Ein neues Modell des Universums 387041233X

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Ein neues Modell des Universums
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P. D. OUSPENSKY

EIN NEUES MODELL DES UNIVERSUMS Die Prinzipien der O.W. ßARTH

Psychologischen Methode in ihrer Anwendung auf

Probleme der Wissenschaft, Religion und Kunst

Otispcn. Gedanken

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Zwei wesentliche \deen dieses Buches sind die dè^ Esote­ rischen und die der psycholo­ gischen Methode. Beide Gedanken beruhen auf cfes Anerkennung der Tatsache, daß sich das menschliche Denken auf sehr verschiedenen Ebenen abspiclcn kann. Die Idee des Esoterischen ist hauptsächlich die Idee von einem höheren Denken. Der mensch­ liche Geist kann sich auf ein Ni­ veau erheben, das wir uns kaum verstellen können, und wir kön­ nen das Ergebnis der Arbeit ei­ nes höheren Geistes sehen - am leichtesten in den Evangelien, dann in den Schriften des Ostens, in den Upanishidcn und in der Mahabharata, in den Werken der Kunst wie der großen Sphinx von Gizeh und in anderen Über­ lieferungen der Literatur und der Kunst, wenn cs auch nur wenige sind. Die psychologische Methode ist zunächst einmal die Methode, verschiedene Stufen des Denkens zu unterscheiden und die Tatsache zu erkennen, daß .ich die Wahrnehmungen verändern, je nach den Kräften und Eigenschaften des Wahrnchmungsapparates.

Der Ausdruck ■psydtologische Methode- kommt von »psycho­ logischen Beweisen«. Auf der Grundlage dieser Beweise ist es möglich) die Mängel des logi­ schen Denkens zu sehen und die kidilung zu erkennen, in der mögliche 1 öiungen fi.r sdtcinb u

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P. D. OUSPENSKY

EIN NEUES MODELL DES UNIVERSUMS DIE PRINZIPIEN DER PSYCHOLOGISCHEN METHODE IN IHRER ANWENDUNG AUF PROBLEME DER WISSENSCHAFT, RELIGION UND KUNST

OTTO WILHELM BARTH VERLAG WEILHEIM/OBB.

Der Titel, der im Verlag Routledge and Kegan Paul Ltd, London erschienenen Ausgabe lautet: A New Model of the World. Autorisierte Übersetzung durch Francois Grunwald.

EINFÜHRUNG



4 W. 76 4

1970 ISBN 3 87041 233 X © 1970 by Otto Wilhelm Barth Verlag, Weilheim/Obb. Alle Rechte — auch die des auszugsweisen Nachdrucks — der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung vorbehalten. Druck und Satz: Landsberger Verlagsanstalt, Landsberg/Lech

Es gibt Augenblicke im Leben, die von langen Zeiträumen getrennt sind, die aber durch ihren inneren Gehalt und durch eine gewisse besondere Empfindung auf seltsame Weise verbunden sind. Bestimmte solche Augenblicke kommen mir immer wieder in den Sinn. Lind idi fühle dann, daß gerade sie meinem Leben die Hauptriditung gegeben haben. Im Jahre 1890 oder 1891. Eine Abend-Vorbereitungsklasse im zweiten Mos­ kauer »Gymnasium«, ein großes Klassenzimmer von Petroleumlampen be­ leuchtet, die ihre großen Schatten werfen. Gelbe Regale an den Wänden. Inter­ natsschüler in leinenen Schuluniformen, voll mit Tintenflecken, sind über ihre Pulte gebeugt. Einige sind in ihre Aufgaben vertieft, einige lesen unter der Bank verbotene Romane von Dumas oder Gaboriau, andere schwätzen leise mit ihren Nachbarn. Aber äußerlich madien sie alle den gleichen Eindrude Am Katheder sitzt der diensthabende Professor, ein langer schlacksiger Deutscher, »Riesen-Stelze«, in seiner Uniform - einem blauen Sdiloßrock mit goldenen Knöpfen. Durch die offene Tür kann man eine ähnliche Vorbereitungsklasse im Nebenraum sehen. Ich bin ein Schüler der zweiten oder dritten Klasse. Aber anstelle der latei­ nischen Grammatik von Zeifert, vollständig aus Ausnahmen bestehend, die mich heute noch in Träumen verfolgt, oder der »Probleme« von Evtuschevsky, mit dem Bauern, der in die Stadt ging, um Heu zu verkaufen und der Zisterne, zu der drei Rohre führten, habe ich die »Physik« von Malinin und Bourenin vor mir. Ich habe dieses Buch von einem älteren Schüler ausgelichen und bin dabei, es gierig und mit Begeisterung zu lesen, bald von Verzückung, bald von Schaudern überwältigt vor den Geheimnissen, die sich vor mir öffnen. Um midi herum stürzen die Mauern ein, und unendlich weite Horizonte, unglaublich schön, erheben und enthüllen sich. Es ist so, als würden vorher unbekannte und nicht vermutete Fäden auftauchen und alle Dinge miteinander verbinden. Zum erstenmal in meinem Leben taudit meine Welt aus dem Chaos auf. Alles er­ hält einen Zusammenhang und formt ein geordnetes und harmonisches Ganzes. Ich verstehe, ich verbinde miteinander, Reihen von Erscheinungen, die ge­ trennt waren und die nichts Gemeinsames zu haben sdiienen. Aber was lese ich? Idi lese das Kapitel über Hebel. Und gleichzeitig verbinden sich eine Menge einfacher Dinge, von denen ich annahm, daß sie unabhängig voneinander seien und nichts miteinander zu tun hätten, und vereinen sich zu einem großen Gan­ zen. Erne unter einen Stein geschobene Stange, ein Taschenmesser, eine Schau­ fel, eine Wippe, sind alle ein und dasselbe, alles »Hebel«. In dieser Idee ist

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etwas, das mich gleichzeitig anzieht und erschreckt. Wie kommt es, daß ich das nicht wußte? Warum hat mit mir niemand darüber gesprochen? Warum muß ich tausend unnütze Dinge lernen und davon sagt man mir nichts? Alles, was ich jetzt entdecke ist so wunderbar, so übernatürlich, daß ich mehr und mehr entrückt und von einem gewissen Vorgefühl ergriffen werde, als ob mich noch weitere Offenbarungen erwarten würden. Es ist so, als würde ich schon die Einheit von allem fühlen und bei dieser Empfindung von Ehrfurcht überwäl­ tigt werden. Ich kann all diese Empfindungen, die mich erschauern lassen, nicht mehr für mich allein behalten. Ich will versuchen, sie mit meinem Banknachbarn zu tei­ len, einem meiner engsten Freunde, mit dem ich oft erregende Gespräche habe. Flüsternd teile ich ihm meine Entdeckungen mit. Aber ich fühle, daß meine Worte ihm nichts vermitteln, und daß ich nicht ausdrücken kann, was ich fühle. Mein Freund hört mir geistesabwesend zu, und es ist offensichtlich, daß er nicht die Hälfte von dem, was ich sage, hört. Ich merke das, fühle mich ver­ letzt und höre auf, mit ihm zu reden. Aber der lange Deutsche am Katheder hat schon bemerkt, daß wir schwätzen und daß ich meinem Freund unter der Bank etwas zeige. Er stürzt auf uns zu, und im nächsten Moment befindet sich meine geliebte »Physik« in seinen dummen und unsympathischen Händen. »Wer hat Dir dieses Buch gegeben Auf jeden Fall kannst Du nichts davon verstehen. Und idi bin sicher, daß Du Deine Aufgaben nidit gemacht hast.« Meine Physik« liegt auf dem Katheder des Professors. Um mich herum höre ich ironisches Flüstern und Kommentare, daß Ouspensky Physik lese. Aber das macht mir nichts. Meine »Physik« werde ich mor­ gen wiederbekommen; und der lange Deutsche besteht ja audi nur aus großen und kleinen Hebeln! Jahre und Jahre gehen vorüber. Es ist das Jahr 1906 oder 1907. Der Re­ daktionsraum der Moskauer Tageszeitung »Der Morgen«. Gerade habe idi die Zeitungen aus dem Ausland erhalten und soll einen Artikel über die bevorste­ hende Haager Friedenskonferenz schreiben. Französische, deutsche, englische, italienische Zeitungen. Phrasen, Phrasen, zustimmende, kritische, ironische, marktschreierische, pompöse, verlogene, und das Schlimmste von allen, völlig automatische Phrasen, die schon tausendmal benützt worden sind, und die man bei völlig anderen Gelegenheiten, vielleidit aus einem entgegengesetzten Anlaß wieder benützen wird. Ich soll einen Überblick über diese Worte und Meinun­ gen geben, so tun, als wi rde ich sie ernst nehmen, und dann ebenso ernst, etwas aus meiner eigenen Betrachtung darüber schreiben. Aber was kann idi sagen? Alles das ist so langweilig. Diplomaten und Staatsmänner aller Art werden sich versammeln und diskutieren, Artikel werden zustimmen oder dagegen sein, werden damit sympathisieren oder nicht. Dann wird alles so bleiben, wie es war, oder sogar noch schlimmer werden. Es ist noch Zeit; ich sage mir, vielleicht wird Dir später etwas einfallen. Ich schiebe die Zeitungen beiseite und Öffne eine Schublade meines Schreibtisches. Der ganze Schreibtisch ist angefüllt mit Büchern, die seltsame Titel haben: die Okkulte Welt, das Leben nach dem Tode, Atlantis und Lemuria, Dogma und Ritual der hohen Magie, der Tempel des Satans, Die aufrichtigen

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Erzählungen eines Pilgers - und dergleichen. Einen ganzen Monat hatte ich mich von diesen Büchern nidit trennen können und die Welt der Haager Kon­ ferenzen und der Leitartikel wurde immer verschwommener, fremder und un­ wirklicher für mich. Ich öffne eines dieser Bücher aufs Geradewohl und fühle, daß mein Artikel heute nicht geschrieben werden wird. Soll ihn doch der Teufel holen! Die Menschheit wird nichts verlieren, wenn es einen Artikel über die Haager Kon­ ferenz weniger gibt. All dieses Gerede über den Weltfrieden kommt mir vor wie Maniloffs Träume, eine Brücke über den Teich zu bauen. * Nidits kann dabei heraus­ kommen, vor allem, weil die Leute, die Konferenzen anfangen und diejenigen, die Friedensgespräche führen dieselben sind, die früher oder später einen Krieg beginnen. Kriege fangen nicht von selbst an, auch »Völker« beginnen sie nicht, wie sehr man sie ihnen auch zur Last legen mag. Es sind gerade diejenigen mit guten Absichten, die das Hindernis für den Frieden darstellen. Aber kann man denn von ihnen erwarten, daß sie dies jemals verstehen werden? Hat irgend­ jemand jemals seine eigene Bedeutungslosigkeit eingestanden? Viele böse Gedanken über die Haager Konferenz kommen mir in den Sinn, aber ich sehe ein, daß keiner von ihnen druckfähig ist. Die Idee zur Konferenz von Den Haag kommt von höchster Instanz; deshalb muß man, wenn man schon darüber schreiben soll, mit Wohlwollen schreiben, besonders da selbst jene Zeitungen, die gewöhnlich allem, was von der Regierung kommt, mit giößtem Mißtrauen und äußerster Kritik gegenüberstehen, lediglich die Hal­ tung Deutschlands zu der Konferenz mißbilligen. Der Verleger würde deshalb niemals durchgehen lassen, was ich schreiben würde, wenn ich alles sagte, was ich denke. Und wenn durch irgend ein Wunder er es doch durchgehen ließe, würde es von niemandem gelesen werden. Die Zeitung würde auf der traße von der Polizei beschlagnahmt werden, und sowohl der Verleger als auch ich müßten eine weite und lange Reise machen. Diese Aussicht reizt mich nicht im Geringsten. Was nützt es, wenn man versuchen will, Lügen zu entarven, wenn die Leute sie gerne haben und mit ihnen leben? Das ist ihre Sache; a n 11 L-n fügens müde. Es gibt schon genug Lügen ohne die meinigen. T °p.i i e.r’ *n diesen Büchern ist ein seltsamer Geschmack von Wahrheit. Jetzt ü ile ich das besonders stark, weil ich mich so lange zurückgehalten habe, niici innerhalb von künstlichen, »materialistischen« Begrenzungen gehalten a e, mir alle Träume versagt habe, die nicht in diese Grenzen passen. Ich habe in clner ausgetrockneten und sterilisierten Welt gelebt, mit einer unendlichen nza von Tabus, die meinem Denken auf gezwungen waren. Und plötzlich rissen lese seltsamen Bücher alle Mauern um midi nieder, und ließen mich von ingen enken und träumen, von denen ich lange Zeit nicht gewagt hatte, zu en