Erneuerung im Bild. Die Benediktinerabtei Pomposa und ihre Wandmalereien des 14. Jahrhunderts 3895000817, 9783895000812

Gegenstand dieser Untersuchung ist die umfangreichste Klosterausmalung, die sich in Norditalien aus dem späten Mittelalt

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Erneuerung im Bild. Die Benediktinerabtei Pomposa und ihre Wandmalereien des 14. Jahrhunderts
 3895000817, 9783895000812

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Titelblatt
Inhalt
Zum Thema
Der Kapitelsaal
Das Refektorium
Die Abteikirche zwischen Tradition und Erneuerung
Schlussbemerkung
Anhang
Bilder

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ERNEUERUNG IM BILD Die Benediktinerabtei Pomposa und ihre Wandmalereien des 14. Jahrhunderts

von Stefanie Hauer

REICHERT VERLAG WIESBADEN 1998

Gedruckt mit Hilfe der G eschwister Bochringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein

VORWORT Die vo rliegende Studie entstand 1992 als Dissertatio n an der Philosophisch-Historischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. In der Zwischenzeit ist neue Literatur zum Thema entstanden , die nicht mehr eingearbeitet werden k onnte. Hingewiesen sei hier auf: Yves C hriste. L ' apocalypse de Jean . Sens et developpemem s de ses visions synthetiques. Bibliotheque des Cahiers arch eologiques. Paris 1996 und: Jerome Baschet. Les justices de J ' audela. Les representatio ns de I ' enfer en France et en Italic (XIIe - XVe siede). Bibliotheque des ecoles fran c;:aises d ' Athenes et de Rome. Vo n vielen Seiten habe ich Anregungen und Ermutigung für diese Arbeit erhalten. Besonde rs meinem D oktorvater Max Seidel gebührt an dieser Stelle mein Dank für die großzügige Fö rderung und seine Gesprächsbereitschaft. Auch Peter Anselm Riedl danke ich dafür, daß er diese Arbeit unterstützend begleitete.

Die Deutsche Bibliothek - CIP-E inheitsaufnahme Hauer, Stefanie: Erneuerung im Bild : die Benediktinerabtei Pomposa und ihre Wandmalereien des 14. Jahrhunderts / Stefanie Hauer. - Wiesbaden: Reichert, 1998 Zug!.: Heidelberg, Uni v., Diss., 1992 ISBN 3-89500-081-7

Mitarbeiter der Kunsthistorischen Institute 111 Flo renz und Heidelberg, der Riblimheca Henz iana in Ro m und der Soprintendenze in Bologna und in Ravenna w aren mir in vielem behilflich. Wertvo lle Hinweise verdanke ich Rosalba D ' Amico, Irene Hueck, Helga KaiserMinn und Margit Lisner. Die Biblioth ekare von S. Giustina in Padua und von Mo ntecassino, T ro lese und Avalliano, haben meine Nachforschungen durch sachkundige Ratschläge erlei chtert, ebenso Anto ni o Sam aritani , der mir 7.ur Archivsituatio n detaillierte Auskunft erteilte. Meinen Freunden und Kommilitonen danke ich für den Rat und die Unterstützung: für die kriti sche Begleitung Susanne Pfleger, Peter Burkhart und Antoinette Lorang, für die technische Hilfe Torsten Wallraff, meinen Bologneser f-reunden für die unkonventio nelle l lilfsbereitschaft. Die Gespräche mit ßarbarn Schellewald gaben mir viele Anregungen. Stipendien des Deutschen Akademischen Austauschdienstes, der Landesgraduiertenförderung und der Robert E. Schmidt-Stiftung haben längere ltalienaufenthalte ermöglicht und die Arbeit insgesamt gefördert. Die Drucklegung unterstützte die Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für G eisteswissenschaften.

© 1998 Dr. Ludwig Reichert Verlag Wiesbaden Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Speicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. G esamtherstellung: MZ-Verlagsdruckerei GmbH, Memmingen Printed in Germany

Mein besonderer Dank gilt meinen Eltern für die vielfältige Hilfe und den Halt. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet.

Frankfurt am Main , im Dezember 1997

Stefanie Hauer

INHALT ZUM THEMA DER KAPITELSAAL Der Opfertod Christi und das Schuldkapitel der Mönche Das Kreuzigungsbild Die Präsentation der Figuren Das Bildprogramm Die Gestaltung: Rahmensystem, Bildraum, Licht Exkurs: Kreuzigung und Konvent - eine Sonderform des Kreuzigungsbildes

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DAS REFEKTORIUM Die Fragmente verschiedener Raumdekorationen «Imago» und «Historia» D er thronende C h ristus mit Heiligen Das Abendmahl Das Guido-Wunder C hristus am Ö lberg Christus und die Jünger - der Abt und die Mönche: ein Bildprogramm zur Nachfolge C hristi Das Guido-Wunder und die aktuelle Situation der Abtei Das Guido-Wunder und die Bildpropaganda der Franziskaner Zur Datierung der Bilder Das Bildprogramm vor dem Hintergrund der Tradition von Rcfektoriumsdekorationen

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DIE ABTEIK!RCHE: ZWISCHEN TRADITION UND ERNEUERUNG Die Bilder des Langhauses als Wanddekoration und das System der Bildanordnung und Bildabfolge Die Geschichtszyklen: Das Alte und das Neue Testament Auswahl und Disposition der Szenen als Hinweis auf eine Programmredaktion Der Erzählstil Rombezug oder Reflex der lokalen Tradition Die Apokalypse des Johannes Eine Bilderreihe der Erscheinungen Gottes, himmlischer und satanischer Wesen Keine Eschatologie Mißverständnisse und Bilderfindungen

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Die Westwanddekoration mit dem Weltgericht «Secundus Adventus» oder «Visio beatifica Dei» Kontroversen um die Gottesschau Bilder der jenseitigen Welt Die Bildelemente: der Salvator - die Stände im Jenseits Anmerkungen zu den Bildvorlagen Die Apsis - Kristallisationspunkt des kirchlichen Bildprogramms Das Apsisgewölbe - ein Einblick in den Himmel Das Bild der Ewigkeit - die «Visio Dei» und das Gerichtetwerden Heilige, Zeugen und Lehrer Kult und Vita des heiligen Eustachius Die Kirchendekoration zwischen Tradition und Erneuerung SCHLUSSBEMERKUNG

ANHANG Beschreibung der einzelnen Szenen der Langhausdekoration Abkürzungsverzeichnis der Lexika und Handbücher Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur Bildnachweis Riassunto italiano

ABBILDUNGEN

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ZUM THEMA

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«Monasterium in Italia princeps.» So nannte der Musiktheoretiker Guido d'Arezzo die Benediktinerabtei Pomposa in einem Brief des Jahres 1037. 1 Im 14. Jahrhundert hatte das Kloster seine herausragende Bedeutung verloren. Aus dieser Zeit jedoch stammt ein aufwendiges Fresken-Ensemble in den drei Haupträumen der Abtei. Dabei handelt es sich um die umfangreichste Klosterausmalung, die sich in Norditalien aus dem späten Mittelalter erhalten hat. Der Kapitelsaal ist der früheste südlich der Alpen, dessen Wanddekoration komplett überliefert ist. Das Bildprogramm im Speisesaal des Klosters, wie es in der vorliegenden Untersuchung dargelegt wird, erweitert zudem die Typologie von Refektoriumsdekotationen um eine .wesentliche Variante. Und der Kirchenausmalung, die alle Wände der dreischiffigen Basilika überzieht, ist in ihrer Komplexität wenig aus dem 14. Jahrhundert an die Seite zu stellen. In der Kirche erinnert v ieles zunächst eher an S. Angelo in Formis, mit der schon in den Jahren 1072/1087 entstandenen Wanddekoration, als an zeitgenössische Werke mon umentaler Malerei (Abb. 1 und 2). 1 Die großen Freskenzyklen, die wir sonst aus dieser Zeit kennen, bilden meist einzelne, privat gestiftete Kapellenausstattungen in den Kirchen der Bettelorden oder Dekorationen in Kommunalpalästen. Auf Objekte dieser Art hat sich die Forschung zur Wandmalerei des Trecento konzentriert. Bisher hat man wenig darauf geachtet, welche künstlerischen Arbeiten in dieser Zeit im Auftrag der Benediktiner entstanden. Angesichts des Denkmalbestandes in Pomposa erscheint dies aber durchaus sinnvoll. Der Umfang und die künstlerische Qualität sichern den Fresken der im Po-Delta gelegenen Benediktinerabtei einen h ohen Stellenwert in der Malerei des Trecento. Die kunsthistorische Literatur wird dieser Bedeutung der Abtei in vielerlei Hinsicht nicht gerecht. Sie setzt sich hauptsächlich mit stilkritischen Fragen auseinander, mit Künstlernamen und Datierung. Da die drei Räume, Kirche, Kapitelsaal und Refektorium von drei verschiedenen Werkstätten ausgemalt wurden, sind die Fresken in der Literatur meist in unterschiedlichen Zusammenhängen behandelt worden. Es fehlt eine Untersuchung, die den Gesamtkomplex der Wandmalereien im Auge hat und auf die Programmstruktur zielt. Pomposa wurde in der kunsthistorischen Literatur bislang auch dort zu wenig zur Kenntnis genommen, wo es um übergreifende Diskussionen wie die über die Weltgerichtsdarstellungen geht. So wird seit Paeselers Aufsatz von 1938 - und auch noch in der neueren Literatur - das Fresko von Pietro Cavallini in S. Cecilia in Rom rekonstruiert, Guido d'Arezzo hatte einige Jahre zuvor zeitweise in diesem Kloster gelebt. Gian Domenico Gordini in: BS, Bd. 7, Sp. SOlf. und Salmi 1966, S. 11. Vergleiche Morisani 1962 Abb. 12.

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indem man eine zweite C hristusfigur ergänzt. Die Abteikirche von Pomposa, die als einziges Beispiel in der Monumentalmalerei der Zeit diese Ikonographie tatsächlich aufweist und deren Ausstattung ein gutes Argument für die Stichhaltigkeit der Rekonstruktion wäre, ist noch nie in diesem Zusammenhang beachtet worden.) Das Verdienst von Mario Salmi ist es, in einer 1936 erschienenen Monographie und deren modifizierter Fassun g von 1966 den gesamten Denkmalbestand der Abtei vorgestellt und fotografisch dokumentiert zu haben, angefangen vo n der Architektur über die Bodenmosaiken und die Bauplastik bis hin zu den Wandmalereien. Es sind dies Zeugnisse aus neun Jahrhunderten.i Salmi nimmt auch zu Fragen der stilistischen Einordnung und Datierung Stellung und gibt zudem einen Abriß der Abte igeschichte. Viele seiner Ergebnisse haben heute noch Gültigkeit. Die beiden Monographien entbinden die vorliegende Arbeit von der Aufgabe einer inventarischen Erfassung des Freskenbestandes. Auf ihrer Grundlage lassen sich weiterführende Aspekte behandeln. Das erscheint besonders für die Bildprogramme lohnend. Elizabeth A lbert hat ihre Dissertation allein den Refektoriumsfresken gewidmet, und auch sie legt ein besonderes Gewicht auf Fragen des Stils. Sie hat aber auch das Bildprogramm analysiert. In der Frage der Datierung lehnt sie sich an Mario Salmi an. Die Grundlagen dafür liegen in einer Bewertung des Befunds, die im folgenden überprüft w ird. Die Revision führt in der vorliegenden Arbeit zu einer anderen Datierung der Fresken. Es wird sich auch zeigen, daß die wesentlichen Aspekte des Bildprogramms bisher unentdeckt blieben.' Die Zuordnung der gesamten trecentesken Malereien in Pomposa zu einzelnen regionalen Stilen ist weitgehend geklärt, die genaue zeitliche Bestimmung jedoch nicht. Mehrere Anhaltspunkte sprechen dafür, daß die Fresken nicht alle innerhalb eines kurzen Zeitraums gemalt wurden. Die wohl jüngsten Malereien sind die der Kirche. Einen Hinweis für ihre Datierung gibt eine Inschrift in der Apsis, die eine Entstehungszeit um 1351 belegt. 6 Zumindest Teile der Apsis sind als eigenhändige Arbeit von Vitale zu be-

Vergleiche etwa H etherington 1979. Aufgrund des Mauerbefunds und der Sinopie halte ich allerdings d iese Rekonstruktion von S. Cecilia Wr verfehlt. Tch beahsichtige, mich an anderer Stelle dazu genauer zu äußern. Neben Pomposa ist mir üherhaupl nur noch in Müstair (um 800) eine solche Ikonographie in der monumentalen Malerei bekannt. Darunter Spolien aus Ravenna wie Kapitelle aus dem 6. Jahrhundert und Bodenmosaiken sowie stellenweise aufgedeckte Wandmalereien aus dem 10. Jahrhundert. Alhert 1983. Vergleiche unten 1\nm. 504 und Salmi 1966, S. 260. Die Inschrift ist 7.war gerade an der Stelle der Jahreszahl fragmentiert, doch käme aufgrund des Befundes außer «1351» nur noch die Lesart «1302» in Frage. Dieses Datum kann aus stilistischen G ründen wiederum ausgeschlossen werden. Lediglich Arcangeli (1978, S. 152) liest d ie J ahreszahl 1341. Die Lesart «1351 » wurde von den Restauratoren Pelissoni und Vemura, die die vom lstituto Centrale per il Restaura in Rom geleitete Restaurierung in den frühen sechziger Jahren durchführten, bestätigt (siehe den Restaurierungsbericht, der sich im Potoarchiv der Soprintendenza in Bologna befindet).

werten, dem führenden Bo logneser Maler der Jahrhundertmitte; die übrigen Fresken in der Kirche werden Künstlern aus seinem Umkreis zugeordnet. 7 Aus der Region, die in Rimini ihr Zentrum hatte, kamen Maler, die das Refektorium ausstatteten. Überzeugende stilistische Vergleic he belegen dies seit langem. Umstritten ist allerdings auch hier die Entstehungszeit. Die Jahre 1317 /1318 und die dreißiger Jahre werden in der Forschung als Alternativen genannt. Die Nähe zu Giotto veranlaßte Salmi 1936 zu der bis heute im wesentlichen unwidersprochenen These, die Malereien im Kapitelsaal stammten aus dem zweiten Jahrzehnt des Trecento und ließen archaische Züge, aber auch Einflüsse von Giotto erkennen.8 Neben den Kunsthi storikern, und von diesen weitgehend unbeachtet, haben sich die Historiker mit der Benediktinerabtei befaßt. Ihre Forschungsergebnisse mit denen der Kunstgeschichte zu verbinden, ist ein Aspekt dieser Arbeit. 9 Die vorliegende Untersuchung ist nicht in Stil- und Ikonographie-Kapitel aufgeteilt und trennt nicht Bildthema und Gestaltungsmittel. An der Wirkungsweise der Bilder sind die inhaltlichen Momente wie die ästhetischen Komponenten gleichermaßen betei ligt. Die Konzeption der Bilder war in besonderem Maße bestimmt von ihrer Funktion. Zu fragen ist also, was sich in den Räumen abspielte, deren Bildschmuck hier zur Debatte steht. Welchen Betrachterkreis sprechen sie an? Und wie sind die Bilder an der Wand angeordnet und miteinander in Beziehung gesetzt? Fragen wie diese erwiesen sich besonders hinsichtlich der Fresken im Kapitelsaal und im Refektorium als ergiebig. Es geht in vorliegender Arbeit nicht in erster Linie um einen Beitrag zur Diskussion um Künstlerpersönlichkeiten. Mit diesem Them a hat sich die Literatur zu Pomposa ausführlich beschäftigt. Die Fresken werden hier auch als Produkt eines Prozesses verstanden, bei dem Auftraggeber und verschiedene Künsrler zusammenwirkten. Auch sollte man nicht aus dem Auge verlieren, daß die räumlichen Gegebenheiten Vorgaben machten, die bei der Realisierung des Projektes berücksichtigt werden mußten. In vielen Fällen griffen die Maler auch auf Lösungen zurück, die ihnen die Tradition zur VerfüDabei werden die Namen von Andrea und Cr istoforo da Bologna genannt. 7.um eigenhändigen Werk Vitales werden der Eustachiuszyklus und meist auch die Kirchen väter und Evangelisten gezählt. Dazu die neuere Literatur: Gnudi 1962; Longhi 1973, S. 53 - 59; Arcangeli 1978, S. 150ff. und S. 257 · 261 (ausführliche Bibliographie); Gibhs 1982; Plant 1984, S. 95f., 131 - 133; Benati 1985; D'Amico 1986; dies./Medica (Hg.) 1986 (S. 11 · 35 wird d ie l'orschungsgeschichte zu V itale dargelegt); Ttinerari di Vitale da Bologna, 1990. Die Einordnung in einen Kunstkreis der F.milia-Romagna, die Salmi prokhunien, ist noch nicht hinreichend begründet. Salmis Vergleiche mit der Bologneser Buchmalerei sind n icht allzu aussagekräftig. (Salmi 1931/32, S. 245 - 247; ders. 1966, S. 149 · 156, dun auch die bis dahin erschienene Literatur zu dieser Frage); Neueres dazu: Salvini 1969, S. 334; Ragghianti 1969, S. 68 - 70; Varese 1976, S. 33; Bentini (Ilg.) 1982, S. 5 1f.; Varese 1987, S. 4 l 5f. Allerdings beschäftigen sich die Historiker weitaus mehr mit der Abtei im F rüh- und Hochmittelalter als mit dem 14. Jahrhundert. Das H auptorgan der historischen Forschung zu Pomposa ist die 1965 gegründete Reihe «Analecta Pomposiana». Den besten Überblick und die genauesten Kenntnisse der Quellen von Pomposa besitzt Antonio Samaritani, Cento.

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12 gung stellte. Und es scheint, daß dies oft eine bewußte Entscheidung war, deren Hintergrund zu entschlüsseln lohnenswert erscheint. Für die neu entstandenen Orden erwies sich das Medium der Wandmalerei als besonders geeignet, die eigenen Ideale und das sich stärkende Selbstverständnis einem größeren Publikum einprägsam mitzuteilen. Allen voran war dabei der Franziskanerorden, der eine regelrechte Bildpolitik mit äußerst aufwendigen Mitteln betrieb. Mit dieser Aufgabe konnte der Orden die progressivsten künstlerischen Kräfte an sich binden. In welcher Weise verhielten sich die Künstler, die zur Ausschmückung einer alten Benediktinerabtei engagiert wurden, zu den neuartigen künstlerischen Mitteln, die nun entwickelt waren? Inwiefern eigneten sie sich überhaupt für die ihnen gestellten Aufgaben? Nahm man in diesem abgelegenen Landkloster die künstlerischen Neuerungen, die für ein städtisches Publikum ausgebildet wurden, überhaupt wahr? Es erschien im Kontext der Forschung reizvoll, nach den o rdensspezifischen Aspekten der Bildprogramme in Po mposa zu fragen. Nun kann man aber die Kunst der Benediktiner methodisch nicht in gleicher Weise behandeln wie die Kunst der Bettelorden. Das ergibt sich aus den grundlegend anderen Organisationsformen der Benediktiner im Vergleich zu denen der neueren Orden. Denn genau genommen läßt sich bezüglich des 14. Jahrhunderts nicht ohne Bedenken der Ausdruck «Benediktine rorden» verwenden. Tatsächlich tritt der Begriff «Ordo Sancti Benedicti» erst Ende des 13. Jahrhunderts 10 vereinzelt auf und wird nicht vor dem 18. Jahrhundert allgemein gebräuchlich. Was man gemeinhin so bezeichnet, ist eine große Anzahl von Klöstern , deren Mitglieder alle nach der Regel Benedikts von Nursia lebten, die aber im 14. Jahrhundert noch durch keinerlei übergeordnete, zentrale Organisation miteinander verknüpft waren. Jede Abtei mit ihren abhängigen Prioraten war ihrem Selbstverständnis nach ein völlig autonomes Gebilde. Einen geistig-organisatorischen Mittelpunkt des gesamten Ordens, wie ihn Cluny für die C luniazenser, Citeaux für die Zisterzienser darstellten oder wie es die Ordensgeneräle bei den Bettelorden waren, gab es bei den Benediktinern nicht. Daraus ergeben sich methodische Schwierigkeiten bei der Interpretation der Fresken. Denn man kann bei der Untersuchung des Bildprogramms kaum auf theologische Diskussionen innerhalb des Ordens verweisen. Auch haben die Benediktiner im Gegensatz zu früheren Jahrhunderten in dieser Zeit kaum Spuren in der theologischen Literatur hinterlassen . Eine andere Überlegung bietet dagegen einen brauchbaren Interpretationsansatz. Die Abteien besaßen zwar keine gemeinsame ideologische Ausrichtung, aber gleiche Organisationsstrukturen, an denen sie seit Jahrhunderten festhielten, auch wenn daraus erhebliche Schwierigkeiten und Mißstände erwuchsen. Zunehmend war die uneingeschränkte Machtposition des Abtes der Kritik ausgesetzt. Ein interessanter Aspekt der 10

Die benediktinische Konföderation (O.S.B. - Ordo Sancti ßenedicti) wird erst 1893 errichtet. Vergleiche die Anikel «Benediktiner» von Karl Suso Frank in: TRE, Bd. 10, 1982, S. 550 und von R . Manselli in: LM, Bd. !, Sp. 1869f.

Bildprogramme in den Konventsgebäuden von Pomposa ergibt sich deshalb aus der speziellen Präsentation des früheren Abtes Guido, der Pomposa in einer Zeit geistiger und wirtschaftlicher Blüte ungefähr 40 Jahre lang leitete und später als Heiliger verehrt wurde. In der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts war die Abtei ein feudales Machtzentrum im nordöstlichen Italien. Berühmte Persönlichkeiten lebten zeitweise im Kloster: der Marchese Bonifaz von Canossa, Vater der berühmten Mathilde, der Musiktheoretiker Guido d'Arezzo und der Kirchenreformer Pier Damian, der seine Schrift «De perfectione monachorum» später den Mönchen von Pomposa gewidmet hat. 11 Ein Katalog der Klosterbibliothek aus dem Jahr 1093 bezeugt zudem die Bedeutung von Pomposa als Zentrum des geistigen Lebens. 12 Abt Guido war Funktionär der kaiserlichen Italien- und Kirchenreformpolitik und Vertreter eines monastischen Lebens nach strengsten Regeln mit Tendenzen zum Eremitentum (Romualdus-Schüler). Er starb im Jahr 1046 auf der Reise zur Synode in Pavia, zu der Kaiser Heinrich III. geladen hatte. Um den Besitz seines wunderwirkenden Leichnams bildete sich fernab des Klosters ein Streit. Deshalb nahm der Kaiser den Leichnam kurzerhand an sich und brachte ihn nach Speyer, wo Guido heute noch als einer der Stadtpatrone verehrt wird. 13 Pomposa war also nicht Zentrum des Heiligenkults um Guido. Seine Reliquien lagen von jeher in Speyer. H Die Position des Abtes, wie sie Benedikt vorsah, war im Gegensatz zu den Zeiten Guidos im 14. Jahrhundert fragwürdig geworden. Die Ordensregel konzipiert das Amt des Abtes als institutionalisierte geistliche Autorität, die autonom und von äußerem Einfluß unberührt über alle klösterlichen Belange entscheidet. Der Abt, so Benedikt, sei für diese Gemeinschaft der Stellvertreter C hristi auf Erden, was ihn zu entsprechender geistiger Führung, maßvollem Lebenswandel und verantwortungsvollem Handeln zum

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Dazu Calati 1965, Benati 1965 und Balboni 1977. Veröffentlicht in: Mercati 1937. Dazu auch Leclercq 1965; Balboni 1965; ders. 1986; Billanovich 1981; ders. 1986. Auffällig ist der Bestand an antiker Literatur (Seneca, Livius, Plinius), der für den Paduaner Frühhumanismus von Bedeutung wurde. Dazu die Aufsätze in Balsamo (Hg.) 1985. Während der Auflösung des Klosters entstand 1459 ein Inventar mobiler Gegenstände aus dem Kloster. Dabei sind auch Teile der Bibliothek verzeichnet. Veröffentlicht in: lnguanez 1920; Salmi 1966, S. 266- 268 . Borghini 1965; Gregoire 1965; Samaritani 1965, S. 37 - 55; Laghi 1967; Gatto 1969; Violante 1972; Capitani 1987. Guido wurde nie förmlic h kanonisien . Erst seit Papst Alexander Ill. (1159 - 1181) ist die Heiligsprechung ausschließlich päpstliches Vorrecht. In der Zeit davor genügte die Zustimmung des Bischofs oder der Provinzialsynode zur «vox populi». Ullmann 1978, S. 223f. Durch Pier Damian ist bezeugt, daß Guido schon sechs Jahre nach sei nem Tod als Heiliger verehn wurde. (Liber Gratissimus, S. 60). Federici (1781, S. 571 - 576) verzeichnet liturgische Texte, die eine Guido-Verehrung bezeugen und zum Teil einer Handschrift des 14. Jahrhunderts aus dem ehemaligen Klosterbesitz entnommen sind. Vergleiche auch De Gaiffier 1965; Laghi 1967, S. 99 - 107; Gugumus 1971.

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Wohl der Abtei verpflichtete, ihm aber auch eine fast unumschränkte Machtbefugnis innerhalb des Klosters gab. 15 Die tatsächliche Regierungsweise widersprach freilich oft dem in der Regel festgelegten Pflichtenkanon. Äbte wie die von Pomposa waren Feudalherren mit zum T eil erheblichem eigenem Besitz, der «mensa abbatis», die unterschieden war von der «mensa fratrum», dem Besitz der Mönchsgemeinschaft. Im späten Mittelalter mehrten sich die Fälle, in denen die Mönche nicht mehr einen aus ihren eigenen Reihen zum Abt wählten, wie es die Regel vorsah, sondern Papst oder Kaiser dieses Amt als einträgliches Benefizium vergaben. Diese Praxis wird als Kommendenwesen bezeichnet. 1~ Eine schlechte Führung des Klosters hatte oft gravierende Mißstände zu verantworten. Vorrangiges Thema der monastischen Reformbewegungen des Mittelalters war deshalb, durch zentralistische Verfassungen nach zistcrzicnsischem Vorbild etwa, durch die Einrichtung von Kontrollorganen, General- und Provinzkapiteln und Visitationen, dem Amtsmißbrauch und dem Kommendenwesen entgegenzuwirken. Bei den Kamaldulensern war das Amt des Abtes sogar ganz abgeschafft worden. Schloß sich eine Abtei keiner dieser monastischen Reformbewegungen an, wie es in Pomposa der Fall war, dann wohl deshalb, weil sie ihre Autonomie und die Position ihres Abtes uneingeschränkt erhalten wollte. 17 In den Konventsgebäuden, im Kapitelsaal und im Refekt0rium, wird der heilige Abt Guido innerhalb umfangreicher Bildprogramme dargestellt. In welcher Weise man sich in der historischen Situation des 14. Jahrhunderts auf den früheren Abt bezieht, wird hier zu erörtern sein. Vor dem Hintergrund der Abteigeschichte erstaunt eine so umfangreiche Neuausstattung der wichtigsten Bauten des Klosters im 14. Jahrhundert. Pomposa, schon 874 urkundlich erwähnt und von Otto III. reichsunmittelbar gestellt, ist von mehreren Kaisern und Päpsten mit bedeutenden Privilegien und Stiftungen bedacht worden. 18 Doch gerade im 14. Jahrhundert machten sich die strukturbedingten Schwierigkeiten wie in nahezu allen benediktinischen Landklöstern deutlich bemerkbar. Auch Pomposa konnte sich nämlich den Veränderungen der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse kaum anpassen. Das betraf vor allem die Verwaltung eines weit verstreuten Landbesitzes in einer Zeit, in der feudale Machtstrnkturen ins Wanken gerieten, die Geldwirtschaft sich durchsetzte und der langandauernde Behauptungskampf gegen die umliegenden Signorien bereits deutliche Niederlagen einbrachte. 19 Schwierig wurde die Verwaltung der Priorate: Die Abtei besaß etwa 40 solcher abhängigen Klöster, die über ganz Nord- und Mittelitalien verteilt waren. Die Konkurrenz der neu entstandenen Orden tat ein übriges 15

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Vergleiche die Regula Benedicti, besonders Caput LXIV, De ordinando abbate; Steidle 1975, S. 172 - 175. Siehe auch Grossi 1957. G. Picasso in: DIP, Bd. 2, Sp. 1246 · 1250. Vergleiche dazu Sehmieder 1867; Heimbucher 1965, Bd. 1, S. 207 - 2 15; Schmitz 1955, Bd. 3, 5.24 49, 93f und 52 - 93; Dammenz 1963; Frank 1972; Becker 1980. Gurrieri 1965. Siehe Zucchini 1965; Gurrieri 1965; Dean 1988, besonders S. 28 - 46.

zur Entvölkerung und Schwächung der alten Abteien, denn die Bettelorden besaßen eine große Anziehungskraft. 10 Was aber waren die Motive dafür, ein solch umfangreiches Ausmalungsprojekt in Auftrag zu geben? Wer finanzierte es, und trugen etwa größere Stiftungen dazu bei? Die Quellen geben darüber keine Auskunft. 21 Die Situation der Abtei in dieser Zeit wird von den Historikern tendenziell unterschiedlich eingeschätzt. Gurrieri betont die Verfallserscheinungen: Rückgang der Zahl der Mönche, Mißernten, Klagen über wirtschaftliche Mißstände, Verkauf von Territorien und geringe Einkünfte. 22 Samaritani und Bortolam i weisen aber darauf hin, daß Abteien wie Pomposa oder S. Giustina in Padua auch im 14.Jahrhundert wirtschaftlich noch sehr mächtig waren, wenngleich die Zeit der territorialen Ausweitung des Klosterbesitzes seit dem späten 13. Jahrhundert zu Ende war und der langandauernde und letztlich vergebliche Behauptungskampf gegen die umliegenden Signorien, besonders gegen das Haus Este, die Abtei deutlich schwächte. 23 Vor allem Abt Enrico (1302 - 1320) versuchte, die Lage durch neue Bestimmungen zur Verwaltung der weit verstreuten Landgüter und abhängigen Klöster und Kirchen zu verbessern. Durch ein neues Statut von 1307 sollten sie enger an Pomposa gebunden werden. Er versuchte, die Streitigkeiten innerhalb des Klosters zu beseitigen, und legte neue Strafregelungen für abtrünnige Mönche fest. 24 Zehn Jahre später ließ derselbe Abt eine genaue Auflistung aller abhängigen Institutionen erstellen, und es kam - zum letzten 20

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Vergleiche Uhlhorn 1893, S. 347 - 379; Schmitz 1955, ßd. 111, S. 70 - 83, Bortolami 1980 und Penco 1983, S. 253 - 275. Das Archiv der Abtei wurde bereits Ende des 15. Jahrhunderts nach S. Benedetto in Ferrara gebracht. Infolge der Napoleonischen Auflösung dieses Klosters wurden die Dokumente aus Pompo· sa in verschiedene italienische Archive verteilt: Archivio di Srato in Modena und Rom (Palazzo della Sapienza), Archivio in Montecassino und Archivio di Stato und Biblioteca Braidense in Mailand. Dazu ßalboni 1954 und ders. 1965. Vor der Auflösung des Archivs hat Placido f-cdcrici in den Jahren 1765 - 1769 die Archivalien gesichtet und viele der Dokumente in ein siebenbändiges Werk transkribiert. Dieser «Codex Diplomaticus Pomposianus» befindet sich heute in der Bibliothek von Monrecassino. Vergleiche Salmi 1966, S. 17, Anm. 8. Nur als Manuskript existiert der zweite Band von Federicis Beschreibung der Abteigeschichte: Federici-Camp irelli: «Rerum Pomposianarum Historia» vol. II, ms. 905 - 906 der Bibliothek in Montecassino. Aus dem gesichteten Material geht hervor, daß keine Annalen, Kalendarien, Reliquienverzeichnissc und Nekrologien mehr vorhanden sind (Fasoli 1959, S. 198). Die Statuten der Abtei, die rechtliche und verwaltungstechnische Fragen behandeln, wurden von Samaritani 1958 veröffentlicht. Gurrieri 1965 und Turri 1981. Die Zahl der Mönche nahm his zum 14. Jahrhundert heträchtlich ab: 1026 waren es circa 100 Mö nche, 1235 noch 20, 1306 nur noch 12 und 1338 waren es 11. Ähnliches ist auch für andere, zum Beispiel ravennatische Benediktinerabteien bezeugt: 1248 habe es in S. Vitale nur einen Mönch und den Abt, in S. Apollinare N uovo 1338 nur zwei Mönche gegeben (Gano 1969, S. 49 und Novelli 1969, S. 197 und 199). Samaritani 1973, S. 24; Bortolami 1980, S.29 und Dean 1988, besonders S. 35 - 38. So werde zum Beispiel ein Mönch exkommuniziert und er verliere alle Rechte eines Mönches, wenn er sich von Adligen oder l Ierrschern begünstigen ließe, um in den Besitz eines Benefiziums zu kommen. Die Bestimmungen werfen ein Licht auf die Mißstände (Gurrieri 1965, S. 157fQ.

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Mal in der Geschichte der Abtei - zu Landerwerb in größerem Umfang. 25 Die Tendenz allmählichen Macht- und Gebietsverlustes setzte sich dennoch unaufhaltsam fort. Im Streit mit der Signoria der Este mußte öfter der Papst als Schlichter eingreifen. 1317 forderte Johannes XXII. Ravenna, den Dogen und die Ratsversammlung von Venedig, den Herrscher und die Kommune von Bologna und Padua auf, die Abtei gegenüber Angriffen einiger Adliger zu schützen.26 Nachdem die Stelle des Abtes über ein Jahr vakant war, regierte in der Zeit von 1322 bis 1336 zum ersten Mal in der Geschichte des Klosters ein Kommandatarabt, nämlich der von Papst Johannes XXII. in Pomposa eingesetzte Bischof von Parma, der von 1323 an auch Erzbischof von Pisa war. Ihn löste der vom Konvent gewählte Abt namens Andrea ab, der bis 1361 regierte. 27 Für unseren Zusammenhang bleibt festzuhalten, daß es die wirtschaftliche Situation des Klosters zu dieser Zeit durchaus erlaubte, ein so großes Fresken-Ensemble zu finanzieren. Größere Stiftungen und Schenkungen adliger Laien an das Kloster gab es nach Auskunft der Quellen zu dieser Zeit nicht mehr. 28 Aufgrund der Struktur des Klosters kommt als Auftraggeber innerhalb der Abtei nur der Abt beziehungsweise die Klostergemeinschaft in Betracht. Die Jahre von 1320 bis 1336, in denen der Sitz des Abtes vakant beziehungsweise durch einen Kommendatarabt besetzt war, sind als Entstehungszeit der Fresken wenn nicht ausgeschlossen, so doch unwahrscheinlich. Ein Kommendatarabt war von einem regelgerechten Leben im Kloster befreit. Faktisch war er nur der oberste wirtschaftliche Verwalter der Abtei. In der Regel ließ er sich in dieser Aufgabe durch einen Prior vertreten, und sein Interesse am Kloster beschränkte sich auf die Einkünfte, die mit dem Abtamt verbunden waren. Das geistige Leben des Klosters verwahrloste meist in diesen Perioden.29 Dem Kunsthisto1-iker, der die fresken des Trecento vor Au!;t:ll hat, vt:nnittelt sich ein anderes Bild von der Lage der Abtei im 14. Jahrhundert als dem Historiker anhand seiner Quellen. Fast stereotyp wird diese Zeit in historischen Darstellungen der Benediktiner und der Abtei als «traurigster Tiefpunkt», als "Krise», «Niedergang» und «Dekadenz» beschrieben. 30 Der Freskenbestand in Pomposa läßt aber darauf schließen, 25 26 27

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Dazu Gurrieri 1965; Fanti 1965; Passolunghi 1977. Vergleiche Gurrieri 1965 und Dean 1988, S. 37f. Montenovesi 1928; Gurrieri 1965. Ausdrücklich bestätigte dies Don. Antonio Samaritani, Cento, in einem Gespräch. Vergleiche Gurrieri 1965, S. 160. Übergab der Papst im 14. Jarhunden ein Kloster in «commenda», so hatte er damit oft im Sinn, daß der mächtige Mann von außen die Spannungen innerhalb der Abtei löste und die Besitztümer der Abtei nach außen veneidigte. Siehe den Artikel «Commenda» von G. Picasso in: DIP, Bd. 2, Sp. 1246 - 1250. Montenovesi 1928; Schmitz 1955, ßd. 3, S. 70; Bonolami 19ll0; Samaritani 1980, S. 63; Penco 1983, S. 265. Besonders Gurrieri (1965, S. 161Q sieht in einem Visitationsbericht von 1338 eindeutige Kennzeichen eines miserablen Zustandes der Abtei. Doch ist zu bedenken, daß der Konvent bestimmte Interessen verfolgte, wenn er die Situation der Abtei als deran schlecht schildert: Die Begutachtung der winschaftlichen Verhältnisse diente anschließend als Grundlage der Besteuerung

daß man den Zeichen der Krise doch einiges entgegensetzen wollte. Davon legt ein solch umfangreiches Ausmalungsprojekt in den drei wichtigsten Räumen der Abtei ein beredtes Zeugnis ab. Die Ergebnisse kunsthistorischer Forschung können die Aussagen der Historiker ergänzen und korrigieren. Die Sonderstellung, die die Wandmalereien in Pomposa innerhalb des erhaltenen Freskenbestandes des Trecento einnehmen, erweist sich bei näherer Betrachtung als Folge einer eher zufälligen Erhaltung der Ausstattung: Im Jahre 1553 siedelte der Abt und der Großteil der Mönchsgemeinschaft aufgrund der zunehmenden Malariagefahr nach S. Benedetto in Ferrara über.11 Im Jahr 1671 verließen die letzten Mönche die Abtei. Eine Neuausstattung der Renaissance oder des Barocks, die das heutige Bild der meisten größeren Benediktinerabteien prägt - es sei hier nur an Montecassino, S. Giustina in Padua, Bobbio und S. Giovanni Evangelista in Parma erinnert - eine solche radikale Erneuerung kam in Pomposa gar nicht mehr in Frage. Allein auf diesen Tatbestand ist zurückzufü ren , daß die spätmittelalterliche Dekoration nicht zerstört oder unseren Blicken ent gen ist. Auch keine kleineren Um- und Einbauten beschädigten die Malereien. Die schlechten klimatischen Bedingungen in diesem Gebiet des Po-Deltas ha sich jedoch in verschiedener Weise auf die Fresken ausgewirkt. Sie sind einmal dafür vc antwortlich, daß die Abtei verlassen wurde und dadurch das Gesamtensemble der Fresken aus dem Trecento so gut erhalten ist, zum anderen aber haben die Wandmalereien im Verlauf der Jahrhunderte durch die starke Feuchtigkeit großen Schaden erlitten. Bei Restaurierungen in den sechziger Jahren löste man deshalb die Fresken im Refektorium und Teile der Apsisdekoration der Kirche, darunter den Eustachiuszyklus, von der Wand ab. Obwohl von diesem Zyklus die obere Farbschicht fast vollständig zerstört ist, hat die Malerei den Reiz der expressiven Bildsprache bewahrt. Sie zählt zu den Hauptwerken von Vitale da Bologna. Die übrigen Fresken in der Kirche und die im

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durch den Papst und die Schilderung der schlechten klimatischen Verhältnisse und der gesundheitsgefährdenden Mückenplage diente dazu, eine Erlaubnis für spezielle Einbauten im Dormitorium zu erhalten. Generell zu diesem Problem äußcn sich Elm ( 1980, S. 191): «Die Beschreibung des Verfalls ... ist ein Unternehmen, für das es keine gesicherten Kategorien in den Quellen und noch weniger verbindliche Maßstäbe in der Forschung gibt. Gerade die aussagekräftigsten Quellen sind in der Beuneilung dessen, was man als Verfall bezeichnen kann, meist subjektiv, oft sogar propagandistisch gefärbt. Die Forschung wiederum ist sich nicht einig, ob man Blüte und Verfall von Ordensgemeinschaften an den für ihren Stand geltenden Normen und den von ihren Gründern aufgestellten Forderungen, an den mit einem «regelrechten» Leben keineswegs a priori übereinstimmenden Leistungen für den wirtschaftlichen, zivilisatorischen und kulturellen Fonschritt oder ganz einfach mit der Elle der eigenen Moralvorstellungen messen soll.» Knapper formuliert wird dies von Seiht (1987, S. 144): «Die Krise ist ein Bewußtseinsphänomen.» Das ungesunde Klima hing mit der Veränderung des Verlaufs der Po-Arme, mit Dammbrüchen und Versumpfungen im Umkreis von Pomposa zusammen.

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Kapitelsaal wurden abermals restauriert_ii Durch die seltene Erhaltung der FreskenGesamtanlage kann Pomposa als signifikantes Beispiel im Mittelpunkt einer Untersuchung der benediktinischen Kunst des Trecento stehen.

DER KAPITELSAAL

Die Anlage der gesamten Wanddekoration folgt einer strengen Symmetrie, die in der Kreuzigungsdarstellung ihren Mittelpunkt hat. Ihr ist das größte Bildfeld vorbehalten. Es paßt sich in ein hochrechteckiges Wandfeld ein, das von zwei Lanzettfenstern begrenzt wird und direkt gegenüber dem Eingang liegt (Abb. 3 und 4). Rechts und links schließt sich eine Reihe von Heiligenfiguren an (Abb. 6 - 8). Zwei haben noch auf der Stirnwand Platz gefunden, die übrigen veneilen sich auf die beiden Seitenwände. Jede Figur steht einzeln in der Öffnung einer sie rahmenden, gemalten Architektur. Sie bildet keinen zusammenhängenden Baukomplex, sondern füllt jeweils ein eigenes gerahmtes Bildfeld aus und ist in unterschiedlicher Weise, jedoch in symmetrischen Entsprechungen rechts und links der Kreuzigung gestaltet: Die beiden Figuren der Stirnwand präsentieren sich je in einem ziboriumartigen Gehäuse unter einem Dreipaßbogen vor einem durchscheinenden dunklen - wahrscheinlich ursprünglich blauen - Hintergrund (Abb. 3 und 4). Ihre jeweilige Nachbarfigur steht in einer Ädikula mit apsisähnlicher Rundnische (Abb. 17). Diese vier Gestalten in den beiden Ecken seitlich der Fenster sind wie die Kreuzigung in naturalistischen Farben wiedergegeben, die ihnen folgenden Figuren jedoch, sechs auf jeder Seitenwand, in Grisaille (Abb. 6) .ll Sie sind, in farbig gemalte Biforien eingestellt, zu Paaren zusammengefaßt. Für das Bildprogramm kaum relevant ist die Eingangswand (Abb. 5). Sie ist, mit einem breiten, spitzbogigen Portal in der Mitte und zwei Zwillingsfenstern seitlich, stark durchbrochen und fast ausschließlich ornamental bemalt. Lediglich im Scheitel über dem Portal sitzt ein k leines Medaillon mit der Darstellung des mystischen Lammes. Der nahezu quadratische Raum ist mit einer mächtigen Holzbalkendecke versehen, die noch heute Spuren ornamentaler Bemalung aufweist. Demnach war der gesamte Raum an Wänden und Decke ursprünglich mit Malereien überzogen_i,

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