden wirtschaftlichen Einfluss auf die Herstellkosten (Werkstatt und Montage), welche mehr als die Hälfte der Gesamtkosten eines Fachwerkes ausmachen können. Bild 7.7 zeigt einige Beispiele von Knoten von Fachwerkbindern mit entsprechenden Stabanschlüssen: • Leichte Konstruktion: wirtschaftliches System; rationelle Anwendung von Winkelstäben aus statischer Sicht, die Winkelstäbe müssen aber geschlitzt werden (Bild 7.7a).

351

352

7 Rahmenelemente

27 400

32 500

Bild 7.6 Beispiele von Fachwerkbindern.

• Rohrkonstruktion: Hohlprofile werden immer häufiger verwendet; Möglichkeit Stäbe mit verschiedenen Querschnitten vorzusehen, mit konstantem Durchmesser, aber unterschiedlichen Rohrdicken; geschweisste Knoten, mit oder ohne Knotenbleche (Bild 7.7b). • Konstruktion mit Knotenblechen und Laschen: Gurte aus Walzprofilen; die Diagonalen sind an Knotenbleche geschraubt, welche im Werk angeschweisst wurden; Konstruktion für stark beanspruchte Fachwerke (Bild 7.7c). Soweit es die Transportbedingungen erlauben, werden Fachwerkbinder als Ganzes im Werk zusammengebaut. Bei grossen Konstruktionen erfolgt der Transport in Einzelstücken, welche auf der Baustelle sinnvollerweise durch Verschraubung zusammengebaut werden.

7.3.2

Innere Kräfte

Wiederholen wir die Bedingungen für ideale Fachwerke, welche als Basis für die Berechnung der Schnittkräfte der Fachwerkstäbe gelten: • • • •

Die Knoten werden als ideale Gelenke betrachtet; die geometrischen Achsen der Stäbe schneiden sich in einem Punkt der Knoten; die Stäbe verlaufen geradlinig zwischen den Knoten; die Einwirkungen wirken in den Knoten in Fachwerkebene, das Eigengewicht der Stäbe wird vernachlässigt.

Bei Anwendung dieser Hypothesen sind die Fachwerkstäbe ausschliesslich Normalkräften unterworfen. In Wirklichkeit entstehen aufgrund weiterer Randbedingungen zusätzliche Kräfte an den Stabenden.

7.3 Fachwerkbinder

(a) leichte Konstruktion

353

(b) Rohrkonstruktion

(c) Konstruktion mit Knotenblechen

Bild 7.7 Beispiele von Knoten und Stabanschlüssen von Fachwerkbindern.

Ideale Gelenke

Aus bestimmten Gründen sind die Stäbe normalerweise steif an den Fachwerkknoten angeschlossen. Somit ist die Hypothese der idealen Gelenke als Basis der statischen Berechnung falsch. Das Fachwerk ist also ein hochgradig statisch unbestimmtes System. Jede globale Verformung des Fachwerkes (Durchbiegung des Binders) erzeugt eine den Stäben entsprechende Biegeverformung in Form von „Sekundärmomenten“. Man muss somit in der Analyse die ideal gelenkige Struktur durch ein Rahmensystem ersetzen. Dennoch ist es üblich, die Sekundärmomente zu vernachlässigen, und es gibt verschiedene Gründe dafür. In erster Linie sind die Fachwerkstäbe genügend schlank, sodass die Einspannmomente an den Stabenden klein bleiben und damit die Normalkräfte für die Dimensionierung massgebend bleiben (ihr Wert ist übrigens nicht signifikant durch eine allfällige Berücksichtigung der steifen Verbindungen beeinflusst, Bild 7.8). In zweiter Linie ist der Tragwiderstand des Fachwerkträgers als Gesamtes nicht von den Sekundärmomenten beeinflusst, solange keine Instabilitätsphänomene massgebend werden; diese ergeben sich aus dem plastischen Verformungsvermögen der normalkraftbeanspruchten Querschnitte. Bei Fachwerken, welche gedrungene, weniger schlanke Stäbe aufweisen, muss eine Voruntersuchung gemacht werden, bevor man sich a priori entscheidet, die Sekundärmomente zu vernachlässigen.

354

7 Rahmenelemente 24 kN

48 kN 48 kN MSH 90 ·50 ·3.2

48 kN

24 kN

48 kN

MSH 140 ·70 ·6.3

1000 MSH 120 ·70 ·6.3

5 × 3000 = 15 000

Fachwerkträger mit Einwirkungen

177

148

53 100 N/mm

2

3

2

20

10

0

10

2

20

3

140 210

Spannungen aus Normalkräften

± 17 ± 16

± 14 ± 11 ±8

10 N/mm2 ±6

±1

8

~0

± 16

±4

± 12

±

12 ± 16

±6

± 15 ±3

Spannungen aus Sekundärmomenten

Bild 7.8 Beispiel der Spannungen aus Normalkräften und aus „Sekundärmomenten“ in einem Fachwerk.

Wenn üblicherweise die Normalspannungen aus den sekundären Einspannmomenten ignoriert werden, weil diese quasi statisch sind, gilt das bei Spannungswechseln, welche ein Ermüdungsversagen hervorrufen, nicht mehr. Hier müssen die Spannungswechsel sehr genau unter Einbezug der sekundären Biegespannungen ermittelt werden. Konvergierende und geradlinige Stabachsen

Es gibt eine andere Art von „Sekundärmomenten“, welche aus unvermeidlichen Exzentrizitäten der sich in den Knoten schneidenden Stäbe entstehen. Grundsätzlich kann man die Exzentrizität einfach durch eine entsprechende Anordnung der Stäbe reduzieren. Für bestimmte Profile, insbesondere Winkelstäbe, fällt die Schwerachse jedoch nicht mit der Schraubenrisslinie zusammen (Bild 7.9). Es gibt nun zwei Arten, die Stäbe anzuordnen: die Schwerachse zentrieren oder die Schraubenrisslinie zentrieren. • Wenn die Schwerachsen zentriert sind, ist jede Schraube durch die beiden Kräfte F′ und F′′ beansprucht, einerseits zur Übertragung der Normalkraft und anderer-

7.3 Fachwerkbinder

355

Schnittpunkt der Stabachsen A Nt Schraubenrisslinien Bindeblech A

a

Knotenblech

a 2N

N

N

Schnitt A-A

Ansicht des Knotens N

N

F

Knotenblech

F

e

e

p

p

F

e

F

F

= N n

Knotenblech

= N n

e1

e2

ri

F

N

F

M

M=Ne

F

e–

F

p

e

N

N N

Schwerachsen zentriert

Schraubenrisslinien zentriert

Bild 7.9 Zentrierung der Schwerachsen und der Schraubenrisslinien.

seits zur Übertragung der Exzentrizitätskraft aus der Normalkraft: 𝐹′ =

𝑁 𝑛

𝑟𝑖 𝐹 ′′ = 𝑁𝑒 ∑ 2 𝑟𝑖

(7.11) (7.12)

Die Bemessung der Schrauben erfolgt mit dem resultierenden Vektor der beiden Kräfte. Der Stab hingegen ist nur auf der Länge (𝑛 − 1)𝑝 und nicht auf der gesamten Anschlusslänge durch ein Biegemoment 𝑀 = 𝐹 ′ ⋅ 𝑒 beansprucht.

356

7 Rahmenelemente

• Wenn die Schraubenrisslinien zentriert sind, werden die Schrauben nur durch den Anteil aus Normalkraft 𝐹 ′ = 𝑁∕𝑛 beansprucht; dabei sind 𝑁 die Normalkraft im Stab und 𝑛 die Anzahl der Schrauben im Anschluss. Der Stab hingegen wird auf der gesamten Anschlusslänge durch das Biegemoment 𝑀 = 𝑁 ⋅ 𝑒 beansprucht, welches bedeutend grösser ist als im ersten Fall. Die erste Lösung mit Zentrierung der Schwerachsen ist vorteilhafter, weil sie im Stab geringere Biegemomente hervorruft. Sie ist demzufolge nach Möglichkeit vorzuziehen. Bei der zweiten Lösung mit Zentrierung der Schraubenrisslinien können die Sekundärmomente im Allgemeinen vernachlässigt werden. Bei Zugstäben wird die Deformation verringert, was zur Folge hat, dass die Exzentrizität der Normalkraft zwischen den Fachwerkknoten und somit auch die Bedeutung der Sekundärmomente reduziert werden. Das gilt allerdings nur für vorwiegend statische Beanspruchungen; bei dynamischer Beanspruchung wird auf entsprechende Vorbehalte hingewiesen. Bei Fachwerkträgern mit variablen Gurtquerschnitten entlang der Stabachse (Bild 7.10a) wird in der Regel aus praktischen oder ästhetischen Gründen (Befestigung der Pfetten) die Aussenseite bündig angeordnet. Dadurch verlaufen die Schwerachsen der Stäbe nicht mehr auf einer Linie. Die Lage der anschliessenden Stäbe muss so gewählt werden, dass im Knoten Gleichgewicht herrscht oder dass das Kräftepolygon geschlossen bleibt. Wenn O der Schnittpunkt zwischen der vertikalen Einwirkung 𝑄𝑚 und der Schwerachse des horizontalen Stabes auf der rechten Seite ist sowie unter der Annahme, dass die Resultierende 𝑅𝑚 parallel zu den Normalkräften im Gurt verläuft, gilt folgende Gleichung des Gleichgewichtes bezüglich Drehung um den Punkt O: 𝑅𝑚 ⋅ 𝑒𝑚 − 𝑁sup,m ⋅ 𝑒𝑚+1 = 0

(7.13)

𝑅𝑚 : Resultierende der Kräfte am Knoten 𝑚, 𝑒𝑚 , 𝑒𝑚+1 : Exzentrizität der Kräfte 𝑅𝑚 und Nsup,m bezüglich Punkt O, Normalkraft im linken Gurtstab. 𝑁sup,m : Für einige Profiltypen, insbesondere Hohlprofile sind Exzentrizitäten in den Knoten manchmal unvermeidlich oder sogar wünschenswert, um eine ausreichende Distanz 𝑔 für die Schweissnähte zu erhalten (Bild 7.10b). Bezüglich Dimensionierung müssen die daraus entstehenden Biegemomente, insbesondere der Wert 𝑅𝑚 ⋅ 𝑒 im Gurt jedoch berücksichtigt werden [1, 2] (siehe auch Abschn. 7.3.5). Geradlinige formbeständige und gewichtslose Stäbe

Axiale Dehnung und Stauchung der Stäbe sind meistens gering, wenn sie einzeln betrachtet werden. Die kumulierte Wirkung dieser Deformationen kann jedoch bedeutend sein und die globale Verformung, im Speziellen die Durchbiegung des Fachwerkes bestimmen. Das Stabeigengewicht der mehr oder weniger horizontalen Stäbe führt zu einer Sekundärbiegung, die nicht immer vernachlässigt werden kann (Einfluss zweiter

7.3 Fachwerkbinder Qm

Nsup, m em

Rm

e m +1

Ndiag, m

O

357 Nsup, m Qm

Nsup, m+1

Nsup, m+1

Ndiag, m+1 Rm

Knoten m

(a) Ndiag, m

Ndiag, m+1

Ndiag, m

Ndiag, m+1

g

Ndiag, m+1

2

(b)

Ninf, m

Ndiag, m Ninf, m

1

Rm

+e

Rm Ninf, m+1

Bild 7.10 Fachwerkknoten mit Exzentrizität.

Ordnung bei gedrückten Stäben, allgemeines Aussehen usw.). Im Weiteren sollten allzu schlanke Stäbe aufgrund der Resonanzanregung durch Windeinwirkung vermieden werden. Die Norm SIA 263 empfiehlt für Druckstäbe die folgenden Grenzschlankheiten: • für Verbände und Sekundärelemente: 𝜆𝑘 = 250, • für Haupttragelemente: 𝜆𝑘 = 200, • für Tragelemente in ermüdungsbeanspruchten Bauwerken: 𝜆𝑘 = 160, 𝜆𝑘 : Schlankheit des Stabes (𝜆𝑘 = 𝑙𝑘 ∕𝑖), 𝑙𝑘 : Knicklänge des Stabes (Abschn. 7.3.3), 𝑖: minimaler Trägheitsradius des Stabes. Für dem Wind ausgesetzte Zug- oder Druckstäbe wird empfohlen, die Schlankheit 𝜆𝑘 auf 250 zu begrenzen. Diese Werte müssen als Richtwerte angesehen werden, weil deren Einhaltung nicht in jedem Fall eine Resonanzanregung oder Ermüdungserscheinungen in den Anschlussnähten verhindert. Einwirkungen in der Ebene und in den Knoten

Exzentrizitäten von Stabachsen aus der Fachwerkebene müssen vermieden werden: Diese werden nur für Sekundärelemente akzeptiert (Verbandsstäbe befestigt an Profilgurten, einfache Winkelstäbe in Fachwerken). In einigen Fällen wie Doppelwinkel- oder Doppel-U-Profilanschlüsse kann die Befestigung an die Knoten aufgrund einer Exzentrizität 𝑎 zwischen der Stabkraft und der Anschlussebene durch ein Moment aus der Ebene beansprucht werden (siehe Schnitt A-A, Bild 7.9). Das Moment 𝑁 ⋅ 𝑎 erzeugt in den Schrauben kleine Zugkräfte 𝑁𝑡 , welche in den

Ninf, m+1

358

7 Rahmenelemente

Fachwerkkonstruktion

statisches System

Biegemomente im beanspruchten Gurt

Bild 7.11 Zwischen den Knoten wirkende Einwirkungen.

meisten Fällen bei der Dimensionierung vernachlässigt werden können. Deren Grösse ist stark abhängig von der Anschlusslänge der Schrauben. Einige Bemessungsregeln für Stäbe (Winkel, T-Profile, U-Profile usw.), welche nur mit einem Flansch angeschlossen sind, verlangen die Berücksichtigung einer Reduktion der Nettoquerschnitte. Die reduzierten Querschnitte sollen so auch für eine Mobilisierung des Querschnittes bezüglich der vernachlässigten Biegemomente in Betracht gezogen werden können. In der Regel konstruiert man Fachwerke so, dass die Einzellasten in den Fachwerkknoten eingeleitet werden. Wenn aber Kräfte zwischen den Knoten wirken (Bild 7.11), müssen die so erzeugten Sekundär-Biegemomente in den Gurten berücksichtigt werden. Aus der Tatsache, dass das Trägheitsmoment der Gurte in der Regel viel grösser ist als dasjenige der Pfosten und Diagonalen, nimmt man für die Berechnung der Biegemomente des Gurtes das statische System eines auf den Fachwerkknoten aufgelegten Durchlaufträgers an; Pfosten und Diagonalen bleiben gelenkig angeschlossen. Zusammenfassend nimmt man an, dass die Fachwerkbinder quasi statischen Einwirkungen unterworfen sind. Die Füllglieder erfahren normalerweise zentrische Normalkräfte, und die Traglast des Systems ist erreicht, wenn ein einziger Stab versagt. Diese Bedingung gilt für innerlich statisch bestimmte Fachwerke. Für innerlich statisch unbestimmte Fachwerke ist es hingegen in gewissen Fällen möglich, eine plastische Umverteilung der Auswirkungen in Betracht zu ziehen; man merkt allerdings sofort, dass diese Umverteilung durch die Instabilität der Stäbe oder durch grosse Verformungen begrenzt ist. Für die Bemessung von innerlich statisch bestimmten oder unbestimmten Fachwerken wird auf die einschlägige Statik-Literatur verwiesen.

7.3 Fachwerkbinder

7.3.3

Tragsicherheit

Tragsicherheit von Zugstäben

Der Bemessungswert des Normalkraftwiderstandes im Querschnitt eines Stabes ist begrenzt durch nachfolgende Werte: 𝑓𝑦 𝐴 𝛾𝑀1 0.9𝑓𝑢 𝐴net = 𝛾𝑀2

im Bruttoquerschnitt: 𝑁Rd =

(7.14)

im Nettoquerschnitt: 𝑁Rd

(7.15)

𝐴: 𝐴net : 𝑓𝑦 : 𝑓𝑢 : 𝛾𝑀1 :

Bruttoquerschnitt des Stabes, Nettoquerschnitt des Stabes, Streckgrenze der Stahlsorte, Zugfestigkeit der Stahlsorte, Widerstandsbeiwert für Baustahl für Festigkeits- und Stabilitätsnachweise (𝛾𝑀1 = 1.05), 𝛾𝑀2 : Widerstandsbeiwert für Baustahl für Verbindungsmittel und Nachweise im Nettoquerschnitt (𝛾𝑀2 = 1.25). Bei Winkelstäben, die mit einer Schraube in einem Flansch angeschlossen sind, muss die Exzentrizität nicht betrachtet werden. Der Bemessungswert des Querschnittswiderstandes kann wie folgt bestimmt werden: 0.9𝑓𝑢 (2𝑒2 − 𝑑0 )𝑡 𝛾𝑀2 𝛽𝑓𝑢 𝐴net zwei oder mehr Schrauben: 𝑁Rd = 𝛾𝑀2 eine Schraube: 𝑁Rd =

𝑒2 : 𝑑0 : 𝑡: 𝛽: 𝑝:

(7.16) (7.17)

Randabstand quer zur Kraftrichtung (Bild 7.9), Lochdurchmesser, Flanschdicke, Reduktionsfaktor nach Tabelle 7.1; für Zwischenwerte von 𝑝 kann linear interpoliert werden, Schraubenabstand (Bild 7.9).

Für ungleichschenklige am kleineren Schenkel befestigte Winkelprofile ist 𝐴net die Fläche des Nettoquerschnittes eines gleichwertigen gleichschenkligen Winkels mit Tab. 7.1 Reduktionsfaktor 𝛽. Schraubenabstand p Koeffizient 𝛽: Zwei Schrauben Drei oder mehr Schrauben

≤ 2.5do

≥ 5do

0.4 0.5

0.7 0.7

359

360

7 Rahmenelemente

der Schenkelgrösse des kleineren Schenkels des ungleichschenkligen Winkels, siehe auch Tabelle „Tragwiderstand einschenklig angeschlossener Winkelprofile“ in den Konstruktionstabellen C 5 des SZS, Griffregister „Schrauben“. Tragwiderstand von gedrückten Stäben

Der Bemessungswert des Knickwiderstandes 𝑁K,Rd ist eine Funktion des Abminderungsfaktors 𝜒𝐾 für Knicken, der von der Schlankheit 𝜆𝐾 von gedrückten Stäben abhängt (𝜆𝐾 = 𝑙𝐾 ∕𝑖): 𝑁K,Rd = 𝜒𝐾

𝑓𝑦 𝐴 𝛾𝑀1

(7.18)

𝜒𝐾 : Abminderungsfaktor für Knicken (siehe Abschn. 7.4.1), 𝑙𝐾 : Knicklänge des Stabes in Knickrichtung, 𝑖: Trägheitsradius des Stabes senkrecht zur Knickrichtung. Bei einem Fachwerkbinder entspricht die Knicklänge eines Druckstabes in Fachwerkebene theoretisch der Stablänge 𝑙 zwischen den Knoten, weil man annimmt, dass die Knoten Gelenke sind. Tatsächlich existiert in den Knoten je nach Anschlusstyp immer eine gewisse Einspannung. Man kann also in zahlreichen Fällen für die Knicklänge 𝑙𝐾 des gedrückten Stabes in der Ebene die theoretische Stablänge 𝑙 annehmen. Wenn man den Einspanneffekt in Fachwerkebene berücksichtigen will, müssen zwei Bedingungen erfüllt sein: • Die Befestigung des Stabes am Knoten muss in der Lage sein, unabhängig von der Normalkraft die Hälfte des Biege-Tragwiderstandes des Stabes aufzunehmen. • Die an einem Knoten angeschlossenen Stäbe versagen nicht gleichzeitig auf Knicken. Die erste Bedingung kommt aus der Garantie für ein gewisses Mass an elastischer Reserve. Die zweite Bedingung stellt sicher, dass diese Reserve tatsächlich auch aktiviert werden kann, ohne zu riskieren, dass sie infolge einer besonderen strukturellen Antwort aller Stäbe, die sich in einem Knoten schneiden, neutralisiert wird. Wenn diese Bedingungen erfüllt sind, dürfen reduzierte Knicklängen angenommen werden. Die Norm SIA 263 gibt dazu im Kap. „Fachwerkartige Tragwerke“ für verschiedene Tragelemente entsprechende Werte in und aus der Fachwerkebene an. Beim Knicknachweis berücksichtigt man die Torsionssteifigkeit der Gurte für offene Profile nicht; es wird angenommen, dass die Stäbe gelenkig angeschlossen sind und die Knicklänge 𝑙𝐾 der Stablänge 𝑙 entspricht. Für Hohlprofile könnte aufgrund ihrer grossen Torsionssteifigkeit eine gewisse Einspannung angenommen werden. Einfluss kleiner Querlasten

Aufgrund der Bedingungen für die Bemessung von Fachwerken haben wir gesehen, dass das Eigengewicht vernachlässigt wird und die Einzellasten in den Knoten wirken. Es kommt aber oft vor, dass die Stäbe quer zu ihrer Stabachse durch kleine Lasten beansprucht werden (z. B. Eigengewicht, Winddruck, Installationslasten). Diese

7.3 Fachwerkbinder

361

Lasten erzeugen Biegemomente, welche insbesondere für den Knickwiderstand von Druckstäben einen Einfluss auf die Traglast haben und nicht immer vernachlässigt werden können. Für die Bedeutung dieser Kräfte und die Auslenkung der Stäbe unterscheiden wir zwei Fälle: • Die Kräfte senkrecht zu den Stabachsen können vernachlässigt werden, sofern die daraus entstehende Durchbiegung nach Theorie erster Ordnung den Wert von 𝑙𝐾 ∕3500 nicht übersteigt. Diese Durchbiegung errechnet sich am ideellen System eines einfachen Balkens mit der Spannweite 𝑙𝐾 (siehe auch Norm SIA 263 Kap. „Knicken“). Typische Beispiele sind horizontal liegende Druckstäbe unter Eigengewicht. Diese empirische Regel kommt aus Versuchen und Simulationen im Rahmen der Entwicklung der europäischen Knickspannungskurven [3]. • Die Wirkung von Kräften quer zur Stabachse darf nicht vernachlässigt werden, wenn die daraus entstehende Exzentrizität den entsprechenden Grenzwert übersteigt; in diesem Fall muss der Tragsicherheitsnachweis mit einer Interaktionsformel für Stabilität für 𝑁 und 𝑀 angewendet werden (Norm SIA 263). Kippwiderstand

Ein Fachwerkträger kann wie jeder Träger aus H-Profilen dem Kippen ausgesetzt sein. Der Träger kann infolge ständiger Lasten und Schnee positive Momente sowie aus Windsog bei leichten Dächern negative Momente erfahren. Dasselbe gilt für durchlaufende Systeme. Normalerweise werden die Lasten auf Fachwerke durch die Pfetten übertragen. Wenn diese korrekt am Binder befestigt und kraftschlüssig mit einem Dachverband verbunden sind, bilden sie eine seitliche Halterung des Fachwerkobergurtes und bestimmen so die Kipplänge 𝑙𝐷 . Damit kann Kippen ausgeschlossen werden. Es gilt zu beachten, dass nur die an einem Windverband angeschlossenen Pfetten diese Halterung gewährleisten. Kippen von Bindern ist aus drei Aspekten zu untersuchen (Bild 7.12): Randpfette Kippmöglichkeit unter Schneelast

Pfetten

Kippmöglichkeit im Montagezustand

Kippmöglichkeit bei Dachsog Stütze

(a)

(b)

Bild 7.12 Möglichkeiten des Kippens eines Fachwerkbinders.

(c)

362

7 Rahmenelemente

a) im Montagezustand unter Eigengewicht und allfälligen Montagelasten, solange die definitiven Stabilisierungselemente noch nicht angeschlossen sind; b) bei gedrücktem und durch die Pfetten nicht ausreichend stabilisiertem Obergurt; c) wenn bei abhebenden Lasten der Untergurt gedrückt wird. Kippen eines Fachwerkbinders unterscheidet sich nicht grundsätzlich vom Kippen eines H-Trägers, und die allgemeinen Regeln des physikalischen Verhaltens können analog angewendet werden. Die Bauweise eines Fachwerkbinders erfordert trotzdem gewisse Präzisierungen dazu. Bezüglich Torsionssteifigkeit des Trägers betrachtet man für die Gurte aus Vollprofilen und geschlossenen Rohren nur die Umlauftorsion (Saint-Venant). Für Gurte mit offenen Querschnitten ist die Wölbkrafttorsion wichtig, wobei es in den meisten Fällen durch Vereinfachungen möglich ist, diese zu vernachlässigen und die Torsionssteifigkeit in der Form GK (Saint-Venant) zu betrachten. Die Umlauf-Torsionssteifigkeit (Primärtorsion) des Gesamtträgers ist gegeben durch die Eigen-Torsionssteifigkeit des Ober- und Untergurtes sowie durch die Füllglieder des Fachwerkes (Pfosten, Diagonalen), welche wie ein Ersatzsteg behandelt werden. Damit ergibt sich die Torsionskonstante zu: 𝐾 = 𝐾sup + 𝐾inf + 𝐾w,eq

(7.19)

𝐾sup , 𝐾inf : Torsionskonstante des Ober- und Untergurtes, Torsionskonstante des Ersatzsteges in Abhängigkeit von der Fach𝐾w,eq : werkgeometrie (Bild 7.13) und den Merkmalen der Stäbe. Für parallelgurtige Fachwerkträger ist die Torsionskonstante wie folgt definiert: • V-Fachwerk, allgemeiner Fall 𝐾w,eq = 2.6𝜅w,eq

cotg 𝛩1 + cotg 𝛩2 3

(7.20a)

3

1∕(𝐼diag1 sin 𝛩1 ) + 1∕(𝐼diag2 sin 𝛩2 )

• V-Fachwerk, symmetrisch 2

𝐾w,eq = 2.6𝜅w,eq 𝐼diag sin 𝛩 cos 𝛩

l m, sup

(a) V-Fachwerk, allgemeiner Fall

iag .

ld

iag .2

1

diag.

. ag

1 2 diag. 1 diag. 2 g.

ia

ld

ld

l m, sup

l m, sup

l di

h

(7.20b)

(b) symmetrisches

l m, sup

diag.

ld

iag .

mont.

(c) N-Fachwerk

diag. mont.

ld

iag .

(d) X-Fachwerk

V-Fachwerk

Bild 7.13 Begriffsbestimmungen für die Berechnung der Torsionskonstante von Fachwerken.

7.3 Fachwerkbinder

• N-Fachwerk 𝐾w,eq = 2.6𝜅w,eq

𝐼diag cotg 𝛩 1

3

𝐼diag ∕𝐼mont + (sin 𝛩)

(7.20c)



• X-Fachwerk 2

𝐾w,eq = 5.2(3 + 𝜅w,eq )𝐼diag sin 𝛩 cos 𝛩

(7.20d)

Dabei ist zusätzlich zu Bild 7.13: 𝐼diag , 𝐼mont : Trägheitsmoment aus der Ebene des Trägers, des Querschnittes, der Diagonalen (diag) und der Pfosten (mont), 𝜅w,eq : Koeffizient zur Berücksichtigung der Einspannbedingungen der Füllglieder in die Gurte: 𝜅w,eq = 1.0 Füllglieder auf Flansch oder Steg der Gurte geschweisst, 𝜅w,eq = 0.8 Füllglieder an den Steg der Gurte geschraubt oder geschweisst, 𝜅w,eq = 0.6 Füllglieder steif an einzelne Knotenbleche am Steg befestigt, 𝜅w,eq = 0 Füllglieder gelenkig an die Gurte befestigt. Die Gln. (7.20a)–(7.20d) vernachlässigen die Torsionssteifigkeit der Fachwerkstäbe, da ihr Einfluss gegenüber ihrer Biegesteifigkeit klein ist. Das ist offensichtlich für die Stäbe mit offenen Querschnitten. Man kann diese vereinfachte Hypothese auf Fachwerkstäbe mit geschlossenen Querschnitten erweitern. Der erste Kippfall (Montagezustand gemäss Bild 7.12a) kann nach der allgemeinen Kipptheorie von Stäben mit Anwendung der Gln. (7.20a)–(7.20d) behandelt werden (TGC 10, Kap. 11). Diese Formeln basieren auf der Annahme, dass die Querschnitte formtreu bleiben, was vollkommen zulässig ist, solange die Gurtstäbe eine kleine Saint-Venantsche Torsionssteifigkeit aufweisen. Wenn aber die Gurte diesbezüglich sehr steif sind, verwölben sich die Querschnitte durch Biegung der Fachwerkstäbe stark, und die einfache Kipptheorie ergibt zu grosse ideelle Kippspannungen. Für Fachwerke aus Hohlprofilen empfiehlt es sich, entsprechende Literatur zu konsultieren. Es ist auch möglich, den Fachwerkträger durch einen Blechträger zu simulieren, mit den Fachwerkgurten als Flansche und einem Steg mit einer ideellen Blechdicke 𝑡w,eq in Abhängigkeit der Ausfachung des Fachwerkes gemäss entsprechenden Formeln [4]. Der Nachweis kann nach Norm SIA 263 „Stabilität des Druckgurtes“ erfolgen; dabei wird für die Berechnung der ideellen Kippspannung nur der Wölbanteil berücksichtigt. Im zweiten Kippfall (Druckgurt wird durch Pfetten stabilisiert, gemäss Bild 7.12b) gelten die am Dachverband angeschlossenen Pfetten als Kipphalterungen. Der Obergurt ist durch eine seitliche Dehnfeder der Steifigkeit 𝑘𝑦 (N/m) und durch eine Drehfeder mit der Steifigkeit 𝑘𝛷 (Nm/rad) gehalten, welche die Wirkung der Pfette darstellen (Bild 7.14).

363

364

7 Rahmenelemente Ersatzfedern

Pfette

q y

Pfette

q y k

ky

aa

A

q

h

A

h

l

alternativ: längslaufende leichte Rohre

Schnitt A-A

z

z

Bild 7.14 Gedrückter durch Pfetten gehaltener Obergurt, ersetzt durch Dehn- und Drehfedern.

Vergleichsrechnungen zeigen, dass die seitliche Halterung durch die Pfetten rasch die seitliche Steifigkeit EI 𝑧 des Obergurtes übertrifft. Die Dehnfeder-Steifigkeit 𝑘𝛷 ist in Relation zu setzen mit der Biegesteifigkeit der Pfetten EI pfette , dem statischen System, dem Pfettenabstand 𝑎𝑎 und dem Binderabstand 𝑏: • für die Innenfelder der Pfette: 𝑘𝛷 = 4

𝐸𝐼pfette 𝑎𝑎 𝑏

(7.21)

• für die Randfelder der Pfette: 𝑘𝛷 = 2

𝐸𝐼pfette 𝑎𝑎 𝑏

(7.22)

Bei dieser Berechnung nimmt man an, dass die Federsteifigkeiten gleichmässig über die Gurtlänge verteilt sind, sodass die Pfetten eine Einzelstellung haben. Daraus folgt, dass man die Abschnitte zwischen den durch einen Dachverband gehaltenen Pfetten überprüfen muss. Konkret werden das Knicken aus der Fachwerkebene zwischen diesen Abschnitten sowie das Knicken in der Fachwerkebene zwischen den Knoten des Druckgurtes nachgewiesen. Für die Knicklängen beachte man den vorhergehenden Abschn. „Tragwiderstand von gedrückten Stäben“. Beim dritten Kippfall (gedrückter Untergurt gemäss Bild 7.12c) ist der Untergurt infolge abhebender Kräfte auf Druck beansprucht und im Gegensatz zum Obergurt seitlich nicht gehalten. Der Untergurt verhält sich also wie der gedrückte Unterflansch eines U-Profils. Es wird angenommen, dass er auf zwei festen Lagern am

7.3 Fachwerkbinder

aa

N linf Ncr

l k k / aa Ncr l/n

N Ncr

lK

Ncr

Bild 7.15 Gedrückter Untergurt.

Trägerrand und dazwischen auf elastischer Bettung mit dem Modul 𝑘∕𝑎𝑎 aufliegt (Bild 7.15). Wenn die Biegesteifigkeit des Gurtes EI z,inf ist, beträgt der Wert der Eulerschen Knicklast: √ 𝑘𝐸𝐼z,inf 𝑁cr = 2 (7.23) 𝑎𝑎 was der folgenden Knicklänge entspricht: √ 4 𝜋4 EI z,inf 𝑎𝑎 𝑙𝐾 = 4 𝑘

(7.24)

Die Knicklänge aus der Gl. (7.24) ist um etwa 10 % erhöht, weil die Berechnung auf der Annahme beruht, dass der Normalkraftverlauf im Untergurt konstant sei, obwohl er effektiv parabelförmig ist. Die Steifigkeit 𝑘 der seitlichen Dehnfedern an den Knoten des Untergurtes ist der Reziprokwert der seitlichen Durchbiegung aus einer horizontalen Einheitskraft an jedem Fachwerkknoten senkrecht zum Fachwerk. Im Weiteren sind folgende Punkte zu beachten: • Man darf die Länge der Halbwelle 𝑙∕𝑛 der Knickfigur des elastischen Mittelteils des Gurtes nicht verwechseln mit der Knicklänge 𝑙𝑘 , welche für den belasteten an den Enden gelenkig und ohne Zwischenauflager gelagerten Untergurt gilt und dieselbe Eulersche Knicklast aufweist wie der elastisch gebettete Untergurt (Bild 7.15).

365

366

7 Rahmenelemente

• Es gibt keine elastische Antwort, da die Fachwerkstäbe (Pfosten und Diagonalen) an der Verbindung mit dem Zuggurt zurückgehalten sind; sei es durch die eigene Torsionssteifigkeit der Gurte oder durch die Biegesteifigkeit der Pfetten. • Es ist möglich, den gedrückten Untergurt durch Schrägstreben von einzelnen Fachwerknoten des Untergurtes an die entsprechenden Pfetten in der gleichen Ebene zu stabilisieren und so einzelne Knoten des Untergurtes seitlich zu halten. Da in diesem Kräftedreieck Gleichgewicht herrschen muss, können in Fachwerkebene und in den Pfetten zusätzlich Längskräfte entstehen. Als seitliche Ablenkkraft des Untergurtes ist 1/100 der Gurtnormalkraft einzusetzen. Wenn die Streben beidseitig des Fachwerkes angeordnet werden, ändert sich das statische System der Pfetten, die Spannweiten verkürzen sich, die Pfetten können leichter ausgeführt werden. Allerdings müssen die Schrägstreben entsprechend dimensioniert werden. Die Literatur spricht von Koppelpfetten – eine Ausführung, die heute weniger gebräuchlich ist. • Eine weitere Möglichkeit ist eine längslaufende Verbindung von benachbarten Untergurtknoten. Leichte Rohrprofile eignen sich dazu am besten. Allerdings müssen die Ablenkkräfte aller gehaltenen Fachwerke an geeigneter Stelle (Giebelwand) in die Ebene des Dachverbandes geführt werden, siehe Bild 7.14. • Wenn der Abstand 𝑙inf der Untergurtknoten nicht der gleiche ist wie der Pfettenabstand 𝑎𝑎 , muss dieser in den Berechnungen angenähert werden. Wenn der Kippnachweis des Fachwerkträgers mit der Knicklänge aus Gl. (7.24) gemacht wird, nimmt er keinen Bezug auf die diskrete Eigenart der elastischen Auflager. Knicken des Untergurtes zwischen den Knoten in der Fachwerkebene muss ebenfalls nachgewiesen werden.

7.3.4

Gebrauchstauglichkeit

Verformungen

Die Berechnung der Durchbiegungen eines Fachwerkträgers geschieht mit der Arbeitsgleichung (siehe Baustatik-Literatur). Die Durchbiegung eines Punktes in einer Tragstruktur in eine bestimmte Richtung erhält man durch Berechnung der äusseren und inneren Arbeit am Gesamtsystem unter der Wirkung einer virtuellen Einheitslast in Richtung der gesuchten Verschiebung sowie den äusseren Einwirkungen. Mit der Bedingung, dass innere und äussere Arbeit gleich gross sein müssen, erhält man die Durchbiegung an diesem Punkt in die gesuchte Richtung wie folgt (dabei wird hier nur der Normalkraftanteil berücksichtigt): 𝑤=

∑𝑚 𝑖=1

𝑁1𝑖

𝑁𝑖 𝑙 𝐸 𝐴𝑖 𝑖

(7.25)

7.3 Fachwerkbinder

𝑚: EA𝑖 : 𝑙𝑖 : 𝑁𝑖 : 𝑁1𝑖 :

gesamte Anzahl Stäbe des Fachwerkes, Dehnsteifigkeit des Stabes 𝑖; 𝐴𝑖 Fläche des Stabes 𝑖, Länge des Stabes 𝑖, Normalkraft im Stab 𝑖 aus äusseren Kräften (reeller Belastungszustand), Normalkraft im Stab 𝑖 aus der Einheitslast 1 (virtueller Verschiebungszustand).

Diese Methode bedingt die Berechnung des gesamten Fachwerkes mit zwei Lastfällen. Wenn das Fachwerk statisch bestimmt ist, kann das einfach mit Handrechnungen geschehen. Wenn das Fachwerk innerlich statisch unbestimmt ist, muss diese statische Unbestimmtheit für die Einführung der Einheitslast aufgehoben werden; die Werte bezüglich der äusseren Kräfte bleiben dieselben, welche schon für die Dimensionierung der Fachwerkstäbe berechnet wurden. Statik-Programme erlauben die rasche Berechnung der Durchbiegung von Fachwerken ohne Arbeitsgleichung. Wenn keine exakte Berechnung der Deformationen erforderlich ist, kann das Fachwerk als äquivalenter Blechträger betrachtet werden. Für die Berechnung müssen der Momenten- und der Querkraftanteil berücksichtigt werden: 𝑊 = 𝑤𝑀 + 𝑤𝑉

(7.26)

Der Momentenanteil 𝑤𝑀 wird nach klassischer Biegelehre für die Bestimmung der Durchbiegungen berechnet. Für einen einfachen Balken mit gleichmässig verteilter Last 𝑞𝑘 beträgt dieser: 𝑤𝑀 =

5 𝑞𝑘 𝑙 4 384 𝐸 𝐼eq

(7.27)

Die Biegesteifigkeit des Äquivalenzträgers wird aus den Gurtstäben ohne Eigenträgheitsmomente berechnet: 2 2 𝐼eq = 𝐴inf ℎinf + 𝐴sup ℎsup

Index inf : Index sup: 𝐴: ℎ:

(7.28)

Untergurt, Obergurt, Querschnittsfläche, Distanz vom Gurtschwerpunkt zur Neutralachse des Trägers.

Der Querkraftanteil darf nicht vernachlässigt werden und muss pauschal (in Prozent von 𝑤𝑀 ) oder durch Berechnung bestimmt werden (Abschn. 8.3.5). Für geläufige parallelgurtige Fachwerkträger als einfachen Balken kann man den Querkraftanteil als 1/3 des Momentenanteils annehmen. Die Annahme von perfekten Gelenken in den Knoten hat zur Folge, dass die Durchbiegung gegenüber steifen Knoten leicht überschätzt wird. Jedenfalls bleibt für geschraubte Fachwerkträger die Annahme von gelenkigen Knoten gerechtfertigt, da infolge des Lochspiels der Schrauben ein Gleiten in den Verbindungen

367

38

38

30

86

12 000

theoretische Stablängen

99

2500

39 05

3000

w1 = 40

39 05

30 00

2500

3000 2500

3000

2500

7 Rahmenelemente

2500

2500

368

effektive Stablängen

Bild 7.16 Überhöhung eines Fachwerkträgers.

möglich bleibt. Bei vorgespannten Schrauben ist das im Bereich unterhalb der Grenzgleitkraft nicht der Fall. Wie für andere Träger (Walzprofile, Blechträger) wird auch bei Fachwerkträgern häufig eine Überhöhung vorgesehen. Praktisch wird das durch die Anpassung der Länge einzelner Fachwerkstäbe bewerkstelligt (Bild 7.16). Schwingungen

Um unerwünschte Schwingungen schlanker Stäbe unter variablen Lasten – im Speziellen Windeinwirkung – zu vermeiden, wird in der Regel die Schlankheit 𝜆𝐾 = 𝑙𝐾 ∕𝑖 von Druck- oder Zugstäben auf einen Maximalwert von 250 begrenzt, unter Vorbehalt kleinerer Grenzwerte bei gedrückten Stäben (Abschn. 7.3.2).

7.3.5

Nachweis der Knoten

Direkte Anschlüsse von Stäben in den Knoten sind grundsätzlich mit Schweissungen möglich, wie die Beispiele von Bild 7.7a,b gezeigt haben. Für geschraubte Anschlüsse kann eine direkte Verbindung in Betracht gezogen werden, häufig aber sind Knotenbleche zur Kraftübertragung zwischen den verschiedenen Stäben nötig (Bild 7.7c). Eine vernünftige Anwendung von Knotenblechen heisst das Folgende: • kleine Abmessungen, um „sekundäre“ Kräfte infolge der Einspannung der Stäbe zu reduzieren, • nicht zu spitze Winkel zwischen den Stäben, um lange Knotenbleche zu vermeiden, • einfache und ästhetische Formen. Knotenbleche müssen die erforderlichen Abmessungen aufweisen, um die Kräfte von einem Stab zum anderen zu übertragen. Obwohl die Abmessung des Knotenbleches allgemein durch die Stabgeometrie gegeben ist, muss seine Dicke 𝑡 trotzdem bemessen werden. Krafteinleitung in ein Knotenblech

Es ist schwierig, den Spannungszustand in einem Knotenblech analytisch zu bestimmen. Für die Rechnung benutzt man ein Modell basierend auf der Einleitung einer konzentrierten Kraft in die Ebene eines Bleches (Bild 7.17a). Zur Vereinfachung nimmt man eine einseitige Kraftverteilung von 30° an (arc tan 0.5𝑏∕𝑏 = 26.6◦ ). Dar-

7.3 Fachwerkbinder F 30° F

y

b y 4 b

p

F max 2.6 bt beff

beff 0.38 b F max 1.4 bt

4

F

beff 0.71 b

30°

b 2

y max

1.0 F bt

p beff

beff 1.0 b

(a) Spannungsverteilungen in den verschiedenen Schnitten

(b) wirksame Breite

Bild 7.17 Einleitung einer konzentrierten Last in ein Knotenblech.

aus erhält man eine wirksame Lastbreite von: 𝑏eff = 2𝑦 tan 30◦ + 𝑝

(7.29)

Bei dieser Breite 𝑏eff wird die Spannungsverteilung als linear angenommen. Bei geschraubten Knotenblechen und in der Annahme, dass jede Schraube dieselbe Kraft übernimmt, liegt der massgebende Querschnitt im Knotenblech bei der letzten Schraubenreihe. Der Nachweis der Tragsicherheit im Knotenblech muss zwei Bedingungen erfüllen:

𝐴: 𝐴net : 𝑛: 𝑑0 : 𝑡:

𝑓𝑦 𝐴 𝛾𝑀1 0.9𝑓𝑢 𝐴net ≤ 𝛾𝑀2

Bruttoquerschnitt: 𝐹Ed ≤

(7.30a)

Nettoquerschnitt: 𝐹Ed

(7.30b)

Bruttoquerschnitt des Knotenbleches (𝐴 = 𝑏eff 𝑡), Nettoquerschnitt des Knotenbleches (𝐴net = (𝑏eff − 𝑛𝑑0 )𝑡), Anzahl Schrauben im betrachteten Anschluss, Lochdurchmesser, Dicke des Knotenbleches.

Bei angeschweissten Knotenblechen befindet sich der massgebende Querschnitt am äusseren Ende der Naht. Der Tragsicherheitsnachweis erfolgt auch nach der Gl. (7.30a).

369

370

7 Rahmenelemente

Ninf 1 Ndiag 1

VEd diag. 1

Schnitt A-A

A

Ndiag 2

REd

Ninf 1

2

1

Ndiag 2

A

Ninf 2

A

e

Ndiag 1

NEd

diag. 2

A

Ndiag 1 y

Ninf 2

VEd

Ndiag 2

e

Ninf 1

Ninf 2

NEd A

A

z

Bild 7.18 Knotenblech als Bestandteil des Gurtes.

Zusammenspiel der Kräfte in einem Knotenblech

Die Einleitung verschiedener Kräfte im gleichen Knotenblech führt zu einer Wechselwirkung der Kräfte in den Querschnitten in Bezug vom Abstand zum Kreuzungspunkt der Stabachsen. Trotz der Komplexität des Spannungszustandes in einem Knotenblech ist die Bemessung mit den Prinzipien der Stabstatik anwendbar. Man nimmt an, dass die Kräfte in den Schwerachsen der Profile oder Knotenbleche verlaufen. Man unterscheidet zwei Fälle, je nachdem, ob das Knotenblech Teil der Gurte ist oder nicht. • Das Knotenblech ist integrierender Bestandteil des Gurtes (Bild 7.18): Im Schnitt A-A wirkt eine Kraft 𝑅Ed als Resultierende aller Kräfte auf einer Seite des Schnittes. Diese Resultierende kann zerlegt werden in einen Normalkraftanteil 𝑁Ed und einen Querkraftanteil 𝑉Ed sowie ein Exzentrizitätsmoment 𝑀Ed = 𝑁Ed 𝑒; dabei ist 𝑒 der Abstand zwischen der Schwerachse des Untergurtes und der Schwerachse des Querschnittes A-A. Man kann nun mit Superposition der Spannungen aus 𝑁Ed , 𝑉Ed und 𝑀Ed eine elastische Spannungsverteilung im besagten Schnitt annehmen oder auch ein plastisches Modell anwenden (TGC 10 Abschn. 4.6, Nachweis eines Rechteckquerschnittes). • Das Knotenblech ist nicht integrierender Bestandteil des Gurtes (Bild 7.19): In diesem Fall entspricht der Schnitt A-A dem Querschnitt des Knotenblechs. Die darauf wirkende Kraft ist nach wie vor die Resultierende der Stabkräfte einer Seite. Die auf den Knoten im Knotenblech durch den Gurt übertragene Kraft ist nichts anderes als die Differenz der linken und der rechten Kräfte auf den Knoten. Man wird einen Profilwechsel des Gurtes senkrecht zum Knotenblech vermeiden, da sonst die gesamte Gurtkraft im Knotenblech wirkt. Die resultierende Kraft 𝑅Ed lautet: 𝑅Ed =

1 − 𝑁inf 1 ) + 𝑁diag1 (𝑁 2 inf 2

(Kräfte als Vektoren!)

(7.31)

7.3 Fachwerkbinder

371

Ninf 2 _ Ninf 1 1 2

1 2

Ninf 1

Ninf 2 VEd

Ndiag 1

Ndiag 2 A

NEd

Schnitt A-A

A VEd

y

e

Ninf 2

Ninf 1

e

A

NEd

A

z

Bild 7.19 Knotenblech ist nicht integrierender Bestandteil des Gurtes.

Die Nachweise im Schnitt A-A erfolgen mit den Auswirkungen: 𝑁Ed = 𝑅Ed sin 𝜃𝑅 𝑉Ed = 𝑅Ed cos 𝜃𝑅

Ndiag 2 Nm

Nm

Ndiag 1

REd

R

(7.32)

𝑀Ed = 𝑁Ed ⋅ 𝑒 Fachwerke mit Hohlprofilen

Aufgrund ihres runden oder rechteckigen Querschnittes eignen sich Hohlprofile vortrefflich für geschweisste Verbindungen ohne Knotenbleche. Das Verhalten solcher Knoten hängt von geometrischen Parametern und dem Verbindungstyp ab. Die Kenntnis dieses Verhaltens ist nötig, um einfache Rechenformeln und wirtschaftliche Konstruktionen zu finden und anzuwenden. Für die geläufigsten Knotentypen sind die Formeln für die Ermittlung der Tragfähigkeit in den folgenden Dokumentationen gegeben: CIDECT [1, 2], Eurocode 3 Teil 1-8 und Norm SIA 263 Anhang D; es handelt sich um T-, Y-, X-, KT-, N- und K-Knoten (Bild 7.20). Für den Fall der drei letzten Typen unterscheidet man zwischen Knoten mit oder ohne Zwischenraum g. Bei den meisten Fachwerktypen befindet sich an einem Knoten eine angeschweisste Zug- und Druckdiagonale. Aus analytischen und numerischen Studien konnten die Modelle für das Verhalten von Knoten aus Hohlprofilen genau ermittelt werden. Die Komplexität der Problemstellung erforderte allerdings zahlreiche Versuche einzelner Verbindungen, bevor der Einfluss der verschiedenen Parameter erfasst werden konnte. Es gibt prak-

372

7 Rahmenelemente

1 1

T

1

Y

X

g 3

g

3 2

1

2

1

e KT mit Überlappung

KT mit Zwischenraum

g

1

1

2

2

e

e N mit Zwischenraum

N mit Überlappung

g 1

2

e K mit Überlappung

1

2

e K mit Zwischenraum

Bild 7.20 Typen von Knoten mit runden und rechteckigen Hohlprofilen.

tisch für alle ebenen und einige räumliche sowie geschraubte Verbindungen Berechnungsformeln. Für Knoten mit quadratischen und rechteckigen Rohren, die vorwiegend statisch beansprucht sind, wurden sieben Versagensarten identifiziert (Bild 7.21): 1. Verbiegung des Oberflansches des Gurtes, 2. Ausreissen des Oberflansches des Gurtes, 3. Abreissen der Zugdiagonale,

7.3 Fachwerkbinder

(1)

(2)

373

(3)

(5)

(4)

(6)

(7)

Bild 7.21 Versagensarten von K- und N-Hohlprofilknoten.

4. 5. 6. 7.

Beulen der Druckdiagonale, Abscheren des Gurtstabes, lokales Beulen der seitlichen Stege im Gurt, lokales Beulen des Oberflansches im Gurt.

Für runde Hohlprofile können die Versagensarten durch Analogie identifiziert werden. Versagen durch Plastifizierung ist häufiger als lokales Beulen. Man beachte, dass Fachwerke aus Hohlprofilen viel empfindlicher sind auf Ermüdungsbeanspruchungen. Um Wirtschaftlichkeit und Effizienz bei Fachwerken aus Hohlprofilen zu erreichen, empfehlen die CIDECT-Dokumentationen folgendes Vorgehen für die Dimensionierung: • die Auswirkungen in den Stäben unter der Annahme von gelenkigen Knoten und zentrischen Stabachsen ermitteln; • die Abmessungen von Gurten, Pfosten und Diagonalen so dimensionieren, dass ein Minimum an Querschnittstypen resultiert; • die Knoten so ausbilden, dass ein Zwischenraum 𝑔 entsteht (einfachere Schweissungen); • untersuchen, ob die Exzentrizitäts-Grenzwerte eingehalten sind; • die Grenzwiderstände der Verbindungen rechnen; • die Tragsicherheitsnachweise führen (Stäbe und Knoten); • falls nötig, die Dimensionen der Stäbe und Knoten anpassen (z. B. durch Aufdoppelungen);

374

7 Rahmenelemente

• die Auswirkungen der Exzentrizitätsmomente in den Knoten nachweisen (Interaktion N–M); • die Durchbiegung der Konstruktion nachweisen, unter Annahme eines Fachwerkes mit gelenkigen Knoten; im Fall von Aufdoppelungen in den Knoten die Gurte mit konstantem Querschnitt und die Diagonalen gelenkig mit Exzentrizität betrachten; • die Schweissnähte bemessen. Besondere Knoten

Bei einem Binder aus einem dreieckförmigen Fachwerk mit flacher Neigung (Bild 7.22a) besteht das Trägerende, das auf der Stütze aufliegt, nur noch aus dem Gurtprofil und muss demzufolge einen ausreichenden Widerstand aufweisen, um das Biegemoment 𝑀Ed = 𝑅Ed 𝑥 und die Querkraft 𝑉Ed = 𝑅Ed übernehmen zu können. Das kann eine lokale Verstärkung, wie vorgeschlagen in Form eines Flacheisens, erfordern. Wenn ein Fachwerkträger seitlich an eine Stütze befestigt wird und die Stabachsen zentrisch verlaufen, muss die Verbindung so bemessen sein, dass sie alle auftretenden Kräfte übertragen kann. Im Beispiel von Bild 7.22b sind die Schrauben nicht nur durch die Querkraft 𝑉Ed , sondern gleichzeitig durch das Exzentrizitätsmoment 𝑀Ed = 𝑉Ed 𝑒𝑚 = 𝑁Ed 𝑒sup beansprucht. Bei geneigten Dächern bilden die Gurte des Fachwerkes im Firstknoten einen Knick. Die daraus entstehenden Ablenkkräfte 𝐷Ed müssen korrekt in den Knoten geleitet werden, z. B. mittels einer Zwischenplatte (Bild 7.22c) oder mit Aussteifungen.

7.4 Stützen von Hallenrahmen Hallenstützen leiten die Einwirkungen aus den Riegeln in die Fundationen. Das sind in der Regel Drucknormalkräfte und Biegemomente. Eine Stütze kann auch Horizontalkräfte aus Wind auf die Fassade, Anprallkräfte aus Fahrzeugen sowie die Auflagerreaktionen aus Kranbahnträgern aufnehmen. Bild 7.23 zeigt die verschiedenen Kräfte.

7.4.1

Stützen mit konstantem Querschnitt

Im Abschn. 6.5 wurde die Bemessung eines Hallenrahmens mit der Berechnung der Auswirkungen und der Nachweise gezeigt. Ein Rahmen (statisch bestimmt oder unbestimmt, seitlich gehalten oder nicht gehalten) besteht aus Tragelementen, welche in den Knoten steif oder gelenkig verbunden sind. Wir betrachten nun die Tragsicherheit von Stützen aus Walzprofilen bei zwei Beanspruchungsfällen: Erstens zentrische Normalkraft und zweitens Interaktion von Biegung und Normalkraft. Umfangreichere Details und andere Interaktionen befinden sich im Abschn. 6.3 des TGC 10.

7.4 Stützen von Hallenrahmen

375

DEd

Nsup 2

Nsup 1 x

Nsup 2 DEd REd

(a)

Nsup 1

(c)

A

A

A NEd

Nsup

Nsup esup Ndiag

VEd em

em A

A

Nm

Ndiag

NEd

Nm

A

Nd

iag

Nsup

(b) Bild 7.22 Beispiele besonderer Knoten eines Fachwerkbinders.

Auf Druck beanspruchte Stützen

Diesen Fall haben wir bei beidseitig gelenkig gelagerten Stützen z. B. bei Rahmen mit vier Gelenken oder bei Zwischenstützen von mehrstieligen Rahmen (Bild 7.24). Die Vordimensionierung besteht darin, einen dem Umfang der Kräfte, der Knickart (in beiden möglichen Achsen) und den Anschlüssen an den Stabenden entsprechenden Querschnitt zu wählen. Eine Vordimensionierung kann mithilfe von empirischen Schlankheiten 𝜆𝐾 , z. B. mit Werten zwischen 50 und 100 erfolgen. Der Knickwiderstand der Stütze hängt vom gewählten Querschnitt ab. Die geometrischen und materialbedingten Imperfektionen beeinflussen den Knickwiderstand mehr oder weniger. Die Wahl der Knickkurve hängt vom Querschnittstyp ab (Bild 7.25). Der Bemessungswert des Knickwiderstandes 𝑁K,Rd bezüglich der betrachteten Achse ist durch folgende Gleichung gegeben: 𝑁K,Rd = 𝜒𝐾

𝑓𝑦 𝐴 𝛾𝑀1

𝜒𝐾 : Abminderungsfaktor für Knicken, 𝑓𝑦 : Fliessgrenze der Stahlsorte der Stütze,

(7.33)

VEd

376

7 Rahmenelemente

Lasten aus dem Binder

Einwirkungen aus dem Laufkran Kranbahnträger Windeinwirkung Konsole

hm

Rahmenstütze

Auflagerreaktionen

Bild 7.23 Auf eine Rahmenstütze wirkende Kräfte.

𝐴: Querschnittsfläche der Stütze, 𝛾𝑀1 : Widerstandsbeiwert. In diesem Ausdruck ist 𝜒𝐾 wie folgt definiert: 𝜒𝐾 =

1 ≤ 1.0 √ 𝛷𝐾 + 𝛷𝐾2 − 𝜆 2 𝐾

(7.34a)

mit: 𝛷𝐾 = 0.5[1 + 𝛼𝐾 (𝜆𝐾 − 0.2) + 𝜆 2 𝐾 ]

(7.34b)

Die bezogene Schlankheit 𝜆𝐾 ist definiert als Verhältnis der Schlankheit 𝜆𝐾 und der Fliessschlankheit 𝜆𝐸 : √ 𝑓𝑦 𝜆𝐾 𝜆𝐾 = = (7.35) 𝜎cr,K 𝜆𝐸 mit: 𝜎cr,K =

𝜋2 𝐸 𝜋2 𝐸𝑖 2 𝜋2 𝐸𝐼 = = 𝜆𝐾2 ℎ𝐾2 ℎ𝐾2 𝐴

𝛼𝐾 : Imperfektionsbeiwert (Tabelle in der Norm SIA 263), 𝜎cr,K : Eulersche Knickspannung,

(7.36)

7.4 Stützen von Hallenrahmen

377

N

Pfette

Knicken aus der Ebene um die schwache Achse

hm Riegel N

hKz z z N

hKy

hm N

Knicken in der Ebene um die starke Achse y y

Bild 7.24 Hallenstütze unter zentrischer Druckkraft.

𝜆𝐾 : ℎ𝐾 : 𝑖: 𝐼:

Schlankheit der Stütze (𝜆𝐾 = ℎ𝐾 ∕𝑖), Knicklänge der Stütze, √ Trägheitsradius (𝑖 = 𝐼∕𝐴), Trägheitsmoment der Stütze.

Der Nachweis erfolgt einzeln für die beiden Knickrichtungen (Hauptachsen) der Stütze; Knicklängen, Trägheitsmomente, Trägheitsradien usw. sind für die starke und schwache Achse unterschiedlich: 𝑁Ed ≤ 𝑁Ky,Rd

𝑁Ed ≤ 𝑁Kz,Rd

𝑁Ed : Bemessungswert der Drucknormalkraft.

(7.37)

378

7 Rahmenelemente

K

1.0 Kurve 0.9

Anwendungsbeispiele

K

(andere Möglichkeiten gemäss Norm SIA 263)

a0

0.13

warmgewalzte Hohlprofile in S 460

a

0.21

warmgewalzte Hohlprofile in S 355, S 275, S 235

b

0.34

a0 0.8

a b

0.7

y

geschweisste Kastenträger, allgemein

y

c gewalzt oder geschweisst

0.6 d 0.5

c

Euler

0.49

z

z gewalzt oder geschweisst

0.4 d

0.76

kaltgeformte Hohlprofile z

z

gewalzte oder geschweisste Profile mit dicken Flanschen

0.3

0.2

0.1

0 0

0.5

1.0

1.5

2.0

2.5

3.0

3.5

K

Bild 7.25 Knickkurven (siehe auch Norm SIA 263).

Auf Biegung und Normalkraft beanspruchte Stützen

Als Beispiel wählen wir ein Walzprofil unter Druckkraft und gleichzeitiger Biegung in der Rahmenebene; Knicken aus der Ebene sei verhindert. Andere Fälle sind im Abschn. 6.3 des TGC 10 behandelt. Die Auswirkungen erster Ordnung (ohne äquivalente Imperfektionen) werden als „Einwirkungen“ auf die als beidseitig gelagert betrachtete Stütze aufgebracht. Die Eulersche Knicklast 𝑁cr des Rahmens ist als solche diejenige der einzelnen Stäbe des Rahmens und wird mit der effektiven Knicklänge berechnet. Diese Länge erhält man einfach aus Bild 7.26 beziehungsweise aus den Bemessungstafeln C 4 des SZS (Knicklängen bei Rahmensystemen). Die von der Norm SIA 263 vorgeschlagene Interaktionsformel für den Stabilitätsnachweis des genannten Falles (konstanter Querschnitt, Druckkraft und Biegung

7.4 Stützen von Hallenrahmen

um eine Hauptachse, Knicken in die andere Achse verhindert) mit Einbezug des Einflusses zweiter Ordnung lautet wie folgt: 𝜔𝑀Ed,max 𝑁Ed 1 + ≤ 1.0 𝑁 𝑁K,Rd 1 − Ed 𝑀Rd

(7.38)

𝑁cr

𝑁Ed : 𝑁K,Rd : 𝑁cr : 𝑀Ed,max : 𝑀Ed,min : 𝑀Rd :

𝜔:

Bemessungswert der Drucknormalkraft (positiv), Bemessungswert des Knickwiderstandes für zentrisches Knicken, Eulersche Knicklast, maximaler, absoluter Bemessungswert im betrachteten Stab, minimaler, absoluter Bemessungswert im betrachteten Stab, Bemessungswert des Biegewiderstandes je nach Querschnittsklasse; um die starke Achse ist, falls massgebend, der Kippwiderstand 𝑀D,Rd einzusetzen, Beiwert zur Berücksichtigung der Momentenverteilung im betrachteten Stab:

𝜔 = 0.6 + 0.4

𝑀Ed,min ≥ 0.4 𝑀Ed,max

(7.39)

Bei 𝜔-Werten < 1 kann der Querschnittsnachweis massgebend werden. Für die Anwendung der Gl. (7.38) gelten folgende Bedingungen: • 𝑁Ed und 𝑀Ed sind Bemessungswerte aus dem gleichen Gefährdungsbild nach Theorie erster Ordnung. • Alle Werte sind für die jeweils betrachtete Ebene einzusetzen (starke oder schwache Achse). • Für seitlich belastete Stäbe (verteilte Last oder Einzellast) sowie für Stäbe von seitlich nicht gehaltenen Rahmen gilt: 𝜔 = 1. • Für seitlich nicht gehaltene Rahmen müssen für die Bestimmung von 𝑁K,Rd und von 𝑁cr die Knicklängen 𝐿𝑘 > ℎ verwendet werden. Das erlaubt eine rasche und einfache Verifikation mit der konservativen Annahme, dass die Einflüsse zweiter Ordnung des Stabes und des Rahmens berücksichtigt sind. • Knicken um die jeweils andere Achse ist verhindert. Bild 7.26 zeigt zwei Beispiele von Rahmenstützen mit M-N-Interaktion, bei welchen die Werte von 𝑀Ed,min und 𝑀Ed,max für die Bestimmung von 𝜔 in der Gl. (7.39) deutlich zum Ausdruck kommen.

7.4.2

Zusammengesetzte Stützen

Stützentypen

Bei grossen Normalkräften ist es oft wirtschaftlicher, anstelle von vollen Profilen sogenannte gegliederte Druckstäbe auszuführen. Diese Konzeption beruht auf der Idee, einen Druckstab mit einem Minimum an Material und mit einem grösstmöglichen Trägheitsmoment zu konstruieren. Diese Konstruktionen bedingen allerdings

379

380

7 Rahmenelemente

NEd

NEd

hm

MEd, max HEd

NEd

NEd M Ed, max

hK ≤ hm = 0.6 seitlich gehaltener Rahmen

seitlich nicht gehaltener Rahmen

hK ≥ hm

MEd, min = 1.0

Bild 7.26 Stützen von Rahmen unter Druck und einachsiger Biegung.

einen grösseren Arbeitaufwand. Bei hohen Löhnen und moderaten Materialpreisen sind solche Stützen nicht in jedem Fall wirtschaftlicher; für eine allfällige Ausführung muss die jeweilige Kostenstruktur genau analysiert werden. In der Praxis verbindet man mehrere gleichartige Gurtstäbe mit konstantem Querschnitt mit Diagonalen und Pfosten oder mit Bindeblechen. Die parallelen Gurte sind in der Regel Walzprofile, deren Schwerpunkte in einem Abstand 𝑎 angeordnet sind (Bild 7.27a). Dadurch vergrössert man das Trägheitsmoment um die 𝑧-Achse, quer zur Ebene der Diagonalen und Bindebleche ohne Gewichtserhöhung erheblich. Es können auch mehrere Gurte aus Stabstählen vorgesehen werden (Bild 7.27b,c). Bei den Stützen des Querschnittes nach Bild 7.27a werden nur die Gurte auf Biegung um die 𝑦-Achse (Stoffachse) als einfache Balken betrachtet; um die 𝑧-Achse (stofffreie Achse) wird der ganze zusammengesetzte Stab als Biegestab betrachtet. Die Querschnitte von Bild 7.27b,c wirken in beiden Achsen, 𝑦 und 𝑧 als zusammengesetzte Stäbe. Die gegenüberliegenden Diagonalen der mehrteiligen Stütze sollten gleichlaufend (Bild 7.27b) und nicht gegenläufig (Bild 7.27c) angeordnet werden; dadurch wird bei gedrückten Stützen die Möglichkeit des Torsionsknickens begrenzt. Die Fachwerkstäbe (Diagonalen und Pfosten) werden oft an die Gurte geschraubt und sind an den Enden gelenkig angenommen. An den Stützenenden oder wo die Stütze unterbrochen ist beziehungsweise dort, wo äussere Kräfte eingeleitet werden, müssen die Fachwerkgurte mit einer steifen Scheibe verbunden werden, in der Regel durch Ausführung eines Kreuzverbandes. Die Bindebleche bestehen gewöhnlich aus Flacheisen mit der Breite ℎ und der Stärke 𝑡 und müssen steif mit den Gurten verbunden werden, sodass das Ganze als Vierendeel-Träger oder als Rahmenstab wirkt. Die Bindebleche wirken vor allem an den Enden der Stütze; sie müssen ebenso dort vorgesehen werden, wo seitliche Kräfte auftreten, sowie generell für die seitliche Steifigkeit. Die Grundlagen der Bemessung von mehrteiligen Stützen mit zwei Walzprofilgurten und Bindeblechen sind im Abschn. 6.4 des TGC 10 sowie in der Norm SIA 263 behandelt. Wir untersuchen hier in analoger Art die Bemessung von Fachwerkstützen mit zwei Gurten aus Walzprofilen und einem einfachen Strebenzug (Bild 7.27a). Die Methode stammt aus dem Eurocode 3. Sie ist anwendbar für Stützen mit gleichläufigen Diagonalen gemäss Bild 7.27b.

7.4 Stützen von Hallenrahmen

l1

l1

h

l diag

a

a z y

y

z

z

z

y

t y

y

y

y

y

z

z Fachwerkstützen

Stützen mit Bindeblechen

(a)

z

z

gleichgerichtete Fachwerke

gegenläufige Fachwerke (nicht empfohlen)

(b)

(c)

Bild 7.27 Beispiele von mehrteiligen Druckstäben mit Bindeblechen und mit Ausfachung.

Knicken von Fachwerkstützen um die z-Achse Anfangsauslenkung

Die Konstruktionsart der zusammengesetzten Stützen erfordert die Berechnung einer geometrischen Anfangsauslenkung. Der Eurocode 3 empfiehlt folgende Anfangsauslenkung aus der geraden Stabachse (Bild 7.28): 𝑤0 =

381

ℎ𝑚 500

(7.40)

Diese Auslenkung deckt die ungünstigen Eigenspannungen und die Exzentrizität der Drucknormalkraft ab. Es gilt zu bemerken, dass dieser Wert doppelt so gross ist wie derjenige, welcher bei Festlegung der europäischen Knickkurven angenommen wurde. Schubeinfluss in der Fachwerkebene

Bei einer zusammengesetzten Stütze kann im Gegensatz zu einem Walzprofil der Schubeinfluss nicht vernachlässigt werden. Die Schubsteifigkeit 𝑆𝑣 ist wie auch die Querkraft für die Erzeugung einer Elementarverformung infolge Querkraft erforderlich. Sie entspricht dem Schubmodul 𝐺, multipliziert mit der äquivalenten schubwirksamen Fläche 𝐴w,eq . In der Tabelle 7.2 sind Schubsteifigkeiten 𝑆𝑣

382

7 Rahmenelemente

Bild 7.28 Mehrteilige Druckstäbe unter gleichmässiger Druckkraft. Tab. 7.2 Schubsteifigkeiten von Fachwerkstützen. System ldiag

ldiag

l1

ldiag

Adiag

l1

Atrav Adiag

l1 Adiag

Sv

a

a

nEAdiag l1a2 2 l 3diag

nEAdiag l1a2 2 l 3diag

l1

a nEAdiag l1a2 Adiag a3 3 Atrav l diag

3 1+ ldiag

n ist die Anzahl Fachwerke in der Ebene Adiag und Atrav sind Querschnittsflächen der Ausfachungsstäbe

für verschiedene Ausfachungsarten von Fachwerkstützen dargestellt, wie sie der Eurocode 3 empfiehlt.

7.4 Stützen von Hallenrahmen

Drucknormalkraft

Im Fall einer Stütze mit zwei gleichen Gurten ist der Bemessungswert der Drucknormalkraft in einem der Gurte durch folgenden Ausdruck gegeben: 𝑁1,Ed = 0.5𝑁Ed +

ℳEd 𝑎𝐴1 2𝐼eff

(7.41)

mit: ℳEd =

𝑁Ed 𝑤0 + 𝑀Ed 1−

𝑁Ed 𝑁cr



𝑁Ed

(7.42)

𝑆𝑣

𝑁cr : 𝑁Ed :

2 Eulersche Knicklast der Fachwerkstütze (𝑁cr = 𝜋2 EI eff ∕ℎ𝑚 ), Bemessungswert der auf die Fachwerkstütze wirkenden Drucknormalkraft, ℳEd : Bemessungswert des maximalen Biegemomentes, welches auf halber Stützenhöhe wirkt, mit Einbezug des Einflusses zweiter Ordnung, 𝑀Ed : Bemessungswert des maximalen Biegemomentes, welches auf halber Stützenhöhe wirkt, ohne Einbezug des Einflusses zweiter Ordnung, Trägheitsmoment der Fachwerkstütze (𝐼eff = 2𝐴1 (𝑎∕2)2 = 0.5𝐴1 𝑎2 ), 𝐼eff : 𝑎: Abstand der Schwerpunkte der Gurte, Querschnittsfläche eines Gurtes, 𝐴1 : 𝑆𝑣 : Schubsteifigkeit eines Fachwerkes (Tabelle 7.2).

Querkräfte

Die Momentenverteilung entlang der 𝑥-Achse ergibt folgende Querkraftverteilung: 𝑉(𝑥) =

𝑑𝑀(𝑥) 𝜋𝑥 𝜋 ℳ cos = 𝑑𝑥 ℎ𝑚 ℎ𝑚

(7.43)

Diese besitzt in 𝑥 = 0 und 𝑥 = ℎ𝑚 einen Maximalwert von 𝜋ℳ∕ℎ𝑚 . Aufgrund der Einfachheit und um auf der sicheren Seite zu bleiben, nimmt man an, dass die maximale Querkraft in allen Querschnitten vorkommt und somit die Kräfte in allen Fachwerkstäben abgeleitet werden. Für ein N-Fachwerk beträgt die Kraft in einer Diagonale der Länge 𝑙diag (Tabelle 7.2): 𝑁diag,Ed =

𝜋ℳEd 𝑙diag ℎ𝑚 2𝑎

(7.44)

Und die Kraft in einem Pfosten beträgt: 𝑁trav,Ed =

1 𝜋ℳEd 2 ℎ𝑚

(7.45)

Knicken der Gurte um die z-Achse

Die Knicksteifigkeit eines Gurtabschnittes zwischen zwei Fachwerkknoten wird wie folgt bestimmt (Stütze mit zwei Gurten aus Walzprofilen durch zwei Fachwerke verbunden):

383

384

7 Rahmenelemente

• Die Knicklänge 𝑙K,z ist gleich der Längen 𝑙1 zwischen den Fachwerkknoten (Bild 7.27a). • Das Trägheitsmoment entspricht demjenigen eines Gurtes 𝐼1z . • Die anzunehmende Knickkurve entspricht dem entsprechenden Profiltyp des Gurtes für Knicken um die 𝑧-Achse (Knickspannungskurven). Der Bemessungswert des Knickwiderstandes eines Gurtes 𝑁𝐾1,z,Rd wird mit der Gl. (7.33) im Abschn. 7.4.1 berechnet. Knicken von Fachwerkstützen um die y-Achse

Das Knicken des mehrteiligen Druckstabes um die 𝑦-Achse kann als Knicken der beiden Gurte um die 𝑦-Achse ohne Berücksichtigung der Füllglieder der Fachwerke betrachtet werden; Letztere haben keinen Einfluss auf diesen Knickfall. Knicken eines Gurtes um die y-Achse

Der Knickwiderstand eines Gurtes 𝑁𝐾1,y,Rd wird wie folgt bestimmt: • Die Knicklänge 𝑙Ky entspricht der Länge ℎ𝑚 der beidseits gelenkig gehaltenen Stütze (Bild 7.28). • Das Trägheitsmoment entspricht demjenigen eines Gurtes 𝐼1𝑦 . • Die anzunehmende Knickkurve entspricht dem entsprechenden Profiltyp des Gurtes für Knicken um die 𝑦-Achse. Der Bemessungswert des Knickwiderstandes eines Gurtes 𝑁𝐾1,y,Rd wird mit der Gl. (7.33) im Abschn. 7.4.1 berechnet. Nachweis der Stäbe der Fachwerkstütze

Der Nachweis der Gesamtkonstruktion besteht im Nachweis aller Gurte sowie der Diagonalen und Pfosten. Die Sekundärmomente in den Gurten können vernachlässigt werden. Für die Gurte gilt folgender Nachweis: 𝑁1,Ed ≤ 𝑁𝐾1,Rd

(7.46)

Für die Diagonalen und Pfosten können die Kräfte 𝑁diag,Ed und 𝑁trav,Ed Zug oder Druck sein, unter der Annahme, dass die Topologie des Fachwerkes eindeutig und die Richtung der Stützenauslenkung zufällig sind. Der Tragsicherheitsnachweis beinhaltet den Querschnitts- sowie den Stabilitätsnachweis (Druckstäbe), siehe Abschn. 8.5 des TGC 10. Verbindungen

Auch die Anschlüsse der Fachwerkstäbe an die Gurte müssen korrekt dimensioniert sein, um die auftretenden Kräfte übertragen zu können, konkret: • Anschluss einer Diagonale an die Gurte mit 𝑁diag,Ed gemäss Gl. (7.44), • Anschluss eines Pfostens an die Gurte mit 𝑁trav,Ed gemäss Gl. (7.45).

7.4 Stützen von Hallenrahmen

7.4.3

Stützen mit variablem Querschnitt

Wir unterscheiden grundsätzlich zwei Typen von Stützen mit variablem Querschnitt (Bild 7.29): • Stützen mit linear zunehmender Steghöhe über die Stützenlänge, wobei die Flansche konstante Querschnitte haben; • Stützen, welche aus Abschnitten bestehen, deren Trägheitsmomente je konstant sind, sich aber von Abschnitt zu Abschnitt stark unterscheiden. Der erste Stützentyp wird allgemein als geschweisster Vollwandträger hergestellt. Sein Stützenfuss wird gelenkig so ausgebildet, dass grosse Normalkräfte abgetragen werden können. Der Stützenkopf kann als Rahmenecke biegesteif an den Riegel angeschlossen werden, und somit grosse Biegemomente übertragen. Wenn die Trägheitsmomente der Stütze an den Verlauf der Auswirkungen angepasst sind, erhält man eine Stützenform, welche durch eine lineare Veränderung der Steghöhe entsteht. Der zweite Stützentyp passt sehr gut bei einer Lasteinleitung am Stützenkopf aus dem Dach sowie einer bedeutenden Lasteinleitung auf einer bestimmten Höhe der Stütze, z. B. bei Hallen mit einem Hallenlaufkran mit grosser Hublast. Eine solche Stütze ist am Fuss meistens eingespannt und am Stützenkopf frei; es gibt aber auch Fälle, wo solche Stützen beidseitig gelenkig gelagert sind. Diese Stützen sind also einer Normalkraft-Einwirkung unterworfen, deren Grösse sich auf einer bestimmten Höhe plötzlich stark ändert.

kontinuierlich variabler Querschnitt

variabler Querschnitt in Abschnitten (Bajonettstütze)

Bild 7.29 Stützen mit variablem Querschnitt.

385

386

7 Rahmenelemente

Da es viele verschiedene Ausführungskonzepte gibt, werden wir im vorliegenden Buch nur die Dimensionierung der beiden Typen von Bild 7.29 aufzeigen. Für mehr Details sei auf die einschlägige Literatur verwiesen [5]. Nachweis von Stützen mit variablem Querschnitt

Der Tragsicherheitsnachweis besteht wie bei Stützen mit konstantem Querschnitt aus: • dem Querschnittsnachweis, • dem Stabilitätsnachweis bei Stützen unter Druck und unter Biegedruck. Die Schwierigkeit beim Querschnittsnachweis liegt in der Bestimmung des massgebenden Querschnittes. Der auf die Stützenhöhe variable Querschnitt hat zur Folge, dass es mehrere Querschnitte gibt, für welche ein Nachweis erforderlich sein kann. Beim Stabilitätsnachweis ergibt sich durch die variablen Querschnitte prinzipiell das Problem der bezogenen Schlankheit, welche das Knickphänomen bestimmt: √ 𝜆𝐾 =

𝑁pl 𝑁cr

(7.47)

𝑁pl : plastische Normalkraft, 𝑁cr : Eulersche Knicklast. Für eine Stütze mit einem kontinuierlich variablen Trägheitsmoment unter einer gleichbleibenden Normalkraft ist die zu berücksichtigende plastische Normalkraft offensichtlich diejenige des Stützenendes mit dem kleinsten Querschnitt. Bei einer Stütze mit abschnittsweise variablem Trägheitsmoment (Bajonett) ist der für 𝑁pl massgebende Querschnitt vermutlich ein Zwischenquerschnitt. Die Eulersche Knicklast wird wie folgt berechnet: 𝑁cr =

𝜋2 𝐸𝐼 𝑙𝐾2

(7.48)

In der Gleichung muss für jeden variablen Stützentyp ein Referenz-Trägheitsmoment definiert werden. Die Knicklänge 𝑙𝐾 kann den Einfluss des veränderlichen Trägheitsmomentes und die Lasteinleitung in einer bestimmten Stützenhöhe einschliessen. Nachfolgend werden die Ausdrücke von 𝑁cr für drei Stützentypen sowie Kurventafeln für die einfache Bestimmung der Knicklänge 𝑙𝐾 gegeben. Mit diesen Werten kann der Stabilitätsnachweis prinzipiell mit den bekannten Bemessungsformeln im Kap. 10 des TGC 10 sowie gemäss Norm SIA 263 erfolgen. Stützen mit kontinuierlich variablem Trägheitsmoment

Wir betrachten eine Stütze mit variabler Steghöhe und zwei Flanschen und untersuchen das Knicken um die starke Achse, das heisst in Stegrichtung, wie es normalerweise in der Rahmenebene geschieht. Wir nehmen an, dass das Knicken aus der Rahmenebene mit entsprechenden Konstruktionselementen verhindert sei.

7.4 Stützen von Hallenrahmen O

x

N

x0 I min

Imin

Imin I max

l

I max

l1

l1

I max

Imax

(a)

I max

(b)

Imin

(c)

Bild 7.30 Stützen mit kontinuierlich variablem Trägheitsmoment.

Das Trägheitsmoment in Funktion von 𝑥 um die starke Achse variiert mit einer Potenz 𝑛 und einem Abstand 𝑥0 von einem fiktiven Punkt O zum Stützenkopf (Bild 7.30a). Dieses Trägheitsmoment kann wie folgt berechnet werden: 𝐼(𝑥) = 𝐼min (

𝑥 ) 𝑥0

𝑛

(7.49)

𝐼min : minimales Trägheitsmoment um die starke Achse (𝑥 = 𝑥0 ), 𝑛: Exponent, der von der Variation des Trägheitsmomentes entlang der Stütze abhängt. Der Wert 𝑛 = 2 (parabolische Verteilung des Trägheitsmomentes) stellt mit ausreichender Genauigkeit den Fall einer Stütze mit zwei konstanten Flanschquerschnitten und einer auf der Koordinate 𝑥 linear zunehmenden Steghöhe dar. Effektiv besteht das Trägheitsmoment primär aus den Flanschanteilen, deren Eigenträgheitsmoment vernachlässigt wird. Knicken einer solchen Stütze (beidseits gelenkig gelagert mit der Länge 𝑙, parabolisch veränderliches Trägheitsmoment, mit gleichbleibender Normalkraft) kann wie eine prismatische Stütze gleicher Länge und einem auf diese Länge gleichbleibenden äquivalenten Trägheitsmoment 𝐼eq behandelt werden. Dieses Trägheitsmoment 𝐼eq hat den folgenden Wert: 𝐼eq = 𝐶𝐼max

(7.50)

387

388

7 Rahmenelemente

Der Koeffizient 𝐶 ist eine Funktion des geometrischen Parameters 𝑟, der das Verhältnis der extremalen Trägheitsmomente einbezieht: 𝐶 = 0.08 + 0.92𝑟 √ 𝐼min 𝑟= 𝐼max

(7.51) (7.52)

Wenn die Stütze an einem Ende ein Stabstück 𝑙1 mit konstantem Trägheitsmoment 𝐼max aufweist (Bild 7.28b), hat der Koeffizient 𝐶 den Wert: 2

𝑙 √ 𝐶 = (0.08 + 0.92𝑟) + (0.32 + 4 𝑟 − 4.32𝑟) ( 1 ) 𝑙

(7.53)

Bei einer Stütze mit einem Mittelstück mit konstantem Trägheitsmoment 𝐼max und der Länge 𝑙1 sowie zwei Endstücken mit parabolisch variablem Trägheitsmoment von 𝐼max zu 𝐼min (Bild 7.28c) hat der Koeffizient 𝐶 den Wert: 𝑙 √ √ 𝐶 = (0.17 + 0.5 𝑟 + 0.33𝑟) + (0.62 + 𝑟 − 1.62𝑟) ( 1 ) 𝑙

(7.54)

Diese Werte des Koeffizienten 𝐶 sind Näherungen unter der Bedingung, dass: • 𝑙1 < 0.5𝑙 ist; • für 𝑙1 > 0.8𝑙 kann 𝐶 = 1.0 angenommen werden; • für Zwischenwerte von 𝑙1 kann 𝐶 linear interpoliert werden. Die Werte des Koeffizienten 𝐶 beruhen auf dem Konzept der äquivalenten Schlankheiten. Sie stammen aus der Kongruenz der Eulerschen Knicklast der reellen Stütze und der Ersatzstütze mit dem Trägheitsmoment 𝐼eq . Die Eulersche Knicklast hat demzufolge den Wert: 𝑁cr =

𝜋2 𝐸𝐼eq 𝑙𝐾2

(7.55)

Stützen mit unterschiedlichem, aber abschnittsweise konstantem Trägheitsmoment

In diesem Fall enthält die Stütze zwei Abschnitte mit je konstantem Trägheitsmoment, welches sich plötzlich von einem zum anderen Abschnitt ändert und in der Längsachse im Übergang eine Diskontinuität aufweist (Bild 7.31). Die Eulersche Knicklast einer solchen Stütze erhält man durch Energiemethoden – ein langer und eintöniger Prozess. Die Kurven der Resultate aus dieser Methode liefern einen Faktor 𝜌 sowie die Eulersche Knicklast mit Bezug auf das maximale Trägheitsmoment und sind durch folgende Gleichung gegeben: 𝑁cr = 𝜌

𝜋2 𝐸𝐼max (𝑛𝑙)2

(7.56)

7.4 Stützen von Hallenrahmen

𝐼max : max[𝐼1 ; 𝐼2 ], 𝑛: 𝑛 = 1 für beidseitig gelenkig gelagerte Stützen, 𝑛 = 2 für Kragarmstütze, √ 𝜌: dimensionsloser Faktor, ist eine Funktion von 𝑙1 ∕𝑙 und 𝐼1 ∕𝐼2 ; er berücksichtigt den Einfluss einer Referenzstütze mit konstantem Trägheitsmoment 𝐼max über die Knicklänge, den plötzlichen Wechsel des Trägheitsmomentes von 𝐼1 zu 𝐼2 und die Längen, wo diese Trägheitsmomente vorkommen. Da die wirkliche Stütze ein Teilstück mit einem Trägheitsmoment kleiner als 𝐼max aufweist, ist die Knicklänge 𝑙𝐾 somit grösser als 𝑛𝑙(𝜌 < 1.0): 𝑛𝑙 𝑙𝐾 = √ 𝜌

(7.57)

Die Kurven in Bild 7.31 liefern die Werte von 𝜌 für die Fälle von Stützen (beidseits gelenkig und Kragarmstützen) mit zwei Abschnitten und einer zentrisch wirkenden Normalkraft. Stützen mit mehreren Druckkräften auf verschiedenen Höhen

Stützen mit verschiedenen, aber pro Teilstück konstanten Trägheitsmomenten eignen sich speziell für die Abtragung von grossen Normalkräften am Stützenfuss und für die Einleitung von zusätzlichen Kräften beim Übergang mit dem plötzlichen Wechsel der Trägheitsmomente (Bild 7.32). Diese Problemstellung wird durch Transformation der Differenz der Normalkräfte in eine Modifikation der Knicklänge der Stütze behandelt. Die Knicklänge ist in doppelter Hinsicht betroffen: einerseits aus Gründen des Wechsels des Trägheitsmomentes und andererseits aus Gründen der Änderung der Grösse der Normalkraft. Eine einfache Näherung der Problemlösung basiert auf der Differentialgleichung der Biegelinie. Diese Näherung bezieht sich nur auf den Quotienten der Normalkraft 𝑁𝑖 zum Trägheitsmoment 𝐼𝑖 des Stützenabschnittes 𝑖. Die Knickbiegelinie und auch die Eulersche Knicklast ändern sich nicht, wenn man die Werte von 𝑁𝑖 und 𝐼𝑖 so ändert, dass deren Quotient konstant bleibt. Folglich kann die untersuchte Stütze von Bild 7.32a durch eine prismatische Stütze mit konstantem Trägheitsmoment 𝐼1 ersetzt werden, belastet mit den Kräften 𝑄1 , wie sie der Last 𝑁i,eq in der Ersatzstütze (Bild 7.32b) entspricht, und zwar in allen Abschnitten mit folgender Verhältnisgleichung: 𝑁i,eq 𝑁𝑖 = 𝐼𝑖 𝐼1

(7.58)

Wenn die Stütze zwei Abschnitte aufweist, muss für die Erfüllung der genannten Bedingungen 𝑄2 folgenden Wert annehmen: 𝑄2 =

𝑁1 + 𝑁2 𝐼1 − 𝑁1 𝐼2

(7.59)

Der Fall der prismatischen Stütze mit dem konstanten Trägheitsmoment 𝐼 = 𝐼1 und mit den konzentrierten Lasten 𝑁1 und 𝑄2 belastet kann ihrerseits in eine zweite

389

390

7 Rahmenelemente I1

√ I2

N

1.0

1.0 I1

l1 l

n=1

0.9 0.8

0.8 0.7 0.6

0.6

0.5

I2 l 2

0.4 0.4

0.3 0.2

0.2

0

0.1

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

0.7

l1 l 0.8

(a) beidseits gelenkige Stütze mit asymmetrischen Querschnittswerten

N

N I1

√ I2

I1 l 1

1.0

1.0 n=2

0.9

l

0.8

I2 l 2

0.8 0.7 0.6 0.5 0.4 0.3

0.6 2l 0.4 l2

0.2 l

n=1 l1

0.2

0

0.1 0.1

0.2

0.3

0.4

l1 nl 0.5

(b) Kragstütze oder beidseits gelenkige Stütze mit symmetrischen Querschnittswerten Bild 7.31 Stützen mit unterschiedlichem, aber abschnittsweise konstantem Trägheitsmoment, durch eine zentrische Normalkraft beansprucht, sowie Kurven von 𝜌 für die Berechnung der Eulerschen Knicklast.

Ersatzstütze mit einem unterschiedlichen Trägheitsmoment pro Abschnitt reduziert werden (Bild 7.32c), aber belastet mit einer axialen Druckkraft 𝑁1 . Diese Gleichung schreibt sich wie folgt: 𝑁1 𝑁1 + 𝑄2 = 𝐼1 𝐼2,𝑒𝑞

(7.60)

7.5 Rahmenecken N1 N2

N1

N1 I1

l1

l

Q2

N1+N2

I2

l2

I2,eq

I1

N

(b) erste Ersatzstütze

N

(c) zweite Ersatzstütze

Bild 7.32 Stützen mit verschiedenen, aber pro Abschnitt konstanten Trägheitsmomenten und Normalkräften.

mit: 𝐼2,eq =

𝑁1 𝐼1 𝑁1 + 𝑄2

(7.61)

Die Eulersche Knicklast der Stütze von Bild 7.32 kann also wie folgt ausgedrückt werden: 𝑁cr = 𝜌

𝜋2 𝐸𝐼1 (𝑛𝑙)2

(7.62)

𝑛: 𝑛 = 1 für beidseitig gelenkig gelagerte und symmetrische Stützen, 𝑛 = 2 für Kragarmstütze, 𝜌: √ dimensionslos, aus Grafik (b) des Bildes √ 7.31 als Funktion von 𝑙1 ∕𝑙 und 𝐼1 ∕𝐼2 , wobei dieser Ausdruck durch 𝑁1 ∕(𝑁1 + 𝑄2 ) zu ersetzen ist. Um die vielen möglichen Fälle abzudecken, benötigt das Substitutionsverfahren weitere Kurven, die man in grosser Auswahl und detailliert auch bezüglich anderer Lagerbedingungen und für Stützen mit mehr als zwei Abschnitten in [5] findet.

7.5 Rahmenecken 7.5.1

N1 I1

N2,eq

N

(a) untersuchte Stütze

N1

N1 I1

391

Grundsätze

Dieser Abschnitt behandelt die Nachweisgrundsätze von Rahmenecken als Übergang von Stützen zu Riegeln. Im Abschn. 6.2 haben wir gesehen, dass die statischen Systeme von Hallenrahmen meistens steife oder gelenkige Rahmenecken enthalten. Es ist ebenso möglich, dass die Rahmenecken halbsteif (semi-rigid) ausgebildet sind (Abschn. 7.7). In jedem Fall muss sichergestellt werden, dass die Konstruktionsdetails den Rechengrundlagen und das Rechenmodell dem realen Verhalten der Verbindungen entsprechen. Bild 7.33 zeigt die Prinzipen von gelenkigen, halbsteifen oder steifen Ausführungen von Rahmenecken. Der Riegel kann auf oder an der Stütze befestigt werden.

392

7 Rahmenelemente

(a) gelenkige Rahmenecken

(b) biegesteife Rahmenecken

Verstärkung der Rahmenecke (Voute)

(c) besonders biegesteife Rahmenecken Bild 7.33 Ausführung von Rahmenecken.

Im Fall von gelenkig vorgesehenen Verbindungen wird der Riegel mit einfachen Schraubverbindungen an der Stütze befestigt, da nur Normal- und Querkräfte übertragen werden müssen. Bei dieser Verbindungsart kann die Anzahl Rippen begrenzt werden, was eine einfache und wirtschaftliche Fabrikation erlaubt. Bei biegesteif vorgesehenen Anschlüssen werden die Verbindungen auf der Baustelle verschraubt, und die im Werk hergestellten Knoten werden geschweisst. Mit einem auf die Stütze gelegten Riegel kann vom dickeren Steg dieses Riegels profitiert

7.5 Rahmenecken

393

und dadurch ein stärkerer Knotenbereich erhalten werden. Auf der Baustelle realisierte Ausführungen bedingen oft problematische „Überkopfschweissungen“, und es ist dort nur eine Schweissung mit Elektroden von Hand mit den nötigen Schutzvorrichtungen möglich. Man könnte sich auch für eine einfachere Schweissung der Traverse an der Stütze entscheiden, was aber eine provisorische Spriessung der Traverse erfordert. Generell gilt: im Werk schweissen – auf der Baustelle schrauben.

7.5.2

Gelenkige Rahmenecken

Anschlüsse von gelenkigen Rahmenecken müssen gleichzeitig die Auswirkungen der Normal- und Querkräfte übertragen und dafür bemessen werden. Da keine Momente vorhanden sind, muss der Anschluss Riegel–Stütze in der Lage sein, eine kleine Rotation des Auflagers der Riegel, welche als einfacher Balken wirkt, zuzulassen, ohne dass die Verbindungsmittel versagen. Der Anschluss muss also genügend weich sein, sodass die Auflagerverdrehung durch die Deformation von Verbindungselementen wie Winkel, Schrauben, Platten usw. aufgenommen werden kann. Gleichwohl muss der Anschluss infolge Kippgefahr des Riegels eine genügende Torsionssteifigkeit aufweisen (Gabellagerung), ohne dass die Biege-Rotationskapazität des Riegels verkleinert wird. Wenn der Riegel auf der Stütze aufliegt (Bild 7.34a und auch Bild 5.9), müssen die Auflagerreaktion in das H-Profil eingeleitet und die Horizontalkraft aufgenommen werden können: • Krafteinleitung von 𝑉Ed in den Riegel (Abschn. 5.3.4, rippenlose Krafteinleitung): Für den Bemessungswert des Tragwiderstandes 𝐹Rd gibt es ein Tragsicherheits-

HEd

VEd tp

HEd VEd t f,m

(a) n 1 Schrauben

a

la

VEd

n v Schrauben

Ft,Ed p1

p2

Ft,Ed

VEd a a n2 Schrauben

(b) Bild 7.34 Nachweis von gelenkigen Rahmenecken.

e

(c)

VEd VEd 2 2

394

7 Rahmenelemente

und ein Stabilitätskriterium. Bei der Annahme, dass die Kraft 𝑉Ed gleichmässig über die Kopfplatte der Stütze eingeleitet wird, muss diese genügend dick sein (𝑡𝑝 > 𝑡f ,m ). • Die Horizontalkraft 𝐻Ed wird durch die Schrauben übertragen: Der Bemessungswert des Widerstandes ist durch den kleineren Wert von Abscheren (𝐹v,Rd ) und Lochleibung (𝐹b,Rd ) gegeben. Wenn der Riegel an die Stütze geschraubt wird, muss die Übertragung der Querkraft 𝑉Ed vom Riegel in die Stütze sichergestellt werden (Abschn. 9.3 des TGC 10, gelenkige Anschlüsse): Mit Stirnplatte (halbsteifer Anschluss, Bild 7.34b) sind die Nachweise die folgenden: • Aufnahme der Querkraft 𝑉Ed über die Kehlnähte im Steg des Riegels, • Übertragung der Querkraft über die Anzahl 𝑛𝑣 Schrauben in den Stützenflansch (Abscheren und Lochleibung), • siehe auch Dokumentation C 9.B (Träger-Stützen-Anschlüsse) des Stahlbau Zentrum Schweiz (SZS). Mit Doppelwinkel (Gelenk ist am Stützenflansch, Bild 7.34c) sind die Nachweise die folgenden: • Vertikalkomponente der Querkraft 𝑉Ed aus dem Steg des Riegels, Aufnahme durch drei Schrauben 𝑛1 ; Horizontalkomponente aus dem Exzentrizitätsmoment 𝑉Ed ⋅ 𝑒∕𝑝1 , Aufnahme durch die beiden äusseren Schrauben: Abscheren zweischnittig und Lochleibung; Letzteres ist hier meistens massgebend. Die Zugkraft auf diese äusseren Schrauben im Riegelsteg 𝐹t,Ed = 𝑉Ed ∕2 𝑎∕𝑝1 aufgrund des Exzentrizitätsmomentes 𝑉Ed ∕2 𝑎 kann vernachlässigt werden, sofern der Schraubenabstand 𝑝1 nicht klein und die Anzahl Schrauben nicht gering ist. • Abtragung der Querkraft 𝑉Ed in den Stützenflansch durch vier Schrauben 𝑛2 (Abscheren und Lochleibung); • Abscheren im Brutto- und Nettoquerschnitt aufgrund der Kraft 𝑉Ed ∕2 in einem Winkelprofil. Aus wirtschaftlichen und montagetechnischen Gründen werden Doppelwinkel heute kaum mehr verwendet. An deren Stelle sind an der Stütze angeschweisste Laschen (Fahnenbleche) sehr üblich. Bemessungsvorgaben finden sich in der Dokumentation C 9.B/15 (Trägerstösse) des Stahlbau Zentrum Schweiz (SZS).

7.5.3

Biegesteife Rahmenecken

Biegesteife Rahmenecken sind Bereiche, wo die Auswirkungen maximale Werte erreichen; damit diese Kräfte übertragen werden können, müssen die Rahmenecken entsprechend konzipiert und bemessen werden. Betrachten wir die schematische Darstellung einer Rahmenecke, eine Verbindung von Riegel und Stütze aus DoppelT-Walzprofilen (Bild 7.35a). Man weiss, dass der grösste Teil der Biegemomente, welche ein solches Profil beanspruchen, durch ein Kräftepaar in den Flanschen aufgenommen wird.

7.5 Rahmenecken

A

B

A

395

Aussenflansch B

Nt,Ed D

C

Vt,Ed

Mt,Ed D

C Innenflansch

(a)

Vm,Ed Nm,Ed

(b)

Mm,Ed

Bild 7.35 Schema und Details einer biegesteifen Rahmenecke.

In den Punkten A und C der Rahmenecke kann Gleichgewicht dieser Flanschkräfte nur durch Mitwirkung des Steges hergestellt werden. Der Steg ist oft nicht in der Lage, diese Rolle zu übernehmen, da er bereits Quer- und Normalkräfte übertragen muss. Bild 7.35b zeigt zwei Möglichkeiten, dieses Problem zu lösen. Im ersten Fall wird die resultierende Kraft direkt durch eine Schrägrippe übernommen. Im zweiten Fall werden ein plastisches Modell vorgeschlagen und die Innenflansche von Stütze und Riegel bis zu den Aussenflanschen verlängert. Plastisches Modell

Wir betrachten die Zone ABCD der Rahmenecke. Eine detaillierte Untersuchung für die Bestimmung des Kraftflusses in dieser Zone ist kompliziert und insgesamt nicht nachzuweisen. Tatsächlich haben wir hier starke Störungen und Spannungskonzentrationen, was zu lokalen Plastifizierungen führt. Es gibt die elastischen Modelle mit dem Nachweisprinzip, dass die Vergleichsspannung 𝜎𝑔 kleiner bleibt als 𝑓𝑦 ∕𝛾𝑀1 . Dieser Nachweis vernachlässigt aber das Vorhandensein von Spannungskonzentrationen und Eigenspannungen. Das vorgestellte Modell mit plastischer Berechnung hat den Vorteil viel einfacher und nicht minder „exakt“ zu sein als das elastische Modell. Die Gleichgewichtsbedingungen müssen eingehalten sein und die im Knoten vorhanden Materialien müssen eine plastische Verformungsfähigkeit aufweisen. Wir gehen von der elastischen Berechnung (Stabstatik) der Auswirkungen 𝑀Ed , 𝑉Ed und 𝑁Ed aus: Momenten-, Querkraft- und Normalkraftlinie in der Schwerachse der Profile (Bild 7.36a). Danach isolieren wir die Rahmenecke bestehend aus der Stegscheibe und vier Stäbe (Rippen oder Profilflansche, Bild 7.36b). Wir nehmen an, dass der Rahmen aus den vier Stäben unendlich steif und in den Ecken gelenkig verbunden sei und einen Mechanismus darstelle, der die Normalkräfte aufnimmt, und dass der Steg eine Scheibe sei, welche die Querkräfte aufnimmt (Bild 7.36c). Wir reduzieren nun die in der Stabachse wirkenden Auswirkungen an die Ränder der Rahmenecke und bringen diese dort als Einwirkungen an; dabei dürfen die äusseren direkt am Knoten wirkenden Kräfte nicht vergessen werden (z. B. die Einwirkung 𝑄 aus der Traufpfette, Bild 7.36b). Überstrichene Werte wirken am Knotenrand

396

7 Rahmenelemente

und nicht überstrichene Werte wirken in der Stabachse. Damit ergibt sich: Aus dem Riegel: 𝑀 t,Ed = 𝑀Ed − (𝑉𝑡.𝐸𝑑 − 𝑄Ed )

ℎ𝑚 2

(7.63)

𝑁 𝑡,𝐸𝑑 = 𝑁t,Ed

(7.64)

𝑉 t,Ed = 𝑉t,Ed − 𝑄Ed

(7.65)

Aus der Stütze: 𝑀 m,Ed = 𝑀Ed − 𝑉m,Ed

ℎ𝑡 2

(7.66)

𝑁 m,Ed = 𝑁m,Ed

(7.67)

𝑉 m,Ed = 𝑉m,Ed

(7.68)

Diese Kräfte verteilen wir nun wie folgt auf die Ränder der Rahmenecke (Bild 7.37d): • • • •

Die äussere Last 𝑄 wird je zur Hälfte auf die vertikalen Stäbe verteilt; die Biegemomente werden durch Kräftepaare auf die Stäbe abgegeben; die Normalkräfte werden je zur Hälfte auf die Stäbe abgegeben; die Querkräfte aus den Profilstegen werden direkt an den benachbarten Stab abgegeben.

Nun werden alle Kräfte eines Knotenrandes summiert und ergeben damit die Schubkräfte zwischen den Stäben und der Stegscheibe. Es gilt folgende Vorzeichenkonvention: Positiv sind Werte, deren Richtung (Reihenfolge der Grossbuchstaben im Index) im Alphabet aufsteigend sind bzw. negativ, wenn sie absteigend sind, z. B.: 𝑉AB ist positiv für die Richtung von A nach B: 𝑉AB,Ed =

𝑀 t,Ed ℎ𝑡 − 𝑡f ,t

𝑉CB,Ed = −



𝑁 t,Ed 2

𝑀 m,Ed 𝑁 m,Ed 𝑄Ed + − 𝑉 t,Ed + 2 2 ℎ𝑚 − 𝑡f ,m

(7.69) (7.70)

𝑉CD,Ed =

𝑀 t,Ed 𝑁 t,Ed + − 𝑉 m,Ed 2 ℎ𝑡 − 𝑡f ,t

(7.71)

𝑉AD,Ed =

𝑀 m,Ed 𝑁 m,Ed 𝑄Ed + − 2 2 ℎ𝑚 − 𝑡f ,m

(7.72)

Mit den drei Gleichgewichtsbedingungen wird die Berechnung der Werte 𝑉XX ,Ed kontrolliert (Kräfte als Absolutwerte): ∑ 𝐹ℎ = 0 ≫ 𝑉AB,Ed = 𝑉CD,Ed (horizontal) (7.73) ∑ (7.74) 𝐹𝑣 = 0 ≫ 𝑉AD,Ed = 𝑉BD,Ed (vertikal) um den Punkt C: ∑ 𝑀 = 0 ≫ 𝑉AB,Ed (ℎ𝑡 − 𝑡f ,t ) = 𝑉AD,Ed (ℎ𝑚 − 𝑡f ,m )

(7.75)

7.5 Rahmenecken QEd

A MEd

Nm,Ed

Vt,Ed

Nt,Ed

M

Riegel B

QEd Nt,Ed

Vm,Ed N

397

h t – tf,t

ht

Vt,Ed Mt,Ed

V D

Vm,Ed C

Nm,Ed

Mm,Ed

(a)

Stütze

h m– t f,m hm

(b) QEd 2

QEd 2

Nt,Ed Mt,Ed h t – t f,t B 2

A A

B

A

B

VAB,Ed VAD,Ed

D

C

D

VCB,Ed VCD,Ed

C D

Eckelement

Gelenkstäbe

(c)

Stegscheibe

Nm,Ed 2 Mm,Ed h m– t f,m

(d)

Vm,Ed

h m– tf,m

Vt,Ed Nt,Ed Mt,Ed h t – t f,t 2 C Nm,Ed 2 Mm,Ed h m– tf,m

Bild 7.36 Kräfte und Berechnungsmodell bei biegesteifen Rahmenecken.

Die in Bild 7.36 definierte Stegscheibe muss nun in der Lage sein, die Querkräfte 𝑉XX,Ed abzutragen. Aus den Gleichgewichtsbedingungen sehen wir, dass es zwei massgebende Werte gibt: ein Wert in Richtung des Riegels und ein Wert in Richtung der Stütze. Somit muss in beiden Richtungen ein Tragsicherheitsnachweis erfolgen, und der kleinere der beiden ist die Grenztraglast: 𝑉AB,Ed = 𝑉CD,ED ≤ 𝑉m,Rd

(7.76)

𝑉AD,Ed = 𝑉CB,ED ≤ 𝑉t,Rd

(7.77)

Die Widerstandswerte richten sich nach der Konstruktionsart der Rahmenecke: Riegel auf Stütze, Riegel an Stütze, vollständig geschweisste Konstruktion. Wenn wir im Beispiel von Bild 7.35 und 7.36 annehmen, dass der Riegel auf die Stütze geschweisst ist und es sich um Walzprofile handelt, ergeben sich folgende Widerstandswerte: 𝑉t,Rd = 𝑉m,Rd =

𝜏𝑦 𝐴𝑣 𝛾𝑀1 𝜏𝑦 𝐴𝑤 𝛾𝑀1

(7.78)

ht – tf,t

398

7 Rahmenelemente

Bei quadratischen Knoten wird 𝑉m,Rd massgebend. 𝜏𝑦 : 𝐴𝑣 :

Fliess-Schubspannung der Stahlsorte, in Wirkungsrichtung der Schubkraft zur Verfügung stehende Fläche des Riegels, im Beispiel: 𝐴𝑣 = 𝐴 − 2𝑏𝑡f ,t + (𝑡𝑤 + 2𝑟𝑡 )𝑡f ,t („Hundeknochen“), 𝐴𝑤 : in Wirkungsrichtung der Schubkraft zur Verfügung stehende Fläche; im Beispiel: 𝐴𝑤 = (ℎ − 𝑡𝑓 )𝑡𝑤 ; Abmessungen im Schnitt durch den Knoten, 𝑡𝑤 : Stegdicke im Knotenbereich. Somit kann nachgewiesen werden, ob die vorhandene Stegdicke 𝑡𝑤 ausreichend ist. Falls das nicht der Fall ist, können Verstärkungen in Form von zusätzlich eingeschweissten Schubblechen oder Schrägrippen vorgesehen werden (siehe nachfolgende Unterabschnitte). Die Norm SIA 263 widmet der Bemessung von Rahmenknoten ein Kapitel, wo auch die Verstärkungen thematisiert sind. Die eingeschweissten Rippen BC und AD geben keinen Beitrag zum Tragwiderstand 𝑉Rd . In der Dokumentation C 9.B des Stahlbau Zentrum Schweiz (SZS) „Rahmenknoten“ sind geschraubte Träger-Stützen-Verbindungen auf der Basis der Komponentenmethode nach Eurocode 3, Teil 1-8 tabelliert. Stabilität des Schubbleches

Bei schlanken Stegen ist es möglich, dass die Schubtragfähigkeit des Stegbleches durch ein Stabilitätskriterium (Beulen) begrenzt ist. Diese Versagensart kann durch die Begrenzung der Stegschlankheit verhindert werden (Schubbeulen nach SIA 263). Für ein quadratisches Schubfeld kann der folgende Wert angegeben werden: √ √ √ 𝑘 𝐸 𝐸 𝑏 ≤ 0.9 = 2.6 (7.79) 𝑡 1.052 𝑓𝑦 𝑓𝑦 𝑏: der grössere der beiden Werte (ℎ𝑚 − 𝑡f ,m ) und (ℎ𝑡 − 𝑡f ,t ), 𝑡: Dicke 𝑡𝑤 des Schubbleches, 𝑘: Beulwert (𝑘 = 9.34 für ein quadratisches rundum gelenkig gelagertes Blech). Wenn die Bedingungen bezüglich Tragwiderstand und Stabilität nicht erfüllt werden, müssen entweder die Kräfte 𝑉Ed reduziert oder die Widerstände 𝑉Rd erhöht werden. Letzteres kann geschehen durch Vergrösserung der statischen Höhe 𝑏 und damit Verkleinerung des Kräftepaares 𝑀∕𝑏 oder durch Vergrösserung der Stegdicke 𝑡𝑤 . Eine weitere Möglichkeit besteht im Einschweissen einer Schrägrippe in die Rahmenecke. Wir betrachten nachfolgend die Möglichkeiten im Detail. Vergrösserung der statischen Höhe

Diese Verstärkung geschieht durch Vergrösserung des Stegbleches oder durch Anbringen einer Voute; die Möglichkeiten sind hier fast unbegrenzt, wie Bild 7.37 zeigt. In vielen Fällen müssen bei konzentrierten oder gleichmässig verteilten Ablenkkräften infolge Knicke oder Rundungen der Flansche die Krafteinleitungen beach-

7.5 Rahmenecken

b b Ablenkkräfte

geschweisste Lösung

geschraubte Lösung

Bild 7.37 Verstärkung von Rahmenecken durch Vergrösserung der statischen Höhe.

tet werden. Es ist sinnvoll, an diesen Stellen den Steg mit Rippen zu verstärken. Bild 7.33c zeigt weitere Möglichkeiten bei geneigten Riegeln. Vergrösserung der Stegdicke

Diese Verstärkungsmassnahme kann auf verschiedene Arten geschehen: • Aufschweissen eines zusätzlichen Stegbleches, einseitig oder beidseitig (Bild 7.38a); • Aufschweissen von Flanschblechen, sodass der Eckbereich geschlossen wird (Bild 7.38b); • im Fall von Blechträgern im Eckbereich ein dickeres Stegblech einschweissen (Bild 7.38c). Beim Aufschweissen eines zusätzlichen Stegbleches wird der plastische Widerstand erhöht; die Schubkraft muss direkt in die Verstärkungsbleche geleitet werden. Die Verstärkungsbleche müssen also an die Innenseite der Flansche geschweisst werden (Bild 7.38a, Detail 1). Bei dieser Anordnung wird vermieden, dass die Schweissnaht in der Seigerungszone zwischen Flansch und Steg liegt; andererseits ist aufgrund der Ausrundung eine grössere Blechdicke erfordert als unbedingt nötig. Wenn infolge eines schlanken Steges das Beulen massgebend wird, kann Detail 2 von Bild 7.38a ausgeführt werden. Es muss jedoch bemerkt werden, dass dadurch in der Verengung des Querschnittes oberhalb der Schweissnaht grosse Zug-Eigenspannungen entstehen können. Die Lösung mit aufgeschweissten Flanschblechen (Bild 7.38b) ist besser, weil die Nähte komplett ausserhalb der Seigerungszone liegen. Allerdings funktioniert diese Variante bei geschraubten Verbindungen nicht, da die Schrauben nicht montiert werden können. Aufgrund von Walztoleranzen ist Detail 4 besser als Detail 3, da die Bleche nicht eingepasst werden müssen; zudem müssen diese für die Schweissung nicht angeschrägt werden. Die Übertragung der Querkraft geschieht näherungsweise proportional zur Stegfläche und der Fläche der Flanschbleche. Für die Ausführung mit Verstärkungsblechen wird in den Gln. (7.78) die Summe der vorhandenen Bleche eingesetzt: also 𝑡𝑤 = 2𝑡𝑠 + 𝑡w,t (Detail 1–4).

399

400

7 Rahmenelemente Schnitt A-A

A

verstärkter Bereich

Detail 1

Detail 2

Detail 3

Detail 4

st

A Variante I

Variante II

Variante III

(a)

A

verstärkter Bereich

Schnitt A-A

Variante IV

(b) Detail 1

Detail 2

Detail 3 Detail 4

ts

ts

tw tw,m

ts tw,t ts

ts tw,t ts

A

(c) Bild 7.38 Knotenverstärkungen durch Vergrösserung der Stegdicke.

Im Fall von Blechträgern kann man relativ einfach die Stegdicke variieren (Bild 7.38c). Dabei empfiehlt es sich, den dickeren Steg aus dem Knotenbereich herauszuführen, um eine Konzentration von Schweissnähten zu vermeiden. Verstärkung mit Schrägrippen

Die Verstärkung mit Schrägrippen besteht meistens aus zwei beidseits des Steges diagonal angeordneten Rippen in Druckrichtung (Bild 7.39). Die Funktion dieser Rippen ist eine doppelte: • einerseits zur Versteifung des Steges gegen Beulen infolge der schrägen Druckkraft; • andererseits zur Herstellung des Gleichgewichtes der Kräfte im Knoten in der Art einer Fachwerkdiagonale. Greifen wir auf das Modell von Bild 7.36 zurück. Darin ist der Steg als Scheibe zur Abtragung der Schubkräfte verantwortlich. Die Rippen können nun zur Aufnahme der Kräfte, welche der Steg nicht übernehmen kann, oder zur Aufnahme der Gesamtlast dimensioniert werden. Dabei ist es tatsächlich nicht von Bedeutung, ob die Rippen leicht überdimensioniert sind. Gleichwohl kann man die Rippen auf der Basis des grössten beanspruchenden Momentes dimensionieren, welches keinesfalls 𝑀pl übersteigen darf (das kleinere 𝑀pl von Stütze oder Riegel). Das hat vor allem

7.5 Rahmenecken

Binder

Schnitt A-A

Stütze

Bild 7.39 Steife Rahmenecken mit Diagonalrippen.

den Vorteil, dass in den einfachen und unabhängigen Bemessungsformeln effektive Auswirkungen eingesetzt werden können. Bild 7.39 zeigt eine verstärkte Rahmenecke mit den Einwirkungen. Die Resultierende 𝑉CD nach Gl. (7.71) muss Gleichgewicht herstellen zwischen dem Schubwiderstand 𝑉m,Rd der Stegscheibe und der Horizontalkomponente des Druckwiderstandes 𝑁s,Rd des Rippenpaares: 𝑉CD,Ed ≤ 𝑉m,Rd + 𝑁s,Rd cos 𝜃

(7.80)

𝑁s,Rd : Bemessungswert des Druckwiderstandes der Rippen: 𝑁s,Rd = 𝑓𝑦 𝐴𝑠 ∕𝛾𝑀1 𝐴𝑠 : Fläche der Schrägrippen: 𝐴𝑠 = 2𝑏𝑠 𝑡𝑠 Durch Gleichsetzen der Gln. (7.71) und (7.80) und durch Ersatz von 𝑁s,Rd mit 𝑓𝑦 𝐴𝑠 ∕𝛾𝑀1 sowie mit Einsetzen der Werte von 𝑉CD,Ed erhält man die erforderliche Fläche 𝐴𝑠 wie folgt: ( 𝐴𝑠 ≥

𝑀 t,Ed ℎ𝑡 −𝑡f ,t

+

𝑁 t,Ed 2

− 𝑉 m,Ed ) 𝛾𝑀1 − 𝑉m,Rd 𝑓𝑦 cos 𝜃

(7.81)

Unter folgenden Annahmen kann diese Gleichung vereinfacht werden: • dass im Allgemeinen der Ausdruck (𝑁 t,Ed ∕2 − 𝑉 m,Ed ) gegenüber dem Ausdruck (𝑀 t,Ed ∕(ℎ𝑡 − 𝑡f ,t )) sehr klein (gegen null) ist und somit vernachlässigt werden kann, • dass 𝑀 t,Ed den Wert 𝑀pl,t ∕𝛾𝑀1 erreicht, • dass der Bemessungswert des Schubwiderstandes der Stegscheibe √ 𝑉m,Rd = 𝑓𝑦 ∕ 3(ℎ𝑚 − 𝑡f ,m )𝑡𝑤 ⋅ 1∕𝛾𝑀1 ist, und somit wird: 𝐴𝑠 ≥

(ℎ𝑚 − 𝑡f ,m )𝑡𝑤 𝑀pl,t 1 − ) ( √ cos 𝜃 𝑓𝑦 (ℎ𝑡 − 𝑡f ,t ) 3

(7.82)

401

402

7 Rahmenelemente

Man wird die Dimensionen von 𝑏𝑠 und 𝑡𝑠 so wählen, dass Beulen durch Einhaltung der Grenzschlankheiten 𝑏𝑠 ∕𝑡𝑠 ausgeschlossen wird (Norm SIA 263, Schlankheitskriterien für mindestens Querschnittsklasse 3). Dabei werden die Rippen als halbe Trägerflansche betrachtet. Wenn man den Beitrag des Steges zur Schubsteifigkeit vernachlässigt, findet man für einen Winkel 𝜃 von 45° und für eine Breite der Rippe der halben Flanschbreite des Riegels eine Dicke 𝑡𝑠 der Diagonalrippe von ungefähr 1.4-mal die Flanschdicke 𝑡f ,t .

7.6 Stützenfüsse 7.6.1

Grundlagen

Dieser Abschnitt behandelt die Konstruktionsdetails und die Dimensionierung von Stützenfüssen. Im Abschn. 6.2 haben wir gesehen, dass bei den meisten statischen Systemen die Stützenfüsse gelenkig oder eingespannt vorgesehen sind. In beiden Fällen muss die Konstruktion den Rechenvorgaben entsprechen. Bild 7.40 beziehungsweise Bild 2.6 zeigen mögliche Stützenfüsse von beiden Typen. Für einfache Walzprofile und auch geschweisste Profile wird der Stützenfuss meistens mit einer Fussplatte versehen, welche die Auflagerkräfte der Stützen in das Betonfundament leitet. Ankerstangen sind erforderlich, einerseits als Montagehilfe, andererseits um abhebende Kräfte aufzunehmen und insbesondere für die Einspannung in die Fundationen. Die Ausführung von Stahlkonstruktionen erfordert eine grosse Genauigkeit; die Toleranzvorschriften sind in der Norm SIA 263/1 vorgegeben. Es ist also wichtig, dass die Disposition dieser Schnittstelle die Einhaltung der Vorschriften ermöglicht. Das Versetzen einer Fussplatte ist durch sechs Parameter bestimmt: die beiden Achsen in der Ebene, die Höhe, die beiden Neigungen und die Verdrehung gegenüber der Vertikalachse. Da es praktisch unmöglich ist, die Positionierung der Stütze im Verlauf des Betoniervorganges der Fundamente vorzunehmen, sind mehrere Mon-

gelenkig

eingespannt

Bild 7.40 Gelenkige und eingespannte Stützenfüsse.

7.6 Stützenfüsse

403

vergrössertes Loch

Fixierung der Höhe und der Horizontalität

Setzplatte

Befestigungswinkel

Setzplatte

Mörtelbett

Halteplatte Bewehrung

Dübel

Aussparung

(a)

(b)

Bild 7.41 Vorgehensweisen für das Versetzen von gelenkigen Stützenfüssen.

tagephasen erforderlich. Nachfolgend werden einige der vielen Montagemöglichkeiten aufgezeigt. Eine für gelenkige Stützenfüsse anwendbare Methode besteht aus einer Setzplatte, die in eine Aussparung verlegt und einbetoniert wird; gleichzeitig dient sie als Schablone für die Befestigung der Ankerstangen (Bild 7.41a). Diese Platte kann mit Stellmuttern auf die erforderliche Höhe und horizontal einjustiert und zur Fixierung mit Laschen an die Armierung befestigt werden. Das Vergiessen der Aussparung geschieht mit Beton oder einem Spezialmörtel mit gleicher oder besserer Festigkeit als das Fundament. Für diesen Vorgang müssen in der Setzplatte ein oder zwei Löcher vorgesehen werden für das Verfüllen mit Mörtel und zum Entweichen von Luft. Nach dem Einbetonieren der Setzplatte kann die Stütze mit vergrösserten Löchern in ihrer Fussplatte achsgenau montiert werden. Infolge der grösseren Löcher in der Stützenfussplatte benötigt man zusätzliche entsprechend grosse Unterlagscheiben mit den Durchgangslöchern für die gewählte Verschraubung. Eine weitere Möglichkeit für kleinere Stützenprofile besteht darin, die Setzplatte mittels Ankerdübel in die fertig erstellten Fundationen zu versetzen und nach dem Ausnivellieren mit einem Spezialmörtel zu untergiessen (Bild 7.41b). Diese Methode wird häufig angewendet und ermöglicht eine gute Genauigkeit mit einem kleinen Aufwand. Eine mit Kopfbolzen versehene Setzplatte kann in eine Aussparung versetzt werden; dabei muss die Höhe exakt eingehalten werden. Nach dem Vergiessen können auf der etwas grösser ausgeführten Setzplatte die Achsen angezeichnet und die Stütze nach der Montage mit einem auf der Baustelle aufgeschweissten Winkel befestigt werden (Bild 7.41c). Diese Lösung hat zwei Nachteile: Einerseits ist das genaue Versetzen der Platte in der Aussparung schwierig zu realisieren (am besten wird die Platte mit entsprechenden Anschweissblechen an die Schalung genagelt) und andererseits, weil auf der Baustelle geschweisst werden muss. Ausgehend von der Variante von Bild 7.41a kann durch den Einsatz von Ankerstangen ein eingespannter Stützenfuss realisiert werden (Bild 7.42a). Aufgrund ei-

(c)

404

7 Rahmenelemente provisorische Abspriessung Gussmörtel

Stellmutter

Höhenregulierung

einbetonierte Schablone allfälliges Auflager Ansicht

(a)

Ansicht

(b)

Bild 7.42 Vorgehensweisen für das Versetzen von eingespannten Stützenfüssen.

nes Zwischenraumes zwischen Setzplatte und Fussplatte kann mit Stellmuttern die genaue Höhe des Stützenfusses festgelegt werden. Wenn die Fussplatte aus ästhetischen Gründen oder zur Reduzierung der Bodenabmessungen oberkant bündig zum Betonboden ausgeführt werden soll, kann das einfach durch Tieferlegung der Setzplatte geschehen. Bei dieser Lösung muss gewährleistet sein, dass der Vergussmörtel satt eingebracht werden kann. Eine weitere Vorgehensweise ist die direkte Einspannung der Stütze in den Fundamentkörper (Köcherfundament) (Bild 7.42b). Diese Lösung erfordert weniger Werkstattarbeit, aber benötigt eine Schalung für die Aussparung sowie eine Vorrichtung zur Fixierung der Stütze für die Lage und eine Setzplatte am Stützenfuss für die genaue Höhe; zum Vergiessen müssen die Stütze provisorisch abgespannt und die Montagearbeiten unterbrochen werden. Nach dem Betoniervorgang ist keine Justierung mehr möglich.

7.6.2

Abtragung der Kräfte in den Beton

Das Hauptproblem der Kraftübertragung von Stahlbauten auf Betonkonstruktionen ist das unterschiedliche Materialverhalten. Als Grössenordnung gilt, dass Stahl ungefähr zehnmal widerstandsfähiger ist als Beton und ein fünfmal grösseres mittleres Elastizitätsmodul als Beton aufweist (ohne Kriech- und Schwindeinflüsse). Konsequenterweise sind die Abmessungen der Stahlprofile viel kleiner als diejenigen eines Betonkörpers. Die Kraftübertragung muss somit mit einem Zwischenelement erfolgen, das in der Lage ist, die Lasten aus der Stütze auf eine möglichst grosse Betonfläche zu verteilen, grösser als die Stützenabmessung. Die einfachste Möglichkeit dafür ist die Fussplatte. Auflagerdruck

Wir betrachten eine auf einem Betonkörper liegende Platte unter einer Last 𝑁 (Bild 7.43) und nehmen an, dass der Beton elastisch, isotrop und von unendlicher Abmessung sei. Die Auflagerdrücke 𝜎 zwischen Fussplatte und Beton sind nicht

7.6 Stützenfüsse N

405 N

N steife Platte

weiche Platte

t

t A

t

a

A

b N

moy = a b

Perspektive

~ moy max = max > moy

Schnitt A-A

Bild 7.43 Auflagerdruck auf eine Fussplatte.

gleichförmig. Sie haben einen Maximalwert 𝜎max unter der Kraft 𝑁 und sind am Plattenrand kleiner, je nachdem, wie weich die Platte ist. Die Schnitte von Bild 7.43 zeigen schematisch den Einfluss der Plattensteifigkeit auf die Spannungsverteilung; dieser Einfluss wird durch das Verhältnis der Maximalspannung 𝜎max zu der mittleren Spannung 𝜎moy bestimmt. Bei weichen Platten sind das Verhältnis und somit 𝜎max gross. Bei steifen Platten dagegen ist die Maximalspannung kleiner und nahe bei 𝜎moy . Die genaue Bestimmung der Spannungsverteilung unter der Platte ist komplex, weil man die Verträglichkeit der Deformationen der Stahlplatte und des Betonkörpers berücksichtigen muss. Auf der anderen Seite ist die Spannungsverteilung von der Stützenform beeinflusst. Beim Vorhandensein von zwei aufeinanderliegenden Platten (Fuss- und Setzplatte) kann man davon ausgehen, dass die Kraftausbreitung durch beide Platten geschieht. Nachfolgend zeigen wir ein einfaches Modell aus dem Eurocode 3, mit welchem die Abschätzung einer wirksamen Tragfläche einer Platte, die direkt auf dem Beton liegt, geschehen kann. Der Tragsicherheitsnachweis besteht darin, sich zu vergewissern, dass: • einerseits der Bemessungswert des auf den Beton wirkenden Drucks den Bemessungswert der Betonfestigkeit nicht übersteigt; • andererseits der Widerstand der Fussplatte ausreichend ist. Wirksame Tragfläche

Wir nehmen an, dass die Spannungsverteilung im Beton im begrenzten Bereich der wirksamen Tragfläche gleichförmig ist. Bild 7.44a zeigt die anzunehmende wirksame Tragfläche eines Doppel-T-Profils unter einer zentrischen Druckkraft. Die Tragfläche setzt sich aus dem Profilquerschnitt und einem rundumlaufenden Überstand 𝑑 zusammen. Dieser Überstand 𝑑 hängt von den folgenden Parametern ab:

406

7 Rahmenelemente

• • • • • •

dem Bemessungswert der Betondruckfestigkeit (𝑓cd ), der Stahlsorte der Fussplatte (𝑓yd ), den Abmessungen der Fussplatte (𝑎, 𝑏, 𝑡), den Abmessungen der Fundation (𝑎𝑓 , 𝑏𝑓 , ℎ𝑓 ), der Position der Fussplatte auf dem Fundament (𝑎𝑟 , 𝑏𝑟 ), dem Konzentrationsfaktor 𝑘𝑐 .

Der Ausdruck für 𝑑 lautet: √ 𝑓yd 𝑑=𝑡 2𝑘𝑐 𝑓cd

(7.83)

Der Konzentrationsfaktor 𝑘𝑐 erlaubt die effektive Bestimmung des Widerstandes des angrenzenden Betons (𝑘𝑐 ⋅ 𝑓cd ). Er ist eine Funktion der Fläche der Fussplatte (𝐴𝑐0 = 𝑎1 𝑏1 ) und einer wirksamen Fläche (𝐴𝑐1 = 𝑎2 𝑏2 ) mit dem gleichen Schwerpunkt und auf der Tiefe ℎ𝑓 des Fundationskörpers (Bild 7.44b): √ 𝑘𝑐 =

𝐴𝑐1 = 𝐴𝑐0



𝑎2 𝑏2 ≤ 3.0 𝑎1 𝑏1

(7.84)

𝑎: Länge der Flächen, 𝑏: Breite der Flächen.

Fussplatte wirksame Tragfläche Aeff

d

t

ar

d d

a1

b1 b1

a1 br

Betonfundament

Ac 0

(a)

Ac1 hf

a 2 ≤ 3a 1 af

(b) Bild 7.44 Wirksame Flächen auf dem Betonfundament.

b 2 ≤ 3b1

bf

7.6 Stützenfüsse ar

a1

hf

407

a1

hf

a2

a2

a 2 = a 1+ 2 a r b 2 = b 1+ 2 b r

a 2 = a1 + h f b 2 = b1 + h f

(a) massiv, geringe Eingrenzung

(b) schlank, bedeutende Eingrenzung

Bild 7.45 Fundationstypen.

3.5

d t

3.5

3.0

C20/25

3.0

C20/25 C25/30

2.5

d t C25/30 C30/37 C35/45

2.5 C30/37 C35/45

2.0

2.0 1.5

1.5 1.0

1.0 Stahlsorte S 235

Stahlsorte S 355 0.5

0.5 0 1.0

kc 1.5

2.0

2.5

3.0

0 1.0

kc 1.5

2.0

Bild 7.46 Diagramme zur Bestimmung des Überstandes d.

Für die Anwendung der Gl. (7.84) gelten folgende Bedingungen: • • • •

ℎ𝑓 > 2𝑎1 ; ℎ𝑓 > 2𝑏1 ℎ𝑓 ≥ 𝑎2 − 𝑎1 ; ℎ𝑓 ≥ 𝑏2 − 𝑏1 𝑎𝑟 ≥ (𝑎1 ∕3); 𝑏𝑟 ≥ (𝑏1 ∕3) 𝑎2 ≤ 3𝑎1 ; 𝑏2 ≤ 3𝑏1

Die Werte von 𝑘𝑐 zwischen 1.0 und 2.0 entsprechen einer gedrungenen Fundation (Bild 7.45a) und die Werte zwischen 2.0 und 3.0 einer schlanken Fundation (Bild 7.45b). Die Diagramme von Bild 7.46 geben für die beiden geläufigen Stahlsorten S 235 und S355 sowie für verschiedene Betonsorten den Quotienten des Überstandes 𝑑 zu 𝑡 der Fussplatte in Funktion von 𝑘𝑐 an. Nachweise

Die prinzipiellen Nachweise der Tragsicherheit für die Krafteinleitung aus der Stütze in die Fundation sind die folgenden (Bild 7.47):

2.5

3.0

408

7 Rahmenelemente NEd

t

e=

moy, Ed

d 2 Biegespannungen t

moy, Ed

REd d

b1

beff

a eff

tf,m

d

(b) Biegung der Stahlpatte

Aeff

a1

(a) Druck auf die Betonplatte Bild 7.47 Kraftabtragung zwischen Stütze und Fundation.

• Nachweis im Beton: Der maximale Druck auf den Beton (Bild 7.47a) muss durch die örtliche Betondruckfestigkeit begrenzt sein (das Rechenmodell basiert auf einem plastischen Widerstand des Betons): 𝜎moy,Ed = 𝑁Ed : 𝐴eff : 𝜎moy,Ed : 𝑓cd : 𝑘𝑐 :

𝑁Ed ≤ 𝑘𝑐 𝑓cd 𝐴eff

(7.85)

Bemessungswert der zentrischen Normalkraft, wirksame Tragfläche, Bemessungswert der mittleren Spannung unter der Fussplatte, Bemessungswert der Betondruckfestigkeit, Konzentrationsfaktor zur Bestimmung des Betonwiderstandes (𝑘𝑐 ≤ 3.0). Siehe Gl. (7.84).

In der Fundation muss eine ausreichend verankerte, örtliche Armierung zur Aufnahme der seitlichen Betonzugkräfte vorgesehen werden (der Beton profitiert von einer Umschnürung). • Nachweis der Fussplatte: Der Bemessungswert des elastischen Biegewiderstandes der Fussplatte (Bild 7.47b) muss grösser sein als der Bemessungswert des Kragmomentes (das Rechenmodell der wirksamen Tragfläche basiert auf einem elas-

7.6 Stützenfüsse

tischen Verhalten der Fussplatte): 𝑀Ed = 𝑅Ed 𝑒 ≤

𝑀el,Rk 𝛾𝑀1

𝑅Ed = 𝜎moy,Ed 𝑑 𝑏eff

(7.86) (7.87)

𝑏eff : wirksame Breite der Platte (Bild 7.47a), 𝑒: Hebelarm der Resultierenden 𝑅Ed der Spannung 𝜎moy,Ed , 𝑀el,Rk : charakteristischer Wert des elastischen Biegewiderstandes (𝑀el,Rk = 𝑓𝑦 𝑊el ), elastisches Widerstandsmoment der Fussplatte (𝑊el = 𝑏eff 𝑡2 ∕6), 𝑊el : 𝑡: Dicke der Fussplatte, Widerstandsbeiwert von Stahl auf Fliessen. 𝛾𝑀1 :

7.6.3

Gelenkige Stützenfüsse

Gelenkige Stützenfüsse müssen eine Normalkraft 𝑁Ed und eine Querkraft 𝑉Ed übertragen können. Gleichzeitig sollten sie eine gewisse Rotation gewährleisten, damit keine unerwünschten und grösseren Biegemomente in der Struktur auftreten. Die Normalkräfte wirken hauptsächlich als Druck auf die Fundationen; infolge Windsog bei leichten Konstruktionen oder wenn am Stützenfuss Windverbände angeschlossen sind, können auch Zugkräfte auftreten. Bei entsprechender Bearbeitung des Stützenfusses ist eine Kraftübertragung auf Kontakt möglich; die Schweissnähte dienen dabei als seitliche Halterung der Stütze auf der Fussplatte. Im anderen Fall sind die Kehlnähte auf die entsprechenden Druck- und Zugkräfte zu bemessen. Dabei sind die konstruktiven Vorgaben (Mindestabmessungen) zu berücksichtigen und allfällige Bewertungsgruppen zuzuordnen. Bei grösseren Zugkräften sind eventuell durchgeschweisste Nähte erforderlich. Ankerstangen (Bild 7.41) und Klebeanker sind sehr geläufig bei Zugkräften. Die Querkraft kann einerseits durch direkten Kontakt zum Beton oder mit Übergangsstücken wie Querkraftdorne aus Stahl (Ankerstangen, Rundeisen, Winkel, gedrungene Profile) übertragen werden. Alle diese Elemente und die zugehörigen Schweissnähte müssen auf Abscheren nachgewiesen werden. Auch wenn grundsätzlich keine Querkräfte auftreten, müssen die Stützenfüsse aus geometrischen Gründen trotzdem seitlich gehalten werden. Allfällige Anprallkräfte dürfen nicht vergessen werden. Der erforderliche Drehwinkel des Stützenfusses hängt vom statischen System und den auftretenden Kräften ab. Generell gilt, dass, je mehr die Stütze zum Gesamtwiderstand der Rahmenwirkung beiträgt, umso grösser ist die erforderliche Rotation. Bild 7.48 zeigt die beiden Extremfälle. Im Fall des seitlich nicht gehaltenen Hallenrahmens ist die Rahmenwirkung sowohl für vertikale als auch für horizontale Lasten wichtig. Die Rotation eines Stützenfusses kann unter Gebrauchslasten als Grössenordnung einen Wert von 0.01 rad erreichen. Im Fall einer mehrstöckigen Rahmenstruktur dagegen wird der Wind hauptsächlich durch den vertikalen Wandverband abgetragen. Hier erzeugt nur die Nutzlast im ersten Stock ein Stützenkopfmoment und somit eine relativ schwache Stützenfussverdrehung.

409

410

7 Rahmenelemente

erhebliche Verdrehung

kleine Verdrehung

Bild 7.48 Verdrehung von gelenkigen Stützenfüssen.

Bei stark beanspruchten Stützen können die wirksam tragenden Flächen relativ gross sein im Bezug zu den vorhandenen äusseren Abmessungen der Stütze. Die Fussplatten können also zur Übertragung der Kräfte sehr dick werden. Eine Möglichkeit zur Verstärkung der Fussplatten besteht darin, seitliche Rippen anzuschweissen (Bild 7.49a) oder einen ausgesteiften Verteilträger aus zwei Walzprofilen anzubringen (Bild 7.49b). Im Weiteren ist es möglich, mehrere Lagen aus senkrecht übereinander gelegten Profilen vorzusehen. Dieser Trägerrost bildet damit eine Fussplatte mit grosser Stärke, welche erlaubt, die Druckkräfte auf die gesamte Auflagerfläche zu verteilen. Diese Ausführungsart wird in den Betonkörper eingelassen und vor allem bei hohen Gebäuden angewendet. Die Aufnahme von Toleranzen ist speziell zu beachten.

7.6.4

Eingespannte Stützenfüsse

Eingespannte Stützenfüsse müssen neben der Normalkraft 𝑁Ed und der Querkraft 𝑉Ed auch ein Biegemoment 𝑀Ed übertragen. Im Gegensatz zu Gelenken muss die Rotation maximal begrenzt sein, damit das vorgesehene Einspannmoment erreicht werden kann. Meistens wirkt das Moment um die starke Stützenachse, wobei die Stütze um die schwache Achse gelenkig ausgeführt sein kann. Im anderen Fall muss die Einspannung in beiden Richtungen realisiert werden (schiefe Biegung). Wir unterscheiden zwei Arten der Einspannung von Stützenfüssen. • Einspannung mit Ankerstangen (Bild 7.42a): Das Einspannmoment wird durch ein Kräftepaar aufgenommen; die Druckkraft ist in der Betondruckzone; die Zugkraft übernehmen die Ankerstangen. • Direkte Einspannung (Bild 7.42b): Die Stütze wird direkt in den Beton oder in eine dafür vorgesehene Aussparung versetzt (Köcherfundament); das Moment wird durch ein Kräftepaar an den Betonrändern aufgenommen. Einspannung mit Ankerstangen

Bild 7.50 zeigt schematisch das Beispiel einer solchen Einspannung. Die Berechnung des Kraftflusses aus der Stütze in die Fundation kann mit einem analogen

411

A

B

7.6 Stützenfüsse

A

Ansicht

Ansicht B-B

Ansicht A-A

Rippe Aef

Horizontalschnitt

Horizontalschnitt (a) ausgesteifte Fussplatte

(b) Verteilträger

Bild 7.49 Stark beanspruchte Stützenfüsse.

Stahlbetonquerschnitt erfolgen, der durch Biegung und Normalkraft beansprucht ist. • Die Ankerstangen stellen die Armierung dar. • Die wirksame Tragfläche 𝐴eff beziehungsweise das Mass 𝑑 werden wie bei den gelenkigen Stützfüssen berechnet und bestimmen die zu berücksichtigende Betonoberfläche; im Allgemeinen nimmt man an, dass nur die rechteckige Fläche 𝐴eff ,c unter dem Druckflansch zum Widerstand beiträgt und dass die Spannungsverteilung auf dieser Fläche gleichförmig ist. Die Resultierende 𝐹c,Ed der Druckspannungen und die resultierende Zugkraft in den Ankerstangen 𝐹t,Ed erhält man durch eine Gleichgewichtsbetrachtung der Vertikalkräfte und der Momente bezüglich der Stützenachse: ∑ (7.88) 𝑁 = 0 ⇒ 𝑁Ed + 𝐹t,Ed − 𝐹c,Ed = 0 ∑ (7.89) 𝑀 = 0 ⇒ 𝑀Ed − 𝐹t,Ed 𝑎𝑡 − 𝐹c,Ed 𝑎𝑐 = 0 mit 𝑎𝑐 =

1 (ℎ − 𝑡𝑓,𝑚 ) 2 𝑚

(7.90)

B

Rippe Fussplatte

7 Rahmenelemente

e1

a1 hm

hm MEd

e1 NEd

Ft,Ed

t f,m

d

VEd

t kc fcd Fc,Ed ac

1.5

at

1:

412

e2 le

z

p

2

p

d bm beff b1

1:

2

1.5

e2 Aeff,c

y

d

t f,m+ 2 d

a1

Bild 7.50 Abtragung der Kräfte eines eingespannten Stützenfusses mit Ankerstangen.

Der Nachweis des Stützenfusses stellt sicher, dass die Bemessungswerte der resultierenden Zug- und Druckkräfte kleiner sind als die Bemessungswerte der Widerstände: 𝐹c,Ed ≤ 𝑘𝑐 𝑓cd 𝐴eff ,c

(7.91)

𝐴eff ,c = (𝑡f ,m + 2𝑑)(𝑏𝑚 + 2𝑑)

(7.92)

𝐹t,Ed ≤ 𝑛𝐹t,Rd

(7.93)

mit

𝑛: Anzahl Zugstangen, 𝐹t,Rd : Bemessungswert des Zugkraftwiderstandes einer Zugstange. Wenn die aus der Exzentrizität (𝑀Ed ∕𝑁Ed ) wirkende Druckkraft im Kern des Querschnittes von 𝐴eff wirkt, tritt keine Zugkraft auf; die Zugkraft ist nicht nötig für Gleichgewicht. Ebenso muss der Biegewiderstand der Fussplatte sowohl in der Betondruckzone wie auch in der Zugzone der Ankerstangen ausreichend sein. Bei Letzterer wird eine Kraftausbreitung von 1 zu 1.5 angenommen. Es kann vorteilhaft sein, die Zugstangen vorzuspannen. Das erhöht grundsätzlich die Traglast der Einspannung nicht,

7.6 Stützenfüsse

Gewinde

l

l l bd

l bd

r Mutter

Ankerstange

t

mit Platte

mit Hammerkopf

Bild 7.51 Verankerungsarten.

verbessert aber das Verhalten bezüglich Gebrauchstauglichkeit und Ermüdung, weil die Deformationen des Stützenfusses und die Spannungsdifferenzen in den Zugstangen verkleinert werden. Die Querkraft der Stütze kann über Verankerungen in der Druckzone der Fussplatte abgetragen werden. Falls das ungenügend ist, können wie bei den gelenkigen Stützenfüssen unter der Fussplatte zusätzliche Querkraftdorne angeschweisst werden. Wenn das Einspannmoment aus der Stütze gross ist, können der Hebelarm der Zug- und Druckkräfte vergrössert und die Fussplatte dicker ausgeführt werden. Anstelle einer dicken Fussplatte können wie bei den gelenkigen Stützenfüssen Aussteifungsrippen vorteilhaft sein, wo die Ankerstangen ausserhalb des Profils liegen (Bild 7.49a). Die Ankerstangen können glatt, mit oder ohne Muttern, mit Ankerplatten oder mit Hammerköpfen vorgesehen werden (Bild 7.51). Letztere Ausführungsarten vermögen sehr grosse Zugkräfte aufzunehmen; sie können im Zuge der Montagearbeiten an die Armierung oder wenn nötig an im Beton eingelassene L- oder U-Profile befestigt werden. Man beachte, dass gewisse Stahlsorten von Ankerstangen aufgrund der Versprödungsgefahr nicht oder nur unter strengen Bedingungen geschweisst werden dürfen. Die Normen SIA 263/1, „Stahlbau – Ergänzende Festlegungen“ und SIA 262, „Betonbau“ geben hier weitere Hinweise zum Thema „Schweissen von Betonstahl“. Die Ankerstangen übertragen die Zugkräfte in den Beton und werden nach Gl. (7.93) nachgewiesen. Im Weiteren können sie durch eine Querkraft beansprucht werden. Die Traglast ist somit gegeben durch den Zugwiderstand und die Interaktion von Schub und Zug der Ankerstangen sowie durch die Haftung der Verankerung im Beton und den Schubwiderstand im Beton durch die Einleitung von Zugkräften über Rondellen, Platten, Hammerköpfe usw. (siehe Nachweis der Tragsicherheit in der Norm SIA 262, Betonbauten). Der Widerstand der Ankerstangen wird analog wie bei Schrauben nachgewiesen (siehe Verbindungen in der Norm SIA 263, Stahl-

413

414

7 Rahmenelemente

bau oder Konstruktionstabellen C 5 des SZS). Die Bemessungswerte der Anker sind die folgenden: • Zug 𝐹t,Rd = 0.9𝑓ub 𝐴𝑠

1 𝛾𝑀2

(7.94)

• Abscheren im Gewinde Festigkeitsklasse 4.6, 5.6 und 8.8 𝐹v,Rd = 0.6𝑓ub 𝐴𝑠 Festigkeitsklasse 10.9

𝐹v,Rd = 0.5𝑓ub 𝐴𝑠

1 𝛾𝑀2

1 𝛾𝑀2

(7.95) (7.96)

• Abscheren im Schaft 𝐹v,Rd = 0.6𝑓ub 𝐴

1 𝛾𝑀2

(7.97)

• Interaktion Schub und Zug 2

2

𝐹v,Ed 𝐹t,Ed ( ) +( ) ≤ 1.0 𝐹v,Rd 𝐹t,Rd 𝑓uB : 𝐴𝑠 : 𝐴: 𝐹t,Ed : 𝐹v,Ed : 𝛾𝑀2 :

(7.98)

Zugfestigkeit des Ankers, Fläche des Spannungsquerschnittes des Ankers, Fläche des Schaftquerschnittes des Ankers, Zugwiderstand des Ankers, Scherwiderstand des Ankers, Widerstandsbeiwert für Verbindungsmittel (𝛾𝑀2 = 1.25).

Die Haftung von geraden oder gebogenen Ankern mit dem Durchmesser „∅“ ist durch eine minimale Verankerungslänge 𝑙bd gemäss den Vorgaben in der Norm SIA 262, Betonbau gegeben: • Betonstahl B500B, gerippte gerade Stäbe: Beton C 12/15 und C 16/20:

𝑙bd = 60 ∅

Beton C 20/25 und C 25/30:

𝑙bd = 50 ∅

Beton C 30/37 und höher:

𝑙bd = 40 ∅

(7.99)

• Betonstahl B500B, gerippte Stäbe mit Endhaken: – obige Werte von 𝑙bd um 30 % reduzieren; • glatter Ankerstahl der Stahlsorten S 235 und S355 oder Festigkeitsklase 4.8: – Der Widerstand ist einzig und allein durch die Kräfteverteilung im Beton ohne Haftung gegeben.

7.6 Stützenfüsse

Der Widerstand einer Ankerstange mit einer Rondelle mit dem Radius 𝑟 und einer Dicke 𝑡 > 0.3𝑟 beträgt: 𝐹lb,Rd = 𝑓cd 3𝜋 (𝑟 2

𝑟 ∅2 ) (1 − ) 4 𝑙

(7.100)

𝑓cd : Bemessungswert der Betondruckfestigkeit, 𝑟: Radius der Rondelle, 𝑙: Verankerungstiefe (Bild 7.51). Direkte Einspannung

Die Einspanntiefe 𝑙 soll etwa zwei- bis dreimal die Profilhöhe ℎ𝑚 der Stütze betragen. Das Bild 7.52 zeigt ein Rechenmodell einer solchen Stütze. Die effektive Kraftverteilung hängt von der relativen Steifigkeit der Stütze zur Fundation ab. Wir nehmen an, dass sich die Stütze wie ein steifer Körper verhält, dessen Kontaktfläche zum Beton der Flanschbreite 𝑏𝑚 entspricht; dabei wird vorausgesetzt, dass der Hohlraum zwischen den Stützenflanschen mit Beton ausgefüllt ist. Mit dieser Hypothese ergibt sich die maximale Spannung im Beton aus einer Gleichgewichtsbetrachtung mit den im System wirkenden Kräften wie folgt: 𝜎max,Ed =

𝑀Ed + 𝑉Ed 𝑙∕2 𝑉Ed + 𝑏𝑚 𝑙 𝑏𝑚 𝑙2 ∕6

(7.101)

Im Falle der direkten Einspannung sind die Bedingungen nicht erfüllt, um eine lokale Vergrösserung der Druckfestigkeit des Betons in Betracht zu ziehen. Die Spannungen für die Berechnung des Widerstandes eines auf Biegung beanspruchten Stahlbetonquerschnittes sind somit auf 𝑓cd begrenzt. Der Nachweis der direkten Einspannung erfolgt mit der nachstehenden Ungleichung: 𝜎max,Ed ≤ 𝑓cd

(7.102)

hm MEd NEd VEd

(MEd +VEd l 2 l 2

l ) 2

(VEd )

l

Bild 7.52 Abgabe der Kräfte bei einer direkt eingespannten Stütze.

(MEd +VEd ) max,Ed

415

416

7 Rahmenelemente

Die Normalkraft der Stütze wird auf Kontakt mit der Fussplatte und durch Reibung auf der Einspannlänge übertragen. Dieser Reibwiderstand kann, wenn nötig, durch Anschweissen von Kopfbolzendübeln erhöht werden. Schlussendlich darf nicht vergessen werden, das Fundament um die eingespannte Stütze herum mit einer Armierung zur Aufnahme der sich ergebenden Zugspannungen zu versehen.

7.7 Rahmen mit halbsteifen Knoten 7.7.1

Verhalten der Knoten

Knoten aus Stahl

In den vorgängigen Kapiteln wurde postuliert, dass eine Verbindung zwischen Stütze und Riegel entweder gelenkig oder biegesteif sei. Nach Bild 7.53 lässt sich das effektive Verhalten eines Knotens durch eine Beziehung zwischen Biegemoment und Rotation ausdrücken, was sich von den anderen Rechenmethoden unterscheidet (siehe auch Kap. 9 des TGC 10). Aufgrund der Konzeption der Verbindungen hat ein als gelenkig angenommener Knoten (Kurve 1) immer eine kleine Einspannung und ist in der Lage, ein gewisses Biegemoment aufzunehmen. Ein als biegesteif angenommener Knoten (Kurve 2) ist nie unendlich biegesteif und benötigt eine kleine Rotation, um sein Widerstandsmoment zu erreichen. Somit ist in Wirklichkeit ein gelenkiger Knoten kein Gelenk, da er eine gewisse Rotationssteifigkeit besitzt, und ein steifer Knoten weist eine gewisse relative Rotation zwischen den Achsen der zusammengefügten Strukturteile auf. Aufgrund der Lohnkosten bestimmen die Herstellkosten der Knoten zu einem grossen Teil die Gesamtkosten eines Tragwerkes. Die Forderung nach wirtschaftlichen Konstruktionen führt dazu, möglichst wenige Rippen und Verstärkungen vorzusehen. Dieses Vorgehen verringert die Steifigkeit von Knoten. Wenn die Reduktion der Steifheit bedeutend ist, wird die Verbindung halbsteif genannt. Dieses Verhalten ist in Bild 7.53 als Kurve (3) zwischen Kurve (1) und Kurve (2) dargestellt und kann auf genaue Art die Verteilung der Auswirkungen 𝑁 und 𝑀 zuordnen. Auf der rechten Seite von Bild 7.53 sind Konstruktionsdetails entsprechend ihrer Steifigkeit dargestellt. Tatsächlich sind alle Knoten in gewisser Weise halbsteif, weil die Kurven (1) und (2) nie mit den Koordinatenachsen von Bild 7.53 übereinstimmen werden. Aus dieser Tatsache gibt es zwei mögliche Vorgehensweisen: • Man beabsichtigt, einen gelenkigen oder steifen Knoten zu realisieren: Dieser muss so konzipiert sein, dass den Anforderungen der Steifigkeit oder des zugeordneten Widerstandes entsprochen werden kann. • Man konzipiert einen Knoten nach den Anforderungen der Praxis oder der Wirtschaftlichkeit: In diesem Fall müssen die typischen Merkmale des Knotens bei der statischen Berechnung des Rahmens berücksichtigt werden. Diese zweite Erkenntnis wird in der Praxis noch zu wenig berücksichtigt.

7.7 Rahmen mit halbsteifen Knoten

417

Mj Mj 2,Rd

2

Mj

wirkliches Tragverhalten Rechenmodell

steifer Knoten 3

Mj 3,Rd Sj,ini

Mj

Widerstand

1 Steifigkeit Sj

halbsteifer Knoten

Rotationskapazität

1 1 Cd2

Cd3

gelenkiger Knoten

Bild 7.53 Verhalten von Stahlknoten.

Verbundknoten

Wie die Knoten aus Stahl wurden auch die Verbundknoten seit jeher als gelenkig oder steif angenommen. Im ersten Fall von Bild 7.54a wird die Durchlaufwirkung der Platte durch die Armierung sichergestellt. Der Beton ist in dieser Zone mit negativen Momenten gerissen, der Knoten aus Stahl wird ebenfalls als steif betrachtet. Im zweiten Fall von Bild 7.54b wird die Platte unterbrochen, die Durchlaufwirkung ist nicht erwünscht; der Knoten wird als Gelenk angenommen. Allerdings konnte durch neuere Untersuchungen gezeigt werden, dass einfache Knotenausbildungen der Stahlkonstruktion (Doppelwinkel, Bild 7.54b) sowie eine geringe Armierung in der Platte das Tragverhalten des Knotens günstig beeinflussen. Das Beispiel von Bild 7.55 zeigt die Versuchsresultate von drei Knoten mit derselben Verbindung von Stütze und Träger mit Doppelwinkel: Ansicht

Schnitt A-A

Ansicht

Schnitt A-A

A

A

A

A

(a) Bild 7.54 Gebräuchliche Verbundknoten.

(b)

418

7 Rahmenelemente Biegemoment [kNm] Platte mit Stabarmierung

120 100 80 60

Platte mit Armierungsnetz

40 ohne Betondecke

20 0

5

10

15

20

25

30

35

Rotation [mrad] 40

Bild 7.55 Wirkung der Armierung in der Platte auf das Verhalten des Knotens (Doppelwinkel).

• ein Stahlknoten ohne Betonplatte, • ein Verbundknoten mit Betonplatte und Armierungsnetz als Schwindarmierung (Minimalarmierung), • ein Verbundknoten mit Armierung, welche das elastische Stützenmoment aufzunehmen vermag. Die Resultate zeigen eindeutig eine Vergrösserung des Widerstandes des Verbundknotens gegenüber dem Stahlknoten mit Doppelwinkel (gelenkig), was dazu führt, dass die Biegemomente und Durchbiegungen im Feld des Trägers reduziert werden. Die Rotationskapazität im Verbundknoten durch die Stabarmierung ist gewährleistet, während die Rotationskapazität desselben Knotens mit geschweisster Netzarmierung aufgrund seiner mangelnden Duktilität viel geringer ausfällt. Armierungsnetze sollen deshalb nicht in die Bemessung der Biegetragfähigkeit über der Stütze eines Verbundknotens einfliessen. Die Anwendung von Verbundknoten ist bedeutsam, weil sie den Materialverbrauch reduzieren (Verbesserung des Widerstandes und der Durchbiegungen), ohne dass der Stahlknoten komplizierter wird (Doppelwinkel genügen) und ohne Schaffung neuer Probleme bei der Umsetzung (Netze und traditionelle Stabarmierung). Die Untersuchungen haben die Erkenntnis der wichtigsten Parameter aufgezeigt und die Arbeit der Projektierenden, welche diese Lösungen vorsehen, erleichtert [6, 7].

7.7.2

Modellierung des Knotens

Das effektive Verhalten eines Knotens wird durch eine Momenten-Rotationskurve dargestellt (Bild 7.53). Die Versuche zeigen, dass das Verhalten nicht linear ist und häufig einen ausgedehnten plastischen Bereich aufweist. In der Praxis soll das Verhalten durch eine idealisierte in der Regel zweifach lineare Kurve modelliert werden. Die Charakteristik dieses bilinearen Modells eines Knotens liefert drei wesentliche Kenngrössen (Kurve (3) von Bild 7.53):

7.7 Rahmen mit halbsteifen Knoten

• Der Bemessungswert des Biegewiderstandes 𝑀j,Rd entspricht dem maximalen Moment der idealisierten Momenten-Rotationskurve. Der Eurocode 3, Teil 1-8, Kap. 6 liefert die Beziehungen für die Berechnung von 𝑀j,Rd . (Index 𝑗 aus der englischen Übersetzung von Knoten: „joint“) • Die Rotationssteifigkeit 𝑆𝑗 entspricht der Sekantensteifigkeit des pseudoelastischen Teils der idealisierten Kurve; sie lässt sich als Bruch 1∕𝜂 der Anfangssteifigkeit 𝑆j,ini definieren. Gemäss Eurocode 3, Teil 1-8 variiert dieser Bruch von 1∕2 für eine Stützen-Träger-Verbindung bis zu 1/3.5 für einen Trägerstoss. Für den Fall 𝑀j,Ed ≤ 2∕3𝑀j,Rd kann die Anfangssteifigkeit 𝑆j,ini verwendet werden; man geht dabei von einem oberen Grenzwert des elastischen Verhaltens aus. Andernfalls ist die Steifigkeit 𝑆𝑗 zu verwenden. Der Eurocode 3, Teil 1-8 liefert die Berechnungsmethoden für die Anfangssteifigkeit 𝑆j,ini (Ziff. 6.1.3(4)) sowie die Steifigkeit 𝑆𝑗 in Funktion von 𝑆j,ini (Ziff. 6.3.1). • Die Rotationskapazität 𝛷Cd ist die maximal erreichbare Rotation eines Knotens beim Biegewiderstand 𝑀j,Rd . Diese Charakteristik ist im Fall einer elastisch-plastischen Bemessung nötig. Die Rotationskapazität 𝛷Cd ist in der Regel nach Eurocode 3, Teil 1-8 (Ziff. 6.1.3) zu ermitteln. Der Eurocode 3, Teil 1-8 liefert auch die Bedingungen um sicher zu stellen, ob die Rotationskapazität 𝛷Cd als ausreichend betrachtet werden kann, auch mit der Anwendung von Stahl S460. Man beachte die Analogie der strukturellen Antwort eines Knotens zu einem gebogenen Trägerquerschnitt. Beide weisen einen elastischen Bereich auf, gefolgt von einem Bereich mit zunehmender Rotation unter gleichbleibendem Moment, wobei die Rotation durch die Rotationskapazität begrenzt ist. Komponentenmethode

Die Elemente eines halbsteifen Knotens mit Stirnplatte gemäss Bild 7.56 können nach der Komponentenmethode berechnet werden; eine Methode, bei welcher man den Knoten aus den folgenden Einzelteilen betrachtet: • gedrückte Zone: – gedrückter Steg in der Stütze (1), – gedrückter Unterflansch des Trägers (2), • gezogene Zone: – gezogener Steg in der Stütze (3), – gebogener Flansch in der Stütze (4), – Zugschrauben (5), – gebogene Stirnplatte (6), – gezogener Steg und Flansch im Träger (7), • Schubzone: – Schubfeld im Steg der Stütze (8). Jede dieser Komponenten besitzt ein eigenes Widerstandsniveau 𝐹i,Rd und einen eigenen Steifigkeitskoeffizienten 𝑘𝑖 für Zug, Druck oder Schub.

419

420

7 Rahmenelemente

4 6 5 3 7 8 1 2

Bild 7.56 Beispiel der Komponenten eines Knotens, welche einen Einfluss auf das Momenten-Rotations-Verhalten haben.

Die Phasen der Methode sind die folgenden: • Festlegen der Komponenten des betrachteten Knotens; • Berechnen der Steifigkeit 𝑘𝑖 und des Widerstandes 𝐹i,Rd jeder Komponente, gemäss Hinweisen und Tabellen aus dem Eurocode 3, Teil 1-8; • die Zusammensetzung der Komponenten vornehmen, nachdem die charakteristischen Werte 𝑆𝑗 und 𝑀j,Rd des Gesamtknotens berechnet wurden. Die charakteristischen Werte sind die folgenden: 𝐸𝑧tr2 Anfangssteifigkeit 𝑆j,ini = ∑𝑛 1 𝑖=1 𝑘𝑖

Sekantensteifigkeit des Knotens 𝑆𝑗 =

(7.103) 𝑆j,ini 𝜂

Bemessungswert des Biegewiderstandes 𝑀j,Rd = 𝐹Rd 𝑧tr

(7.104) (7.105)

𝑧tr : 𝑛: 𝜂:

Hebelarm der resultierenden Zug- und Druckkraft, Anzahl Komponenten im Knoten, Koeffizient für das Steifigkeitsverhältnis 𝑆j,ini ∕𝑆𝑗 : • für 𝑀j,Ed ≤ 2∕3𝑀j,Rd : 𝜂 = 1.0, • für 2/3 𝑀j,Rd < 𝑀j,Ed ≤ 𝑀j,Rd : 𝜂 = (1.5𝑀j,Ed ∕𝑀j,Rd )𝛹 , (𝛹 = 2.7 beziehungsweise 3.1 für geschraubte Flanschwinkel; siehe Tabelle 6.8, EC 3, Teil 1–8), • Verbindung Stütze–Träger mit Stirnplatte: 𝜂 = 2.0, • Verbindung Stütze–Träger mit Doppelwinkel und Kontaktblech: 𝜂 = 1.5, • Stumpfstösse von Trägern: 𝜂 = 3.5, 𝐹Rd : minimaler Wert der Werte 𝐹i,Rd . Die Tabellen C 9.B/15 „Rahmenknoten“ des Stahlbau Zentrum Schweiz, SZS enthalten eine eingehende Theorie sowie Tabellen, gerechnet nach der Komponentenmethode.

7.7 Rahmen mit halbsteifen Knoten

7.7.3

Klassifikation der Knoten

Bei der statischen Berechnung eines Rahmens müssen dem strukturellen Verhalten der Knoten wie auch dem strukturellen Verhalten von Stützen und Riegel Rechnung getragen werden. Ein Knoten wird trotz seiner kleinen Abmessung als strukturelles Element des Gesamtsystems betrachtet, und er ist charakterisiert durch eine Rotationssteifigkeit und einen Widerstand. Man unterscheidet zwei Arten der Klassifizierung von Knoten: Klassifizierung nach der Steifigkeit

Diese Klassifizierung charakterisiert das Verformungsverhalten des Anschlusses. Ein Knoten kann durch Vergleich seiner Anfangsrotationssteifigkeit 𝑆j,ini mit den nachfolgenden Grenzwerten gelenkig, halbsteif oder steif klassifiziert werden (Bild 7.57a): gelenkig, wenn 𝑆j,ini ≤ 0.5EI 𝑡 ∕𝑙𝑡 , steif, wenn 𝑆j,ini ≥ 𝑘𝑡 EI 𝑡 ∕𝑙𝑡 , halbsteif, wenn 0.5EI 𝑡 ∕𝑙𝑡 < 𝑆j,ini < 𝑘𝑡 EI 𝑡 ∕𝑙𝑡 , 𝐸: 𝐼𝑡 : 𝑙𝑡 : 𝑘𝑡 :

Elastizitätsmodul von Baustahl, Trägheitsmoment des angeschlossenen Trägers (Riegel), Spannweite des Trägers (Riegel), Distanz zwischen den Stützen, seitlicher Steifigkeitskoeffizient des Rahmens (siehe auch Abschn. 6.2.5): seitlich nicht gehaltener Rahmen: 𝑘𝑡 = 25, seitlich gehaltener Rahmen: 𝑘𝑡 = 8.

Klassifizierung nach der Tragfähigkeit

Ein Knoten kann durch den Vergleich des Biegewiderstandes des Anschlusses 𝑀j,Rd mit dem minimalen Biegewiderstand der angeschlossenen Teile (Stütze und Riegel) als gelenkig, teiltragfähig oder volltragfähig klassifiziert werden (Bild 7.57b):

Mj

Mj totaler Widerstand

steif Mt,Rd

halbsteif

partieller Widerstand

kt EIt /l t 0.5 EIt /l t

gelenkig

0.25 Mt,Rd

(a) bezüglich Steifigkeit Bild 7.57 Klassifikation eines Knotens Stütze-Riegel.

gelenkig

(b) bezüglich Widerstand

421

422

7 Rahmenelemente

elastischplastische Methode

Mj Mj,Rd 2/3 Mj,Rd

Sj,ini

elastischelastische Methode

Sj 1

Cd

statisches System

Diagramm Mj

Bild 7.58 Modellierung eines Rahmens für die statische Berechnung.

gelenkig, wenn 𝑀j,Rd ≤ 0.25𝑀t,Rd , volltragfähig, wenn 𝑀j,Rd ≥ 𝑀t,Rd , teiltragfähig, wenn 0.25𝑀t,Rd < 𝑀j,Rd < 𝑀t,Rd , 𝑀t,Rd : Bemessungswert des Biegewiderstandes des schwächeren Trägers (𝑀t,Rd = 𝑓𝑦 𝑊∕𝛾𝑀1 ).

7.7.4

Statische Berechnung von Rahmen mit halbsteifen Knoten

Die Bestimmung der Auswirkungen eines solchen Rahmens ist im Prinzip ganz einfach. Um diese Struktur vollständig zu modellieren genügt es, die Kurven des idealisierten Verhaltens der betreffenden Knoten in ein Rechenprogramm für Stabstatik einzugeben (Bild 7.58). Aktuelle Software erlaubt die Eingabe solcher Kurven und vereinfacht damit die Arbeit des Projektierenden. Das bilineare Modell für das Verhalten der Knoten ist das geläufigste. Elastische Berechnung

Man betrachtet bei dieser Rechenmethode nur den elastischen Bereich beim Verhalten des Knotens. Im M-𝛷-Diagramm ist dieser Bereich eine unbegrenzte Gerade mit der Neigung 𝑆𝑗 . Die Knoten können somit wie lineare Federn mit folgender Grundgleichung modelliert werden: 𝑀 𝑗 = 𝑆𝑗 𝛷

(7.106)

𝑀𝑗 : durch den Träger eingeleitetes Biegemoment, 𝑆𝑗 : Drehfederkonstante des Knotens (durch den Bemessungswert des Biegemomentes bestimmte Sekantensteifigkeit), 𝛷: relativer Rotationswinkel der Achsen der verbundenen Elemente. Die elastische Berechnung der Tragstruktur stimmt also mit einer traditionellen Berechnung überein, wobei der Knoten als strukturelles Element des Ganzen betrachtet wird. Diese elastische Methode (Abschn. 5.3.3) hat den Nachteil, dass sie dem

7.8 Rechenbeispiele

plastischen Bereich des Knotens und der strukturellen Elemente keine Rechnung trägt [8]. Elastisch-plastische Berechnung

Hier wird das Verhalten des Knoten der ganzen M-𝛷-Kurve und nicht nur der pseudo-plastische Bereich betrachtet. Die Momentenverteilung im Rahmen kann bestimmt werden, wenn die Randmomente der Knoten bestimmt sind. Eine solche Annäherung bleibt wenig praxisbezogen und stellt grundsätzlich die Kenntnis der Abfolge der Fliessgelenke voraus. Infolge fehlender praktischer Erfahrungen auf dem Gebiet der halbsteifen Verbindungen sind wenige Informationen verfügbar über die erforderlichen Verschiebungen, um plastische Versagensmechanismen zu bestimmen und somit die nötige Rotationskapazität der Knoten zu kennen. Trotz den empirischen Regeln, welche der Eurocode 3, Teil 1-8 zur Beurteilung von möglichen Rotationskapazitäten von Knoten liefert, bleibt diese Thematik ein Feld, wo noch weitere Forschungen erforderlich sind. Bei Tragstrukturen, welche mit dem elastisch-plastischen Verfahren berechnet werden, bleibt im Übrigen das Risiko, dass die Grenzwerte der Gebrauchstauglichkeit empfindlich überschritten werden. Schlussfolgerung

Die Betrachtung des Verhaltens der Knoten im Zuge der globalen Analyse bleibt ein innovativer, aber verheissungsvoller Aspekt. Seine Bearbeitung wird langsam durch erprobte auf dem Markt verfügbare Programme erleichtert. Verschiedene Rechenhilfen, welche die rasche Charakterisierung von Knoten erlauben, sind zunehmend verfügbar. Während die elastische Methode schon jetzt ohne grosse Probleme verwendet werden kann, ist die elastisch-plastische Methode sehr stark von der Kenntnis der Rotationskapazität abhängig [6, 7]. Eine elastisch-plastische Lösung ist auch aus wirtschaftlicher Sicht zu prüfen: Materialverbrauch, Werkstattkosten für die Verbindungen und die Montagekosten. Die Anwendung der elastisch-plastischen Methode und die teiltragfähigen Verbindungen können interessant sein, wenn bestehende Bauten auf Tragfähigkeit untersucht werden müssen sowie für die Berechnung des Verhaltens von verstärkten Konstruktionen.

7.8 Rechenbeispiele 7.8.1

Nachweis eines Binders

Vorgaben

Tragsicherheits- und Gebrauchstauglichkeitsnachweis in diesem Beispiel basieren auf der Halle gemäss Bild 2.68 mit der Vordimensionierung im Abschn. 2.8.1 sowie der Bemessung des Rahmens gemäss Bild 6.33. Die Auswirkungen nach den verschiedenen Lastfällen sind in Bild 7.59 dargestellt und haben ein Profil IPE 450

423

424

7 Rahmenelemente N [kN] – 24.1

M [kNm] – 196.0

– 196.0

– 196.0

– 45.5

1810 mm 1900 mm

259.0

V [kN] – 123.7

– 45.5

24.5

– 129.5

123.7

– 24.5

– 129.5 Lastfall N°1 27.2

37.7

55.0

87.6

–180.1

4620 m m 5700 m m

– 33.1

– 33.3 – 25.1

86.0

– 28.9 – 34.6

– 123.6 – 241.4 – 241.4 2250 m 3800 m m 245.8 m

–154.3

– 57.6

– 34.1

38.3

– 53.1 –32.7

175.2

157.6

–128.0 31.4

– 135.0

– 5.8

42.7

–257.7

3210 m 3800 m m m

– 11.3

116.5

Lastfall N°3 39.3

19.5

– 52.6 – 123.6

–39.9

– 52.6 25.5

24.0

Lastfall N°2 – 154.3

– 10.1 – 9.2

–52.6

–38.6

–51.3

29.0 –21.0 –7.6

–101.6 35.2

73.0 –108.9

47.2 Lastfall N°4

28.6

29.2

Bild 7.59 Auswirkungen erster Ordnung für die vier Lastfälle. Die obere Masslinie an der rechten Rahmenecke bezeichnet den Momenten-Nullpunkt. Die untere Masslinie bezeichnet die Kipplänge lD .

ergeben. Alle Nachweise sind nach dem Verfahren EP (elastisch-plastisch) durchgeführt. Bemerkung: Für die Lastfälle Nr. 1 und 3 ist der Rahmen als „weich“ klassifiziert. Somit müssen die Auswirkungen zweiter Ordnung berücksichtigt werden. Andererseits haben wir im Beispiel 6.7.2 gesehen, dass die Werte zweiter Ordnung nur leicht von denen erster Ordnung abweichen. Im Sinne der Vereinfachung nehmen wir an, dass die Auswirkungen in diesem Beispiel erster und zweiter Ordnung gleich sind.

7.8 Rechenbeispiele

Nachweis der Tragsicherheit Biegewiderstand

• Auswirkungen in der Feldmitte: Der Lastfall Nr. 1 ist massgebend. Zur Veranschaulichung der Berechnung der Auswirkungen ist nachfolgend die gesamte Formel angegeben (Grenzzustand 2): 𝐸𝑑 + 𝑀1,Ed

= 𝐸{𝛾𝐺 (𝑔𝑎 + 𝑔panne + 𝑔𝑝 + 𝑔fin ) + 𝛾Qqk,s } = 1.35(11.9 kN m + 53.4 kN m) + 1.50 ⋅ 114 kN m = 259 kN m

𝑁1,Ed = 1.35(−1.1 kN − 5.0 kN) + 1.50(−10.6 kN) = −24.1 kN • Auswirkungen in der Rahmenecke: Der Lastfall 4 ist massgebend. Die Auswirkungen sind dem Bild 7.59 entnommen: − 𝑀4,ED = −257.7 kN m

𝑁4,Ed = −52.6 kN • Widerstandswerte des Querschnittes: 𝑀pl,Rd = 𝑓𝑦 𝑊pl ∕𝛾𝑀1 = 235 N∕mm2 ⋅ 1700 ⋅ 103 mm3 ∕1.05 = 380.106 N mm = 380 kN m • Nachweis: Da die Normalkräfte 𝑁Ed bezüglich Normalkraftwiderstand des Binder IPE 450 (𝑁pl,Rd = 2211 kN) klein sind, wird kein Interaktionsnachweis geführt. 𝑀Ed,max = 259 kN m < 𝑀pl,Rd = 380 kN m mit + − ; |𝑀Ed |) = 259 kN m 𝑀Ed,max = max(𝑀Ed

Querkraftwiderstand

Der Lastfall Nr. 3 ist massgebend.

• Auswirkungen (Bild 7.59): 𝑉3,Ed = 128 kN • Schlankheit des Steges für Beulen: ℎ − 𝑡𝑓 𝑡𝑤

450 mm − 14.6 mm = = 46.3 < 9.4 mm



√ 4𝐸 = 𝑓𝑦

4 ⋅ 210 ⋅ 103 N∕mm2 = 59.8 235 N∕mm2

• Widerstandswert des Querschnittes: 𝑓𝑦 𝐴𝑣 235 N∕mm2 ⋅ 5082 mm2 = = 657 ⋅ 103 N 𝑉Rd = √ √ 3𝛾𝑀1 3 ⋅ 1.05 = 657 kN mit 𝐴𝑣 = 𝐴 − 2𝑏𝑡𝑓 + (𝑡𝑤 + 2𝑟)𝑡𝑓 = 9880 mm2 − 2 ⋅ 190 mm ⋅ 14.6 mm + (9.4 mm + 2 ⋅ 21 mm)14.6 mm = 5082 mm2

425

426

7 Rahmenelemente

• Nachweis: 𝑉Ed,max = 128 kN < 𝑉Rd = 657 kN Kippwiderstand des Binders

Der Lastfall Nr. 1 ist massgebend.

• Kritische Kipplänge: Berechnung nach Norm SIA 263, Tabelle 6, Verfahren EP: 𝑁1,𝐸𝑑 24.1 kN = 0.011 < 0.15 = 𝑁Rd 2211 kN • Kritische Kipplänge: √ √ 210 000 N∕mm2 𝑙cr = 2.7𝑖𝑧 (1 − 0.5𝜓) 𝐸∕𝑓𝑦 = 2.7 ⋅ 41.2 mm(1 − 0.5 ⋅ 1.0) 235 N mm2 = 1663 mm mit 𝜓=

𝑀Ed,min = 1.0 konservative Annahme. 𝑀Ed,max

• Kipplänge: Der gedrückte Obergurt ist seitlich durch die Pfetten gehalten, welche ihrerseits durch den Dachverband gehalten sind. Somit ist die Kipplänge 𝑙𝐷 = 𝑎𝑎 = 1900 mm. • Nachweis: 𝑙𝐷 = 1900 mm > 𝑙cr = 1663 mm: Ein Kippnachweis ist erforderlich. Für 𝑀 = konstant beträgt der Kippwiderstand 𝑀D,Rd = 396 kN m (Bemessungstafeln C 4 des SZS). • Bemerkung: Ein detaillierter Kippnachweis wird im nächsten Abschnitt geführt. • Nachweis: + = 259 kN m < 𝑀D,Rd = 396 kN m 𝑀1,Ed

Kippwiderstand am Rand der Binder

Die Lastfälle Nr. 2 und 4 sind massgebend.

Lastfall Nr. 2: • Auswirkungen (Bild 7.59): 𝑀2,Ed,max = −180.1 kN m 𝑀2,Ed,min = 27.2 kN m N2,𝐸𝑑 = −34.6 kN • Kritische Kipplänge: Nachweis mit Tabelle 6, Norm SIA 263: 𝑁Ed 34.6 kN = = 0.016 < 0.15 𝑁Rd 2211 kN

7.8 Rechenbeispiele

• Kritische Kipplänge: √ 𝑙cr = 2.7 ⋅ 41.2 mm ⋅ (1 − 0.5 ⋅ 0.0)

210 000 N∕mm2 = 3325 mm 235 N∕mm2

für 𝑀Ed,min = 0.0 ist 𝜓 = 0.0 (konservative Annahme). • Kipplänge: Da der gedrückte Untergurt seitlich nicht gehalten ist, wird die Kipplänge als Distanz vom Punkt des maximalen Momentes und dem Punkt der seitlichen Halterung (Pfette) folgend auf den Momentennullpunkt gemessen; das ergibt 𝑙𝐷 = 5700 mm (siehe resultierende Momentenlinie des Lastfalls Nr. 2). • Nachweis: 𝑙𝐷 = 5700 mm > 3325 mm. Es ist ein Kippnachweis erforderlich. Bemessungswert des Kippwiderstandes: 𝑀D,Rd = 322 kN m (Bemessungstafeln C 4 des SZS, 𝜓 = 0.0). • Nachweis: 𝑀2,Ed,max = 180.1 kN m < 𝑀D,Rd = 322 kN m Lastfall Nr. 4 – detaillierte Berechnung: • Auswirkungen (Bild 7.59): 𝑀4,Ed,max = −257.7 kN m 𝑀4,Ed,min = 39.3 kN m 𝑁4,Ed = −52.6 kN • Kritische Kipplänge 𝑙cr , Nachweis mit Tabelle 6, Norm SIA 263: 𝑁4,Ed 52.6 kN = 0.024 < 0.15 = 𝑁Rd 2211 kN 𝑙cr = 2.7 ⋅ 41.2 mm ⋅ (1 − 0.5 ⋅ (−0.15))



210 000 N∕mm2 = 3575 mm 235 N∕mm2

mit: 𝜓=

𝑀Ed,min 39.3 = −0.15 = 𝑀Ed,max −257.7

• Kipplänge: Da der gedrückte Untergurt seitlich nicht gehalten ist, wird die Kipplänge als Distanz vom Punkt des maximalen Momentes und dem Punkt der seitlichen Halterung (Pfette) folgend auf den Momentennullpunkt gemessen; das ergibt 𝑙𝐷 = 3800 mm (siehe resultierende Momentenlinie des Lastfalls Nr. 4). • Nachweis: 𝑙𝐷 = 3800 mm > 3575 mm Es ist ein Kippnachweis erforderlich.

427

428

7 Rahmenelemente

• Bemessungswert des Kippwiderstandes (Querschnittsklasse 2): 𝑀D,Rd = 𝜒𝐷 𝑊 𝑓𝑦 ∕𝛾𝑀1 mit 𝑊 = 𝑊pl,y 1 𝜒𝐷 = ≤ 1.0 √ 𝛷𝐷 + 𝛷𝐷2 −𝜆2𝐷 √ 𝑊pl,y 𝑓𝑦 𝜆𝐷 = 𝑀cr √ 2 2 𝜎cr,D = 𝜎Dv +𝜎Dw • Saint-Venantsche Torsionsspannung: 𝜋 √ 𝜋 𝐺 𝐾 𝐸 𝐼𝑍 = 1.91 𝐿𝐷 𝑊el,y 3800 mm ⋅ 1500 ⋅ 103 mm3 √ ⋅ 81 ⋅ 103 ⋅ 0.661 ⋅ 106 mm4 ⋅ 210 ⋅ 103 N∕mm2 ⋅ 16.8 ⋅ 106 mm4

𝜎Dv = 𝜂

= 458 N∕mm2 mit: 𝜂 = 1.75 − 1.05𝜓 + 0.3𝜓2 = 1.91 Für 𝜓 = −0.15 (Annahme von linearen Momentenverläufen) wird: • Spannung der Wölbkrafttorsion: 𝜎Dw =

𝜋2 ⋅ 210 ⋅ 103 N∕mm2 𝜋2 𝐸 = = 666 N∕mm2 2 55.82 𝜆𝐾

mit 𝜆𝐾 =

𝐿𝑘 𝑖 √

𝑖=

𝐼𝑍 ∕2 = 𝐴𝑤 ∕6 + 𝐴𝑓



16.8 ⋅ 106 mm4 ∕2 = 49.3 mm 4090 mm2 ∕6 + 2774 mm2

𝐿 3800 mm = 2750 mm 𝐿𝐾 = √𝐷 = √ 𝜂 1.91 2750 mm ⇒ 𝜆𝐾 = = 55.8 49.3 mm werden die ideelle Kippspannung zu 𝜎cr,D =



𝜎𝐷𝑣2 + 𝜎𝐷𝑤2 =

√ (458N∕mm2 )2 + (666N∕mm2 )2 = 808 N∕mm2

7.8 Rechenbeispiele

und das ideelle Kippmoment zu 𝑀cr = 𝑊el,y 𝜎cr,D = 1500 ⋅ 103 mm3 ⋅ 808 N∕mm2 = 1212 ⋅ 106 N mm = 1212 kN m √ 1700 ⋅ 103 mm3 ⋅ 235 N∕mm2 = 0.57 𝜆𝐷 = 1212 ⋅ 106 N mm 2

𝛷𝐷 = 0.5 [1 + 𝛼𝐷 (𝜆𝐷 − 0.4) + 𝜆𝐷 ]

mit 𝛼𝐷 = 0.21

= 0.5[1 + 0.21(0.57 − 0.4) + 0.572 ] = 0.68 1 = 0.95 𝜒𝐷 = √ 0.68 + 0.682 − 0.572 (𝛼𝐷 = 0, 21 für Walzprofile) und somit der Bemessungswert des Kippwiderstandes zu: 𝑀D,Rd =

0.95 ⋅ 1700 ⋅ 103 mm3 ⋅ 235 N∕mm2 = 361 ⋅ 106 N = 361 kN m 1.05

• Nachweis: 𝑀4,Ed,max = 257.7 kN m < 𝑀D,Rd = 361 kN m Damit ist der Nachweis für die massgebenden Lastfälle erfüllt. Nachweis der Gebrauchstauglichkeit

Es geht darum, die Durchbiegung des Binders unter häufigen und quasi ständigen Lasten nachzuweisen, und zwar für die ständigen Lasten und Schnee. • Die Berechnung der resultierenden Durchbiegungen wurde mit dem Rechenprogramm von Abschn. 6.7 ermittelt (Bild 6.34): – ständige Lasten: 𝑔𝑎 + 𝑔panne + 𝑔𝑝 + 𝑔fin = 4.3 kN∕m 𝑤(𝑔𝑘 ) = 19.2 mm – Nutzlasten (Schnee): 𝑞k,s = 7.6 kN∕m 𝑤(𝑞k,s ) = 33.6 mm • Nachweise: – häufige Lasten, Funktionstüchtigkeit: 𝑤 = 𝑤gk + 𝜓1 𝑤(𝑞k,s ) = 19.2 mm + (1 −

250 m ) 33.6 mm 600 m

15 000 mm 𝑙 = = 42.9 mm 350 350 250 m 𝑙 15 000 mm 𝑤 = 𝜓1 𝑤(𝑞k,s ) = (1 − ) 33.6 mm = 19.6 mm < = 600 m 350 350 = 38.8 mm
1.0 800 kN 1 − 109 kN∕1071 kN 290 kN m Lastfall Nr. 3: Der Rahmen ist „weich“, zweite Ordnung, gehaltene Knoten: 1∕136 kN 1.0 ⋅ 245 kN m 136 kN + = 0.07 + 0.86 + 0.95 = 0.93 ⋅ 2120 kN 1 − 136 kN∕7636 kN 290 kN m Somit genügt das Profil HEA 300 für die Stabilisierung des Rahmens nicht für alle Lastfälle. Es muss ein HEA 320 vorgesehen werden. • Nachweise für das HEA 320: Lastfall Nr. 4: 1∕109 kN 109 kN 1.0 ⋅ 258 kN m + = 0.12 + 0.81 = 0.93 < 1.0 ⋅ 944 kN 1 − 109 kN∕1237 kN 350 kN m Lastfall Nr. 3: 136 kN 1.0 ⋅ 245 kN m 1 ⋅ + = 0.06 + 0.71 = 0.77 < 1.0 2400 kN 1 − 136 kN∕9589 kN 350 kN m Damit ist die Rahmenstabilität gewährleistet. Nachweis der Gebrauchstauglichkeit

Der Nachweis erfolgt mit dem neuen Stützenprofil HEA 320.

7.8 Rechenbeispiele

435

Die Berechnung der horizontalen Auslenkung des Rahmens erfolgt mit einem Programm. Die Auslenkung aufgrund von Wind 𝑞k,w (gemäss Bild 6.34) beträgt 𝑢(𝑞k,w ) = 81.3 mm. Nachweis; häufige Lasten, Funktionstüchtigkeit:

𝑢 = 𝜓1 𝑢(𝑞k,w ) = 0.5 ⋅ 81.3 mm = 40.6 mm ≅

ℎ 8000 mm = = 40 mm 200 200

Für den Fall einer grösseren Beschränkung der horizontalen Auslenkung können folgende Massnahmen getroffen werden: • Binderprofil ändern, • Mitwirkung der Dachscheibe aus Profilblechen einbeziehen (siehe Kap. 8), • eine seitliche Halterung mit einem Dachlängsverband vorsehen (siehe Kap. 8).

7.8.3

Nachweis einer Rahmenecke

Vorgaben

Die Rahmenecke bezieht sich auf das Beispiel im Abschn. 2.8.1 mit Bild 2.68. Es geht darum, die Stabilität des Steges in der steifen Rahmenecke von Bild 7.60a nachzuweisen und ob eine Stegverstärkung erforderlich ist. Die Gefährdungsbilder sind in Abschn. 6.7.1 definiert; wir betrachten den Lastfall Nr. 3. Die Rahmenecke ist nicht rechtwinklig; der Binder weist eine leichte Neigung von 𝛽 = 9.5◦ auf. Die elastisch berechneten Auswirkungen wirken in den Stabachsen der Profile und sind mit einem Programm berechnet worden, siehe Bild 7.61. Es gilt festzuhalten, dass aufgrund des geneigten Binders 𝑁t,Ed ≠ 𝑉m,Ed und 𝑁m,Ed ≠ 𝑉t,Ed sind. Im Weiteren wird die kleine Vertikalkraft 𝑄Ed aus der Traufpfette auf die Rahmenecke nicht in die Berechnung einbezogen, weil deren Wirkung bereits bei der Berechnung der Auswirkungen eingeflossen ist (Dachlasten wurden als gleichmässig verteilt angenommen). Diagonalrippe

Riegel IPE 450 A

Q Ed

B Nt,Ed Vt,Ed

9.5° Stütze HEA 300

(a) Bild 7.60 Rahmenecke.

D Nm,Ed

Mt,Ed

C Vm,Ed Mm,ED

(b)

(c)

436

7 Rahmenelemente –216 kNm

–119.41

–120 kN 21.6 kN –115 kN

32.21 M [kNm]

V [kN]

–129.39 N [kN]

Bild 7.61 Auswirkungen des massgebenden Lastfalls.

Infolge der kleinen Dachneigung werden die in den Stabachsen wirkenden Kräfte als horizontal beziehungsweise vertikal auf eine rechteckförmige Rahmenecke wirkend angenommen. Vor dem Nachweis der Rahmenecke werden die Stege der anschliessenden Profile untersucht.

Der Nachweis ausserhalb der Rahmenecke bestätigt die korrekte Bemessung der Profile und zeigt allfällige Reserven auf. Die Schlankheitsbedingungen gemäss Tabelle 5, Norm SIA 263 mit Stütze 𝑡w,m = 8.5 mm und Binder 𝑡w,t = 9.4 mm sind: • Für die Stütze HEA 300, S 235 Mit Biegung und Normalkraft, konservativer Fall, nur Druck: 𝑏w,t 208 = 24.5 < 33𝜀 = 33 = 𝑡w,t 8.5 ⇒ Querschnittsklasse 1 Vereinfachter Nachweis für Schubbeulen (Plastifizierung möglich): √ √ ℎ − 𝑡𝑓 4⋅𝐸 4 ⋅ 210 000 276 ≤ → = 32.5 ≤ = 59.8 𝑡𝑤 8.5 235 𝑓𝑦 Das Profil erfüllt die Querschnittsklasse 1. • Für den Binder IPE 450, S 235 Vorwiegend Biegung; wir betrachten den Fall für reine Biegung: 𝑏w,t 378 = = 40.2 < 72𝜀 = 72 𝑡w,t 9.4 ⇒ Querschnittsklasse 1; es gibt Reserven für zusätzliche Druckspannungen. Schubbeulen: ℎ − 𝑡𝑓 𝑡𝑤





435.6 4⋅𝐸 → = 46.3 ≤ 9.4 𝑓𝑦



4 ⋅ 210 000 = 59.8 235

Der Binder erfüllt wiederum die Kriterien für die Querschnittsklasse 1. Es gibt Reserven; eine Bemessung PP ist möglich; mit den elastisch ermittelten Auswirkungen wird aber eine Bemessung EP (elastisch-plastisch) vorgenommen.

7.8 Rechenbeispiele

Nachweis des Schubfeldes der Rahmenecke

Gemäss Bild 7.60a liegt der Binder auf der Stütze auf. Das heisst, die Schubfelddicke ist gleich die Stegdicke des IPE 450: 𝑡𝑤 = 𝑡w,t = 9.4 mm. Für Schubbeulen von scheibenförmigen Elementen (Schubfeld) verwenden wir ein vorteilhafteres Schlankheitskriterium (siehe Gl. (7.79)): √ √ ℎ − 𝑡𝑓 𝐸 4 ⋅ 210 000 435.6 ≤ 2.6 → = 46.3 ≤ 2.6 = 77.7 𝑡𝑤 9.4 235 𝑓𝑦 Dieses Kriterium ist zufriedenstellend erfüllt. Berechnung der auf das Schubfeld wirkenden Einwirkungen

Die Rahmenecken links und rechts in Bild 7.62 sind spiegelverkehrt bezüglich Geometrie und Kräften. Wir berechnen die auf die Stabachsen wirkenden Kräfte der Rahmenecke am Rand des Schubelementes unter der Annahme einer rechteckigen Scheibe (siehe auch Bild 7.36). Zuerst die im Binder wirkenden Kräfte: 𝑉 t,Ed = (𝑉3t,Ed cos 𝛽 + 𝑁3t,Ed sin 𝛽) = (115 kN cos 9.5◦ + 41.3 kN sin 9.5◦ ) = 120.2 kN

QEd

A

Binder

B

Nt,Ed Vt,Ed D

Vm,Ed

Nm,Ed

Mm,Ed

Binder

B

ht – tf,t Mt,Ed

ht

ht

ht – tf,t

A

Nt,Ed

Mt,Ed Vt,Ed

C

C Stütze

QEd

Stütze

Vm,Ed

Nm,Ed

Mm,Ed

hm – tf,m

hm – tf,m

hm

hm

links

rechts

Bild 7.62 Rahmenecke links und rechts.

D

437

438

7 Rahmenelemente

Dann die anderen den Konventionen entsprechenden Kräfte: 𝑀 t,Ed = − (𝑀3t,Ed + 𝑉 t,Ed

ℎ𝑚 0.29 m ) = − (−216 kN m + 120.2 kN ) 2 2

= 198.6 kN m 𝑁 t,Ed = (𝑉3t,Ed sin 𝛽 + 𝑁3t,Ed cos 𝛽) = (−115 kN sin 9.5◦ + 41.3 kN cos 9.5◦ ) = 21.7 kN (Druck) 𝑉 m,Ed = −𝑉3m,Ed = 21.6 kN 𝑀 m,Ed = − (𝑀3m,Ed − 𝑉 m,Ed

ℎ𝑡 0.45 m ) = (−216 kN m + 21.6 kN ) 2 2

= 211 kN m 𝑁 m,Ed = −𝑁3m,Ed = 120 kN (Druck) Am Rand der Scheibe wirkende Kräfte: 𝑉AB,Ed =

𝑀 t,Ed ℎ𝑡 − 𝑡f ,t

𝑉CB,Ed = −



𝑁 t,Ed 198.6 kN m 21.7 kN = − = 445.3 kN 2 0.4354 2

𝑀 m,Ed 𝑁 m,Ed 𝑄Ed + + − 𝑉 t,Ed 2 2 ℎ𝑚 − 𝑡f ,m

211 kN m 120 kN + − 120.2 kN = 704.3 kN 0.276 2 𝑀 t,Ed 𝑁 t,Ed 198.6 kN m 21.7 kN = + − 𝑉 m,Ed = − − 21.6 kN 2 0.4354 2 ℎ𝑡 − 𝑡f ,t =0+

𝑉CD,Ed

= 445.3 kN 𝑉AD,Ed =

𝑀 m,Ed 𝑁 m,Ed 𝑄Ed 211 kN m 120 kN − + = 0+ − = 704.5 kN 2 2 0.276 2 ℎ𝑚 − 𝑡f ,m

Wir sehen, dass 𝑉AB,Ed = 𝑉CD,Ed und 𝑉CB,Ed = 𝑉AD,Ed sind, weil wir die Kräfte auf eine rechtwinklige Scheibe verteilt haben. Ohne diese Annahme wären die Kräfte bis 8.5 % höher, aber nicht im Gleichgewicht. Nachweis von Schubbeulen der Scheibe

Die Schlankheitskriterien an den Knotenrändern wurden schon mit den wichtigsten Kräften nachgewiesen und haben eine Querschnittsklasse 1 ergeben. Die Schubwiderstände für die Querkraft finden wir in der Norm SIA 263, Art. 5.1 (Querschnittsklassen 1 und 2), Art. 5.2 (Querschnittsklasse 3) und Art. 6.6 (Knotenverstärkungen). Für die Richtungen CB oder AD kann 𝐴𝑣 des Profiles IPE 450 wie folgt berechnet werden: 𝐴𝑣 = 𝐴 − 2𝑏𝑡𝑓 + (𝑡𝑤 + 2𝑟)𝑡𝑓 = 5085 mm2 Der Widerstand ist somit: 𝜏𝑦 ⋅ 𝐴𝑉 235 N∕mm2 = √ 𝑉CB,Rd = 𝑉t,Rd = 5085 mm2 = 657.1 kN 𝛾𝑀1 3 ⋅ 1.05

7.8 Rechenbeispiele

Für die Richtungen AB oder CD ist diese Berechnung von 𝐴𝑣 nicht direkt anwendbar. Zur Vereinfachung und auf der sicheren Seite kann der schubwirksame Querschnitt 𝐴𝑤 der Querschnittsklasse 3 zur Berechnung des Schubwiderstandes 𝑉m,Rd verwendet werden. (Hier wird kein Radius in die Berechnung des schubwirksamen Querschnittes berücksichtigt, also wie ein geschweisstes Profil.) Dabei geht man davon aus, dass die vertikalen Rippen im IPE 450 mit 12 mm Dicke als Flansche und der Steg des IPE 450 dieses Profil bilden. Mit einer Schlankheit von 90∕12 = 7.5 sind die Rippen nicht beulgefährdet. Somit ist 𝐴𝑉 = 𝐴𝑤 = 𝑡w,t ⋅ (ℎ𝑚 − 𝑡f ,m ) = 9.4 ⋅ (290 − 12) = 2613 mm2 𝑉AB,Rd = 𝑉m,Rd =

235 N∕mm2 2613 mm2 = 337.6 kN √ 3 ⋅ 1.05

Als angemessene Variante können die Schweissnähte der Rippen als Radien angenommen werden, und die wirksame Schubfläche und der Widerstand 𝑉AB,Rd werden zu 𝐴𝑉 = 𝑡w,t ⋅ ℎ2,𝑚 + 2𝑡f ,m (𝑡w,t + 2𝑟𝑚 ) = 9.4 ⋅ 262 + 2 ⋅ 14(9.4 + 2.21) = 3902 mm2 𝑉AB,Rd = 𝑉m,Rd =

235 N∕mm2 3902 mm2 = 504.2 kN √ 3 ⋅ 1.05

was eine Vergrösserung zu 𝐴𝑤 von 49 % ergibt! Tragsicherheit

Der Nachweis ist ungenügend; der Steg der Rahmenecke muss verstärkt werden. 𝑉AB,Ed = 𝑉CD,Ed = 445.3 kN > 𝑉AB,Rd = 337.6 kN => Differenz Δ𝑉st,CD,Ed = 107.7 kN 𝑉CB,Ed = 𝑉AD,Ed = 704.3 kN > 𝑉CB,Rd = 657.1 kN => Differenz ΔVst,CB,Ed = 47.2 kN Für die Verstärkung werden zwei Varianten vorgesehen. Die erste Variante ist eine Verstärkung mit einer Schrägrippe. Die zweite Variante ist eine Stegverstärkung mit einem eingeschweissten Blech auf den Steg im Rahmenknoten oder die Anbringung eines stärkeren Stegbleches im Bereich des Rahmenknotens; letztere Variante ist fabrikationstechnisch sehr aufwendig. Verstärkung mit Schrägrippe

Nach Gl. (7.82) wird eine approximative Formel für die Fläche 𝐴𝑠 der Schrägrippe präsentiert (die Rahmenecke erlaubt die Plastifizierung des Binders, 𝑀pl,t,Rd ). 𝛼 ist hier der Winkel der Horizontalen zur Schrägrippe. 𝐴𝑆 ≥

(ℎ𝑚 − 𝑡f ,m )𝑡𝑤 𝑀pl,t 1 − ) ( √ cos 𝛼 𝑓𝑦 (ℎ𝑡 − 𝑡f ,t ) 3

439

440

7 Rahmenelemente

Für 𝛼 = 45◦ wird die Rippenstärke ca. 1,4-mal die Flanschdicke des Binders, was in unserem Fall 21 mm beträgt und eher viel ist. Mit einer genaueren und wirtschaftlicheren Methode werden nur die effektiven Kräfte in der Rahmenecke verwendet (siehe auch Norm SIA 263). Kräfte an den Knotenrändern (zur Erinnerung):

Δ𝑉st,CD,Rd = 𝑉CD,Ed − 𝑉CD,Rd − 𝑉CD,Rd = 445.3 kN − 337.6 kN = 107.7 kN Δ𝑉st,CB,Rd = 𝑉BC,Ed − 𝑉BC,Rd = 704.3 kN − 657.1 kN = 47.2 kN Mit den oben berechneten Kräften am Rand der Scheibe der Rahmenecke wird die erforderliche Rippenfläche wie folgt ermittelt: Rippenfläche:

𝐴st ≥

Δ𝑉st,CD,Rd ⋅ 𝛾𝑀1 𝑓𝑦 sin 𝛼

=

107.7 ⋅ 103 N ⋅ 1.05 = 899 mm2 235 N∕mm2 ⋅ sin 32.4

Und für den Neigungswinkel 𝜶 zwischen der Senkrechten und der Schrägrippe (gemäss Norm SIA 263): 𝛼 = arctan 𝑡st ≥

ℎ𝑚 − 𝑡f ,m ℎ𝑡 − 𝑡f ,t

= arctan

276 mm = 32.4◦ 435.4 mm

𝐴st 899 = = 5.6 mm 2.80 𝑏st

𝑡st ist die minimale Rippenstärke beidseits des Steges in S 235, mit einer Länge von 80 mm. Handelsüblich ist ein FLA 80 * 6 mm. Die Schlankheit dieses Bleches beträgt 𝑏st 80 = = 13.33 < 14𝜀 = 14 𝑡st 6 was gemäss Norm SIA 263, Tabelle 5 einer Querschnittsklasse 3 entspricht, und somit tritt kein Beulen vor Erreichen der Fliessgrenze 𝑓𝑦 auf. Die Schweissnähte müssen sorgfältig ausgeführt werden, insbesondere beim gezogenen Ende der Schrägrippe. Verstärkung mit Stegblech

Der zu verstärkende Anteil beträgt Δ𝑉st,CD,Rd = 107.7 kN. Die zusätzlich erforderliche Stegstärke im Rahmenknoten in der Richtung CD mit 𝑎 = ℎHEA 300 − 2𝑡Raid,vert : Stegstärke:

𝑡1 + 𝑡2 ≥

Δ𝑉st,CB,Rd ⋅ 𝛾𝑀1 107.7 ⋅ 103 N ⋅ 1.05 = 3.1 mm = 𝜏𝑦 𝑎 136 N∕mm2 (290 mm − 2.12 mm)

7.8 Rechenbeispiele

441

Somit braucht es ein zusätzliches Blech von 𝑡1 = 4 mm Dicke in Stahl S 235, auf einer Seite des Rahmenknotens aufgeschweisst. Dieses Blech könnte beulen. Es wird entlang des gesamten Randes angeschweisst. Mit der Begrenzung der Stegschlankheit, um Beulen zu verhindern, wird die minimale Blechdicke zu: ℎ1 378 mm = 4.86 mm 𝑡𝑝 ≥ √ = 77.7 𝐸 2.6 𝑓𝑦

Somit muss die Verstärkung mit einem einseitig angebrachten Blech der Dicke 5 mm vorgesehen werden. Aus fabrikationstechnischen Gründen ist die Schweissung solch dünner Bleche problematisch. Sinnvollerweise werden Bleche derselben Dicken verschweisst. Um Schwächungen der Randzonen zu vermeiden, sind die Nähte sorgfältig zu planen. Siehe dazu auch die konstruktiven Hinweise im Abschn. 7.5.3.

7.8.4

Nachweis eines gelenkigen Stützenfusses mit Zentrierleiste

Vorgaben

Es geht um die Stützenfüsse des oben behandelten Rahmens. Die Stütze ist ein HEA 300, mit Stützenfuss gemäss Bild 7.63. Die Gefährdungsbilder sind im Abschn. 6.7 aufgeführt. Bemessungswerte und Auswirkungen Normalkräfte

• Lastfall Nr. 1 massgebend, maximaler Druck: − = 1.35(−6.0 kN − 25.9 kN) + 1.50(−57.8 kN) = −130 kN 𝑁1,Ed

NEd

Stütze HEA 300 (in S 235)

d

25 moy,Ed

Rippe Fussplatte 300 × 25 – 280

e=d 2

C

e 45 30 45

Beton C 25/30

25

300

NEd

125

30

Aeff

125

280

Bild 7.63 Stützenfuss mit Zentrierleiste.

300 Fundation 1000 × 1000 mm

442

7 Rahmenelemente

• Lastfall Nr. 2 massgebend, maximaler Sog (Zugkraft): − 𝑁2,Ed = 0.8(−6.0 kN − 25.9 kN) + 1.50 ⋅ 48.8 kN = 47.7 kN

Zugehörige Querkräfte

• Lastfall Nr. 1: 𝑉1,Ed = 1.35(1.1 kN + 4.9 kN) + 1.50 ⋅ 10.9 kN = 24.5 kN • Lastfall Nr. 2: 𝑉4,Ed = 0.8(1.1 kN + 4.9 kN) + 1.50 ⋅ (−31.1 kN) = −41.9 kN Tragsicherheit Wirksame Fläche Aeff

Mit dem Konzentrationsfaktor 𝑘𝑐 = 2.0 und dem Diagramm aus Bild 7.46 erhält man für Stahl S 235 und Beton C 25/30: Betonwiderstand

• Auswirkungen: 𝜎moy,Ed =

− 𝑁1,Ed

𝐴eff

=

130 ⋅ 103 N = 3.6 N∕mm2 36.0 ⋅ 103 mm2

• Lokaler Druckwiderstand: 𝜎c,Rd = 𝑘𝑐 𝑓cd = 2.0 ⋅ 16.5 N∕mm2 = 33.0 N∕mm2 • Nachweis: 𝜎moy,Ed = 3.6 N∕mm2 < 𝜎c,Rd = 33.0 N∕mm2 Widerstand der Stahlplatte; Berechnungen für eine Einheitsbreite von 1 mm

• Auswirkungen: 𝑀Ed = 𝜎moy,Ed 𝑑 𝑒 = 𝜎moy,Ed 𝑑

(45 mm)2 𝑑 = 3.6 N∕mm2 ⋅ = 3645 N mm∕mm 2 2

• Elastischer Widerstand (nach Eurocode ist plastischer Widerstand anwendbar): 𝑀el,Rd =

𝑓𝑦 𝑊el 𝛾𝑀1

=

235 N∕mm2 ⋅ (25 mm)2 ∕6 = 23 313 N mm∕mm 1.05

• Nachweis: 𝑀Ed = 3645 N mm∕mm < 𝑀el,Rd = 23 313 N mm∕mm

7.8 Rechenbeispiele

7.8.5

Nachweis einer eingespannten Stütze

Vorgaben

Es geht um den Stützenfuss gemäss Bild 7.64. Die Tragsicherheit für die folgenden Bemessungswerte soll nachgewiesen werden (Nachweis nach SIA 263): Biegemoment: 𝑀Ed = 154 kN m, Normalkraft: 𝑁Ed = 226 kN, Querkraft: 𝑉Ed = 35.9 kN. Bemessungswerte der Auswirkungen

Diese lassen sich mit den Gleichgewichtsbedingungen bestimmen (siehe auch Bild 7.50): 𝑁Ed + 𝐹t,Ed − 𝐹c,Ed = 0 𝑀Ed − 𝐹t,Ed 𝑎𝑡 − 𝐹c,Ed 𝑎𝑐 = 0 𝐹t,Ed =

154 ⋅ 103 kN mm − 226 kN ⋅ (290 mm − 14 mm∕2) 𝑀Ed − 𝑁Ed 𝑎𝑐 = 𝑎𝑐 + 𝑎𝑡 ((290 mm − 14 mm)∕2) + (290 mm∕2 + 14 mm)

= 380 kN 𝐹C,Ed = 𝑁Ed + 𝐹t,Ed = 226 kN + 380 kN = 606 kN Tragsicherheit Wirksame Fläche

𝐴𝑐0 = 𝑎1 𝑏1 = 450 mm ⋅ 350 mm = 157.5 ⋅ 103 mm2 𝑎2 = 𝑎1 + 2𝑎𝑟 = 450 mm + 2 ⋅ 175 mm = 800 mm 𝑏2 = 𝑏1 + 2𝑏𝑟 = 350 mm + 2 ⋅ 225 mm = 800 mm 𝐴𝑐1 = 𝑎2 𝑏2 = 800 mm ⋅ 800 mm = 640 ⋅ 103 mm2 Konzentrationsfaktor: √ √ 𝐴𝑐1 640 ⋅ 103 mm2 = = 2.02 𝑘𝑐 = 𝐴𝑐0 157.5 ⋅ 103 mm2 Für 𝑘𝑐 = 2.02 und für Stahl S 235 sowie Beton C 25/30 lesen wir aus dem Diagramm von Bild 7.46 mit 𝑡 = 35 mm: 𝑑 ≈ 1.8 ⇒ 𝑑 = 1.8 ⋅ 35 mm = 63 mm 𝑡 𝐴eff ,c = (14 mm + 2 ⋅ 63 mm) ⋅ 350 mm = 49 ⋅ 103 mm2 Betonwiderstand

• Auswirkungen: 𝜎moy,Ed =

𝐹c,Ed 606 ⋅ 103 N = = 12.4 N∕mm2 𝐴eff ,c 49 ⋅ 103 mm2

443

444

7 Rahmenelemente

• Lokaler Druckwiderstand: 𝜎c,Rd = 𝑘𝑐 𝑓cd = 2.02 ⋅ 16.5 N∕mm2 = 33.3 N∕mm2 • Nachweis: 𝜎moy,Ed = 12.4 N∕mm2 < 𝜎c,Rd = 33.3 N∕mm2 Widerstand der Fussplatte (gedrückter Bereich); Berechnungen für eine Einheitslänge von 1 mm

• Auswirkungen: 𝑀Ed = 𝜎moy,Ed 𝑑𝑒 = 𝜎moy,Ed 𝑑

(63 mm) 𝑑 = 12.4 N∕mm2 ⋅ 2 2

= 24.6 ⋅ 103 N mm∕mm • Widerstand: 𝑀el,Rd

235 N∕mm2 ⋅ 𝑓𝑦 𝑊el = = 𝛾𝑀1 1.05

(35 mm)2 2

= 45.7 ⋅ 103 N mm∕mm

• Nachweis: 𝑀Ed = 24.6 ⋅ 103 N mm∕mm < 𝑀el,Rd = 45.7 ⋅ 103 N mm∕mm

Widerstand der Fussplatte (gezogener Bereich)

• Auswirkungen: 𝑀plaque,Ed = 𝐹t,Ed 𝑒 = 380 ⋅ 103 N ⋅ 40 mm = 15.2 ⋅ 106 N mm • Widerstand: Einflusszone einer Zugstange: 𝑙𝑒,0 = 2 ⋅ (1.5 ⋅ 40 mm) = 120 mm Dieser Wert entspricht dem Abstand der Ankerstangen: 𝑙𝑒 = 3𝑙𝑒,0 = 3 ⋅ 120 mm = 360 mm > 𝑏1 = 350 mm ⇒ 𝑙𝑒 = 350 mm 𝑀el,Rd =

𝑓𝑦 𝑙𝑒 𝑊el 𝛾𝑀1

=

235 N∕mm2 ⋅ 350 mm ⋅ 1.05

(35 mm)2 6

= 16.0 ⋅ 106 N mm

• Nachweis: 𝑀plaque,Ed = 15.2 ⋅ 106 N mm < 𝑀el,Rd = 16.0 ⋅ 106 N mm

7.8 Rechenbeispiele 40 40

h m = 290

40 40

MEd NEd Stütze HEA 300 (in S 235) a r = 175

VEd 35

Beton C 25/30

800

br = 225 ac = 138

a t = 185

Aeff,c 55

120

1.5

b1 = 350

1:

120

55 60 a1 = 450

60 14 br = 225

800

Bild 7.64 Eingespannter Stützenfuss.

800

445

446

7 Rahmenelemente

Widerstand der Zugstangen M 20 in Stahl 10.9, nicht vorgespannt

• Widerstand: 𝐹t,Rd = 0.9 ⋅

1000 N∕mm2 ⋅ 245 mm2 𝑓uB ⋅ 𝐴𝑠 = 176 ⋅ 103 N = 0.9 ⋅ 𝛾𝑀2 1.25

= 176.0 kN 𝐹v,Rd = 0.5 ⋅

1000 N∕mm2 ⋅ 245 mm2 𝑓uB ⋅ 𝐴𝑠 = 98.0 ⋅ 103 N = 0.5 ⋅ 𝛾𝑀2 1.25

= 98.0 kN • Nachweis: Der Nachweis erfolgt für eine Zugstange mit einer Interaktionsformel Zug–Schub: 2

(

2

2

2

𝐹t,Ed ∕3 𝑉Ed ∕3 380 kN∕3 35.9 kN∕3 ) +( ) =( ) +( ) = 0.53 < 1.0 𝐹𝑡⋅𝑅𝑑 𝐹𝑣⋅𝑅𝑑 176.0 kN 98.0 kN

7.9 Literaturverzeichnis 1 CIDECT, Design Guide 1 for circular hollow section, Second Edition. 2 CIDECT, Design Guide 3 for rectangular hollow section, Second Edition. 3 Beer, H. und Schulz, G. (1973). Biegeknicken gerader, planmässig zentrisch gedrückter Stäbe aus Baustahl. Convention européenne de la construction métallique, Rapport CECM-VIII-73-1, Rotterdam. 4 Eller, H. (1982). Stahlbau Handbuch, für Studium und Praxis, Bd. 1. Köln: StahlbauVerlags GmbH. 5 Petersen, C. (1982). Statik und Stabilität der Baukonstruktionen, 2. Aufl. Braunschweig, Wiesbaden: Vieweg & Sohn. 6 Kattner, M. (1999). Beitrag zum Entwurf von Rahmen mit Verbundknoten im Hochbau, Thèse EPFL No 2055, Ecole polytéchnique fédéral, Lausanne. 7 Crisinel, M., Luible, A. und Ruffieux, M. (2003). Guide technique pour le dimensionnement d’ossature de bâtiment à noeuds semi-rigides et à résistance partielle, rapport ICOM 433, Ecole polytéchnique fédéral, Lausanne. 8 Timoshenko, S.P. (1966). Théorie de la stabilité élastique. 2. Aufl. Paris: Dunod.

447

8 Windverbände 8.1 Einleitung Die Konzeption und die Prinzipien der Stabilisierung von Hallen wurden im Abschn. 2.3 und diejenigen von Gebäuden im Abschn. 2.5.6 dargelegt. Es wurden die unterschiedlichen Typen und einige Beispiele definiert. Im Abschn. 6.4 wurde die Bedeutung der Windverbände für die Stabilisierung von Rahmen behandelt. Im Speziellen wurden die Begriffe von ausgefachten und nicht ausgefachten Rahmen sowie von weichen und steifen Rahmen in Funktion der Effizienz von Windverbandsystemen erläutert. Diese Effizienz kann dank der Steifigkeit eines Vertikalverbandes in der Rahmenebene (Bild 8.1a) wie auch durch das elastische Auflager aus einem Horizontalverband in der Dachebene zustande kommen (Bild 8.1b). Das vorliegende Kapitel behandelt die Bemessung von Windverbänden von Hallen und Gebäuden. Die dargelegten Prinzipien sind allen Windverbandsystemen gemein (Abschn. 8.2). Es werden nacheinander die Fachwerkverbände

Rahmen Rahmen

(a) Vertikalverband in Rahmenebene

(b) Windverband in Dachebene

Bild 8.1 Seitliche Stabilisierung eines Rahmens.

Stahlhochbau – Entwurf und Bemessung von Hallen und Geschossbauten, 1. Auflage. Manfred A. Hirt, Michel Crisinel und Alain Nussbaumer. © 2024 EPFL Press. Published 2024 by Ernst & Sohn GmbH.

448

8 Windverbände

(Abschn. 8.3) und die Verbandscheiben aus Profilblechen (Abschn. 8.4) behandelt, und im Abschn. 8.5 werden abschliessend zwei numerische Beispiele gerechnet.

8.2 Windverbandsysteme 8.2.1

Einwirkungen und statische Systeme

Verbände sind die hauptsächlich stabilisierenden Elemente einer Tragstruktur. Sie sind im Wesentlichen Kräften in ihrer Ebene unterworfen. Folgende Einwirkungen erzeugen solche Kräfte: • • • •

Windlasten auf die Fassaden eines Gebäudes; horizontale Bewegungen der Fundationen aus Erdbeben; horizontale Auflagerreaktionen aus Kranbahnträgern infolge Hallenlaufkranen; vertikale Einwirkungen: In geneigten Dächern oder in Shedkonstruktionen, wo die Dachverbände in der Dachebene angeordnet sind, erzeugen die vertikalen Kräfte aus Eigengewicht von tragenden und nichttragenden Bauteilen sowie Schneelasten ebenfalls in der Verbandsebene wirkende Kräfte.

Windverbände haben die Funktion, einwirkende Kräfte in die Fundationen oder ein anderes Stabilisierungssystem zu leiten; sie müssen als stabile Elemente konzipiert sein, welche auf Auflager abgestützt sind. Man unterscheidet die folgenden Systeme (Bild 8.2): • Verbände als einfache Balken: Das Beispiel von Bild 8.2a zeigt einen Dachverband mit Profilblechen einer Halle mit fünf Zwischenbindern und zwei Giebelwänden. Letztere enthalten einen Vertikalverband, welchen die Auflager des Dachverbandes bilden. Die einwirkende Horizontalkraft auf diesen Träger ist der Wind auf die Fassaden. • Verbände als Durchlaufträger: Das Beispiel von Bild 8.2b zeigt die Verbunddecke eines Geschossbaues, der auch als Horizontalverband wirkt. Man nimmt an, dass jedes Geschoss als Horizontalverband konzipiert ist (ein formbeständiger steifer Grundriss), welcher die Horizontalkräfte an Vertikalverbände abgibt. Diese werden in diesem Beispiel einerseits durch zwei armierte Betonscheiben und andererseits durch zwei Vertikalverbände in den Giebelwänden gebildet. Das statische System des Horizontalverbandes (die Verbunddecken) ist somit ein statisch unbestimmter Durchlaufträger. • Verbände als Kragträger: Bei Bild 8.2c handelt es sich um einen vertikalen Fachwerkverband mit je zwei gekreuzten Diagonalen. Dieser Verband bildet das Auflager des Dachverbandes und leitet die Kraft 𝐻 aus der Dachebene in die Fundationen am Fuss des Vertikalverbandes. Die drei Beispiele in Bild 8.2 zeigen ebenfalls die drei unterschiedlichen Ausführungen von Verbänden: eine Scheibe mit Profilblechen, eine Verbunddecke und die Fachwerke. Es gibt weitere Ausführungsarten und statische Systeme von Verbänden, welche im Kap. 2 vorgestellt wurden.

8.2 Windverbandsysteme qw (Wind)

449

Ansicht

statisches System H

H Profilblech

Grundriss

qw

statisches System

(c) Kragträger

(a) einfacher Balken

Windverband (Profilblech)

qw (Wind)

Verbunddecke Grundriss

qw

statisches System

Windverband (Verbunddecke)

(b) Durchlaufträger Bild 8.2 Beispiele von statischen Systemen von Verbänden.

8.2.2

Kraftfluss der Horizontalkräfte

Statisch bestimmte Verbandsysteme

Bei äusserlich statisch bestimmten Systemen ist die Berechnung der horizontalen Auflagerkräfte nicht beeinflusst durch die Steifigkeit der verschiedenen Verbände. Die Reaktionen werden allein durch die Gleichgewichtsgleichungen in der Ebene berechnet. Als Beispiele betrachten wir zwei statisch bestimmte Verbandsysteme. Erstes Beispiel. Die Auflager des Horizontalverbandes (Decke) von Bild 8.3a bestehen aus drei Vertikalverbänden, angeordnet in einer U-Form. Man nimmt an,

450

8 Windverbände A

A

B

B R1

R2

D 2a

b

Vertikalverbände

C

HCD c

(b) Wind senkrecht auf Fassade CD A D

C

2b

a a

(a) Grundriss

B

HDA

R2

R1 D

b

R3

c

C

(c) Wind senkrecht auf Fassade AD Bild 8.3 Verbandsystem mit drei Vertikalverbänden in U-Form.

dass die Bodenplatte in ihrer Ebene formstabil sei. Ein solches System ist stabil, weil sich die drei Kraftvektoren der Auflager (Vertikalverbände) nicht in einem Punkt schneiden und nicht parallel verlaufen (Abschn. 2.3.1, Bild 2.16). Im Weiteren nimmt man an, dass die Stützen weich sind beziehungsweise dass sie in jeder Ebene gelenkig gelagert sind und somit keine Horizontalkräfte aufnehmen können. Bei einer Windeinwirkung senkrecht zur Fassade CD (Bild 8.3b) wird die resultierende Windeinwirkung 𝐻CD in der Mitte der Fassade CD angesetzt. Die Kraft 𝐻CD ist im Gleichgewicht mit den beiden Reaktionen 𝑅1 und 𝑅2 . Der dritte Verband liefert keine Auflagerreaktion, da die Resultierende senkrecht zu dessen Ebene wirkt. Die Gleichgewichtsgleichungen sind die folgenden: 𝑐 𝑏+𝑐 𝑏 𝑅2 = 𝐻CD 𝑏+𝑐

𝑅1 = 𝐻CD

(8.1)

Für den Fall einer Windeinwirkung senkrecht zur Fassade DA (Bild 8.3c) wird die resultierende Windeinwirkung 𝐻DA in der Mitte der Fassade DA angesetzt. Die Kraft 𝐻DA ist im Gleichgewicht mit der Reaktion 𝑅3 = 𝐻DA . Infolge der Exzentrizität 𝑎 dieser beiden Kräfte entsteht ein Moment 𝐻DA 𝑎, welches durch ein gleich grosses, aber entgegengesetzt wirkendes Kräftepaar 𝑅1 und 𝑅2 aufgenommen werden muss. Die Gleichgewichtsgleichungen sind die folgenden: 𝑅3 = 𝐻DA 𝑅1 = 𝑅2 = 𝐻DA

𝑎 𝑏+𝑐

(8.2)

8.2 Windverbandsysteme

451

A c R3

A B

B R2 R1

b

e

Vertikalverband

H

a a2

C a1

C

(a) Grundriss

(b) Wind senkrecht auf Fassade BC

Bild 8.4 Verbandsystem von drei in einem Dreieck angeordneten Vertikalverbänden.

Zweites Beispiel. Die Auflager des Horizontalverbandes (Decke, Raumfachwerk) in Bild 8.4a sind in den Seiten eines Dreiecks angeordnet. Die Gleichgewichtsbedingungen von Abschn. 2.3.1 sind erfüllt; das System ist stabil. Die gleichen Bedingungen gelten für die Stützen und die Decke sowie für die Ermittlung der horizontalen Reaktionen bezüglich jeder Windrichtung, welche auf eine der drei Fassaden wirkt. Für den Fall einer Windeinwirkung senkrecht zur Fassade BC (Bild 8.4b) wirkt die resultierende Windeinwirkung 𝐻 senkrecht auf diese Fassade in einer Distanz 𝑎2 zum Punkt B beziehungsweise 𝑎1 zum Punkt C. Mit den drei Gleichgewichtsbedingungen des Systems um die Eckpunkte A, B und C des Dreiecks erhält man die Reaktionen wie folgt: 𝑅1 = 𝐻

𝑒 𝑏

𝑅2 = 𝐻

𝑎2 𝑐

𝑅3 = 𝐻

𝑎1 𝑎

(8.3)

Mit analogen Rechnungen findet man die Werte der Reaktionen 𝑅1 , 𝑅2 und 𝑅3 für die anderen Windrichtungen senkrecht zu den Fassaden AB beziehungsweise CA. Statisch unbestimmte Windverbandsysteme

In statisch unbestimmten Systemen ist die Berechnung der horizontalen Auflagerreaktionen von verschiedenen Vertikalverbänden nicht allein durch Gleichgewichtsbedingungen möglich. Wie generell bei elastischer Statik sind zusätzliche Bedingungen wie das Verformungsverhalten der verschiedenen Verbände einzubeziehen. Grundsätzlich macht man folgende vereinfachende Hypothesen: • Die Decken sind horizontal unendlich steif, was meistens der Fall ist (Betondecken, Verbunddecken, Montageverbände in Deckenebene). • Die Steifigkeit der Vertikalverbände ist über die Höhe konstant oder variiert für alle Verbände im gleichen Verhältnis. Diese Hypothese ist meistens erfüllt. Sie ist nötig, damit man annehmen kann, dass das Verhältnis der horizontalen Auf-

452

8 Windverbände

lagerreaktionen der verschiedenen Vertikalverbände auf jeder Höhe der Struktur gleich ist. Als Beispiele untersuchen wir drei statisch unbestimmte Verbandsysteme. Erstes Beispiel. Die vier Vertikalverbände 𝑅𝑥 sind untereinander parallel (Bild 8.5a). Damit das System stabil ist, braucht es mindestens einen Verband, der rechtwinklig zu ihnen ist. Für die Berechnung der horizontalen Reaktionen kann das System schematisch als unendlich steifer Träger auf elastischen Auflagern betrachtet werden (Bild 8.5b). Die Auflagerreaktion jedes Vertikalverbandes ist proportional zu seiner Steifigkeit, die definiert ist als erforderliche Kraft, welche eine einheitliche Deformation erzeugt; damit kann der „Schwerpunkt“ O der Steifigkeiten der Vertikalverbände gefunden werden (Steifigkeits-Schwerpunkt). Die Reduktion der resultierenden Einwirkung 𝐻 (in Fassadenmitte wirkend) in den Punkt O ergibt die Kraft 𝐻 und das Moment 𝑀 = 𝐻𝑒; diese beiden Werte haben folgende Wirkung: • Wirkung der Kraft 𝐻 im Punkt O: Die Reaktionen 𝑅𝑖′ haben dieselbe Richtung wie 𝐻 und sind proportional zur Steifigkeit von jedem Verband: ∑ ′ 𝑅𝑖′ 𝑅𝑖 𝑅′ 𝑅1′ 𝐻 = 2 =…= = ∑ = ∑ (8.4) 𝐸1 𝐼1 𝐸2 𝐼2 𝐸𝑖 𝐼𝑖 𝐸𝑖 𝐼𝑖 𝐸𝑖 𝐼𝑖 Im Fall, wo 𝐸1 = 𝐸2 = …𝐸𝑖 = 𝐸 ist, ergeben die parallel verschobenen Reaktionen: 𝐼 𝑅𝑖′ = ∑𝑖 𝐻 𝐼𝑖

(8.5)

zu CV senkrechter Verband

O R2 R1

CV

CV

R3

CV

CV

Ri

H

(a) Grundriss e

CV : parallele vertikale Windverbände

xi

verschobene Lage

O H

EI =

Ausgangslage

(b) statisches System

Bild 8.5 System mit verschiedenen parallelen Vertikalverbänden.

Rotationsanteil Verschiebeanteil

8.2 Windverbandsysteme

• Wirkung des Momentes aus der Kraft 𝐻 im Punkt O: 𝑀 = 𝐻𝑒: Die Reaktionen 𝑅𝑖′′ sind einerseits proportional zur Abszisse 𝑥𝑖 (im vorliegenden Fall eine formstabile Platte) und zur Steifigkeit 𝐸𝑖 𝐼𝑖 von jedem Windverband, und andererseits ist die Summe der Momente um den Punkt O gleich 𝐻 ⋅ 𝑒; somit ist 𝑅1′′ 𝐸1 𝐼1 𝑥1

=

𝑅2′′ 𝐸2 𝐼2 𝑥2

=…=

𝑅𝑖′′

(8.6)

𝐸𝑖 𝐼𝑖 𝑥𝑖

und daraus: 𝑅1′′ 𝑥1 𝐸1 𝐼1 𝑥12

=

𝑅2′′ 𝑥2 𝐸2 𝐼2 𝑥22

=…=

𝑅𝑖′′ 𝑥𝑖 𝐸𝑖 𝐼𝑖 𝑥𝑖2

= ∑

𝐻𝑒 𝐸𝑖 𝐼𝑖 𝑥𝑖2

(8.7)

Im Fall, wo 𝐸1 = 𝐸2 = … 𝐸𝑖 = 𝐸 ist, ergibt der Anteil der Reaktionen aus der Rotation: 𝐼𝑖 𝑥𝑖 𝑅𝑖′′ = ∑ 2 𝐻 ⋅ 𝑒 𝐼𝑖 𝑥𝑖

(8.8)

• Die Summe der Reaktionen beträgt schliesslich: 𝐼𝑖 𝑥𝑖 𝐼𝑖 𝑅𝑖 = 𝑅𝑖′ + 𝑅𝑖′′ = ( ∑ + ∑ 2 𝑒) 𝐻 𝐼𝑖 𝐼𝑖 𝑥𝑖

(8.9)

𝐸𝑖 𝐼𝑖 : Steifigkeit des Vertikalverbandes 𝑖, Lage des Vertikalverbandes 𝑖 bezüglich des Schwerpunktes O der Steifigkei𝑥𝑖 : ten 𝐸𝑖 𝐼𝑖 , 𝑒: Exzentrizität der resultierenden Windkraft 𝐻 zum Punkt O. Somit kann die ganze Verschiebung eines Gebäudegeschosses in einen Teil Parallelverschiebung und einen Teil Rotation um den Punkt O aufgeteilt werden (Bild 8.5b). Wenn die Resultierende 𝐻 der Horizontalkräfte mit dem Schwerpunkt O der Steifigkeiten der Vertikalverbände zusammenfällt, wird die Rotation null, und die Auflagerreaktion 𝑅𝑖 berechnet sich nach Gl. (8.5). Das Verbandsystem dieses Ausnahmefalles ist vorteilhaft, vorausgesetzt, dass man die Verbände frei anordnen kann; damit lassen sich die parallelen Verbände und ihre Elemente in gleicher Art konzipieren und bemessen. Zweites Beispiel. Es gibt nur einen einzigen Vertikalverband, aber die Stützen sind durchlaufend (Bild 8.6). Wir nehmen an, dass die Steifigkeit EI cv des Vertikalverbandes unendlich steifer sei als diejenige der Stützen. Aus diesem Grund befindet sich der Punkt O für eine Windrichtung gemäss Bild 8.6 in der Mitte des Vertikalverbandes. Diese Annahme erlaubt es, das Verhalten des Gebäudes für die Abtragung der Horizontallasten wie folgt zu schematisieren: Der Anteil der Parallelverschiebung wird im Wesentlichen durch den Vertikalverband verhindert, während der Teil der Rotation durch die Stützen aufgenommen werden muss. Dieses System ist ungünstig für im Grundriss lange Gebäude, weil die am weitesten entfernten Stützen

453

454

8 Windverbände x3 xi x1 R1

Ri

Vertikalverband (EIcv)

R3 Horizontalverband

Rcv

O

H

Grundriss

Durchlaufstütze

2b b

statisches System

EI = O

Rotation H

Bild 8.6 System mit einem Vertikalverband und durchlaufenden Stützen.

sehr stark beansprucht werden. Das System ist ebenfalls nicht empfehlenswert bezüglich Erdbebeneinwirkung. Die Reaktion 𝑅cv des Verbandes und die Reaktionen 𝑅𝑖 erhält man durch folgende Gleichungen: ∑ 𝑅𝑖 (8.10) 𝐻 = 𝑅cv + ∑ (8.11) 𝐻⋅𝑏 = 𝑅𝑖 𝑥𝑖 Die Reaktion 𝑅𝑖 ist proportional zur Steifigkeit 𝐸𝑖 𝐼𝑖 der Summe von 𝑛 Stützen an der Stelle 𝑖 im Abstand von 𝑥𝑖 : 𝑅𝑖 = 𝛼𝑛𝐸𝑖 𝐼𝑖 𝑥𝑖

(8.12)

Durch Einführung der Gl. (8.12) in das System der Gleichgewichtsgleichungen und unter der Annahme, dass 𝐸1 = 𝐸2 = … 𝐸𝑖 = 𝐸 sei, kann man den Proportionalitätsfaktor 𝛼 eliminieren und 𝑅𝑖 als Funktion der resultierenden Windkraft 𝐻 analog zur Gl. (8.8) finden: 𝐼𝑖 𝑥𝑖 𝑅𝑖′′ = ∑ 2 𝐻𝑏 𝐼𝑖 𝑥𝑖 Die Auflagerreaktion im Fassadenverband lautet: ∑ 𝐼𝑖 𝑥𝑖 𝑅cv = 𝐻 − 𝛴𝑅𝑖 = (1 − ∑ 2 𝑏) 𝐻 𝐼𝑖 𝑥𝑖

(8.13)

(8.14)

8.2 Windverbandsysteme

455

Für eine Windeinwirkung auf die schmale Fassade von Bild 8.6, das heisst rechtwinklig zu 𝑅cv , nehmen wir an, dass die Steifigkeit der durchlaufenden Stützen für die Aufnahme der einwirkenden Kräfte genügt; die resultierende Kraft auf die schmale Fassade ist kleiner als diejenige auf die lange Fassade. Drittes Beispiel. Das Tragsystem enthält einen zentralen Kern (Bild 8.7). Wenn die Verbindungen zwischen Stützen und Bodenträger gelenkig sind, beteiligen sich die Stützen nicht an der Abtragung der horizontalen Lasten. Diese werden über die steifen Decken in ihrer Ebene an den Kern abgegeben, welcher allein die Lasten aufnimmt und an die Fundationen überträgt. Im Normalfall (Bild 8.7b) ist dieser Kern stark auf schiefe Biegung und Torsion beansprucht. Die Bemessung der Kerne und tragenden Innenwände ist den einschlägigen Stahlbeton-Lehrbüchern zu entnehmen. Besondere Beachtung muss dem Lastfall Erdbeben gewidmet werden. Siehe auch Bild 8.7c–e. Horizontalverband

Rotation Verschiebung

(a) Grundriss

(c) Deformation des Kerns Längswind Torsion (Wind quer)

Kern

(d) Verschiebeanteil äussere Hülle Wind quer

(b) Beanspruchung des Kerns Bild 8.7 System mit zentralem Kern.

(e) Rotationsanteil

456

8 Windverbände

8.3 Fachwerkverbände 8.3.1

Ebene Fachwerke

Für die Stabilisierung der Stahltragwerke von Hallen (Abschn. 2.3) und Gebäuden (Abschn. 2.5.6) werden meistens Fachwerkstäbe verwendet, welche zwischen anderen Tragelementen (Pfetten, Binder, Stützen, Bodenträger) eingebaut sind, sodass ein Fachwerkträger entsteht. Diese Stäbe können nur Kräfte in ihrer Ebene aufnehmen, welche vorzugsweise in den Knoten wirken, da sie weder eine Steifigkeit aus der Ebene noch eine Torsionssteifigkeit besitzen. Bild 8.8 zeigt Beispiele von Kraftverläufen einer Halle mit horizontalem Dach für Einwirkungen in Quer- und Längsrichtung. Wie wir in Bild 2.22 von Abschn. 2.3 gesehen haben, sind die meisten Verbände äusserlich statisch bestimmt und innerlich statisch unbestimmt, weil sie Kreuzverbände aufweisen und somit für Windeinwirkungen in beide Richtungen konzipiert sind. Um die Berechnung zu vereinfachen, vernachlässigen wir die Druckstäbe, und das System wird innerlich statisch bestimmt. Hinweise für die Bemessung finden sich im Abschn. 5.7 des TGC 10, Stahlbau. Für die Vordimensionierung der GurtNormalkräfte in Trägermitte eines statisch bestimmten Fachwerkes gilt: 𝑁𝑓 =

𝑀𝑤 ℎ

(8.15)

𝑀𝑤 : maximales Biegemoment in Trägermitte aus Windeinwirkung, ℎ: statische Höhe des Fachwerkverbandes (Abstand der Gurtschwerpunkte). Die Kräfte in den Füllgliedern (Diagonalen, Pfosten) werden nach den einschlägigen Regeln der Baustatik (Ritter-Schnitt) bestimmt. Hier treten die grössten Kräfte bei den Auflagern auf. In jedem Knoten muss Gleichgewicht herrschen. Dort, wo ein Gurt des Dachverbandes mit einem Rahmenriegel zusammenfällt, erhält dieser zusätzliche Normalkräfte 𝑁f ,i aus Windeinwirkung. Die Normalkräfte 𝑁f ,i werden bei den Anschlusspunkten der Fachwerkpfosten und -diagonalen in den Binderobergurt eingeleitet (Bild 8.9a). Bei Vollwandbindern mit konstanter Höhe (Bild 8.9b) werden die Kräfte im Windverband in den Oberflansch des Riegels eingeleitet. Infolge der Exzentrizität 𝑒 der Kräfte bezüglich der 𝑥-Achse des Vollwandbinders entsteht ein zusätzliches Biegemoment um die 𝑦-Achse des Riegels, das berücksichtigt werden muss. Die jeweiligen Auswirkungen müssen immer aus demselben Gefährdungsbild stammen. Die Fachwerk-Querverbände in einem ebenen Dach (Bild 8.10a) sind in ihrer Ebene belastet; sie weisen keine Torsionssteifigkeit auf. Wenn der Verband nicht in der Ebene der Schwerachse des Binders, sondern in Obergurtebene liegt, muss die Berechnung wie für ein U-Profil geschehen (Bild 8.10b); dabei bilden das Fachwerk den Steg und die Riegel die Flansche eines „Rahmens“ [4]. Im Weiteren wird die Horizontalkraft nicht im Schubmittelpunkt C des „U-Querschnittes“, sondern im Steg eingeleitet. Es entsteht ein Torsionsmoment, welches durch eine vertikale antimetrische Biegung der beiden nebeneinander liegenden Riegel des Verbandes auf-

8.3 Fachwerkverbände Druckdiagonalen Wind

(a) querverlaufende Kräfte

Wind

(b) längsverlaufende Kräfte Bild 8.8 Kraftverlauf in Längs- und Querrichtung einer Halle mit horizontalem Dach.

genommen werden muss. Das Torsionsmoment beträgt: 𝑇 = 𝑄𝑤 𝑧 𝑄𝑤 : längslaufende horizontale Windlast, 𝑧: Abstand zwischen Schubmittelpunkt C und der Kraft 𝑄𝑤 .

(8.16)

457

458

8 Windverbände Nf,i

Nf,i

(a) Fachwerkbinder

e

(b) Vollwandriegel

Bild 8.9 Krafteinleitung aus dem Dachwindverband in den Binder. a A Qw

Qw

A

(a) Windverband eines ebenen Daches

C

Qw

Qv

z

C

T

Qv

Windverband Riegel

a

Schnitt A - A

(b) U-Querschnitt

(c) Ersatzkräfte

Bild 8.10 Beanspruchung eines „U-Querschnittes“ aus dem Dachverband und den beiden Bindern aus einem H-Profil.

Die äquivalente Vertikalkraft auf die Binder beträgt (Bild 8.10c): 𝑄𝑣 =

𝑇 𝑎

(8.17)

𝑎: Riegelabstand. Beim Tragsicherheitsnachweis muss die Interaktion aus dem Torsionsmoment 𝑇 und den Normalkräften 𝑁𝑓 im Binder berücksichtigt werden.

8.3 Fachwerkverbände

8.3.2

Nicht in einer Ebene liegende Fachwerke

Im Gegensatz zu den meisten äusserlich statisch bestimmten Fachwerkverbänden in ebenen Dächern (Abschn. 8.3.1) sind die nicht in einer Ebene liegenden Dachverbände in der Regel dreifach statisch unbestimmt (Bild 8.11a). Im Fall von Symmetrie bezüglich Geometrie und Lasten (in Hallenlängsrichtung laufende Horizontallasten) sind die längslaufenden Auflagerreaktionen 𝑅DA und 𝑅CB sowie die Normalkräfte in den Untergurten der Binder gleich. Das System wird einfach statisch unbestimmt. Die Berechnung der Stabkräfte eines solchen symmetrischen Verbandes geschieht mit der Anwendung des Schnittprinzips unter der Annahme eines horizontalen ebenen Fachwerkes mit den effektiven Stablängen. Wenn das System nicht symmetrisch ist, müssen die Stabkräfte mithilfe der Querkraftlinie des gebogenen oder geknickten in der Dachebene belasteten Fachwerkes bestimmt werden [4]. Der Einfluss der Exzentrizität der Längskräfte zum Schubmittelpunkt des „U-Querschnittes“ wird wie die ebenen Fachwerke in Abschn. 8.3.1 behandelt. Die Einleitung der Gurtkräfte des Verbandes in den Binder muss je nach Bindertyp entsprechend untersucht werden. Wenn der Binder dreieckförmig (Bild 8.11b) oder polygonal ist und wenn der Verband in Dachebene angeordnet ist, ergeben sich vertikale Ablenkkräfte beim First, welche bei der Bemessung des Binders berücksichtigt Qw

Qw

Qw B

Qw

C VB

Qw

RCB VC

A D

VA

HD

RDA

VD

(a) Auflagerkräfte Nf 3 Nf 2 Nf 1 A

Nf 4 Nf 5 Nf 6

VA

(b) Gurtkräfte Bild 8.11 Kräfte bei nicht in einer Ebene liegenden Fachwerken.

B VB

459

460

8 Windverbände

werden müssen. Bei gedrücktem Verbandsgurt ergeben sich abhebende Kräfte und bei gezogenen Gurten wirken die Ablenkkräfte nach unten.

8.3.3

Exzentrische Stabanschlüsse

Im Abschn. 7.3.2 (Innere Kräfte) haben wir gesehen, wie Sekundärkräfte verhindert werden können. Diese Sekundärkräfte ergeben sich aus der Exzentrizität der Stäbe in den Knoten, aus Krafteinwirkungen zwischen den Fachwerkknoten und bei Einspannungen von steifen Knoten. In Fachwerkverbänden ist die Exzentrizität der Stäbe massgebend. Oft sind aus geometrischen Gründen die tragenden Stäbe eines Fachwerkes nicht in einer Ebene oder nicht zentrisch in den Knoten angeordnet. In diesen Fällen müssen die Sekundärkräfte aus Exzentrizität nachgewiesen werden. Dazu betrachten wir das Beispiel eines Vertikalverbandes von Bild 8.12a. Wir nehmen an, dass sich die Stäbe in einer Ebene befinden, aber nicht im Knoten schneiden. Aus der Exzentrizität 𝑒 der Diagonale zum gelenkigen Auflager der Stütze auf dem Oberflansch des Unterzuges (Bild 8.12b) ergeben sich in der Stütze folgende Fdiag H h

Stütze h

A

hsom

h

e

RA

l

l

(a) Vertikalschnitt und Knotendetail A

Hauptträger

h som

durchlaufender Hauptträger

(b) Detail A Msec RB

l Msec

l Msec

h–e

h

Fdiag Msec e

(d) Sekundärmomente im Hauptträger

RA

(c) Sekundärmomente in der Stütze

Bild 8.12 Auswirkungen der Exzentrizität der Stäbe eines Vertikalverbandes auf die Kräfte im Hauptträger und in der Stütze.

8.3 Fachwerkverbände

Sekundärkräfte (Bild 8.12c): horizontale Reaktion: 𝑅𝐴 = 𝐹diag cos 𝛼 maximales Biegemoment: 𝑀sec = 𝑅𝐴 𝑒

ℎ−𝑒 ℎ

(8.18) (in der Stütze)

(8.19)

Im Hauptträger erzeugt die Exzentrizität ℎsom ∕2 der Reaktion 𝑅𝐴 der Stütze ein Sekundärmoment, welches sich je hälftig auf die benachbarten Felder aufteilt (Bild 8.12d): ℎsom (im Hauptträger) (8.20) 2 Die Sekundärmomente müssen bei den Nachweisen der Elemente berücksichtigt werden durch Superposition der Spannungen (elastische Bemessung) oder mithilfe der Interaktionsformeln (elastisch-plastische Bemessung). Solche Exzentrizitäten werden bewusst bei Gebäudestrukturen in Zonen mit Erdbebenrisiko eingeplant. Das erlaubt dem Ingenieur, die Bereiche mit konzentriertem plastischem Verformungsvermögen zu bestimmen, wo im Erdbebenfall die Dissipationsenergie aufgenommen werden kann (duktiles Verhalten, Kapazitätsbemessung). 𝑀sec = 𝑅𝐴

8.3.4

Temperatureinwirkung

Im Abschn. 2.3.3 haben wir gesehen, dass gewisse Verbandsanordnungen bei fehlenden Temperatur-Dilatationen zusätzliche Kräfte in den Tragstrukturen verursachen können. Bei der Betrachtung von Bild 2.20 kann man die folgenden zwei Extremfälle finden: Freie Ausdehnung (Bild 8.13a)

Die Verlängerung der Halle beträgt: Δ𝑙𝑇 = 𝜀𝑇 𝑙 = 𝛼𝑇 Δ𝑇𝑙

(8.21)

Verhinderte Ausdehnung (Bild 8.13b)

In der Annahme, dass die Verbände in den Randfeldern unendlich steif sind, beträgt die Spannung in einem Fassadenriegel bei einer Temperaturerhöhung von Δ𝑇: 𝜎𝑇 = 𝜀𝑇 𝐸 = 𝛼𝑇 Δ𝑇𝐸

(8.22)

Die entsprechende Normalkraft im Riegel beträgt dann: 𝑁𝑇 = 𝜎𝑇 𝐴 𝑙: 𝛼𝑇 : Δ𝑇 : 𝐸: 𝐴:

der Ausdehnung unterworfene Hallenlänge, Temperaturausdehnungskoeffizient (𝛼𝑇 = 10 ⋅ 10−6 /°C), gleichförmige Temperaturerhöhung, Elastizitätsmodul von Baustahl (𝐸 = 210 kN∕mm2 ), Querschnittsfläche des Riegels (bzw. des betrachteten Stabes).

(8.23)

461

462

8 Windverbände lT

(a) l NT

NT

(b)

Bild 8.13 Halle mit freier (a) und verhinderter (b) Ausdehnung.

Teilweise verhinderte Ausdehnung

In der Praxis sind die Normalkräfte im Fassadenriegel viel kleiner als in Gl. (8.23) berechnet, weil die Verbände verformbar sind. Es ist möglich, die Normalkräfte im Fassadenriegel in Funktion der Steifigkeit der Verbände zu bestimmen, einerseits durch Anwendung der Kraftmethode und der Verträglichkeitsbedingungen der Verformungen oder andererseits durch Berechnung mit der Deformationsmethode (z. B. mit EDV-Programmen). Eine ähnliche Betrachtung kann für die Pfetten und Dachverbände angewendet werden. Da sich Letztere auf die Fassadenverbände abstützen, gibt es zwischen den beiden Verbänden eine Interaktion. Falls erforderlich (z. B. bei Hallen mit Tragstruktur ausserhalb der Gebäudehülle), muss eine genauere Untersuchung der Kräfte aufgrund von Temperatureinwirkungen erfolgen, vorteilhaft mit EDVProgrammen; damit können die Dilatation von Pfetten und Riegeln sowie die Reaktionen von Dach- und Fassadenverbänden einbezogen werden.

8.3.5

Äquivalentes Trägheitsmoment

Das äquivalente Trägheitsmoment 𝐼eq eines Fachwerkverbandes kann durch einen äquivalenten Träger mit gleicher Spannweite und gleicher Durchbiegung unter den gleichen Lasten bestimmt werden. Der Querkrafteinfluss eines Fachwerkträgers (Dehnung der Pfosten und Diagonalen) muss für die Durchbiegung auch berücksichtigt werden, was für Vollwandträger (geschweisst oder gewalzt) in der Regel vernachlässigt werden kann. Bild 8.12 zeigt das Beispiel einer Berechnung eines äquivalenten Trägheitsmomentes 𝐼eq eines Fachwerkes mit der Energiemethode (vorteilhaft mit EDV-Programmen). Das Vorgehen geschieht in folgenden Etappen: • Berechnung der Kräfte 𝑁Qw,i in den Stäben des Fachwerkes als einfachen Balken mit den Stablängen 𝑙𝑖 unter den äusseren Einwirkungen 𝑄𝑤 auf jeden Rahmen; die Druckstäbe werden vernachlässigt (Bild 8.14a). • Berechnung der Kräfte 𝑁1𝑖 in den Fachwerkstäben als einfachen Balken unter der Einheitslast 1 in der Mitte der Spannweite (dort, wo die Durchbiegung gesucht ist); die Druckstäbe werden auch hier vernachlässigt (Bild 8.14b).

8.4 Windaussteifung mit Profilblechen

463

vernachlässigte Druckdiagonale 1Q 2 w

Qw

Qw

Qw

Qw

Qw

1 Q 2 w

Qw q= a wcv

a

a

a

a

a

weq

Ieq = konstant

l cv

a

(a) Verband unter Einwirkung der Kräfte Qw

(c) Ersatzträger

1

(b) Einheitslast Bild 8.14 Berechnung des äquivalenten Trägheitsmomentes eines Fachwerkverbandes.

• Berechnung der mittigen Durchbiegung 𝑤cv im Fachwerkverband mit folgendem Ausdruck (Arbeitsgleichung): 𝑤cv = ∫ 𝑁1𝑖 𝜀𝑑𝑠 = ∫ 𝑁1𝑖

𝑛 ∑ 𝑁Qw,i 𝑁1𝑖 𝑁Qw,i 𝑑𝑠 = 𝑙 𝐸𝐴𝑖 𝐸𝐴𝑖 𝑖 𝑖=1

(8.24)

• Berechnung der Durchbiegung 𝑤wq des Ersatzstabes (Bild 8.14c); dabei können die konzentrierten Lasten durch eine gleichmässig verteilte Last ersetzt werden, sofern mehr als drei konzentrierte Zwischenlasten vorkommen: (𝑄 ) 𝑤 4 𝑙cv 5 𝑎 (8.25) 𝑤eq = 384 𝐸𝐼eq • Durch Gleichsetzen von 𝑤cv und 𝑤eq erhält man das äquivalente Trägheitsmoment 𝐼eq mit dem Querkrafteinfluss, da die Zugdiagonalen bei der Berechnung der Durchbiegung 𝑤cv des Fachwerkes berücksichtigt wurden: (𝑄 ) 𝑤 4 𝑙cv 5 1 𝑎 𝐼eq = (8.26) ∑𝑛 384 𝐸 (𝑁 𝑁 ∕𝐸𝐴 𝑙 ) 𝑖=1

1𝑖

Qw,i

𝑖 𝑖

8.4 Windaussteifung mit Profilblechen 8.4.1

Scheibenwirkung

Die Scheibenwirkung in Hallen mit einem Giebeldach, deren Bedachung aus Profilblechen besteht, wurde das erste Mal bei Bild 2.25 betrachtet. Ein solches Dach verhält sich unter Vertikallasten wie ein Faltwerk. Wenn das Profilblech in seiner Ebene eine grosse Schubsteifigkeit aufweist, vermag es mithilfe der unterstützenden

464

8 Windverbände

Pfetten der Querkraft ähnlich wie der Steg eines Trägers mit grosser Höhe standzuhalten. Die Trauf- und Firstpfetten wirken wie die Flansche dieses Trägers. Mit den verschiedenen Verbindungen zwischen den einzelnen Elementen (Profilblech, Pfetten, Binderriegel) gibt es immer eine Scheibenwirkung, ob der projektierende Ingenieur das berücksichtigt oder nicht! Bei flachen Hallendächern, wo nur die Horizontallasten in der Ebene der Profilbleche wirken, können diese Kräfte mit der Scheibenwirkung aufgenommen werden. Dieser Effekt ist so wirkungsvoll, dass man oft dank den Profilblechen ohne Portalrahmen und ohne herkömmlichen Fachwerkverband im Dach auskommen kann. Die durch Profilbleche stabilisierten Tragstrukturen werden in zwei Gruppen eingeteilt (Bild 8.15): • nur durch Scheibenwirkung stabilisierte Strukturen (gelenkige Rahmen), • gleichzeitig durch Scheiben- und Rahmenwirkung stabilisierte Strukturen (steife Rahmen). Die erste Gruppe betrifft hauptsächlich kleinere Hallen mit Flachdach (Bild 8.15a), bei welchen die Verbindung Stütze-Riegel gelenkig ist und die Stabilität nur durch die Dachscheibe und Vertikalverbände gewährleistet ist. Letztere können auch als Scheiben ausgebildet werden. Die zweite Gruppe betrifft Bauten, bei welchen die Einwirkung zwischen der Hülle und der Stahlstruktur aufgeteilt wird (Bild 8.15b); das erlaubt Materialeinsparungen bei der Stahlstruktur. Es handelt sich im Speziellen um grosse Hallen mit horizontalen oder gebogenen Portalen, bei welchen die Auslenkungen aus Horizontalkräften (Wind, Laufkrane) begrenzt werden müssen. Wie in Bild 8.15 dargestellt, wird der Dachverband wie ein grosser horizontaler Träger in Dachebene betrachtet, dessen Gurte die Trauf- und Firstpfette und der Steg das Profilblech bilden. Die Auflager dieses (einfachen) Balkens mit der Spannweite 𝐿 und der Höhe 𝑏 (Rahmenbreite) sind die Vertikalverbände in den Giebelwänden. Die Scheibenwirkung [1] wird grundsätzlich aktiviert durch die über die Profilbleche auf die Stahlstruktur übertragenen Einwirkungen (Wind und Schnee). Kurzzeitige andere veränderliche Einwirkungen wie Brems- und Beschleunigungskräfte aus Laufkranen können ebenso von der Scheibe abgetragen werden, unter der Bedingung, dass deren Querkraftanteil 30 % der gesamten Schubsteifigkeit der Scheibe nicht übersteigt. Infolgedessen wird man es vermeiden, die Scheibenwirkung zur Stabilisierung von Strukturen unter grossen ständigen Lasten und bei schweren Laufkranen oder bei Erdbebeneinwirkung anzuwenden. Ausserdem wird sie für grosse Strukturen nicht empfohlen. Es wurde kürzlich gezeigt, dass bei grossen Hallen die Scheibe mehr Kräfte als berechnet anziehen kann, was zum Versagen führen kann [2]. Die erforderlichen Bedingungen für die Scheibenwirkung eines Profilbleches als Windverband können wie folgt zusammengefasst werden: • Die Tragelemente der Scheibe (Pfetten, Bodenträger, Dachbinder, Fassadenriegel usw.) und ihre Verbindungen müssen gleichermassen in der Lage sein, die Scherkräfte an die Haupttragelemente und Fundationen weiterzuleiten.

8.4 Windaussteifung mit Profilblechen Kräfte auf das System

Kräfte auf die Scheibe

Querkräfte

Vw, max

1Q 2 w

Qw

Qw

Qw

qw

465

Qw

Qw

L=na

Qw

Profilblech 1Q 2 w 1 Q 2 w

Kräfte auf die Giebelwände

(a) gelenkige Rahmen

Kräfte auf das System

Kräfte auf die Scheibe

1 Q 2 w

Qw

Kräfte auf die Rahmen Qw – R4

R4

Qw Qw

Vw, max

Vw, max Vw, max

Qw – R3

R3 R2

Qw – R2 1 Q + R + R3 2 2 2 w

1Q 2 w R

R2 + 23

(b) steife Rahmen Bild 8.15 Scheibenwirkung in einem Flachdach unter Windeinwirkung.

• Die Längsverbindungen der Profiltafeln (im Abstand von maximal 500 mm) mit Schweisspunkten, Nieten, Schrauben oder anderen Verbindungsmitteln müssen sicherstellen, dass im Gebrauchszustand kein Schlupf und im Grenz-Tragzustand kein Bruch durch Ausreissen oder Abscheren vor dem Versagen durch Lochleibung des Bleches entsteht. • Jedes Ende des Profilbleches muss im Wellental mit Schweisspunkten, Nieten, Schrauben, Nägeln oder anderen Verbindungsmitteln direkt auf die Unterkonstruktion befestigt werden, sodass im Gebrauchszustand kein Schlupf und im Grenztragzustand kein Bruch durch Ausreissen oder Abscheren vor dem Versagen durch Lochleibung des Bleches entsteht. Reibverbindungen sind nicht zugelassen. • Alle Scheiben müssen an den parallelen Rändern der Scheibenspannweite mit einem Träger versehen sein. Diese Elemente und ihre Verbindungen müssen in der Lage sein, die Gurtkräfte aus Biegung der Scheibe aufzunehmen.

466

8 Windverbände

8.4.2

Scheibenelemente

Das Grundelement einer Scheibe ist eine Tafel, die definiert ist durch die Fläche zwischen zwei Binderriegeln und zwei Randpfetten beziehungsweise Träger- oder Wandriegel. Bild 8.16 zeigt ein solches Dachelement, bei welchem die Rippen des Profilbleches senkrecht zu den Pfetten verlaufen. Es könnte sich ebenso um eine Boden- oder Wandverkleidung handeln. Die Tafel besteht aus einer grossen Anzahl von Elementen, welche alle zu deren Funktion beitragen. Die Bestandteile sind die folgenden: • das Profilblech in Stahl oder Aluminium aus verschiedenen gerippten Platten; • die senkrecht zu den Rippen des Bleches verlaufenden Tragelemente (in Bild 8.16 die Pfetten); • die parallel zu den Rippen des Bleches verlaufenden Tragelemente (in Bild 8.16 der Binderriegel); • die Längsverbindungen der Profilbleche; • die Befestigungen des Profilbleches auf die senkrecht zu den Rippen des Bleches verlaufenden Tragelemente (Pfetten); • die Befestigungen auf die parallel zu den Rippen des Bleches verlaufenden Tragelemente (Riegel). Diese Verbindung ist nicht unbedingt nötig, vergrössert aber die Scheibenwirkung. Wenn diese Elemente mit den senkrecht zu den Rippen des Bleches verlaufenden Tragelementen oberkant bündig sind, ist die Befestigung einfach zu realisieren, andernfalls braucht es Zwischenstücke, in der Regel als Z-Profile; Längsverbindungen der Bleche Plattenbreite

Befestigung auf die Pfetten

Profilblech

b

a

Zwischenstück Pfette Randpfette Rahmenriegel

Bild 8.16 Elemente einer Scheibe.

8.4 Windaussteifung mit Profilblechen

467

• die Zwischenstücke ermöglichen die Befestigung des Profilbleches auf die Binderriegel (im Beispiel von Bild 8.16); • die Befestigung der parallel und senkrecht zu den Rippen des Bleches verlaufenden Tragelemente untereinander (in Bild 8.16 Pfetten und Binderriegel). Ohne Zwischenstücke werden diese Verbindungen stark beansprucht. Je nach Konzeption des Daches (mit oder ohne Pfetten) kann das Profilblech in Bezug auf die Scheibenlänge quer (Bild 8.17a) oder längs (Bild 8.17b) verlaufen. Ausserdem sind zwei Möglichkeiten der Befestigung auf die Tragstruktur möglich: • Befestigung auf vier Seiten bedeutet bezüglich der Rippen auf senkrecht und parallel verlaufende Tragelemente, was eine direkte Übertragung des Schubes ermöglicht (Bild 8.17(I)); • Befestigung auf zwei Seiten bedeutet nur auf senkrecht zu den Rippen verlaufende Tragelemente, was einer indirekten Übertragung des Schubes entspricht (Bild 8.17(II)). Wind

Wind

ausgefachte Giebelwände

b

a

a

Blech

(a) querlaufendes Blech

Pfette Rahmenriegel Randelement

b

Randelement Rahmenriegel (b) längslaufendes Blech

(I) Bleche vierseitig befestigt

(II) Bleche zweiseitig befestigt

Zwischenstück

Bild 8.17 Tragrichtung der Bleche und Befestigungsarten.

Blech

468

8 Windverbände

Es gibt vier mögliche Konfigurationen des Bleches und seiner Art der Befestigung, welche leicht verschiedene Nachweise erfordern: Bild 8.17(aI, aII, bI, bII). Schubwiderstand einer Tafel

Wenn die Tafel einer Scheibe mit einer Querkraft 𝑄 belastet wird, erhält man ein Last-Verformungs-Diagramm gemäss Bild 8.18. Jedes Element der Tafel kann Versagensursache sein. Das bedeutet, dass nur die duktilen Bleche und die strukturellen Verbindungen bei der Ausführung der Scheiben betrachtet werden müssen. Die Bemessung der Profilbleche in Stahl oder Aluminium für senkrecht zur Fläche wirkende Einwirkungen kann nach den einschlägigen Dokumentationen der Lieferanten erfolgen. Dabei ist zu beachten, ob darin charakteristische Werte oder Bemessungswerte tabelliert sind. Die Befestigungen der Profilbleche bestehen aus gewindeschneidenden oder selbstbohrenden Schrauben sowie aus Schussbolzen. Die Längsvernietung der Profilbleche erfolgt mit Nieten aus Stahl oder Monelmetall (eine Legierung mit Nickel und Kupfer) oder gewindeschneidenden Schrauben aus Stahl. Auch hier können Lieferantenangaben zur Bemessung beigezogen werden. Der Bemessungswert des Schubwiderstandes 𝑉p,Rd einer Tafel ist der kleinste der Werte 𝑉i,Rd entsprechend der Bruchart der verschiedenen Bestandteile der Tafel: 𝑉p,Rd = min[𝑉i,Rd ]

(8.27)

Die Tabelle 8.1 zeigt eine Zusammenfassung dieser Bemessungswerte des Widerstandes der Bauteile für ein Profilblech, das quer zur Scheibe auf den Pfetten liegt und mit Zwischenstücken auf den Randbindern befestigt ist. Diese Konfiguration nach Bild 8.17(aII) ist diejenige, welche in der Praxis am häufigsten angewendet wird. Für die anderen Konfigurationen von Bild 8.17 müssen die europäischen Empfehlungen der ECCS Nr. 88 [1] bezüglich Scheibenwirkung konsultiert werden. Ein weiteres Hilfsmittel zur Berechnung von Schubfeldern aus Profilblechen ist die IFBS-Info 5.02 Ausgabe vom Oktober 2007. Schubnachgiebigkeit einer Tafel

Die Schubnachgiebigkeit 𝑐 einer Tafel ist der Kehrwert der Neigung des elastischen Bereichs der Kraft-Verformungs-Kurve von Bild 8.18. In der Konfiguration (aII) von Kraft Q elastisch

plastisch Pfette

Qu

Riegel

Q

Blech dQ dv Verschiebung a

Bild 8.18 Verhalten einer Tafel unter einer Querkraft Q in der Scheibenebene.

b

8.4 Windaussteifung mit Profilblechen

469

Tab. 8.1 Bemessungswerte des Widerstandes der verschiedenen Bauteile einer Tafel. Bauteil

Bemessungswert des Widerstandes 𝛽 Längsvernietung 𝑉1,Rd = 𝑛𝑠 𝑉s,Rd + 1 𝑛𝑝 𝑉tp,Rd 𝛽 3 (°) mit Befesti𝑛𝑠 : Anzahl Längsverbindungen auf der gung auf den Länge b Pfetten (×) 𝑉s,Rd : Bemessungswert des Schubwiderstandes einer Längsverbindung 𝛽1 𝛽3 : siehe Anhang A8.2 Anzahl Pfetten auf der Länge b 𝑛𝑝 : 𝑉tp,Rd : Bemessungswert des Widerstandes einer Befestigung des Bleches auf die Pfetten Befestigung des Bleches mit Zwischenstück (×) auf den Randbindern

Befestigung Blech-Pfette (×) auf der Länge b eines Zwischenbinders

Schematische Zeichnung Blech

Pfette

𝑉2,Rd = 𝑛sc 𝑉sc,Rd 𝑛sc :

Anzahl Befestigungen auf der Länge b 𝑉sc,Rd : Bemessungswert des Schubwiderstandes einer Befestigung BlechZwischenstück

Zwischenstück Blech Randbinder Pfette

𝑉3,Rd = 𝛽2 𝑛𝑝 𝑉tp,Rd 𝛽2 : 𝑉3,Rd :

Blech

Anhang A8.2 Bemessungswert des Widerstandes einer Befestigung Blech-Pfette

Pfette Zwischenbinder

Befestigung Pfette-Riegel (°) auf der Länge b eines Zwischenbinders

𝑉4,Rd = 𝑛𝑝 𝑉pr,Rd

Blech

𝑉pr,Rd : Bemessungswert des Widerstandes einer Befestigung Pfette-Riegel Pfette Zwischenbinder

Globales Beulen einer Randtafel (lokales Beulen des Unterflansches des Bleches: siehe [1], Abschn. 5.4.2)

𝑉5,Rd =

14.4 0.25 0.75 𝐷 𝐷𝑦 (𝑛𝑝 − 1)2 𝑏 𝑥

𝐸𝑡𝑛3 𝑑 𝐷𝑥 = ; 𝐷𝑦 = 12(1 − 𝑣 2 )𝑢 𝐼𝑦 : 𝑢: 𝑣: 𝑑:

𝐸𝐼𝑦 𝑑

Trägheitsmoment einer Rippe abgewickelte Länge einer Rippe Querdehnungszahl (𝑣 = 0.3) Abstand der Rippen

Pfette Riegel b

y

a x

𝑏: global: Breite des Schubfeldes.

470

8 Windverbände

Bild 8.17 handelt es sich dabei um die Verschiebung einer Tafelseite bezüglich der anderen unter einer Einheitslast: −1

𝑐=(

𝑑𝑄 ) 𝑑𝑣

=

𝑣 𝑄

(8.28)

Die Verschiebung 𝑣 ist in Richtung der Rippen des Bleches gemessen oder gerechnet. Jedes Bauteil der Tafel liefert einen Beitrag zur Schubnachgiebigkeit. Die gesamte Nachgiebigkeit entspricht der Summe der einzelnen Nachgiebigkeiten: 𝑐 = 𝑐1.1 + 𝑐1.2 + 𝑐2.1 + 𝑐2.2 + 𝑐2.3 + 𝑐3

(8.29)

Die Tabelle 8.2 zeigt eine Zusammenfassung der Nachgiebigkeiten der verschiedenen Bauteile wiederum für den Fall eines Bleches, das senkrecht zur Scheibe auf den Pfetten liegt und mit Zwischenstücken auf zwei Seiten befestigt ist; siehe Konfiguration (aII) von Bild 8.17. Für die anderen Konfigurationen von Bild 8.17 müssen die europäischen Empfehlungen der ECCS Nr. 88 [1] bezüglich Scheibenwirkung konsultiert werden. Im Fall der längslaufenden Rippen (Bild 8.17b) ist die Querkraft 𝑄 senkrecht dazu (Bild 8.19). Wenn nur die Charakteristiken der Nachgiebigkeit der Kraft 𝑄 parallel zu den Rippen bekannt sind, können die folgenden äquivalenten Werte durch die Gleichheit der Gleitung 𝛾 gefunden werden: • Äquivalenz der Kräfte: 𝑄⊥ = Q

𝑎 𝑏

(8.30)

• Äquivalenz der Verschiebungen: 𝑣⊥ = 𝑣

𝑏 𝑎

(8.31)

• Äquivalenz der Nachgiebigkeit: 𝑐⊥ = 𝑐

𝑏2 𝑎2

(8.32)

𝑎: Abmessung der Tafel senkrecht zu den Rippen des Bleches, 𝑏: Abmessung der Tafel parallel zu den Rippen des Bleches. Die Längsdehnung der Bauelemente 𝑐3 ist ohne Einfluss auf Tragrichtung der Bleche; die Nachgiebigkeit beträgt: 𝑐⊥ = (𝑐1.1 + 𝑐1.2 + 𝑐2.1 + 𝑐2.2 + 𝑐2.3 )

𝑏2 + 𝑐3 𝑎2

(8.33)

8.4 Windaussteifung mit Profilblechen

471

Tab. 8.2 Nachgiebigkeit der Bauelemente einer Tafel. Ursprung der Nachgiebigkeit Verformung des Bleches

Verzerrung des Bleches

Nachgiebigkeit c 𝑐1.1 = 𝑑: 𝛼1 : 𝐾: 𝑡𝑛 :

Schematische Zeichnung

𝑎𝑑 𝛼1 𝐾 2.5

𝐸𝑡𝑛2.5 𝑏 2

Rippenabstand des Bleches Anhang A8.1 Anhang A8.3 Blechdicke

Gleitung 𝛾 𝑐1.2 =

( ) ℎ 2𝑎𝛼2 (1 + 𝑣) 1 + 2 𝑝 𝐸𝑡𝑛 𝑏

𝑑

𝛼2 : Anhang A8.1 𝑣: Querdehnungszahl (𝑣 = 0.3) ℎ𝑝 : Blechhöhe Verformung der Verbindungen

Befestigung Blech-Pfette

𝑐2.1 =

2𝑎𝑠𝑡𝑝 𝑝𝛼3

𝑏2 𝑠tp : Einheitsgleitung der Verbindung Blech-Pfette 𝛼3 : Anhang A8.1

Pfette

Blech

2𝑠𝑠 𝑠tp (𝑛sh − 1) Längsvernietung 𝑐2.2 = (Blech-Blech) 2𝑛𝑠 𝑠tp + 𝛽1 𝑛𝑝 𝑠𝑠

Längsverbindung

𝑠𝑠 : Einheitsgleitung der Längsnieten 𝑛sh : Anzahl Bleche auf der Distanz 𝑎 𝑛𝑠 : Anzahl Verbindungen auf die Länge 𝑏 𝛽1 : Anhang A8.2 𝑛𝑝 : Anzahl Pfetten auf die Länge 𝑏 Befestigung Zwischenstück auf Riegel

Verformung der Pfetten

Verformung aufgrund der Normalkraft in den Gurten

𝑐2.3 =

𝑠tp 4(𝑛 − 1) (𝑠pr + ) 2 𝑛 𝑛𝑝 𝛽2

spr

𝑛:

Anzahl Pfetten auf die Gesamtlänge 𝐿 (Bild 8.15a) 𝑠pr : Einheitsgleitung des Zwischenstückes Blech-Riegel 𝛽2 : Anhang A8.2 𝑛2 𝑎3 𝛼3 4.8𝐸𝐴𝑏 2 𝛼3 : Anhang A8.1 𝐴: Querschnittsfläche der Rand-Pfette 𝑐3 =

Blech

Zwischenstück

Riegel

Randpfette b Riegel a

472

8 Windverbände Qa b

Q Q Q

b Qa b

Q

a

Q Q

a

(a) parallel laufende Bleche

b

(b) senkrecht verlaufendes Blech

Bild 8.19 Äquivalenz im Fall von senkrecht liegenden Rippen.

8.4.3

Scheibenwirkung ohne Interaktion mit den Rahmen

Wir behandeln zuerst den einfachen Fall von Bild 8.15a. Es handelt sich um eine Struktur aus Rahmen mit vier Gelenken, stabilisiert mit Vertikalverbänden in den Giebelwänden und einem Dachverband aus Profilblech (Scheibenwirkung). Letzteres ist nur auf den Pfetten und auf den Giebelwandbindern, nicht aber auf den Zwischenbindern befestigt. Wir haben also die Konfiguration „quer liegendes Blech auf zwei Seiten befestigt“ gemäss Bild 8.17(aII), wo 𝑎 der Binderabstand ist und 𝑏 die Breite einer Tafel bildet. Tragsicherheit

Bei instabilen Rahmen (vier Gelenke) wird die Hälfte des horizontalen Winddruckes auf die Längsfassade von der Dachscheibe abgetragen und die andere Hälfte direkt über die Stützenfüsse in die Fundamente geleitet. Auf Höhe der Scheibenebene ergeben sich folgende Kräfte (Bild 8.20): 𝑄𝑤 = 𝑞𝑤

𝐿 𝑛

(8.34)

𝑞𝑤 : in der Scheibenebene gleichmässig verteilt wirkende Windlast, 𝐿: Gesamtlänge der Scheibe (Hallenläge), 𝑛: Anzahl Tafeln in der Scheibe auf der Länge 𝐿. Wir nehmen an, dass die am Scheibenrand wirkende Kraft 𝑄𝑤 ∕2 direkt in den Vertikalverband der Giebelwand eingeleitet wird. Die anderen in der Ebene der Zwischenrahmen wirkenden Kräfte 𝑄𝑤 ergeben folgende Querkraftlinie (Bild 8.20): 𝑉w,max =

1 (𝑛 − 1)𝑄𝑤 2

(8.35)

Für den Tragsicherheitsnachweis wird Gl. (8.35) verwendet, um den Bemessungswert der Querkraft aus der massgebenden Windlast zu bestimmen, welche mit dem

8.4 Windaussteifung mit Profilblechen Windverband in der Giebelwand

1 Qw 2

473

max

a

4 Qw 3 Qw

qw (Wind)

2

Pfette Nw

c (Vw, max – Qw )

Nw

Qw

Qw Blech 1 Qw 2

Scheibe 1

b Last

Grundriss

cVw, max

Riegel

Vw, max Querkräfte

horizontale Durchbiegungen

Bild 8.20 Lasten, Querkräfte und horizontale Durchbiegung einer Dachscheibe (Beispiel).

Bemessungswert des Widerstandes der Randtafel verglichen wird: 𝑉Ed = 𝛾𝑄 (0.5(𝑛 − 1)𝑄k,w ) ≤ 𝑉p,Rd

(8.36)

𝑉p,Rd : Grenzwiderstand der Randtafel (Gl. (8.27) und Tabelle 8.1) ⇒ min[𝑉1,Rd ; 𝑉2,Rd ; 𝑉5,Rd ], 𝑄k,w : charakteristischer Wert der massgebenden Einwirkung (Wind), Lastbeiwert der veränderlichen massgebenden Einwirkung (𝛾𝑄 = 1.50), 𝛾𝑄 : 𝛾𝑀1 : Widerstandsbeiwert (𝛾𝑀1 = 1.05). Krafteinleitung

Die Verbindungen zwischen der Scheibe und den Rahmen müssen in der Lage sein, die Kräfte 𝑉w,max in das Profilblech einzuleiten. Für die Giebelwände ist diese Bedingung mit dem Nachweis von Gl. (8.36) erfüllt. Bei einem Zwischenbinder muss nicht die gesamte Querkraft gemäss Querkraftlinie zwischen Blech und Rahmen übertragen werden; es genügt, die Kraft 𝑄𝑤 an dieser Stelle einzuleiten. Im Fall der Konfiguration (aII) von Bild 8.17 erfolgt die Verbindung zwischen Blech und Rahmenriegel der Zwischenbinder über die Pfetten. Die Nachweise der Einleitung der konzentrierten Kräfte sind die folgenden (siehe auch Tabelle 8.1): • Befestigung Blech-Pfette 𝛾𝑄 𝑄k,w ≤ 𝑉3,Rd = 𝛽2 𝑛𝑝 𝑉tp,Rd

(8.37)

• Befestigung Pfette-Riegel 𝛾𝑄 𝑄k,w ≤ 𝑉4,Rd = 𝑛𝑝 𝑉pr,Rd

(8.38)

L

474

8 Windverbände

𝛽2 :

Koeffizient zur Berücksichtigung der Anzahl Befestigungen Blech-Pfette 𝑛𝑓 pro Nutzbreite des Bleches (Anhang A8.2), 𝑛𝑝 : Anzahl Pfetten auf die Breite 𝑏 der Scheibe (inklusive Randpfetten), 𝑉tp,Rd : Bemessungswert des Schubwiderstandes einer Befestigung Blech-Pfette, 𝑉pr,Rd : Bemessungswert des Schubwiderstandes einer Befestigung PfetteRahmenriegel. Unerwünschte Versagensformen

Mit dem Ziel, gewisse unerwünschte Versagensformen auszuscheiden, werden in den europäischen Empfehlungen der ECCS Nr. 88 [1] zusätzliche Nachweise vorgesehen. Es handelt sich im Wesentlichen um den Nachweis der Übertragung der Querkraft senkrecht zu den Blechrippen an den Blechenden (Blechbefestigung auf den Randpfetten). Hier können sich einerseits ein Bruch der Verbindungsmittel unter einer Kombination von Querkräften und Abheben des Bleches sowie ein Versagen des Bleches infolge Stauchung ergeben. Um sicher zu sein, dass solche Brüche nicht passieren, führt man zusätzliche Widerstandsfaktoren ein. Die vorzunehmenden Nachweise im Fall der Konfiguration (aII) von Bild 8.17 sind die folgenden: • Befestigung Blech-Pfette: 𝑉p,Rd

𝑏 𝑉tp,Rd 𝑎 𝑉tp,Rd 𝑎 ⇒ 𝑉p,Rd ≤ 0.6 ≤ 0.6 𝑝 𝛼3 𝑝 𝛼3 𝑏

(8.39)

• Bruch durch Stauchung des Bleches: – Befestigung in allen Rippen: 𝑉p,Rd ≤ 0.9

𝑡1.5 𝑏𝑓yp 𝑑0.5 𝛾𝑀1

(8.40a)

– Befestigung in jeder zweiten Rippe: 𝑉p,Rd ≤ 0.3 𝑉p,Rd : 0.6: 𝑎∕𝑝: 𝑏: 𝑝: 𝛼3 : 𝑑: 𝑡𝑛 : 𝑓y,p : 𝛾 𝑀1 :

𝑡1.5 𝑏𝑓yp 𝑑0.5 𝛾𝑀1

(8.40b)

Schub-Grenztragfähigkeit der Randtafel, zusätzlicher Sicherheitsfaktor, Anzahl Befestigungen Blech-Randpfette auf der Distanz 𝑎, Länge der Tafel (Breite des Schubfeldes), Abstand der Befestigungen Blech-Randpfette, Koeffizient zur Berücksichtigung, dass die Zwischenpfetten ebenso zum Widerstand beitragen (Anhang A8.1), Rippenabstand der Bleche, Blechdicke, Fliessgrenze der Bleche, Widerstandsbeiwert für Stahlbleche (𝛾𝑀1 = 1.05).

8.4 Windaussteifung mit Profilblechen

Beanspruchung der Pfetten am Scheibenrand

Wie wir im Abschn. 8.4.1 gesehen haben, bilden die Pfetten am Scheibenrand die Gurte des grossen horizontalen Trägers von Bild 8.15. Die darauf wirkende Normalkraft in der Konfiguration (aII) von Bild 8.17 ist die folgende: 𝑁k,w = ±

𝑞𝑘,𝑤 𝐿2 𝛼3 8𝑏

(8.41)

Diese Normalkraft 𝑁k,w muss bei der Bemessung der Randpfetten in Kombination mit der Biegung aus Vertikallasten infolge der Dachlasten im gleichen Gefährdungsbild berücksichtigt werden (Interaktion Biegung-Normalkraft). Gebrauchstauglichkeit

Wenn 𝑐 die Schubnachgiebigkeit jeder Einzeltafel 𝑖 ist, welche mit der Querkraft 𝑉k,w,i beansprucht ist, wird die maximale Horizontalverschiebung zu: Δmax =

∑𝑛∕2 𝑖=1

𝑐 𝑉k,w,i = 𝑐

𝑛2 𝑄k,w 8

(8.42)

Die maximale Verschiebung einer in der Scheibenebene wirkenden Windlast 𝑞k,w (häufiger Lastfall) erlaubt folgenden Nachweis der Gebrauchstauglichkeit: Δmax = 𝑢31 = 𝑐

𝑛2 𝜓1 𝑞k,w 8

𝐿 𝑛



ℎ 200

(8.43)

ℎ: Hallenhöhe bei der Rahmenecke 𝜓1 : Reduktionsfaktor für den häufigen Lastfall der variablen Windlast (𝜓1 = 0.5)

8.4.4

Scheibenwirkung mit Interaktion mit den Rahmen

Die Tragstruktur der Halle von Bild 8.15b besteht aus steifen Stahlrahmen und einer Dachscheibe aus Profilblechen. Das Zusammenwirken zwischen Rahmen und Dachscheibe hängt von der relativen Steifigkeit der Rahmen und der Tafeln aus Profilblechen ab. Die elastische Analyse dieser steifen Tragstruktur besteht darin, die Verträglichkeitsbedingungen der Deformationen zwischen Rahmen und Windverband zu befriedigen (siehe Abschn. 6.4.6 dieses Buches). Diese Analyse müsste grundsätzlich auf der gesamten dreidimensionalen Struktur erfolgen; aus praktischen Gründen gibt man sich häufig mit einer vereinfachten Analyse von ebenen Rahmen zufrieden. Die Funktion des Dachverbandes (Scheibe aus Profilblechen) besteht darin, die seitliche Verschiebung der Rahmen und die daraus resultierenden Kräfte zu begrenzen. Bei rechteckigen Rahmen mit Flachdach trägt die Scheibenwirkung stark dazu bei, den seitlichen horizontalen Kräften zu widerstehen. Bei geknickten Rahmen mit Giebeldächern trägt die Scheibenwirkung nicht nur zur Aufnahme der Horizontalkräfte, sondern auch zur Abtragung der Vertikallasten bei. Dieser Beitrag hängt stark von der Neigung des Daches ab; die Wirkung wird spürbar ab einer Neigung von 10° (18 %).

475

476

8 Windverbände

Elastische Berechnung

Um das Prinzip der Interaktion zwischen Rahmen und Dachscheibe zu zeigen, brauchen wir das einfache Beispiel von Bild 8.15b. Es handelt sich um eine Tragstruktur aus drei rechteckigen Rahmenportalen und zwei herkömmlich ausgefachten Giebelwandrahmen. Das Dach ist mit einem Profilblech eingedeckt und bildet mit den Pfetten vier einzelne identische Tafeln mit der Nachgiebigkeit 𝑐. Wir zerlegen das reelle System aus Rahmen und Dachscheibe, das irgendwelchen Einwirkungen (Wind 𝑞𝑤 , Schnee 𝑞𝑠 ) unterworfen ist, in einen seitlich gehaltenen Rahmen und einen verschieblichen Rahmen mit Dachscheibe (Bild 8.21a). Die horizontale Reaktion 𝐻𝑤 des unverschieblichen Rahmens setzen wir auf den verschieblichen Rahmen an. Die Auswirkungen und Deformationen des letzteren erhalten wir durch Superposition der Auswirkungen von beiden Systemen. Bei jedem Zwischenrahmen 𝑖 der Struktur (𝑖 = 2, 3 und 4) wird die Kraft 𝐻𝑤 zerlegt in eine Rückhaltekraft 𝑅𝑖 , die durch

gehaltener Rahmen

verschieblicher Rahmen

(a) Zerlegung Rahmen N° 2

Rahmen N° 4

Rahmen N° 3

Rahmen N° 3 Rahmen N° 2

Grundriss

(b) Kräfte auf die Scheibe

Querkräfte

horizontale Durchbiegungen

(c) Kräfte auf die Rahmen

Bild 8.21 System und Kräfte eines rechtwinkligen Rahmens und Interaktion mit der Dachscheibe (elastische Berechnung).

8.4 Windaussteifung mit Profilblechen cdl

cdl

cde

1

1

cde

1

(a) Seitliche Deformation (Biegesteifigkeit kcdl)

1

(b) Spreizung (Biegesteifigkeit kcde)

Bild 8.22 Nachgiebigkeiten von Rahmen mit Giebeldächern.

die Scheibe (Bild 8.21b) aufgenommen wird, und eine Kraft 𝐻𝑤 − 𝑅𝑖 , die durch den Rahmen von Bild 8.21c aufgenommen wird. Dieses Beispiel zeigt, dass eine manuelle Lösung nicht bequem ist, sobald die Anzahl der Rahmen grösser wird. In Tafeln der europäischen Empfehlungen der ECCS Nr. 88 [1] sind deshalb Reduktionskoeffizienten der Auswirkungen in den Rahmen in Funktion der relativen Nachgiebigkeit zwischen Rahmen und Scheibe wie auch der Anzahl Rahmen aufgeführt. Für Rahmen mit Giebelform muss für die horizontale Verschiebung zwischen seitlicher Verschiebung Δcdl (Bild 8.22a) und Spreizung Δcde (Bild 8.22b) unterschieden werden, welche durch die entsprechenden Biegesteifigkeiten 𝑘cdl respektive 𝑘cde charakterisiert sind. Die Nachgiebigkeit 𝑐 einer Blechtafel mit gleicher Höhe und Breite des geneigten Teils ergibt die folgende horizontale Nachgiebigkeit 𝑐ℎ : 𝑐ℎ =

𝑐 cos2 𝛽

477

(8.44)

𝛽: Dachneigung. Die gleichen vorangehenden Berechnungen können hier ausgehend von den relativen Nachgiebigkeiten und Reduktionskoeffizienten in denselben Tabellen der europäischen Empfehlungen der ECCS Nr. 88 [1] gemacht werden. Plastische Berechnung

Es ist möglich, eine plastische Berechnung der Rahmen gemäss Kap. 6 (Statik der Hallenrahmen) zu machen und die Rückhaltewirkung des Dachverbandes aus Profilblechen wie bei der elastischen Berechnung zu berücksichtigen. Ebenso muss abgeklärt werden, ob die Einflüsse zweiter Ordnung wichtig sind und welcher Fall beachtet werden muss. Falls sich in der Struktur ein Versagensmechanismus ausbilden kann, muss abgeklärt werden, ob die Tafeln aus Profilblechen die entsprechenden Deformationen aushalten können, was nur möglich ist, wenn der Versagensmechanismus duktil ist. Das ist der Fall, wenn das Versagen der Bleche durch den Bruch der Längsvernietung oder der Verbindungen Profilblech-Zwischenstücke geschieht. (Die Zwischenstücke verbinden die Profilbleche mit den Bindern.) Wenn alle Tafeln identisch sind,

478

8 Windverbände b Vp,Rd Qw,Ed

RRd

Qw,Ed

RRd

Qw,Ed

Q w,Ed

RRd

RRd

Vp,Rd

(a) System

(b) Kräfte auf die Scheibe

(c) Kräfte auf die Rahmen

Bild 8.23 System und Kräfte eines rechtwinkligen Rahmens und Interaktion mit der Dachscheibe (plastische Berechnung).

erfolgt der Bruch gleichzeitig in allen Zwischenrahmen durch Bildung eines Mechanismus unter gleichen Kräften. Für eine Tragstruktur mit rechteckigem Rahmen (Bild 8.23a) ist die Rückhaltekraft 𝑅 aus dem Widerstand der Scheibe (Bild 8.23b) für jeden Rahmen gleich und lautet: 𝑅Rd =

2𝑉p,Rd 𝑛−1

(8.45)

𝑉p,Rd : Bemessungswert des Schubwiderstandes einer Tafel, 𝑛: Anzahl Tafeln. Die auf jeden Rahmen wirkende Horizontalkraft aus der plastischen Berechnung (Bild 8.23c) beträgt nun 𝑄w,Ed − 𝑅Rd , wobei 𝑄w,Ed der Bemessungswert der Einwirkung aus Wind auf jeden durch die Dachscheibe gehaltenen Rahmen ist. Für Rahmen mit Giebelform mit horizontalen Lasten (Bild 8.24a) oder vertikalen Lasten (Bild 8.24b) hat die Rückhaltekraft auf jeden Rahmen aufgrund eines Bleches in der Dachneigung den Wert von Gl. (8.45). Die Horizontalkomponente 𝑅ℎ lautet: 𝑅h,Rd = 𝑅Rd cos 𝛽

(8.46)

Für horizontal belastete Tragstrukturen lautet die auf jede Rahmenecke der Portalrahmen einzuführende Kraft (𝑄w,Ed ∕2) − 𝑅h,Rd . Für vertikal belastete Tragstrukturen muss die gleichzeitige Wirkung der Vertikalkräfte 𝑄s,Ed und der beiden gegenläufigen Horizontalkräfte 𝑅h,Rd in die plastische Berechnung jedes Portalrahmens eingeführt werden (Werte aus dem gleichen Gefährdungsbild).

8.4 Windaussteifung mit Profilblechen b Vp,Rd

b RRd

1Q 2 w,Ed

RRd

1Q 2 w,Ed 1Q 2 w,Ed

479

RRd

1Q Rh,Rd 2 w,Ed

1Q R 2 w,Ed h,Rd

1Q 2 w,Ed Vp,Rd

(a) Horizontalkräfte Qs,Ed

b

b

Vp,Rd RRd

Qs,Ed RRd

Qs,Ed

Qs,Ed

RRd Rh,Rd

Rh,Rd

Vp,Rd

(b) Vertikalkräfte Bild 8.24 System und Kräfte eines giebelförmigen Rahmens, der durch eine Dachscheibe stabilisiert ist (plastische Berechnung).

8.4.5

Stabilisierung der Pfetten

Im Rahmen des Tragsicherheitsnachweises der Pfetten stellt sich die entscheidende Frage, ob die auf den Pfetten liegenden Profilbleche diese gegen Kippen stabilisieren (Bild 8.25). Wenn das nicht der Fall ist, muss der Tragsicherheitsnachweis mit dem Kippmoment 𝑀𝐷 und nicht mit dem plastischen Moment 𝑀pl erfolgen (siehe Norm SIA 263, Querschnittsnachweise). Falls die bezogene Kippschlankheit 𝜆𝐷 grösser ist als 0.4, beträgt der Bemessungswert des Biegewiderstandes: 𝑀D,Rd = 𝜒𝐷 𝑊

𝑓𝑦 𝛾 𝑀1

(8.47)

480

8 Windverbände Nutzlast auf eine Platte

vertikale Last Pfette

Profilblech Pfette Rahmenbinder

Bild 8.25 System mit parallelen durch das Profilblech stabilisierten Pfetten.

Im Ausdruck 𝜒𝐷 kommt die bezogene Kippschlankheit 𝜆𝐷 vor und beträgt in der Regel: √ 𝑊𝑓𝑦 𝜆𝐷 = (8.48) 𝑀cr 𝑀cr : ideelles Kippmoment, 𝑊: Widerstandsmoment entsprechend der Querschnittsklassifizierung, 𝜒𝐷 : Abminderungsfaktor für Kippen. Eine einfache Methode [3] erlaubt einen schnellen Nachweis der Kippstabilisierung einer Serie von parallelen Pfetten mit doppelsymmetrischem Querschnitt, welche stabilisiert sind durch ein rechtwinklig aufliegendes Profilblech. In diesem Nachweis lautet die bezogene Kippschlankheit 𝜆𝐷 wie folgt: √ √ 1.5 √ 𝑛𝑝 𝑁pl √ 𝑛𝑝 𝑁pl ℎ𝑝 𝑑𝜉 𝜆𝐷 = 0.6 = 0.6 (8.49) 𝑎∕𝑐 𝐸𝑡𝑛2.5 𝑏2 𝑛𝑝 : 𝑁pl : ℎ𝑝 : 𝑑:

Anzahl Pfetten auf der Breite 𝑏 des Schubfeldes, plastische Normalkraft des Pfettenquerschnittes (𝑁pl = 𝑓𝑦 𝐴), Höhe des Profilbleches, Rippenabstand des Pofilbleches,

8.4 Windaussteifung mit Profilblechen

𝑡𝑛 : 𝑏: 𝑎∕𝑐: 𝑎: 𝑐:

Dicke des Profilbleches, Länge der Tafel (Breite des Schubfeldes), Einheits-Schubsteifigkeit der Tafelbreite, Breite der Tafel (Binderabstand, Pfettenspannweite), Schubnachgiebigkeit der Tafel; man betrachtet hier nur den vorherrschenden Teil 𝑐1.1 der Nachgiebigkeit der Tafel aufgrund der Verdrehung des Profils gemäss Tabelle 8.2: 𝑐 = 𝑐1.1 =

𝐾:

(8.50)

vereinfachte Konstante des Bleches bezüglich Befestigungsart auf die Pfette (𝐾 = 𝛼1 𝐾) 𝐾 =𝜉(

𝜉:

𝑎𝑑2.5 𝐾 𝐸𝑡𝑛2.5 𝑏2

ℎ𝑝 𝑑

1.5

)

(8.51)

Koeffizient bezüglich Befestigungsart des Bleches • Befestigung in allen Wellentälern am Blechende 𝜉 = 0.5, • Befestigung in jedem zweiten Wellental, wenn 𝑏sup ∕𝑑 ≤ 0.3𝜉 = 10, • Befestigung in jedem zweiten Wellental, wenn 𝑏sup ∕𝑑 ≥ 0.6𝜉 = 15 (zwischen 0.3 < 𝑏sup ∕𝑑 < 0.6 kann interpoliert werden), • Befestigung in jedem dritten Wellental (nicht empfohlen) 𝜉 = 30,

𝑏sup : obere Breite einer Blechrippe. Der in die Scheibe für horizontale Dächer eingeleitete Bemessungswert der Querkraft, der die Stabilisierungswirkung darstellt, ist durch das Produkt der Gleitung 𝛾 und Schubsteifigkeit pro Tafelbreite 𝑎∕𝑐 gegeben: 𝑉Ed = 𝛾

𝑎 𝑐

(8.52)

mit: 𝛾 = 𝑘cr

𝜋𝑤0 = 0.003𝑘cr 𝑎

(8.53)

𝑤0 : angenommene horizontale Anfangsauslenkung des Pfettenobergurtes: 𝑤0 = 𝑎∕1000 [2] (a: Pfettenspannweite), 𝑘cr : Vergrösserungsfaktor der Verschiebung mit dem Ansatz des ideellen Kippmomentes 𝑀cr : 𝑘cr =

𝑀Ed 1 1 − 𝑀Ed ∕𝑀cr 𝑀cr

(8.54)

481

482

8 Windverbände

Das Verhältnis 𝑀Ed ∕𝑀cr kann auch wie folgt geschrieben werden: 𝑀Ed 𝑀Ed 2 = 𝜆 𝑀cr 𝑊𝑓𝑦 𝐷

(8.55)

𝑀Ed : Bemessungswert des Biegemomentes in der Pfette. Der Tragsicherheitsnachweis der durch das Profiblech stabilisierten Pfette besteht in folgenden Rechnungsoperationen: • 𝜆𝐷 berechnen nach Gl. (8.49): für 𝜆𝐷 ≤ 0.4: 𝑀Rd = 𝑊𝑓𝑦

1 𝛾 𝑀1

für 𝜆𝐷 > 0.4: 𝑀Rd = 𝜒𝐷 𝑊𝑓𝑦

1 𝛾 𝑀1

• Nachweis 𝑀Ed ≤ 𝑀D,Rd

(8.56)

Ebenso muss nachgewiesen werden, dass die in die Scheibe eingeleitete Querkraft Gl. (8.52) kleiner ist als der Bemessungswert des Widerstandes: 𝑉Ed ≤ 0.8𝑉p,Rd

(8.57)

𝑉Ed : Bemessungswert der Querkraft Gl. (8.52), 0.8: zusätzlicher Sicherheitsfaktor, 𝑉p,Rd : Bemessungswert des Schubwiderstandes der Tafel; man nimmt vereinfachend an, dass dieser Widerstand gleich dem Bemessungswert des Widerstandes 𝑉1,Rd ist. 𝑉1,Rd ist der Widerstand der Längsvernietung (Tabelle 8.1).

8.5 Rechenbeispiele Der Nachweis des nicht gehaltenen Rahmens im Abschn. 6.7 genügte bezüglich horizontaler Auslenkung den Windlasten. Im ersten der nachfolgenden Beispiele werden zwei Varianten eines Dachlängsverbandes für die Aufnahme der Querlasten bemessen und deren Einfluss auf die horizontale Auslenkung des Rahmens bestimmt.

8.5.1

Bemessung eines Dachlängsverbandes mit Andreaskreuzen

Vorgaben

Die Nachweise des Rahmens (Stütze, Binder) erfolgten im Abschn. 7.8 und diejenigen der Sekundärelemente (Pfette, Riegel) im Abschn. 3.4. Die Bemessung der

8.5 Rechenbeispiele 3.8

Mittlere Innenpfette 6.0 Rahmen Nr. 4

6.0 6.0

Randdiagonale, l = 7.1 m

6.0 7

6.0 = 42.0

6.0 6.0 9.25 8.0 6.0 3.75 15.0

Bild 8.26 Anordnung des Dachlängsverbandes (Masse in m).

Elemente des Dachlängsverbandes sind die Randdiagonale und die Gurtpfetten in Hallenmitte (siehe Bild 8.26). Aus der Vordimensionierung sind folgende Profile gegeben: • Diagonale: UNP 300 (𝑖𝑧 = 29 mm) (aus 𝜆k,max ≤ 250); • Innenpfette: Gemäss Abschn. 3.4.1 sind die Pfetten ein IPE 140 (ohne Zugstangen). Die Innenpfette, welche als Gurtstab des Verbandes wirkt, erhält zusätzliche Normalkräfte und wird zu einem Profil HEB 140 (gleiche Höhe wie das IPE 140). Die Traufpfette ist ebenfalls ein Gurt des Fachwerkes mit entsprechenden zusätzlichen Normalkräften, ist aber weniger auf Biegung aus Dachlasten beansprucht und muss separat bemessen werden. Das wird im vorliegenden Beispiel nicht gemacht. Charakteristische Einwirkungen

Die für den Dachlängsverband massgebenden Werte sind: • Rahmen: Wind quer: 𝑞k,w = 0.93 ⋅ 6 = 5.6 kN∕m beziehungsweise 0.09 ⋅ 6 = 0.54 kN∕m (siehe Bild 8.27); • Diagonale: Eigengewicht: 𝑔diag = 0.462 kN∕m; • Innenpfette: Eigengewicht: 𝑔𝑎 = 0.337 kN∕m; nichttragende Elemente: 𝑔fin = 0.95 kN∕m; Schnee: 𝑔k,s = 2.36 kN∕m.

483

484

8 Windverbände 5.6 kN/m

0.54 kN/m

8.0 m

Bild 8.27 Windkräfte quer auf den Rahmen aus einem Lastfall mit Undichtheit einer Giebelwand. Tab. 8.3 Normalkräfte aus Windeinwirkung. Bauteil Randdiagonale Innenpfette in Hallenmitte a)

Nk,max [kN] + 66 a) ±235

Die Druckdiagonale im Andreaskreuz wird vernachlässigt.

Gefährdungsbilder und Lastfälle

• Diagonale: Gefährdungsbild: Leiteinwirkung Wind quer. Die Diagonale erfährt Biegung aus dem Eigengewicht 𝑔diag und eine Normalkraft aus Windeinwirkung. Es gilt der Grenzzustand Typ 2: 𝐸𝑑 = 𝐸{𝛾𝐺 𝑔diag + 𝛾𝑄 𝑞k,w } • Innenpfette: Die Pfette erfährt schiefe Biegung und Normalkraft. Da der Windsog klein ist und ungünstig wirkt, wird er nicht berücksichtigt. Es gibt die zwei folgenden Gefährdungsbilder: Leiteinwirkung Schnee: { } 𝐸𝑑 = 𝐸 𝛾𝐺 (𝑔𝑎 + 𝑔fin ) + 𝛾𝑄 𝑞k,s + 𝜓0 𝑞k,w Leiteinwirkung Wind: { } 𝐸𝑑 = 𝐸 𝛾𝐺 (𝑔𝑎 + 𝑔fin ) + 𝛾𝑄 𝑞k,w + 𝜓0 𝑞k,s Auswirkungen

Die Auswirkungen der untersuchten Elemente des Windverbandes wurden mit einem Programm ermittelt, welches die dreidimensionale Wirkung berücksichtigt. Die Normalkräfte sind in der Tabelle 8.3 zusammengefasst. Tragsicherheit der Diagonale Bemessungswerte der Auswirkungen:

0.462 kN∕m ⋅ (71 m)2 = 3.95 kN m 8 8 = 1.50𝑁k,max = 1.50 ⋅ 69 kN = 103.5 kN

𝑀z,Ed = 1.35 𝑁Ed

2 𝑔diag 𝑙diag

= 1.35

8.5 Rechenbeispiele

Interaktion Biegemoment und Zugkraft:

Das UNP 300 ist bei Biegung um die 𝑧-𝑧-Achse nicht doppelsymmetrisch. Der Nachweis kann mit der folgenden Interaktionsformel erfolgen (siehe auch Norm SIA 263): 𝑁Ed 𝑀z,Ed + ≤ 1.0 𝑁Rd 𝑀z,Rd • Normalkraftwiderstand: 𝑁Rd =

𝑓𝑦 𝐴 𝛾𝑎

=

235 N∕mm2 ⋅ 5880 mm2 = 1316 ⋅ 103 N 1.05

• Biegewiderstand um die 𝑧-Achse: 𝑀z,Rd =

𝑓𝑦 𝑊pl,z 𝛾𝑎

=

235 N∕mm2 ⋅ 103 mm3 = 29.1 ⋅ 106 N mm 1.05

• Nachweis: 103.5 kN 3.95 kN m + = 0.21 < 1.0 1316 kN 29.1 kN m Die Grenzschlankheit für diesen Fall (𝜆𝑘 ≤ 250) aus der Vorbemessung ist somit massgebend. Tragsicherheit der Innenpfette (HEB 140, S 235)

Die Widerstandswerte 𝑁Rd , 𝑀y,Rd , 𝑀z,Rd , 𝑁ky,Rd wurden aus den Konstruktionstabellen C 5 und den Bemessungstafeln C 4 des SZS übernommen. Bemessungswerte der Auswirkungen, Leiteinwirkung Schnee:

• Biegung um die starke Achse: 𝑞y,Ed = 1.35(0.337 kN∕m + 0.95 kN∕m) cos 9.5◦ + 1.50 ⋅ 2.36 kN∕m ⋅ cos 9.5◦ = 5.21 kN∕m 𝑀y,Ed =

𝑞y,Ed 𝑙𝑦2 16

=

5.21 kN∕m ⋅ (6 m)2 = 11.7 kN m 16

• Biegung um die schwache Achse: 𝑞E,Ed = 1.35(0.337 kN∕m + 0.95 kN∕m) sin 9.5◦ + 1.50 ⋅ 2.36 kN∕m ⋅ sin 9.5◦ = 0.89 kN∕m 𝑀z,Ed =

𝑞z,Ed 𝑙𝑧2 0.89 kN∕m ⋅ (6 m)2 = = 2.0 kN m 16 16

• Normalkraft: 𝑁Ed,max = 𝜓0 𝑁k,max = 0.60 ⋅ (−235 kN) = −141 kN

485

486

8 Windverbände

Bemessungswerte der Auswirkungen, Leiteinwirkung Wind:

• Biegung um die starke Achse: 𝑀y,Ed = 𝑞y,Ed

𝑙𝑦2 16

= [1.35(0.337 kN∕m + 0.95 kN∕m) cos 9.5◦

+ 0.60 ⋅ 2.36 kN∕m ⋅ cos 9.5◦ ] ⋅

(6 m)2 16

= 7.1 kN m • Biegung um die schwache Achse: 𝑙𝑧2 = [1.35(0.337 kN∕m + 0.95 kN∕m) sin 9.5◦ 16 (6 m)2 + 0.60 ⋅ 2.36 kN∕m ⋅ sin 9.5◦ ] ⋅ 16 = 1.2 kN m

𝑀z,Ed = 𝑞z,Ed

• Normalkraft: 𝑁Ed,max = 1.50𝑁k,max = 1.50 ⋅ (−235 kN) = −352.5 kN Nachweis der schiefen Biegung mit Drucknormalkraft:

Wir nehmen an, dass das Dachblech das Kippen und das Knicken um die schwache Achse verhindert. Bei einem I-Profil kann der Nachweis mit einer linearen Interaktionsformel oder aber besser mit folgender Formel aus der Norm SIA 263 erfolgen. Der Nachweis erfolgt mit dem massgebenden Lastfall Leiteinwirkung Schnee: 𝛼

(

𝛽

𝑀y,Ed 𝑀z,Ed ) +( ) ≤ 1.0 𝑀y,N,Rd 𝑀z,N,Rd

mit: 𝛼 =2,

𝛽=5

𝑁Ed 141 kN = 0.73 , =5 𝑁Rd 962 kN

⇒ 𝛽 = 1.1

• Infolge Normalkraft reduzierter Biegewiderstand um die starke Achse: 𝑀y,N,Rd = 𝑀y,Rd 𝜉 (1 −

𝑁Rd 141 kN ) = 54.9 kN m ⋅ 1.12 ⋅ (1 − ) = 52.6 kN m 𝑁Rd 962 kN

mit: 𝜉=

1 1 − 0.5

𝐴−2𝑏𝑡𝑓

=

𝐴

1 1 − 0.5(4300 mm2 − 2.140 mm ⋅ 12 mm)∕4300 mm2

= 1.12 Kontrolle des Grenzwertes: 𝑀y,N,Rd = 52.6 kN m < 𝑀y,pl,Rd = 54.9 kN m

8.5 Rechenbeispiele

• Infolge Normalkraft reduzierter Biegewiderstand um die schwache Achse: 𝑀z,N,Rd = 𝑀z,pl,Rd = 26.9 kN m für 𝑛=

𝐴 − 2𝑏𝑡𝑓 𝑁Ed 140 kN = = 0.15 < 𝑎 = = 0.22 𝑁Rd 𝐴 1010∕1.05 kN

• Nachweis: 2

(

2.0 11.7 ) +( ) 52.6 26.9

1.1

= 0.11 < 1.0

Knicknachweis mit zweiachsiger Biegung:

Wir können davon ausgehen, dass das Knicken aus der Ebene und das Kippen durch das Dachblech verhindert sind. Der Knicknachweis erfolgt für den massgebenden Lastfall Leiteinwirkung Wind. Dieser Nachweis erfolgt mit der Interaktionsformel nach Norm SIA 230, wobei das Kippmoment 𝑀D,Rd,min durch 𝑀y,Rd ersetzt werden kann, da Kippen verhindert ist: 𝜔𝑦 𝑀y,Ed 𝜔𝑧 𝑀z,Ed 𝑁Ed 1 1 + ⋅ + ⋅ ≤ 1.0 𝑁Ed 𝑁k,Rd,min 1 − 𝑁Ed 𝑀y,Rd 𝑀z,Rd 1− 𝑁cr,y

𝑁cr,z

mit: 𝑁k,Rd,min = 𝑁ky,Rd = 528 kN 𝑁cr,z ist unendlich, da das Knicken aus der Ebene verhindert ist. 𝑁cr,y = 𝜋2

𝐸𝐼𝑦 2 𝐿ky

= 𝜋2

210 000 N∕mm2 ⋅ 15.1 ⋅ 106 mm2 = 869 ⋅ 103 N 60002 mm2

𝜔𝑦 = 1.0 (der Stab ist seitlich belastet). 𝑀y,Rd = 54.9 kN m 𝑀z,Rd = 26.8 kN m Nachweis: 1.0 ⋅ 7.1 kN 352.5 kN 1 1.2 = 0.67 + 1.68 ⋅ 0.13 + 0.044 ⋅ + +1⋅ 352.5 kN 26.8 528 kN 54.9 kN 1− 869 kN

= 0.93 < 1.0 Wirkung des Dachlängsverbandes auf die horizontale Auslenkung des Rahmens

Für diese Aufgabe betrachten wir einen Rahmen in Hallenmitte (Rahmen Nr. 4, Bild 8.26). Die Rückhaltewirkung wird mit einer Dehnfeder mit einer Federkonstante 𝑘cv = 3.6 kN∕mm modelliert (Bild 8.28). Dieser Wert wurde mit einem Programm berechnet.

487

488

8 Windverbände kcv

Bild 8.28 Modellierung des Dachlängsverbandes.

Die horizontale Auslenkung 𝑢 des Rahmens Nr. 4 aufgrund der Windeinwirkung 𝛹1 ⋅ 𝑞𝑘,𝑤 war 40.6 mm, somit praktisch so gross wie der Grenzwert von 40 mm (siehe Abschn. 7.8.2). Mit dem Dachlängsverband wird der Wert zu: 𝑢 = 6.6 mm
1.0 257 mm ℎ − 𝑡𝑓 𝑠𝑠 2.20 mm = 1+ 𝛽3 = 1 + = 1.16 < 1.5 257 mm ℎ − 𝑡𝑓 𝛽4 = 1.5 − 𝜎x,Ed =

𝜎x,Ed 𝛾𝑀1 𝑓𝑦

= 1.5 −

92.6 N∕mm2 ⋅ 1.05 = 1.08 > 1.0 → 𝛽4 = 1.0 235 N∕mm2

𝑀y,Ed (𝑒1 − 𝑡𝑓 ) 𝐼𝑦

(1.35 ⋅ 1.3 + 1.50 ⋅ 85.8 + 1.50 ⋅ 2.1) ⋅ 106 N mm ⋅ (121 mm − 13 mm) 155.8 ⋅ 106 mm4 = 92.6 N∕mm2

=

• Nachweis: 𝐹Ed = 121 kN < 𝐹Rd = 525 kN Rippenlose Krafteinleitung beim Auflager

Die Kranbahnkonsole sei ohne Nachweis ein Profil IPE 300. Lokale Kräfte:

• maximale Auflagerreaktion: 𝑅Ed = 1.35gk 𝑙 + 1.50𝑅𝛷𝑄k,max = 1.35 ⋅ 0.882 kN∕m ⋅ 6.0 m + 1.50 ⋅ 147.8 kN = 229 kN • Widerstand (in der Konsole): Bei senkrecht aufeinanderstehenden Walzprofilen wird die Belastungsbreite mit beidseits um 45° tangential an den Radius anliegenden Geraden berechnet; das ergibt:

9.7 Rechenbeispiel eines Kranbahnträgers

Belastungsbreite 𝑠𝑠 = 𝑡𝑤 + 2𝑡𝑓 + 1.172𝑟. Das aufliegende Profil ist der Kranbahnträger HEA 280 und das untersuchte Profil ist die Konsole IPE 300. Daraus ergibt sich für den Nachweis im (dünneren) Steg des IPE 300: 𝑠𝑠 = 8 + 2 ⋅ 13 + 1.172 ⋅ 24 = 62 mm 𝐹Rd = (𝑠𝑠 + 10 ⋅ 𝑡𝑓 )𝑡

(Werte des HEA 280)

𝑓𝑦 0.235 kN = (62 + 10 ⋅ 10.7)7.1 𝛾𝑀1 1.05

= 268.5 kN (Werte des IPE 300) • Nachweis: 𝑅Ed = 229 kN < 𝐹Rd = 268.5 kN Lokales Beulen (im Kranbahnträger):

• Auflagerkraft: 𝑅ed = 229 kN • Widerstand (Krafteinleitung beidseits): √ 𝑡𝑓 𝐸 1 1 3 ⋅ (8 mm)2 ⋅ 235 N∕mm2 3𝑡𝑤2 𝑓𝑦 ⋅ 𝛽 𝛽 𝛽 = 𝐹Rd = 𝛾𝑀1 𝑓𝑦 ℎ − 𝑡𝑓 3 2 4 1.05 √ 210 ⋅ 103 N∕mm2 13 mm ⋅ 1.21 ⋅ 1.11 ⋅ 1.0 = 393 ⋅ 103 N ⋅ ⋅ 257 mm 235 N∕mm2 = 393 kN mit: 𝑡𝑤 = 8 mm 𝑡𝑓 = 13 mm 𝛽1 = 1.21 < 1.25 𝑠𝑠 28.5 mm = 1.11 < 1.5 = 1+ 𝛽3 = 1 + 257 mm ℎ − 𝑡𝑓 𝛽4 = 1.5 − 𝜎x,Ed =

𝜎x,Ed 99.2 N∕mm2 ⋅ 1.05 = 1.5 − = 1.06 > 1.0 → 𝛽4 = 1.0 𝑓𝑦 235 N∕mm2

𝑀y,Ed (𝑒𝑢 − 𝑡𝑓 ) 𝐼𝑦

(1.35 ⋅ 2.7 + 1.50 ⋅ 71.2 + 1.50 ⋅ 2.1) ⋅ 106 N mm ⋅ (149 mm − 13 mm) 155.8 ⋅ 106 mm4 = 99.2 N∕mm2 =

• Nachweis: 𝑅Ed = 229 kN < 𝐹Rd = 393 kN

543

544

9 Kranbahnträger für Laufkrane

9.8 Literaturverzeichnis 1 FEM (1998). Règles pour le calcul des appareils de levage, Fédération européenne de la manutention, Paris, 3ème édition révisée. 2 EN 10025-2 (2004). Warmgewalzte Erzeugnisse aus Baustählen – Teil 2: Technische Lieferbedingungen für unlegierte Baustähle, CEN Europäisches Komitee für Normung, Bruxelles.

545

Stichwortverzeichnis A Ablenkkräfte 459 Abminderungsfaktor 128, 375 Abscheren längs in der Betondecke 214 Andreaskreuze 482 Anfangsauslenkung 276 Anfangsbeschleunigung 234 Anfangsrotationssteifigkeit 421 Anfangssteifigkeit 419 Anfangswinkel 275 Ankerstangen 410, 413 äquivalente Horizontalkräfte 276 äquivalente Schlankheiten 388 äquivalentes Trägheitsmoment 462 Auflagerdruck 404 aussergewöhnliche Einwirkungen 286 Auswirkungen 104, 273

Blechverbunddecke 133 Bodenträger 74

D Dämpfung 235 Deformationsmethode 307 Differentialgleichung der Biegelinie 389 Dilatationsstösse 506 direkte Einspannung 415 direkte Grenzwertberechnung Mechanismusmethode 292 mit statischem Ansatz 297 Doppelwinkel 394 duktile Verbindungsmittel 207, 209 Durchbiegungsgrenzwerte 181 Durchlaufträger 102 Durchstanzen 144 dynamischer Beiwert 515

B

E

Bauzustand 195 Belastungshäufigkeit 503, 527 Belastungszustand 503, 527 Bemessung zweiter Ordnung 300 Bemessungsverfahren (EE, EP, PP) 217, 219, 220 Berechnung Schritt für Schritt 291 Betoniervorgang 195 Betonrisse 154 Beulen 178, 180, 218 biegesteife Rahmenecken 394 biegesteife Verbindungen 168 Bindebleche 380 Binderformen 33

ebene Fachwerke 456 Eigenfrequenz 233 Eigenspannungen 381 eingesattelte Träger 76 eingespannte Stützenfüsse 403, 410 Einheitslast 314 Einleitung konzentrierter Kräfte 173 Einwirkungen und Gefährdungsbilder 100 Einzellasten 170 elastische Berechnung 197 elastische Berechnung des Schubflusses 204 elastische Funktionsgerade 171

Stahlhochbau – Entwurf und Bemessung von Hallen und Geschossbauten, 1. Auflage. Manfred A. Hirt, Michel Crisinel und Alain Nussbaumer. © 2024 EPFL Press. Published 2024 by Ernst & Sohn GmbH.

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Stichwortverzeichnis

elastisches Auflager 311 Elementfassaden 116 Endzustand 196 Erdbebenrisiko 461 Erdbeschleunigung 235 Ermüdungslasten 526 Ermüdungssicherheit 525 Erregerfrequenz 235 Ersatzlast 279 Eulersche Knicklast 303 europäische Knickkurve 302 exzentrische Stabanschlüsse 460 Exzentrizitätsmoment 374

F Fachwerkbinder 32 Fachwerke, statische Bestimmtheit 358 Fachwerkebene 360 Faltwerk 55, 84, 463 Federsteifigkeit 312 Fersenschlag 232, 234 Flächenlasten 170 Flanschbleche 399 Fliessgelenke 229, 286 fortlaufende Schwingungen 231, 235 Fussplatte 408 Futterbleche 511

Glasfassaden 116 Gleichgewichtsbedingungen 451 Gleichgewichtsverzweigung 301 Grenzgleitkraft 522 Grenzschlankheiten 179, 357 Grenztragzustand 291 Grenzzustand Funktionstüchtigkeit 153 Komfort 153

H halbsteife Verbindungen 171 halbsteife Verbundknoten 227, 416 Halbwelle 365 Hängekonstruktionen 85 Hauptachse 379 Hauptträger 74 Hilti X-HVB 214 Hohlprofile 371 Horizontalverband 449 Hutfachwerk 62

I Imperfektionen 275 indirekte Einwirkungen 286 integrierte Shedkonstruktionen 54 Interaktionsformel 318, 378

G

K

gebundene Drehachse 108 gedrungene Fundation 407 Gefährdungsbild 286, 518 gegliederte Druckstäbe 379 gehaltener Rahmen 306 gekrümmte Oberflächen 81 gelenkige Stützenfüsse 403, 409 gelenkige Verbindungen 166 Gelenkträger 102 gelochte Träger 349 geometrische Imperfektionen 317 geometrische Nichtlinearität 279 Gerberträger 102 gerissener Beton 140 Geschossbauten 59 Geschossrahmen 327 geschweisste Kopfbolzendübel 211 gespannte Konstruktionen 86

kaltgeformte Profile 106, 110 Kassettenprofile 116, 118 Kerbfall 529 Kerbgruppe 526 Kippen 178, 180, 218, 346 Kippfeld 347 Kipplänge 179, 347 Kippstabilisierung 480 Kippwiderstand 361 Knicklänge 312 Knickwiderstand 303 Knotenblech 352, 368, 370 kombinierte Kette 295 kombinierte Mechanismen 294 Komponentenmethode 419 Konstruktionsdetails 538 Kopfbolzendübel 202 Koppelpfetten 366

Stichwortverzeichnis

Krafteinleitung 473 Kraft-Verformungs-Kurve 468 Kraftverlauf 23 Krananlagen 496 Kranbahn 500 Kranbahnträger 500 Kranschienen 504 Kriecheinfluss 224 kritische Kipplänge 179, 347 kritische Knicklast 311 kritische Länge 203 kritischer Schnitt 149, 203 Kurzzeiteinwirkungen 226

L Längsschub 144, 150 Längsschubkraft 215 Längsschubwiderstand 216, 217 Lastbeiwerte 286 Laufkrane 500 Leichtbaukonstruktionen 115 Linienlasten 170 lokale Spannungen 522 lokales Beulen 523

M maximale Radlast 510 Mechanismus 202, 229 Membranstrukturen 88 menschliche Wahrnehmung 232 Methode von Wood 328 Mini-Shed 53 𝑚-𝑘-Verfahren 145 Momentenausgleich 66 Momentennullpunkt 195, 346 Momenten-Rotationskurve 418 Momentenumlagerung 199

N Nachgiebigkeit 471, 477 Nachweis zweiter Ordnung 278 Nennlast 503 Netzflächen 83 nicht gehaltener Rahmen 306 nichtlinearität des Materials 281 Nutzungsvereinbarung 89

O örtliche Flanschverdrehung 173

P Parallelverschiebung 453 𝑃-𝛥-Effekt 280, 285, 324 𝑃-𝛿-Effekt 280, 324 𝑝-𝛿-Effekt 285 Pendelstützen 118, 276 Pfetten 99 plastische Berechnung 199 der Längsschubkräfte 207 plastische Methode 300 plastische Spannungsverteilung 141 plastische Traglast 290, 292 plastischer Biegewiderstand 229 plastischer Grenzlastfaktor 290 plastisches Gelenk 200, 290 Platten 48 Portalrahmen 48 potenziell kritischer Querschnitt 294 Profilbleche 134, 468 Profilbleche, Schwalbenschwanzform 214

R Rahmen ausgesteift 282 nicht ausgesteift 281 Rahmen aus Doppel-T-Profilen 25 Rahmen, seitlich gehalten, seitlich nicht gehalten 281, 289 Rahmenecken 30, 391 Rahmenkette 295 Rahmenportale 476 Rahmensteifigkeit 314 Rahmenstützen 34 Rahmenträger 33 Raumfachwerke 78 räumliche Strukturen 77 rechteckige Öffnungen 185, 187 reduzierte Verbundquerschnitte 209 rippenlose Krafteinleitung 173, 542 Rissebildung des Betons 226 rohrförmiger Grundriss 68 Rotation 230, 453 Rotationskapazität 418, 419

547

548

Stichwortverzeichnis

Rotationssteifigkeit 419 runde Öffnungen 186, 187

S Saint-Venantscher Anteil 127 Sandwichelemente 116 Schadensäquivalenzfaktor 526, 529 Scheiben 48 Scheibenelemente 466 Scheibenwirkung 463 Schenkeldübel mit Setzbolzen 212 Schiefstellung 275 schlanke Fundation 407 Schnee 93 Schrägrippen 398, 400 Schraubenrisslinien 356 Schubbleche 398 Schubeinfluss in der Fachwerkebene 381 Schubfeldwirkung 107 Schubfluss 111, 204, 215, 520 aus Schwinden 205 Schubmittelpunkt 111, 456, 459 Schubmodul 381 Schubnachgiebigkeit einer Tafel 468 Schubwiderstand einer Tafel 468 Schweissbarkeit 504 Schwerachsen 354 Schwindeinfluss 222 Schwingungen 368 Schwingungsfrequenz 233 Schwingungsverhalten 154 Sekundärmomente 279, 353, 461 Shedkonstruktionen 52, 448 Sicken 106 Spannungsdifferenz 529 Spannungskonzentrationen 525 Spreizung 477 Spriesslasten 144 Spurweite 503 Stabilisierung 44 Stabilisierungselemente 46 Stabilitätskriterium 175 Stabilitätsnachweis 386 ständige Lasten 92 starr-plastische Analyse 322 statische Berechnung erster Ordnung 280

Stauchung des Bleches 474 Stegplastifizierung 173 Stegscheibe 395 Steife und weiche Rahmen 283 Steifigkeitskoeffizienten 328, 329 Steifigkeits-Schwerpunkt 452 Steifigkeitsverhältnis 273 Stirnplatte 394 Strukturen statisch bestimmt 26 statisch unbestimmt 26 statisch zulässig 297 Stützenfüsse 30 SUVA-Vorschriften 503 System C.R.O.C.S 66

T Teilverbundverfahren 146 teilweise Einspannung 171 teilweise Verdübelung 203, 209 Temperaturdehnungen 43 Temperatureinwirkung 461 Toleranzvorschriften 508 Torsionskonstante 362 Torsionssteifigkeit 362 Träger mit Stegöffnungen 184 Trägerkette 295 Trägerroste 78 Tragwerksanalyse 271 Tragwiderstand von Rippen 176 Trapezprofilbleche 214 Typen von Fachwerkbindern 351

U Umlauftorsion 362 Umverteilung der Spannungen 224 ungerissener Querschnitt 140 Unterhaltsarbeiten 102 Unterzüge 74 unverschiebliche Knoten 289

V variable Querschnitte 347 variable Steghöhe 386 veränderliche Lasten 93 Verankerung 147 Verbandssysteme 72

Stichwortverzeichnis

Verbindung Stahl-Beton 202 Verbindungsmittel 203 Verbundfuge 204 Verbundknoten 417 Verbundträger 135 mit halbsteifen Knoten 227 Verdübelung 191 Verdübelungsgrad 203, 209, 211 Verformungsgrenzen 113 Vergrösserungsfaktor 280, 321, 325 Versagensformen 474 Versagensmechanismen 105, 291 verschiebliche Knoten 289 Verteilung der Verbindungsmittel 221 Verzweigungsproblem 284, 321 Vierendeel-Träger 33 volle Verdübelung 203, 207 vollständige Verdübelung 190 Vollwandbinder 456

Vordimensionierung 317 vorübergehende Schwingungen

231, 235

W web crippling 173 Widerstand von Verbindungsmitteln bei Profilblechen 213 Wind 93 Windverbandsysteme 37, 448 wirksame Breiten 138 wirksame Tragfläche 405 Wölbanteil 128 Wölbkrafttorsion 362

Z zentraler Kern 60, 455 Zusatzarmierung 148 zwängungsfreie Dehnungen 91 Zweiträgerlaufkran 501

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