Der andere Blick auf Caesars Kriege: Eine narratologische Analyse der vier Supplemente im ›Corpus Caesarianum‹ 3110711443, 9783110711448

Während Caesars Kriegsmonografien – das Bellum Gallicum, Buch 1–7, und das sogenannte Bellum civile – seit jeher stark e

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Der andere Blick auf Caesars Kriege: Eine narratologische Analyse der vier Supplemente im ›Corpus Caesarianum‹
 3110711443, 9783110711448

Table of contents :
Vorwort
Inhalt
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die epistula ad Balbum und die Textsorte commentarius
3. Narratologische Grundlagen
4. Bellum Gallicum 8
5. Das Bellum Alexandrinum
6. Das Bellum Africum
7. Das Bellum Hispaniense
8. Schluss
Literatur
Indizes

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Marvin Müller Der andere Blick auf Caesars Kriege

Philologus

Zeitschrift für antike Literatur und ihre Rezeption / A Journal for Ancient Literature and its Reception

Supplemente / Supplementary Volumes Herausgegeben von / Edited by Sabine Föllinger, Sotera Fornaro, Therese Fuhrer, Tobias Reinhardt, Jan Stenger

Band 15

Marvin Müller

Der andere Blick auf Caesars Kriege Eine narratologische Analyse der vier Supplemente im Corpus Caesarianum

ISBN 978-3-11-071144-8 e-ISBN (PDF) 978-3-11-071153-0 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-071168-4 ISSN 2199-0255 Library of Congress Control Number: 2020946380 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2021 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

Vorwort Die vorliegende Monographie stellt die geringfügig überarbeitete Fassung meiner Dissertation dar, die ich im Sommer 2018 an der Ludwig-Maximilians-Universität München eingereicht habe. Die Arbeit hat Prof. Dr. Therese Fuhrer betreut. Ihr gebührt der erste Dank, und zwar nicht nur dafür, unzählige Seiten der Dissertation im Entstehungsstadium gelesen und ausführlich annotiert zu haben, sondern auch dafür, dass sie mir eine dreijährige Mitarbeit an ihrem Lehrstuhl ermöglicht hat – eine Tätigkeit, auf die ich immer gern und voller schöner Erinnerungen zurückblicke. Auch die Veröffentlichung in dieser Reihe ist ihrer Initiative (und dem Wohlwollen des gesamten Herausgebergremiums) zu verdanken. Prof. Dr. Nicola Hömke hat das Korreferat übernommen. Auch ohne sie wäre dieses Buch nicht denkbar; war sie es schließlich, die mich als Student im Jahr 2014 eingeladen hat, bei einem latinistischen Nachwuchsforum mit dem Titel „Die pseudocaesarianischen Schriften“ mitzumachen, und mich fortan mit Rat und Tat unterstützt hat. Prof. Dr. Christof Schuler hat nicht lange gezögert, als ich ihn fragte, ob er bereit sei, die Prüfungskommission zu komplettieren. Auch dafür möchte ich danke sagen. Ich sehe dieses Buch als eine Berlin-Münchner Koproduktion an. Daniela kleine Burhoff, Ramunė Markevičiūtė und Daniel Melde danke ich für zahlreiche Treffen in diversen Berliner Cafés, bei denen wir gemeinsam mit der Raumsemantik im Bellum Hispaniense gerungen haben. Es hat sich gelohnt. In München wiederum hat mich Dr. Caecilia Hein mit ihrer Expertise zu Ciceros Briefen im Anfangsstadium der Dissertation unterstützt. Ohne Dr. des. Johannes Singer und Dr. Janja Soldo hätte ich die wichtige italienische Forschungsliteratur zum Thema niemals rezipieren können (und nebenbei kann ich auf Italienisch auch heute noch im Schlaf Auskunft über meine liebsten Reiseziele in Italien geben). Mit Prof. Dr. Lisa Cordes schließlich habe ich sehr gewinnbringend über Fiktionstheorie diskutiert. Nicht vergessen möchte ich Gisela Huber, die dadurch, dass sie mir in der Arbeitsstelle des Philologus so manches Mal den Rücken freigehalten hat, dafür gesorgt hat, dass ich mich ganz dem Schreiben der Dissertation widmen konnte. Ferner möchte ich mich bedanken bei denen, die die Dissertation in Auszügen gelesen und konstruktive Verbesserungsvorschläge gemacht haben: Juliane Köhler, Ramona Komp, und, noch einmal, Daniel Melde. Wichtige Kritik habe ich auch den beiden Gutachten entnommen, die im Rahmen des Reviewverfahrens für den Philologus angefertigt wurden. Von Seiten des Verlags haben mich Torben Behm und Sorina Moosdorf unterstützt. Bleibt noch die wichtigste Person von allen übrig: Rebecca Behnk hat nie besonderes Interesse am Thema der Dissertation gezeigt. Dafür aber, was ungleich wichtiger ist, Interesse an mir. Dass sie mit der ihr eigenen Akribie unzählige Stunden mitgeholfen hat, das Manuskript zu korrigieren, Fußnoten zu prüfen und Litera-

https://doi.org/10.1515/9783110711530-202

VI | Vorwort

tur zu beschaffen und, als wäre das allein nicht genug, darüber hinaus über Jahre hinweg noch viele kleine und auch größere Zugeständnisse machen musste, bis ich die Arbeit an diesem Buch schließlich abgeschlossen hatte, kann ich ihr gar nicht hoch genug anrechnen. Für alle Fehler, die das Buch trotzdem noch enthalten mag, bin selbstverständlich ich allein verantwortlich. – Gewidmet ist dieses Buch meinem Papa. Potsdam, August 2020

Inhalt 1

Einleitung | 1

2 2.1 2.2 2.3 2.3.1 2.3.2 2.4

2.4.2

Die epistula ad Balbum und die Textsorte commentarius | 7 Vorbemerkung | 7 Die Textsorte commentarius | 9 Die frühe Caesarrezeption | 15 Cic. Brut. 262: Ansätze einer Diskussion von Gattungsnormen | 15 Hirt. Gall. 8 praef. 4–7: Legitimation des Corpus Caesarianum | 17 Konsequenzen für die Lektüre der vier postcaesarischen Schriften | 22 Produktion und Publikation des Corpus Caesarianum: Rekonstruktionsversuche | 22 Das Corpus Caesarianum und die Pseudepigraphie | 29

3 3.1 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.3 3.4

Narratologische Grundlagen | 32 Vorbemerkung | 32 Stimme | 33 Fiktionaler oder faktualer Text? | 33 Autor oder Erzähler? | 37 Homodiegetischer oder heterodiegetischer Erzähler? | 40 Die Erzähler im Corpus Caesarianum | 42 Modus | 46 Weitere narratologische Kategorien: Ordnung, Frequenz, Raum | 50

4 4.1 4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.3 4.3.1 4.3.2

Bellum Gallicum 8 | 52 Struktur, Autorschaft und Abfassungszeit | 52 Modus: Schreiben nach Caesar – schreiben wie Caesar? | 55 Vorbemerkung | 55 Die ersten Kapitel: Verbindungslinien zu Bell. Gall. 7 | 55 Die Funktion der internen Fokalisierung in Bell. Gall. 8 | 57 Stimme: Die militärische Expertise des Erzählers | 64 Vorbemerkung | 64 Querverweise und Parenthesen als Wortmeldungen des Erzählers | 64 Die virtutes Caesaris am Beispiel der clementia und der cura militum | 68 Ordnung: Die bevorstehenden Bürgerkriege im achten Buch des Bell. Gall. | 74 Vorbemerkung | 74

2.4.1

4.3.3 4.4 4.4.1

VIII | Inhalt

4.4.2

4.4.4 4.4.5 4.4.6 4.5

Die Überleitung vom commentarius zum Addendum (Gall. 8,48,10–11) | 74 Römische Innenpolitik: Das vorzeitige Ende des gallischen Prokonsulats | 76 Die Figur des T. Labienus | 81 Kommentierung der Erzählzeit I: Die Figur des M. Antonius | 87 Kommentierung der Erzählzeit II: Nach den Iden des März | 90 Zwischenfazit | 94

5 5.1 5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.3 5.3.1 5.3.2 5.3.3 5.3.4 5.3.5 5.4 5.4.1 5.4.2 5.4.3 5.5

Das Bellum Alexandrinum | 96 Struktur, Autorschaft und Abfassungszeit | 96 Modus und Ordnung: Mittel des Spannungsaufbaus | 101 Vorbemerkung | 101 Multifokalisierung unter Verzicht auf Anachronien | 101 Nullfokalisierung mit Prolepse | 105 Stimme: Ethnozentrismus im Bell. Alex. | 108 Vorbemerkung | 108 Die Alexandriner | 109 Die Rhodier | 114 Pharnakes II. | 120 Q. Cassius Longinus und die Hispanier | 124 Raum: Figurencharakterisierung durch Raumbeschreibungen | 132 Vorbemerkung | 132 Widersprüchliche Darstellungen des Raumes im Bell. Alex. | 132 Irrationales Handeln im Raum: Die Schlacht von Zela | 135 Zwischenfazit | 140

6 6.1 6.2 6.2.1 6.2.2 6.2.3 6.2.4 6.3 6.3.1 6.3.2

Das Bellum Africum | 142 Struktur und Autorschaft | 142 Stimme und Frequenz: Der Erzähler als Caesarexeget | 146 Vorbemerkung | 146 Der Umgang des Erzählers mit parteiinterner Kritik an Caesar | 146 Der missglückte erste Truppentransport: Frequenz | 149 Der missglückte erste Truppentransport: Identität des Erzählers | 153 Modus: Distanzierung durch externe Fokalisierung | 157 Vorbemerkung | 157 Externe Fokalisierung in der Darstellung der Schlacht von Thapsus | 158 Ein Ende mit Schrecken: Fokalisierung in Gewaltdarstellungen | 164 Figurenrede und Ordnung: Die Figur des Scipio im Bell. Afr. | 169 Vorbemerkung | 169

4.4.3

6.3.3 6.4 6.4.1

Inhalt | IX

6.4.2 6.4.3 6.5 6.6 7. 7.1 7.2 7.2.1 7.2.2 7.2.3 7.3 7.3.1 7.3.2 7.3.3 7.4 7.4.1 7.4.2 7.4.3 7.4.4 7.4.5 7.5 8 8.1 8.1.1 8.1.2 8.1.3 8.1.4 8.2

Inkongruenz zwischen Figurenrede und Erzählerbericht: Scipio und die Gaetuler | 170 Das Rededuell zwischen Scipio und einem namenlosen Zenturio Caesars | 176 Nachtrag: Die Selbstmorde Catos und Jubas | 180 Zwischenfazit | 185 Das Bellum Hispaniense | 188 Struktur, Autorschaft und Abfassungszeit | 188 Stimme und Modus: Der veränderte Erzählerstandort im Bell. Hisp. | 191 Vorbemerkung | 191 Homodiegetizität | 192 Intendiertes Lesepublikum | 199 Ordnung: Die historische Bedingtheit des Krieges | 201 Vorbemerkung | 201 Der Anfang vom Ende – Bell. Hisp. 1 | 202 Caesar und die Hispanier | 206 Raum: Hispanien im Bell. Hisp. | 210 Vorbemerkung | 210 Gebirge und Ebene | 211 Ein Stellvertreterkampf in der Ebene | 214 Der Fluss Salsum | 218 Lusitanien, Land der Barbaren | 221 Zwischenfazit | 224 Schluss | 226 Ergebniszusammenfassung nach narratologischen Kategorien | 226 Stimme | 226 Modus | 227 Ordnung | 228 Raum | 229 Ausblick: Die Supplemente des Corpus Caesarianum im politischen Kontext | 230

Literatur | 235 Indizes | 251

Abkürzungsverzeichnis Antike Autoren und Werktitel werden nach dem Verzeichnis des ThlL abgekürzt, Zeitschriftentitel nach dem Verzeichnis der L’Année philologique. Alle weiteren verwendeten Abkürzungen werden hier gelistet:

ANRW: W. Haase/H. Temporini (Hgg.), Aufstieg und Niedergang der römischen Welt, 37 Bde., Berlin/ Boston 1972–. BSch: T. Burkard/M. Schauer, Lehrbuch der lateinischen Syntax und Semantik, begr. v. H. Menge, Darmstadt ²2005. DNP: H. Cancik/H. Schneider (Hgg.), Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike, 16 Bde., Stuttgart/ Weimar 1996–2003. Georges: K. E. Georges (Hg.), Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch, neu bearb. v. T. Baier, 2 Bde., Darmstadt 2013. HRR: H. Peter (Hg.), Historicorum Romanorum Reliquiae, Stuttgart 1967 = ²1914. HWRh: G. Ueding (Hg.), Historisches Wörterbuch der Rhetorik, 12 Bde., Tübingen (u. a.) 1992–2015. KSt: R. Kühner/C. Stegmann (Hgg.), Ausführliche Grammatik der lateinischen Sprache, 2 Bde., Darmstadt 51976. LHN: P. Hühn et al. (Hgg.), The Living Handbook of Narratology, Hamburg, http://www.lhn.uni-hamburg.de/. OLD: P. G. W. Glare (Hg.), The Oxford Latin Dictionary, 2 Bde., Oxford ²2012. RE: G. Wissowa et al. (Hgg.), Paulys Real-Encyclopädie der classischen Altertumswissenschaft, begr. v. A. F. Pauly, Stuttgart 1893–1980. Skutsch: O. Skutsch (Hg.), The Annals of Q. Ennius, ed. with introd. and comm., Oxford 1986. ThlL: E. Wölfflin et al. (Hgg.), Thesaurus linguae Latinae, Leipzig (u. a.) 1900–.

https://doi.org/10.1515/9783110711530-204

1 Einleitung Als C. Iulius Caesar an den Iden des März 44 ermordet wird, liegt seine letzte bedeutende militärische Leistung, die Schlacht von Munda, die den endgültigen Sieg über seine innenpolitischen Feinde im Bürgerkrieg bedeutet, beinahe auf den Tag genau ein Jahr zurück.1 Dass mit dieser Schlacht seine Karriere als Feldherr enden sollte, hat er hingegen nicht geplant. Der Feldzug gegen die Parther, den der dictator perpetuus vorbereitet hatte und den er in wenigen Tagen antreten wollte, findet jedoch nicht mehr statt. Caesars Lebenswerk bleibt unvollendet – nicht nur in politischer, sondern auch in militärischer Hinsicht. Gleichzeitig bedeuten die Iden des März die Geburtsstunde einer Textsammlung, die ohne Caesars vorzeitigen Tod mit großer Wahrscheinlichkeit nicht existieren würde. Caesars Kanzlei, allen voran Aulus Hirtius, consul designatus für das Jahr 43, macht es sich zur Aufgabe, eine Darstellung aller Kriege „bis zu Caesars Lebensende“ (usque ad exitum … vitae Caesaris, Hirt. Gall. 8, praef. 2) herauszubringen. Zum Zeitpunkt von Caesars Tod sind lediglich sieben commentarii rerum gestarum publiziert; in ihnen hatte der Feldherr den Krieg in Gallien bis zur Unterwerfung des Vercingetorix dargestellt. In Caesars Nachlass findet sich darüber hinaus zwar noch weiteres Material: Auch über den Bürgerkrieg gegen Cn. Pompeius hat Caesar noch commentarii verfasst, ohne sie jedoch zu veröffentlichen – die heutigen drei Bücher de bello civili.2 Doch selbst in dieser Form weist das Projekt beträchtliche Lücken auf. So hat Caesar selbst seinen letzten commentarius nicht etwa mit dem Sieg über Pompeius bei Pharsalos oder dessen Tod in Ägypten enden lassen, sondern damit begonnen, auch die Thronstreitigkeiten im Ptolemäerreich, in die er nach dem (vorläufigen) Ende des Bürgerkriegs verwickelt wurde, darzustellen; doch blieb dieses Buch unvollendet. Mehr noch: Im Jahr 46, kurz bevor Caesar genötigt war, gegen die Pompeiussöhne erneut in den Krieg zu ziehen, hatte er in Rom nicht nur über Gallien und Ägypten, sondern auch über Pontos und Afrika triumphiert. Ein weiterer Triumphzug über Hispanien folgt kurz nach dem endgültigen Sieg. Caesar hat über diese Feldzüge selbst nie geschrieben, doch der Ruhm des Feldherrn als Sieger über die ganze Welt gründet auch auf ihnen. Dass dabei die Auffassung Caesars, gemäß der die gefeierten Siege mit dem Krieg gegen Pompeius Magnus nichts mehr zu tun haben sollten, längst nicht alle in Rom überzeugt,3 mag der Grund dafür sein, wa-

|| 1 Die Schlacht von Munda wird auf den 17. März 45 datiert. 2 Ich folge der heute weit verbreiteten Auffassung, dass Caesar das Bellum civile (Bell. civ.) nicht fertiggestellt und publiziert hat, vgl. zuletzt etwa Batstone/Damon (2006) 3; Raaflaub (2009) 180– 182; Grillo (2012) 178f.; Gaertner/Hausburg (2013) 155f. Für eine sukzessive Publikation der drei Bücher hat sich kürzlich wieder Peer (2015) 167–182 ausgesprochen; vgl. auch Pecere (2003) 199f. 3 So schreibt Appian (civ. 2,101) über den vierfachen Triumph des Jahres 46: ὁ δὲ δῆμος ἐπὶ μὲν τοῖς οἰκείοις κακοῖς, καίπερ δεδιώς, ἔστενε – „Das Volk klagte, wenngleich furchtsam, über die Unhttps://doi.org/10.1515/9783110711530-001

2 | Einleitung

rum Caesars Kanzlei die Notwendigkeit einer Gesamtdarstellung dieser Kriege als so dringend empfindet. Aus der Ergänzungsbedürftigkeit der caesarischen Schriften entsteht jetzt, nach dem Tod des Diktators, das Corpus Caesarianum: Es enthält Texte von unterschiedlicher Machart, mit denen Caesars commentarii zu einer solchen Gesamtdarstellung ausgebaut werden. Das Bellum Alexandrinum (Bell. Alex.), das Bellum Africum (Bell. Afr.) und das Bellum Hispaniense (Bell. Hisp.) behandeln alle Feldzüge Caesars nach Pharsalos. Hirtius selbst schreibt noch ein weiteres Buch über den gallischen Krieg, das die Zeit zwischen der Schlacht von Alesia und der Überschreitung des Rubikons abdeckt – das achte Buch des Bellum Gallicum (Bell. Gall.). Doch genauso schnell wie diese Gesamtausgabe der Kriege „unseres Caesar“ (Caesaris nostri, Hirt. Gall. 8 praef. 1) publiziert wird, gerät sie auch wieder in Vergessenheit. In der Folgezeit wird die commentarii-Sammlung nur wenig rezipiert.4 Dass sie in der Spätantike eventuell zusammen mit der Vita Divi Iulii Suetons überliefert wurde, könnte erklären, dass im 5. Jahrhundert Orosius kurzerhand letzteren zum Autor des Bell. Gall. macht (vgl. hist. 6,7,2).5 Sidonius Apollinaris hält Cornelius Balbus, den Adressaten der hirtianischen Briefvorrede zum achten Buch des Bell. Gall., für den Verfasser der commentarii (vgl. epist. 9,14,7).6 Seit der Lektüre des Bell. Gall. durch Iulius Celsus Constantinus zu Beginn des 6. Jahrhunderts, die in den subscriptiones der Handschriften dokumentiert ist,7 muss schließlich damit gerechnet werden, dass auch dieser für den Verfasser der Schriften gehalten werden konnte.8 Dies und der Umstand, dass auch die mittelalterliche Überlieferung nicht zwischen ‚echten‘ und ‚unechten‘ Schriften im Corpus unterschied, spricht dafür, dass über die multiple Autorschaft der Texte lange Zeit entweder wenig bekannt war oder dass diese von geringem Interesse war.9 Dies ändert sich in der frühen Neuzeit, als die Beschäftigung der Humanisten mit dem Corpus Caesarianum seine Heterogenität offenbar werden lässt.10 So berichtet Pier Candido Decembrio im Jahr 1423 in einem Brief an den Mailänder Erzbischof Bartolomeo della Capra von einem Handschriftenfund. Der Kodex, der das Corpus || glücksfälle im Bürgerkrieg“ und Plutarch (Caes. 56) über den hispanischen Triumph: ὁ δὲ ἀπ᾽ αὐτοῦ (sc. πολέμου) καταχθεὶς θρίαμβος ὡς οὐδὲν ἄλλο Ῥωμαίους ἠνίασεν – „Der für diesen Krieg veranstaltete Triumph schmerzte die Römer wie nichts zuvor.“ 4 Eine der wenigen fassbaren antiken Reaktionen auf die commentarii Caesars stammt von Asinius Pollio, dessen (negatives) Urteil allerdings nur indirekt überliefert ist (Suet. Iul. 56,4). 5 Vgl. hierzu Pecere (2003) 220–222; Damon (2015) 12. 6 Vgl. Pecere (2003) 221 mit Anm. 108. 7 Die Unterschrift lautet: IVLIVS CELSVUS CONSTANTINUS V C LEGI. – Zu Zeitpunkt und vermutlichem Umfang der ‚Lektüre‘, die wohl keine recensio der Hss. gewesen ist, vgl. Pecere (2003) 184; Damon (2015) 13. 8 Vgl. Speyer (1971) 43. 9 Vgl. Rüpke (2015) 137. 10 Vgl. für einen Überblick Speyer (1993) 47–56.

Einleitung | 3

Caesarianum enthalte, sei jedoch voller Fehler: Die ersten sieben Bücher des Bell. Gall. würden Iulius Celsus oder Sueton zugeschrieben, das achte Sueton, das Bell. civ. wiederum Celsus oder Sueton. Mit Verweis auf Suetons Caesarvita (Iul. 56) kann Decembrio richtigstellen, dass Bell. Gall. 1–7 und Bell. civ. 1–3 von Caesar stammen, Bell. Gall. 8 von Hirtius und Bell. Alex., Bell. Afr. sowie Bell. Hisp. von unbekannten Autoren, möglicherweise von Oppius oder Hirtius.11 Unabhängig von Decembrio stellt Giuniforte Barzizza (1406–1463) bei seiner Lektüre des Corpus Caesarianum fest, dass Caesar das Bell. Afr. nicht geschrieben haben kann.12 Dass Decembrio zum ersten Mal seit langem den ‚großen‘ Caesar als Verfasser der Mehrzahl der im Corpus Caesarianum versammelten Schriften identifiziert, ist für die weitere Rezeption von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Werden jetzt die ‚unechten‘ Schriften im Corpus untersucht, so geschieht dies meist in vergleichender Perspektive. So schreibt etwa im 16. Jahrhundert Justus Lipsius (Elect. 2,22) zum Bell. Afr.: Inter libellos qui adiuncti Commentariis Iulianis, unus est De bello Africo: qui, me iudice, non inter illos tantum eminet sed inter pleraque Romana scripta. Ita tersa in eo et ad Comicum morem pura dictio; simplex, cohaerens et candida narratio; nihil quaesiti coloris aut fuci: omnia denique illo ipso Caesare digniora (non tenebo veram vocem) quam Commentarii illi qui feruntur. At neglectus tamen iacuit, immo vix lectus is libellus (adeo hic quoque praeiudicia valent et traditae a magistellis opiniones). Unter den Büchlein, die Caesars commentarii beigegeben sind, findet sich eines Über den Afrikanischen Krieg, das meines Erachtens nicht nur aus diesen hervorsticht, sondern aus dem Großteil römischer Schriften. So ist in ihm die Sprache geschliffen und nach Art der Komödie rein, die Erzählung einfach, zusammenhängend und klar. Es findet sich nichts von gesuchtem Kolorit oder Aufputz. All das ist schließlich Caesar selbst würdiger (ich werde die Wahrheit nicht verschweigen) als jene commentarii, die allgemein verbreitet sind. Aber dennoch lag es vernachlässigt da, ja dies Büchlein wurde kaum je gelesen (so viel gelten auch hier Vorurteile und die von Oberlehrern verbreiteten Meinungen).

Der Kommentar des Lipsius zeigt, dass das Urteil seiner Zeitgenossen über das Bell. Afr. wenig wohlwollend gewesen zu sein scheint. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Es ist kein ‚echter‘ Caesar. Lipsius versucht sich zwar in einer Rechtfertigung und lobt Stil und Aufbau der Schrift, doch auch bei ihm ändert sich das Beurteilungskriterium nicht: Referenzpunkt für die Bewertung des Bell. Afr. ist und bleibt Caesars Schreiben (omnia denique illo ipso Caesare digniora). Bis ins 21. Jahrhundert sind viele Forschungsbeiträge zu den nicht-caesarischen Schriften im Corpus Caesarianum an die Frage gekoppelt, die sich bereits Lipsius gestellt hat: Ist die Sprache,

|| 11 Der Brief ist ediert bei Speyer (1993) 57–60 und Petrucci (2013) 80–82; vgl. auch Ponzù Donato (2012/13) 101–107. 12 Vgl. zu dessen Caesarkommentar McGrath (1970), hier: 184, sowie Kap. 6.2.4.

4 | Einleitung

ist die Stilistik, ist das, was in diesen Schriften zur Darstellung gebracht wird, Caesare dignum, eines Caesar würdig?13 Gegenstand der hier vorgelegten Studie ist die genaue Analyse und anschließende Interpretation aller nicht-caesarischen Schriften, ein Vorhaben, das trotz einiger richtungsweisender Arbeiten in jüngerer Zeit noch als Forschungsdesiderat gelten darf. Welche Darstellungsmittel verwenden die Autoren in ihren Berichten und in welchem Maß treten sie selbst als Erzählerfigur an die Leser heran? Welche Auswahl wird hinsichtlich der erzählten Ereignisse getroffen? Was wird besonders ausführlich oder knapp oder gar nicht erzählt? Wie werden einzelne Ereignisse zu einer Erzählung verknüpft? Und schließlich: Wie lässt sich auf der Basis dieser Beobachtungen die Intention der Texte und ihre Funktion im historischen Kontext rekonstruieren? Diese und ähnliche Fragen sind bisher nur in Ansätzen erforscht.14 Im Gegensatz zu den meisten anderen, auch den neuesten, Beiträgen zum Thema, besteht eine Grundannahme dieser Studie darin, dass eine Analyse der nichtcaesarischen Texte besonders dann einen Erkenntnisgewinn verspricht, wenn sie auf das alte Beurteilungskriterium des Caesare dignum verzichtet, weil das damit unweigerlich implizierte Urteil über die literarische Qualität den Blick auf die Texte eher zu verstellen als zu erhellen droht. Die Analyse sollte vielmehr unter einem

|| 13 Vgl. z. B. Jahn (2004) IX zum Autor des Bell. Alex.: „Sein Stil stellt die gelungenste Nachahmung von Caesars Werken dar“; Cluett (2009) 194: „If one of the Continuator’s literary goal was to flatter Caesar by comparison, they succeeded brilliantly. Indeed, few works of Latin literature have come in for as much sustained criticism – on their own literary merits and by contrast to Caesar’s – as those of the Continuators“; Mayer (2011) 214 (im Titel): „A Faithful but Careless Continuation: The Non-Caesarian Works in the Corpus Caesarianum“; Fairbank (2017) 220: „Caesar’s officers are not as subtle in their portrayal of Caesar as he is himself, both in depicting his exploits and in letting less flattering descriptions slip into their works.“ 14 Philologische Forschung, die über Textkonstitution und Autorschaftsdiskussion hinausgeht, ist nach wie vor spärlich. Überblickswissen vermitteln zwei neue Caesar-Companions (The Landmark Julius Caesar. Web Essays, hg. v. K. A. Raaflaub und The Cambridge Companion to the Writings of Julius Caesar, hg. v. L. Grillo und C. B. Krebs, hier v. a. Gaertner 2018). Detailliertere Hinweise enthalten die Textausgaben und die Kommentarliteratur (u. a. Pascucci 1965 [nur Bell. Hisp.]; Faraguna 1993; Loreto 2001; Müller 2001 [nur Bell. Afr. 1–47]; Raaflaub 2017 – unzulänglich ist leider die in der Edition Antike erschienene, neueste deutschsprachige Ausgabe, vgl. dazu Städele 2006 und Mensching 2007). Zur literarischen Technik im Bell. Alex. existiert seit einigen Jahren eine ausführliche Studie (Gaertner/Hausburg 2013). Zum achten Buch des Bell. Gall. enthalten immer noch die im Sammelband Julius Caesar as Artful Reporter enthaltenen Aufsätze (bes. Barlow, Powell und Welch 1998) die nützlichsten Informationen. Darüber hinaus sind die einzigen mir bekannten Arbeiten aus dem neuen Jahrhundert, die sich in größerem Umfang und in literaturwissenschaftlicher Perspektive mit den postcaesarischen Schriften beschäftigen, Melchior (2004) und Coulon-McIntosh (2011). Doch lässt sich immerhin einiges in Appendizes zu Monografien finden, die vornehmlich Caesars commentarii zum Gegenstand haben (u. a. bei Richter 1977; Jervis 2001; Maurach 2003; Schulz 2010; Schauer 2016). Daneben gibt es weiterhin Publikationen zur Autorschaftsdiskussion: Trauth (2002), Börner (2016) und Kestemont et al. (2016).

Einleitung | 5

Blickwinkel durchgeführt werden, der Abweichungen von den durch Caesar etablierten Schreibkonventionen nicht als Vorzug oder – in der Geschichte der Beschäftigung mit dem Corpus ungleich häufiger – als Defizit wertet, sondern eher als Beleg für die Eigenständigkeit und der sich daraus ergebenden Interpretationsbedürftigkeit der Schriften.15 Dass dieser hiermit postulierte Paradigmenwechsel keineswegs arbiträr, sondern durch die antiken Texte gedeckt ist, soll die hier vorgelegte Deutung jener Briefvorrede, die Hirtius dem achten Buch des Bell. Gall. vorangestellt hat, nachweisen, in der der Briefsprecher angibt, nicht mit Caesar konkurrieren zu wollen. Sie steht daher zu Beginn der Untersuchung (s. Kap. 2). Wenn man es sich zur Aufgabe macht, die vier Supplemente im Corpus Caesarianum, unter denen sich auch das „schlechteste Stück lateinischer Literatur“16 befindet, als Texte aus eigenem Recht zu untersuchen, tut man gut daran, sich nicht auf eine Diskussion über etwaige literarische Mängel einzulassen. Dieser Anforderung sollte auch das gewählte Analyseinstrumentarium Rechnung tragen. Mit ihrer prinzipiell universalen, wertneutralen und präzisen Terminologie liefert die Narratologie für dieses Vorhaben die besten Voraussetzungen. Denn was etwa Stephan Busch zur Begründung für eine narratologische Analyse des Bell. Gall. vorbringt – „To avoid a premature historical judgement of the Bellum Gallicum, the old quarrel between adversaries and apologetes of Caesar will be left aside. Instead, we shall try the ‘neutral’ way of narratological analysis …“17 – kann für die nicht-caesarischen Schriften nur a fortiori gelten. Nun zeigt schon die Verwendung der gnomischen Häkchen beim Wort „neutral“ in obigem Zitat, dass das mit der Entscheidung für die Narratologie verbundene Versprechen der Objektivität nur scheinbar eingelöst wird. Eine narratologische Analyse kann (vielleicht) objektiv sein, wenn sie sich ausschließlich auf die Textbeschreibung beschränkt, sie ist es jedoch sicher nicht, wenn die Textbeschreibung zur Grundlage einer Interpretation wird.18 Trotz dieser Einschränkung bleibt das Bemühen um eine ‚Verwissenschaftlichung‘ der Forschungsdebatte, die Busch anstrebt, ein legitimes Anliegen, dem sich auch diese Arbeit verpflichtet sieht und zu dem die Narratologie einen Beitrag leisten kann. Damit sie ihre Tauglichkeit für die Analyse der postcaesarischen Schriften unter Beweis stellen kann, sind zuvor einige methodische Probleme zu adressieren, die sich daraus ergeben, dass das an fiktionalen Texten entwickelte und erprobte Begriffsrepertoire der Narratologie auf (im weiteren Sinne) historiographische Texte angewendet wird (s. Kap. 3). || 15 Aus diesem Grund wird in dieser Arbeit auch auf die geläufige Bezeichnung Ps.-Caesar zur Bezeichnung der unbekannten Verfasser verzichtet (s. dazu ausführlich Kap. 2.4.2). 16 So Rice Holmes (1923) Urteil zum Bell. Hisp. („the worst book of Latin literature“), vgl. Kap. 7 Anm. 8. 17 Busch (2004) 143. 18 Zur Kritik an der Vermengung von Analyse und Interpretation vgl. Genette (2010) 268–270 und Kap. 3 Anm. 1.

6 | Einleitung

Ausgehend von diesen vorbereitenden Bemerkungen werden die vier postcaesarischen Schriften jeweils in separaten Kapiteln behandelt. Dabei ist eine vergleichende Betrachtung der Texte untereinander zunächst nicht systematisch angestrebt, damit jeder Text als eigenständig wahrgenommen werden kann. Dieses Vorgehen hat aber auch zur Folge, dass die Unterschiedlichkeit der Erzähltechnik nicht so scharf hervortritt. Um diesen Nachteil zu kompensieren, fasst das Fazit die Ergebnisse der Arbeit nicht kapitelweise, sondern gegliedert nach den narratologischen Kategorien ‚Modus‘, ‚Stimme‘, ‚Ordnung‘ und ‚Raum‘ zusammen. Auf diese Weise werden auch Perspektiven für die weitere Beschäftigung mit den untersuchten Texten gegeben. Hinweis zu den verwendeten Textausgaben Mit Ausnahme des achten Buches des Bell. Gall., das in der Edition des Bell. Gall. von W. Hering enthalten ist,19 sind die kritischen Ausgaben der Oxford Classical Texts und der Bibliotheca Teubneriana, in denen die nicht-caesarischen Schriften des Corpus Caesarianum ediert sind, veraltet (du Pontet 1901 bzw. Klotz 1927a). Insbesondere die Ausgabe von Klotz wird nicht verwendet, weil sich der Text in dem Bestreben, ‚richtiges‘ Latein herzustellen, immer wieder zu weit von der handschriftlichen Überlieferung entfernt.20 Textgrundlage bei Zitaten aus den untersuchten Texten sind stattdessen die Ausgaben aus der Collection Budé von Andrieu (1954), Bouvet/Richard (1997) und Diouron (1999).

|| 19 C. Iulii Caesaris Commentarii Rerum Gestarum, Vol. 1, ed. W. Hering, Berlin/New York 2008 = 1987. 20 Dies gilt insbesondere für das Bell. Hisp.: vgl. allein Bell. Hisp. 1,1 in den Ausgaben von Klotz und Pascucci (1965) bzw. Diouron (1999).

Die epistula ad Balbum und die Textsorte commentarius

2 2.1

Vorbemerkung

In der Einleitung wurde auf das vergleichsweise geringe Forschungsinteresse an den postcaesarischen Schriften hingewiesen. Da mag es überraschen, dass der wohl meist zitierte, analysierte und interpretierte Text im Corpus Caesarianum nicht von Caesar selbst stammt. Es ist die ebenfalls bereits in der Einleitung erwähnte, von Caesars Kanzleichef Aulus Hirtius verfasste Briefvorrede zum achten Buch des Bell. Gall., die seit Beginn der wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Corpus Caesarianum besonders große Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat. Auf den zweiten Blick lässt sich dies jedoch gut erklären: Die in diesem Brief enthaltenen Informationen sind, da Caesar selbst auf ähnliche praefationes bekanntlich verzichtet hat,1 zumindest innerhalb des Corpus die einzigen, die Aufschluss über den Entstehungsprozess, die zeitgenössische Rezeption und den Zeitpunkt der Publikation der caesarischen commentarii geben können. Aber auch über die Produktion der im Corpus enthaltenen nicht-caesarischen Schriften trifft die praefatio Aussagen, wenngleich es scheint, dass diese schwer mit der Überlieferung in Einklang zu bringen sind. Aus diesem Grund bedarf die Vorrede, die wegen ihres Adressaten Cornelius Balbus, eines weiteren engen Caesarvertrauten, häufig Balbusbrief oder epistula ad Balbum genannt wird, sofern man sie nicht als späte Interpolation und somit als Fälschung deklariert,2 der Interpretation. Dabei ist jedoch Vorsicht geboten: Zwar referiert sie als faktualer Text prinzipiell auf die Realität.3 Nicht immer wurde allerdings genügend beachtet, dass die Vorrede keineswegs vorrangig das Ziel verfolgt, dem Lesepublikum über die oben genannten Komplexe Aufklärung zu verschaffen, die die philologische Forschung einst wie jetzt besonders interessiert hat. Dem Briefsprecher ist vordergründig vielmehr daran gelegen, sich selbst dafür zu rechtfertigen, Caesars commentarii nach den Iden des März ohne dessen Einverständnis erweitert und vervollständigt zu haben. So erfüllt bereits der erste Satz die Funktion, das Lesepublikum über den Widerwillen und die Skrupel des Briefsprechers aufzuklären, eine so undankbare Aufgabe wie die Fortsetzung der commentarii zu übernehmen: Coactus adsiduis tuis vocibus, Balbe, cum cotidiana mea recusatio non difficultatis excusationem, sed inertiae videretur deprecationem habere, difficillimam rem suscepi.

|| 1 Vgl. z. B. Richter (1977) 42 und schon Deichgräber (1950) 119. 2 Canforas (1970) Versuch, dies zu erweisen, ist zuletzt von Gaertner/Hausburg (2013) 169‒184 mit überzeugenden Argumenten zurückgewiesen worden. 3 Vgl. zur Unterscheidung zwischen fiktionalen und faktualen Texten Kap. 3.2.1. https://doi.org/10.1515/9783110711530-002

8 | Die epistula ad Balbum und die Textsorte commentarius

Auf dein beständiges Bitten hin, lieber Balbus, habe ich, da meine tägliche Zurückweisung nicht Ausdruck der Schwierigkeit, sondern Entschuldigung für meine Arbeitsscheu zu sein schien, eine überaus schwierige Aufgabe auf mich genommen.

Diese Form der Eröffnung bedient sich zudem erkennbar etablierter Topoi, etwa des Topos des beständigen Drängens des Adressaten oder Widmungsträgers, der Schwierigkeit der Aufgabe und der eigenen Unfähigkeit, diese zu erfüllen.4 Es ist daher fraglich, welche Rückschlüsse sich etwa aus der Aussage des Briefsprechers, Balbus habe ihn tagtäglich zum Schreiben aufgefordert, auf den Produktionsprozess ziehen lassen.5 Der gesamte Brief sollte folglich vor dem Hintergrund der in ihm verfolgten Legitimationsstrategie analysiert werden. In diesem Zusammenhang erfüllt, so mein Vorschlag, auch die zweimalige Bezeichnung der caesarischen Schriften als commentarii eine Funktion. Durch den Rekurs auf diese Textsorte kann der Briefsprecher nachweisen, dass eine Supplementierung des großen Vorbilds legitim ist. Um diesen Punkt eingehend zu begründen, werde ich im Folgenden zunächst die verschiedenen Ausprägungen der Textsorte commentarius und ihre charakteristischen Eigenschaften kurz umreißen (Abschn. 2.2), mit dem Ziel, vor diesem Hintergrund die zeitgenössische Rezeption besser einordnen zu können (Abschn. 2.3). Dabei wird sich zeigen, dass dieser neue Blickwinkel auf die Vorrede auch Konsequenzen für die Rekonstruktion des Entstehungsprozesses des Corpus Caesarianum insgesamt hat (Abschn. 2.4).

|| 4 Ganz ähnlich z. B. Cic. or. 1,1: Utrum difficilius aut maius esset negare tibi saepius idem roganti an efficere id quod rogares diu multumque, Brute, dubitavi … Quod quoniam me saepius rogas, aggrediar non tam perficiendi spe quam experiendi voluntate; malo enim, cum studio tuo sim obsecutus, desiderari a te prudentiam meam quam, si id non fecerim, benevolentiam. – „Ob es wohl schwieriger und gewichtiger wäre, dir, der du immer wieder dasselbe verlangst, auszuschlagen, was du verlangst, oder es auszuführen, darüber habe ich lange und viel gegrübelt, lieber Brutus … Weil du es nun immer wieder von mir verlangst, will ich es in Angriff nehmen, nicht so sehr in der Hoffnung auf Gelingen, sondern in dem Willen, es zu versuchen. Mir ist es nämlich lieber, dass du, wenn ich deinem Begehren nachgekommen bin, Klugheit an mir vermisst als guten Willen, wenn ich es nicht täte.“ – Zu diesem Topos in praefationes vgl. Janson (1964), bes. 125–127; 130–133; zum recusatioMotiv in der epistula Pascucci (1965) 14; Pecere (2003) 190f. 5 So schließt Kalinka (1910) 482f. aus diesem Satz, dass Hirtius die Vorrede geschrieben habe, ehe er mit dem Schreiben des eigentlichen commentarius begonnen habe, da er seinen Entschluss, die ihm angetragene Aufgabe zu übernehmen, Balbus, der ihn tagtäglich dazu drängte, unverzüglich mitgeteilt haben müsse. Kritisch dazu bereits Seel (1935) 66 mit Anm. 1.

Die Textsorte commentarius | 9

2.2

Die Textsorte commentarius

Da die handschriftliche Überlieferung der caesarischen Schriften keine Schlüsse auf deren ursprünglichen Titel zulässt,6 ist dessen Rekonstruktion von drei Rezeptionszeugnissen abhängig: Zum einen wird eine Passage aus Ciceros Brutus, zum anderen eine ähnliche, möglicherweise von der ersten inspirierte, in der epistula ad Balbum herangezogen.7 Später referiert dann Sueton beide Stellen (neben dem Urteil Asinius Pollios); er selbst verwendet dabei ebenfalls, wie Cicero und Hirtius, den Begriff commentarii für Caesars und auch die postcaesarischen Schriften. Hier die drei bekannten Passagen im Wortlaut: (1) Cic. Brut. 262: Tum Brutus: orationes quidem eius mihi vehementer probantur. Compluris autem legi; atque etiam commentarios quosdam scripsit rerum suarum. Valde quidem, inquam, probandos; nudi enim sunt, recti et venusti, omni ornatu orationis tamquam veste detracta. Sed dum voluit alios habere parata, unde sumerent qui vellent scribere historiam, ineptis gratum fortasse fecit, qui volent illa calamistris inurere: sanos quidem homines a scribendo deterruit; nihil est enim in historia pura et inlustri brevitate dulcius. Sed ad eos, si placet, qui vita excesserunt, revertamur. Da sagte Brutus: „Seine Reden jedenfalls gefallen mir sehr und ich habe auch einige von ihnen gelesen. Außerdem hat er noch gewisse commentarii über seine Taten geschrieben …“ „Diese sind allerdings sehr zu loben“, warf ich ein, „denn sie sind schmucklos, einfach und ansprechend, von allem Schmuck der Rede wie von einem Stück Kleidung befreit. Aber wenn er wollte, dass andere etwas bereitliegen haben, aus dem die, die ein Geschichtswerk verfassen wollen, schöpfen können, hat er schwachsinnigen Leuten vielleicht einen Gefallen getan, die es mit ihrem Lockenstab aufhübschen wollen, die besonnenen Leute jedenfalls hat er vom Schreiben abgeschreckt. Nichts ist nämlich in der Geschichtsschreibung angenehmer als die reine und lichte Kürze. Aber lass uns, wenn es recht ist, zu denen zurückkehren, die bereits gestorben sind.“ (2) Hirt. Gall. 8 praef. 4–5: Constat enim inter omnes nihil tam operose ab aliis esse perfectum, quod non horum elegantia commentariorum superetur. Qui sunt editi, ne scientia tantarum rerum scriptoribus deesset, adeoque probantur omnium iudicio, ut praerepta, non praebita facultas scriptoribus videatur. Denn es ist doch allgemein bekannt, dass nichts noch so Mühevolles von anderen verfasst wurde, welches nicht von der klaren Sprache dieser commentarii übertroffen würde. Diese sind

|| 6 Vgl. grundlegend Kelsey (1905) und daneben Drexler (1935) 230; Richter (1977) 41; Cleary (1985) 345. 7 Zur Abhängigkeit dieser Passage von Cicero vgl. Drexler (1935) 229; Deichgräber (1950) 120; Knoche (1951) 140; Leeman (1963) 177; Patzer (1993) 121. Beide Textpassagen werden unten noch eingehend besprochen, für neuere Literatur zu diesen beiden Rezeptionszeugnissen vgl. z. B. Kraus (2005).

10 | Die epistula ad Balbum und die Textsorte commentarius

veröffentlicht worden, damit den Schriftstellern nicht das Wissen um so bedeutende Dinge fehle, und werden nach dem Urteil aller so geschätzt, dass es für die Schriftsteller keine Gelegenheit zu sein scheint, die ihnen gewährt, sondern eine, die ihnen entzogen wurde. (3) Suet. Iul. 56: Reliquit et rerum suarum commentarios Gallici civilisque belli Pompeiani. Nam Alexandrini Africique et Hispaniensis incertus auctor est: alii Oppium putant, alii Hirtium, qui etiam Gallici belli novissimum imperfectumque librum suppleverit. Caesar hat commentarii über seine Taten im Gallischen Krieg und im Bürgerkrieg mit Pompeius hinterlassen. Denn der Autor des Alexandrinischen, Afrikanischen und Spanischen Krieges ist unbekannt. Einige glauben, es sei Oppius, andere, es sei Hirtius gewesen, der auch das letzte und unvollendete Buch über den Gallischen Krieg ergänzt hat.8

Auch wenn Spielräume in der Frage bleiben, wie der Titel der caesarischen commentarii genau lautete – dass zumindest die Bücher über den Gallischen Krieg den Begriff commentarii im Titel trugen, wird spätestens seit Kelseys ausführlicher Argumentation nicht mehr in Zweifel gezogen.9 Für die nicht-caesarischen Schriften ist dies, wie für Caesars Bell. civ., zwar nicht mit vergleichbarer Sicherheit feststellbar, aber doch wahrscheinlich,10 obwohl die antike Rezeption der Supplemente, die darüber Aufschluss geben könnte, auf die späte Aussage Suetons beschränkt ist. Da Sueton darauf hinweist, dass Bell. Alex., Bell. Afr. und Bell. Hisp. nicht von Caesar selbst geschrieben worden sind, liegt die Vermutung nahe, dass schon zu Suetons Zeit Caesars commentarii zusammen mit demjenigen des Hirtius und den anderen postcaesarischen Schriften in einem Corpus gemeinsam vorlagen, in welchem sie dann auch später handschriftlich überliefert wurden. Dieser Befund deckt sich zudem mit der Intention, die in der epistula ad Balbum für das achte Buch des Bell. Gall. ausgegeben wird. Es soll dazu dienen, die Lücke zwischen Ende des Gallischen und Anfang des Bürgerkriegs zu füllen (Caesaris nostri commentarios rerum gestarum Galliae … contexui, praef. 2).11

|| 8 Mit Klotz (1910) 154 fasse ich suppleverit nicht als obliquen Konjunktiv auf (so Canfora 1970, 419 Anm. 4; vgl. Patzer 1993, 117). Zur Diskussion vgl. Gaertner/Hausburg (2013) 177. 9 Vgl. Kelsey (1905) 226. Zum genauen Titel des Bell. Gall. vgl. etwa Richter (1977) 42 (commentarii de bello Gallico); Mensching (1988) 9 (commentarii rerum gestarum belli Gallici, in Anschluss an Knoche 1951, 140 und Oppermann 1976, 499); Patzer (1993) 115 (commentarii rerum gestarum, so schon Kelsey 1905, 233 und passim); Riggsby (2006) 143f. (unentschieden). 10 Das Bell. civ. und die postcaesarischen Schriften haben die posthume Veröffentlichung gemeinsam. Cicero kennt sie also zum Abfassungszeitpunkt des Brutus noch nicht (vgl. hierzu Patzer 1993, 120f.). Für das 8. Buch des Bell. Gall. steht diese Bezeichnung hingegen fest, da der Erzähler – anders als in allen anderen Schriften im Corpus Caesarianum – sein eigenes Buch als commentarius bezeichnet (z. B. 48,11). 11 Einen guten Überblick über die lange Forschungsdiskussion mit viel Literatur bieten Gaertner/Hausburg (2013) 22–30.

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Wenn also der Titel commentarii für alle Schriften im Corpus Caesarianum als wahrscheinlich gelten darf, so schließt sich unmittelbar daran die Frage an, welcher Erwartungshorizont durch diesen Titel aufgerufen wird.12 Da vor Caesar mit Ausnahme des commentariolum petitionis Q. Ciceros keine weiteren Texte überliefert sind, von denen sich mit einiger Sicherheit behaupten lässt, dass sie commentarii hießen,13 darf es als eine der ältesten Aufgaben der Caesarphilologie gelten, aus den wenigen zeitgenössischen Rezeptionszeugnissen die Gattungsfrage zu klären, die es erlaubt, zu beurteilen, ob Caesars Text als gattungskonform einzuordnen ist oder ob und inwiefern er die Gattungsgrenzen im Gegenteil transgrediert.14 Diese Fragestellung ist so alt, dass Drexler bereits im Jahr 1935 von einer „unendlich viel behandelten Frage“15 spricht und Mundt das Thema schließlich knapp 70 Jahre später für ausdiskutiert erklärt, mit dem Hinweis, dass kein Konsens erreicht worden ist.16 Die Forschung des 20. Jahrhunderts war besonders im deutschsprachigen Raum von den beiden unterschiedlichen Positionen Oppermanns und Bömers bestimmt.17 Unter Rückgriff auf eine Konzeption Lukians, der den Entwurf für ein anschließend zu schreibendes Geschichtswerk als ὑπόμνημα bezeichnet,18 verstand Oppermann unter dem „historischen commentarius“, den er als Vorgänger der caesarischen commentarii ansah, eine literarisch anspruchslose Skizze.19 Bömer hingegen versuchte nachzuweisen, dass der römische commentarius dem griechischen Begriff ὑπόμνημα semantisch nicht entspricht und erklärte die caesarischen commentarii

|| 12 Vgl. hierzu, mit Rückgriff auf die Rezeptionsästhetik, Rüpke (1992) 201 mit Anm. 1 und 204; ähnlich aber bereits Knoche (1951) 142: „Woran denkt nun der Römer bei dem Wort commentarius?“ 13 Vgl. Nousek (2018) 97. – Autorschaft, Datierung und Zugehörigkeit des commentariolum petitionis zur Textsorte commentarius sind teilweise umstritten, vgl. Waibel (1969) bes. 102‒104; Lucrezi (2001) bes. 20f.; Canali (2013) 80f. 14 Gegen die weit verbreitete Meinung, dass Caesars Bücher auf die eine oder andere Weise gattungsuntypisch waren (vgl. inter alios Knoche 1951, 140f.; Bömer 1953, 250; Scholz 1995, 93) Riggsby (2006) 141f. Um die commentarii nicht in die Perspektive des literarischen Textes zu stellen (vgl. Anm. 24), verwende ich statt des Gattungsbegriffs im Folgenden in Anschluss an Sowinski (1996) den Begriff der Textsorte. 15 Drexler (1935) 227. 16 Vgl. Mundt (2004) 256. 17 Scholz (1995) 82: „Daher steht als heutiges Resultat [scil. der commentarius-Forschung] nicht etwa ein einigermaßen gesichertes Urteil, sondern die eher bekenntnishafte Aussage, die mitteilt, daß der eine mehr der Grundauffassung H. Oppermanns, der andere mehr derjenigen F. Bömers zuneigt“. 18 Vgl. hist. conscr. 48. 19 Den ersten Beitrag Oppermanns zum Thema stellt eine 1931 publizierte Festrede dar. Die dort vorgetragenen Gedanken finden sich nur wenig erweitert in seiner 1933 erschienenen Caesarmonographie wieder. Eine wichtige Ergänzung sind seine Ausführungen in dem von Rasmussen herausgegebenen companion zu Caesar, der erstmals 1967 erschienen ist (²1976 und zahlreiche gegenüber der zweiten Auflage unveränderte Nachdrucke), da hier Oppermann den Einwänden Bömers (1953) begegnet.

12 | Die epistula ad Balbum und die Textsorte commentarius

stattdessen aus der römischen Tradition der Amtsbücher der Magistrate heraus, die keineswegs literarisch anspruchslos gewesen seien.20 Da Caesars commentarii sowohl im Brutus als auch in der epistula ad Balbum jedoch gerade nicht als Amtsbücher, sondern als historiographische Entwürfe aufgefasst werden, ist die literarische Vorläufigkeit auch in neueren Arbeiten eines der meistpostulierten Merkmale der Textsorte.21 Eine Auswertung der Belegstellen für den Begriff commentarius bei Cicero, wo er zum ersten Mal in der lateinischen Literatur in verschiedenen Bedeutungsnuancen greifbar ist,22 bestätigt diese Auffassung weitgehend, vermittelt aber auch einen Eindruck von der Bandbreite an Texten, die alle ohne Unterschied commentarii heißen konnten. Darunter sind (a) ein Haushaltsbuch, das eine Aufstellung über Ciceros Finanzen enthielt, (b) die Vorlesungsmitschriften des Sohnes Marcus, (c) gesammelte Notizen über die gesellschaftlichen Ereignisse in Rom, die M. Caelius Rufus an seinen Freund während dessen kilikischer Statthalterschaft schickte, aber auch (d) Aufzeichnungen von Priesterkollegien, (e) juristische Kommentarliteratur wie die Tripertita des Sex. Aelius, (f) Entwürfe für eine historiographische Schrift aus Ciceros eigener Hand und (g) ein philosophischer Abriss des Poseidonios zu einem Bereich der Pflichtenlehre.23 Es handelt sich bei aller Unterschiedlichkeit der commentarii, was ihren Inhalt betrifft, in formaler Hinsicht im weiteren Sinn um Gebrauchstexte ohne literarische Ambition.24 Aus diesem Befund können Rückschlüsse auf die Konnotation des Be-

|| 20 Vgl. Bömer (1953). 21 Vgl. Adcock (1956) 8; Avenarius (1956) 98–104; Canfora (1972) 85f.; Cleary (1985) 346f.; Engels (1999) 61; Laser (2001) 3–4; Loreto (2001) 10; Scholz (2003) 177 mit irreführendem Verweis in Anm. 19 auf Rüpke, der diese Auffassung gerade nicht vertritt; Lieberg (2008) 107; Flach (42013) 98; Raaflaub (2017b) 205. Reid (1908) 442 Anm. 1 vergleicht das Bell. Hisp. mit Fronto Ad Verum 1,2 (= p. 108 van den Hout). 22 Zwar sind aus caesarischer Zeit (mit Ausnahme des commentariolum petitionis) keine commentarii erhalten, aber aus der Verwendung des Begriffs bei Cicero lässt sich durchaus schließen, was unter einem commentarius zu Zeit Caesars verstanden werden konnte. Vgl. dagegen Hastrup (1957) 61 und Görler (1976) 96f. 23 Stellennachweise: (a) Sed ego †mihi† ab illo hoc tempore non rationes exspectabam quas tibi edidit, verum id reliquum quod ipse in Tusculano me referre in commentarium mea manu voluit … (Att. 7,3,7); (b) an den Sohn: Quamquam hi tibi tres libri inter Cratippi commentarios tamquam hospites erunt recipiendi … (off. 3,121); (c) Quam quisque sententiam dixerit in commentario est rerum urbanarum (fam. 8,11,4; vgl. auch 8,2,2); (d) an die pontifices: habetis in commentariis vestris C. Cassium censorem de signo Concordiae dedicando ad pontificum conlegium rettulisse (dom. 136); (e) atque illum (i. e. Crassum) … ad auctores confugisse et id, quod ipse diceret, et in P. Muci fratris sui libris et in Sex. Aeli commentariis scriptum protulisse (de orat. 1,240); (f) an Lucceius: Si enim suscipis causam (i. e. historiam scribere), conficiam commentarios rerum omnium (fam. 5,12,10); (g) Quem locum miror a Posidonio breviter esse tactum in quibusdam commentariis (off. 3,8). 24 Wohl nicht zu Unrecht bemängelt Rüpke (1992) 204 Anm. 10, dass der Literaturbegriff in der Forschungsdiskussion häufig unreflektiert verwendet worden ist. Ich halte trotzdem an dieser Stelle

Die Textsorte commentarius | 13

griffs commentarius gezogen werden. Instruktiv ist in dieser Hinsicht die Verwendung des Begriffs in Ciceros Dialog De Oratore. ‚Cicero‘25 spricht zu Beginn kurz über die Mängel seiner Jugendschrift De Inventione und legt dabei seinem Bruder folgende Worte in den Mund (de orat. 1,5): Vis enim ut mihi saepe dixisti, quoniam quae pueris aut adulescentulis nobis ex commentariolis nostris incohata ac rudia exciderunt vix hac aetate digna et hoc usu quem ex causis quas diximus tot tantisque consecuti sumus, aliquid isdem de rebus politius a nobis perfectiusque proferri. Du möchtest nämlich, wie du mir oft gesagt hast, dass von mir etwas Ausgearbeiteteres und Vollendeteres zum selben Thema herausgebracht wird, weil das, was mir als Junge beziehungsweise Jugendlicher Unzusammenhängendes und Rohes aus meinen commentarioli entschlüpft ist, kaum meines Alters und meiner Praxis würdig ist, die ich meinen so zahlreichen, so bedeutenden Prozessen geschult habe.

Im Licht der Erfahrung des gealterten ‚Cicero‘ ist das Erstlingswerk unzulänglich, nur eine erste Anlage (incohata), kunstlos zusammengestellt (rudia), die jetzt bearbeitet, ergänzt und zu einer vollendeten Darstellung ausgebaut werden soll (aliquid eisdem de rebus politius … perfectiusque proferri). De Inventione bestehe nur aus Notizen, die den eigenen commentarioli entstammten. Die Konnotation des Begriffs commentarius als einer anspruchslosen Notizensammlung, die durch die Verwendung des Diminutivs noch verstärkt wird, wird an dieser Stelle ganz deutlich.26 Später im ersten Buch (1,206; 208) fordert ‚Crassus‘ den schweigsamen ‚Antonius‘ auf, doch endlich die Geheimnisse der Redekunst (illa dicendi mysteria) zu lüften und erwähnt beiläufig, ‚Antonius‘ habe zu seinem eigenen Bedauern ein Büchlein zu diesem Thema verfasst: petimus ab Antonio ut ea, quae continet neque adhuc protulit, ex quibus unum libellum sibi excidisse iam dudum questus est, explicet nobis. ‚Antonius‘ antwortet darauf tiefstapelnd: Was sein commentarius enthalte, behandle nicht die Redekunst an sich, sondern entspringe vielmehr seinen persönlichen Gewohnheiten.

|| daran fest und ziehe als Unterscheidungskriterium die Ausgestaltung eines Textes mit rhetorischstilistischen Kunstmitteln heran. Auch wenn dies nur ein außerordentlich grobes Kriterium darstellt – Caesars commentarii z. B. verzichten bekanntermaßen weitgehend auf rhetorischen Schmuck und zählen trotzdem unbestritten zur Literatur –, hilft es dabei, „[a]ntiquarische Faktensammlungen“, wie sie commentarii oft enthalten, von Texten der ‚Höhenkammliteratur‘ zu unterscheiden (vgl. Fuhrer 1996, 121f.). 25 Hier und im Folgenden signalisieren in Anführungszeichen gesetzte Namen, dass nicht von einer historischen Person, sondern von einer literarischen Figur die Rede ist (in diesem Fall vom Prologsprecher des Dialogs). Zur Sinnhaftigkeit der Differenzierung zwischen Autor und Erzähler in faktualen Texten vgl. Kap. 3.2.2. 26 Vgl. Scholz (2003) 177 Anm. 19. Für eine mögliche Verbindung zum commentariolum petitionis vgl. Palmer (1971) 387.

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Neque enim sum de arte dicturus, quam numquam didici, sed de mea consuetudine; ipsaque illa, quae in commentarium meum rettuli, sunt eius modi, non aliqua mihi doctrina tradita, sed in rerum usu causisque tractata … Ich will auch nicht von der Redekunst sprechen, die ich nie gelernt habe, sondern über meine Gewohnheit. Auch die Dinge, die ich in meinen commentarius aufgenommen habe, sind so beschaffen, mir nicht durch eine Wissenschaft bekannt, sondern von mir in der Praxis und in den Prozessen gebraucht …

‚Crassus‘ nennt die Schrift des ‚Antonius‘ unspezifisch libellus, und dies lässt sich als dezidiert höfliche Formulierung gegenüber dem Dialogpartner interpretieren, dem nicht unterstellt werden soll, ‚nur‘ einen commentarius veröffentlicht zu haben. ‚Antonius‘ jedoch nennt sein eigenes Büchlein explizit commentarius und unterstützt damit sein Understatement: Es handele sich bei seinem Büchlein um einen Text zum persönlichen Gebrauch, ohne Anspruch darauf, die Redekunst als Disziplin darzustellen und ohne Anspruch auf Außenwirkung,27 sondern um einen aus der eigenen Praxis gewonnenen und in diesem Sinn persönlichen Leitfaden. An diesen beiden Beispielen lässt sich ersehen, dass unter einem commentarius in der Regel kein literarisch ambitionierter Text, sondern eine Faktensammlung verstanden wird. Es ist folglich davon auszugehen, dass bei einem commentarius mit literarischem Anspruch die Inkongruenz zwischen Titel, der einen Erwartungshorizont vorgibt, und der tatsächlichen Gestaltung des Textes, der die Rezeptionserwartungen nicht erfüllt, betont wird.28 Dies ist etwa der Fall bei jenem commentarius Graece scriptus, den Cicero Poseidonios mit der Bitte um geschmackvollere Darstellung geschickt hat, und der, glaubt man Ciceros eigenem Urteil, selbst bereits ein kleines Kunstwerk gewesen ist.29 Gelegentlich wurde von der Forschung erwogen, Ciceros Vorgehen, unter dem Label des commentarius eine stilistisch ausgefeilte Schrift gleichsam zu verstecken, weniger als Sonderfall, sondern vielmehr als Zeugnis einer in der späten Republik verbreiteten Tradition aufzufassen. So könnte es sich bei den Memoirenschriften Q. Lutatius Catulus’ und Cornelius Sullas ebenfalls um publizierte commentarii handeln.30 Ein immer wieder gegen diese These vorgebrachter Einwand lautet zwar, dass die infrage kommenden republikanischen Memoirenschriften von anderen antiken Autoren, die auf sie Bezug nehmen,

|| 27 Vgl. die Anspielung darauf durch ‚Crassus‘, ‚Antonius‘ hätte darüber gejammert (questus est), dass der libellus in Umlauf gekommen sei. 28 Vgl. Nousek (2018) 101. Die Verwendung des Begriffs commentarius bzw. ὑπόμνημα in untertreibendem Sinn ist auch im Griechischen gängig, wie Engels (1999) 69 zeigt. 29 Vgl. Cic. Att. 1,19; 1,20; 2,1. 30 Zu Catulus: Lewis (1993) 636, zu Sulla z. B. Pascucci (1974); vgl. auch Bérard (1993) 86–88.

Die frühe Caesarrezeption | 15

nie commentarii, sondern häufig schlicht libri genannt werden.31 Dies braucht angesichts der Konnotation des commentarius-Begriffs allerdings nicht zu verwundern und lässt sich unter Verweis auf das oben zitierte Beispiel aus De oratore (1,206; 208) als Höflichkeitsgestus verstehen. In dieser Perspektive fällt nun besonders auf, dass ausgerechnet Caesars commentarii bei Cicero und Hirtius auch commentarii heißen. Da davon ausgegangen werden muss, dass durch die Verwendung dieses Begriffs ein Erwartungshorizont aufgerufen wird, dem die caesarischen Schriften offenbar nicht entsprechen, stellt sich die Frage, welche Funktion diese Bezeichnung in ihrem jeweiligen Kontext erfüllt.

2.3

Die frühe Caesarrezeption

2.3.1

Cic. Brut. 262: Ansätze einer Diskussion von Gattungsnormen

Zum ersten Mal fällt der Begriff commentarius im Zusammenhang mit Caesars Kriegsmonographien im ciceronischen Brutus. Wie lässt sich also erklären, dass in Ciceros Dialog die commentarii über den Gallischen Krieg gewissermaßen als bloße ‚Notizbücher‘ deklariert werden? Meine Interpretation dieser Textpassage geht von folgender Textbeobachtung aus: Nicht ‚Cicero‘ bezeichnet Caesars Schriften als commentarii, sondern sein Dialogpartner ‚Brutus‘ benutzt diesen Begriff, um damit das bereits publizierte Bell. Gall. zu bezeichnen.32 Für ‚Brutus‘ stehen die commentarii Caesars an zweiter Stelle. Zunächst spricht er – angesichts der Thematik des Dialogs nicht verwunderlich – von Caesars orationes. Über sie äußert er sich lobend und gibt an, sie gut zu kennen (compluris autem legi). Dann fährt er fort und schiebt nach, dass Caesar außerdem noch „ein paar commentarii“ (quidam commentarii) geschrieben habe. Auffällig ist an dieser Formulierung die Verwendung des Indefinitpronomens, da ‚Brutus‘ so auf erstaunlich allgemeine und unspezifische Weise von der – wie gleich von ‚Cicero‘ ausgeführt – literarischen Meisterleistung seines Freundes zu sprechen scheint.33 Man erhält, wie bereits von Rüpke und Lieberg kurz angemerkt, den Eindruck, dass ‚Brutus‘ Caesars commentarii nicht genau kennt –

|| 31 So Oppermann (1976) 502 Anm. 40. Skeptisch auch Scholz (1995) 88 und zuletzt Riggsby (2006) 137: „But the fact that most of these more inclusive works are never so described should make us hesitant to label them commentarii.“ 32 Mindestens irreführend ist also eine Formulierung wie diejenige Liebergs (1998) 13: „Cicero sagt im Brutus (262) aus dem Jahr 46 compluris … autem legi …“. Ähnlich Schmittlein (1970) 159. 33 Zu quidam vgl. BSch § 92.1: Es „bezeichne[t] einen bestimmten Gegenstand, den der Redende nicht näher benennen will oder kann, oder auf dessen genauere Bestimmung er nicht viel Wert legt.“ Vgl. auch nochmals off. 3,8, wo Cicero ebenfalls das Pronomen quidam zu commentarii ergänzt: Quem locum miror a Posidonio breviter esse tactum in quibusdam commentariis.

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zumindest nicht so gut wie die Reden, die er explizit lobt.34 Das Unbehagen, ‚Brutus‘ eine so gleichgültige Aussage über die caesarischen commentarii zuzugestehen, äußert sich forschungsgeschichtlich in dem Bedürfnis, den überlieferten Text zu emendieren. So liest sich in der Edition von Stangl ‚Brutus‘ letzter Satz ganz anders:35 Tum Brutus: orationes quidem eius mihi vehementer probantur (complures autem legi), atque etiam commentarii, quos idem scripsit rerum suarum. Da sagte Brutus: Seine Reden jedenfalls gefallen mir sehr – ich habe auch einige von ihnen gelesen – und auch die commentarii, die selbiger über seine persönlichen Angelegenheiten geschrieben hat.

Die Textglättung, die durch den Emendationsversuch von commentarios quosdam zu commentarii, quos idem vorgenommen wird, bewirkt, dass das in der Tendenz antithetische Verhältnis von orationes und commentarii im Urteil des ‚Brutus‘ hin zu einem unzweideutigen Lob Caesars aufgelöst wird. Ein solcher Eingriff in den Text ist jedoch nicht zu rechtfertigen,36 wenngleich er andernorts auch Zustimmung gefunden hat.37 Legt man Stangls Text zu Grunde, pflichtet ‚Cicero‘ ‚Brutus‘ anschließend bei: Valde quidem, inquam, probandos im Sinne von „‚Diese sind wirklich sehr ansprechend‘, stimmte ich zu …“.38 Diese Übersetzung ist zwar auch unter Beibehaltung des überlieferten Textes im vorigen Satz möglich, doch gewinnt eine alternative Interpretation an Plausibilität, nach der ‚Ciceros‘ Einwurf nicht affirmativ, sondern als Einschränkung und Korrektur zu verstehen ist: „‚Diese sind allerdings sehr zu loben‘, warf ich ein …“. Dieses Gegensteuern durch ‚Cicero‘ wird nötig, weil ‚Brutus‘ dadurch, dass er Caesars Bell. Gall. als quidam commentarii bezeichnet, auf Rezipientenseite eine unzutreffende Vorstellung davon aufzurufen droht, was die caesarischen Schriften tatsächlich enthalten. Anders als die überwiegende Mehrzahl römischer commentarii sind sie aber keine formlosen Notizbücher. Auch als bloße Protokolle der eigenen Amtsführung sind sie nicht adäquat beschrieben. Interessanterweise erklärt Cicero die Entstehung der caesarischen commentarii anders als manche Forschungsbeiträ|| 34 Vgl. Rüpke (1992) 206; Lieberg (2002) 66 Anm. 7. Auch sonst wirkt ‚Brutus‘ manchmal unbelesen, etwa, wenn er einräumt, die von Cicero besprochenen Memoirenschriften des Scaurus und Catulus nicht zu kennen (Brut. 133). – Glei (2015) 169 schließt aus dem Pronomen, dass „Cicero die Commentarii offenbar nicht als zusammenhängendes Ganzes, sondern eher als einzelne Schriften wahrgenommen hat.“ 35 Stangl (1886) 59. 36 Hierzu richtig Pecere (2003) 200 Anm. 58. 37 So z. B. in der OCT-Ausgabe von Wilkins, die offenbar Nousek (2018) 100 und Chassignet (2018) 250 zu Grunde legen. Die Begründung für die Notwendigkeit der Konjektur bei Lieberg (1998) 167 Anm. 3 ist nicht zwingend. 38 Ich zitiere hier die Übersetzung Kytzlers (41990), der Stangls Textverbesserung nicht folgt.

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ge gerade nicht über diese Form der institutionalisierten Rechenschaftsablegung.39 Er geht aus von einer anderen Bedeutung des Begriffs – Caesars Anliegen sei es gewesen, Material für Geschichtsschreiber zu liefern (voluit alios habere parata, unde sumerent qui vellent scribere historiam) – nur um anschließend zu betonen, dass die commentarii auch nicht in diesem Sinn, also als Entwürfe, richtig verstanden sind. Auf diese Weise wird Caesar gleichzeitig der Wunsch unterstellt, seine Errungenschaften in Gallien auf angemessene Weise verherrlicht zu sehen.40 In diesem Kontext gewinnt nun auch die zunächst etwas überraschende Äußerung des ‚Brutus‘ ihre Funktion: Sie ist nötig, um den Begriff commentarii in die Diskussion einzuführen. Dadurch, dass sein Dialogpartner sich dieses Terminus bedient, ergibt sich für ‚Cicero‘ auf natürliche Weise die Möglichkeit, auf den Sonderstatus des Bell. Gall. innerhalb der Textsorte commentarius einzugehen. Dies kann, muss aber nicht als versteckte Kritik aufgefasst werden: Einerseits unterscheiden sich Caesars commentarii von anderen Vertretern der Textsorte, andererseits lässt sich daraus nicht ohne weiteres ein Verstoß gegen Gattungsnormen ableiten.41

2.3.2

Hirt. Gall. 8 praef. 4–7: Legitimation des Corpus Caesarianum

Das zweite Rezeptionszeugnis der caesarischen Militärschriften findet sich in der epistula ad Balbum, die das achte Buch des Bell. Gall. eröffnet. Doch hält Hirtius’ kurze praefatio einige Probleme bereit. Diese manifestieren sich insbesondere am viel diskutierten zweiten Satz, der textkritisch umstritten, sprachlich schwierig und nicht zuletzt inhaltlich problematisch ist: scheint der Briefsprecher hier doch, um nur das offensichtlichste Problem zu benennen, zu behaupten, eigenhändig commentarii bis zu Caesars Tod (usque ad exitum … vitae Caesaris) verfasst zu haben. Dagegen spricht jedoch einerseits, dass zumindest das Bell. Afr. und das Bell. Hisp. sich sprachlich so markant sowohl voneinander als auch vom achten Buch des Bell. Gall. unterscheiden, dass Hirtius als einziger Verfasser aller postcaesarischen

|| 39 Die sogenannte ‚Dienstberichtshypothese‘ postuliert einen Zusammenhang zwischen Caesars magistratischen Aufzeichnungen und den publizierten commentarii. Vgl. Klotz (1910) 13; dagegen u. a. Bérard (1993) 86 und Scholz (1995) 83. 40 ‚Cicero‘ parallelisiert also Caesars Schreibintention mit seiner eigenen, die er gegenüber Atticus in Bezug auf das Verfassen seines ὑπόμνημα περὶ τῆς ὑπατείας bekundet. – Vgl. zuerst Klotz (1910) 15f. 41 Wie Rüpke (1992) 206 betont, wird Caesars Stil nicht explizit kritisiert. Vgl. dagegen Scholz (1995) 93, der einen „hinterhältigen Hinweis“ auf diesen Widerspruch erwägt, ohne sich jedoch festlegen zu wollen. Gut mit einer kritischen Deutung vereinbar sind die Ergebnisse von Leeman (1963) 175 und Kraus (2005), vgl. ferner Gerlinger (2008) 21 Anm. 11. Rasmussen (1963) 12f. glaubt hingegen an eine Schmeichelei Ciceros.

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Schriften ausfällt, andererseits jedoch, dass noch ein knappes Jahr zwischen Ende des Bell. Hisp. und Caesars Tod liegt, über das, anders als der Briefsprecher zu implizieren scheint, kein commentarius überliefert ist.42 Diese und weitere Fragen zum Produktionsprozess des Corpus Caesarianum müssen für den Moment zurückstehen, obwohl sie für das Verständnis der postcaesarischen Schriften zentral bleiben (s. dazu den folgenden Abschnitt). In unserem Kontext, der Konnotation des Begriffs commentarius, interessiert nämlich zunächst ein anderes Problem: Der Briefsprecher ist nach Cicero bzw. ‚Brutus‘ der zweite, der von Caesars militärischen Schriften als commentarii spricht, und dies gleich zweimal, nämlich neben der ersten Erwähnung im zweiten Satz noch einmal wenig später (praef. 3–5): Quos (sc. commentarios)43 utinam qui legent scire possint, quam invitus susceperim scribendos, quo facilius caream stultitiae atque arrogantiae crimine, qui me mediis interposuerim Caesaris scriptis. Constat enim inter omnes nihil tam operose ab aliis esse perfectum, quod non horum elegantia commentariorum superetur. Qui sunt editi, ne scientia tantarum rerum scriptoribus deesset, adeoque probantur omnium iudicio, ut praerepta, non praebita facultas scriptoribus videatur. Wenn diejenigen, die diese commentarii lesen werden, nur wissen könnten, wie widerstrebend ich es in Angriff genommen habe, sie zu schreiben, damit ich umso leichter dem Verdacht der Dummheit und der Anmaßung entgehe, der ich mich doch mitten zwischen die Schriften Caesars gestellt habe! Denn es ist doch allgemein bekannt, dass nichts noch so Mühevolles von anderen verfasst wurde, welches nicht von der Klarheit dieser commentarii übertroffen würde. Diese sind veröffentlicht worden, damit den Schriftstellern nicht das Wissen um so bedeutende Dinge fehle, und werden nach dem Urteil aller so geschätzt, dass es für die Schriftsteller keine Gelegenheit zu sein scheint, die ihnen gewährt, sondern eine, die ihnen entzogen wurde.

Charakteristisch für Hirtius’ epistula insgesamt ist – dies sei an dieser Stelle nochmals betont – eine apologetische Tendenz, im zitierten Textbeispiel realisiert durch den Wunschsatz, diejenigen, die seinen Text lesen, mögen doch um die Skrupel des Verfassers wissen, um ihm umso leichter zu verzeihen, dass er sich noch nach Caesars Tod in dessen Schriften einzureihen gewagt hat. Erkennbar liegt die Textintention darin, den Vorwurf der Hybris, den die Supplementierung der caesarischen Schriften provozieren könnte, präventiv von sich zu weisen. Bereits das erste Wort des Briefes, coactus, gibt diesen Tenor vor, der letzte Satz schließt pessimistisch mit der Gewissheit, sich trotz aller gegenteiliger Beteuerungen der Hybris schuldig gemacht zu haben (hoc ipsum crimen arrogantiae subeo, quod me iudicio cuiusquam existimem posse cum Caesare comparari. Vale.). Der Brief verfolgt also eine Legitimationsstrategie, die darauf abzielt, das eigene Schreiben zu rechtfertigen und um Verständnis zu werben. || 42 Vgl. Gaertner/Hausburg (2013) 25. 43 Vgl. Gaertner/Hausburg (2013) 23 Anm. 32.

Die frühe Caesarrezeption | 19

Im Kontext dieser Strategie kann nun auch die Verwendung des Begriffs commentarii erklärt werden. Im Horizont der oben (Abschn. 2.2) erarbeiteten Texteigenschaften eines commentarius wird nämlich deutlich, dass dessen traditioneller Erwartungshorizont für diese Strategie durchaus nützlich sein kann. Es wurde argumentiert, dass die formale Anspruchslosigkeit für zahlreiche commentarii kennzeichnend ist. Eine weitere häufige Eigenschaft, die mit der ersten in Beziehung steht, stellt die kollaborative Autorschaft dar. Bei von einem solchen Kollektiv geschriebenen commentarii tritt das Bemühen der einzelnen Autoren um Individualität hinter dem gemeinsamen Darstellungszweck zurück, der Text bleibt auf diese Weise offen für Änderungen und Ergänzungen anderer: M. Caelius überlässt das Schreiben des commentarius, den er Cicero nach Kilikien schickt, seinen operarii, Priesterkollegien führen mit der Hilfe ihrer servi die commentarii pontificum als Kollektiv, auch Q. Ciceros Wunsch, sein Bruder möge sich mit Verbesserungsvorschlägen an seinem commentariolum beteiligen, kann in diesem Sinn gedeutet werden. Schließlich sind die heute verlorenen commentarii Cornelius Sullas zu nennen, die der Freigelassene Epicadus in Vertretung für den Verstorbenen fertiggestellt haben soll. Bei Sueton heißt es später sowohl von Epicadus als auch von Hirtius in sehr ähnlichen Formulierungen, sie hätten das „unvollendete Buch“ (imperfectus liber) des jeweils bedeutenderen Mannes „ergänzt“ (supplere).44 (1) Iul. 56: … alii Oppium putant, alii Hirtium, qui etiam Gallici belli novissimum imperfectumque librum suppleverit. … einige glauben, es sei Oppius, andere, es sei Hirtius gewesen, der auch das letzte und unvollendete Buch über den Gallischen Krieg ergänzt hat. (2) gramm. 12,2: Librum autem quem Sulla novissimum de rebus suis inperfectum reliquerat ipse supplevit. Das Buch aber, das Sulla als letztes über seine persönlichen Angelegenheiten unvollendet gelassen hatte, ergänzte er (Epicadus) selbst.

Es lässt sich also vermuten, dass sich der Briefsprecher, indem er den Status der caesarischen Schriften als commentarii betont, auf eine Tradition berufen kann, in der eine Supplementierung, ein Weiter-Schreiben, nichts Ungewöhnliches darstellt.45 Der Tod des Autors bedeutet hier nicht das Ende des Textes, denn dieser ist || 44 Zur Parallele vgl. auch Arnaldi (1953) 307; Canali (1965) 128; Pascucci (1974) 294f.; Gaertner/Hausburg (2013) 21 Anm. 26. 45 Vgl. Kraus (2005) 107f.: „[T]hese texts [commentarii, M.M.], more than other ancient writings, seem to invite others to write more of them.“ Schon Seel (1935) 82f. spricht, allerdings in einem

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nicht sakrosankt.46 Auf diese Weise ermächtigt Caesar Hirtius gewissermaßen postum zur Supplementierung seiner Schriften.47 Diese im Grunde naheliegende Argumentation wird allerdings durch einen Umstand maßgeblich erschwert: Da die Offenheit eines Gebrauchstextes an seine literarische Anspruchslosigkeit gekoppelt ist, verlieren Caesars commentarii diese Eigenschaft gerade durch ihre elegantia, und der Briefsprecher scheut sich nicht, diese elegantia unter Rückgriff auf ‚Ciceros‘ Ausführungen im Brutus zu betonen: Was formal eine Gelegenheit für den ambitionierten Geschichtsschreiber sei, sein Talent zu erproben, erweise sich bei näherem Hinsehen als eine nur scheinbare (praerepta, non praebita, facultas scriptoribus). Um trotzdem die postcaesarischen bella in der Textsortentradition verorten zu können, ist es daher für Hirtius wichtig, deutlich zu machen, dass Caesar nicht, wie etwa Cicero mit seinem commentarius Graece scriptus, die Textsorte dazu benutzt hat, um unter dem Deckmantel des Magistratsberichts eine vollgültige Geschichtsschreibung zu bieten, sondern dass die Entscheidung für den commentarius frei von Hintergedanken war. Genau diese Klarstellung findet sich, wiederum in Caesarlob verpackt, auch im Balbusbrief; der nun folgende Text schließt unmittelbar an die oben zitierte Passage an (praef. 6–7): Cuius tamen rei maior nostra quam reliquorum est admiratio. Ceteri enim, quam bene atque emendate, nos etiam, quam facile atque celeriter eos perfecerit, scimus. Erat autem in Caesare cum facultas atque elegantia summa scribendi, tum verissima scientia suorum consiliorum explicandorum.

|| anderen Zusammenhang, von einem „Bekenntnis[ses] zu der literarischen Gattung der commentarii“. Gaertner/Hausburg (2013) 26 Anm. 48 führen dagegen an, dass die zweite Vorrede (Gall. 8,48,10f.) gerade einen Bruch mit dem ‚annalistischen‘ Gestaltungsprinzip der commentarii ankündige und man von einem Bekenntnis daher nicht sprechen könne. Dass der Erzähler von der caesarischen Tradition in diesem Punkt abweicht, trifft zu, spricht aber nicht gegen die vorgebrachte These: Fällt doch in der von Gaertner und Hausburg angesprochenen Passage der Begriff commentarius gleich zweimal und bezeichnet hier sowohl die commentarii Caesaris als auch das achte Buch des Bell. Gall. (vgl. auch Gaertner/Hausburg 2013, 173f.). Ferner ist der Erzähler des achten Buches durch die häufige Verwendung des Begriffs commentarii sichtlich bemüht, die Kontinuität zwischen seiner und den Schriften Caesars zu betonen. Vgl. dazu bereits Fischer (1880) 6: „Dazu kommt, dass die Bezeichnung commentarius im l. VIII wie mit Absicht möglichst oft gebraucht wird.“ 46 Zwar ist die moderne Auffassung von geistigem Eigentum und Urheberrecht nicht auf die Texte im Corpus Caesarianum übertragbar (so zu Recht etwa Seel 1935, 88 in Bezug auf die postcaesarischen Schriften), andererseits wird gerade dadurch, dass der Sprecher im Balbusbrief sich intensiv um eine Rechtfertigung seiner Arbeit bemüht, sehr deutlich, dass ein zu unbekümmertes Anschließen an die Schriften Caesars durchaus als pietätlos oder gar als Fälschungsversuch hätte aufgefasst werden können. Für die unterschiedliche Bewertung von Fälschungen literarischer Texte und von Sachtexten in Rom vgl. Peirano (2012) 43f. 47 Vgl. dagegen zum Balbusbrief Rüpke (2015) 135: „Formal wird die Einheit von Autor und Protagonist – historisches Hauptmerkmal der Gattungsdefinition – aufgegeben“. Diese zu der hier vorgestellten Position konträre Einschätzung beruht auf der Annahme, dass beim Verfassen eines commentarius häufig eine autobiographische Intention verfolgt wird.

Die frühe Caesarrezeption | 21

Dafür bewundern wir ihn doch mehr als die übrigen Leute: Die anderen wissen nämlich (nur), wie gut und vollkommen er die commentarii geschrieben hat, wir aber auch, wie mühelos und wie schnell. Caesar aber verfügte sowohl über die Fähigkeit und außerordentliche Gewandtheit zu schreiben als auch über gründlichste Kenntnis, seine eigenen Pläne darzustellen.

Der Briefsprecher unterscheidet zwei Gruppen von Rezipienten der commentarii.48 Dem inneren Zirkel um Caesar, dessen repräsentativer Vertreter neben ihm selbst der Empfänger des Briefes, der Caesarvertraute Balbus, ist, wird eine nicht näher definierte Gruppe von anderen (reliqui, ceteri) gegenübergestellt. Balbus und er selbst verfügten, so der Sprecher, über die Kenntnis des Schreibprozesses, die Caesars Leistung auf sie noch erstaunlicher wirken lasse als auf alle anderen, die lediglich das Produkt goutieren könnten, ohne zu wissen, wie es zu Stande gekommen sei. Dieses Wissen um den Schreibprozess aber wird das Urteil über Caesars commentarii entscheidend verändern, denn zu der allgemein bekannten elegantia Caesaris treten weitere Qualitäten: Caesars Art zu schreiben umschreibt der Briefsprecher mit den beiden Adjektiven facilis und celer, dazu tritt als drittes die verissima scientia suorum consiliorum explicandorum.49 Alle drei Eigenschaften – Mühelosigkeit, Schnelligkeit in der Abfassung, Konzentration auf exakte Dokumentation des Gegenstands – stehen für die Produktionsbedingungen vieler anderer commentarii, in denen es auf die Sammlung und Organisation von Information, aber nicht auf die literarische Gestaltung ankommt. Aus der Gegenüberstellung der beiden Rezipientengruppen lässt sich daher folgender Schluss ziehen: Caesars Absicht war es, so der Briefsprecher, nur commentarii zu schreiben, auch wenn sie ihm, gewissermaßen aus Versehen, zu Literatur geworden sind.50 Im Rahmen der hirtianischen Legitimationsstrategie stellt diese Klarstellung einen wichtigen Baustein dar, da es auf diese Weise gelingt, die Berechtigung der vier postcaesarischen ‚Kriege‘ im Corpus Caesarianum nachzuweisen. Spekulativ, aber verlockend ist es darüber hinaus, den von der Forschung lange erkannten intertextuellen Bezug auf die ähnlich lautende Passage im Brutus51 nicht als bloßes Cicerozitat, sondern auch als Kommentar auf die versteckten kritischen Töne der Passage im Brutus zu deuten: Denn sicher gehört Cicero gerade nicht zu der exklusiven Gruppe der Eingeweihten, der nostri, die den wahren Charakter der caesarischen commentarii erkennen können.52 || 48 Vgl. hierzu die zutreffende Einschätzung von Braun (1929) 81f., dass mit den Pronomen nostra und nos in § 6 keine plurales modestiae vorliegen. 49 Zu diesem Passus des Balbusbriefs zuletzt Lieberg (2002) 70. 50 Für eine andere Auffassung vgl. Krebs (2017) 212, der aus derselben Passage schließt, dass Hirtius Caesars commentarii für regelrechte historia hielt. 51 Vgl. z. B. Patzer (1993) 120f.; Pecere (2003) 196. 52 Canfora (1993) 91f. vertritt die These, dass Hirtius’ Urteil über Caesars Stil einem Brief an Cicero entstammt. Hierzu bemerken Gaertner/Hausburg (2013) 176: „Moreover, if the remarks really came

22 | Die epistula ad Balbum und die Textsorte commentarius

2.4

Konsequenzen für die Lektüre der vier postcaesarischen Schriften

2.4.1

Produktion und Publikation des Corpus Caesarianum: Rekonstruktionsversuche

Die Berücksichtigung der Merkmale des commentarius, jener Textsorte, auf die der Briefsprecher durch die zweimalige Verwendung des Begriffs in seiner praefatio rekurriert, hat sich für die Interpretation der epistula ad Balbum als grundlegend erwiesen: Der Hinweis auf die Tradition des commentarius erfüllt seinen Zweck im Rahmen der im Brief verfolgten Legitimationsstrategie. Vor diesem Hintergrund sollen jetzt die umstrittenen Eröffnungssätze des Briefes (praef. 2–3) im Fokus stehen, aus denen die philologische Forschung immer wieder Hinweise zum Entstehungsprozess und zur Abfassungszeit des Corpus Caesarianum zu finden versucht hat: Caesaris nostri commentarios rerum gestarum Galliae, non competentibus superioribus atque insequentibus eius scriptis, contexui novissimumque imperfectum ab rebus gestis Alexandriae confeci usque ad exitum non quidem civilis dissensionis, cuius finem nullum videmus, sed vitae Caesaris. Quos utinam qui legent scire possint, quam invitus susceperim scribendos, … ________________ competentibus Bernhardy : comparantibus Bβ Hering : conparentibus A Die commentarii unseres Caesar über die Taten in Gallien habe ich, weil seine früheren und späteren Schriften nicht miteinander verbunden waren, verknüpft und den letzten, unvollendeten commentarius von den Taten in Alexandrien an fertiggestellt, bis zum Ausgang nicht des Bürgerzwistes, bei dem wir keinerlei Ende sehen können, sondern von Caesars Leben. Wenn diejenigen, die sie lesen, doch nur wissen könnten, wie widerwillig ich mich daran gemacht habe, sie zu schreiben …

Ausgangspunkt für die meisten Forschungsbeiträge zu diesem Satz sind einer oder mehrere der drei Verbalausdrücke competentibus, contexui und confeci. Für die Rekonstruktion der Produktionsbedingungen der nicht-caesarischen Schriften besonders relevant ist der zweite Halbsatz mit seinem Prädikat confeci, auf dem daher

|| from a letter to Cicero, they would not confirm Cicero’s verdict but almost amount to saying that what Cicero writes in his Brutus is merely what everyone says about the commentarii anyway. Such a remark would not be particularly flattering and is difficult to reconcile with Hirtius’ role as Cicero’s discipulus of rhetoric.“ Das letzte Argument ist allerdings nicht zwingend: Denn auch wenn Hirtius nach Caesars Tod mit Cicero freundschaftlich verbunden gewesen sein sollte – was sich allerdings weit schwerer rekonstruieren lässt als umgekehrt Ciceros ambivalente Haltung zu Hirtius –, so bedeutet das nicht, dass Hirtius, was die Beurteilung Caesars anbelangt, mit Cicero einer Meinung war und nicht die epistula zur Korrektur der Ansicht Ciceros benutzt haben könnte. Zur Beziehung zwischen Cicero und Hirtius vgl. z. B. Kerschensteiner (1986).

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im Folgenden der Fokus liegen soll.53 Auffällig ist zunächst die Verwendung des Singulars novissimus imperfectus (sc. commentarius), da man – unbeachtet der Frage, ob damit das Bell. Alex. oder das letzte Buch des Bell. civ. bezeichnet ist54 – konstatieren muss, dass neben den genannten mit Bell. Afr. und Bell. Hisp. noch zwei weitere commentarii überliefert sind. Da zu Recht unumstritten ist, dass diese beiden Supplemente aus stilistischen Gründen nicht von Hirtius selbst stammen können,55 könnte man also annehmen, dass der Briefsprecher an dieser Stelle noch gar keine Angaben zu diesen letzten beiden Schriften macht. Diese Auffassung wird allerdings durch die adverbiale Bestimmung usque ad exitum … vitae Caesaris unmöglich. Diese Ergänzung wird erst dann sinnvoll, wenn man davon ausgeht, dass bereits hier die Supplementierung sämtlicher Kriege Caesars bis hin zum Bell. Hisp. vorschwebt.56 In der Tat wird so auch das Verständnis des folgenden relativen Satzanschlusses quos (im Plural) erleichtert.57 Dazu passt schließlich auch, dass der Briefsprecher gegen Ende seiner praefatio nicht nur den Krieg in Alexandrien, sondern auch noch den folgenden Feldzug in Afrika erwähnt: Die epistula versteht sich offenbar als Einleitung in die Gesamtheit der auf die sieben commentarii rerum gestarum Galliae folgenden Bücher – bis zum Tod des Diktators.58 Wenn diese Überle|| 53 Zum Partizip im ablativus absolutus (competentibus ist eine Konjektur Bernhardys 41865, 658, die zuletzt gegenüber dem handschriftlich überlieferten comparantibus/comparentibus von Patzer 1993, 116 und Gaertner/Hausburg 2013, 22f. mit Anm. 30 favorisiert worden ist) vgl. neben den genannten noch Schiller (1895); Kelsey (1907); Reid (1908); Olivier (1937) 87–93; Kurfess (1941); Alfonsi (1954); zu contexui vgl. Vielhaber (1867) 618, der vorschlägt den Genitiv Galliae zu tilgen, damit contexui sinnvoll wird; anders Constans (1933) 257; Patzer (1993) 113–115; Gaertner/Hausburg (2013) 22f. mit Anm. 31. Übergreifend behandeln u. a. Seel (1935) 67–69 und Canali (1965) 125–128 diese beiden Komplexe. 54 Vgl. die Diskussion bei Gaertner/Hausburg (2013) 29f. 55 Vgl. Nipperdey (1846) 29: „His rebus commentarios de bello Africano et Hispaniensi non solum non ab Hirtio, sed ne ipsos quidem ab eodem homine scriptos esse iudicare cogimur“ und zuletzt Gaertner/Hausburg (2013) 27: „Since the style of these works differs considerably from that of the eighth book of the Bellum Gallicum, it is virtually certain that they were not written by Aulus Hirtius.“ 56 Vgl. z. B. Barwick (1938) 175f. – So lässt sich, wie Pecere (2003) 192 zu Recht herausgestellt hat, schon für contexere, das formal lediglich das Objekt commentarios rerum gestarum Galliae hat, argumentieren: „Ma poiché Irzio, nella frase incidentale che anticipa il verbo principale, ha indicato come terminale di connessione gli scritti cesariani che seguono i commentari gallici, oggetto del suo contexere diventano tutti i commentarii.“ 57 Durch die Verwendung des Maskulinums wird eindeutig, dass zu novissimum imperfectum das Substantiv commentarius zu ergänzen ist, nicht etwa scriptum, vgl. u. a. Canali (1965) 132; Patzer (1993) 117; Andrieu (1954) XVIII. Vgl. dagegen Constans (1933) 257f. und Barwick (1938) 176 Anm. 2. 58 Dem Einwand Canforas (1970) 422, dass die Behauptung, commentarii bis zum Tod Caesars geschrieben zu haben, inkongruent sei mit der Überlieferung, die mit dem Bell. Hisp., also ein Jahr vor Caesars Tod, ende, kann man mit Seel (1935) 70f. begegnen: „Der Endpunkt der Darstellung ist Caesars Tod. Und zwar sollen die res gestae dargestellt werden; das heißt aber: die Kriegstaten, nicht etwa die Regierungshandlungen und das Privatleben Caesars … Caesars letzte kriegerische

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gungen zutreffen, wird aber confeci unverständlich, da der Briefsprecher so zu behaupten scheint, er habe alle postcaesarischen Schriften eigenhändig verfasst. Verschiedene Rekonstruktionsversuche der Entstehung des Corpus Caesarianum sind vorgeschlagen worden. Eine Ansicht geht davon aus, dass Hirtius das Corpus selbst vollenden wollte, aber durch seinen Tod im Jahr 43 v. Chr. in der Schlacht von Mutina daran gehindert wurde. Bell. Afr. und Bell. Hisp. wären nach dieser Auffassung entweder Entwürfe, die sich Hirtius anfertigen ließ, um Material für seine eigenen commentarii zur Verfügung zu haben,59 oder aber erst nach Hirtius’ Tod als Ersatz für die fehlenden hirtianischen Bücher verfasst.60 Weil gemäß dieser Rekonstruktion davon ausgegangen werden muss, dass die epistula bereits geschrieben war, bevor Bell. Afr. und Bell. Hisp. vorlagen, bleibt das Perfekt confeci (statt des zu erwartenden conficiam) allerdings unerklärt: Mit Verweis auf das Perfekt γέγραφε bei Thukydides (5,26) – ebenfalls vom Teil eines Werkes gesagt, das nie geschrieben wurde – hat man versucht zu begründen, dass der Briefsprecher das Perfekt benutzen konnte, obwohl das conficere zum Zeitpunkt des Schreibens noch in der Zukunft lag.61 Andere Rekonstruktionsversuche gehen davon aus, dass die epistula zu einem Zeitpunkt geschrieben wurde, zu dem bereits das gesamte Corpus an postcaesarischen Schriften vorlag. Ich favorisiere diese Interpretation, vor allem, da das Perfekt in diesem Fall viel leichter erklärt werden kann.62 Aber auch so bleibt offen, weshalb der Briefsprecher die Autorschaft aller postcaesarischen Schriften für sich beanspruchen konnte. Zum Teil wird die Ansicht vertreten, Hirtius müsse es gelungen sein, sein Vorhaben selbst zu vollenden, jedoch seien seine Schriften über die Feldzüge in Afrika und Spanien nach seinem Tod durch andere, nämlich das uns bekannte Bell. Afr. und das Bell. Hisp., ersetzt worden.63 Dies jedoch ist unwahrscheinlich, da kaum vorstellbar ist, wie so disparate Texte wie Bell. Afr. und Bell. Hisp. die entsprechenden Teile der hirtianischen Gesamtdarstellung hätten verdrängen kön-

|| Aktion war die Schlacht von Munda; den Rest seines Lebens brachte er in Rom zu – das gehört nicht zum Thema des Hirtius …“. Vgl. schon Petersdorff (1880) 218f. und außerdem Gall. 8,48,10 zur strikten Beschränkung auf Militärisches: Scio Caesarem singulorum annorum singulos commentarios confecisse. Quod ego non existimavi mihi esse faciendum, propterea quod insequens annus L. Paulo C. Marcello consulibus nullas res Galliae habet magno opere gestas. 59 So Barwick (1938) 211f. 60 So Patzer (1993) 126. 61 Vgl. Kalinka (1894) 21 und id. (1910) 482‒486. Kalinka versteht die epistula als ‚echten‘ Widmungsbrief an Balbus. 62 Der pessimistische Ausblick confeci usque ad exitum non quidem civilis dissensionis, cuius finem nullum videmus passt außerdem besser zur politischen Lage um den Jahreswechsel 44/43 als zu derjenigen unmittelbar nach Caesars Tod, vgl. Nipperdey (1847) 32; Seel (1935) 91–95; Gaertner/Hausburg (2013) 28f. 63 Der bekannteste Verfechter dieser These ist Klotz (1910) 156f. Für weitere Literatur vgl. Gaertner/Hausburg (2013) 25 Anm. 44.

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nen.64 Übrig bleibt die Deutung der Stelle, die zuerst Petersdorff, später auch Seel vorgebracht hat und die zuletzt auch von Gaertner und Hausburg favorisiert worden ist:65 Hirtius könnte, sobald die Entscheidung gefallen war, Caesars commentarii zu vervollständigen, andere Caesarvertraute mit dem Schreiben wenigstens des Bell. Afr. sowie des Bell. Hisp. beauftragt haben, diese nach Erhalt zusammengefügt und schließlich die epistula ad Balbum als praefatio dem achten Buch des Bell. Gall. als erstem nicht-caesarischen Buch des Corpus vorangestellt haben. Demnach rekurriert der Briefsprecher in der epistula nicht nur auf seine Verfasser-, sondern auch auf seine Editionstätigkeit. Zu dieser Editionstätigkeit passt die Bedeutung des Verbs conficere besonders gut, das laut Seel bewusst statt des konkreten scribere gewählt ist, weil der Briefsprecher anders als die Autorschaft die Kompilation der Schriften sehr wohl für sich in Anspruch nehmen konnte.66 Bedenken, dass er in diesem Fall die anderen von ihm beauftragten Autoren hätte namentlich erwähnen sollen, werden mit Verweis auf eine andere Konzeption von geistigem Eigentum in der Antike zurückgewiesen.67 Vermag diese Deutung auch die Perfektform confeci überzeugend zu erklären, lassen sich andere in der epistula enthaltene Informationen nur schwer mit ihr in Einklang bringen, sodass trotz des zuletzt von Gaertner und Hausburg vertretenen Optimismus die hirtianische praefatio weiterhin Fragen aufwirft. Tatsächlich lässt sich nämlich aus dem Text selbst heraus die Editionstätigkeit des Hirtius gerade nicht erschließen.68 Richtig ist zwar, dass der Briefsprecher in § 2 der epistula das Wort scribere nicht benutzt, sondern stattdessen die Verben contexere und conficere. Schon für § 3 gilt dies aber nicht mehr: Quos utinam qui legent scire possint, quam invitus susceperim scribendos. Gerade weil man davon ausgehen muss, dass im vorigen Satz (§ 2) Bell. Afr. und Bell. Hisp. bereits mitgedacht sind, weil andernfalls die Formulierung usque ad exitum … vitae Caesaris nicht verständlich wäre, fällt es schwer, den relativen Satzanschluss sachlich ausschließlich auf Bell. Gall. 8 und den novissimus imperfectus commentarius zu beziehen.69 Näherliegend erscheint es, || 64 Vgl. z. B. Nipperdey (1847) 31f.; Barwick (1938) 177; Gaertner/Hausburg (2013) 25. 65 Vgl. Petersdorff (1880); Seel (1935) 86‒97; Gaertner/Hausburg (2013) 27‒29. 66 Vgl. Seel (1935) 97 und ferner Canali (1966) 115f. (zur Bedeutung von confeci); zustimmend Gaertner/Hausburg (2013) 28. 67 Vgl. Seel (1935) 88; Gaertner/Hausburg (2013) 28 mit Anm. 57. 68 Vgl. schon die von Barwick (1938) 193‒202 gegen Seels Deutung vorgebrachten Argumente. 69 Dieser Satz ist nicht behandelt bei Seel (1935) und Gaertner/Hausburg (2013). Vgl. aber Klotz (1910) 156 und Canali (1965) 130. Letzterer erkennt das Problem, hält aber trotzdem an der Hypothese fest, mit confeci beziehe sich Hirtius auf seine Editionstätigkeit: „… anche se nel periodo successivo della sua lettera Irzio scrive Quos … susceperim scribendos, parlando esplicitamente della propria attività di scrittore, io credo che con confeci abbia semplicemente voluto intendere di aver portato a compimento (e continuato) l’ultimo commentario incompiuto di Cesare, rivendicando sí anche la paternità di scrittore, ma senza intenderla come necessariamente estesa a tutti e tre i bella minori.“

26 | Die epistula ad Balbum und die Textsorte commentarius

dass das Relativpronomen quos auf die gesamten postcaesarischen commentarii verweist.70 So wird aber die Interpretation, der Briefsprecher vermeide das Verb scribere, um die Autorschaft nicht für sich selbst in Anspruch zu nehmen, hinfällig – im Gegenteil reklamiert er die Autorschaft explizit für sich. Dass er fremdes Material als sein eigenes ausgibt, wird gegen Ende der Vorrede (§§ 8–9) sogar noch ein weiteres Mal deutlich: Mihi ne illud quidem accidit, ut Alexandrino atque Africano bello interessem. Quae bella quamquam ex parte nobis Caesaris sermone sunt nota, tamen aliter audimus ea, quae rerum novitate aut admiratione nos capiunt, aliter quae pro testimonio sumus dicturi. Sed ego nimirum dum omnes excusationis causas colligo, ne cum Caesare conferar, hoc ipsum crimen adrogantiae subeo … Ich habe nicht einmal das erlebt, dass ich am Alexandrinischen und Afrikanischen Krieg selbst teilgenommen habe. Diese Kriege sind mir71 zum Teil aus der Erzählung Caesars bekannt, trotzdem nehmen wir doch auf eine Weise Dinge auf, die uns durch ihre Neuheit oder durch Staunen fesseln, und auf eine andere Weise solche, für die wir später bürgen müssen. Aber während ich freilich alle Entschuldigungsgründe zusammensammle, um nicht mit Caesar verglichen zu werden, mache ich mich genau dieses Vorwurfs der Anmaßung schuldig …

In diesem Abschnitt werden die Kriege in Alexandrien und Afrika thematisiert. Ich übergehe erneut das Bell. Alex., da die Autorschaft dieses Textes besonders umstritten ist und Hirtius von Teilen der Forschung als Verfasser angenommen wird.72 Zumindest für das Bell. Afr. darf die Frage nach der Autorschaft aber in diesem einen Punkt als geklärt gelten: Es ist nicht von Hirtius verfasst worden.73 Nun räumt der Briefsprecher selbst ein, dass er – eigentlich – das Bell. Afr. nicht selbst verfassen konnte. Zwar habe ihm Caesar über die Ereignisse berichtet, doch habe er nicht damit gerechnet, eines Tages dafür bürgen zu müssen. Eine luzide und detaillierte Darstellung, wie sie für einen commentarius und für Caesars commentarii sogar in besonderem Maße kennzeichnend ist (verissima scientia consiliorum explicandorum, praef. 7), kann Hirtius also nicht leisten. Folgt man der These, Hirtius habe das Bell. Afr. in seiner heute überlieferten Form herausgegeben, scheint die Aufnahme eines Hinweises auf die Fremdautorschaft an dieser Stelle besonders naheliegend zu sein, und zwar nicht primär aus Gründen der intellektuellen Redlichkeit. Vielmehr steht ohne einen solchen Hinweis die Detailfülle, die das Bell. Afr. bietet,74 in markantem Widerspruch zu der in der epistula formulierten Aussage zu diesem Text, nach der dieser nicht über ein Gedächtnisprotokoll der Gespräche mit Caesar hinausgehen dürfte. Dieser Hinweis, wegen der eigenen Abwesenheit am Feldzug in Afrika einen || 70 Vgl. auch Arnaldi (1953) 307f. 71 Zur Verwendung des pluralis modestiae an dieser Stelle vgl. Braun (1929). 72 Vgl. den forschungsgeschichtlichen Überblick bei Gaertner/Hausburg (2013) 31‒33 mit Anm. 15. 73 Seit Nipperdey (1846) ist dies communis opinio (zitiert in Anm. 55). 74 Vgl. schon Nipperdey (1846) 12 zum Bell. Afr.: „Nam in libro de bello Africano primum res gestae plenius sunt relatae quam aut a Caesare aut ab Hirtio in superioribus commentariis factum est …“.

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Augenzeugen mit der Abfassung beauftragt zu haben, erfolgt jedoch nicht. Der Beginn des nächsten und letzten Satzes der Vorrede verdeutlicht stattdessen, dass das Eingeständnis des Briefsprechers, über die in Alexandrien und Afrika stattgefundenen Feldzüge nur aus Erzählungen Caesars zu wissen, wiederum Teil der Strategie ist, dem Vergleich mit Caesar zu entgehen. So verstanden wird es zur letzten und schwerwiegendsten excusationis causa: Dass das qualitative Niveau der commentarii abfällt, möge das Lesepublikum nicht verwundern! Weit davon entfernt, die Identität möglicher ‚ghost writer‘ zu enthüllen, nutzt der Briefsprecher also die Gelegenheit, um zu begründen, warum ein Vergleich seiner Schriften mit denjenigen Caesars ungerecht wäre. Damit scheint aber in der epistula implizit vorausgesetzt, was nach einhelligem Stand der Forschung gerade nicht der Fall ist, dass nämlich Hirtius das Bell. Afr. selbst verfasst hat.75 Trotzdem bleibt das Szenario, dass Hirtius das Corpus Caesarianum herausgegeben und in dieser Funktion andere Schreiber mit der Abfassung einzelner Teile beauftragt hat, das wahrscheinlichste, auch weil es sich gut mit der erarbeiteten Textsortencharakteristik in Einklang bringen lässt: Bereits Kraus hat beobachtet, dass der commentarius zum Verfassen von Fortsetzungen in besonderem Maße geeignet scheint,76 und anhand der Belegstellen zum commentarius konnte herausgearbeitet werden, dass für diese Textsorte ein ‚Autorenkollektiv‘ als Schreibinstanz nicht ungewöhnlich ist. Auch wenn sich durch die Interpretation der epistula ad Balbum also die These, dass Hirtius von dieser Möglichkeit des ‚arbeitsteiligen Schreibens‘ Gebrauch gemacht hat, nicht plausibilisieren lässt, gewinnt sie an Wahrscheinlichkeit durch die Beobachtung, dass diese Produktionsbedingungen für commentarii zur Zeit des Hirtius ganz und gar nicht ungewöhnlich waren. Auch die Anonymität der von Hirtius beauftragten Verfasser und das Verschweigen der Vielstimmigkeit in der epistula kann mit Verweis auf die Tradition römischer commentarii besser erklärt werden als allein durch den Rekurs auf andere Maßstäbe in Bezug auf das Konzept des geistigen Eigentums. Einerseits gibt es, anders als in der literarischen Pseudepigraphie, zu der die postcaesarischen Schriften nicht zu rechnen sind,77 gerade in der Textsorte des commentarius Fälle von absichtsvollen Fälschungen, bei denen die Frage nach ihrer Authentizität schon in der Antike hoch relevant ist.78 Verwiesen sei in diesem Zusammenhang nur auf die Philippischen Reden, in denen Cicero M. Antonius wiederholt bezichtigt, gefälschte commentarii (falsi commentarii) aus Caesars Nachlass in Umlauf gebracht zu ha|| 75 Nicht überzeugend Seel (1935) 95 (dagegen schon richtig Barwick 1938, 201f.). Vgl. hierzu auch Olivier (1937) 97f. 76 Vgl. Kraus (2005) 107f. (zitiert in Anm. 45). 77 Hierzu gleich (Abschn. 2.4.2) ausführlich. 78 Für die ‚echte‘ Pseudepigraphie stellt Peirano (2012) 45 fest: „While modern critics often use the term ‘forgery’ to describe Roman fakes, extant ancient specimens of Echtheitskritik do not suggest that fraud and imposture were paradigms often invoked in framing literary fakes.“

28 | Die epistula ad Balbum und die Textsorte commentarius

ben.79 Ein zu unbedarfter Umgang mit fremden commentarii ist grundsätzlich also durchaus nicht unproblematisch.80 Ein Hinweis auf Fremdautorschaft ist andererseits dann verzichtbar, wenn die Verfasser der postcaesarischen Schriften nicht nur im Auftrag von Hirtius, sondern auch in Vertretung für ihren Auftraggeber arbeiten.81 Wie gesehen, ist nicht selten das Verhältnis zwischen Auftraggeber und Verfasser von commentarii weniger ein gleichberechtigtes als ein hierarchisches, etwa zwischen einem magistratus und seinen Bediensteten a commentariis, und allein aus diesem Grund könnte eine Nennung der Auftragsschreiber unterblieben sein.82 An dieser Stelle lässt sich nochmals an den ersten Brief des M. Caelius an Cicero erinnern: Auch hier wird die Identität desjenigen Untergebenen, der für Cicero die commentarii rerum urbanarum zusammenstellt, zu keinem Zeitpunkt enthüllt. Caelius sagt schlicht: hunc laborem alteri delegavi (fam. 8,1). Mit diesem zusätzlichen Argument gelingt es, der Hypothese, in Hirtius den verantwortlichen Herausgeber des Corpus Caesarianum anzunehmen, zusätzliche Wahrscheinlichkeit zu verleihen: Hirtius hat nach dieser Rekonstruktion von Anfang an für diejenigen Feldzüge, an denen er persönlich nicht beteiligt war, commentarii angefordert. Er selbst verfasst das achte Buch des Bell. Gall., fügt die anderen Auftragsschriften zusammen und erhält so die angestrebte Gesamtdarstellung von Caesars Kriegen. Als praefatio für alle folgenden Bücher (einschließlich des caesarischen Bell. civ.) stellt er vor das erste nicht-caesarische Buch, nämlich sein eigenes, die epistula ad Balbum.

|| 79 Cic. Phil. 2,35: quaestuosissima est falsorum commentariorum et chirographorum officina; vgl. auch Phil. 1,2; 2,43; 2,97; 5,11 und Peirano (2012) 43f. 80 Vgl. auch Anm. 46. 81 Zu einem ähnlichen Ergebnis, wenngleich auf anderem Weg, gelangt Rüpke (1992) 224f., wenn er die Anonymität der Verfasser über die Charakterisierung der postcaesarischen Schriften als „Parteiliteratur“ erklärt, als eines „Sitzes im Leben“, der die Individualität der einzelnen Autoren hinter dem gemeinsamen Darstellungszweck zurücktreten lasse (ähnlich Pecere 2003, 197). Dass die postcaesarischen Schriften tatsächlich als Parteiliteratur zu deuten sind, leitet Rüpke überzeugend aus der Verwendung des Pronomens noster ab (223), das schon in Hirtius’ praefatio dazu dient, den inneren Zirkel Caesars zu bezeichnen. Vgl. hierzu auch die obigen Ausführungen zu praef. 6‒7. 82 Petersdorff (1880) 216 verwendet hierfür den treffenden Begriff der „mittelbare[n] Autorschaft“. Vgl. zu diesem Punkt auch Hall (1996) 412f. und W. Spickermann, s. v. Pseudepigraphie I, DNP 10, 2001, 509–510, hier 510: „Kanzleiarbeiten galten offiziell als Werk des jeweiligen Herrschers oder Papstes (Ghostwriter).“ Schmittlein (1970) 194f. äußert gar die Hypothese, dass sich die dritte Person in Caesars commentarii daraus erkläre, dass Caesar auf Berichte seiner commentarienses zurückgegriffen habe, die von Caesar in der dritten Person gesprochen hätten.

Konsequenzen für die Lektüre der vier postcaesarischen Schriften | 29

2.4.2

Das Corpus Caesarianum und die Pseudepigraphie

Aus dieser Rekonstruktion ergeben sich Implikationen für die Lektüre der postcaesarischen Schriften und der Vorrede selbst: Einerseits deutet die Platzierung der epistula im Corpus an, dass nicht mehr zwischen Caesars superiora und insequentia scripta unterschieden werden soll – sie steht „inmitten der Schriften Caesars“ (mediis … Caesaris scriptis, Gall. 8 praef. 4). Dies ist im Kontext des Streits in Rom um die Bedeutung und Beurteilung der Person Caesar unmittelbar nach dessen Tod nicht uninteressant und wird sich bei der Analyse der einzelnen Texte wiederholt bestätigen.83 Das Bell. Gall. war zu dieser Zeit bereits publiziert – ‚Cicero‘ und ‚Brutus‘ konnten sich 46 v. Chr. schon darüber unterhalten ‒,84 das Bell. civ. hingegen nicht oder zumindest nicht im Rahmen einer Gesamtdarstellung.85 Eine naheliegende Funktion der hirtianischen Gesamtausgabe liegt also darin, Caesars Handeln in die Perspektive des kontinuierlichen Strebens nach Wohl für das römische Volk zu stellen. In dieser Perspektive sind Gallischer Krieg und Bürgerkrieg nicht mehr voneinander zu trennen, sondern Teil einer einzigen Kampagne zu Gunsten Roms. Angesichts dieser Voraussetzungen ist es nachvollziehbar, dass sich die Bezeichnung ‚Pseudo-Caesar‘ für die Verfasser von Bell. Alex., Bell. Afr. und Bell. Hisp. eingebürgert hat: Die Schriften sind als Vervollständigung des caesarischen opus gedacht und übernehmen in ihrer Funktion als Fortsetzungen unter anderem den thematischen Fokus auf Krieg und Militär sowie eine in der Tendenz pro-caesarische Auslegung der dargestellten Ereignisse.86 Wie oben gezeigt, bringt der Anschluss an die Textsortentradition andererseits jedoch große gestalterische Freiheiten mit sich: Ein commentarius kann ein reines Notizbuch sein, das mehr oder weniger ungeordnet Wichtiges und Unwichtiges verzeichnet, ohne die Informationen qualitativ zu unterscheiden, sie zu gliedern oder auszuschmücken; einige Passagen in den postcaesarischen Schriften lassen sich so charakterisieren.87 Allerdings muss ein commentarius sich nicht darauf beschränken. Im Gegenteil besteht – und dies wohl nicht erst seit Cicero und Caesar – die Möglichkeit, über eine reine Faktensammlung hinauszugehen und einen commentarius zu ‚historiographisieren‘. Mögliche Vorbilder, die hierbei sowohl stilistisch als auch motivisch als Orientierung gedient haben könnten, haben in jüngerer

|| 83 Vgl. z. B. Kap. 4.4 oder 7.3.3. 84 Vermutlich waren 46 v. Chr. nur die Bücher über den Gallischen Krieg publiziert. Dass diese Edition des Bell. Gall. nicht von Caesar selbst veranlasst wurde, sondern durch einen anonymen Herausgeber erfolgte, wird von Lieberg (2008) vertreten. Diese These wird nicht weiter verfolgt, weil Lieberg nicht erklärt, wie eine Edition ohne Caesars Autorisierung hätte stattfinden können (vgl. ebd, 109f.). 85 Vgl. Gaertner/Hausburg (2013) 18f.; Raaflaub (2017b) 209. 86 Vgl. auch Speyer (1971) 43. 87 Vgl. Kap. 6.2.3 oder 7.2.2.

30 | Die epistula ad Balbum und die Textsorte commentarius

Zeit Gaertner für das Bell. Hisp. sowie Gaertner und Hausburg für das Bell. Alex. ausgemacht, und dabei für das Bell. Hisp. sprachliche Parallelen mit Geschichtswerken der späteren Annalistik, für das Bell. Alex. die Rezeption thukydideischer Geschichtsschreibung nachweisen können.88 Kleine Burhoff et al. zeigen, wie im Bell. Hisp. die Topographie Hispaniens als Topos römischer Geschichtsschreibung instrumentalisiert wird, um daran eine bestimmte Wirkungsabsicht zu knüpfen.89 Somit ist klar, dass die Texte nicht nur im Hinblick auf Sprache und Stilistik variieren, sondern auch im Hinblick auf die erzählerische Vermittlung des Dargestellten und die damit verbundene Textintention. Die vorliegende Studie wird diese Beobachtungen fortführen und weiter vertiefen. Denn es steht zu erwarten, dass sich angesichts der geringen Beschränkungen, die die Textsorte vorgibt, den Autoren der vier Supplemente eine breite Palette von Möglichkeiten eröffnet hat, um mit ihren je eigenen Zielsetzungen dem caesarischen Werk ihr eigenes Buch hinzuzufügen. Genau diese Palette soll mit diesem Buch offengelegt werden. Gerade vor diesem Hintergrund ist nun die konventionelle Bezeichnung ‚Pseudo-Caesar‘ für die nicht-caesarischen Texte im Corpus Caesarianum problematisch. Sie suggeriert, dass es sich bei ihnen um Imitationsversuche der caesarischen commentarii handelt. Dabei darf nicht vorausgesetzt werden, dass ihre Verfasser Caesars Stil und seine historiographische Methode als für ihr Schreiben verpflichtende Norm anerkannten. Auf das Gegenteil deutet zumindest die epistula ad Balbum, in der der Briefsprecher, indem er die caesarischen commentarii als einzigartig und unübertrefflich lobt, das Lesepublikum in gewisser Weise bereits auf die heterogenen Texte vorbereitet, die das Corpus Caesarianum tatsächlich enthält. Schon gar nicht gehören die nicht-caesarischen commentarii zu jenem Typus der Pseudepigraphie, für die eine ‚Täuschungsabsicht‘ kennzeichnend ist, Texte also, deren unbekannte Verfasser sich für ihr berühmtes Vorbild auszugeben suchen.90 Ein solcher PseudoCaesar wäre etwa jener Interpolator, der im sechsten Buch des Bell. Gall. (25–28) die berühmte Hercynia-silva-Episode eingefügt haben soll.91 Die ‚Pseudo-Caesaren‘, deren Schriften hier Gegenstand sind, sind damit nicht zu vergleichen. Diese Bedenken geben den Ausschlag dazu, auf das Attribut ‚ps.-caesarisch‘ in diesem Buch zugunsten von ‚postcaesarisch‘ oder ‚nicht-caesarisch‘ zu verzichten. Auf der anderen Seite wäre es vorschnell, allein aufgrund der beschriebenen Differenzen zu postulieren, dass die narrativen Techniken der kreativen Aneignung

|| 88 Vgl. Gaertner (2010); Gaertner/Hausburg (2013) 122‒154. 89 Vgl. kleine Burhoff et al. (2017). 90 Solche absichtsvollen literarischen Fälschungen untersucht Peirano (2012) (vgl. jetzt auch Kofler/Novokhato 2017). Auch sie schließt die postcaesarischen Schriften aus ihrem Textcorpus aus (vgl. ebd., 4). Auch bei Speyer (1971) 43 firmiert das Corpus Caesarianum in der Rubrik „Pseudepigraphie außerhalb der Fälschung – besondere Fälle“. 91 Die Bezeichnung Pseudo-Caesar für den Interpolator findet sich bei Henke (1998) 134 u. ö. Die Echtheit des Abschnitts wird bis heute diskutiert, vgl. zuletzt Allen-Hornblower (2014).

Konsequenzen für die Lektüre der vier postcaesarischen Schriften | 31

berühmter Klassiker, die etwa Peirano an den Texten der Appendix Vergiliana untersucht hat, für die Supplemente im Corpus Caesarianum keinerlei Relevanz hätten. Allerdings steht zu erwarten, dass eine Untersuchung auf solche Techniken abhängig von den einzelnen Texten im Corpus Caesarianum unterschiedlich ertragreich ausfallen würde. Während eine Betrachtung des Bell. Hisp. oder auch einzelner Teile des Bell. Alex. unter dieser Fragestellung nur begrenzten Erfolg verspricht, kommt beim hirtianischen Bell. Gall. 8 auch diese Studie ohne einen Blick auf Caesars commentarii – und damit auf die Frage, inwiefern in diesem Text Caesar und sein Werk selbst kommentiert wird – nicht aus. Der Erzähler gerade dieses Textes setzt nämlich, wie wir sehen werden, die Kenntnis des Bell. Gall. wiederholt beim Lesepublikum voraus. Dies ist kaum ein Zufall und wird angesichts der hier vorgelegten Interpretation der epistula ad Balbum nicht verwundern. Denn die Vermutung liegt nahe, dass Hirtius selbst, in seiner Funktion als Herausgeber des Corpus, ein großes, möglicherweise sogar das größte Interesse aller beteiligten Autoren im Corpus Caesarianum an einem nahtlosen Anschluss an Caesar hatte.

3 Narratologische Grundlagen 3.1 Vorbemerkung Die Narratologie ist eine literaturwissenschaftliche Disziplin, die mittlerweile über eine stolze Tradition verfügt. Eine ihrer größten Leistungen besteht in der innovierenden Kraft, die sie auf die literaturwissenschaftliche Terminologie und Begriffsbildung ausgeübt hat. In der konsequenten Unterscheidung zwischen histoire und discours, also zwischen dem Inhalt (dem ‚Was‘) und den Gestaltungsprinzipien (dem ‚Wie‘) eines Textes, gelingt es mit Hilfe narratologischer Kategorien, die Textanalyse stärker zu systematisieren und Texteigenschaften trennscharf zu klassifizieren. Gleichzeitig bleibt eine narratologische Analyse nicht ohne Folgen für die Textinterpretation: Erkennt man beispielsweise in den caesarischen commentarii, dass eine Textpassage intern fokalisiert ist, wird sich sofort die Frage nach der Funktion dieser internen Fokalisierung anschließen, die etwa darin bestehen könnte, die Perspektive des Gegners auf die beschriebenen Ereignisse aus dem Text auszuschließen.1 Damit ist aber gleichzeitig eine weitere Stärke der Narratologie benannt: Weil sie Hilfsmittel für die konkrete Textanalyse liefert, hat sie die literaturwissenschaftliche Praxis nachhaltig verändert.2 In ihrem Anspruch auf Universalität, das heißt in ihrem Bestreben, zumindest jeden beliebigen fiktionalen Text mit den gleichen Kategorien beschreibbar zu machen, offenbart sich jedoch der teilweise ostentativ ahistorische Charakter der klassischen, synchron arbeitenden Narratologie – und damit zugleich ihr blinder Fleck.3 Wenn, um ein Beispiel zu geben, bei Genette so grundsätzlich unterschiedliche Texte wie Homers Odyssee, die Geschichten aus 1001 Nacht und Marcel Prousts A la recherche du temps perdu Gegenstand desselben Erklärungsmodells sind, das die

|| 1 Vgl. Görler (1976) 104 zur Funktion interner Fokalisierung (bzw. „‚personale[r] Innensicht‘“, 101) im ersten Buch des Bell. Gall. Dieser Schritt, der in der Praxis nahezu selbstverständlich gemacht wird (vgl. den programmatischen Titel des Sammelbandes Grethlein/Rengakos (2009), „Narratology and Interpretation“), geht über die Zielsetzung Genettes, lediglich den discours von Erzähltexten zu beschreiben, weit hinaus. Im Gegenteil kritisiert Genette (2010) 268–270 explizit die Verknüpfung von Analyse und Interpretation, d. h. die Vermischung der Ebenen discours und histoire. Vgl. ferner Grethlein (2010) 25. 2 In diesem Sinne bewirbt schon der Klappentext die deutsche Ausgabe der Erzähltheorie Genettes. Es handle sich bei diesem Werk um eine „hochgradig ‚praktikable‘ Theorie“, es sei „insofern ein ‚Studienbuch‘ im besten Sinne des Wortes“. 3 Spätestens seit Ende des letzten Jahrhunderts hat die Narratologie als Disziplin eine starke Ausdifferenzierung und Spezialisierung erfahren (vgl. Nünning 2000, 351f.). Im Zuge dessen geriet verstärkt auch die bis dahin vernachlässigte historische Bedingtheit von Erzählen in den Blick, vgl. grundlegend z. B. Fludernik (2003). https://doi.org/10.1515/9783110711530-003

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Möglichkeiten der Verortung des Erzählers im Erzähluniversum beschreibt,4 so ist klar, dass die Erzähler der genannten Werke sich nur unter der Voraussetzung sinnvoll vergleichen lassen, dass die historisch-kulturelle Dimension der Produktion und Rezeption strikt ausgeblendet wird.5 Aus diesen Rahmenbedingungen ergibt sich für mein Arbeitsvorhaben eine Voraussetzung: Zu überprüfen, ob die vornehmlich am modernen Roman entwickelte Terminologie für die Analyse des Corpus Caesarianum überhaupt fruchtbar gemacht werden kann.6 Diese Problemstellung ist freilich nicht gänzlich neu, sondern ein Spezifikum narratologischer Arbeiten nicht zuletzt aus der klassischen Philologie.7 Zur Lösung scheint es mir, wie de Jong gezeigt hat,8 nicht erforderlich zu sein, eine gänzlich neue Terminologie zu erarbeiten. Vielmehr geht es darum, die schon vorhandenen Begrifflichkeiten so zu definieren, dass eine einheitliche Verwendung gewährleistet ist. Daher sollen im Folgenden zunächst einige Probleme, die sich bei der Übertragung des narratologischen Begriffsinstrumentariums auf die Texte im Corpus Caesarianum ergeben, thesenartig diskutiert werden.

3.2 Stimme 3.2.1 Fiktionaler oder faktualer Text? Prämisse: Alle im Corpus Caesarianum enthaltenen Schriften sind faktuale Texte. Gegen die eindeutige Klassifizierung der Texte im Corpus als faktuale Texte ließe sich mit Pausch der Sonderstatus der antiken Historiographie anführen, die „weder der rein fiktionalen Literatur noch der ausschließlich faktualen Wissensvermittlung || 4 S. Genette (2010) 162. 5 Zur Kritik an Genettes Modell vgl. Walsh (2010) bes. 37–41. Auch die Narratologie de Jongs (2014) behält die synchrone Perspektive bei, weil sie bei der Besprechung der einzelnen narratologischen Kategorien stets antike und moderne Texte kontrastiert. 6 Pausch (2011) 9f. und 140f. sowie de Jong (2014) 170–172 etwa legitimieren den Einsatz der Narratologie bei der Analyse antiker historiographischer Texte, indem sie auf die Verwandtschaft von Geschichtsschreibung und Epos hinweisen. Zumindest für die Analyse der nicht-caesarischen Schriften, bei denen es sich nicht um regelrechte historia, sondern um commentarii handelt, scheint mir diese Begründung nicht ausreichend. Auch Rüpke (2015) 46–54 problematisiert die Verwendung narratologischer Terminologie nicht. 7 Die historische Narratologie erklärt allerdings schon Genette selbst zum Forschungsdesiderat, wenn auch nur in einem Teilgebiet, der Perspektive bzw. der Fokalisierung (Genette 2010, 215). Für einen Überblick über narratologisch inspirierte Arbeiten zu antiken historiographischen Texten vgl. Tsitsiou-Chelidoni (2009) 529 Anm. 9. Für die Notwendigkeit einer Anpassung des narratologischen Instrumentariums an die Besonderheiten der antiken Geschichtsschreibung vgl. Pausch (2011) 9–12. 8 De Jongs Narratologie (de Jong 2014) zeigt sich insbesondere von Gérard Genette und Mieke Bal beeinflusst.

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angehört“.9 Dies scheint zwar unmittelbar nachvollziehbar zu sein, bedenkt man die grundlegend andere Auffassung von Zweck und Methode der antiken Historiographie.10 In diesem Zusammenhang ist allerdings auf die begriffliche Unterscheidung der beiden Adjektive fiktiv und fiktional hinzuweisen. Ersteres bezeichnet das in einem Text Dargestellte, das nicht real, sondern erfunden ist. Letzteres hingegen kategorisiert einen Text insgesamt, nicht dessen Inhalt.11 Was aber zeichnet einen fiktionalen Text gegenüber einem nicht fiktionalen, d. h. faktualen Text aus? Aus der intensiven Diskussion in dieser Frage in den letzten Jahrzehnten hat sich als communis opinio die Auffassung durchgesetzt, dass sich Fiktionalität zumindest zu einem Teil auf der Ebene der Textpragmatik konstituiert.12 Als kennzeichnend für die Rezeption eines fiktionalen Textes gilt in diesem Sinn die Indifferenz gegenüber dem Realitätsbezug der im Text getätigten Aussagen. Diese Lizenz besteht für faktuale Texte nicht, da diese in der Regel auf die reale Welt referieren.13 Aus dieser Indifferenz erklärt sich auch, dass fiktive Figuren oder Ereignisse in fiktionalen Texten besonders häufig Gegenstand der Darstellung sind. Gleichwohl bleiben Fiktivität und Fiktionalität zwei klar voneinander unterscheidbare Kategorien: Ob nämlich fiktive Elemente in einem Text tatsächlich dazu führen, dass dieser auch als fiktional rezipiert wird, hängt entscheidend von kulturspezifischen Konventionen ab.14 Dieser Punkt führt zurück zur antiken Geschichtsschreibung: Hier führen fiktive Elemente (z. B. erfundene Feldherrnreden) offenbar nicht zwangsläufig zu einer Infragestellung des faktualen Status,15 obwohl bereits antike Kritiker wie Thukydi-

|| 9 Pausch (2011) 9. Ähnlich, ebenfalls im Hinblick auf Livius, Tsitsiou-Chelidoni (2009) 528f. Besonders aufschlussreich im Licht der folgenden Ausführungen Ludwig (2014) 23 Anm. 97: „Auch antike Geschichtsschreibung verwendet narrative Techniken, die sie in die Nähe der Fiktionalität bringen, ganz abgesehen von ihrem bisweilen umstrittenen Wahrheitsgehalt.“ 10 Vgl. z. B. Nicolai (2007); Rüpke (2015) 32–40. 11 Die Begriffe verwende ich in der Differenzierung, wie sie z. B. von Schmid (2008) 26 ~ (2010) 21f. vorgeschlagen wurde. Ähnlich differenziert Zipfel (2001), in Übertragung der narratologischen Unterscheidung von histoire und discours, zwischen „Fiktion im Zusammenhang der Geschichte“ und „Fiktion im Zusammenhang des Erzählens“. 12 Die Frage nach den charakteristischen Eigenschaften eines fiktionalen Textes ist bis heute Gegenstand einer intensiven Debatte, die hier nicht nachgezeichnet werden kann (einführend z. B. Schmid 2008, 26–42 ~ 2010, 21–33; Klein/Martínez 2009, 1–4; Klauk/Köppe 2014, 14–19; Fludernik 2015, 115f.). Dass hier der pragmatische Zugriff präferiert wird, bedeutet nicht, dass es keinerlei semantische Fiktionalitätssignale (‚signposts of fictionality‘, Cohn 1990) geben kann. 13 Vgl. Kablitz (2013) 214–219; Kerl (2014) 27–61; Klauk/Köppe (2014). – Der Zusatz ‚in der Regel‘ trägt dem Umstand Rechnung, dass auch faktuale Texte nicht frei von Fiktivität sind (z. B. in Form von Gedankenspielen), vgl. Klein/Martínez (2009) 7. 14 Den Rezipienten ist also nicht freigestellt, ob sie einen Text als fiktional oder faktual rezipieren wollen. Vielmehr führt erst das Wissen um die entsprechenden Konventionen zu einer angemessenen Rezeptionshaltung. Vgl. grundlegend Searle (1982) 88f. 15 Zur Bedeutung des Wahrheitsanspruchs antiker Historiographie vgl. grundlegend Marincola (1997) 3–12. Eine Möglichkeit, die Alterität der antiken Geschichtsschreibung terminologisch zu

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des genauso wie die moderne Quellenforschung an der Fabulierlust der Historiographen nicht selten Anstoß genommen, anders gesagt: die hohe Verbreitung eindeutig fiktiver Elemente als einem faktualen Text bisweilen unangemessen empfunden haben.16 Das Beispiel zeigt, dass Fiktionalität, zumal in antiken Texten, nicht zuverlässig allein durch Textanalyse diagnostiziert werden kann, weil ein hoher Grad an Fiktivität in einem Text nicht automatisch impliziert, dass es sich bei diesem um einen fiktionalen Text handelt.17 Nun gibt es in der Antike kein Äquivalent zum modernen Konzept der Fiktionalität.18 Zwar darf man sicher davon ausgehen, dass Fiktionalität als Kulturtechnik existiert und implizit funktioniert hat, weil ohne sie beispielsweise die ‚korrekte‘ Rezeption von Bühnenstücken nicht vorstellbar wäre. Doch sind Zeugnisse expliziten Fiktionalitätsbewusstseins rar gesät.19 So differenziert die römische Rhetoriktheorie beispielsweise, wenn sie im Bereich der narratio zwischen fabula, historia und argumentum unterscheidet, gerade nicht zwischen Faktualität und Fiktionalität, sondern zunächst einmal zwischen drei verschiedenen Graden an Fiktivität.20 Hinzu kommt noch, dass sich auch wegen spärlicher zeitgenössischer Rezeptionszeugnisse die Konventionen, die dafür sorgen, dass ein Text als fiktional rezipiert wird, || fassen, bietet z. B. Grethlein (2010) 35–37 mit dem Begriff der „narrativen Referenz“. Meine eigene Rede von der „fiktionalen Markierung“ einer Episode bei Livius (Müller 2014) muss man in der Rückschau hingegen als terminologisch falsch bezeichnen; vielmehr wird das in der Episode Dargestellte als potentiell fiktiv markiert. 16 Die antike Geschichtsschreibung kann also auf ein breites Repertoire an Erzählmitteln zurückgreifen, insbesondere auch auf solche, die heutzutage allein dem fiktionalen Text vorbehalten wären. Insofern scheint auch die breit rezipierte Festlegung Fluderniks, die Geschichtsschreibung verfüge nicht über Narrativität („narrativity“), weil sie keine Erfahrungshaftigkeit („experientiality“) vermittle (z. B. in Fludernik 2001, 93), nicht sinnvoll auf die antike Geschichtsschreibung übertragbar. Fludernik selbst schränkt diese These später ein (Fludernik 2010, 50). Vgl. auch Grethlein (2010) 31. 17 Nur die Ausblendung der pragmatischen Dimension ermöglicht es Ludwig (2014) 21–24, Lukans Bellum civile als unzweideutig fiktionalen Text zu kategorisieren. 18 Zur Fiktionalität in der Antike vgl. grundlegend Rösler (1980) und (2014), Hose (1996), Kerl (2014) 67–82, Zimmermann (2015) und Feddern (2018). Fuchs (1993) 201 ist sich des problematischen Begriffs bewusst und stellt daher explizit klar, dass sie bei der Verwendung des Begriffs ‚fiktional‘ für Texte kein „Urteil über ihren Anspruch und ihre Rezeption“ abgeben will. (Sie verwendet den Begriff vielmehr i. S. v. ‚fiktiv‘). Bei dieser Gelegenheit ist darauf hinzuweisen, dass die Rede von ‚der Antike‘ nicht unproblematisch ist. So müsste wohl eine Theorie der Fiktionalität in der Antike – soweit möglich – nicht nur diachron und diatopisch, sondern vor allem auch diastratisch differenzieren: Gehören der gebildete Intellektuelle in Rom und der Minenarbeiter in Hispanien derselben Interpretationsgemeinschaft an? 19 Für den Unterschied zwischen implizitem Funktionieren der Fiktionalität und expliziter Reflexion hierüber vgl. Kerl (2014) 63f. mit Anm. 82. 20 Rhet. ad Herenn. 1,13; Cic. inv. 1,27. Schon Keuck (1934) 17 spricht treffend von einer Einteilung „secundum gradum veritatis“. Wie sich aus dieser Dreiteilung Ansätze eines Bewusstseins für Fiktionalität ableiten lassen, zeigt Hose (1996).

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meist nur schwer rekonstruieren lassen.21 Dabei zeigt sich nicht nur bei historiographischen Texten immer wieder, dass eine vorschnelle Übertragung moderner Lesegewohnheiten auf die Antike gefährlich ist.22 Gerade die Differenzierung zwischen fiktionalem und faktualem Text ist aber für die Narratologie fundamental.23 Welche Konsequenzen lassen sich aus diesen Rahmenbedingungen für die narratologische Analyse von Texten aus dem Corpus Caesarianum ziehen? Erstens: Für ein solches Vorhaben ist der Grad an Fiktivität in den Texten (und damit auch die Frage nach der Eignung der Texte als Quellen für die Geschichtswissenschaft) nachrangig: Fiktivität manifestiert sich auf der Ebene der histoire, welche – zumindest in „diskursorientierten“ Narratologien wie derjenigen Genettes und de Jongs24 – strenggenommen nicht Gegenstand narratologischer Untersuchungen ist.25 Zweitens: Zwar bereitet der Nachweis fiktionaler Lektüren der klassischen Philologie oft Schwierigkeiten (und dies gilt vice versa auch für faktuale Lektüren). Allerdings lässt sich gut belegen, dass die sachliche Richtigkeit der in diesen Texten behandelten Inhalte ein relevantes Kriterium zu ihrer Beurteilung dargestellt hat. Wie im vorigen Kapitel gezeigt, wird gerade in der epistula ad Balbum als Ziel der commentarii Caesars Wunsch bestimmt, zukünftigen Historikern die Faktenbasis für ihre Geschichtsdarstellung zur Verfügung zu stellen. Dadurch, dass der Briefspre|| 21 Jetzt neu (und weniger pessimistisch) hierzu Feddern (2018) 429–548. Anhand der unter der Überschrift „Fiktionalität im Zusammenhang der gesamten Sprachhandlungssituation“ versammelten Texte zeigt Feddern überzeugend, dass bereits in der Antike teilweise kulturspezifische Konventionen für die Rezeption fiktionaler Texte etabliert waren. Allerdings muss die Frage offenbleiben, inwiefern das auf diese Weise nachgewiesene Fiktionalitätsverständnis allgemeingültig war (vgl. das caveat in Anm. 18). 22 Ein Beispiel für die überraschende Klassifizierung eines Textes als faktual ist die Rezeption von Apuleius’ Metamorphosen bei Augustinus (civ. 18,18); siehe hierzu Hunink (2003) 86–88 und Whitmarsh (2013). 23 Vgl. dazu etwa die Beiträge im Sammelband Faktuales und fiktionales Erzählen. Interdisziplinäre Perspektiven, hrsg. v. M. Fludernik/N. Falkenhayner/J. Steiner, Würzburg 2015. Vgl. auch Bareis (2008) 119: „Die Klärung der Frage nach der Fiktionalität erweist sich dadurch als unabdingbare Voraussetzung jeder weitergehenden narratologischen Fragestellung, weil fiktionale Erzählungen gewisse Freiräume eröffnen, die der nicht-fiktionalen Erzählung verschlossen bleiben.“ Nochmals sei aber betont, dass diese Freiräume keine transkulturell gültigen Konstanten darstellen. 24 Zur Unterscheidung diskursorientierter von ereignisorientierter Erzähltheorie vgl. Bareis (2008) 126 Anm. 365 und 125–132. 25 Aus diesem Grund kann man die Eignung der Narratologie als Analyseinstrumentarium für antike historiographische Texte nicht mit der Ähnlichkeit zu fiktionalen Texten begründen, die diese im Hinblick auf ihren hohen Grad an Fiktivität aufweisen mögen. Schon Hornblower (1994) 133f. stellt zu Recht fest, dass eine narratologische Analyse keinerlei Aussage über den Grad an Fiktivität macht: „By examining the techniques of historical presentation we do not necessarily imply that the subject-matter of that presentation is true or false.“ Vielmehr ist der Nachweis erforderlich, dass sich antike Historiographie und fiktionaler Text auf der Ebene des discours ähneln (so auch der Zugriff de Jongs 2014, 167–172). Zur Vermischung von discours und histoire vgl. aber oben, Anm. 1.

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cher den Aspekt der Wissensvermittlung als Ziel Caesars ausgibt, rückt er die commentarii in die Nähe der Fachschriftstellerei. Eine Lizenz zu fiktionaler Lektüre wird auf diese Weise explizit ausgeschlossen, der Text fordert vielmehr eine faktuale Rezeptionshaltung ein.26 Drittens: Diese Klassifizierung bleibt nicht ohne Folgen für die narratologische Analyse, wo immer sie textexterne Instanzen, wie die Instanz des empirischen Autors im faktualen Text, einbezieht. Die folgenden Überlegungen beziehen sich daher auf die Kategorie der Stimme bzw. auf die Frage ‚Wer spricht im faktualen Text?‘.

3.2.2 Autor oder Erzähler? Prämisse: Die narrative Instanz der Stimme in den postcaesarischen Schriften lässt sich als Erzähler bezeichnen. Diese Definition erscheint auf den ersten Blick kontrovers. Denn aus der Klassifizierung der Texte im Corpus Caesarianum als faktual scheint notwendig zu folgen, dass es in ihnen keinen Erzähler gibt, der vom Autor dissoziiert werden kann. Die narratologische Begründung liefert Genette: 27 „Mir scheint, daß ihre strenge Identität (A = N), soweit man sie feststellen kann, die faktuale Erzählung definiert – diejenige, in der … der Autor die volle Verantwortung für die Behauptungen seiner Erzählung übernimmt und infolgedessen keinem Erzähler irgendeine Autonomie zubilligt.“28

Ausgehend von dieser Überlegung leitet Genette schließlich folgende Schlussfolgerung ab: „[W]enn A = N, exit N, denn es ist ganz einfach der Autor, der erzählt.“29

Gegen diese Argumentation ist Widerspruch erhoben worden.30 Den Einwänden gegen Genettes Formel ist ein Unbehagen gemeinsam, in biographistischer Manier

|| 26 Vgl. Kap. 2.3.2. Zur Autor-persona in Fach- und Wissenschaftstexten vgl. Fuhrer (2012), hier: 130f. 27 In der folgenden Argumentation nutze ich die von Genette eingeführten und in der deutschen Übersetzung beibehaltenen Kürzel für Autor (A), Erzähler (N, von narrateur) und Figur im Text (P, von personnage). 28 Genette (1992) 80. Die hier gegebene Definition faktualer (und, ex negativo, fiktionaler) Erzählung unterscheidet sich von derjenigen, die Genette im Neuen Diskurs der Erzählung (Genette ³2010 = 1983, 181f.) vorgeschlagen hatte. Auf letztere kann hier nicht eingegangen werden; für Kritik s. Bareis (2008) 129f. 29 Genette (1992) 88.

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die Aussagen des Autors im historiographischen Text als Manifestation seiner eigenen Überzeugungen zu interpretieren. Dieses Unbehagen ist – gerade in der Beschäftigung mit den postcaesarischen Schriften – unbedingt ernst zu nehmen. Allzu oft wurden aus dem Verhalten der Erzählinstanz Rückschlüsse auf die Persönlichkeit der unbekannten Autoren gezogen.31 Ist Genettes Formel also strikt abzulehnen? Ähnlich wie im vorigen Kapitel stiftet meines Erachtens die Unschärfe eines zentralen Begriffs Verwirrung, nämlich der Begriff des Erzählers. Es werden mindestens zwei konkurrierende Konzeptionen des Erzählers vertreten, die man, um sie voneinander zu unterscheiden, ‚Erzähler im engeren Sinn‘ sowie ‚Erzähler im weiteren Sinn‘ nennen könnte.32 Im ersten Fall ist der Erzähler als narrative Instanz tatsächlich fiktionalen Texten vorbehalten. So ergibt sich das Modell eines ‚Erzählers i. e. S.‘ als Konsequenz aus der Einsicht, dass der Autor in fiktionalen Texten kraft Konvention dazu ermächtigt ist, nach seinem Belieben auch über fiktive Figuren oder Ereignisse zu erzählen (oder richtiger: erzählen zu lassen), ohne dass dies auf Rezipientenseite zum Vorwurf der ‚Lüge‘ führt. Der Autor im fiktionalen Text ist selbst folglich „stimmlos“33 und überträgt einer anderen narrativen Instanz diese Funktion – dem fiktiven Erzähler.34 Dieser bleibt manchmal anonym, in anderen Fällen besitzt er eine eigene (fiktive) Identität und ist selbst Teil der Geschichte, die er erzählt. In jedem Fall ist es jedoch die Fiktionalität des Textes, die ausschlaggebend ist, statt des Autors einen Erzähler als Stimme im Text anzunehmen,35 weil sich in faktualen Texten kein fiktiver Erzähler präsentiert. Im Gegenteil hat hier der em-

|| 30 De Jong (2004): „Equating the figure which, say, Herodotus projects of himself in his Histories with the real Herodotus … seems a dangerously naïve thing to do.“ (s. auch de Jong 2014, 167–172, bes. 171). Zustimmend hingegen Jaeger (2002) 246. 31 Vgl. z. B. Schneider (1905) VIII zum Autor des Bell. Afr.: „Aber nur der Name fehlt uns, die Persönlichkeit des Autors spricht sich in seinem Buche klar genug aus.“ 32 Köppe/Stühring (2011) 64 unterschieden in diesem Sinne einen „‘narrator’ in the weak sense“ und einen „‘narrator’ in the strong sense“. 33 Ich verwende den Begriff nach Cohn (1995) 111, um die wohlbekannte Junktur des ‚nicht ernsthaften Sprechakts‘ (vgl. Searle 1982, 86f.) zu vermeiden, weil diese stets die unerwünschte Implikation birgt, dass auch das Produkt einer solchen nicht ernsthaften Rede, also der fiktionale Text selbst, nicht ernsthaft sein könnte. Dagegen Walsh (1997). 34 Vgl. z. B. Schmid (2008) 72 ~ (2010) 57. Allerdings gibt es auch Kritik an der verbreiteten Position, dass jeder fiktionale Text über einen fiktiven Erzähler verfüge, z. B. bei Walsh (1997); Kablitz (2008); Köppe/Stühring (2011); Kerl (2014) 40f. mit Anm. 45. 35 Siehe auch Fludernik (2015) 116. Analoges gilt für das Konzept der literarischen persona. Dieser Terminus ist nur für die Sprecherinstanz von Texten angemessen, die fiktional rezipiert wurden. Entsprechend intensiv wurde diskutiert, ob es in der Antike ein solches Konzept gegeben hat: Vgl. Clay (1998), Mayer (2002), Möller (2003) z. B. 277–283 (zu Juvenal), Iddeng (2005) und Volk (2005).

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pirische Autor die Verantwortung für die Richtigkeit seiner Darstellung zu tragen. Genettes Formel „[W]enn A = N, exit N“ ist, so verstanden, korrekt.36 Die Kritik an Genette legt aber teilweise ein anderes Modell des Erzählers, des ‚Erzählers i. w. S.‘, zugrunde.37 So stellt Rüth infrage, ob ein Autor je ‚mit eigener Stimme‘ spricht; denn dass ein Autor beim Verfassen eines faktualen Textes nicht über dieselben Lizenzen verfügt wie beim Verfassen eines fiktionalen Textes, bedeutet noch nicht, dass ihm keinerlei Möglichkeiten zur Verfügung stehen, seine Stimme zu modulieren.38 Die Stimme kann beispielsweise ebenso wie ihr Pendant im fiktionalen Text Ereignisse kommentieren oder aber sich jeder wertenden Bemerkung enthalten, sie kann sich auf Autoritäten berufen oder aber gänzlich auf einen Beglaubigungsapparat verzichten, sie kann sich informiert oder unwissend geben.39 Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass dieser Einwand nicht darauf zielt, auch im faktualen Text das Vorhandensein einer vom Autor verschiedenen Stimme zu postulieren,40 sondern lediglich verdeutlicht, dass die Stimme auch im faktualen Text verschieden eingesetzt werden und dementsprechend unterschiedliche Funktionen erfüllen kann.41 Der erste Teil der Formel Genettes, A = N, bleibt insofern auch hier unangetastet. Problematisch wird allerdings die daraus abgeleitete Konsequenz, dass der Erzähler als narrative Instanz überflüssig wird (exit N), weil dadurch suggeriert wird, dass die im faktualen Text per definitionem geltende Identifikationsmöglichkeit der Stimme im Text mit der Stimme des Autors auch dazu führt, dass aus dem Verhalten der Stimme im Text die Intentionen des Autors zuverlässig rekonstruiert werden können.

|| 36 Vgl. auch Pelling (2009a) 149 Anm. 5, der den Terminus ‚Erzähler‘ offenbar in diesem Sinn versteht. 37 Dies gilt auch für die Narratologie de Jongs (2014), vgl. v. a. 18f. 38 „Es bedarf keines postmodernen Theoriegebäudes … um festzustellen, dass jeder, der etwas schreibt (mithin jeder, der etwas sagt), dies nicht in einer individuellen und unveränderlichen Stimme tut. Er hat sich vielmehr gemäß seinen Zielen und dem Kontext, in dem er schreibt oder spricht, eine seiner Erzählung angemessene Stimme zu wählen …“ (Rüth 2005, 35). Vgl. auch Rood (1998) 10 mit Anm. 18 und für eine Analyse dieser Stimme („voiceprint“) am Beispiel der taciteischen Geschichtsschreibung Pelling (2009a). 39 Diese Einsicht ist freilich alles andere als neu. So stellt beispielsweise Möller (2003) 11 ihrer Studie zu antiken Konzepten zum Verhältnis von Stil und Mensch ein Zitat Eduard Nordens voran, das davor warnt, stilistische Eigenschaften eines Textes als Indizien für den Charakter des jeweiligen Verfassers aufzufassen. Auch das Konzept des ‚self-fashioning‘, „der rhetorischen Inszenierung einer sozialen persona, die mit dem schreibenden Autor identifiziert werden soll, die ihn aber nicht notwendigerweise in seiner realen Identität repräsentieren kann“ (Fuhrer 2012, 143), gründet auf dieser Einsicht. 40 Nicht überzeugend hier Pausch (2011) 11 mit Anm. 49, der für Livius Geschichtswerk von zwei unterschiedlichen Erzählern auszugehen scheint. 41 Eine Reihe unterschiedlicher Funktionen des Erzählers bieten Genette (2010) 166f. und, bezogen auf die antike Wissensliteratur, Fuhrer (2012) 132–137.

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Dies scheint jedoch keineswegs selbstverständlich: So dürfte etwa die Frage, welche Rückschlüsse offensives Caesarlob auf die Intentionen der anonymen Verfasser der drei letzten Schriften im Corpus Caesarianum zulässt, in die Aporie führen. Sicher wäre es vorstellbar, dass ihre Verfasser glühende Bewunderer Caesars waren und seine Person in ihren Texten verherrlicht wissen wollten. Allerdings ist diese Deutung mitnichten zwingend. Ebenso gut könnten sie sich beispielsweise durch Vorgaben des Hirtius oder durch die eigenständige Lektüre der caesarischen Schriften zu einer bestimmten Darstellung Caesars verpflichtet gefühlt haben. Kaum besser informiert sind wir über Hirtius’ eigene Intentionen, da es aufgrund des literarischen Designs der epistula ad Balbum gefährlich scheint, seine Aussagen im Hinblick auf etwaige persönliche Motive auszuwerten. Um der wenig Erfolg versprechenden intentionalistischen Interpretation zu entgehen, bietet sich also die Verwendung des Erzählerbegriffs auch in dieser Arbeit an. Der Erzähler wird dabei aber, im Gegensatz z. B. zu Genette, wie folgt verstanden: Sein Vorhandensein markiert nicht Fiktionalität, sondern trägt dem Umstand Rechnung, dass der Inhalt seiner Aussagen – über die erzählte Welt, aber auch über sich selbst – trotz seines Anspruches, auf die reale Welt zu referieren, potentiell fiktiv ist.42 Gleichwohl muss er im faktualen Text nicht als fiktive Instanz, sondern als Stimme des Autors aufgefasst werden (A = N): Die uns unbekannten empirischen Autoren modellieren Erzähler, die sich als ‚Sprachrohr‘ der Autorstimme verstanden wissen wollen.43

3.2.3 Homodiegetischer oder heterodiegetischer Erzähler? Prämisse: Homodiegetisch ist ein Erzähler dann zu nennen, wenn er sich selbst mit einer der im Text handelnden Figuren identifiziert oder auf andere Weise signalisiert, an den Ereignissen, über die er berichtet, teilgenommen zu haben.

|| 42 Für Kablitz (2008) 42 ist der Erzählerbegriff nicht erforderlich, „um den empirischen Verfasser vom Makel der Unwahrhaftigkeit seiner Aussagen zu entlasten“. Dabei bezieht sich Kablitz allerdings ausschließlich auf fiktionale Texte. 43 Vgl. Fuhrer (2012) 131f. – Der abstrakte Autor, verstanden als „das semantische Korrelat aller indizialen Zeichen des Textes, die auf den Sender verweisen“ (Schmid 2008, 45–64 ~ 2010, 36–51; verwandt ist das von Booth geprägte Konzept des impliziten Autors), ist keine terminologische Alternative zum Erzähler. Der abstrakte Autor verfügt nämlich, anders als der Erzähler, über keine eigene Stimme im Text, sondern entsteht aus den unbewusst beim Schreibakt hinterlassenen Zeichen des realen Autors auf sich selbst (Schmid 2008, 83 ~ 2010, 65). Für Kritik am Konzept eines impliziten oder abstrakten Autors vgl. ferner u. a. Genette (2010) 259–270, Bal (³2009) 17 und de Jong (2014) 19.

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Mit der Beschreibung der Erzählinstanz mit den Attributen homo- bzw. heterodiegetisch wird bestimmt, ob der Erzähler innerhalb der erzählten Welt verortet werden kann oder nicht: Der primäre (nach Genette: extradiegetische) Erzähler der Aeneis, der sich im ersten Vers zu Wort meldet, ist nicht zugleich eine Figur im Text und somit heterodiegetisch, wohingegen Aeneas, sekundärer (nach Genette: intradiegetischer) Erzähler im zweiten Buch, in der von ihm vorgetragenen Erzählung als Figur auftritt und somit als homodiegetisch zu klassifizieren ist.44 Autodiegetisch wird ein homodiegetischer Erzähler genannt, der mit der Hauptfigur im Text identifizierbar ist.45 Dass sich diese Differenzierung in historiographischen Texten als problematisch erweisen kann, hat Rüth für die akademische Geschichtsschreibung überzeugend dargelegt: Anders als im fiktionalen Text kann sich der Wortbestandteil homo(diegetisch) in faktualen Texten auf einen ganz anderen Sachverhalt beziehen, nämlich darauf, dass der Erzähler eines faktualen Textes, wenn auch zu einem späteren Zeitpunkt, so doch prinzipiell dieselbe Welt bewohnt, über die er schreibt. Mit dieser Begründung hat Cohn den Erzähler eines modernen historiographischen Texts als homodiegetisch klassifiziert.46 Dieses „ontologische Kriterium“47 kann man aber mit guten Gründen außer Acht lassen.48 Auch für die Beschreibung der Erzähler im Corpus Caesarianum soll es unberücksichtigt bleiben, weil ansonsten die Bezeichnungen homo- und heterodiegetisch ihre Aussagekraft verlören: Alle Erzähler wären homodiegetisch und ließen sich höchstens durch den Grad ihrer Anwesenheit im Text unterscheiden.49 An diesen Punkt sind noch zwei weitere Präzisierungen anzuschließen, die insbesondere für die Einordnung der Erzähler des Corpus Caesarianum wichtig werden. Erstens: Ein Erzähler ist nicht automatisch als heterodiegetisch zu identifizieren, nur weil er nicht namhaft gemacht werden kann, wenngleich dies die Definition bei Genette nahelegt.50 Denn, wie gleich im nächsten Abschnitt gezeigt wird, kann ein Erzähler durchaus in einem Text „anwesend“ sein, ohne dabei gleichzeitig als „Figur in der Geschichte“ aufzutreten. Der Umstand, dass in den commentarii sowohl

|| 44 Vgl. Genette (2010) 159. 45 Vgl. ebd. 46 Vgl. Cohn (1990) 789f. 47 Rüth (2005) 40. 48 Vgl. Rüth (2005) 40f.: Durch die spätere Narration ist die Welt, die der Historiograph beschreibt, bereits vergangen und unverfügbar und somit nicht mit der Lebenswelt des Historiographen identisch. Auf dasselbe Problem macht auch Walsh (2010) 40 aufmerksam. 49 Im Übrigen wäre nach Cohn wohl auch der primäre Erzähler der Aeneis ein homodiegetischer, zumindest sofern man die Aeneis als faktualen Text rezipiert. 50 Genette (2010) 159: „Man wird hier also zwei Typen von Erzählungen unterscheiden: solche, in denen der Erzähler in der Geschichte, die er erzählt, nicht vorkommt, abwesend ist … und solche, in denen der Erzähler als Figur in der Geschichte, die er erzählt, anwesend ist.“

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von Caesar als auch von anderen namentlich genannten Figuren in der dritten Person gesprochen wird, lässt folglich noch nicht den Schluss zu, dass der Erzähler heterodiegetisch ist.51 Die Verwendung der dritten Person ist lediglich ein starkes Indiz dafür, dass der Erzähler nicht mit Caesar oder einer der anderen handelnden Figuren identifiziert werden soll. Damit ist aber nur das autodiegetische Erzählverfahren von Vornherein ausgeschlossen. Zweitens: Für die Klassifizierung eines Erzählers als homodiegetisch reicht es umgekehrt allerdings nicht aus, dass für ihn lediglich die Möglichkeit besteht, sich als Kriegsteilnehmer darzustellen.52 Um auch hier ein Beispiel zu geben: Mit guten Gründen geht die Forschung davon aus, dass die Verfasser der postcaesarischen Schriften selbst an den Feldzügen teilgenommen haben, über die sie berichten. Für sie besteht daher, im Gegensatz etwa zu den meisten modernen Historiographen, prinzipiell die Möglichkeit, ihre eigene Person zum Gegenstand der Darstellung zu machen. Dies allein erzeugt aber noch keinen Effekt der „Homodiegetizität“53. Zu fragen ist vielmehr jeweils, ob sie entweder von dieser Möglichkeit auch Gebrauch machen oder, wenn dies nicht der Fall ist, auf andere Weise signalisieren, am Feldzug teilgenommen zu haben. Nur in diesen Fällen wären sie homodiegetische Erzähler.54

3.2.4 Die Erzähler im Corpus Caesarianum Auf der Grundlage dieser terminologischen Festlegungen können wir uns der Frage nach den Eigenschaften der Erzähler im Corpus Caesarianum zuwenden. Um die Erzähler der nicht-caesarischen Schriften angemessen charakterisieren zu können, ist ein Vergleich mit dem Erzähler in Caesars commentarii nützlich, weswegen dieser zuerst behandelt wird.

|| 51 So Reijgwart (1993) 27. 52 In fiktionalen Texten wäre diese Einschränkung selbstverständlich obsolet, weil fiktiven Erzählern in dieser Hinsicht grundsätzlich keinerlei Beschränkungen auferlegt sind. Deswegen kann Genette (2010) 159 auch leicht missverständlich formulieren: „Kann der Erzähler die erste Person verwenden, um eine seiner Figuren damit zu bezeichnen oder kann er es nicht?“ 53 Diesen Begriff führt Genette (2010) 221 im Neuen Diskurs der Erzählung ein. Er ist geeignet, um zu betonen, dass der homodiegetische Erzähler in verschiedenen Graden in der Erzählung ‚anwesend‘ sein kann. 54 Vgl. Genette (2010) 233 mit Anm. 4. – Militerni della Morte (1998) 31 klassifiziert das Bell. Afr. als homodiegetische Erzählung, da der Autor, indem er sich selbst wiederholt in der ersten Person zu Wort melde, zu erkennen gebe, am Krieg teilgenommen zu haben. Dem ist entgegenzuhalten, dass die Verwendung der ersten Person, solange diese ausschließlich dazu dient, den Erzähler und nicht eine handelnde Figur zu bezeichnen, nicht das homodiegetische Verfahren impliziert.

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In der Forschung hat der Erzähler des Bell. Gall. und Bell. civ. einiges Interesse auf sich gezogen – mit im Detail überraschend unterschiedlichen Ergebnissen.55 Die Rätselhaftigkeit des Erzählers in Caesars Schriften rührt daher, dass seine Beschreibung mittels klassischer, auf moderne Texte zugeschnittener Narratologie, in die Irre führen kann. Dies zeigt sich bei dem Versuch, Genettes Modell der Beziehungen zwischen den Instanzen Autor (A), Erzähler (N) und Figur im Text (P) auf die caesarischen commentarii anzuwenden.56 Wie in Abschnitt 3.2.2 gesehen, definiert Genette die Identität von Autor und Erzähler (A = N) als konstitutives Merkmal eines faktualen Textes. Daher ließe sich erwarten, dass Caesar die Erzählstimme in den commentarii so gestaltet, dass sie stets mit ihm identifizierbar bleibt. Diese Erwartung erfüllt sich bei der Lektüre bekanntlich nicht: Indem Caesar über seine eigenen Handlungen nicht in der ersten, sondern in der dritten Person spricht, wird die Identität von Autor und Erzähler vielmehr verwischt. Genettes eigene Erklärung dieses Phänomens, der Erzähler der commentarii sei „eine derartig durchsichtige und leere Funktion, daß es sicher richtiger wäre, anzunehmen, daß diese Erzählung von Cäsar übernommen wird, der konventionell (figürlich) von sich selbst in der dritten Person spricht“57, befriedigt nicht, vor allem, da auf diese Weise impliziert wird, dass das Verfahren, das Caesar in seinen commentarii zur Anwendung bringt, überhaupt keine Funktion hat.58 Gegen Genette haben Reijgwart und Riggsby die Notwendigkeit betont, zwischen dem Erzähler und Caesar als Figur in den commentarii zu unterscheiden.59 Zu einem anderen Ergebnis gelangt Busch, der – freilich ohne sich die Schlussfolgerung zu eigen zu machen, die aus Genettes Diktum folgt – durch die Analyse der Verwendung der Pronomina nos und noster den Erzähler des Bell. Gall. als homodiegetisch klassifiziert. Gleichwohl stellt auch er klar, dass die Ineinssetzung von Erzähler und Figur Caesar im Text zumindest formal durch die durchgehende Verwendung der dritten Person meist sorgfältig vermieden wird.60 Nimmt man die Dissoziation zwischen Erzähler und Autor, die aus der Dissoziation von Erzähler und

|| 55 Folgende Aufstellung bietet eine Auswahl an neuerer Literatur zum Thema: Görler (1976), Rüpke (1992) 223–225, Reijgwart (1993), Lieberg (1998) 31–34, Busch (2005), Riggsby (2006) 150–152, Batstone/Damon (2006) 129–131 und 143–148, Grillo (2011). 56 Berechtigte Kritik übt schon Hornblower (1994) 132. 57 Genette (1992) 82. Andernorts urteilt Genette etwas anders über Caesar (2010, 239), indem er zwar von „konventionelle[r] Enallage“ (ebd., Anm. 17) spricht, gleichzeitig aber betont, dass eine heterodiegetische Erzählung vorliegt. 58 Sicher wird man Riggsby (2006) 150 darin Recht geben, dass in einer Übersetzung die Transformation des Textes in die erste Person unangemessen wäre. 59 Vgl. Reijgwart (1993) 27; Riggsby (2006) 150–155. Dag. urteilt noch Görler (1976) 99: „Caesar berichtet seine eigenen Taten – er ist Erzähler und Handlungsfigur in einer Person.“ Damit nimmt Görler Genettes Formel A = N = P für Caesars commentarii vorweg. 60 Vgl. Busch (2005) 149.

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Figur unmittelbar folgt,61 also ernst, wird man bei mechanischer Anwendung der Genette’schen Schemata zu dem Schluss gelangen müssen, die caesarischen commentarii seien fiktionale Texte. Dies ist jedoch nicht der Fall. Stattdessen verleitet, das zeigt schon die antike Caesarrezeption, die Dissoziation von Autor und Erzähler in diesem speziellen Fall offensichtlich nicht zu einer fiktionalen Lektüre.62 Welche Eigenschaften hat also der Erzähler bei Caesar? Busch deutet das Meiden der ersten Person im Bell. Gall. einerseits als Desubjektivierungsstrategie,63 gleichzeitig folgt für ihn daraus keineswegs, dass der Erzähler die Ereignisse objektiv berichtet oder auch nur den Versuch dazu unternimmt.64 Damit ist ein Spannungsfeld umrissen, das zumindest für die commentarii de bello Gallico charakteristisch scheint:65 Einerseits entsteht bei der Lektüre der Eindruck, Caesar überlasse das Erzählen einem unbekannten Dritten, der gleichwohl am Krieg teilgenommen hat und darüber hinaus über unumschränkten Zugriff auf die Gedanken der Hauptfigur verfügt. In diesem Sinn funktioniert, so die Interpretation Riggsbys, die Verwendung der dritten Person als ein Hinweis auf das Thema der commentarii: Dargestellt werde der Krieg, nicht der Feldherr.66 Andererseits beruht der militärische Erfolg in Gallien maßgeblich auf Caesars klugem Kriegshandeln und der Text verschweigt dies keineswegs. Hinzu kommt, dass Caesar über den

|| 61 Ich gehe also davon aus, dass A = P. Das Gleichheitszeichen bezieht sich allerdings einzig auf die onomastische Identität der beiden Instanzen: Autor und Hauptfigur heißen beide Caesar. Vgl. dazu Riggsby (2006) 153: „Even if the narrator is not to be identified too closely with “Caesar” (and so with Caesar), one might still ask …“. Insbesondere wird also durch diese ‚Gleichsetzung‘ nichts darüber ausgesagt, wie wahrheitsgetreu Caesar sich selbst dargestellt hat bzw. darstellen wollte, oder gar darüber, ob ein Autor über die Möglichkeit verfügt, ‚sich selbst‘ in einem Text darzustellen. Zum letzten Punkt vgl. den Einwand Schmids (2008) 88 ~ (2010) 69 gegenüber der Position, der Erzähler (im fiktionalen Text) sei manchmal ‚identisch‘ mit einer der handelnden Figuren: „Mit der Figur ist der Erzähler nicht als Erzähler, d. h. als erzählendes Ich, sondern nur als erzähltes Ich identisch.“ 62 So wäre zum Beispiel das bei Sueton (Iul. 56,4) überlieferte Urteil Asinius Pollios über die caesarischen commentarii (parum diligenter parumque integra veritate compositos putat) einem fiktionalen Text unangemessen. Man kann nur spekulieren, ob die commentarii, wenn sie heutzutage veröffentlicht würden, auch als fiktionale Texte rezipiert werden könnten. Dass sie etwa bei Lejeune (1977) 27 in einem Atemzug mit modernen Autobiographien genannt werden, in denen die Verwendung der dritten Person das Inkrafttreten des ‚autobiographischen Paktes‘ behindert, lässt sich allerdings zumindest als Indiz in diese Richtung deuten. 63 Vgl. Busch (2005) 155. Damit dürfte es sich um eine der am häufigsten vertretenen Deutungen handeln, die die Verwendung der dritten Person bei Caesar erklären soll. Vgl. z. B. Batstone/Damon (2006) 144. 64 Vgl. Busch (2005) 151. 65 Vor allem das dritte Buch des Bell. civ. weist im Gegensatz dazu einige Erzählerkommentare auf, die dazu beitragen, den Effekt der Desubjektivierung zu mindern; vgl. Batstone/Damon (2006) 129– 131; Grillo (2011). 66 Vgl. Riggsby (2006) 153.

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Krieg in Gallien eigenhändig schreibt, anders als etwa Cicero, der mehrfach versucht hat, bei anderen Schriftstellern ein Geschichtswerk über seine eigenen Leistungen als Konsul in Auftrag zu geben,67 um auf diese Weise den Eindruck von Überparteilichkeit erwecken zu können.68 Wenngleich die Erzählung durch die Verwendung der dritten Person also desubjektiviert wirkt, vermittelt der Text zugleich dadurch, dass die Einheit von Autor und Hauptfigur bekannt ist und nicht verheimlicht wird,69 einen Anspruch auf Authentizität. Zwischen diesen beiden Tendenzen, Desubjektivierung und Authentizitätsanspruch, besteht jedoch ein Zielkonflikt: Würde sich der Erzähler in Caesars commentarii stärker engagieren und seine Identität auf diese Weise schärfere Konturen gewinnen, hätte dies entweder zur Folge, dass er sich deutlicher als ‚Caesar‘ zu erkennen gäbe (autodiegetische Erzählung) oder aber deutlicher von ihm unterschieden werden könnte (homo- oder heterodiegetische Erzählung). Beides aber läuft der Anlage des Textes entgegen, die darauf ausgerichtet ist, Desubjektivierung und Authentizität möglichst gleichzeitig zu realisieren. So bleibt für den Erzähler nur die Konzeption eines covert narrator.70 Dieser gibt sich zwar durch die Formulierung eines ‚Wir‘ im Text als Römer zu erkennen und berichtet daher keineswegs neutral, sondern ethnozentrisch; eine Identifikation des Erzählers mit Caesar wird trotzdem erschwert. Diese besondere Konfiguration des Erzählers übernehmen die Autoren der postcaesarischen Schriften nicht, weil sie, wie im vorigen Kapitel gezeigt, keine pseudepigraphischen Texte im engeren Sinn verfassen. Vielmehr wird einerseits durch die epistula ad Balbum, andererseits durch die sprachlich-stilistischen Differenzen zu den caesarischen commentarii deutlich markiert, dass Caesar nicht der Verfasser dieser Schriften ist.71 Gleichzeitig ist seine Person aber die oder eine der Hauptfiguren, sodass in allen nicht-caesarischen Schriften Autor und Figur Caesar dissoziiert

|| 67 Über die Motive lässt sich wiederum nur spekulieren. Mensching (1988) 11 glaubt, dass Caesar kein geeigneter Geschichtsschreiber zur Verfügung gestanden habe, an den er sich mit einer solchen Bitte hätte wenden können. 68 Cic. fam. 5,12 an Lucceius über die Nachteile, wenn man sich über selbst schreibt: quod te non fugit, haec sunt in hoc genere vitia: et verecundius ipsi de sese scribant necesse est, si quid est laudandum, et praetereant, si quid reprehendendum est; accedit etiam, ut minor sit fides, minor auctoritas. – Neben Lucceius hat Cicero auch Thyillus und Archias (vgl. Att. 1,16,15) und später Poseidonios (vgl. Att. 2,1,1) angefragt. 69 Genau in diesem Punkt unterscheidet sich Caesar von Xenophon, der manchmal (z. B. bei v. Albrecht 2013, I 349) als formales Vorbild Caesars angesehen wird. Vgl. zu Xenophon auch Görler (1976) 101 Anm. 16; Batstone/Damon (2006) 144. 70 Zu diesem von Chatman geprägten Begriff vgl. Alber/Fludernik, LHN, §§ 13f. – Nachzuweisen, dass über den Erzähler des Bell. Gall. so gut wie nichts bekannt ist, ist das Kernanliegen von Reijgwart (1993); vgl. auch Lieberg (1998) 31–34. 71 Dies ist, soweit wir wissen, auch in der Antike bekannt (Suet. Iul. 56: Nam Alexandrini Africique et Hispaniensis [sc. commentarii] incertus auctor est).

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werden können (A ≠ P).72 Diese schlichte Feststellung hat weitreichende Konsequenzen: Zwar bleibt die Form der Erzählung in der dritten Person, die Caesar für seine commentarii gewählt hat, erhalten und erleichtert den Autoren, die nach Caesars Tod schreiben, den Anschluss an Bell. Gall. und Bell. civ. – auf der Textoberfläche ändert sich also nichts.73 Gleichwohl müssen sie die Rolle des Erzählers, die in Caesars eigenen commentarii auf die eines covert narrator festgelegt war, neu interpretieren. Die Textanalysekapitel werden zeigen, wie unterschiedlich diese Interpretation ausfällt: Die Bandbreite reicht von einem unaufdringlichen Erzähler in Bell. Gall. 8, der sich gleichwohl durch kleine Wortmeldungen in Szene zu setzen weiß, bis hin zum selbstbewusst kommentierenden Erzähler des Bell. Afr., der dem Lesepublikum wiederholt seine eigene Interpretation der Ereignisse vorlegt.

3.3 Modus Prämisse: Durch Fokalisierungen wird die Informationsvergabe im Text gesteuert. Der – auch in der Caesarforschung etablierte –74 Begriff der Fokalisierung wird bis heute uneinheitlich verwendet.75 Manche schließen beim Gebrauch des Terminus an die Konzepte des point of view oder der Erzählperspektive an und identifizieren im Text neben der Erzählinstanz eine oder mehrere Fokalisierungsinstanzen. In diesem Fall lassen sich mit Bal zwei Fokalisierungstypen unterscheiden, eine Fokalisierung ‚durch die Augen‘ einer handelnden Figur (figurengebundene Fokalisierung) sowie eine Fokalisierung, die von der Wahrnehmung aller handelnden Figuren entkoppelt ist (externe Fokalisierung).76 In der altphilologischen Erzählforschung zu historio-

|| 72 Zwar kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Verfasser sich selbst als Figur in ihren Texten auftreten lassen. So favorisiert z. B. Rüpke (2015) 141 anschließend an einen Vorschlag von Kohl (1924) einen Arquitius bzw. Clodius Arguetius als Verfasser des Bell. Hisp., der im Text auch namentlich Erwähnung findet (Bell. Hisp.10,1; 23,8; siehe aber auch Diouron 1999, XV). Doch in diesem Fall gilt das oben Gesagte: Solange der Erzähler sich nicht selbst als Arguetius identifiziert, ist dies für die narratologische Analyse ohne Belang. 73 Hierauf hebt Rüpke (2015) 134 ab, wenn er schreibt: „Über alle stilistischen Unterschiede, ja selbst über den Tod des Erstautoren hinweg, bleibt der Erzähler in allen Büchern des Corpus Caesarianum identisch. Mit Ausnahme einer redaktionellen Bemerkung des Autors des achten Buches des Gallischen Krieges … gibt es keinen Hinweis, dass der Erzähler des Helvetierkrieges des Jahres 58 v. Chr. ein anderer sei als der der Schlacht von Munda dreizehn Jahre später.“ 74 Vgl. u. a. Riggsby (2006) 30; Gaertner/Hausburg (2013) 119f. Anm. 182. 75 Vgl. einführend Niederhoff (2001) und Jesch/Stein (2009). 76 Vgl. Bal (2009) 147–153. Natürlich sind innerhalb dieser Kategorien weitere Differenzierungen möglich.

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graphischen Texten ist der Begriff etwa von Davidson, Hornblower, Pelling und Pausch so verstanden worden.77 Eine andere Akzentuierung besitzt der Begriff bei Genette. Auch das von ihm geprägte Schema der Fokalisierungen ist, wie Kablitz gezeigt hat, zunächst ein binäres: Es werden Fokalisierung und Nullfokalisierung unterschieden.78 Dadurch dass Genette jedoch innerhalb der Gruppe der fokalisierten Texte neben der internen Fokalisierung, der im Wesentlichen Bals figurengebundener Perspektive entspricht, auch eine externe Fokalisierung kennt, wird deutlich, dass sein Schema nicht nur auf die berühmt gewordene Frage antwortet, „wer sieht“ (qui voit? qui perçoit?). Die Fokalisierungstypen unterschieden sich vielmehr auch in Hinblick auf das Verhältnis von Erzähler- und Figurenwissen.79 Die Erzählinstanz ist nach diesem Verständnis gleichzeitig die Fokalisierungsinstanz.80 Der Unterschied zwischen beiden Konzepten wird bei einem Vergleich zwischen externer und Nullfokalisierung nach Genette evident: Eine extern fokalisierte Textpassage hat zwar mit einer unfokalisierten Erzählung die (nicht figurengebundene) Perspektive gemeinsam, unterscheidet sich von ihr aber im Hinblick auf den Wissenshorizont des Erzählers. Denn während dieser in einer extern fokalisierten Textpassage nicht über die Möglichkeit der Introspektion in die Gedankenwelt seiner || 77 Davidson lehnt zwar den Begriff Fokalisierung selbst ab, der von ihm bevorzugte Terminus gaze zeigt jedoch, dass er auch die Fokalisierung als einen Akt der Wahrnehmung versteht (Davidson 1991, 10f.). Für Hornblower (1994) 134f. ist der Begriff unproblematisch, Pausch (2011) räumt ein Defizit an theoretischer Fundierung ein, verwendet ihn aber trotzdem. Rood (1998) 294–296 greift dagegen Davidsons Bedenken auf. Seine Kritik richtet sich jedoch nicht gegen den Fokalisierungsbegriff an sich, sondern gegen den Gebrauch, den Bal von ihm macht. Ihr zufolge wird nämlich bei figurengebundener Fokalisierung die Figur zum focalizer, also zur Instanz der Fokalisierung – eine Auffassung, der interessanterweise (ohne Rekurs auf Bal) bereits Davidson zuzuneigen scheint, wenn er davon spricht, dass Hannibal (als Figur in Polybios’ Historien) ‚fokalisiert‘. Dagegen wendet Rood m. E. zu Recht ein, dass die Gestaltung der Fokalisierung ausschließlich dem Erzähler obliege (so auch Genette 2010, 217–220; Tsitsiou-Chelidoni 2009, 529 Anm. 10; vgl. andererseits die Klarstellung Bals 1981, bes. 206). Pelling (2009b) 509 Anm. 5 hält Davidsons und Roods Skepsis in Bezug auf die Verwendung des Begriffs Fokalisierung in historiographischen Texten entgegen, dass auch in dieser faktualen Textsorte alle Figuren Konstruktionen der Geschichtsschreiber seien. Dies trifft zu, geht aber an der von Rood geäußerten Kritik vorbei (vgl. im Übrigen Anm. 25). Da die Narratologie de Jongs in diesem Punkt stark von derjenigen Bals beeinflusst ist, werde ich die von ihr (2014, 47–69) vorgestellte, komplexe Terminologie (u. a. focalizer, embedded focalization, hypothetical focalization) nicht verwenden. Für Kritik an Bals Konzept der Fokalisierung vgl. ferner Kablitz (1988) 252–255 und Niederhoff (2001) 17–20. 78 Vgl. Kablitz (1988) 240f. 79 Vgl. Jesch/Stein (2009) 60f, die allerdings den Fokalisierungsbegriff in ihrem eigenen theoretischen Entwurf gänzlich von der Frage „Wer sieht?“ entkoppeln. Genette (2010) 120f. schließt hier an das von Todorov (1966) 141f. entwickelte, dreigliedrige Schema an. 80 Vgl. auch Anm. 77. Da Fokalisierung in diesem Sinne die „Auswahl eines bestimmten Wirklichkeitsausschnitts“ (Niederhoff 2001, 9) durch den Erzähler bedeutet, lässt sich das Verb ‚fokalisieren‘ transitiv verwenden: Der Erzähler ‚fokalisiert auf‘ die Gedanken der Figur x.

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Figuren verfügt, ist für die unfokalisierte Erzählung gerade das Gegenteil zutreffend: Das Wissen des Erzählers über seine Figuren ist im Prinzip unbegrenzt, weswegen die unfokalisierte Erzählung häufig auch als multifokalisierte Erzählung beschrieben werden kann.81 Wenn man mit der Terminologie Genettes Fokalisierungen beschreibt, ist daran also immer auch eine Aussage zur Informationsvergabe im Text geknüpft.82 Dieser ursprünglich aus der Dramentheorie stammende Begriff hat auch Eingang in die Erzählforschung gefunden.83 Auf den Zusammenhang zwischen Fokalisierung und Informationsvergabe werde ich in der Textanalyse immer wieder zu sprechen kommen, nicht zuletzt deshalb, weil die Forschung bereits wiederholt auf die Bedeutung hingewiesen hat, die der Ökonomie der Informationsvergabe gerade in den commentarii zukommt.84 Diese Ergebnisse zeigen: Für die Textinterpretation ist nicht nur das Verhältnis von Erzähler- und Figurenwissen relevant, sondern auch das Verhältnis von Leserund Figurenwissen, das sich daraus ableiten lässt.85 Denn ist der Erzähler besser informiert als seine Figuren (Nullfokalisierung), wird das Lesepublikum daraus in

|| 81 Vgl. Niederhoff (2001) 18f. Das bedeutet aber keineswegs, dass ein unfokalisierter Text für besonders objektiv gehalten werden muss, wie Ludwig (2014) 6 nahelegt. 82 De Jong (2014) 56–60 behandelt diesen Aspekt ebenfalls. Für Kritik an „diesem reduktionistischen Verständnis von Perspektive“ vgl. Schmid (2008) 118–121 ~ (2010) 91–93. 83 Hier und im Folgenden bediene ich mich dieses und einiger weiterer Termini, die Pfister (2001) 67–90 für die Dramenanalyse entwickelt hat, die sich aber auch für die Erzähltextanalyse fruchtbar machen lassen. Pfister unterscheidet innerhalb seines Kapitels zur „Informationsvergabe“ folgende Fälle der „diskrepanten Informiertheit“: Sie liegt vor, wenn entweder a) die Dramenfiguren untereinander unterschiedlich informiert sind („inneres Kommunikationssystem“) oder b) das Publikum mehr oder weniger weiß als alle oder einzelne Figuren („äußeres Kommunikationssystem“), es also gegenüber den Figuren über einen „Informationsvorsprung“ oder einen „Informationsrückstand“ verfügt. Für die Verwendung des Begriffs ‚Informationsvergabe‘ in der Erzählforschung vgl. Niederhoff (2001) 10. 84 Die Wahl des Modells ist also in hohem Grad abhängig von der Fragestellung. Dass bspw. Ludwig (2014) sich ganz auf das Modell Bals stützt, scheint angesichts des von ihr gewählten Fokus auf Perspektivenwechsel gut nachvollziehbar. 85 Zwei Beispiele: 1) Bereits Kohns (1969) und Görler (1977) arbeiten heraus, wie es dem Erzähler im zweiten Buch des Bell. Gall. durch Steuerung von Informationen gelingt, den glücklichen Ausgang der Schlacht gegen die Nervier vor allem als Caesars Verdienst erscheinen zu lassen (Kohns 1969, 13: „Dabei werden für den Kampfverlauf nebensächliche Ereignisse deutlich in das Blickfeld des Lesers gerückt“; Görler 1977, 310: „Zwar erlebt der Leser nicht ohne innere Anteilnahme die Entwicklung der Schlacht auch aus der Sicht des Feldherrn Caesar, aber er steht zugleich mit dem Erzähler Caesar über dem konkreten Geschehen. Auch auf die Figuren der Handlung blickt der Leser mit einer gewissen Überlegenheit hinab –, er weiß mehr als jede der beiden Parteien“). 2) Auch die Makrostruktur der commentarii zielt bisweilen auf eine gesteuerte Informationsvergabe: Holzberg (1985) 92 macht auf die ‚desinformierende‘ Funktion der ethnographischen Exkurse im Bell. Gall. aufmerksam, durch die „die Tatsache verschleiert [wird], daß ein berichtetes Ereignis gar nicht richtig stattgefunden hat.“ (ähnlich jetzt Allen-Hornblower 2014 zur Hercynia-silva-Episode sowie Schauer 2016, 150–156).

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der Regel ebenfalls einen Informationsvorsprung gegenüber den Figuren generieren. Umgekehrt wird es sich bei externer Fokalisierung mit einem Informationsrückstand konfrontiert sehen. Bei interner Fokalisierung wiederum hängt die Informiertheit des Lesepublikums von der Informationsvergabe im inneren Kommunikationssystem des Textes ab.86 Dies macht sich insbesondere dann bemerkbar, wenn die Figuren diskrepant informiert sind: Verfügt eine Figur A gegenüber einer Figur B über einen Informationsvorsprung, dann verfügt das Publikum entweder über den Informationsvorsprung der Figur A oder über den Informationsrückstand der Figur B – abhängig davon, auf welche Figur der Erzähler fokalisiert.87 Bei der Analyse faktualer Texte muss allerdings eine Besonderheit bei der Untersuchung von Fokalisierungen berücksichtigt werden, da sich das Leserwissen hier nicht, wie in fiktionalen Texten üblich, ausschließlich durch die im Text gegebenen Informationen konstituiert. Vielmehr generiert das Lesepublikum sein Wissen über die dargestellten Ereignisse auch über andere Kanäle als den Text. So ist zum Beispiel das Lesepublikum bei der Lektüre des überwiegend intern fokalisierten ersten Buches des Bell. Gall. zumindest in einer Hinsicht besser informiert als die fokalisierte Figur Caesar: Anders als diese weiß es nämlich von Anfang an, wenn auch nicht im Detail, über den Ausgang des Helvetierkrieges Bescheid.88 Trotz dieser Schwierigkeit hinsichtlich der Übertragbarkeit der hergebrachten Terminologie zeigt die Analyse der Supplementschriften eine große Variabilität bei der Verwendung von Fokalisierungen: Jeder Erzähler im Corpus hat in Bezug auf die Fokalisierungen seine eigenen Präferenzen: Im Bell. Gall. 8 dominiert die interne Fokalisierung, im Bell. Alex. die Multifokalisierung, der Erzähler des Bell. Afr. hat wiederholt die externe Fokalisierung gewählt.

|| 86 Dies ist unmittelbare Folge einer Inkonsistenz im Modell Genettes, auf die Kablitz (1988) 241f. hingewiesen hat: „… und da fällt es zunächst auf, daß der Bezugspunkt der Kategorie personnage innerhalb der Klassifikation wechselt. Vergleichen wir die Beschreibung der vision par derrière mit derjenigen der vision avec, so zeigt sich ein bemerkenswerter Unterschied. Wird erstere hinsichtlich des Kriteriums Der Erzähler sagt mehr, als irgendeine der Figuren weiß präzisiert, so heißt es bezüglich letzterer Der Erzähler sagt nur das, was eine bestimmte Person weiß. Ist im ersten Fall die Menge aller personnages Bezugspunkt der Systematisierung, so ist es im zweiten Fall nur eine einzelne Figur.“ 87 Dieses Modell erfasst freilich nur idealtypische Fälle. So beeinflussen Alterationen (Paralipse und Paralepse) die Informiertheit des Publikums genauso wie mehr oder weniger subtile Hinweise (bzw. Indizien im Sinne Barthes’ 1988, 111–116), die von der Fokalisierung unabhängig sind. 88 Diesen wichtigen Hinweis verdanke ich der anonymen Gutachterin oder dem anonymen Gutachter des Philologus.

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3.4 Weitere narratologische Kategorien: Ordnung, Frequenz, Raum Unter diesem Punkt subsumiere ich zunächst die narratologischen Kategorien Ordnung und Frequenz, für die eine ausführliche Abhandlung vorab, anders als für die Kategorien Stimme und Modus, meines Erachtens nicht erforderlich ist. Ich beschränke mich vielmehr auf die Erläuterung der narratologischen Termini, wie sie in dieser Studie verwendet werden. Da dem Erzähler eines faktualen Textes verglichen mit seinem Pendant im fiktionalen Text prinzipiell keine Beschränkungen auferlegt sind, in welcher Reihenfolge oder Häufigkeit er über Ereignisse berichtet,89 solange die Ereignisse selbst stattgefunden haben, sind in diesem Fall die hergebrachten Begriffsdefinitionen mit allenfalls kleinen Einschränkungen übertragbar. Für die Analyse der Erzählordnung sind die beiden Begriffe Analepse und Prolepse zentral. Die Analepse bezeichnet einen Rückgriff des Erzählers. Greift der Erzähler etwas zuvor Berichtetes noch einmal auf, spricht man von einer repetitiven Analepse. Kompletiv ist eine Analepse hingegen dann, wenn mit ihr ein vergangenes Ereignis nachgetragen wird, über das der Erzähler an der chronologisch ordnungsgemäßen Stelle nicht bereits berichtet hat. Das Gegenstück zur Analepse, die Prolepse, kann ebenfalls repetitiv oder kompletiv sein: Der Erzähler kann etwas vorwegnehmen, über das er an der chronologisch ordnungsgemäßen Stelle noch einmal berichten (repetitiv) oder auf das zu erzählen er dann verzichten wird (kompletiv). Darüber hinaus verdient der Fall Beachtung, dass der Erzähler z. B. Ereignisse mit einer Prolepse ankündigt, die den Rahmen seiner Erzählung aber überschreitet, die externe Prolepse. Dies ist etwa dann der Fall, wenn in der Historiographie eine Entwicklung präfiguriert wird, mit deren Auswirkungen sich der Erzähler in seiner Gegenwart konfrontiert sieht.90 Prolepsen und Analepsen können explizit sein, aber auch allusiv, in dem Sinn, dass der Erzähler nur Indizien auf das vom Zeitpunkt der Erzählung aus zukünftige oder vergangene Ereignis im Text platziert. Im letzten Fall kann man auch von einem interpretationsbedürftigen ‚Keim‘ sprechen.91 In der Kategorie der narrativen Frequenz ist die singulative von der iterativen Erzählung zu unterscheiden. Berichtet der Erzähler von einem einzigen Ereignis ein einziges Mal oder von einer Reihe ähnlicher Ereignisse mehrmals, liegt eine singulative Erzählung vor. Wenn der Erzähler hingegen von einem einzigen Ereignis mehrmals oder aber von einer Reihe ähnlicher Ereignisse nur einmal berichtet, so liegt eine iterative Erzählung vor. Der erste der letztgenannten Fälle tritt beispiels-

|| 89 Vgl. Genette (1992) 73; 75. 90 Vgl. Genette (2013). 91 Vgl. de Jong (2014) 86f.

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weise immer dann ein, wenn der Erzähler sich einer repetitiven Pro- oder Analepse bedient.92 Die letzte narratologische Kategorie, die an dieser Stelle wenigstens kurz adressiert werden soll, ist die des Raumes. Der Raum gehörte als Untersuchungsgegenstand nicht zur strukturalistischen Narratologie und verfügt deshalb bis heute nicht über ein so klar abgrenzbares Begriffsinstrumentarium wie sie, obwohl freilich durchaus Vorschläge für eine terminologische Systematisierung analog zur Narratologie der Zeit vorliegen.93 Angesichts der intensiven Forschungsbemühungen zur Raumnarratologie nicht zuletzt innerhalb der Klassischen Philologie94 schien es jedoch nicht nur legitim, sondern sogar angezeigt, Beobachtungen zum Raum im Rahmen einer narratologischen Analyse mit aufzunehmen. Terminologische Einzelheiten werden an gegebenem Ort (Kap. 5.4 und 7.4) besprochen.

|| 92 Aus diesem Grund firmiert sie bei Genette auch unter „repetitiver Erzählung“. Etwas verwirrend scheint dann, dass der umgekehrte Fall – wenn also der Erzähler von einem mehrmals sich wiederholenden Ereignis genauso oft auch erzählt –, den man intuitiv als nicht minder repetitiv einstufen würde, als singulativ gilt. 93 Vgl. etwa Dennerlein (2009). 94 Für einen kurzen, aktuellen Forschungsüberblick mit weiterführender Literatur vgl. Fabrizi (2018).

4 Bellum Gallicum 8 4.1 Struktur, Autorschaft und Abfassungszeit Das achte Buch des Bell. Gall. lässt sich in drei unterschiedlich lange Teile gliedern. Auf die epistula ad Balbum, die dem achten Buch und dem gesamten Corpus der nicht-caesarischen Schriften voransteht, folgt der commentarius über die Kriegsereignisse des Jahres 51 in Gallien (1–48,9). Caesar kämpft in diesem Jahr zunächst gegen die Biturigen und die Karnuten (1–5), dann gegen die hartnäckig Widerstand leistenden Bellovaker (6–23). Im Anschluss tritt die Figur Caesar aus dem Fokus: Er verfolgt ein weiteres Mal erfolglos den Eburonenkönig Ambiorix (24,4).1 T. Labienus kämpft unterdessen gegen die Treverer (25,1–2). Im Mittelpunkt der geschilderten Ereignisse stehen aber die Legaten C. Caninius Rebilus und C. Fabius, die zuerst gegen Dumnacus, der den romtreuen Piktonen Duratius in Lemonum belagert (26– 29), und anschließend gegen Drappes und Lucterius vorgehen, die sich in Uxellodunum verschanzt haben (30–37). Während Caesar den andernorts in Gallien erlangten Frieden sichert (38,1–4), erhält er Meldung von Caninius, der ihn über die Schwierigkeiten bei der Belagerung von Uxellodunum in Kenntnis setzt (39,1). In diesen Konflikt greift Caesar nun persönlich ein und zwingt die Gegner zur Aufgabe (40–44). Den Abschluss des commentarius bilden die Meldungen über Labienus’ Erfolg im Land der Treverer und die Auseinandersetzung des M. Antonius mit dem Atrebaten Commius (45–48,9). Der dritte und letzte Teil des achten Buches wird durch die Ankündigung des Erzählers eingeleitet, noch ein Addendum schreiben zu wollen (48,10–11). Dieses besteht aus einer knappen Zusammenfassung der Ereignisse des Jahres 50 in Gallien und Rom (49–55), die allerdings mitten im Satz abbricht. Neben dem verlorenen Ende des Bell. Hisp. stellt dies die zweite größere Textlücke im Corpus der nicht-caesarischen Texte dar. Aufgrund der Heterogenität des Materials, das im achten Buch zu einem commentarius verarbeitet worden ist, lässt sich die Frage nach der Autorschaft nicht leicht beantworten. Dafür dass A. Hirtius, der in der Forschung gemeinhin als Verfasser angesehen wird,2 wenigstens für die Konzeption des commentarius verantwortlich war, spricht erstens die bekannte Passage aus Suetons Vita Divi Iulii, aus der sich schließen lässt, dass Hirtius zur Zeit Suetons als Autor des achten Buches angesehen wurde (alii Hirtium [sc. putant] qui etiam Gallici belli novissimum imperfectumque librum suppleverit, Iul. 56).3 Zweitens überliefern die Handschriften „Hirtius Pansa“ als Autor des achten Buches, was trotz der eindeutig fehlerhaften Anga-

|| 1 Zu Ambiorix vgl. Gall. 6,43. 2 Gegen die Autorschaft des Hirtius hat – neben Vogel (1900) 217f. – vor allem Canfora (1970 und 1993) argumentiert. S. unten Anm. 6 bzw. 11. 3 Vgl. Gaertner/Hausburg (2013) 21 mit Anm. 26 und 177 mit Anm. 37. https://doi.org/10.1515/9783110711530-004

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be – Pansa war Hirtius’ collega als Konsul – auf eine Tradition hinweist, das achte Buch Hirtius zuzuschreiben.4 Drittens lassen sich die in der epistula ad Balbum gegebenen biographischen Informationen gut mit dem aus anderen Texten rekonstruierten Lebenslauf des Hirtius in Einklang bringen: So hat zum Beispiel, genau wie es der Briefsprecher von sich behauptet, Hirtius nicht am Alexandrinischen und Afrikanischen Krieg teilgenommen.5 Dies bedeutet jedoch nicht, dass Hirtius alle Teile des achten Buches eigenhändig geschrieben hat.6 Bereits Rambaud hat vermutet, dass Hirtius im zweiten Teil des commentarius, sobald Caesar aus dem Blickfeld gerät, auf die jeweiligen Berichte der Legaten Caninius Rebilus und Fabius zurückgreifen konnte und selbst lediglich noch kurze Erklärungen und Verknüpfungen eingefügt hat.7 Zumindest auf den ersten Blick scheint auch das wohlwollende Porträt M. Antonius’ gegen Ende des achten Buches nicht recht zu Hirtius als Verfasser zu passen: Hirtius lässt seinen Erzähler dessen Gerechtigkeitssinn herausstellen (48,9) und das enge Band hervorheben, das ihn mit Caesar verbinde (50,2).8 Diese positive Darstellung des Antonius überrascht, weil sich aus Ciceros Korrespondenz mit Atticus rekonstruieren lässt, dass Hirtius mit Antonius schon sehr bald nach den Iden des März, noch bevor sich gegen diesen der Widerstand um Octavian formiert, in Konflikt gerät, da er dessen aufwieglerische Politik missbilligt.9 Selbst die Caesarmörder sehen in ihm einen Ansprechpartner: Sie bitten Cicero ein ums andere Mal, sich bei Hirtius für sie einzusetzen, was dafür spricht, dass sie ihn als empfänglich für ihre

|| 4 So Klotz (1910) 154; Gaertner/Hausburg (2013) 170. Für eine Übersicht über die subscriptiones vgl. Hering (1987) XVII (Hirtius Pansa nennen alle codd. außer B als Verfasser des achten Buches, im Explicit des cod. T fehlt der Namensbestandteil Pansa); eine Auswertung findet sich bei Richter (1977) 41–43. 5 Vgl. Gaertner/Hausburg (2013) 170; 179–181. 6 Die These Canforas (1993) 82f. (vgl. auch Pecere 2003, 202f.), nach der das achte Buch im Wesentlichen von Caesar selbst stammt, ist zurückzuweisen. Dagegen spricht z. B. sehr deutlich der Verweis auf das siebte Buch quorum superiore commentario Caesar exposuit initium belli esse ortum (38,3), da der Erzähler im gesamten Bell. Gall. stets von sich selbst in der ersten Person spricht (vgl. Lieberg 1998, 164–166; Kierdorf 2003, 65 Anm. 6; Gaertner/Hausburg 2013, 173 Anm. 20, weitere Argumente ebd., 172–174). Linguistische Indizien sprechen ebenfalls gegen Caesar als Verfasser des achten Buches (vgl. Field 2016, 68–70). 7 Vgl. Rambaud (1966) 77f.; 81f. Dass Hirtius beim Schreiben prinzipiell auf Aufzeichnungen aus dem Jahr 51 zurückgreifen konnte, ist angesichts der stellenweise enormen Detailfülle des Berichts (vgl. z. B. 9,3–4) ohnehin sehr wahrscheinlich. 8 Siehe dazu die Interpretation in Abschn. 4.4.4. Gaertner/Hausburg (2013) 172 Anm. 16 unterschätzen meines Erachtens diesen Punkt. Ausgehend von Gall. 8,50,2 stellt Bartolini (1963) 78f. sogar die These auf, dass Antonius im achten Buch als legitimer Erbe Caesars aufgebaut wird. Jedenfalls hat Hirtius nicht, wie es Haury (1959) 94 vermutet hätte, den liber als politisches Instrument benutzt, um sich selbst gegen Antonius in Stellung zu bringen. 9 Vgl. Att. 15,1,3 (Brief vom 17. Mai); 15,2,4 (Brief vom 18. Mai); 15,5,2 (Brief vom 28. Mai); 15,8,1 (Brief vom 31. Mai); 15,6,2–3 (Hirtius an Cicero am 2. Juni).

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Standpunkte einschätzen, freilich nicht in Bezug auf den Mord an Caesar, wohl aber, was ihre Opposition zu Antonius betrifft.10 Um dieser Diskrepanz zwischen Hirtius’ vermuteter ablehnender Haltung gegenüber Antonius und der Darstellung im achten Buch zu begegnen, hat man es auf das Jahr 46 zu datieren versucht.11 Eine solche Verschiebung des terminus post quem ist jedoch nur schwer zu rechtfertigen. Sie setzt nämlich nicht nur voraus, dass es sich bei der epistula ad Balbum, in der Caesars Tod ja bekannt ist (praef. 2), um einen etwa zwei Jahre später verfassten Zusatz handelt.12 Vor allem darf es als unwahrscheinlich gelten, dass die Abfassung auch nur von Teilen des achten Buches im Jahr 46 ohne Caesars Autorisierung erfolgt wäre.13 Bedenkt man aber, dass Caesar das Bell. Gall. aus kompositorischen Gründen wohl mit dem siebten Buch enden ließ und kein weiteres Buch plante,14 muss man begründen, warum Caesar seine Meinung später ändert, die Fortsetzung aber nicht einmal selbst in Angriff nimmt, sondern sie an Hirtius delegiert. Da dieses Szenario nicht plausibel scheint, halte ich am gängigen terminus post quem, den Iden des März 44, fest.15 Es handelt sich also auch beim achten Buch des Bell. Gall. um eine postcaesarische Schrift. Ein terminus ante quem ist mit dem 21. April 43, Hirtius’ Todestag, gegeben. Doch davon bleibt die für die Textanalyse zentrale Frage unberührt, ob man angesichts der Rahmenbedingungen überhaupt von einer planvollen Konzeption des

|| 10 Vgl. Att. 14,20,4; 15,5,1; 15,6,1 (Antonio est enim fortasse iratior [sc. Hirtius], causae amicissimus). Aus fam. 11,1 (Brief des D. Brutus an M. Brutus und Cassius kurz nach den Iden des März) wissen wir, dass Hirtius mit den Verschwörern in gutem Kontakt stand. Schon dieser Brief deutet auf ein distanziertes Verhältnis zu Antonius. Vgl. zum Verhältnis Ciceros zu Hirtius nach den Iden des März auch Kerschensteiner (1986) bes. 565–570. 11 Vgl. Bartolini (1963) 78–80. Vogel (1900) 218 spricht Hirtius u. a. aus diesem Grund die Autorschaft ganz ab. 12 Nach Bartolini (1963) 82 ein Brief des Hirtius an Balbus, den letzterer nach Hirtius’ Tod dem achten Buch voranstellt, um deutlich zu machen, dass es nicht von Caesar selbst stammt. Grundsätzlich erscheint es nicht unwahrscheinlich, dass die epistula im Winter 44/43 und damit zumindest einige Monate nach dem achten Buch des Bell. Gall. entstanden ist. Dies legen allein die Perfektformen contexui und confeci (praef. 2) nahe. Vgl. ferner Seel (1935) 91–94; Gaertner/Hausburg (2013) 27–29. 13 Dasselbe Argument kann man gegen die These ins Feld führen, das Bell. civ. sei noch zu Caesars Lebzeiten, jedoch ohne sein Wissen veröffentlicht worden, vgl. hierzu Gaertner/Hausburg (2013) 19. 14 Vgl. z. B. Mensching (1988) 28f.; Batstone/Damon (2006) 39–41; Kraus (2009) 160; Schauer (2016) 127; contra Lieberg (2008). 15 Vgl. z. B. Ramage (2003) 366 Anm. 100. Welch (1998) 88 nimmt an, dass Hirtius beim Verfassen des achten Buches auf einen früheren Entwurf zurückgegriffen hat, mit der Begründung, dass der spätere Dissident T. Labienus im achten Buch noch wohlwollend dargestellt worden sei (vgl. S. 104 Anm. 17, die hier, Abschn. 4.4.4, vorgelegte Analyse der Labienus-Passage weicht von dieser Auffassung stark ab). Da Labienus bereits zu Beginn des Bürgerkriegs von Caesar abfällt, scheint Welch also davon auszugehen, dass der Entwurf, auf den sich Hirtius stützt, im Jahr 51 oder 50 verfasst worden ist.

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achten Buches ausgehen kann oder ob die einzelnen Textteile – Briefvorrede, der in sich selbst heterogene commentarius mit seinen verschiedenen Legatenberichten und das Addendum – mehr oder weniger unverbunden nebeneinander stehen. Angesichts der fehlenden Überleitung zwischen Brief und commentarius bleibt darüber hinaus gänzlich offen, inwieweit das in der epistula vorgestellte ‚Programm‘ für den Erzähler des commentarius verbindlich ist: So lässt die Formulierung commentarios rerum gestarum Galliae contexui zu Beginn des Briefes (praef. 2) ein Bestreben erwarten, an Caesars Schriften anzuschließen und diese mit dem eigenen Supplement zu verbinden. Doch erfüllt das achte Buch diese Erwartungshaltung tatsächlich und falls ja, in welcher Hinsicht? Diese Fragestellungen sollen für die nun folgende narratologische Analyse leitend sein.

4.2 Modus: Schreiben nach Caesar – schreiben wie Caesar? 4.2.1 Vorbemerkung Der folgende Abschnitt konzentriert sich zunächst auf die ersten beiden Kapitel des achten Buches. In einem ersten Schritt wird gezeigt, dass sich in ihnen sowohl formale als auch inhaltliche Bezüge insbesondere zum siebten Buch finden lassen. Anschließend wird untersucht, ob sich die ersten Kapitel dieser beiden Bücher auch im Hinblick auf die Gestaltung der Erzählperspektive ähneln. Ein Vergleich der Fokalisierungstypen ergibt jedoch, dass der Erzähler des achten Buches von einer speziellen Form der internen Fokalisierung Gebrauch macht, wohingegen der Beginn des siebten Buches nicht fokalisiert wird. Diese in den ersten Kapiteln zu diagnostizierende interne Fokalisierung erweist sich schließlich als für das achte Buch insgesamt charakteristisch. Damit ist nicht zuletzt auch ein starkes Argument für die einheitliche Konzeption des achten Buches gewonnen.

4.2.2 Die ersten Kapitel: Verbindungslinien zu Bell. Gall. 7 Omni Gallia devicta Caesar cum a superiore aestate nullum bellandi tempus intermisisset militesque hibernorum quiete reficere a tantis laboribus vellet, complures eodem tempore civitates renovare belli consilia nuntiabantur coniurationesque facere. Cuius rei verisimilis causa adferebatur, quod Gallis omnibus cognitum esset neque ulla multitudine in unum locum coacta resisti posse [a] Romanis nec, si diversa bella complures eodem tempore intulissent civitates, satis auxilii aut spatii aut copiarum habiturum exercitum populi Romani ad omnia persequenda. Non esse autem alicui civitati sortem incommodi recusandam, si tali mora reliquae possent se vindicare in libertatem. Quae ne opinio Gallorum confirmaretur, Caesar Marcum Antonium quaestorem suis praefecit hibernis. Ipse cum equitum praesidio pridie Kalendas Ianuarias ab oppido Bibracte proficiscitur ad legionem XIII … (1,1–2,1).

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Ganz Gallien war besiegt; Caesar aber hatte seit vergangenem Sommer ununterbrochen gekämpft und wollte, dass sich die Soldaten in der Ruhe des Winterlagers von solch großen Strapazen erholten. Doch zur selben Zeit wurde von mehreren Stämmen gemeldet, sie erneuerten ihre Kriegspläne und schmiedeten geheime Bündnisse. Dafür wurde als wahrscheinlicher Beweggrund angegeben, allen Galliern sei bewusst, dass sie mit einer an einem Ort zusammengezogenen Menschenmenge den Römern keinen Widerstand leisten konnten, dass aber das Heer des römischen Volkes, wenn mehrere Stämme zur selben Zeit räumlich getrennte Kriege eröffneten, weder genug Hilfsmittel noch genug Zeit16 noch genug Truppen haben würde, um sämtliche Kriege zu führen. Kein Stamm aber dürfe das Los dieses Nachteils zurückweisen, wenn durch eine solche Verzögerung die übrigen ihre Freiheit zurückerlangen könnten. Damit diese Auffassung der Gallier nicht bestätigt wurde, übergab Caesar die Aufsicht über sein Winterlager dem Quaestor Marcus Antonius. Er selbst brach mit einer Schutztruppe Reiter am Vortag der Januarkalenden aus der Siedlung Bibracte zur dreizehnten Legion auf …

Auch wenn eine Überleitung von Brief zum Bericht fehlt: Bereits die Analyse dieser ersten Sätze zeigt, wie das in der epistula entworfene ‚Programm‘ im achten Buch umgesetzt wird. Schon die ersten Worte des ersten Kapitels – omni Gallia devicta – lassen sich als Manifestation der Arbeitsweise des contexere verstehen, denn der Buchanfang nimmt thematisch und syntaktisch die Eröffnung des siebten Buches (Quieta Gallia Caesar …, 7,1,1) auf. An beiden Stellen folgt auf die Ablativkonstruktion das Subjekt des Satzes, Caesar. Damit werden mit den ersten Worten gleich zwei wichtige Informationen gegeben, nämlich der Raum, in dem sich die berichteten Ereignisse abgespielt haben, sowie der Name des Feldherrn, dessen Krieg geschildert werden soll. Beides – die Beschränkung der Darstellung auf Gallien und der Fokus auf die Figur Caesar – ist aus den vorherigen commentarii bereits wohlbekannt.17 Doch erschöpft sich der Anschluss an das siebte Buch nicht allein in diesem Punkt. Vor kurzem hat Schauer betont, dass Caesar sein siebtes Buch als Höhepunkt und Abschluss des Bell. Gall. zwar konzipiert habe, dass dies aber durch die historischen Ereignisse nicht gedeckt gewesen sei.18 Denn dass der Gallische Krieg nicht mit der Auslieferung des Vercingetorix beendet war, zeige gerade der Beginn des achten Buches: „Denn bei Hirtius beginnt das achte Kriegsjahr sogleich wieder mit einer Verschwörung der gallischen Stämme – als wäre nichts geschehen.“19 Tatsächlich nimmt Hirtius allein dadurch, dass er sich dazu entschließt, das Bell. Gall. fort-

|| 16 Gemeint ist die Zeit, die das römische Heer in einem solchen Fall benötigen würde, um zu den verschiedenen Kriegsschauplätzen zu gelangen. Vgl. OLD s. v. spatium 10 (mit Verweis u. a. auf Caes. Gall. 7,40,2: nec fuit spatium tali tempore ad contrahenda castra) und Kraner/Dittenberger/Meusel (1966) 4 ad loc. 17 Vgl. z. B. Schauer (2016) 98f. 18 Vgl. Schauer (2016) 127, dagegen aber Hastrup (1957) 71–73. 19 Schauer (2016) 127. – Interessante Beobachtungen zu diesem Punkt finden sich bei Jervis (2001) 189–194. Sie analysiert „false endings“ im Bell. Gall. und kann zeigen, dass das Wiederaufflammen der Kämpfe im befriedet geglaubten Gallien ein häufig wiederkehrendes Motiv darstellt.

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zusetzen, in Kauf, dass der Sieg über Vercingetorix seinen endgültigen Charakter verliert. Gleichwohl hinterlässt das siebte Kriegsjahr auch in Hirtius’ Bericht deutliche Spuren: Gallien, das am Ende des sechsten Jahres lediglich „friedlich“ (quieta) war, ist nunmehr „besiegt“ (devicta).20 Kontrastiert man die Eröffnung des achten Buches nicht mit der des siebten, sondern der des ersten Buchs (Gallia est omnis divisa in partes tres, 1,1,1),21 erscheint das Maximalziel der römischen Expansionsbestrebungen also bereits zu Beginn des achten Buches erreicht: Jenes Gesamtgallien, das der römischen Leserschaft in dieser Form vor Caesar noch nicht einmal bekannt gewesen sein dürfte,22 ist zu diesem Zeitpunkt unterworfen. Zwar zeigt sich schnell – und hier ist Schauer Recht zu geben –, dass sich dieser Sieg vorerst nur als ein temporärer erweist. Doch sind die neuerlichen Pläne der gallischen Stämme zum Widerstand gegen Caesar nur vor dem Hintergrund der Ereignisse des Jahres 52 zu verstehen: So ist es die Niederlage in der Schlacht von Alesia, die als Grund für die Auffassung der Gallier angenommen werden muss, sie könnten niemals in einer großen Schlacht (neque ulla multitudine in unum locum coacta), sondern nur durch kleinere Gefechte an mehreren Orten (si diversa bella … intulissent) erfolgreich sein,23 eine Überlegung, die auch der Erzähler als wahrscheinlichen Grund (verisimilis causa) für die erneuten Kriegspläne billigt. Zugleich lassen sich diese einleitenden Worte als Vorverweis darauf verstehen, dass das achte Buch in kompositorischer Hinsicht vom siebten abweichen wird. Ließen die Ereignisse des Jahres 52 es noch zu, den Bericht im Wesentlichen auf die drei Schauplätze in Avaricum, Gergovia und Alesia zu fokussieren,24 werden im achten Buch diversa bella Gegenstand der Darstellung sein.25 Ohne Kenntnis der Ereignisse des Vorjahres bliebe der Beginn des achten Buches also unverständlich.26

4.2.3 Die Funktion der internen Fokalisierung in Bell. Gall. 8 Lässt sich der Befund, dass der Beginn des achten Buches sorgsam an das Ende des siebten anschließt durch die narratologische Analyse bestätigen?

|| 20 Hirtius verwendet das Verbum devincere noch drei weitere Male (5,1; 24,1; 46,1), und zwar ohne erkennbaren Bedeutungsunterschied zum Simplex. 21 Siehe für einen Vergleich von Gall. 7,1 mit Gall. 1,1 auch Torigian (1998) 56–59. 22 Vgl. hierzu Dobesch (2000) 28–31. 23 Vgl. Garzetti (1993) 1140. Die verheerende Niederlage von Alesia bestimmt das Handeln der Gallier im achten Buch noch zwei weitere Male, vgl. 14,1; 34,1. 24 Eine Analyse der Schlachtendarstellungen bietet Kraus (2010). 25 Vgl. Gärtner (1975) 119. 26 Ohne Zweifel war Hirtius selbst ein Leser des Bell. Gall., da der Erzähler im achten Buch einige Male explizit auf Sachverhalte verweist, die Caesar zuvor (meist im siebten Buch) geschildert hatte: Vgl. 8,4,3; 8,15,5; 8,30,1; 8,38,3 und Canfora (1970) 428. Vgl. hierzu ausführlich Abschn. 4.3.2.

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Hierzu lässt sich zunächst festhalten, dass die Eröffnungspartie des achten Buches intern, genauer: auf die römische Sicht, fokalisiert ist. Denn auch wenn die Ausgangssituation vor Beginn des letzten Kriegsjahres aus zwei Blickwinkeln, des römischen und auch des gallischen, vorgestellt wird – Caesars Gedanken sind Gegenstand des Nebensatzes, die Pläne der Gallier werden etwas ausführlicher in indirekter Rede wiedergegeben – und daher der Schluss nicht fern liegt, dass der Bericht gar nicht fokalisiert wird, so trügt dieser Eindruck: Tatsächlich wird die gallische Sicht lediglich durch römische Augen gefiltert dargestellt, denn die indirekte Rede gibt ausschließlich den augenblicklichen Informationsstand der Römer wieder. Diese sind, wenngleich die Informanten nicht genannt werden, detailliert über die Pläne der Gallier in Kenntnis gesetzt worden: Die indirekte Rede ist abhängig von adferebatur (sc. Caesari). In den übrigen Büchern des Bell. Gall. findet sich kein einzelner über alle sieben Bücher durchgängig verwendeter Fokalisierungstypus. Vielmehr wechseln sich intern und unfokalisierte Textpartien ab, jedoch nicht gleichmäßig, sondern mit einer spezifischen Tendenz, die Görler herausgearbeitet hat. Ihm zufolge dominiert vor allem im ersten Buch die intern fokalisierte Erzählung (Görler nennt dies „‚personale Innensicht‘“), in den späteren Büchern hingegen zunehmend die unfokalisierte Erzählung (Görler nutzt die Begriffe „auktorialer Erzähler“ und „‚olympisches‘ Allwissen“).27 Diese Beobachtung verknüpft er mit der in der Caesarforschung immer wieder geäußerten These, das Bell. Gall. ähnele in den späteren Büchern zunehmend der regelrechten historia,28 indem er die unfokalisierte Erzählung als charakteristische Erzählhaltung der Historiographie identifiziert.29 Bringt man die Ergebnisse Görlers in Zusammenhang mit den oben gemachten Beobachtungen zum Beginn des achten Buchs, so wird deutlich, dass die Eröffnungspartie sich im Hinblick auf die Fokalisierung eher an den Konventionen des

|| 27 Vgl. Görler (1976) 101f. Die Begriffe sind an der Erzähltheorie Stanzels orientiert; die Verwendung der gnomischen Anführungszeichen zeigt bereits an, dass die narratologische Begriffsbildung seinerzeit teilweise noch in den Kinderschuhen steckte (vgl. dazu auch ebd., Anm. 17). Görlers für damalige Verhältnisse „bahnbrechenden“ (Holzberg 1987, 91) Ergebnisse sind heute nicht mehr in allen Punkten zu halten. So zeigt z. B. Lieberg (1998) 24–31 überzeugend, dass auch das erste Buch bereits unfokalisierte (‚auktoriale‘) Textpassagen enthält. Trotzdem sind sie als Ausgangspunkt gut geeignet, weil sie helfen, zwei verschiedene Modi des Erzählens bei Caesar zu unterscheiden. 28 Für die alte These eines Stilwandels innerhalb des Bell. Gall. vgl. z. B. Klotz (1910) 11f.; Adcock (1956) 64f.; Rasmussen (1963) 142–150 und passim; Mutschler (1975) 144–146; Schauer (2016) 97f.; 111; 124f.; 143; dagegen aber Richter (1977) 72–75. Vorsichtig urteilen Riggsby (2006) 141f. und Kraus (2009) 164. 29 Diese Einschätzung ist, mit den Einschränkungen, die Rüth (2005) 42f. vorbringt, auch heute grundsätzlich noch überzeugend.

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ersten Buches orientiert.30 Dieser Befund wird durch die Gegenprobe, nämlich durch einen erneuten Blick auf den Beginn des siebten Buches, bestätigt: Auch hier gibt es ein (allerdings deutlich längeres) Referat der gallischen coniurationes (7,1,2–7,5,7). Während der Erzähler des achten Buches jedoch nicht erwähnt, wie sich die Gallier verschwören, sondern lediglich, wie Caesar davon erfährt (complures … civitates renovare belli consilia nuntiabantur), berichtet der Erzähler des siebten Buches zuerst über die gallischen Aufstände, ehe er anschließend mitteilt, dass auch Caesar diese Vorkommnisse nach Italien gemeldet wurden. Der Bericht über die Ereignisse in Gallien ist von der Wahrnehmung Caesars also entkoppelt, der Bericht folglich unfokalisiert. Als Caesar schließlich in Gallien ankommt, hat der Aufstand bereits begonnen (7,6,1–4): His rebus in Italiam Caesari nuntiatis, cum iam ille urbanas res virtute Cn. Pompei commodiorem in statum pervenisse intellegeret, in Transalpinam Galliam profectus est. Eo cum venisset, magna difficultate adficiebatur, qua ratione ad exercitum pervenire posset. Nam si legiones in provinciam arcesseret, se absente in itinere proelio dimicaturas intellegebat. Si ipse ad exercitum contenderet, ne iis quidem eo tempore, qui quieti viderentur, suam salutem recte committi videbat. Nachdem diese Dinge zu Caesar nach Italien gemeldet worden waren, brach jener, zumal er gerade erfahren hatte, dass die Angelegenheiten in der Hauptstadt durch das Engagement des Cn. Pompeius in einen günstigeren Zustand übergangen waren, ins transalpinische Gallien auf. Dort angekommen wurde er mit der schwierigen Frage konfrontiert, auf welche Weise er zum Heer gelangen könne. Denn wenn er die Legionen in die Provinz rufen würde, so rechnete er damit, dass sie ohne ihn auf dem Marsch kämpfen würden. Wenn er selbst sich zum Heer aufmachen würde, so sah er, dass sein Wohlergehen zu dieser Zeit nicht einmal denjenigen, die friedlich schienen, risikolos anvertraut würde.

Ganz anders im achten Buch: Gerade das frühzeitige Wissen um die gallischen Kriegsabsichten gestattet es Caesar, gegen die Biturigen vorzugehen, noch ehe diese mit einer Konfrontation rechnen. Sie werden nichtsahnend in ihren Dörfern überrascht (8,3,1): Repentino adventu Caesaris accidit, quod inparatis disiectisque accidere fuit necesse, ut sine timore ullo rura colentes prius ab equitatu opprimerentur, quam confugere in oppida possent. Durch das plötzliche Eintreffen Caesars geschah, was ihnen [den Biturigen], unvorbereitet und zerstreut wie sie waren, geschehen musste: Dass die nichtsahnenden Landbewohner31 noch von der Reiterei bedrängt wurden, bevor sie sich in ihre Siedlungen flüchten konnten.

|| 30 Bekanntlich fällt Caesars Name zum ersten Mal in Kap. 7 des ersten Buches, sodass die Eröffnung des ersten Buches gleichfalls nicht fokalisiert ist. Görler (1976) 103 Anm. 19 spricht von einer „Sonderstellung“. Vgl. zu Gall. 1,1 auch Dobesch (2000) und ferner Riggsby (2006) 59f. 31 Ich schließe mich dem Übersetzungsvorschlag Ramorinos (1947) 5 an („gli abitatori della campagna“), der colentes wie incolentes versteht (vgl. OLD s. v. colo 1). Denn dass die Biturigen bei

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Offenbar sind mit den beiden unterschiedlichen Fokalisierungen auch unterschiedliche Textwirkungen verbunden. Der Beginn des siebten Buches zielt darauf ab, die Gefährlichkeit der Situation zu verdeutlichen, der sich Caesar ausgesetzt sieht. Die Nullfokalisierung unterstützt dies, da auf diese Weise vor Augen gestellt wird, dass auf die Figur Caesar eine große Gefahr zukommt, von der er selbst jedoch, weil er in Oberitalien Truppen aushebt, noch nicht ahnen kann.32 Im Gegensatz dazu scheint die Situation im achten Buch zu keinem Zeitpunkt gefährlich. Die interne Fokalisierung bewirkt, dass von Beginn an kein Zweifel daran besteht, dass Caesar Herr der Lage bleiben wird. Ihr kommt aber noch eine weitere Funktion zu: Durch sie wird nämlich erst nachvollziehbar, aus welchem Grund sich Caesar zum militärischen Vorgehen gegen die Biturigen veranlasst sah. Nicht nur erscheint erst vor dem Hintergrund der gallischen Pläne, die Caesar hinterbracht werden, sein ‚Präventivschlag‘ gegen die nichtsahnende Bevölkerung gerechtfertigt, die Gallier werden auf diese Weise außerdem als hartnäckige Aggressoren stilisiert, die es Caesar nicht gestatten, an seinem eigentlichen Vorhaben festzuhalten, nämlich seine Soldaten vom ständigen Krieg ausruhen zu lassen (cum … militesque hibernorum quiete reficere a tantis laboribus vellet).33 Diese Textstrategie erinnert an diejenige, die der Erzähler des ersten Buches zur Legitimierung des Helevetierfeldzugs verfolgt hat:34 Hier wie dort stattet der Text das Lesepublikum nicht mit einem Informationsvorsprung gegenüber der Figur Caesar aus. Dass Caesar allein auf Basis der Informationen entscheidet, die ihm zugetragen werden, erregt aus diesem Grund auch weniger Anstoß.35 Die zu Beginn des achten Buches vorliegende Fokalisierung findet sich im weiteren Textverlauf immer wieder. Die Nachrichten, die den Römern durch Gefangene, Überläufer oder Kundschafter über die Vorhaben der Gallier zugetragen werden, erweisen sich geradezu als kriegsentscheidend: Als die Bellovaker zum Krieg rüsten,

|| strengstem Winter Landwirtschaft betreiben (so die Übersetzung Schönbergers 2004, 219), erscheint unwahrscheinlich. 32 Das Handeln Caesars war dabei durchaus problematisch, denn das s. c. u., das die Aushebung von Truppen gestattete, war ausschließlich auf Pompeius gemünzt, vgl. Canfora (2001) 129f. 33 Dass zwischen der Schlacht von Alesia und dem Feldzug gegen die Biturigen kaum Zeit liegt, wertet Lieberg (1998) 19 als Indiz dafür, dass Caesar die sieben Bücher des Bellum Gallicum nicht am Stück verfasst haben kann. Dies trifft wohl zu, allerdings lassen sich aus dieser Beobachtung noch keine Schlüsse auf die Publikation des Bellum Gallicum ziehen. Vgl. auch Anm. 87. 34 Vgl. die Interpretationen Görlers (1976) 108. Schon Rambaud (1966) 112 hatte zum Helvetierfeldzug festgestellt: „Il [= le livre I] y a conduit le lecteur graduellement, par étapes reconnaissables … La vraisemblance de cet ordre n’est pas une garantie d’impartialité“. Zu anderen Legitimierungsstrategien im ersten Buch vgl. ferner Riggsby (2006) 175–178. 35 Vgl. auch die ersten Kapitel des zweiten Buches des Bell. Gall. (1–2), die ganz ähnlich aufgebaut sind wie die des achten Buches: 1. Caesar erreichen im Winterlager Nachrichten von Aufständen in Gallien; 2. Caesar reagiert und schickt Quintus Pedius in das Grenzgebiet der Belger; 3. Sein Eintreffen kommt für die Gallier überraschend, die Remer unterwerfen sich sofort.

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schickt Caesar Reitertrupps in feindliches Gebiet. Diese greifen Kundschafter auf, die Caesar detailliert über ihre Kriegspläne aufklären (7,1–7). Über die Belagerung des Römerfreunds Duratius durch Dumnacus wird Caninius Rebilus von Gefangenen (ex captivis) informiert (26,2). Ortskundige (qui locorum noverant naturam) klären C. Fabius schließlich darüber auf, welchen Zufluchtsort das von Dumnacus befehligte Heer nach seinem Abzug von Lemonum aufgesucht hat (27,3). Als Lucterius versucht, unbemerkt Nachschub nach Uxellodunum zu schaffen, erfahren dies römische Kundschafter (exploratores) und melden es an Caninius (35,4). Nachdem Caninius Lucterius’ Plan vereitelt hat, erfährt er von Gefangenen (ex captivis) den Standort des verbliebenen Heeres und von Kundschaftern (ab exploratoribus) die genaue Lage des feindlichen Lagers (36,1–3). Von Überläufern (ex perfugis) erfährt schließlich Caesar, dass die in Uxellodunum eingeschlossenen Gallier über große Mengen Getreide verfügen, und beschließt daraufhin, sie von der Wasserversorgung abzuschneiden (40,1).36 Der dominante Fokalisierungstypus im achten Buch lässt sich also als spezielle Form der internen Fokalisierung auffassen, die jedoch in der Nähe der Nullfokalisierung anzusiedeln ist, weil die Römer in der Regel über keinerlei Informationsdefizite verfügen, und es daher so scheint, dass ein allwissender Erzähler kaum etwas berichten könnte, was den Wissenshorizont der Römer transgredieren würde. Umso unauffälliger wirken gelegentliche Fokalisierungswechsel hin zu einer ‚echten‘ Nullfokalisierung, die ebenfalls im achten Buch des Bell. Gall. anzutreffen sind. Der Erzähler berichtet etwa von der Furcht der Bellovaker und später der des Lucterius vor einem ‚zweiten Alesia‘ (14,1 bzw. 34,1) und zeigt damit, dass er über Einsicht in die Gedanken von Figuren verfügt, die mit einer internen Fokalisierung nicht vereinbar ist.37 Der Kontrast zum siebten Buch, das sich durch sowohl längere als auch detailliertere Berichte aus gallischer Perspektive auszeichnet, fällt trotzdem ins Auge.38 In der Regel erwachsen den Römern zudem aus ihren ohnehin kaum vorhandenen ‚Wissenslücken‘ keinerlei Nachteile.39 || 36 Dass die Uxelloduner über ausreichend Getreide verfügen, erstaunt, da es Caninius kurz zuvor gelungen war, den Nachschub abzufangen. Vgl. Kraner/Dittenberger/Meusel (1966) 56. 37 Für ein weiteres Beispiel für die Wiedergabe von Gedanken, die nicht im Wissenshorizont der Römer liegen können vgl. 32,1: At Drappes unaque Lucterius, cum legiones Caniniumque adesse cognoscerent nec se sine certa pernicie persequente exercitu putarent provinciae fines intrare posse … – „Als aber Drappes zusammen mit Lucterius gewahr wurde, dass die Legionen und Caninius da waren und sie nicht ohne sicheren Untergang die Provinzgebiete erreichen konnten …“. 38 Vgl. 7,20–21 (Rechtfertigung des Vercingetorix); 29–30 (Versammlung der Gallier nach der Niederlage in Avaricum); 37–38 (Verschwörung des Convictolitavis und des Litaviccus); 63–64 (Versammlung der Gallier in Bibracte); 66 (Feldherrnrede des Vercingetorix); 75–78 (Versammlung in Alesia, Abfall des Commius); 83 (Plan eines Entlastungsangriffs). Zugleich findet sich aber auch der Ausgleich diskrepanter Informiertheit durch die Nachrichten von Gefangenen: So sind die Römer vor Alesia über das Nahen des gallischen Entsatzheeres so frühzeitig informiert, dass sie entsprechende Schutzmaßnahmen treffen können (72,1). Während der Belagerung von Avaricum verra-

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Die große Relevanz, die das durch Nachrichten von Gefangenen, Überläufern oder Kundschaftern erlangte Mehrwissen für die Darstellung des Kriegsgeschehens im achten Buch besitzt, soll abschließend anhand einer Textpassage illustriert werden, die von der entscheidenden Niederlage der Bellovaker gegen Caesar berichtet. Zunächst erfährt Caesar von einem nicht näher bekannten Gefangenen (ex captivo quodam) die Pläne des Correus (16,4–17,3): Inde cum saepe in insidiis equites peditesque disponerent, magna detrimenta Romanis in pabulationibus inferebant. Quod cum crebrius accideret, ex captivo quodam comperit Caesar Correum Bellovacorum ducem fortissimorum milia sex peditum delegisse equitesque ex omni numero mille, quos in insidiis eo loco conlocaret, quem in locum propter copiam frumenti ac pabuli Romanos pabulatum missuros suspicaretur. Quo cognito consilio Caesar legiones plures, quam solebat, educit equitatumque, qua consuetudine pabulatoribus mittere praesidio consuerat, praemittit. Huic interponit auxilia levis armaturae. Ipse cum legionibus, quam potest maxime, adpropinquat. Als sie [die Bellovaker] daher häufig Reiter und Fußsoldaten in Hinterhalte verlegten, fügten sie den Römern beim Futterholen schwere Verluste zu. Als dies immer öfter geschah, erfuhr Caesar von einem Gefangenen, dass Correus, der Anführer der Bellovaker, sechstausend der kampfstärksten Fußsoldaten und insgesamt eintausend Reiter ausgewählt hatte und sie an einem Ort in den Hinterhalt lege, von dem er annahm, dass die Römer (ihre Leute) dorthin aufgrund des Reichtums an Getreide und Futter schicken würden. Nach Bekanntwerden dieses Plans mobilisierte Caesar mehr Legionen als üblich und schickte die Reiterei, die er nach seiner Gewohnheit den Futterholern gewöhnlich zum Schutz schickte, voraus. Dieser mischte er leichtbewaffnete Hilfstruppen unter. Er selbst folgte so schnell wie möglich mit den Legionen nach.

Correus sieht vor, die Römer beim Futterholen abzufangen und einen großen Teil seiner Kämpfer zu diesem Zweck an einem vielversprechenden Ort in den Hinterhalt zu legen (in insidiis … conlocaret). Das Wissen um das gegnerische Vorhaben machen Caesar und seine Soldaten sich schließlich im Gefecht zunutze (18,2–4): Explorato hostium consilio nostri ad proeliandum animo atque armis parati, cum subsequentibus legionibus nullam dimicationem recusarent, turmatim in eum locum devenerunt. Quorum adventu cum sibi Correus oblatam occasionem rei gerendae existimaret, primum cum paucis se ostendit atque in proximas turmas impetum fecit. Nostri constanter incursum sustinent insidiatorum ne-

|| ten in einer berühmten Szene die schreienden Frauen der Gallier den Ausfallplan ihrer Männer und vereiteln so deren Vorhaben (26,4–5). 39 Für ein Gegenbeispiel vgl. 15,4–16,4: Den Bellovakern gelingt es, sich durch ein Feuer der Verfolgung durch die Römer zu entziehen. Zuvor hatte der Erzähler berichtet, dass dieses Manöver zur Flucht dient. Caesar vermutet dies zwar ebenfalls (Caesar etsi discessum hostium animadvertere non poterat incendiis oppositis, tamen id consilium cum fugae causa initum suspicaretur, legiones promovet … – „Auch wenn Caesar den Abzug der Feinde wegen der gegenüberliegenden Brände nicht sehen konnte, jedoch trotzdem vermutete, dass sie ihren Plan ausgeführt hatten, um zu fliehen, ließ er seine Legionen vorrücken …“). Doch die Furcht vor einem Hinterhalt lässt die Soldaten zögern, die den Bellovakern auf diese Weise die Möglichkeit geben, sich zurückzuziehen.

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que plures in unum locum conveniunt, quod plerumque equestribus proeliis cum propter aliquem timorem accidit, tum multitudine ipsorum detrimentum accipitur. Der Plan der Feinde war ausgekundschaftet worden und deshalb rückten unsere Leute, zur Schlacht mit Herz und Hand bereit, zumal, da sie wegen der nachrückenden Legionen keinen Kampf zu fürchten brauchten, Schwadron für Schwadron an diesen Ort vor. Weil Correus bei deren Ankunft glaubte, es biete sich ihm eine gute Gelegenheit zu handeln, zeigte er sich zunächst nur mit wenigen und griff die nächstgelegenen Reiterschwadron an. Unsere Leute hielten dem Angriff der im Hinterhalt liegenden Soldaten ohne zu wanken stand und kamen nicht zu mehreren an einem Ort zusammen, was häufig in Reitergefechten einerseits aus einer gewissen Angst heraus geschieht, was andererseits aber dazu führt, dass sie gerade durch ihre Vielzahl Schaden erleiden.

In den zitierten Textpassagen dominiert erneut der oben beschriebene Fokalisierungstypus: Zentral ist dabei nicht das Verhältnis von Erzähler- und Figurenwissen – dieses ist auf Grund der internen Fokalisierung deckungsgleich – sondern vielmehr die diskrepante Informiertheit zwischen Römern und Galliern. Während die Römer wissen, welchen Plan die Bellovaker verfolgen, glauben die Bellovaker fälschlicherweise, eine günstige Gelegenheit zum Kampf zu ergreifen. Der Hinweis auf den entsprechenden Gedanken des Correus (Quorum adventu cum sibi Correus oblatam occasionem rei gerendae existimaret …) kommt zwar einer Paralepse gleich,40 dies jedoch wirkt nicht auffällig, weil Correus’ Fehleinschätzung sich als Folge unmittelbar aus den unterschiedlichen Informiertheitsgraden der beiden Kriegsparteien ergibt. Aus römischer Perspektive kann sie deshalb leicht erschlossen werden.41 Die Römer selbst profitieren gleich in mehrfacher Hinsicht von ihrem Mehrwissen. Caesar stellt seine Truppen so auf, dass die Gallier zunächst im Glauben gelassen werden, ihr Plan gehe auf (17,2–3). Die Reiter und Leichtbewaffneten können daraufhin in dem Wissen, dass die Legionen sie im Notfall unterstützen werden, ohne Angst kämpfen (18,2). Dies wiederum hat zur Folge, dass sie sich nicht, wie sonst üblich, zu ihrem eigenen Nachteil zu größeren Gruppen zusammenziehen (18,4).42 Das achte Buch zeigt also die Römer unter voller Kontrolle über den Kriegsverlauf. Ihre Kriegsführung wirkt überlegen, Gefahr besteht zu keiner Zeit. Der Informationsvorsprung, den die Römer genießen, bewirkt, dass ihr Erfolg von vornherein

|| 40 Zum Begriff vgl. Genette (2010) 125. 41 Zu einer ähnlichen Stelle (Gall. 1,13,2), in der ein Gedanke der Helvetier referiert wird, schreibt Görler (1976) 115: „Aber diese Äußerung ist mit der personalen Innensicht Caesars noch vereinbar. Caesar kann, auch ohne über das Allwissen eines auktorialen Erzählers zu verfügen, aus dem Verhalten der Helvetier ihren Gemütszustand erschließen.“ Vgl. hierzu auch Schauer (2016) 145f. 42 Im weiteren Verlauf des Kampfes erwächst den römischen Truppen ein weiterer Vorteil daraus, dass sie zu Beginn nicht überrascht wurden und deshalb auch keine Verluste zu verzeichnen haben (19,3).

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feststeht. ‚Spannung auf den Ausgang‘ wird auf diese Weise nicht erzeugt.43 Stattdessen kann das Lesepublikum aus überlegener Position mitverfolgen, wie Caesar und seine Legaten Erfolg um Erfolg verbuchen können.

4.3 Stimme: Die militärische Expertise des Erzählers 4.3.1 Vorbemerkung Das Urteil, das Alfred Klotz in seinen einflussreichen Cäsarstudien über Hirtius als Schriftsteller fällt, nimmt sich weitgehend negativ aus: Unter der Überschrift „Das Unmilitärische im Stil des Hirtius“ rekonstruiert Klotz unter Rückgriff auf die entsprechenden Bemerkungen in Ciceros Briefen Hirtius’ Charakter als den eines effeminierten Gourmets. Anschließend wendet er sich der Analyse des achten Buches zu und versucht, in der Sprache des Hirtius Indizien zu finden, die seinen unmilitärischen Charakter verraten.44 Die hier vorgelegte Analyse wird einen anderen Fokus setzen: Infolge der narratologischen Ausrichtung der Arbeit geht es nicht darum, zu untersuchen, ob Hirtius etwas vom Kriegswesen verstand oder nicht. Vielmehr wird die Frage nach der Gestaltung der Erzählstimme leitend sein. Allerdings ist das mit dieser Fragestellung gewonnene Ergebnis angesichts der Klotz’schen Analyse doch überraschend: Der Erzähler des achten Buches gibt sich als ausgewiesener Militärexperte zu erkennen, indem er das Kriegsgeschehen innerhalb von Parenthesen kommentiert und deutet, Kriegsereignisse der vergangenen Jahre in seine Darstellung miteinbezieht und auf Caesars Feldherrntugenden rekurriert.45

4.3.2 Querverweise und Parenthesen als Wortmeldungen des Erzählers Äußerungen des Erzählers in der ersten Person sind im achten Buch nicht häufiger als im restlichen Bell. Gall.46 Wenn man die epistula ad Balbum und die zweite Vor|| 43 Welch (1998) 88: „[Book 8] is arguably the most boring book in the Caesarian corpus …“. 44 Vgl. Klotz (1910) 160–180. Dessen Analyse blieb nicht lange unwidersprochen: Vgl. Bojkowitsch (1924/25) 178–188; (1926/27) 71–81; 221–232. 45 Zum Begriff der Inszenierung von Kompetenz vgl. Fuhrer (2012) 129–131. 46 Nach Rüpke (2015) 136 ist der Erzähler des achten Buchs „aufdringlich präsent“. Ich zähle jedoch auch im siebten Buch des Bell. Gall. wenigstens 10 Querverweise „des Typs ut supra demonstravimus“ (Rüpke 2015, ebd.): 17,1; 23,2; 37,1; 48,1; 58,3; 70,1; 76,1; 79,2; 83,8; 85,4. Hinzu kommt eine besonders auffällige Wortmeldung des Erzählers in der ersten Person: accidit inspectantibus nobis quod dignum memoria visum praetereundum non existimavimus (25,1, vgl. hierzu auch Reijgwart 1993, 27f.). Zu Querverweisen und Kommentaren als Mittel der literarischen Selbstinszenierung vgl. Fuhrer (2012) 131f.

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rede (48,10–11) nicht berücksichtigt, bleiben einige solcher Einwürfe übrig, die allerdings lediglich deshalb auffällig sind, weil die Prädikate – anders als gewöhnlich bei Caesar – regelmäßig im Singular stehen (docui, scripsi, commemoravi).47 Vergleicht man hingegen nicht die Quantität, sondern die Funktion dieser Wortmeldungen, stellt man fest, dass diese den gelegentlichen Wortmeldungen des Erzählers bei Caesar sehr ähnelt: Es handelt sich ausschließlich um Querverweise (oder, narratologisch gesprochen, eine Form der repetitiven Analepse),48 die die Erzählung strukturieren. Sie lenken die Aufmerksamkeit für einen Moment auf den Erzähler als Organisator des Textes, lassen aber keine Rückschlüsse in der Frage zu, ob dieser darüber hinaus auch als eine der handelnden Figuren fungiert. Da dies im achten Buch nicht der Fall ist, der Erzähler sich selbst also ausschließlich in seiner Funktion als Erzähler darstellt, ist dieser homodiegetisch nur in dem Sinne, wie er für die caesarischen commentarii als konstitutiv bestimmt wurde (vgl. Kap. 3.2.4). Im achten Buch begegnet allerdings noch eine andere Form des Rückgriffs auf zuvor Berichtetes. Der Erzähler verweist nämlich nicht nur auf den eigenen Text, sondern einige Male auch auf das siebte Buch des Bell. Gall., wie zum Beispiel an folgender Stelle (30,1–2):49 Qua ex fuga cum constaret Drappetem Senonem, qui, ut primum defecerat Gallia, collectis undique perditis hominibus, servis ad libertatem vocatis, exulibus omnium civitatum adscitis, receptis latronibus impedimenta et commeatus Romanorum interceperat, non amplius hominum duobus milibus ex fuga collectis provinciam petere unaque consilium cum eo Lucterium Cadurcum cepisse, quem superiore commentario prima defectione Galliae facere in provinciam voluisse impetum cognitum est, Caninius legatus cum legionibus duabus ad eos persequendos contendit, ne detrimento aut timore provinciae magna infamia perditorum hominum latrociniis caperetur. Es stand fest, dass auf seiner Flucht der Senone Drappes, der, kaum dass Gallien abgefallen war, überall verdorbene Menschen um sich geschart, Sklaven die Freiheit versprochen, die

|| 47 Vgl. Gaertner/Hausburg (2013) 269f. Folgende Querverweise dieser Art finden sich im achten Buch: Der Rückgriff Commius, quem profectum ad auxilia Germanorum arcessenda docui (10,4) verweist auf Kap. 7,5, levis armaturae pedites, quos ante legiones missos esse docui (19,2) verweist auf Kap. 17,3, Drappes, quem captum esse a Caninio docui (44,2) verweist auf Kap. 36,5; Lucterius, quem profugisse ex proelio scripsi (44,3) verweist auf Kap. 35,5. Die Formulierung illam vulnerationem, quam supra commemoravi (47,2) fasst als einzige eine etwas längere Textpassage zusammen (23,2–6); vgl. hierzu ausführlich Abschn. 4.4.4. 48 Vgl. Genette (2010) 31. 49 Weitere Beispiele: Der Rückgriff legiones XIIII. et sextam ex hibernis ab Arari ducit, quas ibi conlocatas explicandae rei frumentariae causa superiore commentario demonstratum est (4,3) verweist auf Gall. 7,90,7; namque in acie sedere Gallos consuesse superioribus commentariis (Schönberger) declaratum est (15,5) verweist nach Klotz (1910) 175 auf Stellen wie Gall. 3,17,5 (cum Viridovix contra eum duorum milium spatio consedisset), allerdings ist der Text hier unsicher (vgl. den Apparat in der Teubner-Ausgabe Seels, Bojkowitsch 1926/27, 75 und Garzetti 1993, 1145); cum in Carnutes venisset, quorum in civitate superiore commentario Caesar exposuit initium belli esse ortum (38,3) verweist auf Gall. 7,2,1, vgl. hierzu ausführlich Abschn. 4.3.3.

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Verbannten aller Städte zu sich geholt, Räuber bei sich aufgenommen und daraufhin die Versorgung und den Nachschub der Römer abgeschnitten hatte, mit nicht mehr als zweitausend Menschen, die er auf der Flucht um sich geschart hatte, in Richtung Provinz zog. Gemeinsam mit ihm hatte der Kadurker Lucterius, von dem im letzten commentarius berichtet wurde, dass er beim ersten Abfall Galliens einen Angriff auf die Provinz führen wollte, den Plan gefasst. Deshalb machte sich der Legat Caninius mit zwei Legionen auf, sie zu verfolgen, damit der Provinz durch Schaden und Angst, die durch Raubzüge verdorbener Menschen entstehen, keine große Schande entstehe.

Der lange Nebensatz (qua ex fuga … cognitum est) dient dazu, die Gefährlichkeit der beiden Gallier Drappes und Lucterius vor Augen zu stellen und damit zu begründen, weswegen ein Eingreifen des Caninius mit zwei Legionen unumgänglich ist.50 Beide Gallier werden mit ihrer Vorgeschichte vorgestellt: Von Drappes hören wir an dieser Stelle zwar zum ersten Mal im gesamten Bell. Gall., doch ist er für die Römer kein Unbekannter. Denn er hatte – was der Erzähler des siebten Buches nicht berichtet – schon im Jahr zuvor (ut primum defecerat Gallia) versucht, einen Teil der römischen Truppen von Gepäck und Nachschub abzuschneiden. Bei der Vorstellung des Lucterius kann der Erzähler hingegen kürzer sein, denn von ihm war im siebten Buch bereits die Rede. Lucterius, der bereits hier das Epitheton homo summae audaciae (7,5,1) erhalten hatte, bedroht die colonia Narbo und zwingt Caesar, während er versucht, sich mit seinen Legionen zu vereinigen,51 zunächst dorthin aufzubrechen (7,7,3). Insofern dient der Verweis auf das siebte Buch zunächst der Erzählökonomie. Doch erweist sich der Erzähler dadurch gleichzeitig als profunder Kenner der caesarischen commentarii. Er weiß, dass Drappes in der Darstellung Caesars nicht vorkommt und er dessen Operationen des Jahres 52 nachzutragen hat.52 Ferner erinnert er sich daran, dass der Erzähler des siebten Buches Lucterius, bei dem es sich um nicht mehr als eine Randfigur handelt, zu Beginn des siebten Buches kurz erwähnt.53 Der Verweis auf das siebte Buch, wie er an dieser Stelle und noch drei weitere Male im achten Buch begegnet,54 lässt sich aus diesem Grund als Kompetenznachweis des Erzählers verstehen. Gerade vor dem Hintergrund der epistula ad Balbum, deren zentrales Anliegen, wie gesehen, in der Legitimierung des eigenen Schreibens besteht, ist dieser Befund von Bedeutung. Er zeigt ein weiteres Mal, dass die in der epistula angesprochenen Themen für den Erzähler des achten Buches unverändert relevant sind.

|| 50 Vgl. Buffa (1986) 27. 51 Vgl. Gall. 7,6, zit. oben, Abschn. 4.2.3. 52 Vgl. auch 24,3: Einen Angriff auf Tergeste i. J. 52 vor Augen, der im siebten Buch aber keine Erwähnung findet, entsendet Caesar die zwölfte Legion in die Provinz. 53 Schon wenig später ist die Gefahr, die von Lucterius ausging, gebannt (7,8,1). In den großen Schlachten des Jahres 52 spielt er keine Rolle. 54 Vgl. Anm. 49.

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Ein weiterer Punkt verdient Beachtung: An keiner Stelle im achten Buch verweist der Erzähler auf libri oder scripta Caesaris, stets wählt er den spezifischen Begriff commentarius. Durch den Bezug auf den „letzten commentarius“ wird einerseits Caesars Werk über den Gallischen Krieg als Sammlung von commentarii aufgefasst. Andererseits nimmt auch der Erzähler für sich selbst in Anspruch, ebenfalls einen commentarius zu verfassen. Dies spricht dafür, eine Aussage des Typs superiore commentario … cognitum est als eine Art Paratext zu verstehen, der den Text einer bestimmten Textsorte zuweist, ein Aspekt, dessen Grundlegung sich ebenfalls bereits in der epistula ad Balbum findet.55 Neben Querverweisen und Verweisen auf das siebte Buch nutzt der Erzähler gelegentlich auch Parenthesen, um Ereignisse zu kommentieren. Sie lassen sich gleichfalls als Mittel des Kompetenznachweises deuten.56 Indem beispielsweise das Kriegsgeschehen im folgenden Satz auf einen allgemeinen Grundsatz zurückgeführt wird, weist der Erzähler nach, dass er militärisch geschult ist: Er ist in der Lage, in einem konkreten Geschehen das Muster zu erkennen (19,3):57 Pugnatur aliquamdiu pari contentione. Deinde, ut ratio postulabat proelii, qui sustinuerant primos impetus insidiarum, hoc ipso fiunt superiores, quod nullum ab insidiantibus inprudentes acceperant detrimentum. Einige Zeit wurde mit gleicher Kraft gekämpft. Dann erlangten, wie es die Regel des Kämpfens erforderte, diejenigen, die den ersten Angriffen aus dem Hinterhalt standgehalten hatten, genau deshalb Überlegenheit, weil sie nicht unwissend einen Verlust durch die im Hinterhalt Wartenden erlitten hatten.

Neben militärischen Kenntnissen verfügt der Erzähler auch über ethnographisches Wissen. Unter anderem ist er über die feindlichen Techniken der Kriegsführung informiert. So seien es die „Barbaren“ gewohnt, ihr Lager an Flussufern aufzuschlagen (36,3):58 Cum propius hostes accessisset, ab exploratoribus, quos praemiserat, cognoscit castra eorum – ut barbarorum fere consuetudo est – relictis locis superioribus ad ripas esse fluminis demissa, … Als er [Caninius Rebilus] näher an die Feinde herangerückt war, erfuhr er von Kundschaftern, die er vorausgeschickt hatte, dass sie die Höhen verlassen und ihr Lager – wie es bei den Barbaren gemeinhin üblich ist – an die Flussufer verlegt hatten …

|| 55 Vgl. Kap. 2, Anm. 45. 56 Vgl. Buffa (1986) 25. 57 Vgl. 3,1; 8,3; 18,4 für weitere Beispiele im achten Buch, und ferner z. B. Gall. 4,29,3. 58 Vgl. 14,2 für ein weiteres Beispiel im achten Buch, und ferner z. B. Gall. 4,5,2. Zur Bezeichnung der Feinde als barbari in Bell. Gall. 8 vgl. Dauge (1981) 110 mit Anm. 124 und Kremer (1994) 196–201.

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Ein drittes Textbeispiel schließlich zeigt, dass der Erzählerkommentar nicht allein der Modellierung der Stimme dient, sondern auch dazu geeignet ist, die Deutung eines Ereignisses im Sinne des Erzählers zu beeinflussen. Wie in der ersten der beiden zuvor besprochenen Passagen erklärt der Erzähler mittels Parenthese ein Kriegsereignis als Bestätigung einer Faustregel: Wird eine Tätigkeit zur Routine, lässt die Aufmerksamkeit mit der Zeit meist nach. Im konkreten Fall gelingt es den Bellovakern, einen Hinterhalt zu legen und die Remer, Verbündete der Römer, in diese Falle zu locken. Doch wird den Remern ihr unvorsichtiges Verhalten nicht zum Vorwurf gemacht. Vielmehr wirkt das Ereignis durch die in der Parenthese gegebene Information fast wie vom Schicksal bestimmt (12,1–3):59 Quod cum cotidie fieret ac iam consuetudine diligentia minueretur – quod plerumque accidit diuturnitate –, Bellovaci delecta manu peditum cognitis stationibus cotidianis equitum nostrorum silvestribus locis insidias disponunt eodemque equites postero die mittunt, qui primum elicerent nostros insidias, deinde circumventos adgrederentur. Cuius mali sors incidit Remis, quibus ille dies fungendi muneris obvenerat. ________ insidias : insidiae; Schönberger Als dies tagtäglich geschah und die Aufmerksamkeit bereits durch die Gewohnheit gemindert wurde – etwas, was nach längerer Zeit öfter geschieht –, legten die Bellovaker mit einer auserlesenen Handvoll Fußsoldaten, nachdem sie die täglichen Posten unserer Reiter in Erfahrung gebracht hatten, in einer bewaldeten Gegend einen Hinterhalt und schickten am folgenden Tag Reiter eben dorthin, die zunächst unsere Leute in den Hinterhalt locken und daraufhin die Umstellten angreifen sollten. Das Los dieses Unglücks traf die Remer, denen jener Tag zugefallen war, diese Aufgabe auszuüben.

Ohne die Parenthese wäre den römischen Truppen und ihren Verbündeten ihre mangelnde Aufmerksamkeit als Kritik anzulasten. Doch indem der Erzähler sie als häufige Folge eines länger andauernden Stellungskriegs erklärt, nimmt er die Soldaten in Schutz. Die Remer, die den Bellovakern schließlich in die Falle gehen, sind nicht so sehr selbst für ihr Unglück verantwortlich zu machen, Ursache der Niederlage ist vielmehr der unglückliche Zufall (mali sors).

4.3.3 Die virtutes Caesaris am Beispiel der clementia und der cura militum Die im vergangenen Kapitel behandelten Erzählerkommentare stellen nicht die einzige Möglichkeit für den Erzähler dar, sich zu profilieren. Schon in den ersten Kapiteln des achten Buches weist er nach, dass er über eine umfassende Kenntnis der caesarischen Feldherrntugenden verfügt.60 Die Sorge Caesars um seine eigenen || 59 Vgl. 10,3 für ein weiteres Beispiel aus dem achten Buch. 60 Zu den virtutes Caesaris vgl. z. B. Rambaud (1966) 243–293; Ramage (2003).

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Soldaten (cura militum) bringt er gleich im ersten Kapitel zur Sprache,61 Caesars Schnelligkeit (celeritas) garantiert wenig später den Erfolg gegen die Biturigen,62 Caesars Milde (clementia) schließlich ermöglicht es den Biturigen, nach der Stellung von Geiseln wieder in Frieden aufgenommen zu werden (cum sibi viderent clementia Caesaris reditum patere in eius amicitiam …, idem fecerunt, 3,5).63 Das folgende Kapitel ist diesen Tugenden gewidmet: An welchen Stellen rekurriert der Erzähler auf sie und inwiefern trägt dies zur Inszenierung seiner Hauptfigur Caesar bei? Der commentarius des Jahres 51 setzt mit den Wintermonaten ein. In den ersten Kapiteln stellt der Erzähler den harten Winter als natürlichen Feind dar, der einerseits den Soldaten Gelegenheit bietet, ihre Tapferkeit unter Beweis zu stellen, andererseits Caesars enges Verhältnis zu seinen Soldaten evident werden lässt. Bereits die Eingangspassage zeigt, wie gesehen (Kap. 4.3.2), Caesar als fürsorglichen Feldherrn: Seine Soldaten sollen sich nach den Strapazen der vergangenen Kriege in den Winterlagern erholen. Damit ist ein Aspekt der Figurencharakteristik Caesars eingeführt, der in der Eingangspartie des achten Buches dominant bleiben wird: Für den erfolgreichen Feldzug gegen die Biturigen zeichnet Caesar seine Soldaten besonders aus, „die an winterlichen Tagen, auf sehr schweren Märschen und bei unerträglicher Kälte aufs Eifrigste bei der Arbeit geblieben waren“ (qui brumalibus diebus, itineribus difficillimis, frigoribus intolerandis studiosissime permanserant in labore, 4,1).64 Wenig später melden die gerade besiegten Biturigen, die Karnuten hätten einen Krieg gegen sie begonnen, und bitten Caesar um Hilfe (4,2). Auf diese Nachrichten hin bricht er erneut aus dem Winterlager auf, „um die Karnuten zu verfolgen“ (ad persequendos Carnutes proficiscitur, 4,3). Doch das schlechte Wetter vereitelt Caesars Plan (5,1–2): Cum fama exercitus ad hostes esset perlata, calamitate ceterorum ducti Carnutes desertis vicis oppidisque, quae tolerandae hiemis causa constitutis repente exiguis ad necessitatem aedificiis incolebant – nuper enim devicti complura oppida dimiserant –, dispersi profugiunt. Caesar erumpentes eo maxime tempore acerrimas tempestates cum subire milites nollet, in oppido Carnutum Cenabo castra ponit atque in tecta partim Gallorum, partim que conlatis celeriter stramentis tentoriorum integendorum gratia erant inaedificata, milites conpegit. Als das Gerücht vom (nahenden) Heer zu den Feinden gedrungen war, flohen die Karnuten, von der Niederlage der übrigen Stämme getrieben, in alle Richtungen. Dabei ließen sie ihre Dörfer und Siedlungen zurück, die sie in kärglichen Gebäuden bewohnten, die zum Schutz vor dem Winter hastig mit Blick auf das Nötigste errichtet worden waren – vor Kurzem waren sie nämlich besiegt worden und hatten mehrere Städte verloren. Weil Caesar nicht wollte, dass

|| 61 Vgl. 1,1 (zit. oben, Abschn. 4.2.2). 62 Vgl. 3,1 und 3,4. 63 Vgl. auch Ramage (2003) 344. 64 Die Anschaulichkeit, mit der das Trikolon die Entbehrungen beschreibt, betont Buffa (1986) 25: „[S]olo chi le conosceva personalmente poteva descrivere con toni così realistici le difficoltà incontrate dai soldati soprattutto nella stagione invernale, durante faticose marce tra luoghi impervi“.

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sich die Soldaten den schwersten, gerade zu dieser Zeit ausbrechenden Stürmen aussetzten, schlug er sein Lager in der Karnutenstadt Cenabum auf und zwängte sie teils in gallische Behausungen, teils in solche, die mit rasch gesammeltem Stroh errichtet worden waren, um die Zelte damit zu decken.

Auch wenn der Erzähler über das Schicksal der Karnuten im Anschluss informiert, indem er sagt, sie seien, ihrer Behausungen beraubt, durch die Härte des Winters aufgerieben worden (Carnutes hiemis difficultate … dispersi magna parte amissa suorum dissipantur in finitimas civitates, 5,4), so ist Caesars Feldzug doch als Misserfolg zu werten. Dies zeigt eine spätere Passage im achten Buch: Die Karnuten sind nämlich Mitte des Jahres bereits wieder in der Lage, den Andekaverfürsten Dumnacus bei seiner Belagerung von Lemonum zu unterstützen und werden erst nach dessen Scheitern von Caesars Legaten C. Fabius unterworfen (31,1–4), ein besonderer Erfolg, wie der Erzähler vermerkt, da die Karnuten „obwohl häufig bedrängt, nie den Frieden erwogen hatten“ (saepe vexati numquam pacis fecerant mentionem, 31,4).65 Dass Caesar zu Beginn des Jahres gegen die Karnuten nicht wie geplant vorgehen konnte, begründet der Erzähler mit den Unbilden des Winterwetters. Dabei stehen jedoch nicht die Nachteile im Vordergrund, die Caesar aus den widrigen Bedingungen erwachsen, vielmehr wird der Abbruch des Feldzugs positiv gedeutet, da in dieser Entscheidung Caesars Fürsorge gegenüber seinen Soldaten greifbar wird: Er kann es nicht verantworten, sein Heer der Witterung auszusetzen. Dass in dieser Situation sogar einem Winterlager in Cenabum, wo Caesar seine zwei Legionen in behelfsmäßig zusammengezimmerte Hütten zwängen muss (conpegit),66 der Vorzug vor der Verfolgung der Karnuten zu geben ist, unterstreicht die Notwendigkeit, aber auch die Weitsicht der Entscheidung, die Caesar zum Schutz seiner Soldaten trifft. Die Betonung der caesarischen cura militum dient dem Erzähler also nicht nur zur Selbstmodellierung und zur Modellierung seiner Hauptfigur, vielmehr gelingt es ihm auf diese Weise, einen militärischen Rückschlag zu kaschieren. Die Darstellung Caesars als fürsorglichen Feldherrn beschränkt sich im Wesentlichen auf die Anfangspartie des achten Buches. Im Gegensatz dazu stellt eine andere Feldherrntugend, die der clementia, geradezu eine Leitlinie der caesarischen

|| 65 Die Formulierung zeigt ex post, dass es sich bei der Bemerkung im fünften Kapitel (Oppressi Carnutes … dispersi magna parte amissa suorum dissipantur in finitimas civitates) um ein „false ending“ im Sinne Jervis’ (2001) 189–191 gehandelt hat. Die Karnuten schienen gänzlich besiegt, bis schließlich klar wird, dass sie zu keinem Zeitpunkt als unterworfen gelten konnten. Vgl. auch Schulz (2010) 166. 66 Die Hss. überliefern contegit, das von Thomas Bentley zu conpegit emendiert wurde. Das Verbum conpingere (i. S. v. cogere, vgl. ThlL s. v. I, c) ist zwar im ganzen Corpus Caesarianum ἅπαξ λεγόμενον, passt semantisch aber ausgezeichnet zur drastischen Darstellung der Widrigkeiten, wie sie in der präzisen Beschreibung der notdürftigen Behausungen zum Ausdruck kommt.

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Politik im letzten Kriegsjahr dar.67 Nach Caesars eigener Überzeugung ist sie in Gallien allgemein bekannt (Caesar cum suam lenitatem cognitam omnibus sciret, 44,1), eine Einschätzung, die sich mit dem restlichen Bericht deckt: So appellieren auch die Legaten, die die Bellovaker nach ihrer Niederlage gegen Caesar mit den Friedensverhandlungen beauftragen, an Caesars Milde und Menschlichkeit (pro sua clementia atque humanitate, 21,2). Der Erzähler folgt an dieser Stelle erneut den Spuren der caesarischen commentarii, denn es waren gerade die Bellovaker, die über ihren Fürsprecher, den Haeduer Diviciacus, bereits im zweiten Kriegsjahr mit fast denselben Worten bei Caesar um Schonung gebeten hatten (2,14,1–5):68 Pro his Diviciacus – nam post discessum Belgarum dimissis Haeduorum copiis ad eum reverterat – facit verba: … petere non solum Bellovacos, sed etiam pro iis Haeduos, ut sua clementia ac mansuetudine in eos utatur. Für sie [die Bellovaker] trat Diviciacus – denn er war nach Abzug der Belger und nachdem er die Truppen der Haeduer entlassen hatte, zu ihm [Caesar] zurückgekehrt – mit den Worten ein: Es wünschten sich nicht nur die Bellovaker, sondern auch die Haeduer um ihretwillen, dass er gegen sie milde und großmütig verfahre.

Dass die Bellovaker sich im Jahr 51 erneut – und erneut erfolgreich – auf Caesars clementia berufen können, ist singulär. Denn für das Bell. Gall. ist eine derart prononcierte Darstellung der caesarischen clementia, wie sie im achten Buch begegnet, ungewöhnlich.69 Ihre Aufnahme in den caesarischen Tugendkatalog mag daher auf den ersten Blick deplatziert scheinen.70 Sie erklärt sich aber, wenn man bedenkt, dass das achte Buch auch als Brücke vom Bell. Gall. zum Bell. civ. fungiert.71 Vor diesem Hintergrund wird das Bestreben, die Charakterdarstellung Caesars zu harmonisieren und, im konkreten Fall, dessen clementia als natürliche Disposition des Feldherrn zu erweisen, die bereits den Umgang mit den Feinden in Gallien prägt, durchaus verständlich, auch wenn dies zur Folge hat, dass auf diese Weise die Unterscheidung zwischen auswärtigem Feind, der auf Schonung nicht zu hoffen

|| 67 Dies zeigt insbesondere Campi (1997) 263–270. Vgl. auch Coulon-McIntosh (2011) 23f. 68 Die Textpassage in ihrem Kontext betrachtet Grillo (2012) 95–97. 69 Das Motiv der clementia wird vor allem im Bürgerkrieg wichtig (vgl. u. a. Ducos 2004/5) und ist ein zentrales Element der Darstellung Caesars im ersten Buch des Bell. civ. (vgl. u. a. Grillo 2012, 78– 105; Olshausen 2013; Peer 2015, v. a. 67–71), auch wenn der Begriff selbst im Bell. civ. bekanntlich fehlt (vgl. u. a. Konstan 2005, v. a. 341 mit Anm. 9). Im Bell. Gall. hingegen ist das Motiv weniger präsent (vgl. Campi 1997, 253–263; Barden Dowling 2006, 20f.). Rambaud (1966) 287 erklärt die clementia, die Caesar den Bellovakern im zweiten Buch gewährt, als Zugeständnis an die verbündeten Haeduer. 70 Vgl. Richter (1977) 198; Powell (1998) 130f.; Schauer (2016) 241. 71 Vgl. dazu unten, Abschn. 4.4; ferner Garzetti (1993) 1151f.

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braucht, und politischem Gegner im Bürgerkrieg nivelliert wird.72 An diesem Punkt offenbart sich schließlich auch eine Parallele mit den Darstellungsabsichten ‚echter‘ pseudepigraphischer Texte, insofern ihre Erzähler ebenfalls versuchen, Charakterzüge des imitierten Dichters, die sich in dessen eigenen Werk erst später offenbaren werden, in ihrem Text zu präfigurieren.73 Der Unterschied besteht lediglich darin, dass das Interesse an einer Manipulation der Biographie des großen Vorbilds nicht der Lust am gelehrten literarischen Spiel, sondern handfesten politischen Erwägungen entspringt. Brisant ist dabei, dass der ‚Beweis‘ dafür, dass die clementia Caesars keineswegs politischem Kalkül, sondern innerer Neigung entspringe,74 in Bell. Gall. 8 gerade an einer Stelle geführt wird, an der Caesar nicht in der Lage ist, seine berühmte Milde zu gewähren (38,3–5). Cum in Carnutes venisset, quorum in civitate superiore commentario Caesar exposuit initium belli esse ortum, quod praecipue eos propter conscientiam facti timere animadvertebat, quo celerius civitatem timore liberaret, principem sceleris illius et concitatorem belli Gutuatrum ad supplicium deposcit. Qui etsi ne civibus quidem suis se committebat, tamen celeriter omnium cura quaesitus in castra perducitur. Cogitur in eius supplicium contra naturam suam Caesar maximo militum concursu, qui ei omnia pericula et detrimenta belli a Gutuatro accepta referebant, adeo ut verberibus exanimatum corpus securi feriretur. ________ a Gutuatro del. Schönberger Nachdem er zu den Karnuten gekommen war, in deren Land, wie Caesar im letzten commentarius dargelegt hat, der Krieg begonnen hatte, suchte er, weil er sah, dass besonders diese sich wegen der Mitwisserschaft an dieser Tat ängstigten, um das Land möglichst schnell von Angst zu befreien, den Drahtzieher jenes Verbrechens und Anstifter zum Krieg, Gutuatrus, zu bestrafen. Auch wenn dieser sich nicht einmal seinen Mitbürgern anvertraute, wurde er trotzdem schnell, nachdem er unter aller Mithilfe gesucht worden war, ins Lager geführt. Gegen ihn wurde Caesar zu einer Strafe wider seine Natur gezwungen, durch einen gewaltigen Auflauf der Soldaten, die ihn an alle Gefahren und Verluste im Krieg erinnerten, die ihnen Gutuatrus beigebracht hatte. Dies ging so weit, dass er ihn zuerst halbtot prügeln und dann mit dem Beil hinrichten ließ.

|| 72 So die m. E. zutreffende Beobachtung Powells (1998) 131. Vgl. hierzu auch Hering (1966), der den „Humanitätsbegriff in den innenpolitischen Auseinandersetzungen“ scharf von der „humanitas in der römischen Außenpolitik“ trennt (ebd., S. 70). Die Kontinuität der caesarischen clementia-Politik wird ebenfalls betont im Bell. Hisp. 17,3, wo Caesar die Worte spricht: „Qualem gentibus me praestiti, similem in civium deditione praestabo.“ – „Wie ich mich gegen fremde Völker verhalten habe, so werde ich mich auch bei der Kapitulation von Bürgern verhalten.“ Auch in diesem Zusammenhang wurde auf die unangemessene Parallelisierung von auswärtigem Krieg und Bürgerkrieg hingewiesen (Pascucci 1965, 246). 73 Vgl. Peirano (2012) 201 zum Dichter des Culex. 74 Die Frage hat vor allem die ältere Forschung beschäftigt, vgl. Treu (1948) und Rambaud (1972).

Stimme: Die militärische Expertise des Erzählers | 73

Als Caesar auf seinen friedenssichernden Märschen durch ganz Gallien (38,2) zu den erst jüngst von seinem Legaten C. Fabius befriedeten Karnuten (31,1–5) gelangt, entscheidet er sich dazu, an Gutuatrus, den er als Anstifter zum Krieg (belli concitator) identifiziert, eine exemplarische Strafe zu vollstrecken. Die tatsächliche Bestrafung, zu der Caesar von seinen eigenen Soldaten gezwungen wird (cogitur), mündet jedoch in einen Gewaltexzess und der Erzähler scheut sich nicht, diesen mit präzisen Worten zu beschreiben.75 Caesar verliert für einen Augenblick die Kontrolle über seine Soldaten und wirkt passiv.76 Dieser temporäre Verlust an auctoritas führt jedoch dazu, dass er von jeder Verantwortung für den Gewaltakt gegen Gutuatrus freigesprochen werden kann – er ist „gegen seine Natur“ (contra naturam suam). Auch die Motive, die Caesar und seine Soldaten jeweils dazu veranlassen, Gutuatrus zu bestrafen, unterscheiden sich. Die Soldaten denken egozentrisch. Für sie ist die Tötung des Gutuatrus ein Akt der Rache und sie versuchen, indem sie Caesar die Schlechtigkeit des Galliers vor Augen stellen (ei omnia pericula et detrimenta belli a Gutuatro accepta referebant), ihr Verlangen nach Rache vor ihrem Feldherrn als legitim darzustellen. Auch hier ist der Bezug auf ein Ereignis des siebten Buches wieder deutlich zu erkennen: Schon im siebten Buch dient nämlich ein Anschlag auf römische Bürger in Cenabum (Gall. 7,3,1), den ein Cotuatus zu verantworten hat, als Rachemotiv und als Rechtfertigung für Gewalt.77 Allein wegen der Morde von Cenabum sind Caesars Soldaten nämlich bereit, alle Entbehrungen der Belagerung von Avaricum auf sich zu nehmen, wenn dadurch die getöteten Römer gerächt werden können (7,17,7–8). Nach der Eroberung der Stadt schrecken sie dann nicht einmal vor der Tötung der Alten, Frauen und Kinder zurück, wieder mit Verweis auf das in Cenabum erlittene Unrecht (7,28,4).78 Caesars Denken und Handeln hingegen wird selbst bei der Bestrafung von Feinden noch als altruistisch dargestellt. Weit entfernt davon, persönliche Rachegelüste befriedigen zu wollen, bezweckt er mit der Bestrafung des Gutuatrus, die Karnuten von ihrer Angst vor einer Kollektivstrafe zu befreien (quo celerius civitatem timore liberaret).

|| 75 Nach Melchior (2004) 129 unterscheidet sich das achte Buch hinsichtlich der Anschaulichkeit, mit der Gewalt beschrieben wird, von den commentarii Caesars. Ein Blick auf die von Collins (1972) 934f. zusammengestellten Textpassagen aus dem Bell. Gall., die (römische) Gewaltakte zum Thema haben, bestätigt diesen Eindruck. 76 Vgl. Melchior (2004) 127–129; Coulon-McIntosh (2011) 23. 77 Durch den Querverweis superiore commentario Caesar exposuit wird der intertextuelle Bezug explizit gemacht, vgl. Melchior (2004) 128f. 78 Es scheint mir vor diesem Hintergrund ausgesprochen wahrscheinlich, dass es sich bei dem im achten Buch genannten Gutuatrus/Gut(t)ruatus/Gutuater um den Gall. 7,3,1 erwähnten dux Carnutum Cotuatus handelt (so auch richtig Meusel gegen Dittenberger in Kraner/Dittenberger/Meusel 1966, 54).

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4.4 Ordnung: Die bevorstehenden Bürgerkriege im achten Buch des Bell. Gall. 4.4.1 Vorbemerkung Zu Beginn des neuen Kapitels sei noch einmal an die Formulierung erinnert, die Hirtius in der epistula ad Balbum wählt, um seine Tätigkeit als Verfasser des achten Buches zu beschreiben: Caesaris nostri commentarios rerum gestarum Galliae, non competentibus superioribus atque insequentibus eius scriptis, contexui (praef. 2, vgl. Kap. 2.4.1). Das Prädikat contexui fasst zwei verschiedene Aspekte der Textproduktion zusammen. Der vorige Abschnitt befasste sich vornehmlich mit Techniken des Anschließens an Gall. 1–7. Doch erfüllt das achte Buch, der Aussage des Hirtius gemäß, nicht nur den Zweck einer Verknüpfung mit den superiora scripta Caesaris, sondern auch mit den insequentia scripta, also Caesars Büchern über den Bürgerkrieg. Doch wie wird dieser zweite Aspekt, eine Verknüpfung mit dem Bell. civ., im Text umgesetzt? Dieser Frage wird im Rahmen dieses Abschnitts nachgegangen, indem ich aufzeige, mit welchen erzähltechnischen Mitteln die Integration von Ereignissen, die mit dem bevorstehenden Krieg mit Pompeius im Zusammenhang stehen, in den Text erfolgt. Weil in diesem Zusammenhang Ereignisse aus gleich drei Jahren – 52, 51 und 50 – behandelt werden, steht das folgende Kapitel im Zeichen der Erzählordnung. Doch noch ein viertes Jahr ist in diesem Zusammenhang von Relevanz: das Jahr der Erzählzeit. Denn insbesondere die Charakteristik der Figur des M. Antonius kann auch vor dem Hintergrund der politischen Eskalation des Jahres 44 gedeutet werden, die wenig später in einen weiteren Bürgerkrieg führen wird (vgl. Kap. 4.4.5).

4.4.2 Die Überleitung vom commentarius zum Addendum (Gall. 8,48,10–11) Eine potentielle Thematisierung der Bürgerkriege im achten Buch des Bell. Gall. kollidiert, allgemein gesprochen, mit zwei Konventionen, die Caesar für seine commentarii festgelegt hat. Das von Caesar verfolgte ‚annalistische‘ Prinzip, demgemäß den Ereignissen eines Kriegsjahrs in Gallien jeweils genau ein commentarius entspricht,79 schränkt erstens die Möglichkeit, sich einer Prolepse zu bedienen, um spätere Bürgerkriegsereignisse mit dem Geschehen in Gallien zu verknüpfen, stark

|| 79 Vgl. aber Mensching (1988) 93, der darauf Wert legt, dass Caesar „‚ein Buch pro Sommer‘“ geschrieben habe.

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ein.80 Zweitens sorgt der konsequente Fokus auf die res gestae Galliae, infolgedessen innenpolitische Vorgänge in den ersten sieben Büchern des Bell. Gall. nur dann thematisiert werden, wenn sie für Caesars Handeln in Gallien von Relevanz sind,81 dafür, dass eine Behandlung des zeitgleich gärenden Konflikts mit den Optimaten in Rom sehr auffällig und nicht mit Caesars Intentionen vereinbar erscheinen würde. Vor diesem Hintergrund muss die abrupt wirkende Wortmeldung des Erzählers gegen Ende des achten Buchs (48,10–11) interpretiert werden, in der dieser einen Bruch mit diesen Konventionen ankündigt:82 Scio Caesarem singulorum annorum singulos commentarios confecisse. Quod ego non existimavi mihi esse faciendum, propterea quod insequens annus L. Paulo C. Marcello consulibus nullas res Galliae habet magno opere gestas. Ne quis tamen ignoraret, quibus in locis Caesar exercitusque eo tempore fuissent, pauca esse scribenda coniungendaque huic commentario statui. Mir ist bewusst, dass Caesar einzelne commentarii für jedes einzelne Jahre verfasst hat. Dies glaubte ich nicht tun zu müssen, weil im folgenden Jahr unter den Konsuln L. Paulus und C. Marcellus keine großen Taten in Gallien zu verzeichnen sind. Damit trotzdem niemandem unklar bleibt, an welchen Orten sich Caesar und sein Heer zu dieser Zeit aufhielten, habe ich beschlossen, einiges Wenige schreiben und diesem commentarius hinzufügen zu müssen.

Der plötzliche Austritt aus der Erzählung dient der Bekräftigung, dass der Verfasser die Konventionen, denen Caesar in seinen commentarii folgt, grundsätzlich auch für sich selbst als verbindlich erachtet.83 Trotzdem entschließt er sich dazu, nicht nur das letzte Kriegsjahr in Gallien (51 v. Chr.) zu behandeln, sondern auch das folgende Jahr, in dem es einerseits keine Kämpfe in Gallien mehr zu verzeichnen gab, andererseits der Bürgerkrieg noch nicht ausgebrochen war.84 Gleichfalls wird der für Caesar charakteristische Fokus auf die res gestae Galliae schon nach wenigen Sätzen aufgegeben und das formulierte Ziel, zu berichten wo Caesar und sein Heer sich in diesem Jahr befanden (quibus in locis Caesar exercitusque eo tempore fuissent), || 80 Vgl. Klotz (1910) 13f., demzufolge die künftige Beziehung der Boier zu den Haeduern (1,28,5) die einzige echte Prolepse innerhalb des Bell. Gall. darstellt (dagegen aber Hastrup 1957, 63–65). Insgesamt ist das Bell. Gall. arm an Anachronien im Sinne Genettes, wenn man von den repetitiven Analepsen des Typs ut supra demonstratum est absieht. Zu diesem Komplex vgl. auch Mensching (1988) 46f. 81 So erlaubt in 7,1,1 das rasche Handeln des Pompeius in Rom Caesars Aufbruch ins aufständische Gallien. Schon hier liegt aber ein impliziter Vorwurf an die politische Führung Roms: „The connection between Roman politics and Gallic quies could not be clearer: unrest in Rome has obstructed Caesar’s smooth discharge of his military campaigns and has even undone some of his achievements in Gaul.“ (Torigian 1998, 57). 82 Vgl. auch Pecere (2003) 193f.; Gaertner/Hausburg (2013) 173f. 83 Contra Gaertner/Hausburg (2013) 26 Anm. 48. 84 Das Bell. civ. behandelt die Vorgeschichte des Bürgerkriegs nicht, sondern setzt unvermittelt mit den Senatsverhandlungen zu Beginn des Jahres 49 ein, sodass die Notizen am Ende des achten Buches die einzigen Informationen im Corpus Caesarianum sind, die das Jahr 50 betreffen.

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frei interpretiert.85 Der Fokus liegt jetzt auf Rom und auf dem sich anbahnenden Bürgerkrieg. Anders als die epistula ad Balbum wird das Addendum mit dem commentarius auch formal verbunden. So lässt sich der Formulierung Quod [sc. singulorum annorum singulos commentarios conficere] ego non existimavi mihi esse faciendum entnehmen, dass der Autor für sich in Anspruch nimmt, sowohl das Addendum als auch den commentarius verfasst zu haben.86 Außerdem finden sich Reminiszenzen an die epistula ad Balbum: Zum einen erinnert das Verbum conficere, gebraucht für die Tätigkeit, einen commentarius „zu verfertigen“, an die analoge Verwendung in praef. 2, zum anderen wird das Motiv, das eigene Schreiben legitimieren zu müssen, durch den Rekurs auf Caesars Schreibkonvention wiederaufgenommen. Angesichts dessen verwundert es nicht, dass nicht erst in den letzten Kapiteln, sondern bereits zuvor im eigentlichen commentarius auf den bevorstehenden Bürgerkrieg Bezug genommen wird. Anders als für Caesar ergibt sich nämlich für den Erzähler des achten Buches aufgrund des Zeitraums, der zwischen Erzählzeit und erzählter Zeit liegt,87 trotz der zu Beginn genannten Einschränkungen die Möglichkeit, auch die Geschehnisse des Jahres 51 in Gallien aus der Perspektive der späteren Bürgerkriegsereignisse zu betrachten.

4.4.3 Römische Innenpolitik: Das vorzeitige Ende des gallischen Prokonsulats Der Erzähler thematisiert in seinem kurzen Abriss der Geschehnisse des Jahres 50 das Ringen um die Abberufung Caesars als Statthalter in Gallien, einen Streit, der sich letztlich als Auslöser des Bürgerkriegs erweisen sollte. Er referiert die – aus dem Bell. civ. (1,9,5) wohlbekannte – Verhandlungsposition Caesars, dass, wenn er selbst dazu gezwungen werde, sein Heer zu entlassen, Pompeius dasselbe tun solle. Der Versuch des damaligen Volkstribunen C. Scribonius Curio, einen entsprechenden Senatsbeschluss zu erwirken, wird von den Konsuln und Freunden des Pompeius vereitelt (52,4–5). An dieser Stelle bedient sich der Erzähler einer Analepse, um kurz auf ein Ereignis des vergangenen Jahres einzugehen (53,1–2):

|| 85 Vgl. Scholz (1956) 86; Canali (1965) 132. 86 Vgl. Gaertner/Hausburg (2013) 173f. 87 Dieser Zeitraum ist nicht notwendigerweise größer als bei Caesar, je nachdem, ob dieser seine commentarii jahrweise verfasste oder erst nach Abschluss des gesamten Unternehmens. Zu dieser alten Frage, die hier nicht behandelt werden soll, vgl. z. B. Schauer (2016) 102, der von einer Gesamtdarstellung ausgeht, und Wiseman (1998) 6, der die entgegengesetzte These in modifizierter Weise vertritt (bis Buch 4 jahrweise Abfassung, Buch 5 und 6 im Winter d. J. 53/52, Buch 7 im Winter d. J. 52/51). Vgl. jetzt auch Krebs (2018) und Raaflaub (2018).

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Magnum hoc testimonium senatus erat universi conveniensque superiori facto. Nam Marcellus proximo anno cum inpugnaret Caesaris dignitatem, contra legem Pompei et Crassi rettulerat ante tempus ad senatum de Caesaris provinciis, sententiisque dictis discessionem faciente Marcello, qui sibi omnem dignitatem ex Caesaris invidia quaerebat, senatus frequens in alia omnia transiit. Quibus non frangebantur animi inimicorum Caesaris, sed admonebantur, quo maiores pararent necessitates, quibus cogi posset senatus id probare, quod ipsi constituissent. Dies sagte viel über den gesamten Senat aus88 und stand im Einklang mit einem zurückliegenden Ereignis: Denn Marcellus [der Konsul des Jahres 51] hatte schon im Jahr zuvor, als er Caesars Ansehen anfocht, gegen das Gesetz des Pompeius und des Crassus [die lex Licinia Pompeia] vorzeitig vor dem Senat einen Antrag über die Neuvergabe von Caesars Provinzen gestellt. Als Marcellus, der sich sein ganzes Ansehen durch die Verunglimpfung Caesars verschaffte, nach erfolgtem Meinungsaustausch abstimmen ließ, ging der Senat schnell zu allem anderen über. Durch derlei Dinge wurden Caesars Gegner (aber) nicht entmutigt, sondern dazu veranlasst, umso größere Seilschaften zu knüpfen,89 durch die der Senat dazu gebracht werden könnte, das zu beschließen, was sie selbst verabredet hatten.

Der Erzähler erinnert an die Bemühungen der Caesargegner in Rom, dessen Statthalterschaft so schnell wie möglich zu beenden. Hauptgegner Caesars im Senat ist der Konsul Marcellus, der sich selbst über seine politische Feindschaft definiert (qui sibi omnem dignitatem ex Caesaris invidia quaerebat). Er möchte Caesar so schnell wie möglich aus seinen Provinzen entfernen. Der juristische Hintergrund dieses Ringens um die Abberufung des Statthalters, den der Erzähler bei seinem Lesepublikum als bekannt voraussetzt, ist folgender: Caesar hatte sich durch die auf der sogenannten Konferenz von Luca (56 v. Chr.) getroffene Vereinbarung, das Prokonsulat zu verlängern, die Möglichkeit eröffnet, im Jahr 48 seinen zweiten Konsulat anzutreten, ohne vorher privatus zu werden.90 Wann Caesars Prokonsulat de iure endete, ist zwar umstritten.91 Wir wissen jedoch aus einem Brief des M. Caelius an Cicero, dass vor dem 1. März 50 nicht über die Neuvergabe der gallischen Provinzen

|| 88 Zur Bedeutung dieser Formulierung vgl. unten, Anm. 142. 89 Es scheint bisher nicht geklärt, ob necessitas i. S. v. „Nötigungsmittel“ (Kraner/Dittenberger/Meusel 1966, 82 ad loc.; zur Begründung: 127) oder „Verbindungen“ (so z. B. die Übersetzung von Schönberger 2004, 247) aufzufassen ist. Da das vorige Kapitel bereits von der Unterwanderung des Senats durch die amici Pompei berichtete (52,5), scheint mir letzteres wahrscheinlicher. Vielleicht sollte daher auch (gegen Hering) die Variante der Handschriftenklasse β (= TU), necessitudines, in den Text gesetzt werden. 90 Das Amt des Prokonsuls garantierte Caesar Immunität. Eine Periode ohne politisches Amt zwischen Prokonsulat und Konsulat hätte zweifellos dazu geführt, dass Caesar wegen seines ersten Konsulats vor Gericht angeklagt worden wäre, mit unabsehbaren Folgen für seine politische Zukunft. 91 Die althistorische Literatur zu dieser Frage ist beinahe unüberschaubar. Zur Einführung vgl. Lintott (2008) 433–436 sowie Bringmann (1978). Weitere Literatur bei Collins (1972) und Gesche (1973) 215–220.

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im Senat verhandelt werden durfte;92 dass Caesar de facto damit rechnen konnte, bis zum möglichen Antritt des Konsulats nicht als Provinzstatthalter abgelöst zu werden, zeigen seine Bemühungen um das Privileg, sich in Abwesenheit um dieses Amt bewerben zu dürfen.93 Die Rechtslage, die für Caesars Kalkül die Voraussetzung schaffte, änderte sich jedoch im Jahr 52 derart, dass Caesar fürchten musste, nach dem Ende der Beratungssperre sofort abberufen zu werden.94 Die skizzierte Gemengelage ist aber nicht nur im Kontext der innenpolitischen Entwicklungen im Jahr 50 von großer Relevanz, schon im Krieg in Gallien wird Caesars Kriegshandeln – gemäß der Darstellung im achten Buch – durch die sich anbahnenden Ereignisse in Rom bestimmt.95 Dies lässt sich an Caesars Strafmaßnahmen im Anschluss an die Belagerung von Uxellodunum zeigen, die zu den grausamsten Kriegsmaßnahmen des Gallischen Kriegs gehören. Die Belagerung hat folgende Vorgeschichte: Der Kadurker Lucterius96 und der Senone Drappes fassen gemeinsam einen Plan, im transalpinischen Gallien einzufallen, und ziehen mit etwa 2000 Mann und verfolgt von zwei römischen Legionen unter Führung des C. Caninius Rebilus auf die Provinz zu (30,1–2). Sobald den beiden Galliern bewusst wird, dass sich ihr Vorhaben als nicht durchführbar erweist, ändern sie ihren Plan und verschanzen sich in Uxellodunum (32,1–2). Caninius entscheidet sich zur Belagerung der Stadt, kann sie aber nicht einnehmen (33–37). Dies gelingt, nach hartnäckigem Widerstand, erst Caesar (43,5). Nach der Einnahme der Stadt entschließt dieser sich zu einer drastischen Maßnahme (44,1): Caesar cum suam lenitatem cognitam omnibus sciret neque vereretur, ne quid crudelitate naturae videretur asperius fecisse, neque exitum consiliorum suorum animadverteret, si tali ratione diversis in locis plures consilia inissent, exemplo supplicii deterrendos reliquos existimavit. Itaque omnibus, qui arma tulerant, manus praecidit vitamque concessit, quo testatior esset poena improborum.

|| 92 Vgl. Cic. fam. 8,8,9. Die Formulierung Marcellus … rettulerat ante tempus bei Hirtius (53,1) verweist auf denselben Umstand. 93 Vgl. Cic. Att. 7,1,4; 8,3,3. 94 Vgl. Cass. Dio 40,56,1. Wenn bis zum 1. März 50 die gallischen Provinzen nicht neu vergeben werden durften, so bedeutete dies nach der Rechtslage aus dem Jahr 55, dass der Senat frühestens im Jahr 50 den designierten Konsuln des Jahres 49 die gallischen Provinzen zuteilen konnte. Diese wiederum hätten erst nach Ablauf des Konsulats, also zu Beginn des Jahres 48, ihr Prokonsulat antreten können. Ein neues, von Cn. Pompeius initiiertes Gesetz legte jedoch fest, dass das Prokonsulat nicht wie bisher im direkten Anschluss an den Konsulat angetreten werden durfte. Dies bewirkte, dass nach dem 1. März 50 die gallischen Provinzen sofort und rechtmäßig an Konsulare vergeben werden konnten (s. z. B. Bringmann 1978, 348f.; 352f.). 95 Vgl. auch Maier (1978) 79–81. 96 Lucterius ist aus dem siebten Buch als homo summae audaciae (5,1) bereits bekannt, worauf Hirtius auch hinweist (30,1).

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Weil Caesar wusste, dass seine Milde allen bekannt war, und er nicht zu fürchten brauchte, den Anschein zu erwecken, aus angeborener Grausamkeit allzu hart vorzugehen, und weil er kein Ende für seine Pläne sah, wenn nach derartigem Prinzip an verschiedenen Orten weitere Stämme Pläne schmiedeten, glaubte er die übrigen durch exemplarische Strafe abschrecken zu müssen. Deshalb schlug er allen, die Waffen getragen hatten, die Hände ab und ließ sie am Leben, damit die Bestrafung der Verbrecher umso augenfälliger war.

An dieser Stelle soll nun nicht Caesars Maßnahme bewertet werden, sondern die Sorgfalt, die der Erzähler aufwendet, um sie zu rechtfertigen. Davon, dass es der Rechtfertigung aus Sicht des Erzählers bedarf, zeugt vor allem der lange erste Satz des 44. Kapitels, der Caesars Beweggründe referiert.97 Folgende Punkte sind der Figur Caesar wichtig: Erstens, dass eine harte Bestrafung ganz gegen seine Gewohnheit, zweitens, dass dies auch allgemein bekannt sei,98 drittens aber, dass er zu dieser abschreckenden Maßnahme greifen müsse, um dem Krieg in Gallien ein für alle Mal ein Ende zu bereiten.99 Durch diesen Satz, der entschuldigen soll, noch ehe die eigentliche Gräueltat benannt ist, wird das eigentliche Ereignis erst recht exponiert. Es steht die Frage im Raum: Welches Verbrechen hat Caesar begangen, dass es einer solchen Rechtfertigung bedarf, wie sie der Erzähler an dieser Stelle glaubt vorausschicken zu müssen?100 Der Erzähler ist offenbar bereit, diesen Nachteil in Kauf zu nehmen, wenn es ihm dadurch gelingt, Caesars Maßnahme als gut begründet erscheinen zu lassen.101 Wenn also der Satz dazu dient, gewichtige Entschuldigungsgründe vorzubringen, so bleibt einer von ihnen, wenn man ihn nicht im Kontext liest, erstaunlich dunkel, deutet doch die Formulierung cum … neque exitum consiliorum suorum animadverteret auf eine an dieser Stelle nicht näher begründete und deswegen zu|| 97 Vgl. Gerlinger (2008) 273; 283; 287f. Er vergleicht hierzu Sall. Iug. 91 (Marius’ Vorgehen gegen die wehrlosen Numider in Capsa). 98 Diese Begründung zielt darauf, Caesars hervorragende Reputation in Gallien zu betonen, der auch eine einmalige harte Strafe nichts anhaben kann. Wenig naheliegend scheint mir die Auffassung Richters (1977) 199 zu sein, Hirtius äußere sich ohne „Rücksicht auf mögliche propagandistische Nachteile“ in zynischer Weise. 99 Vgl. hierzu auch Scholz (1956) 67f. 100 Es kann nicht verwundern, dass die Textpassage in der Forschung nicht als Caesare dignum gilt. Vgl. Collins (1972) 935 Anm. 11; Richter (1977) 198f.; Mensching (1988) 98 hält sie für „plump“, Schauer (2016) 241 kommentiert: „Zu einer ähnlichen ‚Entschuldigung‘ eines harten Vorgehens hat sich der nobilis Caesar in seinen sieben Büchern niemals herabgelassen“; Gaertner (2017) 266 spekuliert, dass Hirtius sich zu einer wahrheitsgetreuen Darstellung verpflichtet gefühlt haben müsse. Zum Motiv der clementia Caesaris an dieser Stelle vgl. ferner Powell (1998) 130f. 101 Die wohl kalkulierte Grausamkeit Caesars steht damit auch im starken Kontrast zu der Hinrichtung des Gutuatrus (38,5). Melchior (2004) 128 sieht in dieser Szene eine Art Prolepse auf Caesars Verhalten in Uxellodunum („a sort of proleptic view of Caesar’s innate clementia which features so prominently and defensively in the Uxellodonum narrative“). Canali (1965) 139 spekuliert, dass Hirtius dem Ruf Caesars mit einer solchen Darstellung möglicherweise schaden wollte („un sottile e inconfessato piacere di incrinare in qualche parte il mito del grande generale“).

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nächst rätselhaft scheinende Ungeduld des Feldherrn.102 Der Sinn der Stelle wird jedoch erhellt, wenn man den Satz auf jenen innenpolitischen Konflikt, das Ende der Statthalterschaft Caesars, bezieht. Dies zu tun liegt deshalb nahe, weil das Thema im achten Buch, wenige Kapitel zuvor, bereits zur Sprache gekommen war (39,1–3): Ibi crebris litteris Caninii fit certior, quae de Drappete et Lucterio gesta essent quoque in consilio permanerent oppidani. Quorum etsi paucitatem contemnebat, tamen pertinaciam magna poena esse adficiendam iudicabat, ne universa Gallia non sibi vires defuisse ad resistendum Romanis, sed constantiam putaret, neve hoc exemplo ceterae civitates locorum opportunitate fretae vindicarent se in libertatem, cum omnibus Gallis notum esse sciret reliquam esse unam aestatem suae provinciae, quam si sustinere potuissent, nullum ultra periculum vererentur. Dort wurde ihm [Caesar] durch häufige Briefe von Caninius bekannt, was man gegen Drappes und Lucterius unternommen hatte und an welchem Plan die Stadtbewohner weiter festhielten. Auch wenn er deren kleine Zahl geringschätzte, glaubte er dennoch, ihnen wegen ihrer Hartnäckigkeit eine harte Strafe zufügen zu müssen, damit nicht ganz Gallien glaubte, es hätten nicht die Kräfte gefehlt, um den Römern Widerstand zu leisten, sondern nur das Durchhaltevermögen, und außerdem, damit nicht die anderen Stämme, diesem Beispiel folgend, sich im Vertrauen auf die Eignung des Geländes ihre Freiheit zurückerkämpften. Allen Galliern war ja, wie er wusste, bekannt, dass von seiner Statthalterschaft nur noch dieser eine Sommer übrig war. Wenn sie diesen durchstünden, würden sie keine weitere Gefahr fürchten.

Die zitierte Textpassage informiert über den Entschluss Caesars, in das Geschehen vor Uxellodunum persönlich einzugreifen. Bereits zu diesem frühen Zeitpunkt denkt Caesar über eine harte Strafe (magna poena) nach. Zwar wird die Form der Strafe an dieser Stelle noch nicht thematisiert, doch drängt sich vor dem Hintergrund der Lektüre des 44. Kapitels der Eindruck auf, dass mit diesen Worten die Verstümmelung der Stadtbewohner ‚proleptisch‘ angekündigt wird. Der intratextuelle Verweischarakter bleibt auch in den folgenden Nebensätzen erhalten: Es wird deutlich, dass die zunächst erklärungsbedürftig scheinende Formulierung neque exitum consiliorum suorum animadverteret aus dem 44. Kapitel so knapp lauten kann, weil sie das im 39. Kapitel Gesagte nochmals aufgreift und zusammenfasst: Nach Caesars Einschätzung könnte Uxellodunum zu einem gefährlichen Präzedenzfall werden, falls weitere Stämme sich in ihrem Kampf gegen Rom bestärkt fühlen und so der Krieg verlängert würde. Dabei wird die Zeit knapp, denn Caesars Statthalterschaft endet bald, und damit auch die Zeit, die ihm bleibt, um den Krieg zu einem Ende zu bringen.

|| 102 Kraner/Dittenberger/Meusel (1966) 62 sehen sich zu einer entsprechend ausführlichen Erklärung der Textstelle veranlasst: „Die Befürchtung, daß die nie endigenden Empörungen nach jahrelangem Kriege die gehoffte Unterjochung Galliens noch in Frage stellen könnten, drängt ihn [Caesar] zu dieser äußersten Härte abschreckender Maßregeln.“ Diese Paraphrase ist zweifellos korrekt, doch gibt es einen konkreten Anlass für Caesars Nervosität.

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Diese letzte Information ist wichtig, denn sie birgt den Vorwurf an die damalige politische Führung in Rom, Caesar so frühzeitig wie möglich aus Gallien abzuberufen. Die Worte cum omnibus Gallis notum esse sciret reliquam esse unam aestatem suae provinciae kommentieren die neue innenpolitische Situation, die auch Auswirkungen auf Caesars Krieg in Gallien hat: Dort habe sich bereits herumgesprochen, dass der Sommer 51 wohl der letzte Kriegssommer unter Caesars Führung sein würde.103 Die Folgen sind deutlich: Caesar fühlt sich unter Zugzwang gesetzt, da der Krieg in Gallien – dafür dient das achte Buch insgesamt als Beleg – noch keineswegs als beendet gelten kann, wie seine Gegner in Rom verbreiten.104 Das Exempel, das er sich zu statuieren gezwungen sieht, um den letzten Widerstand zu brechen, haben also auch Caesars Gegner in Rom, allen voran der Konsul Marcellus, zu verantworten.

4.4.4 Die Figur des T. Labienus Die beiden Caesarvertrauten T. Labienus und M. Antonius erscheinen in Hirtius’ Bericht über die Ereignisse des Jahres 50 in gänzlich unterschiedlichem Licht. Über

|| 103 Dass una aestas den Sommer 51 und nicht den des folgenden Jahres bezeichnet, wie öfter angenommen (z. B. Ramorino 1947, 29; Kraner/Dittenberger/Meusel 1966, 55; Garzetti 1993, 1153f.; zuletzt auch Lintott 2008, 434 und Raaflaub 2017a, 294, 8.39c) hat bereits Hirschfeld (1904) 83 überzeugend dargelegt (vgl. auch Bringmann 1978, 353): „Denn wie sollte Caesars persönliches Erscheinen vor Uxellodunum daraus erklärt werden, daß er nur noch den Sommer des nächsten Jahres [= des Jahres 50] das Kommando haben werde?“ Schwer einzuschätzen ist hingegen, ob es sich hier um eine (kalkulierte) Übertreibung des Erzählers handelt, wenn er die Figur Caesar schon zu diesem frühen Zeitpunkt die Besorgnis äußern lässt, dass eine mögliche vorzeitige Abberufung in ganz Gallien bekannt war. In Rom war jedenfalls im Frühsommer des Jahres 51 ein offenes Geheimnis, dass der Senat – und Pompeius – alles daransetzen würden: Der Konsul Marcellus hat nach Aussage des Caelius (fam. 8,1,2) seinen Antrag (vgl. oben, Gall. 8,53) auf sofortige Abberufung lange angekündigt und schließlich auf die Junikalenden verschoben. Zwar war dieser, auf Grund der rechtlich bindenden Beratungssperre, zum Scheitern verurteilt, doch zitiert Caelius Pompeius mit den Worten, „er könne vor den Märzkalenden nicht ohne Rechtsbruch über Caesars Provinzen entscheiden, nach den Märzkalendern würde er nicht zögern dies zu tun“ (se ante Kal. Martias non posse sine iniuria de provinciis Caesaris statuere, post Kal. Martias se non dubitaturum, Cic. fam. 8,8,9). 104 Der Antrag des Marcellus argumentierte nach Suet. Iul. 28,2, dass Caesar die Niederlegung seines Kommandos nur künstlich hinauszögere: Marcus Claudius Marcellus consul edicto praefatus, de summa se re publica acturum, rettulit ad senatum, ut ei [Caesari] succederetur ante tempus, quoniam bello confecto pax esset ac dimitti deberet victor exercitus – „Der Konsul Marcus Claudius Marcellus sprach in einem Edikt davon, er wolle über eine Angelegenheit von höchster Wichtigkeit für den Staat verhandeln, und stellte im Senat den Antrag, dass es für ihn [Caesar] schon vor Ablauf der Zeit einen Nachfolger geben solle, da ja der Krieg beendet sei und Frieden herrsche und daher das Heer als Sieger entlassen werden müsse.“

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Labienus, Caesars langjährigen Offizier, werden Gerüchte laut, er lasse sich zunehmend von dessen Gegnern beeinflussen (52,3). Antonius hingegen, der gegen Ende des siebten Buches außerhalb des achten Buches zum ersten und einzigen Mal im Bell. Gall. erwähnt wird (7,81,6), wird von Caesar nun nach Kräften protegiert. In Rom wählt man ihn schließlich zum Auguren (50,2–3). Auf diese Weise werden auch die künftigen Entwicklungen der beiden Männer antizipiert:105 Labienus wird, bis zu seinem Tod in der Schlacht von Munda, zu den erbittertsten Feinden Caesars zählen, Antonius hingegen befindet sich kurz nach den Iden des März als selbsternannter Erbe Caesars auf dem vorläufigen Zenit seiner noch jungen politischen Karriere. Im Jahr 51 sind beide noch als Kommandeure für Caesar in Gallien im Einsatz. Noch ist zwar die Darstellung ganz auf den auswärtigen Krieg konzentriert, dennoch erfolgt die Charakterisierung der beiden Feldherren so, dass die spätere Entwicklung als folgerichtig erscheint. Dies gilt insbesondere für T. Labienus. Im Kriegsgeschehen des Jahres 51 spielt Labienus nur eine untergeordnete Rolle. Caesar entsendet ihn zu Beginn des Jahres mit zwei Legionen ins Land der Treverer, um letzte Aufstände niederzuschlagen (25,1–2). Nach der Einnahme von Uxellodunum vermerkt der Erzähler dann den erfolgreichen Abschluss des Feldzugs (Labienus … equestre proelium facit secundum, 45,1). Im Gegensatz zu den Leistungen anderer hochrangiger Militärs wie C. Fabius oder C. Caninius Rebilius werden Labienus’ Taten zwar kürzer beschrieben,106 der Erzähler äußert sich aber grundsätzlich wohlwollend. Im Gegensatz dazu lässt der Bericht über eine Fehlentscheidung, die bereits ein Jahr zurückliegt, aber noch Auswirkungen auf das Geschehen des Jahres 51 hat, ein zweifelhaftes Licht auf Labienus’ Handeln fallen. Die entsprechende Textpassage findet sich im Anschluss an die Unterwerfung der Bellovaker (23,2–6): Obsides dant, imperata faciunt, excepto Commio, quem timor prohibebat cuiusquam fidei suam committere salutem. Nam superiore anno Titus Labienus Caesare in Gallia citeriore ius dicente, cum Commium comperisset sollicitare civitates et coniurationem contra Caesarem facere, infidelitatem eius sine ulla perfidia iudicavit comprimi posse. Quem quia non arbitrabatur vocatum in castra venturum, ne temptando cautiorem faceret, Gaium Volusenum Quadratum misit, qui eum per simulationem conloquii curaret interficiendum. Ad eam rem delectos idoneos ei tradidit centuriones. Cum in conloquium ventum esset et, ut convenerat, manum Commii Volusenus arripuisset, centurio vel[ut] insueta re permotus vel celeriter a familiaribus prohibitus Commii conficere hominem non potuit. Graviter tamen primo ictu gladio caput percussit. Cum utrimque gladii destricti essent, non tam pugnandi quam diffugiendi fuit utrorumque consilium: nostrorum, quod mortifero vulnere Commium credebant adfectum, Gallorum, quod insidiis cognitis plura, quam videbant, extimescebant. Quo facto statuisse Commius dicebatur numquam in conspectum cuiusquam Romani venire.

|| 105 Vgl. Wiseman (1998) 7 Anm. 5; speziell zu Labienus: Barry (2005) 438–448, hier 441. 106 Vgl. Buffa (1986) 33; Schulz (2010) 168f.

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Sie [die Bellovaker] stellten Geiseln und taten, was ihnen befohlen worden war, mit Ausnahme des Commius, den seine Furcht daran hinderte, sein Wohlergehen dem von irgendwem gegebenen Wort anzuvertrauen. Denn im Jahr zuvor meinte Labienus (Caesar sprach zu dieser Zeit Recht in Gallia cisalpina), nachdem er erfahren hatte, dass Commius die Stämme aufwiegele und eine Verschwörung gegen Caesar anstifte, dessen untreues Tun unterdrücken zu können, ohne auf irgendeine Weise unredlich zu handeln. Weil er nicht glaubte, dass er ins Lager käme, wenn er ihn riefe, schickte er, um ihn nicht durch einen Versuch noch wachsamer zu machen, Gaius Volusenus Quadratus zu ihm, der dafür sorgen sollte, ihn unter dem Vorwand, das Gespräch zu suchen, umzubringen. Für diese Angelegenheit stellte er ihm ausgewählte geeignete Zenturionen zur Verfügung. Als es zum Gespräch gekommen war und, wie es vereinbart war, Volusenus Commius’ Hand ergriffen hatte, konnte der Zenturio entweder wegen des ungewohnten Auftrags oder weil Commius’ Anhänger ihn schnell daran hinderten, den Mann nicht zur Strecke bringen. Dennoch verletzte er ihn durch einen Schwerthieb schwer am Kopf. Obwohl man auf allen Seiten die Schwerter gezogen hatte, hatten beide Seiten nicht so sehr die Absicht zu kämpfen, sondern sich zurückzuziehen: Unsere Leute, weil sie glaubten, Commius sei eine tödliche Verletzung beigebracht worden, die Gallier, weil sie nach Entdeckung des Hinterhalts mehr fürchteten, als sie sahen. Man sagt, Commius habe daraufhin beschlossen, niemals vor das Angesicht irgendeines Römers zu treten.

Der Bericht vom missglückten Mordanschlag auf Commius begründet, weshalb sich Commius den Römern nach der Niederlage nicht ergeben hat. Auf diese Weise ist er also mit dem Hauptnarrativ verknüpft; gleichwohl wirkt die lange Digression auffällig. Der Grund für diesen Eindruck ist auf narratologischer Ebene zu suchen: Der Erzähler bedient sich an dieser Stelle einer kompletiven Analepse. Im Gegensatz zu den repetitiven Analepsen, die nur aus einem kurzen Verweis auf zuvor bereits Berichtetes bestehen,107 ergänzt diese Analepse den Bericht um einen Vorfall, den Caesar im siebten Buch nicht erwähnt hatte, der aber zum Verständnis der gegenwärtigen Ereignisse wichtig ist. Bevor ich auf den Text und die Funktion der Analepse genauer zu sprechen komme, ziehe ich noch eine weitere Passage (47–48) hinzu, die auf den Anschlag des Jahres 52 Bezug nimmt.108 Denn nachdem im achten Buch längere Zeit von Commius nicht mehr die Rede war, kommt der Erzähler zum Abschluss seines Berichts – Caesar hat die Legionen bereits auf die Winterlager verteilt und ist selbst nach Narbo aufgebrochen – ein letztes Mal auf den Atrebaten zu sprechen. Dieser hat sich darauf verlegt, den Nachschub für das römische Winterlager abzufangen (47,2). Als Grund für den hartnäckigen Widerstand gibt der Erzähler den gescheiterten Anschlag an: Commius, qui post illam vulnerationem, quam supra commemoravi, semper ad omnes motus paratus suis civibus esse consuesset … („Commius, der nach jener Verwundung, von der ich oben berichtet habe, seinen Mitbürgern immer zu jedem Aufstand zur Verfügung gestanden hatte, …“). Erneut ist es jetzt Volusenus,

|| 107 Vgl. Abschn. 4.3.2. 108 Allein im Hinblick auf den Wortschatz finden sich deutliche Parallelen zwischen den beiden Textpassagen, worauf Melchior (2004) 140f. hinweist.

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den Labienus seinerzeit mit der Durchführung des Mordkomplotts beauftragt hatte, der sich des Problems annehmen soll, diesmal jedoch im Auftrag M. Antonius’ (48,1). Im Verlauf eines Reitergefechts gelingt es Commius, Volusenus zu verletzen (Commius … magnis viribus medium femur traicit Voluseni, 48,5), dies allerdings zu dem Preis, dass ein Großteil seiner Reiterei im Kampf aufgerieben wird. Commius flieht daraufhin, Volusenus wird schwer verwundet ins Lager getragen (48,7). Dennoch kann M. Antonius bald die Kapitulation des Commius entgegennehmen (48,8– 9): Commius autem sive expiato suo dolore sive magna parte amissa suorum legatos ad Antonium mittit seque et ibi futurum, ubi praescripserit, et ea facturum, quae imperarit, obsidibus datis firmat. Unum illud orat, ut timori suo concedatur, ne in conspectum veniat cuiusquam Romani. Cuius postulationem Antonius cum iudicaret ab iusto nasci timore, veniam petenti dedit, obsides accepit. Commius aber schickte, entweder weil sich sein Groll gelegt oder weil er einen großen Teil seiner Leute verloren hatte, Gesandte zu Antonius und bestätigte durch die Stellung von Geiseln, dass er sich dort einfinden werde, wo er es ihm vorschreibe, und dass er das tun werde, was er ihm befehle. Er erbat sich einzig dies, dass man (ihm) seiner Furcht (wegen) zugestehen möge, nicht vor das Angesicht irgendeines Römers zu treten. Weil Antonius meinte, seine Forderung entspringe einer berechtigten Furcht, hatte er Nachsicht mit ihm und nahm die Geiseln an.

Diese zweite Textpassage erweist, dass Commius’ Angst vor den Römern, die zunächst nur als Gerücht formuliert worden war (dicebatur, 23,6), den Tatsachen entspricht. Mehr noch: Sein Römerhass bringt zu einem Zeitpunkt, zu dem Caesar in der Provinz bereits Gericht hält und Belohnungen an treue Gefolgsleute verteilt (46,5–6), Antonius’ Winterlager in Bedrängnis. Dank der Analepse im 23. Kapitel kann der Erzähler die Hintergründe, die Commius zu einem erbitterten Feind haben werden lassen, als bekannt voraussetzen. Dass durch die Analepse und ihr nochmaliges Aufgreifen am Schluss des Buches die Figur des Labienus in Misskredit gerät, ist bereits mehrfach beobachtet worden.109 Mir geht es an dieser Stelle darum, zu analysieren, auf welche Weise der Erzähler sich vom Verhalten des Labienus distanziert. Hierzu ist zunächst festzustellen, dass Labienus’ Diskreditierung nicht etwa explizit durch einen Erzählerkom-

|| 109 Vgl. Kraner/Dittenberger/Meusel (1966) 34 zu 23,3: „Hirt. erwähnt hier, was Caesar … zu berichten nicht für gut befunden hatte (der gehörige Ort wäre VII 75 u. 76 gewesen), jedenfalls aus Rücksicht auf den damals ihm noch treuen Labienus, welche Hirtius gegen den Abtrünnigen nicht mehr zu nehmen hat, der auch im Bürgerkriege gegen die früheren Feinde grausam war …“. In diesem Sinne auch Ramorino (1947) 20; Cipriani (1978); Buffa (1986) 29–31; Melchior (2004) 136–138; Barry (2005) 444f.; Coulon-McIntosh (2011) 31f.; Raaflaub (2017a) 286, 8.23e. Seel (1935) 40f.; Welch (1998) 88 („Hirtius scores no political points against Labienus, …“) und 104 Anm. 17 sowie Barlow (1998) 156 sehen dagegen keine Abwertung des Labienus durch den Erzähler. Für eine mittlere Position vgl. Combès (1966) 365 mit Anm. 91.

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mentar erfolgt. Gleichwohl wird Labienus’ Plan allein aufgrund seiner Ähnlichkeit zum Plan der Caesarmörder zutiefst fragwürdig.110 Barry, der eine detaillierte Analyse zu beiden Teststellen vorgelegt hat, nennt zudem mehrere Indizien, die darauf hindeuten, dass Labienus’ Handeln als Fehlverhalten zu interpretieren ist.111 Der gewichtigste Hinweis ist der, dass der Erzähler gleich zwei Gründe für das Fehlschlagen des Mordversuchs angibt und dadurch Unsicherheit erzeugt. Mit vel insueta re permotus vel celeriter a familiaribus prohibitus präsentiert der Erzähler nämlich sowohl eine ‚psychologische‘ Alternative (Volusenus war überfordert) als auch eine ‚pragmatische‘ (Commius’ Anhänger haben Volusenus behindert), wobei erstere nahelegt, dass der von Labienus befohlene Auftrag für einen römischen Soldaten unehrenhaft gewesen ist.112 Narratologisch betrachtet, impliziert dieses Verfahren die externe Fokalisierung: Der Erzähler ist nicht in der Lage anzugeben, welches die wirklichen Gründe für das Scheitern des Zenturios gewesen sind. Nun gehört die Gegenüberstellung von Überlieferungsvarianten zum üblichen Repertoire der Geschichtsschreibung (und auch des achten Buchs des Bell. Gall.).113 Sie lässt sich häufig als Inszenierung von Redlichkeit deuten, insofern sich der Historiograph seiner beschränkten Möglichkeiten, die Vergangenheit objektiv zu rekonstruieren, bewusst zeigt.114 Bemerkenswert ist sie allerdings gerade an dieser Stelle, weil das Ereignis, von dem der Erzähler berichtet, im Rahmen seines Wissenshorizonts liegen müsste. Denn auch wenn er die Gründe, die beispielsweise Commius zur Kapitulation oder Drappes zum Hungerstreik bewegen (44,2), nicht mit Gewissheit benennen kann, zeigt er sich zumindest, wenn es um die Schilderung der römischen Perspektive geht, stets ausgezeichnet informiert (interne Fokalisierung, vgl. Abschn. 4.2). An dieser Stelle jedoch distanziert sich der Erzähler vom Geschehen, mit der Folge, dass

|| 110 Dieser Punkt wurde in der Forschung, soweit ich sehe, noch nicht beachtet. Für zeitpolitische Anspielungen im Bell. Gall. 8 vgl. auch Abschn. 4.4.5 und 4.4.6. 111 Vgl. Barry (2005) 445–447. Zur gesamten Episode vgl. auch Harmand (1972) 131–142. 112 Vgl. Barry (2005) 446 mit Anm. 17. Weniger eindeutig negativ konnotiert scheint mir die Formulierung per simulationem conloquii (23,4): Zumindest gilt es zu bedenken, dass die simulatio auch zu Caesars Repertoire der Kriegsführung im achten Buch gehört (vgl. Caesar cum complures suos vulnerari videret, ex omnibus oppidi partibus cohortes montem ascendere et simulatione moenium occupandorum clamorem undique iubet tollere, 43,1 – „Als Caesar sah, dass einige seiner Leute verwundet wurden, befahl er den Kohorten von allen Teilen der Stadt aus den Berg zu erklimmen und unter dem Anschein, die Mauern erstürmen zu wollen, überall ein Geschrei zu erheben.“). 113 Das Muster wiederholt sich etwa in 48,8, wo der Erzähler für Commius’ plötzlichen Sinneswandel zwei Alternativen zur Wahl stellt (sive expiato suo dolore sive magna parte amissa suorum), wiederum zunächst eine ‚psychologische‘ (Commius’ Bedürfnis nach Rache war durch die Verletzung des Volusenus gestillt) und dann eine ‚pragmatische‘ (er sah für sich aufgrund der hohen Verluste keinen anderen Ausweg mehr). Vgl. auch 9,1; 13,4; 44,3. 114 Zur Funktion einer Variantendiskussion in diesem Sinne vgl. etwa Müller (2014).

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der Zenturio namenlos und seine Motive unklar bleiben.115 Dazu passt gut, dass auch Caesar durch die in der Ablativkonstruktion Caesare in Gallia citeriore ius dicente enthaltenen Information von jeder Mitwisserschaft freigesprochen wird.116 Wie Caesar über den von Labienus’ befohlenen Auftrag denkt, verschweigt der Erzähler. Doch findet dieser später seinen Richter in M. Antonius. Dieser urteilt (iudicaret, 48,9), Commius’ Sorge, sich den Römern auszuliefern, sei berechtigt. Dieses Eingeständnis aber belastet Labienus schwer: Caesars clementia-Politik ist im Fall des Commius gescheitert, weil diese das – bei Commius nicht mehr vorhandene – Vertrauen voraussetzt, sich ihm ohne Gefahr für das eigene Leben ergeben zu können.117 Dass Labienus im Jahr 52 gegen Caesars Maximen gehandelt hat, wird also spätestens durch Antonius’ Urteil evident. Doch wird Labienus dadurch, dass er falsch handelt, auch als charakterlich schlechter Menschen dargestellt?118 Diese Frage erfordert eine differenzierte Antwort. Labienus handelt nämlich durchaus im Glauben, das Richtige zu tun (infidelitatem eius [Commii] sine ulla perfidia iudicavit comprimi posse, 23,3). Daraus aber darf man schließen, dass es Labienus an Loyalität Caesar gegenüber zu diesem Zeitpunkt noch keineswegs mangelt. Im Gegenteil entspringt Labienus’ Handeln gerade dem Verlangen, Commius’ eigene infidelitas zu rächen.119 Insofern kann man nicht davon sprechen, dass sich aus Labienus’ Intentionen der bevorstehende Bruch mit Caesar bereits ablesen lässt.120 Woran es Labienus hingegen offenbar mangelt, sind Urteilsvermögen und Unrechtsbewusstsein. Denn dass sich Labienus’ Einschätzung, er könne rechtmäßig (sine ulla perfidia) gegen Commius auf die beschriebene Weise vorgehen, nicht mit der des Erzählers deckt, hat die vorangegangene Analyse nahegelegt.121 Die Gründe für Labienus’ Abfall von Caesar sind folglich in diesen Charaktereigenschaften zu || 115 Kraner/Dittenberger/Meusel (1966) 34 nehmen dies als Symptom für das „Ungeschick des Hirtius“. 116 Vgl. Cipriani (1978) 28; Buffa (1986) 29f. 117 So verhalten sich beispielsweise die Biturigen zunächst zurückhaltend, sobald sie aber erkennen, dass andere besiegte Stämme von Caesar in Freundschaft aufgenommen werden, zögern sie nicht, ebenfalls Frieden zu schließen: Bituriges, cum sibi viderent clementia Caesaris reditum patere in eius amicitiam finitimasque civitates sine ulla poena dedisse obsides atque in fidem receptas esse, idem fecerunt (3,5) – „Als die Biturigen jedoch erkannten, dass ihnen durch Caesars Milde eine Rückkehr in freundschaftliche Verhältnisse zu ihm offenstand und dass die benachbarten Stämme ohne jede Bestrafung Geiseln gestellt hatten und in Treue aufgenommen worden waren, handelten sie auch so.“ 118 So Melchior (2004) 141; Barry (2005) 444; Coulon-McIntosh (2011) 34f. 119 Commius war lange Zeit Verbündeter Caesars und fiel erst im Jahr 52 während der Rebellion Gesamtgalliens von ihm ab, vgl. Gall. 7,76. 120 So etwa Schulz (2010) 160f. 121 Combès (1966) 365 beachtet diesen Punkt nicht genügend, wenn er wie folgt paraphrasiert: „Hirtius justifie soigneusement le piège que Labiénus tendit à l’Atrébate Commius, «jugeant qu’il pouvait, sans se rendre coupable de perfidie, écraser son infidélité» … “. Ähnlich später Barlow (1998) 156.

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suchen. In diesem Punkt schließlich zeigt sich auch M. Antonius dem altgedienten General überlegen, da er anzuerkennen vermag, dass Commius Opfer römischen Unrechts geworden ist.

4.4.5 Kommentierung der Erzählzeit I: Die Figur des M. Antonius Der Umstand, dass Labienus’ problematisches Verhalten gerade mit dem vorbildlichen Handeln M. Antonius’ kontrastiert wird, führt unmittelbar zum nächsten Punkt der Untersuchung, nämlich der Rolle, die der Erzähler Caesars Quaestor zuweist. In dem schwelenden Konflikt zwischen Caesar und Senatspartei im Jahr 50 kommt M. Antonius erneut eine wichtige Funktion zu. Seine von Caesar unterstützte Bewerbung um das Auguramt stilisiert der Erzähler zum Kräftemessen zwischen den beiden politischen Lagern, seinen Erfolg kann Caesar letztlich auch als Erfolg für seine eigene Person verbuchen (50,1–4). Ipse hibernis peractis contra consuetudinem in Italiam quam maximis itineribus est profectus, ut municipia et colonias appellaret, quibus M. Antonii, quaestoris sui, commendaverat sacerdotii petitionem. Contendebat enim gratia cum libenter pro homine sibi coniunctissimo, quem paulo ante praemiserat ad petitionem, tum acriter contra factionem et potentiam paucorum, qui M. Antonii repulsa Caesaris decedentis gratiam convellere cupiebant. Hunc etsi augurem prius factum, quam Italiam attingeret, in itinere audierat, tamen non minus iustam sibi causam municipia et colonias adeundi existimavit, ut iis gratias ageret, quod frequentiam atque officium suum Antonio praestitissent, simulque se et honorem suum insequentis anni commendaret petitione, propterea quod insolenter adversarii sui gloriarentur L. Lentulum et C. Marcellum consules creatos, qui omnem honorem et dignitatem Caesaris spoliarent, ereptum Ser. Galbae consulatum, cum is multo plus gratia suffragii valuisset, quod sibi coniunctus et familiaritate et consuetudine legationis esset. Er selbst brach, nachdem die Winterlager abgebrochen worden waren, gegen seine Gewohnheit auf Eilmärschen Richtung Italien [= Gallia cisalpina] auf, um die Munizipien und Kolonien um Hilfe zu bitten, denen er die Bewerbung seines Quaestors M. Antonius um das Priesteramt ans Herz gelegt hatte. Er kämpfte mit seinem Einfluss zum einen gern für diesen ihm aufs Engste verbundenen Mann, den er kurz vorher zur Bewerbung vorausgeschickt hatte, zum anderen hartnäckig gegen die Machtclique einiger weniger, die durch eine Zurückweisung der Bewerbung des Antonius den Einfluss Caesars in dem Moment, da er die Provinz verließ, zu untergraben wünschten. Auch wenn er, schon bevor er Italien erreicht hatte, gehört hatte, dass dieser zum Augur gewählt worden war, so hielt er es dennoch nicht für einen geringeren Grund, die Munizipien und Kolonien zu besuchen, um ihnen zu danken, dass sie Antonius in so großer Anzahl ihren Dienst erwiesen hatten und zugleich, um sich und seine Ehre bei der Bewerbung im nächsten Jahr zu empfehlen. Dies tat er, weil seine Gegner unmäßig prahlten, L. Lentulus und C. Marcellus seien zu Konsuln gewählt, die Caesars ganze Ehre und Würde beschädigten,

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Ser. Galba habe man, obwohl er um viel mehr Einfluss bei der bevorstehenden Wahl122 verfügte, den Konsulat entrissen, weil er ihm verbunden war durch Freundschaft und durch seine Tätigkeit als Legat.

Jede Wahl, so der Vorwurf Caesars an seine Gegner, wird als Gelegenheit wahrgenommen, dem Ansehen seiner Person zu schaden (gratiam convellere und dignitatem spoliare), im Fall des ausgebooteten Ser. Galba sogar trotz des größeren Rückhalts des von Caesar vorgeschlagenen Kandidaten (cum is multo plus gratia suffragii valuisset). Eine zentrale Argumentationslinie, derer sich der Erzähler des Bell. civ. selbst bedient, wird vom Erzähler des achten Buches bereits vorgestellt: Der nicht zu tolerierende Angriff auf Caesars dignitas.123 Diese Form des Vorverweises ist neu: Im Rahmen dieses Unterkapitels wurden bisher nämlich nur Textstellen analysiert, die auf ein zur Zeit der Erzählung aktuelles innenpolitisches Ereignis Bezug nehmen (die drohende Abberufung Caesars aus Gallien) oder die Ereignisse vorbereiten, welche zum Zeitpunkt der Erzählung noch in der Zukunft liegen (der Abfall des Labienus). In beiden Fällen wird „die Grenze des Zeitfeldes der Basiserzählung“124 nicht überschritten, denn sowohl von Caesars Abberufung aus Gallien als auch vom Seitenwechsel des Labienus wird im Corpus Caesarianum an späterer Stelle, wenn auch nur andeutungsweise, berichtet.125 Anders verhält es sich nun mit der Darstellung M. Antonius’, die vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Situation in Rom zu interpretieren ist. Wie Ser. Galba tritt dieser als Repräsentant der Caesaranhänger in Erscheinung. Angesichts der äußersten Kürze, die den Bericht des Jahres 50 insgesamt kennzeichnet, nimmt seine Person, wie der obige Textabschnitt zeigt, einigen Raum ein. Dies allein deutet darauf hin, dass das Addendum zum achten Buch neben dem durch die epistula ad Balbum angekündigten Anliegen, die Überleitung zum ersten Buch des Bell. civ. herzustellen, und dem in der zweiten Vorrede (48,10–11) genannten Zweck, zu dokumentieren, wo sich Caesar und sein Heer im Jahr 50 aufhielten, noch eine weitere Funktion erfüllt: Die Behandlung des Jahres 50 bietet Gelegenheit, mit M. Antonius

|| 122 Der Text ist hier verderbt: gratia suffragii β (= TU) gratia suffragiisque α (= AB), gratia [suffragiisque]; vgl. auch Kraner/Dittenberger/Meusel (1966) 74; 125. Es wird wohl ausgesagt, dass Galba trotz oder gerade wegen (cum causale ist ebenfalls denkbar) des großen Rückhalts, über den er verfügte, von den adversarii Caesaris als Konsul verhindert wurde. 123 Zum Begriff dignitas bei Caesar und im Corpus Caesarianum vgl. Krebs (2018) 37f. – Dass der Erzähler den Text tatsächlich als Überleitung zum ersten Buch des Bell. civ. gestaltet, analysiert an einem anderen Beispiel Barry (2005) 443f. Rambaud (1966) 359 hält den Erzähler für zurückhaltend, was die Parteinahme für Caesar und die Diskreditierung des Pompeius betrifft und glaubt, dass gerade dank dieser relativen Unvoreingenommenheit die Überleitung von Bell. Gall. zu Bell. civ. gelingt. 124 Genette (2010) 40. 125 Vgl. civ. 1,2,6 bzw. Gall. 8,52,3.

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auch eine der Schlüsselfiguren der Erzählzeit zu porträtieren.126 Dies ist insbesondere deshalb von Interesse, weil die postcaesarischen Schriften – hierin ist wenigstens ein naheliegendes Motiv für die Veröffentlichung einer Gesamtdarstellung der caesarischen Kriege nach Caesars Tod zu sehen – politisch wirksam sein sollten.127 Die Intention der Texte zu rekonstruieren wird allerdings durch den Umstand erschwert, dass es zu keinem Zeitpunkt nach den Iden des März eine klar definierte caesarische ‚Partei‘ gegeben zu haben scheint. Dies gilt freilich vor allem, nachdem Oktavian Ende des Jahres 44 seinen Führungsanspruch erhebt. Doch bereits zuvor gibt es Differenzen unter den Caesaranhängern. Gerade Hirtius, im Jahr 44 designierter Konsul von Caesars Gnaden und dessen langjähriger Kanzleichef, pflegt ein angespanntes Verhältnis zu M. Antonius, der sich als Erbe Caesars geriert und Veteranen gegen die Caesarmörder aufhetzt; gleiches gilt wohl auch für Cornelius Balbus.128 Wem genau also konnte die Gesamtausgabe von Caesars Kriegen Orientierung geben, wer „brauchte“ es?129 Der Text erinnert in einer Zeit, in der die Gemeinschaft der Caesaranhänger zu zerfallen droht, daran, dass Caesar Antonius im Jahr 50 als einen legitimen Repräsentanten dieser Parteiung angesehen hat. Angesichts der Ressentiments, die Hirtius gegenüber den Antonianern hegte, kann dies als Signal des Ausgleichs und der Kompromissbereitschaft gedeutet werden, eine Tendenz, die auch zu Hirtius’ ‚mediatorischer‘ Position nach den Iden des März zu passen scheint, die Cicero als Lavieren empfindet.130 Gleichzeitig entbehrt die Darstellung aber auch nicht eines paränetischen Moments: M. Antonius beansprucht, indem er sich nach Caesars Tod als dessen Erbe geriert, für sich, die Prinzipien der caesarischen Politik fortzuführen.131 || 126 Vgl. Bartolini (1963) 79. 127 Dies ist in der Forschung allgemein anerkannt. Vgl. z. B. Rüpke (1992) 223–226; Gaertner/Hausburg (2013) 160–163. 128 Vgl. Abschn. 4.1 mit Anm. 9 und 10 für das aus Cicerobriefen rekonstruierte Verhältnis des Hirtius zu Antonius. 129 Rüpke (2015) 136f. schreibt, Hirtius und Balbus seien „Leute …, die in einer Situation der Orientierungslosigkeit nach dem Tod des Führers, in einer Situation, in der die Frontlinien zwischen Caesarianern, Antonianern, Oktavianern und Republikanern nicht mehr klar sind, initiativ werden und sich die Literatur schaffen, die sie brauchen.“ 130 Vgl. Att. 15,1,3 (Brief vom 17. Mai): Seduxi enim [sc. Hirtium] et ad pacem sum cohortatus. Non poterat scilicet negare se velle pacem, sed non minus se nostrorum arma timere quam Antoni, et tamen utrosque non sine causa praesidium habere, se autem utraque arma metuere. Quid quaeris? Οὐδὲν ὑγιές. – „Ich habe mir Hirtius vorgenommen und ihn zum Frieden aufgerufen. Natürlich konnte er schlecht sagen, er wolle keinen Frieden, vielmehr (sagte er), dass er sich nicht weniger vor den Waffen unserer Leute als vor denen des Antonius fürchte, und dass dennoch beide Seiten nicht ohne Grund eine Schutzwache hätten, dass er aber beider Waffen fürchte. Mit einem Wort: Nichts Aufrichtiges.“ 131 Unter anderem betrachtet Antonius die acta Caesaris, Gesetzesentwürfe aus Caesars Nachlass, als verbindlich – Ciceros Meinung nach freilich nicht ohne Eigennutz. In den Philippischen Reden bezichtigt er Antonius wiederholt der Fälschung, vgl. Phil. 2,35; 43; 97; 5,11–12 und Att. 14,13,6.

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Diese fußt aber – das achte Buch insgesamt erinnert daran – auf Tugenden wie Nachsicht (clementia) gegenüber Feinden und, vor allem, dem unermüdlichen Bemühen um Frieden. So zeigt das Ende des achten Buches, zumindest in dem heute überlieferten Zustand, einen Caesar, der in seinem Bestreben, den drohenden Bürgerkrieg noch zu vermeiden, kompromissbereit und geradezu pazifistisch erscheint (55,2): Hoc facto quamquam nulli erat dubium, quidnam contra Caesarem pararetur, tamen Caesar omnia patienda esse statuit, quoad sibi spes aliqua relinqueretur iure potius disceptandi quam belligerandi. Contendit … Obwohl daher132 niemand Zweifel hatte, was man gegen Caesar vorbereitete, beschloss Caesar alles zu erdulden, solange ihm eine Hoffnung darauf blieb, eher auf der Grundlage des Rechts zu verhandeln als Krieg zu führen. Er eilte …

Vor dem Hintergrund der aufgeheizten Stimmung in Rom im Jahr 44 lesen sich die Hinweise auf Caesars Deeskalationsbemühungen wie eine Aufforderung an die Antonianer und M. Antonius selbst, den Feldherrn, auf den er sich beruft, auch als politisches Vorbild ernst zu nehmen. Gleichzeitig schafft der Erzähler Hirtius, dem Autor, in Bell. Gall. 8 eine persona, die sich dadurch, dass sie caesarische Politik konsequent verteidigt, sich innerparteilichen Gegnern gegenüber jedoch gleichzeitig kompromissbereit zeigt, zumindest einer bestimmten Klientel in Rom als legitimen und fähigen Konsul des Jahres 43 empfiehlt. Auf diese Weise sendet der Erzähler mit der Darstellung des Antonius einen Appell an den politischen Gegner, der auch als Nachweis des eigenen staatsmännischen Auftretens und damit der Eignung für das Konsulamt gelesen werden kann.

4.4.6 Kommentierung der Erzählzeit II: Nach den Iden des März In einem letzten Schritt soll nun eine weitere Textpassage interpretiert werden, die gleichfalls als Kommentar auf die Ereignisse der Erzählzeit, der Gegenwart des Erzählers, gelesen werden kann. Sie zeigt, dass der Bezug auf die Tagespolitik keineswegs auf die Figur des M. Antonius oder die Darstellung des Jahres 50 beschränkt ist. Der Feldzug gegen den gallischen Stamm der Bellovaker im Frühjahr 51, der in großer Ausführlichkeit geschildert wird (8,6–23), endet letztlich mit einem klaren

|| 132 Caesar sollte eine Legion für den geplanten Partherfeldzug zur Verfügung stellen, die aber Pompeius unterstellt wurde (54,1–3). Kraner/Dittenberger/Meusel (1966) 84 vergleichen hierzu mit Recht civ. 1,9,4–5.

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Sieg Caesars: Die Reiterei, die tapfersten Fußsoldaten und der Anführer Correus sind tot, der Atrebate Commius, der die Bellovaker im Kampf gegen Caesar unterstützt hatte, hat sich zu den Germanen geflüchtet (20,2–21,1). Man beschließt, Gesandte zu Caesar zu schicken, die sich vor ihm rechtfertigen und von Caesar auch eine Antwort erhalten (21,4–22,2): Tamen magnum, ut in tanta calamitate, Bellovacos eo proelio commodum esse consecutos, quod Correus, auctor belli, concitator multitudinis, esset interfectus; numquam enim senatum tantum in civitate illo vivo quantum inperitam plebem potuisse. (22) Haec orantibus legatis commemorat Caesar: eodem tempore superiore anno Bellovacos ceterasque Galliae civitates suscepisse bellum; pertinacissime hos ex omnibus in sententia permansisse neque ad sanitatem reliquorum deditione esse perductos; scire atque intellegere se causam peccati facillime mortuis delegari. Neminem vero tantum pollere, ut invitis principibus, reistente senatu, omnibus bonis repugnantibus infirma manu plebis bellum concitare et gerere posset; sed tamen se contentum fore ea poena, quam sibi ipsi contraxissent. Dennoch hätten die Bellovaker angesichts einer so vernichtenden Niederlage in diesem Kampf (doch) etwas Gutes erlangt, weil Correus, der Anstifter zum Krieg, der Aufwiegler der Masse, getötet worden sei; niemals nämlich habe zu dessen Lebzeiten der Senat so viel Einfluss im Stamm gehabt wie das unerfahrene Volk. (22) Den Gesandten, die dies vorbrachten, rief Caesar Folgendes ins Gedächtnis: Zur selben Zeit im vergangenen Jahr hätten die Bellovaker und die übrigen Stämme Galliens Krieg angefangen; am hartnäckigsten von allen seien sie bei ihrer Meinung geblieben, seien auch nicht durch die Kapitulation der anderen zur Vernunft gekommen. Er wisse ganz genau, dass man die Ursache für ein Vergehen besonders leicht den Toten zuschiebe. Niemand aber sei so stark, dass er – gegen den Willen der führenden Männer, gegen den Widerstand des Senats und unter dem Protest aller Gutgesinnten – (allein) mit dem unzuverlässigen Haufen des einfachen Volks einen Krieg anzetteln und führen könne. Aber dennoch werde er sich mit der Strafe zufriedengeben, die sie selbst sich zugezogen hätten.

Einerseits bietet der zitierte Text ein weiteres Beispiel für Caesars uneingeschränkte clementia: Den Grund, den die Gesandten zur Entschuldigung angeben – Correus habe die Römer gegen den Willen der nobiles bekämpft, sodass sie Caesar für dessen Tod letztlich sogar dankbar seien – wehrt Caesar als bloße Ausrede ab. Mit gutem Grund: So verrät bereits der Bericht der aufgegriffenen Kundschafter, durch die Caesar zu Beginn der Auseinandersetzungen mit den Bellovakern über deren Kriegspläne in Kenntnis gesetzt wird (7,3–7), die Beteiligung der gallischen Adligen am Widerstand gegen Caesar.133 Dessen impliziter, an die Gesandten gerichteter Vorwurf, sie würden selbst in dieser für sie aussichtslosen Situation noch lügen, scheint eine harte Bestrafung anzukündigen. Umso nachsichtiger wirkt Caesar, da

|| 133 Die speculatores berichten von mehreren Rädelsführern, von denen Correus der einflussreichste sei (complures esse principes belli auctores, sed multitudinem maxime Correo obtemperare, 7,4) und von der Einmütigkeit von Volk und Anführern, Caesars Legionen anzugreifen (constituisse autem Bellovacos omnium principum consensu, summa plebei cupiditate, si, ut diceretur, Caesar cum tribus legionibus veniret, sese offerre ad dimicandum, 7,6).

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er den Bellovakern selbst vor diesem Hintergrund noch zu verzeihen bereit ist und von Strafmaßnahmen gänzlich absieht.134 Andererseits lässt sich Caesars Grundsatz, niemand könne als Einzelner und ohne Unterstützung führender Männer einen Krieg beginnen und führen, ebenfalls treffend auf die politische Situation nach seinem eigenen Tod anwenden: Die Caesarmörder sehen sich in ihrer Hoffnung getäuscht, allein durch die Ermordung eines Einzelnen die alte res publica wiederherstellen zu können; zu zahlreich und zu mächtig sind die Unterstützer Caesars, die die Verschwörer von Anfang an in die Defensive drängen.135 Nun liegt es nicht gerade nahe, das Schicksal des Correus, der sich im Kampf nicht zur Aufgabe bewegen lässt und daraufhin von wütenden Soldaten getötet wird (19,4),136 mit dem Schicksal Caesars zu parallelisieren. Dennoch scheint es mir legitim zu sein, den fraglichen Satz (Neminem … posset) als Hinweis auf die Gegenwart des Erzählers zu deuten. Dafür sprechen mehrere Indizien:137 Zum einen fallen innerhalb des Trikolons invitis principibus, resistente senatu, omnibus bonis repugnantibus zwei Reizworte, die eng mit der stadtrömischen Politik verbunden sind. So kann mit dem Begriff senatus, obwohl die Bezeichnung für den Ältestenrat eines gallischen Stammes auch bei Caesar nicht ungewöhnlich ist, leicht der Senat in Rom assoziiert werden.138 Darüber hinaus verweist die Formulierung omnibus bonis repugnantibus auf das römische, vor allem auch ciceronische Ideal des consensus omnium bonorum.139 Vor allem aber klingt in Caesars Aussage bereits eines der zentralen Motive der Kapitel 48,10–50 an. In diesem Schlussabschnitt kontrastiert der

|| 134 Vgl. Scholz (1956) 66. 135 Von den Geschehnissen im Anschluss an Caesars Ermordung berichtet z. B. Plutarch, Brut. 18– 21. Cicero klagt schon am 10. April gegenüber Atticus (Att. 14,4,1): Equidem doleo, quod numquam in civitate accidit, non una cum libertate rem publicam recuperatam („Mich jedenfalls schmerzt es, dass – was niemals zuvor in einer Bürgerschaft vorgekommen ist – nicht zugleich mit der Freiheit auch der Staat wiedererlangt worden ist.“) und zunehmend verzweifelt am 19. April (Att. 14,10,1): At ille etiam in foro combustus laudatusque miserabiliter servique et egentes in tecta nostra cum facibus immissi. Quae deinde? Ut audeant dicere: ‚Tune contra Caesaris nutum?‘ Haec et talia ferre non possum („Aber jener [Caesar] wurde sogar auf dem Forum bestattet und auf Mitleid erregende Weise beweint, und die Sklaven und das niedere Volk wurden mit Fackeln in unsere Häuser geschickt. Was noch? Dass sie wagen zu fragen: ‚Bist du gegen Caesars Willen?‘ Dies und solcherlei mehr kann ich nicht ertragen.“). 136 Vgl. hierzu Melchior (2004) 124f. 137 Im Sinne Barthes’ (1988) 114f. 138 Dass der Begriff senatus in erster Linie den römischen Senat bezeichnet, zeigt das achte Buch selbst: Im Abschnitt 48,10–55, der sich mit der römischen Innenpolitik beschäftigt, begegnet der Begriff sechsmal, im restlichen Text – von der hier behandelten Stelle abgesehen – überhaupt nicht. 139 Vgl. Kraner/Dittenberger/Meusel (1966) 33: „omnibus bonis in dem bei den Römern so häufigen Sinne: alle (politisch) Gutgesinnten, besonders die Vornehmen und Besitzenden, die es mit der bestehenden Verfassung (hier natürlich mit den Römern) wohl meinten.“ An Cicero denkt auch Ramorino (1947) 19.

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Erzähler, hierin einen Aspekt der caesarischen Selbstdarstellung im Bell. civ. aufgreifend,140 die Unzufriedenheit eines kleinen Kreises, der gegen Caesar opponiert, mit der überwältigenden Unterstützung, die man Caesar von überall entgegenbringt. Die Belege für dieses Motiv sind ausgesprochen zahlreich:141 Caesar will sich für M. Antonius „gegen die Machtclique einiger weniger“ (contra factionem et potentiam paucorum, 50,2) einsetzen, die diesen als Augur verhindern und auf diese Weise auch Caesar selbst schaden will; seine Unterstützung braucht es jedoch gar nicht, denn Antonius ist bereits ohne sein Zutun gewählt, als er in Oberitalien eintrifft (50,3); Gallia cisalpina empfängt Caesar – für einen römischen Statthalter äußerst ungewöhnlich – mit großem Jubel (incredibili honore atque amore, 51,1); über Caesars Ankunft freuen sich alle Menschen, gleich ob arm oder reich (Tanta erat magnificentia apud opulentiores, cupiditas apud humiliores, 51,3); „nach den Plänen einiger weniger“ (paucorum consiliis, 52,3) soll, so wird Caesar bekannt, ihm eine Legion entzogen werden; Caesar geht dagegen nicht vor, weil er die Senatoren, sofern sie frei sprechen dürfen, ohnehin auf seiner Seite weiß (Iudicabat enim liberis sententiis patrum conscriptorum causam suam facile obtineri, 52,3); die Konsuln und Freunde des Pompeius (consules amicique Pompei, 52,5) aber kontrollieren den Senat (vgl. auch oben zu Kap. 53).142 In diesen Kapiteln ist der zeitpolitische Bezug der Darstellung unübersehbar. Gerade in einer Zeit, in der Caesars Reputation durch eine Gruppe von Verschwörern infrage gestellt wird, die für sich reklamieren, einen Tyrannenmord begangen und der res publica einen Dienst erwiesen zu haben, ist es von hoher Relevanz, die Mehrheitsverhältnisse so darzustellen, dass die Gegner Caesars bereits vor Beginn des eigentlichen Krieges als Anhänger einer factio paucorum erscheinen.143 In dieses Narrativ passt auch Caesars gegenüber den Bellovakern geäußerter Grundsatz: Allein die Tatsache, dass Caesar einen Krieg gegen Pompeius führen konnte, liefert den Nachweis, dass es erstens zu keinem Zeitpunkt einen consensus omnium bonorum, sondern lediglich eine factio paucorum gab, die gegen Caesar opponierte, dass Caesar zweitens mitnichten auf die infirma manus plebis angewie|| 140 Vgl. z. B. Raaflaub (2010) bes. 165–167 mit seinem Kapitel „Caesar’s Grand Coalition against the Factio Paucorum“ und Raaflaub (2018) 25f. 141 Für Ramage (2003) 366f. erlangt das achte Buch dadurch eine panegyrische Dimension („panegyric dimension“). 142 So sollte auch die Formulierung magnum hoc testimonium senatus erat universi nicht in dem Sinne interpretiert werden, dass der gesamte Senat sich gegen Caesar gewendet habe (in diesem Sinne wohl Ramorino 1947, 39 und Kraner/Dittenberger/Meusel 1966, 81: „… ein gewichtiges Zeugnis von der Gesinnung des Senats für Curios Antrag“). Sie bedeutet vielmehr, dass die Konsuln und Freunde des Pompeius sich darauf verstehen, die freie Meinungsäußerung im Senat zu unterbinden und die Fürsprecher Caesars, in diesem Fall Scribonius Curio, kaltzustellen, nötigenfalls auch mit illegalen Mitteln (so lautet ja auch der Vorwurf in civ. 1,5, die Volkstribunen seien ihres gesetzlich festgeschriebenen Interzessionsrechts beraubt worden). 143 In diesem Sinne auch Bartolini (1963) 78f. und Santangelo (2016) 106.

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sen war, sondern auch in der Aristokratie Unterstützung fand; und dass drittens der als Tyrannenmord deklarierte Anschlag auf seine Person einerseits illegitim, andererseits nicht zielführend war, um die alte Ordnung wiederherzustellen. Auf diese Weise lässt der Erzähler die Figur Caesar auch den politischen Scherbenhaufen nach den Iden des März kommentieren, der schon bald in einen neuen Bürgerkrieg führen wird.

4.5 Zwischenfazit Die epistula ad Balbum kündigt das achte Buch des Bell. Gall. als Bindeglied zwischen Caesars superiora und seinen insequentia scripta an. Mit der narratologischen Analyse des achten Buches sollte deswegen überprüft werden, ob und inwiefern diese Funktion auch tatsächlich erfüllt wird. Im Ergebnis präsentiert sich das achte Buch als ein Text, der sein selbstgestecktes Ziel auf mehrfache Weise erreicht. Bereits die Analyse der ersten Kapitel hat dies verdeutlicht: Inhaltlich nehmen die ersten Zeilen deutlich Bezug auf die Kriegsereignisse des Vorjahrs. Im Hinblick auf die Erzählperspektive unterscheidet sich das Anfangskapitel allerdings von den ersten Kapiteln des siebten Buches. Geriert sich nämlich der Erzähler des siebten Buches von Beginn an als Historiograph, der die Kriegsereignisse in der Rückschau souverän aus verschiedenen Blickwinkeln darzustellen weiß, orientiert sich der Erzähler des achten Buches, indem er die interne Fokalisierung nur selten durchbricht, eher am Berichtsstil des ersten Buches. Der Verzicht auf die Freiheiten, derer sich der Erzähler des siebten Buches bedient, passt gut zur wiederholten Verwendung des Wortes commentarius im achten Buch und der Analyse der epistula: Zum Selbstverständnis des Textes gehört es, ‚nur‘ ein commentarius zu sein, um auf diese Weise zu vermeiden, mit Caesar in einen Wettbewerb zu treten.144 Dadurch dass Caesar und seine Gesandten in entscheidenden Momenten des Krieges gegenüber ihren Gegnern über einen Informationsvorsprung verfügen, verzichtet der Erzähler darauf, ‚Spannung auf den Ausgang‘ aufzubauen. Die Ziele des Erzählers sind vielmehr in anderen Punkten zu suchen, wie die Analyse der Erzählstimme ergeben hat. Die Selbstinszenierung als Militärexperte und als kompetenter Leser der caesarischen commentarii spielt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle; auch mit der Persönlichkeit Caesars und dessen Feldherrntugenden zeigt sich der Erzähler bestens vertraut. Indem er betont, dass Caesar auch bereits auswärtigen Feinden seine im Bürgerkrieg berühmt gewordene Milde gewährt hat, gelingt es ihm, diese Eigenschaft als natürliche Disposition des Feldherrn zu erweisen und dadurch die Figurendarstellung des Bell. Gall. mit der des Bell. civ. zu harmonisieren.

|| 144 Vgl. auch Maurach (2003) 190 und Pelling (2006) 18f.

Zwischenfazit | 95

Mit den Bürgerkriegs-commentarii verbindet der Erzähler seinen Text zum einen durch den expliziten Bruch mit der Konvention der jahrweisen Berichterstattung, indem er das folgende Jahr (50 v. Chr.) im Rahmen eines Addendums innerhalb desselben Buches behandelt. Hier werden bereits zentrale Aspekte der caesarischen Selbstdarstellung vorweggenommen: So wird Caesar in Gallien als umjubelter Statthalter empfangen, während eine factio paucorum der Mächtigen in Rom gegen ihn opponiert. Zum anderen wirft der Bürgerkrieg schon im Bericht über das letzte Kriegsjahr in Gallien seine Schatten voraus, insofern die römische Innenpolitik auf die Kriegsführung Caesars Einfluss zu nehmen beginnt. Bereits hier wird zudem, durch einen Rückverweis auf den Mordanschlag gegen den Atrebaten Commius (52. v. Chr.), der damalige Caesarvertraute Labienus in ein schlechtes Licht gerückt. Bei dieser Darstellung zeigt sich der Erzähler von den politischen Ereignissen seiner Zeit beeinflusst, weil aus seiner Sicht Labienus nicht mehr als Verbündeter, sondern als einer der erbittertsten Widersacher Caesars gelten musste. Als einen von Caesars engsten Vertrauten modelliert der Erzähler hingegen dessen Quaestor M. Antonius. Im Gegensatz zu Labienus beweist er das richtige Urteilsvermögen im Umgang mit Commius. Von Caesar wird er außerdem bei dessen Versuch, ins Augurenkollegium kooptiert zu werden, unterstützt. Die auffällige Präsenz und wohlwollende Beurteilung des M. Antonius, der im siebten Buch Bell. Gall. nur sehr kurz erwähnt wird, lässt sich schließlich auch als Kommentar zur politischen Entwicklung der Erzählzeit (44 v. Chr.) interpretieren. Die positive Darstellung des Antonius im achten Buch legt daher nahe, dass die Abfassung des achten Buches bereits in eine Zeit fällt, in der eine Aussöhnung der Caesarianer noch möglich scheint.

5 Das Bellum Alexandrinum 5.1 Struktur, Autorschaft und Abfassungszeit Schon in der Einleitung zu Bell. Gall. 8 wurde auf die Heterogenität der dort dargestellten Gegenstände hingewiesen, die nicht allein die res gestae Galliae, sondern auch die innenpolitischen Entwicklungen vor Ausbruch des Bürgerkriegs umfassen. Noch weit heterogener präsentiert sich jedoch die unter dem Titel Bellum Alexandrinum überlieferte Schrift. Zum einen ist der Titel irreführend: Zwar wird zu Beginn des Textes über den Verlauf des Alexandrinischen Krieges berichtet, also über den Kampf Caesars und seines Verbündeten Mithridates in Ägypten gegen Ganymedes und Ptolemaios XIII.,1 dessen Anfänge bereits am Ende des dritten Buches des Bell. civ. geschildert werden. Doch dieser Bericht nimmt noch nicht einmal die Hälfte des gesamten Textes ein.2 Was darauf folgt, sind weitere Berichte über kriegerische Auseinandersetzungen, die in etwa zeitgleich zum Alexandrinischen Krieg stattfinden. Zum anderen muss selbst der Teil des Textes, der vom Alexandrinischen Krieg handelt, als in sich inhomogen gelten, und zwar in Bezug sowohl auf linguistische Merkmale als auch historiographische Methode, wie zuletzt Gaertner und Hausburg gezeigt haben. Sie argumentieren deshalb, eine These aus dem 19. Jahrhundert aufgreifend, dafür, dass die ersten Kapitel des Bell. Alex. (1–21) auf einen Entwurf Caesars zurückgehen, den Hirtius später vervollständigt hat (22–33).3 Auch die spä|| 1 Mithridates aus Pergamon gilt als (Halb-)bruder Mithridates’ VI. und somit als Onkel Pharnakes’ II., gegen den er gemeinsam mit Caesar Krieg führt (Bell. Alex. 78,2). – Ptolemaios XIII., Sohn Ptolemaios’ XII. Neos Dionysos, sollte mit seiner Schwester Kleopatra VII. nach dem Tod des Vaters gemeinsam regieren, war jedoch zu diesem Zeitpunkt noch unmündig. Diese Konstellation löst den Alexandrinischen Krieg aus: Als nämlich die bereits erwachsene Kleopatra sich als alleinige Königin geriert, wird sie auf Veranlassung des Pothinus, des Vormunds des Ptolemaios, vertrieben. Nach Pompeius’ Ermordung und der Landung Caesars in Alexandria bringt Kleopatra letzteren dann dazu, sich für ihre testamentarisch verfügten Rechte einzusetzen (vgl. civ. 3,107,2; s. u., Abschn. 5.3.2). Caesar setzt daraufhin die Königsfamilie gefangen (109,6), doch Arsinoë IV., einer weiteren Schwester des Ptolemaios, gelingt die Flucht (112,10). Sie stößt zu Achillas, dem Kommandeur des ptolemäischen Heeres, lässt diesen aber töten, als er sich weigert, anstelle des Ptolemaios sie als Königin anzuerkennen (civ. 3,112,11; Bell. Alex. 4). Als Heerführer installiert Arsinoë ihren „Erzieher“ (nutricius, Bell. Alex. 4,1) Ganymedes. Nach der Freilassung des Ptolemaios (Bell. Alex. 23–24) sind Ganymedes und Arsinoë entmachtet. Ausführlich zu Ursachen und Verlauf des Alexandrinischen Krieges: Heinen (2009) 70–133. – Informationen zum historischen Hintergrund der weiteren Kampagnen finden sich im Rahmen der Textanalyse. 2 Treffend zum Titel der Schrift Andrieu (1954) X: „Il est, en effet, à la fois trop étroit et trop large. Trop étroit, car il ne tient pas compte des quatre épisodes ajoutés au récit du siège d’Alexandrie (ch. 34–78); trop large, car il ne recouvre pas toute la guerre d’Alexandrie dont une partie importante est rapportée dans la Guerre Civile (3,103–112).“ 3 Simonetti Abbolito (1981) schlägt Caesar §§ 1–33 komplett zu. https://doi.org/10.1515/9783110711530-005

Struktur, Autorschaft und Abfassungszeit | 97

teren Teile des Bell. Alex. stammten von Hirtius oder von Augenzeugen der jeweiligen Kampagne.4 Caesar selbst tritt in diesen Teilen nicht mehr in Erscheinung und begegnet als Figur erst im letzten Textteil wieder. Das Bellum Alexandrinum im Überblick: Kapitel

Gegenstand

Erzählte Zeit5

1–21

Alexandrinischer Krieg

Ende 48 – Januar 47

22–33

Alexandrinischer Krieg

Januar 47 – Juni 47

34–41

Feldzug des Cn. Domitius Calvinus gegen Pharnakes II in August 48 – Ende 48 Pontos

42–47

Operationen des A. Gabinius und P. Vatinius in Illyrien

Sommer 48 – März 47

48–64

Meuterei gegen Q. Cassius Longinus in Hispanien

Ende 49 – Februar 47

65–78

Feldzug Caesars gegen Pharnakes II in Pontos

Juni 47 – September 47

Die Berichte, die zusammen das Bellum Alexandrinum ergeben, behandeln also, wie der Übersicht entnommen werden kann, verschiedene Feldzüge mit verschiedenen Figuren an verschiedenen Schauplätzen: 1) Im Alexandrinischen Krieg versucht nach dem Tod des Achillas zunächst Ganymedes (s. Anm. 1) die Wasserversorgung des Stadtteils, den Caesar besetzt hält, zu sabotieren (5–9). Nachdem dies missglückt und kleinere Gefechte auf See sowie eine größere Schlacht im Hafen (portus Eunostus) ebenfalls ungünstig für die Alexandriner verlaufen, gelingt ihnen zwar ein Befreiungsschlag beim Kampf um das Heptastadium (17–22), jenen künstlichen Damm, der die Stadt mit der vorgelagerten Insel Pharos verbindet, woraufhin Caesar auf Wunsch der Alexandriner den gefangenen König Ptolemaios freilässt (24).6 Mithilfe des von Mithridates von Pergamon

|| 4 Für die caesarische Autorschaft der §§ 1–21 vgl. Gaertner/Hausburg (2013) Kap. 3–4 passim. Für Hirtius als Verfasser der §§ 22–33 und als Bearbeiter der §§ 34–78 vgl. ebd., 159 Anm. 20. Für die Heterogenität der §§ 34–78 vgl. ebd., 88–93. Damon (2014) beurteilt diese Thesen teilweise skeptisch. Weit verbreitet ist weiterhin die Annahme, der Verfasser des gesamten Bell. Alex. sei Hirtius. Für Forschungsbeiträge, die für die Autorschaft des Hirtius plädieren, vgl. Gaertner/Hausburg (2013) 33 Anm. 15, dagegen z. B. Schneider (1959) 111–121. Vgl. außerdem Melchior (2004) 121 mit Anm. 38 (und contra Coulon-McIntosh 2011, 58; 62). 5 Angaben gemäß dem vorjulianischen Kalender. Für detailliertere Informationen vgl. Andrieu (1954) im Anhang („tableau chronologique“). 6 Heinen (2009) 108; 110 vermutet, dass Caesar dadurch einen Waffenstillstand erreichen wollte. Zur Darstellung im Bell. Alex. vgl. Abschn. 5.3.2.

98 | Das Bellum Alexandrinum

befehligten Entsatzheeres gelingt es ihm jedoch, die Alexandriner in einer Schlacht am Nil vernichtend zu schlagen (29–32). 2) In Kleinasien kommt es hingegen zunächst zu einer Niederlage gegen Pharnakes. Dieser hatte zuvor Kappadokien und Kleinarmenien besetzt und wurde von Domitius Calvinus vergeblich ermahnt, die Gebiete wieder zu räumen (34–37). Aus Alexandria erreicht Domitius nun die Nachricht, er solle sich schnellstmöglich selbst zur Unterstützung Caesars nach Ägypten aufmachen. Doch bevor er dem Marschbefehl folgt, liefert er Pharnakes bei Nicopolis eine Schlacht, die hohe Verluste fordert (39–41). 3) Die kurze Zusammenfassung der Ereignisse in Illyrien im Anschluss an die Schlacht von Pharsalos berichtet zur Hauptsache von der erfolgreichen Seeschlacht der Caesarianer unter P. Vatinius gegen M. Octavius (45–47), der so die Provinz für Caesar zurückgewinnt, nachdem zuvor A. Gabinius gescheitert war. 4) Hier schließt ein Bericht über die Statthalterschaft des Q. Cassius Longinus im ‚jenseitigen‘ Hispanien an, die geprägt ist von Ausbeutung, Raub, Erpressung und wechselseitigem Hass zwischen dem Römer und den Provinzbewohnern. Als nach einem fehlgeschlagenen Mordanschlag auf Cassius (52–53) auch Teile des Heeres von ihm abfallen, versuchen M. Marcellus und M. Lepidus zu vermitteln und eine militärische Eskalation zu verhindern (59–63). Cassius kommt schließlich in einem Unwetter auf See ums Leben, als er versucht, Hispanien zu verlassen (64). 5) Schließlich wird der Krieg in Pontos, der aus römischer Sicht mit der Niederlage des Domitius zunächst unbefriedigend verlaufen war, zu Ende erzählt: Nach Caesars Sieg in Ägypten wird Pharnakes, der zwischenzeitlich eine Tyrannenherrschaft aufgebaut hat, bei Zela schließlich vom Imperator persönlich geschlagen (72– 77).7 Schon auf den ersten Blick erscheinen die einzelnen Textteile des Bell. Alex. also disparat. In formaler Hinsicht fällt zudem auf, dass das für die commentarii Caesars charakteristische ‚annalistische‘ Prinzip,8 von dem der Erzähler des achten Buches || 7 Das Bonmot veni, vidi, vici, das Caesar anlässlich seines schnellen Erfolgs in Kleinasien geprägt haben soll, ist im Bell. Alex. nicht überliefert. Vgl. stattdessen Suet. Iul. 37,2 (bzw. für das griechische Äquivalent Plut. Caes. 50,3). 8 Dies gilt zumindest für das Bell. Gall., aber wohl auch für das Bell. civ. Die überlieferte Gliederung des Bell. civ. in drei Bücher, von denen die ersten beiden Ereignisse desselben Jahres behandeln, scheint zwar dagegen zu sprechen, dass Caesar das Prinzip der jahrweisen Abfassung beibehalten hat, wahrscheinlich geht diese Struktur jedoch nicht auf ihn selbst zurück. Zur Diskussion dieser alten Frage vgl. Gaertner/Hausburg (2013) 189–203, die angesichts der unübersichtlichen Forschungslage zum Thema eine nützliche Überblicksdarstellung bieten und jüngeren Versuchen, die dreigeteilte Buchstruktur als von Caesar intendiert zu erweisen (vgl. Boatwright 1988, 37f.; Batstone/Damon 2006, 75–88; Grillo 2012, 159–174), widersprechen. Nicht berücksichtigen konnten Gaertner und Hausburg ein neues Argument von Peer (2015) 178 für die dreigliedrige Struktur: Curios Niederlage am Ende des ersten Buches zu schildern hätte, so Peer, die Erfolge Caesars in Hispanien überdeckt. Daher habe er sich dazu entschlossen, dem Afrikafeldzug ein eigenes Buch zu

Struktur, Autorschaft und Abfassungszeit | 99

des Bell. Gall. am Schluss entschuldigend abrückt, für das Bell. Alex. keinerlei Geltung mehr beanspruchen kann.9 Aus narratologischer Perspektive kommt schließlich hinzu, dass die Erzähltempi in den einzelnen Teilen stark variieren: Benötigt der Erzähler zur Darstellung der ersten beiden Monate des Alexandrinischen Krieges noch 22 Kapitel,10 referiert er die Ereignisse nach Freilassung des Ptolemaios bis zum Kriegsende, die etwa ein halbes Jahr umfassen, in lediglich zehn Kapiteln. Noch knapper befasst er sich sogar mit den Kämpfen in Illyrien. Keines dieser Merkmale bietet für sich genommen einen guten Beleg für die These, dass an der Produktion des heute als Bell. Alex. überlieferten Konglomerats von Texten mehrere Verfasser beteiligt waren – man weiß, welchen Gebrauch Caesar selbst etwa von der Variation des Erzähltempos oder von ausgedehnten Exkursen gemacht hat.11 Zusammengenommen verleihen sie ihr aber doch einige Wahrscheinlichkeit. In der Konsequenz stellt sich die schon im vorangegangenen Kapitel aufgeworfene Frage, ob angesichts der Heterogenität der histoire ein (einziger) Text im engeren Sinn vorliegt oder ob es sich eher um eine Aneinanderreihung von Texten handelt, mit noch größerer Dringlichkeit. Einen guten Indikator in dieser Sache stellen erneut die Querverweise im Text zur Verfügung. Hier zeigt sich, dass im Bell. Alex. a) anders als in Bell. Gall. 8 nur ein einziges Mal auf die Schriften Caesars und b) nur zweimal auf einen anderen Textteil des Bell. Alex. verwiesen wird.12 Dieser Befund erklärt sich leicht: Die im Bell. Alex. geschilderten Kriegszüge sind zum einen räum-

|| widmen. Gegen diese These lässt sich einwenden, dass die Forschung auch für die zweigliedrige Buchstruktur ein Kompositionsprinzip nachweisen konnte. So argumentiert etwa Gärtner (1975) 133 dafür, dass die Erfolge Caesars in Hispanien und bei Pharsalos die Misserfolge in Afrika (am möglichen Ende des ursprünglichen ersten Buches) und bei Dyrrhachium (am möglichen Beginn des ursprünglichen zweiten Buches) rahmen. 9 Dies nimmt Patzer (1993) 122f. als Argument gegen die Autorschaft des Hirtius (s. u., Anm. 4). Wie Patzer, aber anders als Hall (1996) 415, halte ich das Abrücken vom Annuitätsprinzip als ein Indiz dafür, dass die von Caesar vorgegebene, relative formale Strenge des commentarius im Bell. Alex. an Verbindlichkeit eingebüßt hat. 10 Zum Vergleich: Die etwa einmonatige Vorgeschichte des Alexandrinischen Krieges von der Landung Caesars in Ägypten bis zu den ersten Kämpfen beansprucht sieben Kapitel des Bell. civ. (3,106–112). 11 Zur Variation des Erzähltempos im Bell. Gall. vgl. z. B. Schauer (2016) 130–141; vgl. auch Damon (2014): „The assumption …, that the density and quality of information are consistent in a singleauthored work, … strikes me as implausible.“ 12 Für eine Übersicht über die Querverweise im Bell. Alex. vgl. Gaertner/Hausburg (2013) 270. Der Verweis auf das Bell. civ. findet sich in 4,1 (Interim dissensione orta inter Achillan … et Arsinoen …, ut supra demonstratum est …). Zweimal wird im fünften Textteil (Caesars Feldzug gegen Pharnakes) auf Ereignisse des zweiten Teils (Domitius’ Feldzug gegen Pharnakes) Bezug genommen. Der Vollständigkeit halber sei der Liste Gaertners und Hausburgs noch eine Stelle hinzugefügt: cum iis copiis quas supra scripsi (35,3) verweist auf 34,3–5.

100 | Das Bellum Alexandrinum

lich weit voneinander getrennt, zum anderen aber auch hinsichtlich ihrer Ursachen so verschieden, dass sie kaum Bezugspunkte zueinander aufweisen.13 Auch ein Blick auf die Verknüpfungen zu Beginn der fünf Textteile bestätigt diesen Eindruck, da der Bezug zum zuvor Berichteten mehrheitlich über mehr oder weniger unspezifische Temporalangaben hergestellt wird:14 Kapitel

Ereignisse in …

Verknüpfung zum vorangegangenen Textteil

1–33

Alexandria

(Bello Alexandrino conflato …)15

34–41

Pontos

Dum haec in Aegypto geruntur …

42–47

Illyrien

Sub idem tempus in Illyrico est incommodum acceptum …

48–64

Hispanien

Iis autem temporibus quibus Caesar ad Dyrrachium Pompeium obsidebat …

65–78

Pontos

Cum in Syriam Caesar ex Aegypto venisset …16

Nimmt man diese Befunde zusammen, so lässt sich schlussfolgern, dass das Bell. Alex. aus weitgehend autonomen Textteilen besteht.17 Die oben gemachten Beobachtungen beziehen sich in der Hauptsache auf die histoire, den ‚Inhalt‘ des Bell. Alex. Doch wie steht es mit dem discours, der im Rahmen einer narratologischen Analyse vorrangig interessiert? Alle Bemühungen, die Heterogenität des Textes nachzuweisen und aus diesen Ergebnissen wiederum Rückschlüsse auf die Autorschaft der einzelnen Textteile zu ziehen, laufen, so berechtigt und sinnvoll sie für bestimmte Fragestellungen sein mögen, der Textintention offenkundig zuwider. Denn der (extradiegetisch-heterodiegetische) Erzähler des Bell. Alex. bleibt über den ganzen Text hinweg formal derselbe; Sprecherwech-

|| 13 Dass insbesondere der Abschnitt 48–64 von einem anderen Verfasser stammt als demjenigen der anderen Textteile, wird häufig vertreten (u. a. von Landgraf 1888, 13f.; Pötter 1932, 39–44; Seel 1935, 88 und 94; Andrieu 1954, XXIX und XXXI Anm. 1; Gaertner/Hausburg 2013, 53), auch wenn die Auffassungen in der Autorschaftsfrage ansonsten weit auseinandergehen. 14 Vgl. Andrieu (1954) XI; Giomini (1956) 23f. 15 Diese Formulierung schließt unmittelbar an das Ende des Bellum civile an (Haec fuerunt initia belli Alexandrini, 3,112,12). Gaertner/Hausburg (2013) 155–157 gehen davon aus, dass der überlieferte Buchschluss auf Hirtius zurückgeht. Allerdings verwundert es, dass der Buchschluss nicht später (d. h. am Ende des Jahres 48 = Bell. Alex. 11–12) angesetzt wurde, um das ‚annalistische‘ Kompositionsprinzip der commentarii aufrechtzuerhalten, auf das der Erzähler in Gall. 8,48,10–11 so viel Wert legt (vgl. Damon 2014, Anm. 5). 16 Diese Formulierung schließt unmittelbar an das Ende des Alexandrinischen Krieges an, das mit folgenden Worten endet: ipse (sc. Caesar) … profectus est in Syriam (33,3). 17 Gleichwohl sind die einzelnen Teile planvoll arrangiert, wie Richter (1977) 200 zeigt.

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sel gibt es keine.18 Dies ist als starkes Indiz dafür zu werten, dass das Bell. Alex. als Einheit rezipiert werden konnte und sollte. Trotzdem ist zu fragen, ob die Diversität der im Bell. Alex. dargestellten Gegenstände auch mit unterschiedlichen Darstellungstechniken korrespondiert. An diesem Punkt setzt die folgende Analyse an. Sie untersucht an den drei narratologischen Kategorien ‚Modus‘, ‚Stimme‘ und ‚Raum‘ Textstruktur und -intention und fragt dabei auch nach Kontinuitäten und Diskontinuitäten innerhalb des Textes.

5.2 Modus und Ordnung: Mittel des Spannungsaufbaus 5.2.1 Vorbemerkung Das Bell. Alex. ist überwiegend null- bzw. multifokalisiert.19 Dies gilt besonders für die ersten Kapitel des Alexandrinischen Krieges, in denen von den Gedanken und Plänen Caesars und der Alexandriner in fast gleicher Ausführlichkeit berichtet wird.20 Aber auch im weiteren Verlauf gibt der Erzähler immer wieder Informationen, die über den Wissensstand der Römer zum Zeitpunkt der Handlung hinausgehen.21 Gleichwohl erzeugt der Einsatz der Nullfokalisierung im Bell. Alex. unterschiedliche Effekte. Dies zeigt sich, wenn man die Analysekategorie der Fokalisierung mit der Betrachtung von Anachronien verknüpft. An zwei Beispielen soll gezeigt werden, inwiefern sich die Funktionen der Nullfokalisierung im Bell. Alex. voneinander unterscheiden.

5.2.2 Multifokalisierung unter Verzicht auf Anachronien Eines der ersten kriegswichtigen Ereignisse, das im Bell. Alex. ausführlich geschildert wird, stellt der Versuch der Alexandriner dar, Caesars Truppen, die sich in einem Teil der Stadt verschanzt haben, von der Trinkwasserversorgung abzuschneiden. Die Wasserversorgung erfolgt über unterirdische Kanäle, mit denen das || 18 Vgl. hierzu nochmals Rüpke (2015) 134. 19 Ein Hinweis zur Terminologie: Nullfokalisierung und Multifokalisierung wirken auf den ersten Blick wie Antonyme. Die Schnittmenge ist aber groß, wie bereits Genette (2010) 123 festgestellt hat: „Ebenso lässt sich bisweilen nur schwer zwischen variabler Fokalisierung und Nullfokalisierung unterscheiden, da die unfokalisierte Erzählung sehr häufig als eine ad libitum multifokalisierte Erzählung betrachtet werden kann …“ (vgl. auch S. 217f.). Dass beide Fokalisierungen nicht immer identisch sind, haben Köppe/Stühring (2016) nachgewiesen. 20 Vgl. Gaertner/Hausburg (2013) 117 mit Anm. 172. 21 Im Alexandrinischen Krieg z. B. 22; 25,1–3; 27,2–4; im ersten pontischen Feldzug z. B.: 37,1; 38; 41; in Illyrien: 45,1 (s. dazu unten); in Hispanien: passim; im zweiten pontischen Feldzug z. B.: 71,1; 74,1.

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Nilwasser geklärt und in die einzelnen Stadtteile geleitet wird (5,1–3). Der Plan des Ganymedes besteht nun darin, die Zuläufe zum Nil hin zu verstopfen und in die Kanäle, die den Stadtteil Caesars versorgen, stattdessen Salzwasser aus dem Meer einzuleiten;22 auf diese Weise wird Caesars Heer in Angst und Schrecken versetzt (6,1–9,3): (VI) Hoc probato consilio, magnum ac difficile opus adgreditur. Intersaeptis enim specibus atque omnibus urbis partibus exclusis quae ab ipso tenebantur, aquae magnam vim ex mari rotis ac machinationibus exprimere contendit; hanc locis superioribus fundere in partem Caesaris non intermittebat. Quam ob causam salsior paulo praeter consuetudinem aqua trahebatur ex proximis aedificiis magnamque hominibus admirationem praebebat quam ob rem id accidisset; nec satis sibi ipsi credebant, cum se inferiores eiusdem generis ac saporis aqua dicerent uti atque ante consuessent, vulgoque inter se conferebant et degustando quantum inter se differrent aquae cognoscebant. Parvo vero temporis spatio haec propior bibi omnino non poterat, illa inferior corruptior iam salsiorque reperiebatur. (VII) Quo facto dubitatione sublata, tantus incessit timor ut ad extremum casum periculi omnes deducti viderentur atque alii morari Caesarem dicerent quin navis conscendere iuberet, alii multo gravius extimescerent [casum] quod neque celari Alexandrini possent in apparanda fuga, cum tam parvo spatio distarent ab ipsis, neque, illis imminentibus atque insequentibus, ullus in naves receptus daretur … (VIII) Caesar suorum timorem consolatione et ratione minuebat. Nam puteis fossis aquam dulcem reperiri posse adfirmabat: omnia enim litora naturaliter aquae dulcis venas habere … (IX) Hac oratione apud suos habita atque omnium mentibus excitatis, dat centurionibus negotium ut, reliquis operibus intermissis, ad fodiendos puteos animum conferant neve quam partem nocturni temporis intermittant. Quo suscepto negotio atque omnium animis ad laborem incitatis, magna una nocte vis aquae dulcis inventa est. Ita operosis Alexandrinorum machinationibus maximisque conatibus non longi temporis labore occursum est. (6) Der Plan hatte Zustimmung gefunden, und so machte man sich an die große und schwierige Aufgabe. Die Wassergänge wurden verstopft und in allen Stadtteilen, die von Ganymedes besetzt waren, abgeschnitten. Dann strengte man sich an, eine große Wassermenge mit Rädern und Maschinen aus dem Meer emporzudrücken. Dieses Wasser ließ man von den höhergelegenen Orten aus ununterbrochen in den Stadtteil Caesars fließen. Aus diesem Grund wurde etwas salzigeres Wasser als gewöhnlich aus den nächstgelegenen Häusern geschöpft und die Menschen waren sehr verwundert, aus welchem Grund dies geschehen sei. Und sie wollten sich selbst kaum glauben, als die weiter unten Wohnenden behaupteten, sie würden dasselbe Wasser mit demselben Geschmack trinken wie früher. Nun verglich man das Wasser allenthalben untereinander und erkannte durch Abschmecken, wie das Wasser sich voneinander unterschied. Nach kurzer Zeit aber konnte das Wasser aus den oberen Gebieten überhaupt nicht mehr getrunken werden, in den tiefer gelegenen Gebieten fand man es schon verdorbener und salziger. (7) Als daraufhin jeder Zweifel ausgeräumt war, machte sich eine solche Angst breit, dass alle sich höchster Gefahr ausgesetzt sahen und die einen sagten, Caesar würde (zu lange) zögern, den Befehl zu geben, die Schiffe zu besteigen, andere wiederum noch viel heftiger in Angst gerieten. Denn die Alexandriner würden weder bei der Vorbereitung der Flucht ge-

|| 22 Möglicherweise hatte Achillas ursprünglich diesen Plan, wurde aber an der Durchführung durch seine von Arsinoë veranlasste Hinrichtung gehindert (vgl. Judeich 1885, 87f. mit Verweis auf Cass. Dio 42,38,4 und Plut. Caes. 49 sowie Graindor 1931, 80 Anm. 2).

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täuscht werden können, da sie von ihnen nur so wenig weit entfernt seien, noch würde, wenn die Alexandriner ihnen im Nacken säßen und sie verfolgten, irgendeiner auf die Schiffe Zuflucht nehmen können … (8) Caesar minderte die Angst der Seinen mit Trost und Vernunft. Denn er versicherte, dass Süßwasser durch Brunnengrabungen gefunden werden könne; an allen Küsten gebe es von Natur aus Süßwasseradern … (9) Nachdem er diese Rede vor seinen Leuten gehalten hatte und aller Gemüter angestachelt hatte, gab er den Zenturionen die Aufgabe, dass sie sich unter Unterbrechung aller übrigen Tätigkeiten darauf konzentrieren sollten, Brunnen zu graben und diese Arbeit auch zu keinem nächtlichen Zeitpunkt zu unterbrechen. Nachdem diese Aufgabe in Angriff genommen und aller Gemüter zu dieser Arbeit motiviert waren, wurde binnen einer Nacht eine große Menge Süßwasser gefunden. So wurde den mühevoll konstruierten Maschinen der Alexandriner und ihren größten Kraftaufwendungen mit einer kurzen Anstrengung begegnet.

Die Episode kann als detailreich und anschaulich gelten.23 Seine Wirkung erzielt der Text durch die sorgsame erzählerische Vermittlung, die auf Spannungsaufbau einerseits und die positive Modellierung der Figur Caesar andererseits ausgerichtet ist. Die Wirkung der Textstelle ist dabei von der gesteuerten Informationsvergabe abhängig, wie sie an dieser Stelle durch einen multifokalisierten Bericht realisiert wird. Noch zu Beginn des sechsten Kapitels fokussiert der Erzähler auf die Pläne der Alexandriner. Mit großem Einsatz machen sie sich daran, die Wasserversorgung zu manipulieren – eine schwere Aufgabe (magnum ac difficile opus), der sich die Alexandriner aber, wie das Lesepublikum vermuten darf,24 gewachsen zeigen werden. Caesar und seine Soldaten haben von den Vorgängen in den nicht von ihnen besetzten Stadtteilen hingegen keine Kenntnis. Lesepublikum und Caesarianer sind also diskrepant informiert, ersteres verfügt diesen gegenüber über einen Informationsvorsprung. Mit dem Satz Quam ob causam salsior … aqua trahebatur … (6,2) wechselt die Fokalisierung. Der Erzähler fokalisiert nun auf die Wahrnehmung der Römer. Während des restlichen Kapitels wird die diskrepante Informiertheit Stück für Stück ausgeglichen, sodass zu Beginn des siebten Kapitels (Quo dubitatione sublata …) alle Akteure und das Lesepublikum wieder gleich informiert sind. Der Erkenntnisprozess der Römer wird dabei von der ersten Verwunderung, die das salzige Wasser auslöst, über den ernsten Verdacht bis zur angstvollen Gewissheit kleinschrittig wiedergegeben, sodass Erzählzeit und erzählte Zeit an dieser Stelle fast zur Deckung kommen; es wird szenisch erzählt.25 Auf diese Weise baut der Erzähler Spannung auf: Da das Lesepublikum zu dem Zeitpunkt, als die Römer noch zwei-

|| 23 Vgl. Richter (1977) 200f.; Gaertner/Hausburg (2013) 118; Raaflaub (2017a) 497, 12.7a. 24 Die handwerkliche Geschicklichkeit der Alexandriner hatte der Erzähler bereits zuvor hervorgehoben (3,1). Zum stereotypen Bild der alexandrinischen Bevölkerung vgl. Abschn. 5.3.2. 25 Zum Begriff ‚Szene‘ vgl. Genette (2010) 69–71.

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feln, ob überhaupt Gefahr besteht, den Ausgang bereits vorhersehen kann, werden Erwartungen auf mögliche Reaktionen der Römer geweckt.26 Diese zeigen sich im Angesicht der Gefahr panisch. Die einen wollen Hals über Kopf fliehen und kritisieren Caesar für seine Saumseligkeit, die anderen glauben bereits verstanden zu haben, dass jeder Fluchtversuch zwecklos wäre (7,1). Die Lage scheint ausweglos – auch dem Lesepublikum, das nur noch in einer einzigen Hinsicht über einen Informationsvorsprung gegenüber den Akteuren verfügt: Irgendwie, das zeigt die Geschichte, muss es Caesar gelungen sein, die Gefahr zu bannen.27 Die Gegenbewegung setzt mit dem ersten Satz des achten Kapitels ein: Caesar suorum timorem consolatione et ratione minuebat. Erneut wechselt an dieser Stelle das vom Erzähler fokussierte Subjekt. Nach langer Zeit steht nun wieder Caesar im Zentrum der Darstellung.28 Sein topographisches Wissen – omnia enim litora naturaliter aquae dulcis venas habere (8,1) – bewahrt die Soldaten vor unüberlegtem Handeln. Tatsächlich stellt sich, nachdem über Nacht Brunnengrabungen versucht werden, heraus, dass Caesar Recht hat: Man findet Süßwasser im Überfluss. Durch die Präsentation der Ereignisse wird Caesar als überlegener Stratege exponiert: Einerseits erweist er durch seine Ansprache und den Erfolg der daraufhin unternommenen Arbeit die Kritik aus den eigenen Reihen als gegenstandlos, andererseits begegnet er den Maßnahmen der Alexandriner auf souveräne und abgeklärte Weise. So kann der Erzähler nicht ohne Hohn in einem resümierenden Satz vermerken, es habe genügt, dem ausgeklügelten Vorhaben (maximi conatus) der Alexandriner eine kurze Anstrengung (non longi temporis labor) entgegenzusetzen.29 Auch die staunenswerten Konstruktionen der Alexandriner, die zunächst bedrohlich schienen (rotae und machinationes in 6,1), haben ihren Schrecken verloren und wirken lächerlich (operosae machinationes in 9,2).30 Nicht nur zwei, sondern gleich drei fokalisierte Gruppen bzw. Figuren – die Alexandriner, die caesarischen Soldaten und Caesar selbst – lassen sich also in dieser Textpassage unterscheiden. Sie ist damit ein gutes Beispiel für eine nicht || 26 Vgl. Gaertner/Hausburg (2013) 117 zu Perspektivwechseln: „This technique … invites the reader to evaluate the situation himself and speculate about the further developments. … In addition, the frequent changes of perspective often delay the outcome of the respective operations and thereby keep up the reader’s suspense.“ Ich unterscheide gemäß den einleitenden Bemerkungen zum Fokalisierungsbegriff (s. Kap. 3.3) nicht zwischen Perspektiven, sondern zwischen Aspekten der erzählten Welt, auf die der Erzähler fokalisiert. 27 An dieser Stelle flicht der Erzähler einen kurzen Exkurs über den Charakter der Alexandriner ein, der hier nicht behandelt wird; vgl. hierzu Abschn. 5.3.2. 28 Als handelnde Figur trat Caesar zuletzt im ersten Kapitel des Bell. Alex. auf. 29 Vgl. Faraguna (1993) 1367. 30 Vgl. zum Aspekt der Lächerlichkeit der Alexandriner auch Abschn. 5.4.2. Giomini (1956) 66 macht besonders auf den zeitlichen Aspekt aufmerksam: Während die Römer die Gefahr binnen einer einzigen Nacht (una nox) bannen, haben die Alexandriner für die Umsetzung ihres Planes viel Zeit benötigt.

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fokalisierte oder, an dieser Stelle besonders treffend, multifokalisierte Szene. Für die Wirkung der Textpassage ist dabei entscheidend, dass Caesars eigene Gedanken bis zum Schluss der Szene zurückgehalten werden, sodass zuvor der Eindruck höchster Gefahr entsteht. Vor diesem Eindruck kann die Figur im Anschluss umso effektvoller als Retter in größter Bedrängnis inszeniert werden.

5.2.3 Nullfokalisierung mit Prolepse Die folgenden Überlegungen zum Zusammenhang von Nullfokalisierung und der Rolle des Schicksals im Bell. Alex. knüpfen an eine Beobachtung Gaertners und Hausburgs an. Sie haben überzeugend dargelegt, dass das Konzept von Schicksal, das den einzelnen Textabschnitten des Bell. Alex. zu Grunde liegt, nicht immer dasselbe ist. Während in den ersten Kapiteln (und in Caesars commentarii) fortuna das nicht kalkulierbare Kriegsglück bezeichnet, das sich in der Rückschau gleichwohl rationalisieren, d. h. auf objektiv bestimmbare Ursachen zurückführen lässt, handelt es sich in den späteren Kapiteln um eine übermenschliche Kraft, die das Kriegsgeschehen kontingent beeinflusst.31 Dies lässt sich unter anderem an der kurzen Skizze über die Ereignisse in Illyrien in den Jahren 48/47 gut zeigen. Während Caesar Pompeius nach Ägypten verfolgt, verwaltet Caesars Quaestor Q. Cornificius die Provinz Illyrien. Wegen der großen Gefahr erneuter Rebellionen schickt Caesar ihm A. Gabinius zur Unterstützung.32 Doch die Lage gerät außer Kontrolle: Gabinius hat, so der Erzähler, entweder auf seine eigenen Fähigkeiten oder auf das „Glück Caesars des Siegers“ (fortunae victoris Caesaris, 43,1) zu sehr vertraut.33 Er erleidet in einer Schlacht in Dalmatien schwere Verluste, die die caesarische Vorherrschaft in der Provinz infrage stellen. Der Pompeianer M. Octavius, der auch noch im Afrikanischen Krieg für die Senatspartei kämpft (Bell. Afr. 44,2), macht sich nach dem bald darauf folgenden Tod des „glücklosen“ (infelix, 43,4) || 31 Vgl. Gaertner/Hausburg (2013) 110–116. Für Literatur zum gut erforschten Konzept von felicitas/fortuna in Caesars commentarii vgl. ebd., 112 Anm. 158. Für felicitas/fortuna im Bell. Alex. vgl. insbesondere Giomini (1956) 34–36; Murphy (1986) 310–313; Welch (2008) 199–202. 32 A. Gabinius, ehemaliger Verbündeter des Pompeius, der als Prokonsul i. J. 55 mithilfe des M. Antonius Ptolemaios XII. in Ägypten als König gewaltsam wiedereinsetzt. Nach der Verurteilung in einem sich anschließenden Repetundenprozess – Ptolemaios hatte Gabinius eine große Geldsumme als Belohnung versprochen – wird er exiliert und erst von Caesar begnadigt. Vgl. K.-L. Elvers, s. v. Gabinius I 2, DNP 4, 1998, 727f. 33 Giomini (1956) 35f. versteht fortuna hier als dea Fortuna, hält im Text (ebd., 148) aber an der Kleinschreibung fest, worauf Murphy (1986) 317 Anm. 28 zu Recht aufmerksam macht (für eine ähnliche Verwendung vgl. auch Bell. Afr. 61,5). Nach Murphy (ebd., 312) zeigt sich an dieser Stelle, dass der Glaube an Caesars Kriegsglück als so kanonisiert gedacht ist, dass es sogar auf seine Generäle ausstrahlt: „Caesar’s good fortune as a victor is a mystic resource upon which his subordinates can draw.“

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Gabinius daran, die Provinz für seinen Feldherrn zurückzuerobern. Cornificius ruft daraufhin P. Vatinius zu Hilfe.34 Der Bericht von Gabinius’ Misserfolg endet mit folgendem Ausblick (43,4): Quem (sc. M. Octavium) tamen diutius in rebus secundis et fortuna, quae plurimum in bellis potest, diligentiaque Cornificii et virtus Vatinii versari passa non est. Dass aber M. Octavius sich noch länger im Glück sonnte, duldeten weder das Schicksal, das in Kriegen sehr viel vermag, noch Cornificius’ Umsicht noch Vatinius’ Tapferkeit.

Mit dieser Prolepse wird der Sieg der Caesarianer über M. Octavius in Aussicht gestellt,35 ein Sieg, der sich nach dem Urteil des Erzählers in Teilen auf das Wirken des Schicksals zurückführen lässt. Bereits wenig später (§§ 45,1–46,1) wird die Ankündigung eingelöst: (XLV) Octavius cum Vatinium classem magna ex parte confectam ex naviculis actuariis habere cognosset, confisus sua classe substitit ad insulam Tauridem. Qua regione Vatinius insequens navigabat, non quo Octavium ibi restitisse sciret, sed quod eum longius progressum insequi decreverat. Cum propius Tauridem accessisset distensis suis navibus, quod et tempestas erat turbulenta et nulla suspicio hostis, repente adversam ad se venientem navem antemnis ad medium malum demissis instructam propugnatoribus animum advertit. Quod ubi conspexit, celeriter vela subduci demittique antemnas iussit et milites armari et, vexillo sublato quo pugnandi dabat signum, quae primae naves subsequebantur idem ut facerent significabat. Parabant se Vatiniani repente oppressi; parati deinceps Octaviani ex portu procedebant. Instruitur utrimque acies, ordine disposita magis Octaviana, paratior militum animis Vatiniana. (XLVI) Vatinius cum animum adverteret neque navium se magnitudine neque numero parem esse fortuitae dimicationi, fortunae rem committere maluit.36 ________ XLVI fortuitae dimicationi [-nis R] om. T futurae d. edd. vett. fortuitae tamen Hoffmann ‖ fortunae del. Hoffmann ‖ maluit: noluit T (45) Nachdem Octavius erkannt hatte, dass Vatinius’ Flotte größtenteils aus Schnellseglern bestand, machte er im Vertrauen auf seine eigene Flotte bei der Insel Tauris halt. In dieser Gegend segelte sein Verfolger Vatinius, nicht weil er wusste, dass Octavius dort zurückgeblieben war, sondern weil er entschieden hatte, ihn, weil er weiter vorgerückt war, zu verfolgen. Als er nah an Tauris herangekommen war, waren seine Schiffe zerstreut, denn das Wetter war stürmisch und es gab keine Spur vom Feind. Da plötzlich bemerkte er ein feindliches Schiff mit halb herabgelassener Rah und besetzt mit Kämpfern auf sich zukommen. Kaum dass er es erblickt hatte, gab er den Befehl aus, schnell die Segel einzuholen, die Rah herabzulassen und, an die Soldaten gewandt, sich zu bewaffnen, und er signalisierte, indem er die Standarte auf-

|| 34 P. Vatinius, der Gegenspieler Ciceros, ist im Gegensatz zu Gabinius Caesarianer der ersten Stunde. Vgl. J. Bartels, s. v. Vatinius I 2, DNP 12,1, 2002, 1151f. 35 Auch die Verwendung von Prolepsen ist nach Gaertner/Hausburg (2013) 117–122 charakteristisch für Bell. Alex. 22–78. 36 Ich drucke hier den m. E. vorzuziehenden Text der OCT-Ausgabe du Pontets (1901) ad loc. (nachgedruckt bei Way 1955, 84).

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stecken ließ, mit der das Zeichen zum Kampf gegeben wurde, dass die ihm zuerst nachfolgenden Schiffe dasselbe tun sollten. Die Vatinianer, plötzlich in Bedrängnis, bereiteten sich zum Kampf vor. Die Octavianer waren schon bereit und liefen aus dem Hafen aus. Auf beiden Seiten wurde eine Schlachtordnung gebildet: Dabei war die des Octavius geordneter, die des Vatinius entschlossener durch die Kampfbegierde der Soldaten. (46) Als Vatinius bemerkte, dass er weder hinsichtlich der Größe seiner Schiffe noch hinsichtlich ihrer Anzahl einem spontanen Kampf gewachsen war, war es ihm lieber, die Angelegenheit dem Schicksal zu überlassen.

Auf den ersten Blick präsentiert sich die hier zitierte Textpassage ganz ähnlich zu der in Abschn. 5.2.2 besprochenen. Sie ist zum einen ebenfalls durch Nullfokalisierung gekennzeichnet, zum anderen erhält das Lesepublikum dank dieser Fokalisierung auch hier einen Informationsvorsprung: Ihm ist schon bekannt, dass Vatinius’ Gegner bei der Insel Tauris lagert, ehe Vatinius selbst davon erfährt. Der Erzähler betont eigens die Ahnungslosigkeit des Vatinius, der die Insel aufs Geratewohl ansteuert (Qua regione … navigabat, non quo Octavium ibi restitisse sciret); auch dass seine Schiffe nach einem Unwetter zerstreut segeln, ist der Erwartung geschuldet, den Feind, nachdem man ihn aus Epidauros vertrieben hatte (44,5), auch bei Tauris nicht anzutreffen (nulla suspicio hostis). Entsprechend unvorbereitet (repente oppressi) sind die Vatinianer, als sich ihnen das feindliche, kampfbereite Schiff nähert.37 Erneut wird durch die Nullfokalisierung Spannung aufgebaut. Allerdings ist in diesem Fall der Ausgang der Schlacht durch die Prolepse (43,4) bereits klar. Ähnlich wie durch die interne Fokalisierung in Bell. Gall. 8 (vgl. Kap. 4.2.3) entsteht Spannung hier in Bezug auf das ‚Wie‘ des Erfolgs: Wie gelingt es Vatinius, sich, obwohl ihn der Kampf unvorbereitet trifft, gegen Octavius zu behaupten? Die Antwort ist einerseits in der Reaktionsschnelle des Vatinius und in der überlegenen Kampfmoral seiner Soldaten zu suchen: Während im Alexandrinischen Krieg Caesars Truppen angesichts der unvermuteten und scheinbar großen Gefahr des verseuchten Trinkwassers noch am liebsten die Flucht ergriffen hätten, nehmen die Soldaten des Vatinius die Herausforderung der überraschenden Gelegenheit zum Kampf an. Zwar müssen sie sich erst sammeln (parabant), als Octavius’ Schiffe schon bereit sind (parati). Doch noch vor Ausbruch der Seeschlacht sind sie ihnen, wenn auch nicht hinsichtlich der Kampfordnung, so doch im Hinblick auf ihre Einstellung, überlegen (paratior). So scheint es für einen Augenblick, dass Vatinius’ Soldaten fast gleichberechtigt in die Schlacht ziehen. Doch andererseits will der Text offenbar nicht nur die Soldaten des Vatinius als überlegen darstellen. Gleichzeitig soll gezeigt werden, dass Vatinius über jenes Kriegsglück verfügt, das Gabinius noch fehlte. So erklärt sich der folgende Satz

|| 37 Selbstverständlich besteht diskrepante Informiertheit auch im inneren Kommunikationssystem: Octavius weiß schon beim Auslaufen, dass er auf Vatinius treffen wird (vgl. Giomini 1956, 152; Loreto 2001, 378f.).

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(46,1): Für einen spontanen Kampf waren seine Schiffe sowohl zu klein als auch zu wenige. Der Zusatz fortuitae dimicationi, der par näher qualifiziert, ist dabei entscheidend: Wäre es nämlich zu einem geplanten Aufeinandertreffen gekommen, hätten die Vatinianer ihre zahlenmäßige Unterlegenheit womöglich durch ihre virtus wettmachen können. Unter diesen widrigen Bedingungen jedoch bleibt Vatinius nichts anderes übrig, als auf das Schicksal zu vertrauen (fortunae rem committere maluit).38 Durch den sich anschließenden Erfolg des Vatinius wird schließlich die Prolepse aufgelöst: Tatsächlich hat sich das Kriegsglück als entscheidender Faktor in der Schlacht erwiesen. Den Sieg des Vatinius kennzeichnet also, dass er nicht bis ins Letzte rational begründbar ist.39 Auch die Nullfokalisierung hilft, weil sie beim Lesepublikum einen Informationsvorsprung bewirkt, dabei, die Unterlegenheit der Vatinianer zu inszenieren und so die Deutung ihres Erfolges als vom Schicksal gewollt zu stützen.

5.3 Stimme: Ethnozentrismus im Bell. Alex. 5.3.1 Vorbemerkung Der Erzähler bleibt im Bell. Alex. formal stets derselbe; darauf wurde bereits in der Einleitung hingewiesen. Doch lassen sich sehr wohl Unterschiede hinsichtlich seiner Präsenz im Text und seiner Einstellungen beobachten. Um diese Differenzen sichtbar zu machen, wird im folgenden Kapitel untersucht, wie sich der Erzähler gegenüber dem aus römischer Perspektive Fremden positioniert. Dazu betrachte ich verschiedene Gruppen (bzw. Figuren), die das ganze Spektrum des Fremden im Bell. Alex. abdecken: Die Alexandriner, Caesars Kontrahenten in Ägypten, die Rhodier, seine Verbündeten im selben Krieg, Pharnakes II., den Erben Mithridates’ VI., und die Bevölkerung Hispaniens.

|| 38 Die jüngeren Textausgaben (Klotz 1927a, 34f.; Andrieu 1954, 46; Giomini 1956, 153) interpungieren an dieser Stelle wie folgt: parem esse, fortuitae dimicationi [fortunae] rem committere maluit, sodass der Dativ fortuitae dimicationi nicht zu par, sondern zu rem committere zu ziehen ist. Die Athetese von fortunae als Glosse wird bei dieser Lesart dringend nahegelegt und ebenfalls von den genannten Hgg. übernommen. 39 Einem Unbehagen über das große Gewicht der fortuna liegt vermutlich die Lesart des Kodex T zu Grunde. Dieser bietet statt maluit das Prädikat noluit, sodass der vorangehende Nebensatz konzessiven Sinn erhält (Neuerungen im Text sind in T auch sonst häufig, vgl. Damon 2015, 76f.). Diese Variante bietet aber sicher nicht die richtige Lesart, zumal auch im weiteren Verlauf des Textes göttliche Kräfte immer wieder eine Rolle spielen (vgl. z. B. Abschn. 5.4.3 zu Bell. Alex. 74–75).

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5.3.2 Die Alexandriner Auf die Frage, aus welchem Grund Caesar in Alexandria Krieg führt, gibt das Bellum Alexandrinum kaum Auskunft.40 Der Text setzt mit einer Reihe von Kriegsvorbereitungen ein, Caesars Ziele jedoch bleiben unklar. Zwar lassen sich die Gründe für Caesars Entschluss, vorerst in Alexandria zu bleiben, obwohl Pompeius, dessentwegen er ursprünglich in die Stadt gekommen war, längst tot ist, aus den letzten Kapiteln des Bell. civ. rekonstruieren, an die das Bell. Alex. unmittelbar anschließt: Dort gibt der Erzähler an, die Schlichtung des Erbstreits zwischen Ptolemaios XIII. und Kleopatra sei von großer Wichtigkeit für das römische Volk, da zwischen Rom und Alexandria ein Bündnis mit dem damaligen König, dem Vater der beiden verfeindeten Geschwister, geschlossen worden sei; unter anderem habe Ptolemaios XII. das Römische Reich damit beauftragt, die von ihm festgesetzte Erbfolge nach seinem Tod durchzusetzen.41 Im Bell. Alex. wird auf diese Begründung allerdings zunächst nicht erneut rekurriert.42 Stattdessen bietet das Bell. Alex. die Sicht der Alexandriner auf den Krieg (3,2–4): Atque haec principes in consiliis contionibusque agitabant: populum Romanum paulatim in consuetudinem eius regni occupandi venire. Paucis annis ante A. Gabinium cum exercitu fuisse in Aegypto; Pompeium se ex fuga eodem recepisse; Caesarem venisse cum copiis; neque morte Pompei quicquam profectum quominus apud se Caesar commoraretur. Quem si non expulissent, futuram ex regno provinciam … Und die Anführer beratschlagten Folgendes bei ihren Treffen und Versammlungen: Das römische Volk gewöhne sich allmählich daran, dieses Königreich zu besetzen. Wenige Jahre zuvor sei A. Gabinius mit seinem Heer in Ägypten gewesen; Pompeius habe auf seiner Flucht ebenfalls dort Zuflucht gesucht; Caesar sei mit Truppen gekommen, aber man habe auch mit dem Tod des Pompeius nichts dahingehend bewirkt, dass Caesar nicht (länger) bei ihnen verweile. Wenn sie ihn nicht vertrieben, werde aus dem Königreich eine Provinz ...

Der Alexandrinische Krieg wird an dieser Stelle mit dem Gallischen Krieg parallel gesetzt, denn der Vorwurf, den die Gallier in den commentarii gegen Caesar richten, ist mit demjenigen der Alexandriner durchaus vergleichbar: Caesar habe es darauf abgesehen, ein freies Land zu unterjochen und es zur römischen Provinz zu machen.43 Die Alexandrinische Perspektive auf den Krieg verdeutlicht Folgendes: Cae-

|| 40 Vgl. dazu die oben Anm. 2 zitierte Einschätzung Andrieus. 41 Vgl. civ. 3,107–108. 42 Erst nach Ende der Kampfhandlungen (31,1) wird auf das Testament des Ptolemaios (XII.) Bezug genommen, das zu vollstrecken Rom und somit Caesar sich verpflichtet hatte (vgl. Anm. 1). Caesars Liebesbeziehung zu Kleopatra wird im Bell. Alex. nicht erwähnt; zu den Gründen vgl. Maurach (2003) 249f. 43 Vgl. Gaertner/Hausburg (2013) 107f. und Gall. 7,77,15–16 (aus der Rede des Critognatus): ‚Romani vero quid petunt aliud aut quid volunt, nisi invidia adducti, quos fama nobiles potentesque bello

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sar führt in Alexandria keinen Bürgerkrieg mehr, sondern einen Krieg gegen ein fremdes Volk.44 Dass dem Erzähler daran gelegen ist, die Alexandriner als Fremde darzustellen und sie auf diese Weise zu denunzieren, lässt sich im Bell. Alex. an vielen Stellen zeigen. Bereits im vergangenen Abschnitt (5.2) erschienen sie als geschickte und technisch begabte, aber letztlich als zu kompliziert denkende Menschen. Diese Strategie der indirekten Verleumdung wird auch im Bell. civ. bereits sichtbar.45 Im Bell. Alex. geht die negative Bewertung der Gegner Caesars aber noch einen Schritt weiter. Ein besonders prägnantes Beispiel findet sich innerhalb der bereits analysierten Episode, die die Sabotage der Trinkwasserversorgung zum Gegenstand hat. Bevor die von Caesar befohlenen Brunnengrabungen die Gefahr bannen, verfallen die römischen Soldaten in Panik: Sie wissen, dass sie in Alexandria gefangen sind und nicht fliehen können, da die Alexandriner ihren Rückzug sofort bemerken und den Fliehenden nachsetzen würden. An dieser Stelle flicht der Erzähler folgenden Kommentar ein (7,2–3): Erat autem magna multitudo oppidanorum in parte Caesaris quam domiciliis ipsorum non moverat, quod ea se fidelem palam nostris esse simulabat et descisse a suis videbatur: † at mihi si defendendi essent Alexandrini, neque fallaces essent neque temerarii, multa oratio frustra absumeretur † ; cum vero uno tempore et natio eorum et natura cognoscatur, aptissimum esse hoc genus ad proditionem dubitare nemo potest. ________ ut … potest del. Gruter Kraner Dübner Schneider ‖ at mihi si Madvig : ut m. si Klotz : ut m. codd. ‖ essent neque codd. : esse n. Nipperdey et edd. ‖ multa P. Manuce et edd. : multaque codd. Andererseits gab es eine große Menge von Stadtbewohnern in Caesars Teil [d. h.: in dem Teil der Stadt, den Caesar besetzt hielt], die er nicht aus ihren Wohnungen vertrieben hatte, weil sie öffentlich vorgaben unseren Leuten gegenüber loyal zu sein und von den Ihrigen abgefallen zu sein schienen. Aber wenn ich die Alexandriner in Schutz nehmen müsste, dass sie weder lüg-

|| cognoverunt, horum in agris civitatibusque considere atque his aeternam iniungere servitutem? Neque enim umquam alia condicione bella gesserunt. Quodsi ea, quae in longinquis nationibus geruntur, ignoratis, respicite finitimam Galliam, quae in provinciam redacta, iure et legibus commutatis, securibus subiecta perpetua premitur servitute.‘ – „Was erstreben die Römer oder was wollen sie anderes als neiderfüllt auf den Feldern und in den Städten derjenigen Fuß zu fassen, die sie als bekannt durch ihren Ruhm und als mächtig im Krieg kennengelernt haben, und ihnen die ewige Sklaverei aufzubürden? Niemals hätten sie aus einem anderen Grund Kriege geführt. Wenn ihr auch nicht wisst, was bei weit entfernten Völkern geschieht, schaut auf das benachbarte Gallien, das, zu einer Provinz gemacht (wobei Recht und Gesetz geändert wurden) und den Beilen unterworfen, durch ewige Sklaverei gedrückt wird.“ 44 Vgl. Cluett (2003) 122. Am Rande sei bemerkt, dass auch der abrupte Buchschluss bei civ. 3,112 zur Folge hat, dass der Alexandrinische Krieg wie ein Feldzug wirkt, der vom Bürgerkrieg unabhängig ist. Vgl. in diesem Sinn Canfora (2000) 427; Gaertner/Hausburg (2013) 157 und ferner Jahn (2012) 9. 45 Vgl. bes. civ. 3,110,2.

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nerisch noch verwegen seien, dann würde ich viele Worte umsonst vergeuden.46 Wenn man nämlich einmal diesen Menschenschlag und ihre Natur kennengelernt hat, kann niemand daran zweifeln, dass dieses Volk wie geschaffen ist zum Verrat.

Die Passage ist textkritisch umstritten. Dissens besteht unter anderem in der Frage, ob der Abschnitt ut … potest zu athetieren sei. Eines der Argumente, das ältere Editoren zur Athetese greifen ließ, spielt auch im hier interessierenden Kontext eine Rolle: Der Erzähler tritt an dieser Stelle nicht allein in seiner Funktion als Organisator des Textes auf – dies ist sowohl bei Caesar als auch im achten Buch des Bell. Gall., wie gesehen, weit verbreitet –, vielmehr bringt er sich selbst als wertende Instanz in den Bericht ein ( mihi defendendi essent Alexandrini …).47 Dabei offenbart er eine chauvinistische Einstellung gegenüber den Alexandrinern, die er als von Natur aus verschlagen verurteilt.48 Zu Recht hat sich zuletzt die Auffassung durchgesetzt, dass die Passage zwar korrupt ist, aber nicht getilgt werden darf.49 Zum einen wäre ansonsten die Aussage unvollständig.50 Zum anderen steht der Abschnitt 7,2–3 deutlich im Dienst der im vorigen Kapitel als charakteristisch für diesen Textabschnitt erkannten Spannungssteigerung: Bevor sich mit der Rede Caesars im neunten Kapitel die Lösung der Versorgungsprobleme abzuzeichnen beginnt, kommt die Erzählgeschwindigkeit hier,

|| 46 Zu Textgestalt und Übersetzung: Gaertner/Hausburg (2013) 68 Anm. 185 lesen an dieser Stelle ut mihi defendendi essent Alexandrini, neque fallaces essent neque temerarii, multa oratio frustra absumeretur. Sie erklären ut dabei als konzessive Subjunktion (‚gesetzt, dass‘; vgl. KSt II § 188 Anm. 3) und nicht (wie offenbar Klotz) als konsekutive. Dadurch wird die Ergänzung von si verzichtbar. Die Lösung ist elegant, weil sie den überlieferten Text schlüssig erklärt, allerdings erwartet man eine adversative Partikel im Übergang zum zuvor Gesagten (Sinn: Die Alexandriner schienen loyal zu sein, aber sie waren es nicht), sodass ein Eingriff in den Text, wie Madvig ihn vornimmt, geboten scheint. Die Übersetzung berücksichtigt daher (neben Manutius’ Athetese von que, die auch Gaertner/Hausburg für nötig halten) Madvigs (1873) 281 Vorschlag at mihi si. 47 Vgl. Madvig (1873) 281: „mire scriptor suam personam interponit“. 48 Die Stelle kann als Argument gegen die Autorschaft Caesars verwendet werden (so schon Glandorp 1574, 161). Pötter (1932) 22 hält sie für den späteren Zusatz eines Redaktors, da „man [Caesar] ein solches Geschwätz kaum zutrauen“ mag (vgl. aber Andrieu 1954, XXVII). Richter (1977) 204 hält sie für „ziemlich überflüssig“, „reichlich abgeschmackt“ und nicht kommentarienhaft (Anm. 48), Maurach (2003) 246 für „schwer verdaulich“. Sirago (1973) 297 Anm. 1 weist nur darauf hin, dass in Rom Vorurteile gegenüber den Ägyptern weit verbreitet waren. Raaflaub (2017a) 497, 12.7d traut einen solchen Kommentar nicht einmal Hirtius zu. Gaertner/Hausburg (2013) 45 Anm. 73 halten den Satz für caesarisch und vergleichen Gall. 6,14,4 (id mihi duabus de causis instituisse videntur), räumen aber andernorts (43 mit Anm. 64) ein, dass Caesar die Konstruktion non dubitare + a. c. i. (7,3) nicht benutzt. 49 Neben Andrieu druckt auch Giomini den fraglichen Abschnitt in cruces. Zum Lösungsvorschlag Gaertners und Hausburgs vgl. Anm. 46. 50 Vgl. Madvig (1873) 281: „debet enim dici defectionem non sine causa timeri potuisse“; ähnlich auch Gaertner/Hausburg (2013) 68 Anm. 185: „… if we delete these words the suggestive reference to the seemingly loyal Alexandrians is left hanging in the air“.

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im achten Kapitel, gänzlich zum Erliegen. Ein Erzählerkommentar wirkt infolgedessen gerade an dieser Stelle besonders effektvoll, weil dadurch der Fortgang der Handlung noch weiter verzögert wird.51 Die Stelle ist also wahrscheinlich nicht interpoliert. Daraus folgt, dass der Erzähler des Bell. Alex. durch die Betonung seiner eigenen Person (mihi) offensiver als gewöhnlich im Corpus Caesarianum eine Funktion wahrnimmt, die Genette die „ideologische“ genannt hat.52 Dadurch verrät er auch etwas über sich selbst: Das abschließende Resümee impliziert, dass er die Alexandriner selbst kennengelernt hat (cum … cognoscatur); sein negatives Urteil erscheint also durch Autopsie autorisiert. Gleichzeitig inszeniert er sich deutlich als Römer und Caesaranhänger. Auch im weiteren Textverlauf macht der Erzähler von wertenden Kommentaren Gebrauch, die eine solche ideologische Funktion erfüllen. Hingewiesen sei an dieser Stelle wegen seiner Einschlägigkeit nur noch auf das 24. Kapitel, das von der Freilassung des gefangenen Königs Ptolemaios berichtet, um die die Alexandriner Caesar zuvor gebeten hatten (23,1–2).53 In der Hoffnung, über Ptolemaios Einfluss auf die Alexandriner ausüben zu können, erfüllt Caesar ihnen ihren Wunsch. Ptolemaios aber, der Caesar gegenüber unter Tränen die Treue geschworen hatte (24,3), nimmt, einmal entlassen, den Krieg sogleich wieder auf (24,5). Diese Entwicklung führt bei Caesars Anhängern zu einiger Genugtuung (24,6): Accidisse hoc complures Caesaris legati, amici, centuriones militesque laetabantur, quod nimia bonitas eius fallaciis pueri elusa esset. Quasi vero id Caesar bonitate tantum adductus ac non prudentissimo consilio fecisset. Darüber, dass dies geschehen war, freuten sich einige von Caesars Gesandten, Freunden, Zenturionen und Soldaten, weil seine übergroße Güte durch die Verstellungskünste des Jungen zum Gespött geworden sei. Als ob Caesar nur durch Güte dazu bewegt worden war und nicht durch einen besonders klugen Plan!

Im Kontext dieses emotional vorgetragenen Versuchs, Caesar von der ihm unterstellten Naivität freizusprechen, überzieht der Erzähler die Alexandriner mit besonders heftigen Anfeindungen.54 Sie seien ein „falsches Volk“ (fallax gens), das „das

|| 51 Aus diesem Grund kann auch der Vorschlag Pötters (1932) 22 Anm. 16, den gesamten Abschnitt 7,2–3 (ab erat) als späteren Zusatz zu behandeln, nicht als überzeugend gelten. 52 Vgl. Genette (2010) 167. Richter (1977) 204 spricht von „Anmerkungen, die den Eindruck eines denkenden Berichterstatters wecken sollen“ und vergleicht (Anm. 43) den Erzählerkommentar in 23,1: ut coniectura consequi possumus (sc. die Verzweiflung der Alexandriner angesichts der römischen Dominanz). 53 Für weitere Stellen vgl. 3,1 (homines ingeniosi atque acutissimi), 12,1 (s. u., Abschn. 5.3.3), 12,4 (nautici homines), 16,5 (s. u., Abschn. 5.3.3), 27,5 (Alexandrinorum imprudentia [diese Worte werden meist athetiert, aber in der Nachfolge du Pontets z. B. noch von Townend 1988, 22 gehalten]); 29,2 (ignavia). 54 Fairbank (2017) 220f. vergleicht hierzu Bell. Afr. 11 (besprochen in Kap. 6.2.2).

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eine denkt, das andere zu tun vorgibt“ (alia cogitans alia simulans), ohne Ptolemaios als würdigen Anführer aus Caesars Sicht ohnehin nur „ein zusammengelaufener Haufen Flüchtlinge“ (convenarum ac fugitivorum manus, 24,1).55 Auch der König erfüllt dieses Klischee, denn er ist, wie der Erzähler sarkastisch ausführt, „geübt in den Künsten des Täuschens, um sich nicht den Sitten seines Volkes gegenüber unwürdig zu zeigen“ (disciplinis fallacissimis eruditus, ne a gentis suae moribus degeneraret, 24,3). Zu Recht ist in der Forschung immer wieder auf Widersprüche hingewiesen worden, die dieses Kapitel aufwirft: So steht beispielsweise der Wunsch nach einem würdigen Gegner in Bell. Alex. 24 nicht in Übereinstimmung mit Caesars Überlegung im Bell. civ., Ptolemaios gerade deshalb gefangen zu halten, damit es nicht so aussehe, als kämpfe er gegen einen König (3,109,6).56 Es liegt nahe, zwischen den logischen Inkonsistenzen in dieser Passage und der Vehemenz, mit der die Alexandriner diffamiert werden, einen Zusammenhang zu sehen. Die Anfeindungen erfüllen, gerade in Ermangelung guter anderer Argumente, den Zweck, Caesar zu entlasten. Die Verschlagenheit der Alexandriner wird auf diese Weise als so allbekannt dargestellt, dass der Vorwurf, Caesar sei Opfer eines alexandrinischen Täuschungsmanövers geworden, geradezu absurd wirken muss. Die Darstellung der Alexandriner in Bell. Alex. 1–33 erfüllt also zwar teilweise unterschiedliche Funktionen, erweist sich aber als weitgehend konsistent.57 Doch welche Stereotype liegen dieser Darstellung zu Grunde? Gaertner und Hausburg vergleichen die Darstellung der Alexandriner im Bell. Alex. mit der Darstellung der gallischen Stämme in Caesars commentarii und finden viele Parallelen.58 Doch in einem Punkt unterscheidet sich die Ethnographie von Galliern und Alexandrinern || 55 Die Bezeichnung der Alexandriner als fugitivi geht möglicherweise (vgl. Townend 1988, 49 zum Begriff convena) zurück auf civ. 3,110,4, wo der Erzähler über die alexandrinischen Streitkräfte berichtet: Fugitivis omnibus nostris certus erat Alexandriae receptus certaque vitae conditio ut dato nomine militum esset numero – „Für alle unsere (d. h. hier: römischen) Flüchtlinge gab es in Alexandria einen sicheren Zufluchtsort und sicheren Lebensunterhalt für den Fall, dass sie sich freiwillig zum Militärdienst meldeten.“ 56 Vgl. Andrieu (1954) 24 Anm. 2; Giomini (1956) 100; Wykes (1958) 57f.; Faraguna (1993) 1377f.; Heinen (2009) 107f.; Gaertner/Hausburg (2013) 75–77. 57 In diesem Punkt angesichts des diffamierenden Erzählerkommentars in Bell. Alex. 7,2–3 nicht überzeugend Gaertner/Hausburg (2013) 106–109, die in Bell. Alex. 1–21 die Alexandriner nuancierter dargestellt sehen. 58 Vgl. Gaertner/Hausburg (2013) 106–109; ferner: Melchior (2004) 114f.; 119–122. Gänzlich anders als im Bell. Gall. werden die Gallier in Bell. Afr. 73,2 beurteilt. Dort sind sie als offene und keineswegs heimtückische Menschen (homines aperti minimeque insidiosi) beschrieben und damit grundsätzlich verschieden von den Numidern, die über dieselben stereotypen Charaktereigenschaften verfügen wie die Alexandriner im Bell. Alex. Vgl. hierzu Harmand (1972) 163: „une telle barbarophilie est un trait de mentalité totalement isolé dans l’ensemble des livres non césarien du Corpus Caesarianum“. Vergleichbar ist allerdings die Beurteilung der Hispanier im Bell. Alex. (s. u., Abschn. 5.3.5).

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erheblich: Während gallische Stämme, zumal die angesehenen, über virtus verfügen, die sie für die Römer zu besonders gefährlichen Gegnern macht, fehlt den Alexandrinern diese Eigenschaft gänzlich.59 Stattdessen vertrauen sie im Krieg auf ihre Geschicklichkeit und auf ihren Erfindungsgeist. In ihrer Domäne sind sie den Römern sogar ebenbürtig, wie der Erzähler bereits zu Anfang sich nicht einzuräumen scheut.60 Damit reproduziert er ethnographische Stereotype über die Völker des Ostens: In ihrem Mangel an virtus, den sie durch Schläue zu kompensieren suchen, kommt die Effemination zum Ausdruck, die für die Alexandriner wie für andere, ‚orientalische‘ Völker in der römischen Ethnographie als kennzeichnend gilt.61

5.3.3 Die Rhodier Dass der Erzähler auf Topoi zurückgreift, um die Überlegenheit einer als ‚römisch‘ definierten Lebensweise gegenüber einer ‚östlichen‘ zu postulieren, zeigt sich sogar in der Charakterisierung von Caesars eigenen Truppen. Diese bestehen nämlich schon lange nicht mehr nur aus den alten Streitkräften des Gallischen Krieges.62 Insbesondere seine Flotte setzt sich aus Schiffen zusammen, die aus den kleinasiatischen Provinzen und von Rhodos stammen.63 Von diesen erweisen sich insbesondere die neun Schiffe der Rhodier mit ihrem Admiral Euphranor in der Seeschlacht im portus Eunostus als für Caesar wertvolle Verbündete (Bell. Alex. 15–16). Die Ausgangslage ist für ihn hier besonders schwierig: Zum einen sind die Alexandriner zahlenmäßig überlegen, zum anderen stehen Untiefen, die zwischen beiden Flotten liegen, einem gleichberechtigten Kampf im Weg. Diejenige Kriegspartei, die sich mit ihren Schiffen zuerst in das gefährliche Gewässer begibt, muss

|| 59 Über virtus verfügen (z. T. dem Hörensagen nach) die Helvetier (1,1,4), die Belger (2,8,1; auch bei Hirtius: 8,54,5), die Nervier (2,15,4–5) und die Bellovaker (7,59,5). Vgl. auch den Kommentar zu Gallien insgesamt in 5,54,5 und, für einen Überblick über das virtus-Konzept im Bell. Alex., CoulonMcIntosh (2011) 62–64. 60 Ipsi homines ingeniosi atque acutissimi, quae a nobis fieri viderant, ea sollertia efficiebant ut nostri illorum opera imitati viderentur et sua sponte multa reperiebant … (3,1). Für die Geschicklichkeit als Eigenschaft der Gallier vgl. Gall. 7,22,1. Seel (1935) 30 zieht diese Stelle zum Vergleich mit Bell. Alex. 3,1 heran. 61 Für Unmännlichkeit als stereotype Eigenschaft kleinasiatischer Völker in der römischen Literatur vgl. z. B. die Überblicksdarstellungen Balsdons (1979) 60–64, Grubers (1991) und Williams’ (2010) 148–150. Zu dieser Form ethnographischer Stereotypisierung im Bell. civ. vgl. v. a. Mannetter (1995) 55–96. 62 Von diesen Veteranenlegionen hat Caesar in Ägypten nur die legio VI ferrata zur Verfügung, die allerdings durch die zahlreichen Kämpfe, an denen sie im Bürgerkrieg teilgenommen hat, stark dezimiert ist (Bell. Alex. 69,1). Vgl. auch Labienus’ Rede vor der Schlacht von Pharsalos (civ. 3,87,1– 4). 63 Vgl. Bell. Alex. 1,1; 13,5 und Andrieu (1954) LVIIIf.

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einen Nachteil in Kauf nehmen (14,5). Caesar zögert daher, die Schlacht zu eröffnen, bis Euphranor ihn darum bittet, ihm und seinen Schiffen sein Schicksal anzuvertrauen (15,3–4). Dankbar nimmt Caesar das Angebot an und schickt die Rhodier voraus. Diese enttäuschen Caesar keineswegs und die Alexandriner werden schließlich geschlagen (16,6–7). Doch trotz der außergewöhnlichen Leistung, die die Rhodier in der Seeschlacht vollbringen: im Urteil des Erzählers bleiben sie ambivalent.64 Zum ersten Mal treten sie bereits vor der Schlacht im portus Eunostus in Erscheinung. Auch hier sind die Rhodier – in diesem Fall allerdings unfreiwillig – bereits für einen römischen Erfolg verantwortlich. Eines ihrer Schiffe ist abgetrieben und bietet den Alexandrinern daher ein vermeintlich leichtes Angriffsziel (Bell. Alex. 11,2–3): Cui (sc. navi) coactus est Caesar ferre subsidium ne turpem in conspectu contumeliam acciperet, quamquam, si quid gravius illis accidisset, merito casurum iudicabat. Proelium commissum est magna contentione Rhodiorum; qui cum in omnibus dimicationibus et scientia et virtute praestitissent, tum maxime illo tempore totum onus sustinere non recusabant ne quod suorum culpa detrimentum acceptum videretur. Diesem Schiff wurde Caesar gezwungen Hilfe zu schicken, damit er nicht vor den Augen der Feinde eine schmähliche Niederlage erlitt. Gleichwohl glaubte er, dass es ihnen, wenn ihnen etwas Schlimmeres zustieße, recht geschehe. Die Schlacht wurde seitens der Rhodier mit großem Einsatz geführt. Weil sie in allen Kämpfen an Sachverstand und Tapferkeit herausragend gewesen waren, scheuten sie sich ganz besonders zu jenem Zeitpunkt nicht, die ganze Last auf sich zu nehmen, damit es nicht so aussah, als hätte man ihretwegen einen Verlust erlitten.

Caesar fühlt sich zur Verteidigung seiner Verbündeten verpflichtet (coactus), deutlich spürbar ist allerdings sein Ärger, unvorbereitet zum Kampf gezwungen worden zu sein: Den Rhodiern geschehe es recht, wenn sie untergingen (si quid gravius … accidisset, merito casurum iudicabat). Diese hingegen wollen ihre Nachlässigkeit wettmachen, was ihnen auch gelingt (proelium secundissimum est factum, 11,4). Anders als den Alexandrinern wird den Rhodiern bei dieser Gelegenheit von Erzählerseite neben scientia auch virtus im Kampf zugesprochen (et scientia et virtute praestitissent). Dies ist insofern bemerkenswert, als das Erzählerurteil von der Auffassung der Alexandriner differiert: Sie glauben nämlich, mit ihren eigenen Mitteln geschlagen worden zu sein (12,1): Eo detrimento adeo sunt fracti Alexandrini, cum iam non virtute propugnatorum, sed scientia classiariorum se victos viderent …, ut …

|| 64 Gaertner/Hausburg (2013) 109 sehen dagegen eine uneingeschränkt positive Darstellung der Rhodier.

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Durch diesen Verlust waren die Alexandriner, weil sie sahen, dass sie nicht durch die Tapferkeit der Kämpfer, sondern durch den Sachverstand der Besatzung besiegt worden waren, so sehr entmutigt …, dass sie …

Die Alexandriner unterscheiden mit dem Sieg durch virtus und dem Sieg durch scientia ebenfalls die beiden unterschiedlichen rationes vincendi. Dass Caesars Truppen sie an virtus übertreffen, erkennen sie an. Besonders trifft sie jedoch, dass sie den Rhodiern hinsichtlich ihrer scientia unterlegen sind. Der an dieser Stelle etablierte Dualismus erweist sich auch für die Interpretation der Schlacht im portus Eunostus als zentral. Dies zeigt sich gleich zu Beginn der Schlacht, als der Erzähler die ‚Aristie‘ Euphranors und der rhodischen Flotte mit folgenden Worten einleitet (15,1–2): Rhodiis navibus praeerat Euphranor, animi magnitudine ac virtute magis cum nostris hominibus quam cum Graecis comparandus. Hic ob notissimam scientiam atque animi magnitudinem delectus est ab Rhodiis qui imperium classis obtineret. Die rhodischen Schiffe befehligte Euphranor, der im Hinblick auf seinen Mut und seine Tapferkeit mehr mit unseren Menschen als mit den Griechen zu vergleichen war. Dieser wurde wegen seines höchst angesehenen Sachverstands und seines Mutes von den Rhodiern dazu auserwählt, den Oberbefehl über die Flotte zu übernehmen.

Erneut begegnen die beiden Schlagworte virtus und scientia nebeneinander. Der Erzähler betont die – für einen Griechen außergewöhnliche – Tapferkeit Euphranors und gibt damit ein weiteres Beispiel für sein ethnozentrisches Weltbild.65 Für die Rhodier hingegen scheint die virtus ihres Anführers von untergeordneter Bedeutung. Die Eigenschaft, die ihn aus ihrer Sicht zum Admiral prädestiniert, ist – neben der magnanimitas, die auch der Erzähler hervorgehoben hatte – vielmehr sein herausragender Sachverstand (notissima scientia). Bereits hier zeigen sich also unterschiedliche Prioritäten. Dennoch erzielen die Rhodier gegen die Alexandriner ihren ersten Erfolg dank ihrer scientia (15,6–7): Sustinent illi atque arte sollertiaque se explicant; ac tantum doctrina potuit ut in dispari numero nulla transversa hosti obiceretur, nullius remi detergerentur, sed semper venientibus adversae occurrerent. Interim sunt reliquae subsecutae. Tum necessario discessum ab arte est propter angustias loci atque omne certamen in virtute constitit. Jene hielten stand und verteilten sich mit Kunst und Einfallsreichtum. Ja, so viel vermochten ihre Kenntnisse, dass trotz der ungleichen Zahl kein Schiff dem Feind quer entgegenstand und dass kein Schiff seine Ruder verlor, sondern dass sie stets den Entgegenkommenden von vorn begegneten. Inzwischen folgten die übrigen Schiffe. Dann nahm man wegen der Beengtheit

|| 65 Vgl. Graindor (1931) 103; Giomini (1956) 79; Wykes (1958) 48; Townend (1988) 44; Raaflaub (2017a) 502, 12.15a. Melchior (2004) 131 Anm. 51 nennt das Lob des Erzählers ein vergiftetes Kompliment („backhanded compliment“).

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des Raumes notwendigerweise Abstand von der Kunst und der ganze Kampf beruhte nun auf der Tapferkeit.

Ihre Kenntnisse (hier mit dem zu scientia synonymen Begriff doctrina bezeichnet66) ermöglichen es den Rhodiern, geschickt und ohne Verluste zu kämpfen. Ohne weiteren Kommentar berichtet der Erzähler von der herausragenden Kampftechnik der Griechen, die Caesar einen großen Vorteil verschafft. Doch entscheidend für den Ausgang der Schlacht sind ars und sollertia letztlich nicht. Im Nahkampf braucht es schließlich römische Kampftugend, braucht es virtus (omne certamen in virtute constitit).67 Aus der ethnozentrischen Perspektive des Erzählers ist diese Auslegung des Geschehens gut nachvollziehbar: Die Kunstfertigkeit, mit der die Rhodier zu Beginn brillieren, ist bereits negativ besetzt – als Kampftechnik des Feindes. Insbesondere der Einfallsreichtum, sollertia, erweist sich in diesem Zusammenhang als durchaus zweifelhafte Tugend, denn sie gehört zu den topischen Charaktereigenschaften der Alexandriner.68 Der Übergang zum Nahkampf lässt sich demnach als Wendepunkt der Schlacht interpretieren. Ähnlich wie in der Episode um die Wasserverseuchung kommt an dieser Stelle das Erzähltempo gänzlich zum Erliegen. Geschildert wird zunächst eine Art ‚Teichoskopie‘: Alle Menschen in Alexandria begeben sich auf die Dächer ihrer Häuser, um von dort den Verlauf der Schlacht verfolgen zu können (15,8). Im Anschluss steigert der Erzähler nochmals die Spannung,69 indem er vor dem Hintergrund der ungleichen Voraussetzungen im Kampf alternative Enden entwirft und so die verheerenden Auswirkungen einer potentiellen Niederlage vor Augen stellt (16,1–2).70 Im Lager Caesars ist allen die Bedeutung der Schlacht bewusst (16,2–5): Simul illud grave ac miserum videbatur, perpaucos de summa ac de salute omnium decertare; quorum si qui aut animo aut virtute cessisset, reliquis etiam esset cavendum quibus pro se pugnandi facultas non fuisset. Haec superioribus diebus saepenumero Caesar suis exposuerat ut hoc maiore animo contenderent quod omnium salutem sibi commendatam viderent. Eadem suum quisque contubernalem, amicum, notum prosequens erat obtestatus ne suam atque omni-

|| 66 Vgl. Townend (1988) 45. 67 Vgl. hierzu Loreto (2001) 355: „È sintomatico per la storia della guerra navale romana come, ove si tratti di manovra, si preferisca ricorrere alle unità ellenistiche, laddove invece si venga al combattimento ravvicinato, alla mêlée, decisivo risulti l’apporto di quelle romane.“ 68 Vgl. etwa 13,2: aliud naturalis sollertia (sc. Alexandrinorum) … subministrabat und ferner 3,1; 16,5, Fischer (1880) 16: „Seitens der Alexandriner ist am gefährlichsten ... die sollertia atque ars … Aber auch hier treten die Römer oder wenigstens ihre Hilfstruppen mit den gleichen Eigenschaften entgegen …“ und Cluett (2003) 121f. 69 Eine Antiklimax, wie Wykes (1958) 49 sie an dieser Stelle identifiziert, sehe ich nicht, sondern im Gegenteil wie Pötter (1932) 14 Anm. 8 ein retardierendes Moment. 70 Zum „spectator motif“ und seinen literarischen Vorbildern bei Caesar (civ. 2,5–6) und Thukydides (7,70–71) vgl. Gaertner/Hausburg (2013) 122–134, bes. 132f. Zu kontrafaktischer Geschichtsschreibung in 16,1 vgl. ebd., 118.

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um falleret opinionem, quorum iudicio delectus ad pugnam proficisceretur. Itaque hoc animo est decertatum ut neque maritimis nauticisque sollertia atque ars praesidium ferret, neque numero navium praestantibus multitudo prodesset, neque electi ad virtutem e tanta multitudine viri virtuti nostrorum possent adaequare. Zugleich schien dies gewichtig und beklagenswert, dass nur überaus wenige für den Gesamtsieg und das Wohlergehen aller kämpften. Wenn einer von ihnen an Geisteskraft oder Tapferkeit nachließ, müssten sich auch die übrigen in Acht nehmen, denen die Möglichkeit für sich selbst zu kämpfen nicht gegeben war. Das hatte Caesar an den vergangenen Tagen seinen Leuten immer wieder dargelegt, damit sie sähen, dass ihnen das Wohlergehen aller anvertraut war. Um dasselbe hatte auch jeder einzelne seinen Zeltgenossen, Freund oder Bekannten inständig gebeten, dass er nicht seine eigene und die Erwartung aller enttäusche, auf deren Urteil hin er ausgewählt war und (nun) zum Kampf schritt. Deshalb wurde in diesem Geiste gekämpft, dass weder Gewandtheit und Einfallsreichtum den Küstenbewohnern und Seeleuten Hilfe brachte noch die Menge an Schiffen den zahlenmäßig Überlegenen nutzte. Auch die aus so großer Menge auf ihre Tapferkeit hin ausgewählten Männer konnten der Tapferkeit unserer Leute nicht gleichkommen.

Die Soldaten erscheinen nun als Kollektiv, das sich durch seinen Zusammenhalt auszeichnet: Nicht nur Caesar feuert seine Soldaten an, sie machen sich auch gegenseitig immer wieder die Wichtigkeit des bevorstehenden Kampfes bewusst.71 Diese wechselseitigen exhortationes bewirken eine überlegene Geisteshaltung, die dann in der Schlacht den Ausschlag gibt (hoc animo est decertatum …). Sie wollen weder Caesar noch ihre Kameraden enttäuschen und sind daher ihren Gegnern an virtus überlegen (neque electi ad virtutem … viri virtuti nostrorum possent adaequare).72 Ars und sollertia aber – an dieser Stelle wieder die Tugenden der Alexandriner! – vermögen dagegen nichts auszurichten. Der Sieg Caesars gegen die Alexandriner wird damit auch zum Sieg der ‚römischen‘ über die ‚östliche‘ Kampftechnik.73 Fast vergessen scheint, dass die Rhodier mithilfe der nun als sekundär deklarierten Fähigkeiten die gute Ausgangssituation für Caesars Schiffe erst hergestellt hatten. Geschickt insinuiert der Erzähler, dass im zweiten, dem ‚römischen‘ Teil der Schlacht auch andere, ‚römischere‘ Truppen kämpfen. Dies ist freilich nicht der Fall: Abgesehen von den rhodischen Schiffen stammt die Flotte, wie aus Bell. Alex. 13,5 hervorgeht, aus den teilweise erst vor kurzem eingerichteten Provinzen Syrien,

|| 71 Es ist auffällig (und auch widersprüchlich), dass in diesem Zusammenhang von einer ‚Bestenauslese‘ die Rede ist (… quisque … erat obtestatus ne … omnium falleret opinionem, quorum iudicio delectus …), obwohl doch Caesar alle Seestreitkräfte aufgeboten hatte, die ihm zur Verfügung standen (vgl. 14,2). Giomini (1956) 83 bezweifelt die Historizität dieser Episode. 72 Maurach (2003) 248 will an der zweimaligen Wiederholung der Silbe vir an dieser Stelle eine „Lust zum Rhetorisieren“ erkennen. 73 Zur Tendenz in der römischen Historiographie, die Römer ihren Kontrahenten gegenüber als überlegen hinsichtlich ihrer virtus darzustellen, vgl. z. B. Dauge (1981) 750–755.

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Asien, Pontos und aus Lykien, das noch nicht einmal römische Provinz ist.74 Doch die Schilderung des soldatischen Kollektivs suggeriert eine Homogenität, die die kulturellen Unterschiede zwischen den einzelnen Truppenteilen, zwischen Infanterie und Marine, nivelliert.75 Dies ist insofern erstaunlich, als der Erzähler gerade auf die Fremdheit der Rhodier in ihrer Eigenschaft als Griechen zu Beginn eigens hingewiesen hatte.76 Eine Gegenüberstellung des einleitenden und abschließenden Satzes verdeutlicht, auf welche Weise die Funktion, die die Rhodier in der Schlacht erfüllen, umgedeutet worden ist: Rhodiis navibus praeerat Euphranor, animi magnitudine ac virtute magis cum nostris hominibus quam cum Graecis comparandus (15,1). Die rhodischen Schiffe befehligte Euphranor, der im Hinblick auf seinen Mut und seine Tapferkeit mehr mit unseren Menschen als mit den Griechen zu vergleichen war.

Itaque hoc animo est decertatum ut … neque electi ad virtutem e tanta multitudine viri virtuti nostrorum possent adaequare (16,5). Deshalb wurde mit einer Geisteshaltung gekämpft, dass auch die aus einer so großen Menge im Hinblick auf ihre Tapferkeit ausgewählten Männer der Tapferkeit unserer Leute nicht gleichkamen.

|| 74 Zur Textgestalt an dieser Stelle vgl. neben Schneider (1888) 10 und z. B. Andrieu (1954) 14 jetzt auch Vozar (2018), dessen Argumentation zur Beibehaltung der handschriftlichen Überlieferung Lycias (naves) zu folgen ist. Andrieu (1954) LIX geht davon aus, dass auch Soldaten der 37. Legion an der Schlacht teilgenommen haben, weil sie Alexandria mit dem Schiff erreichte (vgl. 9,3). Falls dies zutrifft, so legt der Text keinen Wert darauf, es klarzustellen. Zur Aufstellung der caesarischen Truppe berichtet der Erzähler (14,1–2): … in dextro cornu Rhodias (sc. naves) conlocat, in sinistro Ponticas … Post hunc ordinem reliquas naves subsidio distribuit – „… Auf die rechte Seite verlegte er die rhodischen (Schiffe), auf die linke die pontischen. Hinter dieser Aufstellung verteilte er die übrigen Schiffe als Reserve.“ 75 Caesar verfügte in Alexandria zu diesem Zeitpunkt über drei Legionen: Zunächst eine, die dem Legaten Q. Fufius unterstellt war (= die XXVII.) und die sechste, eine wichtige Stütze Caesars im gesamten Bürgerkrieg (vgl. civ. 3,106,1). Eine weitere, die 37., hatte ihn später auf dem Seeweg erreicht (vgl. Bell. Alex. 9,3). Vgl. zur Truppenstärke auch Bell. Alex. 33,3 mit den Erläuterungen Loretos (2001) 371f. 76 Giomini (1956) 83 bemängelt, dass das Pronomen suis in 16,3 (Caesar suis exposuerat …) näher bestimmt werden müsste, weil es ausschließlich die Marinesoldaten, nicht das gesamte Heer bezeichne: „il suis infatti dovrebbe riferirsi esclusivamente ai marinai per poter essere in esatta correlazione con il seguente omnium (le truppe di mare e di terra): ma il possessivo è troppo generico per ammettere una simile distinzione.“ Genau eine solche Unterscheidung zwischen verschiedenen Truppenteilen soll an dieser Stelle offenbar vermieden werden.

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Der Erzähler bezeichnet in den zitierten Sätzen zwei klar voneinander zu unterscheidende Gruppen mit demselben Possessivpronomen (noster).77 Im ersten Fall vergleicht er Griechen mit Römern, im zweiten Fall alexandrinische mit caesarischen Soldaten. Die Rhodier sind zwar keine Römer, wohl aber caesarische Soldaten – und werden dadurch gleichsam zu Vertretern Roms, da der Erzähler, wie im letzten Kapitel gezeigt, Wert darauf legt, dass Caesar in Alexandria einen auswärtigen Krieg führt. Der Status der Rhodier im Bell. Alex. erweist sich insofern als komplex und letztlich nicht gänzlich widerspruchsfrei: Als Griechen sind sie in Bezug auf die virtus den Römern unterlegen und favorisieren ‚fremde‘ Kampftechniken (scientia, ars und sollertia), als caesarische Soldaten sind sie hingegen im Besitz römischer virtus.78 Dank ihr sind sie in der Lage, die Alexandriner zu besiegen. Die Darstellung der Schlacht im portus Eunostus trägt der Zwitterrolle der Rhodier durch die Aufteilung in eine ‚griechische‘ und eine ‚römische‘ Phase des Kampfes Rechnung. In beiden Phasen zeigen sich Caesars Soldaten ihren Gegnern überlegen.79

5.3.4 Pharnakes II. Erweitert man das Blickfeld und bezieht diejenigen Textteile des Bell. Alex. in die Untersuchung zum Ethnozentrismus im Bell. Alex. ein, die nicht mehr den Alexandrinischen Krieg behandeln, so lassen sich hinsichtlich der Darstellung des Fremden große Unterschiede feststellen: Während die Charakterisierung Pharnakes’, des Sohnes des Mithridates VI. von Pontos, Schnittmengen mit derjenigen der Alexan-

|| 77 Zu den Pronomina nos/noster in Bell. Gall. und Bell. civ. vgl. Kap. 3.2.4. 78 Dazu passt auch, dass Caesar „im Vertrauen auf die Tapferkeit seiner Soldaten“ (virtute militum confisus, 13,6) – gemeint sind wiederum die Marinesoldaten – in die Schlacht zieht. 79 Gaertner/Hausburg (2013) 122–134 interpretieren die Seeschlacht vor dem Hintergrund literarischer Vorbilder: der im zweiten Buch des Bell. civ. (4–7) berichteten Schlacht von Massilia und Thukydides’ Darstellung der Schlacht im Hafen von Syrakus im Jahr 413 (7,69–71). Sie argumentieren dafür, dass die Episode im Bell. Alex. ihre direkte Vorlage nicht im Bell. civ., sondern in Thukydides’ Peloponnesischem Krieg hat. Da das Argumentationsziel darin besteht, Ähnlichkeiten zwischen den Texten aufzuzeigen, bleiben Unterschiede unerwähnt. So gibt es weder bei Caesar noch bei Thukydides eine Figur, die mit dem rhodischen Admiral Euphranor vergleichbar ist. Ebenfalls der Darstellung im Bell. Alex. eigentümlich ist die markante Zweiteilung der Schlacht in Fern- und Nahkampf. Die Schlacht von Syrakus verläuft dagegen unheilvoll chaotisch: Fern- und Nahkampf finden simultan statt, Schiffe rammen sich durch die räumliche Enge, sodass es unmöglich wird, sie zu manövrieren, und Befehle gehen im Tumult unter. Im Bell. civ. findet sich zwar eine ähnliche Differenzierung zwischen Fern- und Nahkampf wie im Bell. Alex., aber an anderer Stelle (1,58,2; vgl. Pötter 1932, 15). Im Gegensatz zur Seeschlacht im Bell. Alex. zeichnen sich Caesars Gegner in der Schlacht von Massilia außerdem gerade durch virtus aus (vgl. z. B. civ. 2,6,1: Commisso proelio Massiliensibus res nulla ad virtutem defuit …).

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driner aufweist, weicht das Bild, das der Erzähler von den hispanischen Stämmen zeichnet, stark von denen der Völker und Herrscher des Ostens ab. Im Rahmen dieses Kapitels wird zunächst Pharnakes charakterisiert: Der Umstand, dass der König extrem negativ dargestellt wird,80 überrascht nicht. Das Bestreben des Pharnakes, das Reich seines Vaters zurückzuerobern, das dieser nach seiner Niederlage gegen Pompeius zu großen Teilen an Rom abtreten musste, gefährdet die vor knapp zwanzig Jahren geschaffene Neuordnung des Ostens. Mehr noch als in Alexandria treten im Krieg gegen Pharnakes Domitius Calvinus und später Caesar selbst als Sachwalter des römischen Volkes auf.81 Im Gegensatz zum Alexandrinischen Krieg jedoch kämpfen die Vertreter Roms nicht gegen ein ganzes Volk, sondern gegen Pharnakes als Einzelperson. Er ist es, in dessen Auftrag Domitius und Caesar mit den Gesandten verhandeln (35,1; 36,1; 37,1; 69,2); er stellt seinen Gegnern Fallen (36,4–5; 71,1); er trifft die Entscheidung zur Schlacht von Zela (74,3). Explizite Stereotypisierungen der unterschiedlichen Volksgruppen begegnen hier nicht mehr.82 Unter Pharnakes’ Schreckensherrschaft leiden vielmehr nicht nur römische, sondern auch pontische Bürger (41,1–2): Pharnaces rebus secundis elatus, cum de Caesare ea quae optabat speraret, Pontum omnibus copiis occupavit ibique et victor et crudelissimus rex, cum sibi fortunam paternam feliciore eventu destinaret, multa oppida expugnavit, bona civium Romanorum Ponticorumque diripuit, supplicia constituit in eos qui aliquam formae atque aetatis commendationem habebant ea quae morte essent miseriora, Pontumque nullo defendente, paternum regnum glorians se recepisse, obtinebat. Pharnakes war durch seinen Erfolg in Hochstimmung, und da er hoffte, dass in Bezug auf Caesar das geschehe, was er sich wünschte, besetzte er Pontos mit allen seinen Truppen. Dort eroberte er als Sieger und äußerst grausamer Herrscher viele Siedlungen, weil er sich den väterlichen Besitz, wenngleich mit glücklicherem Ausgang, zum Ziel gesetzt hatte, raubte die Güter römischer und pontischer Bürger und setzte gegen diejenigen, die sich durch Schönheit oder Jugend empfahlen, Strafen fest, die schlimmer waren als der Tod. Er hielt Pontos besetzt, das von niemandem mehr verteidigt wurde, und rühmte sich, das väterliche Reich zurückerlangt zu haben.

Der zwischenzeitliche Sieg gegen Domitius Calvinus lässt Pharnakes zum Tyrannen (crudelissimus rex) werden, der ganz Pontos erobert und in diesem Zuge nicht nur Römer, sondern auch seine eigenen Bürger beraubt. Darüber hinaus zeichnen ihn Größenwahn (cum sibi fortunam paternam … destinaret) und Prahlsucht aus (paternum regnum glorians se recepisse). Noch ein weiteres Vergehen wird angedeutet:

|| 80 Vgl. Gaertner/Hausburg (2013) 109. 81 Vgl. Gaertner/Hausburg (2013) 104. 82 Allerdings legt der Erzähler Wert darauf, dass die mit Rom verbündeten Legionen des Deiotarus nach römischer Sitte und mit römischer Bewaffnung gebildet wurden (disciplina atque armatura nostra, 34,4; ähnlich 68,2). Vgl. Giomini (1956) 128.

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Gegen junge und schöne Menschen verhängte er „Strafen, die schlimmer waren als der Tod“ (supplicia … quae morte essent miseriora).83 Durch den aus römischer Sicht zunächst unbefriedigenden Verlauf der militärischen Operationen in Pontos, die mit der verlorenen Schlacht bei Nicopolis vorläufig enden, erscheint Caesars anschließender Feldzug gegen Pharnakes gut begründet: Es gilt, den König zur Rechenschaft zu ziehen und erlittenes Unrecht wiedergutzumachen. Genau dieses Bedürfnis bemüht sich Caesar bereits vor der Schlacht von Zela zu befriedigen, als er versucht, Pharnakes seine Friedensbedingungen aufzuerlegen. Es verwundert daher nicht, dass er an dieser Stelle auf die noch ungerächten Verbrechen zu sprechen kommt, die der Erzähler am Ende des Domitius-Feldzuges verzeichnet hatte (70,3–7): Nam se neque libentius facere quicquam quam supplicibus ignoscere neque provinciarum publicas iniurias condonare iis posse qui [non] fuissent in se officiosi. Quin id ipsum quod commemorarent officium fuisse utilius Pharnaci, qui providisset ne vinceretur, quam sibi cui di immortales victoriam tribuisset. Itaque se magnas et graves iniurias civium Romanorum qui in Ponto negotiati essent, quoniam in integrum restituere non posset, concedere Pharnaci. Nam neque interfectis amissam vitam neque exsectis virilitatem restituere posse: quod quidem supplicium gravius morte cives Romani subissent. Ponto vero decederet confestim familiasque publicanorum remitteret ceteraque restitueret sociis civibusque Romanis quae penes eum esset. Denn er (sc. Caesar) tue nichts lieber als denen zu verzeihen, die ihn um Gnade bäten, könne aber die offen zu Tage liegenden Rechtsverletzungen gegen die Provinzen auch denen nicht ungestraft durchgehen lassen, die ihm gegenüber dienstfertig gewesen waren.84 Ja, sie sollten vielmehr bedenken, dass der Dienst, auf den sie hinwiesen, Pharnakes mehr genutzt habe, der so dafür sorgte, nicht besiegt zu werden, als ihm, dem die unsterblichen Götter den Sieg zugesprochen hätten. Er verzeihe Pharnakes also die großen und schweren Rechtsverletzungen gegen die römischen Bürger, die in Pontos Geschäfte betrieben, weil er sie nicht ungeschehen machen könne. Denn weder könne er den Getöteten ihr verlorenes Leben wiedergeben noch den Verstümmelten ihre Männlichkeit – eine Strafe schlimmer als der Tod, die die römischen Bürger über sich ergehen lassen mussten. Aus Pontos aber solle er sofort abziehen, die Sklaven der Steuerpächter und alles Übrige den Verbündeten sowie den römischen Bürgern ersetzen, was sich in seinem Besitz befinde.

Diese Textpassage dient zunächst nicht der Charakterisierung des Pharnakes, sondern vielmehr Caesars, dessen Wille zur clementia hervorgehoben wird.85 Diese

|| 83 Pötter (1932) 60 diagnostiziert an dieser Stelle eine „eigentümliche Unbestimmtheit, wie sie den Commentarien sonst fremd ist.“ Zur Interpretation s. u. 84 Die Gesandten des Pharnakes hatten zuvor geltend gemacht, dass sie Caesar im Bürgerkrieg die Treue gehalten und Pompeius nicht mit Truppen unterstützt hätten (vgl. 69,3). 85 Vgl. Faraguna (1993) 1413. Gaertner/Hausburg (2013) 102 zählen in Kapitel 70 vier unterschiedliche Ausdrücke aus dem Wortfeld des Verzeihens. Wie bereits im Bell. Gall. 8 wird auf diese Weise diese aus dem Bürgerkrieg bekannte Charaktereigenschaft Caesars auf einen auswärtigen Krieg und auswärtige Feinde übertragen (vgl. Kap. 4.3.3).

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Darstellungsabsicht freilich ist mit einer Rache an Pharnakes unvereinbar. Der Text löst diesen Konflikt nicht auf, sondern produziert einen bemerkenswerten Widerspruch: Der Ankündigung, erlittenes Unrecht nicht verzeihen zu können (neque provinciarum publicas iniurias condonare iis posse), folgt das Zugeständnis, wegen der begangenen Verbrechen Pharnakes nicht strafen zu wollen (se magnas et graves iniurias civium Romanorum … concedere Pharnaci). Nebenbei konkretisiert Caesar aber auch die in 41,2 genannten supplicia morte miseriora: Pharnakes hatte, wie jetzt deutlich wird, junge Römer kastrieren lassen. Diese Strafmaßnahme charakterisiert nun wiederum den König, einerseits als grausamen Tyrannen,86 andererseits aber als ‚fremden‘ Herrscher des Ostens.87 Vor dem Hintergrund des Konzepts von Romanitas, das der Erzähler schon im Rahmen der Darstellung des Alexandrinischen Krieges vertreten hat, wird deutlich, warum gerade die Römer diese Strafe so schwer trifft. Da der Erzähler virtus als differentia specifica eingeführt hat, die die Römer vor ihren Kontrahenten und ‚fremden‘ Verbündeten auszeichnet, ist die Kastration nicht nur als physische Folter aufzufassen, vergleichbar etwa mit der Gewalt, die Caesar an den besiegten Einwohnern von Uxellodunum (Gall. 8,44,1) verübt. Hinzu kommt in diesem Fall, dass die Strafe auch als Angriff auf die kulturelle Identität der Bestraften gewertet werden muss.88 Die sprachliche Gestaltung bildet die Schwere des Verbrechens ab. Hieraus erklärt sich zum einen die umständlich wirkende Formulierung in 41,2: Das Verbrechen wird – buchstäblich – unsagbar.89 Hieraus erklärt sich zum anderen aber auch die mit Nachdruck, da später fast wortgleich wiederholte Beurteilung der Kastration als supplicium gravius morte. Auf folgenden Unterschied ist allerdings aufmerksam zu machen: Während der Kommentar im ersten Fall im Rahmen der Erzählerrede erfolgt, ist sie im zweiten Fall Teil der oratio obliqua. Der Erzähler lässt so die Figur Caesar die zuerst von ihm vorgebrachte Einschätzung wiederholen.90 Dieser ‚Stimmenwechsel‘ lässt sich als ein erzählstrategisches Mittel interpretieren, insofern es

|| 86 Zur Kastration als Strafmaßnahme vgl. Dalla (1978) 112 und Guyot (1980) 26–28. Das Phänomen ist alt: Schon dem mythischen Tyrannen Echetos von Epiros wird sie nachgesagt (Hom. Od. 18,83– 87). 87 Vgl. hierzu Dalla (1978) 64f.; Balsdon (1979) 227; Raaflaub (2017a) 538, 12.70c. Im Bell. civ. und Bell. Alex. begegnen zwei kastrierte Ägypter, die Eunuchen Pothinus (civ. 3,108,1) und Ganymedes (Bell. Alex. 4,1); vgl. auch Guyot (1980) 221–224 (zu Pothinus) bzw. 204f. (zu Ganymedes). Über ihre fehlende Männlichkeit äußert sich allerdings erst Flor. 2,13,60 abschätzig. 88 Bezeichnend ist, dass – im Gegensatz zum Erzähler in 41,1 – Caesar ausdrücklich nur die Kastration römischer Bürger (iniurias civium Romanorum qui in Ponto negotiati essent) adressiert. 89 Vgl. schon Pötters Beobachtung (Anm. 83). 90 Pötter (1932) 60 will aus diesem intratextuellen Verweis hingegen rekonstruieren, dass dem Autor des 41. Kapitels der Bericht über den Feldzug Caesars gegen Pharnakes, der seiner Auffassung nach von Caesar selbst verfasst worden ist, bereits zur Verfügung gestanden hat. Für Kritik an dieser These vgl. Gaertner/Hausburg (2013) 53 Anm. 100 (mit Hinweisen auf weitere Literatur) sowie 114 Anm. 161.

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dem Erzähler gelingt, zwischen seiner Hauptfigur und sich selbst eine Deutungsgemeinschaft herzustellen: In der Beurteilung der Kastration als schlimmstes aller möglichen Kriegsverbrechen stimmen beide überein. Erneut positioniert sich der Erzähler auf diese Weise als überzeugter Römer und Caesaranhänger.

5.3.5 Q. Cassius Longinus und die Hispanier Vor dem Hintergrund der negativen Darstellung des Ostens und seiner Bewohner überrascht die deutlich davon abweichende, wohlwollende Beurteilung der hispanischen Bevölkerung.91 Obwohl Caesar selbst die hispanischen Provinzen erst wieder im Jahr 46 betritt, um dort seinen letzten Feldzug gegen die beiden Pompeiussöhne Gnaeus und Sextus zu führen, ist im Bell. Alex. ein Bericht über die Statthalterschaft des von Caesar dort installierten Q. Cassius Longinus enthalten.92 Dieser ist den Provinzbewohnern in besonderem Maße verhasst (48,1): Iis autem temporibus quibus Caesar ad Dyrrachium Pompeium obsidebat et Palaepharsali rem feliciter gerebat Alexandriaeque cum periculo magno, tum etiam maiore periculi fama dimicabat, Q. Cassius Longinus in Hispania pro praetore provinciae ulterioris optinendae causa relictus, sive consuetudine naturae suae sive odio quod in illam provinciam susceperat quaestor ex insidiis ibi vulneratus, magnas odii sui fecerat accessiones, quod vel ex conscientia sua, cum de se mutuo sentire provinciam crederet, vel multis signis et testimoniis eorum qui difficulter odia dissimulant, animum advertere poterat, et compensare offensionem provinciae exercitus amore cupiebat. Zur selben Zeit, als Caesar bei Dyrrhachium Pompeius belagerte, in Pharsalos siegte und in Alexandria unter großer Gefahr (vor allem aber unter sogar noch größerem Anschein von Gefahr) kämpfte, war Q. Cassius in Hispanien als Propraetor stationiert, um die jenseitige Provinz zu verwalten. Entweder weil es seiner Natur entsprach oder wegen seines Hasses, den er auf jene Provinz entwickelt hatte, als er als Quaestor durch Hinterhalte dort verletzt worden war, hatte er großen zusätzlichen Hass gegen sich entfacht. Das konnte er zum einen aus seiner eigenen Überzeugung ersehen – denn er glaubte, die Provinz denke so über ihn wie er über sie –, zum anderen aus vielerlei Zeichen und Zeugnissen derjenigen, die ihren Hass kaum verbergen konnten, und (deshalb) strebte er danach, die schlechte Stimmung in der Provinz durch die Zuneigung seines Heeres zu ihm auszugleichen.

|| 91 Diese umfasst römische Bürger in Hispanien und die indigene hispanische Bevölkerung, zwischen denen im Text jedoch nicht differenziert wird (vgl. z. B. 53,5). In der althistorischen Forschung ist diese Unterscheidung für manche Fragestellungen wichtig, z. B. in der Frage, ob die sogenannte legio vernacula aus römischen Bürgern bestand oder nicht (zu dieser Legion, die im gesamten Bürgerkrieg eine wichtige Rolle spielt, s. u. Anm. 104). 92 Q. Cassius ist ein Verwandter des späteren Caesarmörders C. Cassius. Bei Ausbruch des Bürgerkriegs fungiert er neben M. Antonius als Volkstribun (civ. 1,2,7) und geht nach seiner Flucht zu Caesar mit nach Hispanien. Nach dem Ende des Feldzuges betraut Caesar ihn mit der Verwaltung der Provinz Hispania ulterior (civ. 2,21,4).

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Doch nicht nur verabscheuen sich Cassius und die Provinzbewohner gegenseitig, auch bei seinen Freunden findet der Propraetor keine Unterstützung. Vielmehr nutzen sie seine Unbeliebtheit im Volk, um sich selbst auf seine Kosten zu bereichern (50,1–3): Quibus de causis accidit ut, cum Longinus imperator eadem faceret quae fecerat quaestor, similia rursus de morte eius provinciales consilia inirent. Horum odium confirmabant nonnulli familiares eius; qui cum in illa societate versarentur rapinarum, nihilominus oderant eum cuius nomine peccabant, sibique quod rapuerant acceptum referebant, quod interciderat aut erat interpellatum Cassio adsignabant. Quintam legionem novam conscribit. Augetur odium et ipso dilectu et sumptu additae legionis. Aus diesen Gründen geschah es, dass die Provinzbewohner, weil Longinus als Imperator93 so handelte, wie er schon als Quaestor gehandelt hatte, ähnliche Pläne gegen sein Leben schmiedeten. Ihren Hass verstärkten noch einige seiner Vertrauten. Diese hassten nämlich, obwohl sie auch jener Räuberbande angehörten, denjenigen, in dessen Namen sie sich versündigten, um nichts weniger und verbuchten, was sie geraubt hatten, für sich, Beträge hingegen, die fällig gewesen oder gemahnt worden waren, schrieben sie dem Cassius zu.94 Er hob eine neue Legion aus, die fünfte. Der Hass wurde gemehrt, sowohl durch die Aushebung selbst als auch durch die Kosten, die die zusätzliche Legion verursachte.

Dass der Unmut, den die Provinzbewohner hegen, berechtigt ist, erweist das (hier nicht zitierte) 49. Kapitel, das eine Charakterschwäche des Cassius offenbart: seine Habgier. Er erpresst von den Provinzialen ‚Darlehen‘, um seine eigenen Schulden tilgen zu können. Diejenigen, die seinen Forderungen nicht nachgeben, lässt er juristisch verfolgen. Durch dieses Auftreten zieht sich Cassius den Hass der gesamten Provinz zu. Es ist dieser tiefsitzende Hass gegen den Statthalter, auf den im Text durch den beinahe exzessiven Gebrauch des Begriffs odium/odisse in den beiden zitierten Textabschnitten immer wieder hingewiesen wird: Nur einmal bezeichnet hier odium den Hass des Cassius auf die Provinz, fünfmal hingegen den der Provinzialen und seiner familiares auf ihn. Diese Schwerpunktsetzung ist ein deutliches Indiz für die Sympathie, die der Erzähler der Sache der Provinzbewohner entgegenbringt. Die schärfste Kritik übt er am Verhalten des Cassius nach einem versuchten Mordanschlag auf ihn, weil er zulässt, dass sich einige der Verschwörer mit Geld von weiterer Strafe freikaufen (55,5):95

|| 93 Der Erzähler des Bell. Alex. insinuiert, dass Cassius sich den Imperatorentitel durch seine übertriebene Freigiebigkeit gegenüber den Soldaten erkauft habe, vgl. 49,2. 94 Zu den termini technici des Finanzwesens vgl. Landgraf (1889) 12f. 95 Vgl. auch das vergiftete Lob auf Cassius in 51,4: Non enim labor aut vigilantia cupienti praesertim aliquid Cassio deerat – „Cassius fehlte es nicht an Fleiß und Aufmerksamkeit, besonders dann nicht, wenn er etwas begehrte“ (cupere ist bereits im zitierten Textabschnitt 48,1 pejorativ gebraucht). Zum Cassius-Porträt vgl. auch Melchior (2004) 133–136.

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Qui si maxime nocentes sunt multati, tamen periculum vitae dolorque vulnerum pecuniae remissus crudelitatem cum avaritia certasse significabat. Wenn auch die, die Cassius am meisten schaden wollten [sc. Calpurnius und Squillus, die Hauptverschwörer] bestraft wurden, so zeigte dies, weil die Lebensgefahr und der Schmerz der Verwundungen für Geld verziehen wurden,96 doch, dass (bei Cassius) die Grausamkeit mit der Habgier wetteiferte.

Dieser Vorwurf wiegt besonders schwer, wenn man das Verhalten Caesars in ähnlichen Situationen im Bell. Alex. mit dem des Cassius kontrastiert. Während es dem Erstgenannten ein Bedürfnis ist, von Strafen gegen seine Feinde, wann immer möglich, abzusehen,97 ist die Gnade, die Cassius seinen Feinden gewährt, kein Akt der clementia, sondern profaner Ausdruck seiner Geldgier.98 Angesichts des harten Regimes, das Cassius in der Provinz ausübt, wird sogar verständlich, dass die Provinzbewohner dem verhassten Statthalter nach dem Leben trachten (accidit ut, cum Longinus imperator eadem faceret quae fecerat quaestor, similia rursus de morte eius provinciales consilia inirent, 50,1).99 Eine solch entschieden negative Charakterisierung eines Verbündeten Caesars dürfte im Corpus Caesarianum singulär sein. Keineswegs jedenfalls ist sie alternativlos: Im Bell. Hisp. verweist die Figur Caesar in ihrer abschließenden Generalabrechnung mit den Bürgern von Hispalis ebenfalls auf den Anschlag auf Cassius, bringt ihnen aber kein Verständnis entgegen, sondern verurteilt die Provinzialen im Gegenteil aufs Schärfste dafür, dass sie „wiederholt Hand an die sakrosankten Magistrate des römischen Volkes gelegt“ hätten (populi Romani magistratibus sacrosanctis manus semel et saepius attulistis, Bell. Hisp. 42,4).100 Doch während andernorts im Bell. Alex. die Aufgabe Caesars und seiner Stellvertreter darin besteht, auswärtige Kriege gegen fremde Völker zu führen,101 haben die Hispanier ein legitimes Interesse an der Absetzung des Cassius.

|| 96 Vgl. zur Konstruktion Giomini (1956) 174. 97 Vgl. z. B. nochmals Caesars Aussage gegenüber den Gesandten des Pharnakes (70,3): Nam se neque libentius facere quicquam quam supplicibus ignoscere … Auch am Ende des Alexandrinischen Kriegs zeigt Caesar seine gewohnte Milde (32,4). 98 Vgl. Giomini (1956) 174: „l’avversativa [sc. tamen in 55,5] vuol dimostrare che la condanna dei due grossi colpevoli ad una semplice multa non fu un atto di magnanimità da parte di Cassio Longino ma piuttosto un segno della sua cupida avarizia“, Coulon-McIntosh (2011) 65–67, bes. 65: „[Cassius’s] mismanagement and corruption are presented as an inversion of Caesar’s virtues“ und Melchior (2004) 134. Hinzu kommt, dass Caesar selbst (i. J. 61) seine Propraetur in Hispania ulterior im Gegensatz zu Cassius sehr erfolgreich absolviert hatte (vgl. Diouron 1999, XXXIf.). 99 Vgl. dazu die grundsätzlich andere Deutung des Mordanschlags auf Commius im letzten Jahr des Gallischen Kriegs (Kap. 4.4.4). 100 Vgl. Loreto (2001) 380; Melchior (2004) 135; Schulz (2010) 235. 101 Dies gilt sogar noch für die Kämpfe in Illyrien, deren Bezug zum eigentlichen Bürgerkrieg besonders deutlich ist. Doch Gabinius verliert seine Schlacht nicht gegen Pompeianer, sondern

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Diese bemerkenswerte Haltung des Erzählers bleibt solange folgenlos für den Rest der Darstellung, wie der Hass der Provinz auf die Person des Cassius beschränkt bleibt. Doch Cassius ist im Bürgerkrieg keine neutrale Figur, sondern repräsentiert die Caesarianer in Hispanien. Spätestens als nach dem missglückten Mordanschlag ein Teil der Legionen zu meutern beginnt, erhält der Konflikt in Hispanien eine neue politische Qualität: Der Aufruhr in der Provinz gerät zu einer neuen Episode im Bürgerkrieg.102 Sobald nämlich bei den Legionen die Nachricht eintrifft, Cassius sei bei einem Anschlag in Corduba schwer verwundet worden, fällt das Heer auseinander (54,2–3): Re cognita, XXX legio signa Cordubam infert ad auxilium ferendum imperatori suo. Facit hoc idem XXI. Subsequitur has V. Cum duae legiones reliquae essent in castris, secundani veriti ne soli relinquerentur atque ex eo quid sensissent iudicaretur, secuti sunt factum superiorum. Permansit in sententia legio vernacula nec ullo timore de gradu deiecta est. Nach Bekanntwerden dieser Sache rückte die 30. Legion in Corduba an, um ihrem Imperator zu Hilfe zu kommen. Dasselbe tat die 21. Legion. Diesen folgte die fünfte. Als nun zwei Legionen im Lager übrig waren, folgten die Zweier, weil sie fürchteten, dass sie allein zurückblieben und dass man aus dieser Tatsache auf ihre Gesinnung schließen würde, dem Beispiel der anderen. Bei ihrer Meinung blieb die Einheimischenlegion und sie wurde auch durch keinerlei Angst von ihrem Standpunkt abgebracht.

Der Textausschnitt verdeutlicht, wie unterschiedlich loyal sich die Cassius unterstellten Legionen zu ihrem Feldherrn verhalten. Die Situation stellt sich nun nicht so dar, dass Cassius über keinerlei Rückhalt im Heer verfügt: Am treuesten unterstützen ihn die 30. und die 21. Legion, aber auch die fünfte, deren Aushebung den Hass in der Provinz seinerzeit noch gesteigert hatte (50,3), kommt ihm zu Hilfe. Zwar enthält sich der Erzähler einer Bewertung, doch wurde die Kritik an Cassius zuvor so vehement vorgetragen, dass nicht die Unterstützung des Cassius, sondern die Standhaftigkeit der legio vernacula in ihrer Ablehnung des Propraetors als vorbildlich gedeutet werden muss.103 Was der Text an dieser Stelle allerdings ver-

|| gegen die Landesbewohner (43,2); und der Sieg des P. Vatinius über die Flotte des Pompeianers M. Octavius deutet der Erzähler als Wiedergewinn der Provinz (provincia recepta, 47,5). 102 Vgl. z. B. Cadiou (2008) 69: „… ce fut de même la brutalité de Q. Cassius Longinus … qui détacha les provincaux du parti césarien et remit en cause les succès de la campagne de 49 durant laquelle la moderation de César, plus encore que la force de ses légions, avait joué un rôle essentiel.“ 103 Später läuft die zweite Legion ebenfalls über (57,3). Beide werden zu einem späteren Zeitpunkt nochmals explizit gegenüber den anderen gelobt (61,1): Erat copiis pedestribus multo firmior Marcellus; habebat enim veteranas multisque proeliis expertas legiones. Cassius fidei magis quam virtuti legionum confidebat – „Marcellus standen viel stärkere Fußtruppen zur Verfügung. Er hatte nämlich altgediente und durch viele Schlachten erfahrene Legionen (sc. die zweite und die legio vernacula). Cassius vertraute mehr auf die Loyalität als auf die Tapferkeit seiner Legionen (sc. der Legionen XXI und XXX, die beide erst i. J. 49 von Caesar ausgehoben worden waren).“

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schweigt, ist Folgendes: Die legio vernacula besteht aus loyalen Anhängern des Pompeius, die bereits am ersten Hispanienfeldzug teilgenommen haben und auch im Jahr 45 für den jüngeren Cn. Pompeius kämpfen werden. Gleiches gilt für die zweite Legion.104 Spätestens hier erhält der Konflikt in Hispanien also eine neue Dimension, weil er über die Rebellion von Provinzialen gegen einen unliebsamen Statthalter weit hinausgeht. Dies bestätigt sich im weiteren Verlauf der Krise, die nach dem gescheiterten Mordanschlag eskaliert und in einen bewaffneten Konflikt mündet: In einem Stellvertreterkampf stehen erneut Caesarianer und Pompeianer einander gegenüber,105 die Pompeianer unter Führung eines gewissen T. Thorius aus dem nahe Hispalis gelegenen Ort Italica (57,3), die Caesarianer unter Führung des Cassius.106 Doch bemüht sich der Erzähler darum, den Konflikt anders zu deuten (58,1–4): Interim Thorius ad Cordubam veteres legiones adducit ac, ne dissensionis initium natum seditiosa militum suaque natura videretur, simul ut contra Q. Cassium, qui Caesaris nomine maioribus viribus uti videbatur, aeque potentem opponeret dignitatem, Cn. Pompeio se provinciam recuperare velle palam dictitabat. Et forsitan etiam hoc fecerit odio Caesaris et amore Pompei, cuius nomen multum poterat apud eas legiones quas M. Varro optinuerat. Sed id qua mente, communis erat coniectura: certe hoc prae se Thorius ferebat; milites adeo fatebantur ut Cn. Pompei nomen in scutis inscriptum haberent. Frequens legionibus conventus obviam prodit, neque tantum virorum, sed etiam matrum familias ac praetextatorum, deprecaturque ne hostili adventu Cordubam diriperent: nam se contra Cassium consentire cum omnibus, contra Caesarem ne facere cogerentur orare. ________ sed … coniectura [sed … ferebat Klotz] supra post dictitabat transposuerunt Landgraf² Klotz Zwischenzeitlich führte Thorius die altgedienten Legionen nach Corduba und verkündete öffentlich, die Provinz für Cn. Pompeius wiedergewinnen zu wollen, damit es nicht so schien, dass der Anfang des Streits in seiner und der Soldaten aufwieglerischen Natur läge, und zugleich, um Q. Cassius, der durch den Namen Caesars scheinbar über größere Stärke verfügte,

|| 104 Für die Beteiligung der legio vernacula im ersten Hispanienfeldzug vgl. civ. 2,20,4. Für die Bedeutung beider Legionen im zweiten Hispanienfeldzug vgl. Bell. Hisp. 7,4 (Subjekt ist Pompeius): Aquilas et signa habuit XIII legionum; sed ex quibus aliquid firmamenti se existimabat habere duae fuerunt, Vernacula et (coni. Mommsen, vernaculae codd.) – „Er hatte Adler und Feldzeichen von dreizehn Legionen; aber nur zwei von ihnen hielt er für eine echte Stütze, die Einheimischenlegion und die zweite.“ Zur Konjektur Mommsens Diouron (1999) XXXVIII (contra Müller 2001, 331 Anm. 1637); zur Frage, ob die legio vernacula aus römischen Bürgern bestand oder nicht vgl. Yoshimura (1963); Fear (1991); Faraguna (1993) 1401f.; Diouron (1999) XXXIV–XXXVIII. 105 Vgl. Judeich (1885) 199. In der Provinz war erst vor kurzem der Sieg Caesars in der Schlacht von Pharsalos bekanntgeworden (51,1). 106 Cassius kann allein deshalb auf die Unterstützung der ihm verbliebenen Truppen zählen, weil er von ihnen als legitimer Stellvertreter Caesars wahrgenommen wird: quos (sc. milites) cognoscit non sua, sed Caesaris absentis causa sibi fidissimos esse … (57,6) – „Cassius bemerkte, dass die Soldaten ihm nicht um seiner selbst, sondern um des abwesenden Caesar willen bedingungslos treu waren …“.

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eine in gleicher Weise gewichtige Macht entgegensetzen zu können; und vielleicht tat er dies sogar tatsächlich aus Hass auf Caesar und Liebe zu Pompeius, dessen Namen bei den Legionen, die M. Varro befehligt hatte, viel Gewicht hatte. Doch wie er es wirklich meinte, darüber gab es unterschiedliche Ansichten.107 Sicher ist, dass Thorius dies zur Schau stellte. Die Soldaten (hingegen) bekannten sich so offen zu Pompeius, dass sie seinen Namen auf ihren Schilden eingeschrieben hatten. Den Legionen kam eine große Menschenschar entgegen, bestehend nicht nur aus Männern, sondern auch aus Frauen und Kindern von Stand. Diese flehten sie inständig an, Corduba nicht in feindlichem Anmarsch zu zerstören. Denn sie würden gemeinsam mit allen gegen Cassius übereinstimmen, aber darum bitten, nicht zum Handeln gegen Caesar gezwungen zu werden.

Das Bekenntnis der hispanischen Bevölkerung zu Caesar erfüllt im vorliegenden Kontext eine doppelte Funktion: Erstens machen die Einwohner von Corduba deutlich, dass der Feldherr auch in Hispanien über großen Rückhalt verfügt.108 Dadurch wird aber zweitens der aktuellen Konfrontation die Brisanz genommen: Keine Neuauflage des Bürgerkriegs verlangen die Einwohner, sondern ein gemeinsames Vorgehen gegen Cassius. Tatsächlich führt die Botschaft der Männer, Frauen und Kinder aus Corduba zum Umdenken bei den pompeiustreuen Soldaten: Sie entfernen den Namen des Pompeius wieder von ihren Schilden (nomen Pompei ex scutis deterserunt, 59,1) und bestimmen M. Marcellus, einen Quaestor des Cassius und entschiedenen Caesaranhänger (se Caesaris causam defensurum profitebatur, 59,1), zu ihrem neuen Anführer. Die Unterordnung unter den Oberbefehl des Marcellus legitimiert aus der pro-caesarischen Perspektive des Bell. Alex. die Rebellion der von Cassius abgefallenen Legionen. Ihre Revolte wird auf diese Weise wieder auf einen innerparteilichen (und regional begrenzten) Konflikt mit dem Statthalter zurückgeführt. Gleichzeitig aber reflektiert der Erzähler die starke Anziehungskraft, die Pompeius in der Provinz auch nach seiner Niederlage in der Schlacht von Pharsalos noch auf die Hispanier ausübt. Dies geschieht, indem im oben zitierten Textabschnitt die Gesinnung des T. Thorius und die seiner Legionen ausführlich analysiert wird. Die Diskussion der Motive, die Thorius und seine Soldaten dazu bewogen

|| 107 Zur Wendung communis est coniectura (bzw. existimatio) vgl. OLD s. v. communis 3d: „it is open to conjecture, a matter of opinion“. 108 Vgl. Gaertner/Hausburg (2013) 101 Anm. 110. Die beiden hispanischen Provinzen unterschieden sich stark hinsichtlich ihrer Unterstützung für die beiden Kontrahenten im Bürgerkrieg (vgl. einführend Diouron 1999, XXVII–XXXIII). In Hispania citerior verfügte Pompeius traditionell über starken Rückhalt (vgl. civ. 1,61). Nicht so klar lagen die Verhältnisse in Hispania ulterior, der Provinz des Cassius, denn Caesar hatte sich dort während seiner Quaestur und vor allem während seiner Propraetur ebenfalls eine Klientel geschaffen, von der er im ersten Hispanienfeldzug profitierte (vgl. civ. 2,20). Dagegen berichtet Cassius Dio jedoch, dass zumindest in der Baetica – wo auch die Siedlung Corduba liegt – im zweiten Hispanienfeldzug fast alle Städte den jüngeren Cn. Pompeius unterstützten (43,31,4). Die Gründe für die wechselnden Loyalitäten in der Provinz untersucht insbesondere Tsirkin (1981).

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haben, sich zu Pompeius zu bekennen, sind dabei erkennbar klimaktisch angeordnet;109 sie reichen von pragmatischen Gründen bis hin zu den Treueschwüren der Soldaten (milites … fatebantur), die den Namen des Pompeius auf ihren Schilden tragen.110 Im Gegensatz zu anderen Gelegenheiten (vgl. etwa Abschn. 5.3.2) verzichtet der Erzähler jedoch darauf, die Motive zu bewerten und die Abtrünnigen für ihre Haltung zu tadeln. Im Gegenteil beschränkt er sich darauf, verschiedene Erklärungen für das Verhalten des Thorius vorzustellen. Aus diesem Grund wirken seine Ausführungen teilweise apologetisch: Thorius habe sich des Namens des Pompeius lediglich deshalb bedient, weil er sich davon Vorteile für das Ansehen und die Motivation seiner Soldaten versprach.111 Die Spekulation, der der Erzähler im Anschluss Raum gibt, nährt hingegen den Verdacht (forsitan etiam hoc fecerit odio Caesaris et amore Pompei), Thorius habe sich aus eigener Überzeugung zu Pompeius bekannt. Die Variantendiskussion ist folglich gerade nicht dazu geeignet, Thorius in diesem Punkt zu entlasten. Im Bericht des Erzählers über die Unruhen in Hispanien lassen sich also im Hinblick auf die Darstellung der Ursachen zwei gegenläufige Tendenzen feststellen, die manchmal auch zu Widersprüchen im Text führen: zum einen das Bemühen, die politischen Implikationen der Aufstände auszublenden und sie als legitime Reaktion auf die unterdrückerische Herrschaft des Cassius zu erklären; zum anderen aber wird, wie am obigen Beispiel gezeigt, auch erkennbar, dass sich diejenigen, die gegen Cassius opponieren, als Befreier Hispaniens und somit durchaus als Akteure im Bürgerkrieg verstehen.112

|| 109 Vgl. schon Schneider (1888) 48. 110 Vor diesem Hintergrund scheint mir die Transposition des Satzes Sed … ferebat, die Klotz, anschließend an Landgraf (1889) 23, vorgeschlagen hat (s. den zitierten Auszug aus dem textkritischen Apparat Andrieus zur Stelle), der Beibehaltung des überlieferten Textes vorzuziehen. Nach der überlieferten Satzstellung hat der fragliche Satz resümierenden Charakter. Es liegt jedoch näher, dass er, nachdem die zwei pragmatischen Erklärungsmöglichkeiten (ne … videretur bzw. simul ut … opponeret dignitatem) für das Verhalten des Thorius vorgestellt worden sind, dazu dient, zur letzten Option überzuleiten: dem Verdacht, dass Thorius möglicherweise überzeugter Pompeianer war. Auf diese Weise schließt der darauffolgende Satz (milites adeo fatebantur …, 48,3) besser an das zuvor Gesagte an und die Klimax entfaltet ihre volle Wirkung (vgl. Klotz 1927a, 44 ad loc.: „… ut verba milites adeo fatebantur … suam habeant vim“). Das Argument lässt sich unter Berücksichtigung der Transposition demnach folgendermaßen gliedern: 1a und b) Thorius war aus pragmatischen Gründen an der Identifikation mit der Sache des Pompeius interessiert; 2) Doch sicher ist dies nicht. Möglicherweise war er auch ein überzeugter Anhänger; 3) Für die Legionen, die ohnehin eine hohe Meinung von Pompeius hatten, gilt dies in jedem Fall. 111 Aus dem zurückhaltenden Auftreten des Erzählers rührt auch das – zutreffende – Urteil Nipperdeys (1847) 16: „neque a Caesariano … de turbis Hispaniensibus moderatius potuit scribi“ (vgl. auch Landgraf 1888, 45f.). 112 Vgl. Faraguna (1993) 1397f. und 1407; Coulon-McIntosh (2011) 69. Man vergleiche hierzu auch Bell. Alex. 62,2: Namque, ut in civilibus dissensionibus accidere consuevit, ita temporibus illis in Hispania nonnullae civitates rebus Cassii studebant, plures Marcellum fovebant – „Denn, wie es bei

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Vom Ethnozentrismus der Erzählstimme ist in diesem Abschnitt nichts zu spüren, im Gegenteil: Offen sympathisiert sie mit den Oppositionellen, ohne dabei allerdings in Verdacht zu geraten, für Pompeius Partei zu ergreifen (60,1–2): Cuius rei deformitate atque indignitate legiones quae Marcellum sibi ducem ceperant, ad eum concurrerunt; ut in aciem educerentur orant priusque confligendi sibi potestas fieret quam cum tanta contumelia nobilissimae carissimaeque possessiones Cordubensium in conspectu suo rapinis, ferro flammaque consumerentur. Marcellus cum confligere miserrimum putaret, quod et victoris et victi detrimentum ad eundem Caesarem esset redundaturum, neque suae potestatis esse *** legiones Baetim traducit aciemque instruit. Wegen dieser Gräueltat und Niedertracht liefen die Legionen bei Marcellus zusammen, den sie sich zum Anführer genommen hatten: Sie baten darum, dass sie in die Schlacht geführt würden und dass ihnen die Möglichkeit gegeben werde, zu kämpfen, ehe unter so großer Schande die edelsten und teuersten Besitztümer der Einwohner von Corduba vor ihren Augen durch Raub und Brandschatzen zerstört würden. Marcellus (aber) hielt einen Kampf für äußerst unglücklich, weil die Verluste des Siegers wie auch des Besiegten beide zu Caesars Lasten gehen würden. Auch läge es nicht in seiner Macht *** Trotzdem113 führte er die Legionen über den Baetis und stellte eine Schlachtreihe auf.

Die Textstelle zeigt, wie Marcellus als Figur des Kompromisses und des Ausgleichs aufgebaut wird: Er ist derjenige Gegner des Cassius, der auch aus caesarischer Perspektive als Vermittler akzeptabel wird, indem er versucht, im Konflikt deeskalierend zu wirken und auf diese Weise auch in Caesars Interesse zu handeln.114 Schuld an der Eskalation trägt jedoch allein Caesars Vertreter in der Provinz, nicht die Provinzialen. Mit der wohlwollenden Darstellung der tendenziell pompeiustreuen Provinzbevölkerung nehmen die Kapitel 48–64 folglich eine Sonderstellung im Bell. Alex. ein.

|| Streitigkeiten unter Bürgern oft geschieht, so unterstützten zu jener Zeit einige Städte die Sache des Cassius, die Mehrzahl bevorzugte Marcellus.“ Diese Äußerung steht, wie Melchior (2004) 134f. mit Recht bemerkt, im Widerspruch zu anderen Passagen, in denen genau ein solcher Konsens postuliert wird (bes. 53,5); ebenso überrascht an dieser Stelle die Rede von civiles dissensiones. 113 Giomini (1956) 186 hat richtig gesehen, dass der Nebensatz Marcellus cum … putaret wohl konzessiv aufzufassen ist (vgl. schon die Übersetzung Ways 1955, 107). 114 Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die negative Darstellung des Marcellus bei Cassius Dio (42,15,3, vgl. dazu Judeich 1885, 199): οὐ μὴν καὶ ὅλῃ τῇ γνώμῃ αὐτοὺς προσεδέξατο, ἀλλὰ τό τε ἀστάθμητον τῶν πραγμάτων ὁρῶν καὶ τὴν ἔκβασίν σφων ἐφ᾽ ἑκάτερα προσδεχόμενος ἐπημφοτέριζε καὶ διὰ μέσου πάντα καὶ ἔλεγε καὶ ἔπραττεν, ὥστε, ἄν τε ὁ Καῖσαρ ἄν τε καὶ ὁ Πομπήιος κρατήσῃ, ἀμφοτέροις σφίσι συνηγωνίσθαι δόξαι („Aber er [Marcellus] unterstützte sie in ihrem Entschluss nicht vollständig, sondern im Wissen um die Unbeständigkeit der Dinge und damit rechnend, dass der Ausgang zu Gunsten beider Seiten gehen könnte, spielte er ein doppeltes Spiel und sagte und tat alles auf neutrale Weise, sodass er, gleich ob Caesar oder Pompeius die Oberhand behielt, sagen könnte, auf beiden Seiten gekämpft zu haben.“).

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5.4 Raum: Figurencharakterisierung durch Raumbeschreibungen 5.4.1 Vorbemerkung Der folgende Abschnitt widmet sich einigen Raumdarstellungen im Bell. Alex. unter den Aspekten der Widersprüchlichkeit der Darstellung (5.4.2) und der Irrationalität der im Raum handelnden Figuren (5.4.3). Gleichwohl geht es in diesem Rahmen nicht darum, den Text auf die Qualität der gegebenen räumlichen Informationen hin zu untersuchen und dem Erzähler mangelnde Ortskenntnis nachzuweisen.115 Zwar werden im ersten Abschnitt zunächst Textstellen untersucht, in denen sich topographische Informationen nicht mit der Darstellung späterer Ereignisse vereinbaren lassen. Dabei wird jedoch davon ausgegangen, dass der Erzähler kleinere Inkonsistenzen in Kauf nimmt, um dadurch seine Darstellungsabsichten besser zu erreichen. Die Beispiele zeigen, dass auch Raumdarstellungen als deskriptive Pausen in der Erzählung den übergeordneten Zielen des Textes unterworfen sein können und dass ihnen genau wie anderen Erzähltechniken eine leserlenkende Funktion zukommen kann.116 Die Darstellung der Schlacht von Zela, die im Zentrum des zweiten Abschnitts steht, ist dasjenige der im Bell. Alex. geschilderten Kriegsereignisse, dessen Verlauf am stärksten durch räumliche Gegebenheiten beeinflusst ist. Hier widerspricht nicht die Topographie der Darstellung, sondern die Figur Pharnakes ist es, die die militärischen Erfordernisse, die durch das Gelände vorgegeben sind, missachtet. Durch dieses irrationale Handeln im Raum wird Pharnakes als Kriegsgegner für Caesar unberechenbar.

5.4.2 Widersprüchliche Darstellungen des Raumes im Bell. Alex. Dass Verlangsamungen des Erzähltempos bis hin zu Pausen eine spannungssteigernde Funktion erfüllen können, hat sich bereits im Kapitel zur Erzählstimme gezeigt. Dadurch dass der Fortgang der Handlung – wie in der Episode um die Sabotage der Wasserversorgung (5.2.2) oder in der Seeschlacht im portus Eunostus (5.3.3) – durch die Pause aufgeschoben wird, kann diese zu einem solchen Effekt führen. Eine Beschreibung des Raumes bietet dem Erzähler hingegen die Möglichkeit, sich als Experten darzustellen, liefert er doch so Informationen, die auf Augenzeugenschaft oder erworbene Kenntnisse schließen lassen.117 Gleich zu Beginn des Bell.

|| 115 S. hierzu etwa Gaertner/Hausburg (2013) 84–87. 116 Zum Begriff der (deskriptiven) Pause vgl. Genette (2010) 58f. 117 Ich unterscheide nicht so strikt wie Dennerlein (2009) 132 (auch ebd., 207) ‚beschriebene‘ und ‚erzählte Räume‘, da eine scharfe Trennung häufig schwierig ist (vgl. ebd., 137f.).

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Alex. stößt man auf eine solche, wenngleich kurze, Bemerkung zur Topographie Alexandrias, die sich in diesem Sinne deuten lässt (1,3): Nam incendio fere tuta est Alexandria, quod sine contignatione ac materia sunt aedificia et structuris ac fornicibus continentur tectaque sunt rudere aut pavimentis. Denn gegen einen Brand ist Alexandria im Großen und Ganzen geschützt, weil die Gebäude keinen hölzernen Dachstuhl besitzen, durch Mauerwerk und Bögen zusammengehalten werden und mit Mörtel oder einem Estrichüberzug gedeckt sind.

Darüber hinaus wird Alexandria schon zu diesem frühen Zeitpunkt ganz im Sinne der Strategie des Erzählers, den Alexandrinischen Krieg als einen auswärtigen Krieg darzustellen, implizit als ‚fremde‘ Stadt markiert: Im Hinblick auf die Bauweise und die damit verbundene Brandgefahr unterscheidet sie sich offenkundig stark von Rom, das regelmäßig von Bränden heimgesucht wird.118 Doch zeigt sich im weiteren Verlauf des Textes, dass es sich bei der Feststellung des Erzählers, Alexandria sei ganz ohne Holz (sine contignatione ac materia) erbaut, um eine Pauschalisierung gehandelt haben muss. Denn tatsächlich nutzen die Alexandriner Bauholz, um damit die Ruder ihrer seit dem im Bell. civ. geschilderten Schiffsbrand (3,111,6) stark dezimierten Flotte zu ersetzen. Zu diesem Zweck decken sie die Dächer der städtischen Gebäude ab (13,2): Deerant remi: porticus, gymnasia, publica aedificia detegebant; asseres remorum usum obtinebant; aliud naturalis sollertia, aliud urbis copia subministrabat. Es mangelte an Rudern. Sie deckten Säulenhallen, Gymnasien und öffentliche Gebäude ab. Balken wurden wie Ruder gebraucht. Das eine steuerte ihr natürlicher Einfallsreichtum bei, das andere der Reichtum der Stadt.

Der Umgang der Alexandriner mit der Situation der fehlenden Ruder dient dem Erzähler als anschauliches Beispiel, das die charakteristische sollertia der ägyptischen Bevölkerung illustriert, ungeachtet der Tatsache, dass die zu Beginn beschriebene Architektur Alexandrias nicht zulassen dürfte, dass die Alexandriner ihr Problem auf die beschriebene Weise lösen. Ein ähnliches Phänomen begegnet bereits wenig später nochmals. So bietet der Erzähler zunächst, um den Plan Ganymedes’ zu erklären, Caesar von der Wasserversorgung abzuschneiden, einen Überblick über das unterirdische Kanalsystem Alexandrias, das diese Manipulation erst möglich macht (5,1–2): Alexandria est fere tota suffossa specusque habet ad Nilum pertinentes quibus aqua in privatas domos inducitur, quae paulatim spatio temporis liquescit ac subsidit. Hac uti domini aedificiorum atque eorum familiae consuerunt: nam quae flumine Nilo fertur, adeo est limosa ac turbida ut

|| 118 Vgl. auch Townend (1988) 37.

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multos variosque morbos efficiat; sed ea plebes ac multitudo contenta est necessario, quod fons urbe tota nullus est. Alexandria ist fast vollständig von unterirdischen, bis zum Nil reichenden Wassergängen durchzogen, über die das Wasser in die Privathäuser geführt wird. Es wird in dieser Zeit allmählich klar und rein. Dieses Wasser sind die Hausherren und deren Familien zu benutzen gewohnt. Denn das Wasser, das im Fluss Nil fließt, ist so schlammig und trübe, dass es viele und verschiedene Krankheiten verursacht. Mit ihm sind aber die Armen und ein Großteil der Menschen notwendigerweise zufrieden, weil es in der ganzen Stadt keine einzige Quelle gibt.

Für den Verlauf der Handlung besonders wichtig ist die Information, dass es in der ganzen Stadt keine Quelle gibt (fons urbe tota nullus est), denn nur so wird die Furcht der caesarischen Soldaten plausibel, die glauben, im Hinblick auf die Wasserversorgung ganz und gar vom Nilwasser abhängig zu sein. Erst Caesar zweifelt die vom Erzähler gegebene Topographie an (8,1; 9,2): Caesar suorum timorem consolatione et ratione minuebat. Nam puteis fossis aquam dulcam reperiri posse adfirmabat: omnia enim litora naturaliter aquae dulcis venas habere … Quo suscepto negotio atque omnium animis ad laborem incitatis, magna una nocte vis aquae dulcis inventa est. Ita operosis Alexandrinorum machinationibus maximisque conatibus non longi temporis labore occursum est. Caesar minderte die Angst der Seinen mit Trost und Vernunft. Denn er versicherte, dass Süßwasser durch Brunnengrabungen gefunden werden könne; an allen Küsten gäbe es nämlich von Natur aus Süßwasseradern … Nachdem diese Aufgabe in Angriff genommen und aller Gemüter auf diese Arbeit gerichtet waren, wurde binnen einer Nacht eine große Menge Süßwasser gefunden. So wurde den mühevoll konstruierten Maschinen der Alexandriner und ihren größten Kraftaufwendungen mit einer kurzzeitigen Anstrengung begegnet.

Durch diese Entwicklung werden die Ausführungen zur Topographie des Erzählers widerlegt: Mag es auch bis zu Caesars Ankunft in Alexandria keine Quelle in der Stadt gegeben haben, die Römer finden, gestützt auf Caesars topographisches Wissen (omnia enim litora naturaliter aquae dulcis venas habere), ohne Mühe Süßwasser.119 Die widersprüchliche Raumbeschreibung, die der Erzähler gibt, fällt aber nicht auf ihn selbst zurück, sondern auf die Alexandriner, die so der Lächerlichkeit preisgegeben werden.120 Sind sie es doch, die das möglicherweise überflüssige, komplizierte Kanalsystem entwickelt haben, sind sie es auch, die schon immer aus – wie sich nun zeigt – bloß scheinbarer Notwendigkeit das krankheitsverursachende Flusswasser getrunken haben (ea [sc. aqua] plebes ac multitudo contenta est necessario, 5,2). Die oft betonte naturalis sollertia der Alexandriner ist auf diese Weise diskreditiert.

|| 119 Den Widerspruch erkannten schon Schneider (1888) 7 und Seel (1935) 18. 120 Vgl. hierzu auch Abschn. 5.2.2.

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Die Beispiele zeigen: Eine Raumbeschreibung darf nicht als eine bloße Wiedergabe von topographischen Fakten aufgefasst werden. Sie steht im Dienst der Erzählung, indem sie die Charakterisierung der Figuren beeinflusst.121

5.4.3 Irrationales Handeln im Raum: Die Schlacht von Zela Vor diesem Hintergrund wenden wir uns nun der Schlacht zu, die Caesar gegen Pharnakes im Sommer 47 bei Zela schlägt. Die Bedeutung des Raumes für die Darstellung dieser Schlacht kann kaum überschätzt werden.122 So leitet der Erzähler die Episode gleich mit einer Beschreibung des Geländes ein (72,1–3), auf dem sich der Kampf abspielen wird: Zela est oppidum in Ponto positum, ipsum ut in plano loco satis munitum: tumulus enim naturalis velut manu factus excelsiore undique fastigio sustinet murum. Circumpositi sunt huic oppido magni multique intercisi vallibus colles; quorum editissimus unus qui propter victoriam Mithridatis et infelicitatem Triari detrimentumque exercitus nostri, magnam in illis partibus habet nobilitatem, nec multo longius milibus passuum III abest ab Zela superioribus locis atque itineribus paene coniunctus oppido. Hunc locum Pharnaces, veteribus paternorum felicium castrorum refectis operibus, copiis suis omnibus occupavit. ________ superioribus … oppido huc transp. Madvig : nostri superioribus eqs. codd. Zela ist eine in Pontos gelegene Siedlung und gerade dafür, dass sie in einer Ebene liegt, genügend befestigt: Denn ein wie menschengemacht wirkender, aber natürlicher Hügel trägt ringsum an seinem oberen Rand die Stadtmauer. Die Siedlung umgeben große und zahlreiche Anhöhen, die von Tälern durchbrochen werden. Die höchstgelegene von ihnen ist eine, die wegen Mithridates’ Sieg, dem Unglück des Triarius und der Niederlage unseres Heeres in dieser Gegend weithin bekannt ist, nicht viel weiter als 3000 Schritt von Zela entfernt liegt und mit der Siedlung über Höhen und Wege beinahe verbunden ist.123 Diesen Ort besetzte Pharnakes, nachdem er die alten Schanzen des glückbringenden väterlichen Lagers erneuert hatte, mit allen seinen Truppen.

Der Schauplatz der Schlacht wird gleich zu Beginn als eine Art Mnemotopos semantisiert: Es handelt sich um jenen Ort, der durch die Niederlage des C. Valerius Triarius, eines Gesandten des Licinius Lucullus, im dritten Mithridatischen Krieg (67

|| 121 Vgl. Dennerlein (2009) 136. 122 Schon Judeich (1885) 5 hebt den Detailreichtum der topographischen Darstellung im fünften Abschnitt des Bell. Alex. hervor. 123 Der besseren Verständlichkeit halber berücksichtige ich, exempli gratia, in der Übersetzung die Transposition der Worte superioribus … oppido hinter Zela, wie sie von Madvig (1871) 48f. vertreten worden ist. Daneben existieren zahlreiche weitere Vorschläge zur Umstellung des fraglichen Teilsatzes. Da eine Entscheidung in dieser Frage schwierig ist, behält Andrieu die überlieferte Satzstellung bei (vgl. Andrieu 1954, 70 Anm. 2). Vgl. ferner Fischer (1880) 24f.

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v. Chr.) in Erinnerung geblieben ist.124 Mit diesem Hinweis wird, hierin ein Motiv aus den Kapiteln 34–41 wiederaufnehmend,125 die Position Pharnakes’ als Nachfolger und Erbe seines Vaters, Mithridates VI., hervorgehoben. In der Konsequenz ergibt sich dann die Möglichkeit, den Kampf gegen Pharnakes als Wiederauflage der vor knapp 20 Jahren verlorenen Schlacht zu präsentieren. Tatsächlich bezieht Caesar sein Lager just am Ort der damaligen Schlacht, dort, wo Triarius gescheitert war (eum ipsum locum cepit in quo Mithridates secundum proelium adversus Triarium fecerat, 73,2). Die Darstellung legt auf diese Weise, ohne es explizit zu behaupten, nahe, dass Triarius’ Niederlage bisher nicht gebührend gerächt wurde. Unterschlagen wird dabei freilich, dass bereits Pompeius kurz nach der Niederlage bei Zela Mithridates besiegen konnte.126 Caesar scheint nach Pontos gekommen zu sein, um nicht nur für die Verluste seines eigenen Gesandten Domitius, sondern auch für die des Triarius Vergeltung zu üben.127 Damit sind die Rahmenbedingungen der bevorstehenden Schlacht abgesteckt: Caesar, der Sachwalter Roms, steht einem ‚neuen‘ Mithridates gegenüber. Der Schlachtverlauf selbst wird ebenfalls durch die Geländeverhältnisse bestimmt, vor allem durch Pharnakes’ Handeln im Raum. Caesar hatte zuvor aus strategischen Gründen einen erhöhten Ort bezogen, der seinem Heer Schutz bieten konnte (73,1), und damit gleichzeitig einen zum Kampf gänzlich ungeeigneten Raum zwischen sich und den Gegner gebracht (interposita tanta locorum iniquitate, 74,1). Als Caesar nun sieht, dass Pharnakes eine Schlachtreihe aufstellt, hält er dies für bloße militärische Sitte und zieht nicht in Betracht, dass Pharnakes tatsächlich die Absicht haben könnte, zu kämpfen. Genau dies aber hat Pharnakes vor (74,3– 75,1): At Pharnaces inpulsus sive loci felicitate sive auspiciis et religionibus inductus quibus obtemperasse eum postea audiebamus, sive paucitate nostrorum qui in armis erant comperta, cum more operis cotidiani magnam illam servorum multitudinem quae aggerem portabat militum esse credidisset, sive etiam fiducia veterani exercitus sui quem bis et vicies in acie conflixisse et vicisse legati eius gloriabantur, simul contemptu exercitus nostri quem pulsum a se, Domitio duce, sciebat, inito consilio dimicandi, descendere praerupta valle coepit. Cuius aliquamdiu Caesar inridebat inanem ostentationem et eo loco militum coartationem quem in locum nemo sanus hostis subiturus esset, cum interim Pharnaces, eodem gradu quo in praeruptam descenderat vallem, ascende|| 124 Diese Semantisierung des Raumes mit zusätzlicher Bedeutung rechnet de Jong zur symbolischen Funktion von Raum (vgl. de Jong 2012, 15; de Jong 2014, 124–126). Die kulturtheoretische Erforschung von Raumsemantisierungen ist vor allem mit dem Namen Jurij Lotmans verbunden: Vgl. Lotman (1993), bes. 311–329. 125 Dort ist es Pharnakes’ erklärtes Ziel, das Reich seines Vaters zurückzuerobern, vgl. 35,1; 41,1–2. 126 Wie überhaupt in beiden ‚pontischen‘ Textteilen die Leistungen des Pompeius in Kleinasien gänzlich ausgeblendet werden. Zwar ist, insofern sich Pharnakes darum bemüht, das väterliche Reich zurückzuerobern, bekannt, dass Mithridates zuvor von Rom geschlagen worden sein muss. Doch der Hergang dieser Niederlage wird zu keinem Zeitpunkt erläutert. 127 Vgl. auch nochmals Gaertner/Hausburg (2013) 104 mit Anm. 121.

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re adversus arduum collem, instructis copiis, coepit. (LXXV) Caesar, incredibili eius vel temeritate vel fiducia commotus, neque opinans imparatusque oppressus, eodem tempore milites ab opere revocat, arma capere iubet, legiones opponit aciemque instruit. Cuius rei subita trepidatio magnum terrorem attulit nostris. Aber Pharnakes hatte den Plan, es zum Kampf kommen zu lassen: Entweder wurde er dazu durch die Verheißung des Ortes getrieben oder durch Wahrsagungen und göttliche Zeichen verleitet, denen er, wie wir später erfahren haben, gefolgt sei. Möglich ist auch, dass er die geringe Zahl unserer Leute in Erfahrung gebracht hatte, die bewaffnet war, nachdem er der Sitte der täglichen Schanzarbeit gemäß (zunächst) jene große Menge an Sklaven, die das Schanzmaterial herbeitrug, für Soldaten gehalten hatte, oder dass er sogar im Vertrauen auf sein erfahrenes Heer so handelte, mit dem seine Legaten sich rühmten, zweiundzwanzig Mal in der Schlacht gekämpft und gesiegt zu haben. Zugleich schätzte er vielleicht unser Heer gering, von dem er wusste, dass er es unter der Führung des Domitius geschlagen hatte. So begann er über die schroffe Talwand hinabzusteigen. Einige Zeit lang lachte Caesar über dessen leere Prahlerei und die an einem Ort dicht gedrängt stehenden Soldaten, an den kein vernünftiger Feind herangerückt wäre, als auch schon Pharnakes mit derselben Geschwindigkeit, mit der er ins schroffe Tal hinabgestiegen war, sich anschickte, die gegenüberliegende steile Anhöhe in Schlachtordnung zu erklimmen. (75) Dessen unfassbarer Leichtsinn beziehungsweise sein Selbstvertrauen hatten auf Caesar Eindruck gemacht und, nichtsahnend, unvorbereitet und überrascht, wie er war, berief er gleichzeitig die Soldaten vom Schanzen zurück, befahl ihnen, sich zu bewaffnen, stellte (dem Feind) die Legionen entgegen und formierte die Schlachtreihe. Das daraus resultierende, plötzliche Wirrwarr verursachte bei unseren Leuten große Furcht.

In der Textpassage wird auf folgendes Raummodell rekurriert:128 Bei Feldzügen auf schwierigem Terrain werden sich die Kriegsparteien in aller Regel bemühen, sich einen Geländevorteil durch die Besetzung höherer Positionen zu verschaffen und vor allen Dingen zu vermeiden suchen, bergan gegen die gegnerische Schlachtreihe zu kämpfen.129 Diese Grundsätze verletzt Pharnakes markant durch sein offensives Vorrücken auf ungünstiges Gelände – entsprechend interpretationsbedürftig wirkt sein Verhalten. Der Erzähler kann jedoch nur Hypothesen aufstellen, die Pharnakes zu seiner Entscheidung veranlasst haben, und gibt somit die Position des ‚olympi-

|| 128 Zum Begriff vgl. Dennerlein (2009) 179, die als Raummodell „eine Konfiguration von Rauminformationen“ bezeichnet, „die sich aus Wissen über die materielle Ausprägung einer räumlichen Komponente und Wissen über typische Ereignisabfolgen zusammensetzt.“ 129 Zur militärstrategischen Bedeutung von Höhen vgl. z. B. Veg. mil. 1,22,2 über den Ort des Lagers (cavendum etiam ne mons sit vicinus aut altior locus qui ab adversariis captus possit officere) und 4,1 über die Befestigung von Städten. Zur Vermeidung eines Kampfes gegen einen höherstehenden Gegner vgl. die Beispiele bei Frontin. strat. 2,2,2–4 (hier wird auch die Schlacht bei Zela [d. Jahres 47] verzeichnet) und Veg. mil. 3,13,2: In subiectos enim vehementius tela descendunt, et maiore impetu obnitentes pars altior pellit. Qui adverso nititur clivo duplex subit cum loco et hoste certamen. Im Bell. Hisp. hat dieses Raummodell ebenfalls eine große Bedeutung; vgl. hierzu Kap. 7.4 sowie kleine Burhoff et al. (2017); Müller (2018).

138 | Das Bellum Alexandrinum

schen‘ Erzählers zeitweilig auf.130 Einer der möglichen Gründe, die der Erzähler für Pharnakes’ Verhalten anführt, bezieht sich wiederum auf den Raum: Pharnakes sei durch die „glücklichen Verheißung des Ortes“ (loci felicitate) zur Schlacht bewegt worden. Diese Erklärungsmöglichkeit kann sich nicht auf die topographische Eignung des Geländes beziehen,131 denn die räumlichen Bedingungen sprechen gegen Pharnakes und behindern ihn später in der Schlacht.132 Der Ort wird von Pharnakes vielmehr aufgrund seiner Eigenschaft als Mnemotopos, d. h. dank des Mithridatischen Sieges vor 20 Jahren, als glückverheißend wahrgenommen. Der Erzähler führt noch weitere Erklärungsmöglichkeiten an; im Ergebnis aber gelingt es Pharnakes gerade durch sein offensives Verhalten im Raum, Caesar zu überraschen (neque opinans) und im Heer Panik (magnum terrorem) auszulösen, obwohl er die ganze Zeit vor den Augen des römischen Feldherrn handelt. Caesar selbst ist in diesem Augenblick nicht Herr der Lage und handelt überstürzt.133 Dazu ist allerdings zu bedenken, dass die Darstellungsabsicht hier, wie schon Rambaud festgestellt hat,134 darin liegt, den Einfluss der Götter und die Macht des Schicksals gegenüber menschlicher ratio zu betonen – ähnlich wie bereits in der Seeschlacht zwischen Vatinius und Octavius in Illyrien (vgl. Abschn. 5.2.3).135 Um dieses Ziel zu erreichen, nimmt der Erzähler in Kauf, Caesars auctoritas innerhalb der Darstellung zu schmälern. So kommentiert der Erzähler das Schlachtgeschehen mit den Worten (75,3): Qui (sc. di immortales) cum omnibus casibus belli intersunt, tum praecipue eis quibus nihil ratione potuit administrari.

|| 130 Dies ist besonders auffällig, da der Erzähler sich kurz zuvor (71,1) über die Pläne des Königs noch gut informiert gezeigt hatte. 131 Die Übersetzungen scheinen inpulsus … loci felicitate teilweise so zu verstehen, vgl. z. B. Andrieu (1954) 71 („poussé par la disposition favorable du lieu“); Pennacini (1993) 795 („spinto … dalla posizione favorevole“); Loreto (2001) 157 („indotto dal terreno favorevole“); treffend hingegen Way (1955) 129 („Whether it was the lucky associations of the spot that drove him to take this course …“). 132 Vgl. 75,3: confligitur multum adiuvante natura loci (aus römischer Sicht gesagt). 133 Der Beginn der Nervierschlacht (Caesari omnia uno tempore erant agenda …, Gall. 2,20,1), die Giomini (1956) 227 als Parallele anführt, unterscheidet sich von dieser Stelle, insofern die Figur Caesar dort ohne eigenes Verschulden in Gefahr gerät, im Bell. Alex. jedoch die Absichten des Gegners zuvor gänzlich fehldeutet und Pharnakes sogar auslacht (inridebat). Entsprechend weniger souverän wirkt Caesar hier, zumal der Vorwurf der Hybris nicht fern liegt. 134 Vgl. Rambaud (1966) 85f.: „C’est donc pour diminuer la valeur militaire de l’imperator que le rédacteur s’efforce de mettre en évidence l’intervention divine; elle exclut la ratio belli …“. Vgl. auch Raaflaub (2017a) 540, 12.75b. 135 Anders als Giomini (1956) 228 sehe ich keinen Widerspruch zwischen dem Bestreben des Erzählers in 43,4, fortuna/Fortuna als entscheidende Kraft im Krieg zu erweisen und seinem Glauben an den Einfluss der di immortales in 75,3 (vgl. das folgende Textzitat). Beide fallen mit Gaertner/Hausburg (2013) 110–116 in die Kategorie „divine agency“.

Raum: Figurencharakterisierung durch Raumbeschreibungen | 139

Die unsterblichen Götter wirken bei allen Wechselfällen im Krieg mit, besonders aber bei solchen, in denen nichts durch Planen hätte ausgerichtet werden können.

Ein Beispiel für einen solchen casus belli, in dem alles vom Wohlwollen der Götter abhängt, gibt dabei offenbar die Schlacht von Zela selbst ab: Pharnakes verhält sich im Raum irrational, er ist kein vernünftiger Feind (sanus hostis), sondern unberechenbar, sein Verhalten zeugt von unglaublicher Waghalsigkeit (incredibili … temeritate vel fiducia). Caesar wird so, da Pharnakes alle Faustregeln des Militärwesens missachtet und ein planvolles Vorgehen unmöglich macht, von göttlichen Mächten abhängig. Ihm selbst scheint der glückliche Ausgang der Schlacht beinahe unglaublich (77,1): Tali victoria totiens victor Caesar incredibili est laetitia affectus, quod maximum bellum tanta celeritate confecerat, eoque subiti periculi recordatione laetior quod victoria facilis ex difficillimis rebus acciderat. Caesar, durch einen solchen Sieg zu so häufigem Sieger geworden, wurde von unglaublicher Fröhlichkeit erfasst, weil ein gewaltiger Krieg in so kurzer Zeit beendet worden war, und in Erinnerung an die plötzliche Gefahr war er umso fröhlicher, weil ein leichter Sieg trotz äußerst schwieriger Umstände eingetreten war.

Anders als Rambaud denke ich jedoch nicht, dass diese Form der Darstellung zu einer caesarkritischen Lektüre einlädt.136 Der Erzähler misst zwar der Unterstützung der Götter für Caesar größere Bedeutung bei als seinen Qualitäten als Feldherr.137 Gleichzeitig wird Pharnakes jedoch von falschen Vorzeichen dazu verleitet, den Kampf zu wagen (auspiciis et religionibus inductus, 74,3); sein Vertrauen in die göttlichen Mächte wird also enttäuscht. Durch dieses eindeutige Votum der Götter zugunsten Caesars wird dessen Mission zusätzlich autorisiert und legitimiert.138 In diesem Aspekt der Caesardarstellung liegt, sieht man von dem Katalog der Wunderzeichen ab, die im Osten des Reiches am Tag der Schlacht bei Pharsalos aufgetreten sein sollen (civ. 3,105,3–6), gegenüber den Darstellungszielen in den commentarii Caesars zweifellos eine Neuerung.139 Möglicherweise lässt sich hierin bereits eine neue, verklärte Sichtweise auf den Diktator fassen, die dann einige Jahre später zu seiner Vergöttlichung führen wird. Die grundlegende Intention einer pro-

|| 136 Vgl. Rambaud (1966) 267: „Le Bellum Alexandrinum atrribue aux dieux le succès de Zéla, mais la tendence du texte va au dénigrement.“ 137 Dieser Unterstützung rühmt sich die Figur Caesar andernorts sogar selbst: Ihm hätten die unsterblichen Götter den Sieg zugesprochen (… sibi cui di immortales victoriam tribuissent, 70,4). 138 Vgl. auch Welch (2008) 201f. 139 Vgl. Andrieu (1954) XXVIII Anm. 2; Giomini (1956) 36; 228; Faraguna (1993) 1379; 1413f.; Gaertner/Hausburg (2013) 110–116. Contra Weinstock (1971) 115, der zwar anerkennt, dass die commentarii kaum Hinweise auf Caesars Religiosität geben, in der Behandlung der fortuna/Fortuna aber eine Ausnahme sieht.

140 | Das Bellum Alexandrinum

caesarischen Darstellung bleibt jedoch auch unter diesen veränderten Vorzeichen erhalten.

5.5 Zwischenfazit Unter dem Titel Bellum Alexandrinum ist ein Konglomerat von Texten versammelt, das vornehmlich durch die caesarfreundliche Position der Erzählstimme einen einheitlichen Charakter erlangt. Ansonsten überwiegen Unterschiede, und zwar in allen drei der untersuchten narratologischen Komplexe. Bestätigt werden die Befunde Gaertners und Hausburgs in Bezug auf die Ordnung der dargestellten Ereignisse. Während in den ersten Kapiteln die Szene um die Sabotage der Wasserversorgung in Alexandria ein gutes Beispiel dafür liefert, dass erst ein Verzicht auf Anachronien die Voraussetzung für die Erzeugung von ‚Spannung auf den Ausgang‘ schafft, bedient sich der Erzähler bei seiner Darstellung der Seeschlacht zwischen M. Octavius und P. Vatinius einer Prolepse und lenkt damit die Aufmerksamkeit auf die Umstände des Erfolgs des Caesarianers.140 Dadurch, dass in beiden Fällen auf verschiedene Figuren fokalisiert wird, stattet der Erzähler das Lesepublikum mit einem Informationsvorsprung aus. Die Wirkung dieser diskrepanten Informiertheit ist allerdings jeweils verschieden: Durch die chronologische Erzählung und das Zurückhalten der Gedanken Caesars lädt die Szene im Alexandrinischen Krieg dazu ein, sich mit der zwischenzeitlichen Angst der Soldaten zu identifizieren, wohingegen das Lesepublikum im zweiten Fall, da der Ausgang der Seeschlacht in Illyrien bereits durch den Erzähler vorweggenommen wurde, mit einem Sieg der Caesarianer rechnen kann. Etwas homogener erweist sich die Erzählstimme hinsichtlich ihrer Überzeugungen und ihrer Weltanschauung. Allgemein lässt sich sagen, dass im Verhältnis zu Bell. Gall. 8 Erzählerkommentare zunehmen, die ideologische Funktion besitzen, also Ereignisse wertend beurteilen und evaluieren. Durch die Betonung des ‚Fremden‘ im Alexandrinischen Krieg erweckt der Erzähler den Eindruck eines auswärtigen Krieges gegen einen Gegner, der die römische Vorherrschaft nicht anerkennt. Gleiches gilt für die Feldzüge in Kleinasien, mit dem Unterschied, dass der Erzähler hier auf die Diffamierung einer gesamten Volksgruppe verzichtet und stattdessen die Herrschaft des Pharnakes als stereotype Tyrannis in den Mittelpunkt stellt. Charakterklischees prägen schließlich auch die Darstellung von Caesars eigenen Verbündeten, namentlich der Rhodier, die im Hinblick auf ihre Fähigkeiten ars und sollertia den Alexandrinern näher stehen als den Römern. Markant davon unterscheidet sich lediglich das Bild, das der Erzähler von den Hispaniern zeichnet. Sie sind keine ‚Barbaren‘, sondern haben ein berechtigtes Interesse daran, das Regime

|| 140 Vgl. nochmals Gaertner/Hausburg (2013) 119f.

Zwischenfazit | 141

des von Caesar installierten Statthalters zu überwinden – selbst wenn im Zuge dessen die alten Sympathien der Provinzialen für Cn. Pompeius teilweise offen zu Tage treten.141 Ein im Vergleich sowohl zu Bell. Gall. 8 als auch zu den caesarischen commentarii neuer Aspekt der Inszenierung der Figur Caesars begegnet erstmals im letzten Textabschnitt. Hier liegt dem Erzähler erkennbar daran, Caesars Erfolg in Pontos als göttlich legitimiert darzustellen. In der Schlacht von Zela ist Caesar nicht länger der überlegene Feldherr, der dank seiner persönlichen Führungsstärke seine Truppen zum Erfolg führt; durch das irrationale Handeln des Pharnakes wird sein Erfolg abhängig von göttlichem Wohlwollen. Sei es der unterschiedliche Umgang mit Fokalisierungen und Anachronien, der chauvinistische Erzählerkommentar oder die Instrumentalisierung von Raumbeschreibungen und die damit verbundenen verschiedenen Darstellungsziele: Das Bell. Alex. erweitert im Vergleich zum achten Buch des Bell. Gall. in mehrfacher Hinsicht die Palette narrativer Techniken.

|| 141 Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang auch das Urteil Sihlers (1912) 245: „Cassius (damals schon tot) wird von dem Cäsarianer, der das Bellum Alexandrinum schrieb, mit rücksichtsloser Strenge behandelt, obwohl Cassius auch Cäsarianer war. In der Tat so schlecht war die Verwaltung des Cassius, daß die politischen Vergehen der Stadtgemeinden, welche in seiner [sic] Verzweiflung sich den Pompeianern zuwendeten, in diesem Bericht eines Parteimannes fast geringfügig erscheinen.“

6 Das Bellum Africum 6.1 Struktur und Autorschaft Das Bell. Afr.,1 der dritte nicht-caesarische Text im Corpus Caesarianum, behandelt Caesars afrikanischen Feldzug im Jahr 46 gegen die verbliebenen Republikaner unter dem Oberbefehl Metellus Scipios, der schon im Bell. civ., und hier vor allem im dritten Buch, als einer der einflussreichsten Anführer der Senatspartei aufgetreten war.2 Wie bereits im Bell. Alex. geht der Erzähler auch im Bell. Afr. medias in res. Doch während sich das Bell. Alex. inhaltlich nahtlos an das Ende des Bell. civ. anschließt, lässt sich der Einstieg, den der Erzähler des Bell. Afr. wählt, ohne Kontextwissen nicht verstehen. Ohne einleitende Worte, die auf die Vorgeschichte des Bürgerkriegs Bezug nehmen, beginnt das Bell. Afr. mit dem Marsch Caesars nach Sizilien (1,1).3 Übergangen werden dabei die Monate, die zwischen dem Sieg von Zela und dem Beginn des neuen Feldzuges liegen, in denen Caesar die unter M. Antonius außer Kontrolle geratenen Bürgerkriegslegionäre zur Räson ruft und die Ordnung in Rom wiederherstellt.4 Nicht erklärt werden die Ursachen, die dazu führen, dass sich nach Pharsalos in Afrika neuer Widerstand gegen Caesar formieren konnte, der jetzt eine neuerliche Kampagne erforderlich macht. Nur der Name des Gegners – Scipio – fällt bereits im ersten Kapitel, im Rahmen eines Katalogs des feindlichen Truppenaufgebots. Thematischer Fokus und intendiertes Lesepublikum des Textes werden aus diesem Einstieg klar ersichtlich. Adressiert werden Zeitgenossen, denen die berichteten Ereignisse noch so präsent sind, dass sie auf Kontextinformationen nicht angewiesen sind. Thematisch beschränkt sich der Text ganz auf die Darstellung des Feld-

|| 1 Die Abkürzung Bell. Afr. steht für Bellum Africum oder Bellum Africanum. Beide Titel sind gleichermaßen anerkannt und geläufig, vgl. u. a. Kalinka (1910) 487f.; Klotz (1910) 157 Anm. 3; Gsell (1930b) 56 Anm. 5. 2 Q. Caecilius Metellus Pius Scipio ist seit Ausbruch des Bürgerkriegs entschiedener Gegner Caesars (civ. 1,1–2). Er befehligt einen Teil des Heeres in der Schlacht von Pharsalos (App. civ. 2,76) und flieht anschließend nach Afrika, wo sich wegen der Niederlage des Scribonius Curio gegen den Numiderkönig Juba und Attius Varus am Bagradas (49 v. Chr.) Widerstand leicht formieren konnte. Caesars langer Aufenthalt in Alexandria trug hierzu sein Übriges bei. Velleius Paterculus berichtet (2,54), dass M. Cato, Statthalter von Utica, den Oberbefehl des Heeres freiwillig an Scipio abtrat, sodass seine Verbündeten zu der Zeit, als Caesar schließlich in Afrika landete, von ihm als einzigen legitimen Imperator Roms sprechen konnten (Considius in Bell. Afr. 4). 3 Vgl. Fröhlich (1872) 79; Pötter (1932) 84; Richter (1977) 204f.; Militerni della Morte (1996) 13; Rüpke (2015) 140; Raaflaub (2017a) 545, 13.1a. 4 Vgl. Plut. Caes. 51; Suet. Iul. 70; App. civ. 2,92–94; Cass. Dio 42,52,1–55,3. https://doi.org/10.1515/9783110711530-006

Struktur und Autorschaft | 143

zugs in Afrika.5 Querverweise auf andere Texte des Corpus Caesarianum finden sich dementsprechend nicht.6 Die Beschränkung auf die Ereignisse des Afrikanischen Feldzugs wird im Gegenteil so konsequent durchgehalten, dass auch am Ende des Textes der folgende Krieg in Hispanien nicht einmal leise anklingt. Anders als im achten Buch des Bell. Gall. hat sich der Erzähler des Bell. Afr. nicht darum bemüht, einen Übergang zwischen den einzelnen Kriegen zu schaffen. Dabei hätte es dazu durchaus Gelegenheit gegeben. So berichtet er über das Schicksal fast aller Kontrahenten Caesars im Afrikanischen Krieg: über die vor allem aus dem ersten Buch des Bell. civ. bekannten Offiziere L. Afranius und M. Petreius, über Metellus Scipio und seinen Verbündeten, den Numiderkönig Juba I., über die Statthalter von Hadrumetum bzw. Thapsus, C. Considius und C. Vergilius, und schließlich über M. Porcius Cato. Gerade über den Verbleib derjenigen beiden Gegner, die in Hispanien den Widerstand gegen Caesar fortsetzen, T. Labienus und P. Attius Varus, verliert er jedoch kein Wort.7 Da der Erzähler also ganz auf den Afrikanischen Feldzug fokussiert, das Buch aber gleichzeitig mit 98 Kapiteln zu den längsten im gesamten Corpus Caesarianum gehört,8 ist es folgerichtig, dass der Bericht verglichen mit denen der anderen commentarii sehr detailreich ist.9 Nach einer stürmischen Überfahrt erreicht Caesar Afrika mit nur wenigen Truppen, entschließt sich unter anderem deswegen gegen die Belagerung von Hadrumetum (Bell. Afr. 5), das C. Considius besetzt hält,10 und schlägt ein Lager nahe an der Küste bei Ruspina auf. Im ersten Abschnitt des Krieges ist Caesar in der Defensive: Die erste Schlacht, die ihren darstellerischen Höhepunkt in einem Rededuell zwischen T. Labienus und einem Veteranen aus der zehnten Legion findet (16,1–3), besteht Caesar nur mit Mühe. Seine Handlungsoptionen || 5 Vgl. Schneider (1905) Einleitung; Richter (1977) 205; Militerni della Morte (1996) 5f.; Rüpke (2015) 140: „Die völlige Beschränkung auf den zeitlichen und sachlichen Rahmen eines Feldzugs spiegelt die Anforderung des Hirtius an den Verfasser wider.“ 6 Die internen Querverweise im Bell. Afr. hat Militerni della Morte (1996) 31 zusammengestellt. 7 Eine Ausnahme ist der jüngere Cn. Pompeius, über dessen Flucht aus Afrika nach Hispanien der Erzähler kurz berichtet (Bell. Afr. 23, vgl. Abschn. 6.4.2). Das „neue Trauerspiel in Spanien“ (Koestermann 1973, 58) klingt hier jedoch noch nicht an (vgl. Müller 2001, 196 Anm. 895). Vielmehr passt es zur diskreditierenden Darstellung des Pompeius, dass von seinen (erfolgreichen) Aktivitäten in Hispanien nichts weiter berichtet wird. 8 Zum Vergleich: Der längste commentarius, civ. 3, umfasst 112 Kapitel, der kürzeste, Gall. 3, 29. Das kürzeste nicht-caesarische Buch im Corpus Caesarianum ist mit 42 Kapiteln das Bell. Hisp., wobei Gutt (2017) 112–114 für die Lücke am Ende des Textes noch zwei weitere Kapitel veranschlagt. Vgl. hierzu auch Gaertner (2017) 268. 9 Zum Phänomen, dass trotzdem einige Ereignisse als zu knapp erzählt wahrgenommen werden (vgl. z. B. Way 1955, 142 Anm. 1; Koestermann 1973, 49f.), vgl. Abschn. 6.3.2. Zum Verhältnis zwischen Erzählzeit und erzählter Zeit ausführlich auch Militerni della Morte (1996) 20–33. 10 Die sehr ausführliche Begründung des Abzugs aus der Gegend von Hadrumetum dient Rambaud (1966) 174 als Paradebeispiel für die „narration pré-explicative“ im Bell. Afr. Zur Stelle vgl. ferner Militerni della Morte (1996) 39 und Anm. 15.

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sind auch in der Folgezeit noch stark eingeschränkt. Nach dem Eintreffen bedeutender Verstärkung und frischer Vorräte (37,1) verlegt er seine Truppen jedoch sofort ins Landesinnere, in die Gegend von Uzitta. Aber auch im gegnerischen Lager sind nun alle erwarteten Truppen eingetroffen (49,1). Es entwickelt sich eine Art Stellungskrieg, der durch den Versuch beider Kriegsparteien gekennzeichnet ist, die eigenen Befestigungen zu verstärken (51,1–5; 56,1; 61,6–8), während es immer wieder zu kleineren Scharmützeln kommt (50,3–4; 52,1–3; 61,2–5; 66,1–4). Auch nach dem Umzug beider Heere in die Gegend von Aggar (67,1) kann noch keine Entscheidung herbeigeführt werden. Diese fällt erst, als Caesar das C. Vergilius unterstellte Thapsus einschließt und Scipio auf diese Weise zum Handeln zwingt (79,2). Nach der dortigen Niederlage der Republikaner fallen die Reste des gegnerischen Heeres sofort auseinander (85,1–5). Die Schlusspartie des Bell. Afr. ist gekennzeichnet durch den starken Kontrast zwischen entfesselter Gewalt auf beiden Seiten und den parallel gewährten Gnadenakten Caesars (85,5–97). Sie endet schließlich mit Caesars Rückkehr nach Rom. Wer das Bell. Afr. verfasst hat, ist nicht bekannt.11 Da die rege Debatte um die Identität des Autors bis heute zu keinem allgemein akzeptierten Ergebnis geführt hat,12 soll sie an dieser Stelle nur in ihren Grundzügen wiedergegeben werden. Sie ist für die hier verfolgte Fragestellung vornehmlich in einer Beziehung interessant: In den Vorschlägen, die die Forschung zur Person des Autors gemacht hat, spiegeln sich teilweise grundverschiedene Einschätzungen der stilistischen Qualität des Textes. Denn obwohl bis heute als communis opinio gelten darf, dass das Bell. Afr. sprachlich-stilistisch auf mittlerem Niveau zwischen den caesarischen commentarii und dem Bell. Hisp. anzusiedeln ist,13 liegen die Beurteilungen, wie weit sich die Sprache von klassischen Vorbildern entfernt, teilweise stark auseinander. Die einen, die über die Sprache des Bell. Afr. ein überwiegend negatives Urteil fällen, legen sich in der Autorschaftsdebatte in der Regel nicht auf einen konkreten Namen fest, sondern beschränken sich auf recht allgemeine Aussagen zum vermuteten Rang oder zur Zugehörigkeit des Verfassers zu einzelnen Truppenteilen.14 Die anderen hingegen, die in der Nachfolge des Justus Lipsius die Kritik an den Fähigkeiten des

|| 11 So auch Bouvet/Richard (1997) XXI. 12 Vgl. Müller (2001) 39–46. 13 Vgl. u. a. Carter (1997) XXXII–XXXIV; Cluett (2009) 194f. Kritisch zu solchen Beurteilungen: Adams (2005), bes. 77f. 14 Vgl. u. a. Fröhlich (1872) 13; Widmann (1891) passim, bes. 553 (Soldat der fünften Legion); Veith (1910) 902–907, bes. 907 Anm. 1: „Ich würde eher an seine Zugehörigkeit zu einer Rekrutenlegion glauben; dafür spräche schon seine stellenweise gar so große Naivität. Für einen Centurio jener Zeit scheint er übrigens doch zu gebildet; man muß schon an einen Tribun denken“; Gsell (1930b) 57f.; Bouvet/Richard (1997) XXIV; Maurach (2003) 251f.

Struktur und Autorschaft | 145

Verfassers zurückweisen,15 bringen mitunter bekannte Persönlichkeiten der ausgehenden Republik als Kandidaten für die Autorschaft des Bell. Afr. ins Spiel: den Vater des Pompeius Trogus, L. Munatius Plancus, Asinius Pollio oder gar den Historiker Sallust, der, wie aus dem Text selbst hervorgeht (8,3; 34,1–3), ebenfalls am Feldzug teilgenommen hat.16 Es liegt nahe, dass auf diese teils aufsehenerregenden Thesen wiederum mit Skepsis begegnet wurde.17 Auch in Zukunft wird in der Frage der Autorschaft wohl keine Einigkeit erzielt werden, da sich alle Identifikationsversuche mangels anderer Quellen auf eine Auswertung des Bell. Afr. stützen müssen, eines Textes, dessen Verfasser seine Identität offenbar nicht preisgeben sollte oder wollte.18 Die Uneinigkeit der Forschung hinsichtlich der literarischen Qualität des Textes lässt sich dagegen besser erklären. So erweist sich die scheinbare Homogenität, die sich in Bezug auf die histoire, also den ‚Inhalt‘ der Schrift, gerade im Vergleich zum Bell. Alex. feststellen lässt, bei genauerem Hinsehen als trügerisch. Tatsächlich stehen hier berichtende Passagen, die sich durch einen repetitiven Stil und häufige Überleitungen auszeichnen und wegen der exzessiven Verwendung des Adverbs interim monoton wirken können,19 neben Einzelszenen, die den Berichtsstil etwa durch die Aufnahme direkter Reden durchbrechen. So sind Argumente und Belegstellen sowohl für ein wohlwollendes wie auch für ein abschätziges Urteil über den Text schnell bei der Hand.20

|| 15 Lipsius (1585) 94 (vgl. auch Kap. 1): „Inter libellos qui adiuncti Commentariis Iulanis, unus est De bello Africo: qui, me iudice, non inter illos tantum eminet sed inter pleraque Romana scripta. Ita tersa in eo et ad Comicum morem pura dictio; simplex, cohaerens et candida narratio; nihil quaesiti coloris aut fuci …“ 16 Vgl. für den Vater des Pompeius Trogus als Verfasser des Bell. Afr.: Harmand (1972) 158–165; für L. Munatius Plancus: Koestermann (1973); Pallavisini (1974); Rüpke (1992) 222 und (2015) 141; für Asinius Pollio: Landgraf (1888) 23–44, bes. 31; Wölfflin/Miodoński (1889); für Sallust: Langhammer (1908); Pötter (1932); Schmid (1993) 137–188. 17 Zur Pollio-Hypothese vgl. die Literaturhinweise bei Bouvet/Richard (1997) XXII Anm. 1; zu Harmand (1972) vgl. Müller (2001) 40 Anm. 43; zu Pötter (1932) vgl. zuletzt Rüpke (1992) 222 Anm. 54 („indiskutabel“), Weiteres bei Bouvet/Richard (wie oben); zu Schmid (1993) vgl. Powell (1995); Hellegouarc’h (1994) 290f.; Bouvet/Richard (1997) LIX; Levene (1998); Müller (2001) 41f. Anm. 51. 18 Vgl. zu den Gründen für die Anonymität der Verfasser Rüpke (1992) 223–225, der das Zurücktreten hinter Caesar als charakteristisch für die Parteiliteratur ansieht, die die nicht-caesarischen commentarii seiner Meinung nach darstellen. Anders als in der jüngst von Gaertner/Hausburg (2013) wiederaufgerollten Debatte um den bzw. die Verfasser des Bell. Alex. ist ein Sprachvergleich in diesem Fall nicht durchführbar, da von den meisten der infrage kommenden Persönlichkeiten kaum Texte überliefert sind. 19 Zur Funktion von interim s. Anm. 38. 20 So argumentiert Schmid (1993) für die Autorschaft Sallusts z. B. anhand der Rede Catos an den jüngeren Pompeius (143–148, vgl. Abschn. 6.4.2) und derjenigen Caesars (171–176), Cluett (2009) 195 führt die lange und umständliche Zusammenfassung der Gründe für den Abzug aus Hadrumetum (Bell. Afr. 5) als Beleg für die stilistischen Mängel der Schrift an.

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Die folgende Analyse versucht, beiden ‚Seiten‘ dieses Textes gerecht zu werden. Entsprechend sollen nicht nur solche Passagen interpretiert werden, die in der Forschung zur Autorschaft oder in geschichtswissenschaftlichen Beiträgen bereits recht häufig behandelt wurden (wie etwa die Schlacht von Thapsus oder das Duell zwischen König Juba und M. Petreius).21 Gleich der folgende, erste Abschnitt ist unter den narratologischen Kategorien der Stimme und der Frequenz dem eher unbekannten ersten Textdrittel gewidmet.

6.2 Stimme und Frequenz: Der Erzähler als Caesarexeget 6.2.1 Vorbemerkung Caesars Feldzug in Afrika ist nach der Darstellung des Bell. Afr. eine ganz besondere Erfolgsgeschichte: Trotz des zunächst geringen Handlungsspielraums – mit nur wenigen Soldaten, wenig Getreide und wenig Unterstützung in der Provinz – gelingt es Caesar, ein schlagkräftiges Heer aufzubauen, das sich mit der Zeit zu einem ernsten Problem für die von Scipio angeführte militärische Übermacht entwickelt. Der folgende Abschnitt ist den bescheidenen Anfängen des Feldzugs gewidmet, Caesars eiligem, möglicherweise auch übereiltem Aufbruch nach Afrika und, damit unmittelbar verbunden, dem missglückten ersten Truppentransport. Untersuchungsgestand ist unter den Aspekten von Frequenz und Stimme der Umgang des Erzählers mit den anfänglichen Schwierigkeiten Caesars und parteiinterner Kritik.

6.2.2 Der Umgang des Erzählers mit parteiinterner Kritik an Caesar Gleich zu Beginn des Bell. Afr. stellt der Erzähler Caesars Anliegen, möglichst schnell mit den verfügbaren Truppen von Sizilien nach Afrika überzusetzen (1,1–2), vor: Caesar, itineribus iustis confectis, nullo die intermisso, a. d. XIIII Kal. Ian. Lilybaeum pervenit statimque ostendit sese naves velle conscendere, cum non amplius legionem tironum haberet unam, equites vix DC; tabernaculum secundum litus ipsum constituit, ut prope fluctus verberaret. Hoc eo consilio fecit nequis sibi morae quicquam fore speraret et ut omnes in dies horasque parati essent. Caesar traf nach regelmäßigen Märschen, ohne jedoch einen Tag auszulassen, am vierzehnten Tag vor den Januarkalenden in Lilybaeum ein und machte sofort deutlich, dass er die Schiffe besteigen wolle, obwohl er über nicht mehr als eine einzige Rekrutenlegion verfügte, dazu ka-

|| 21 Als Quelle ist das Bell. Afr. oft unersetzlich, da kein anderer antiker historiographischer Text auch nur ansatzweise so detailliert über Caesars zweiten afrikanischen Feldzug berichtet.

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men kaum 600 Reiter. Er schlug sein Zelt unmittelbar am Strand auf, sodass die Brandung beinah dagegen schlug. Dies tat er aus folgendem Grund: Niemand sollte darauf hoffen, dass ihm irgendein Aufschub gewährt würde, und alle sollten zu jedem Zeitpunkt bereit sein.

Dabei sind die beiden Partizipiale im ersten Satz einander semantisch entgegengesetzt.22 Während itineribus iustis confectis noch anzudeuten scheint, dass Caesar keine übermäßige Eile an den Tag legt, um nach Sizilien zu gelangen, wird dieser Eindruck sogleich durch nullo die intermisso relativiert. Zwar, so erfahren wir, legt Caesar Tagesmärsche – nicht mehr also als die übliche Wegstrecke – zurück, doch gleichzeitig liegt unverkennbar Dringlichkeit in seiner Reise.23 Diese Dringlichkeit wird verstärkt durch die Aussage des Erzählers, Caesar habe unverzüglich (statim) nach Afrika ablegen wollen, und zwar mitten im Herbst (a. d. XIIII Kal. Ian.). Die Charakterisierung Caesars verläuft zunächst insofern in gewohnten Bahnen, als unverkennbar das bekannte Caesar-Attribut der celeritas vorgestellt wird.24 Der Erzähler schließt hieran nun ein Detail an, das „beinahe poetisch“ ist:25 Das Aufschlagen des Zeltes so nah an der Küste, dass beinahe die Wellen dagegenschlagen. Auf diese Weise gelingt es ihm, Caesars innere Unruhe in eine äußerliche Handlung zu übersetzen, sodass diese auch für Außenstehende fassbar wird. Anschließend wird durch den Hinweis auf Caesars Hintergedanken (hoc eo consilio fecit …) sein ungewöhnlich scheinendes Verhalten sogleich rationalisiert. Nur den ungünstigen Winden ist es zu verdanken, dass sich Caesars Abreise kurz verzögert (Incidit …, ut tempestates … idoneas non haberet, 1,3), sodass in der Zwischenzeit weitere Truppen eintreffen und Caesars Aufgebot verstärken (1,5). Weniger als zwei Wochen später landet er bereits in Afrika.26 Doch Caesars Eile hat

|| 22 Ich habe sinngemäß ‚jedoch‘ in der Übersetzung ergänzt. Auch Bouvet/Richard (1997) 2 sehen dieses adversative Verhältnis: „César se rendit, à marches normales, mais sans un seul jour de repos, à Lilybée …“ ; vgl. jetzt auch Raaflaub (2017a) 545. 23 Vgl. auch Schmid (1993) 140. 24 Während des Feldzugs selbst muss Caesar seine gewöhnliche celeritas allerdings ablegen, vgl. Abschn. 6.4.2 mit Anm. 111. 25 Schmid (1993) 140, vgl. auch Loreto (2001) 397. Schon Schneider (1905) 2 hat auf den poetischen Charakter der Wendung ut prope fluctus (sc. tabernaculum) verberaret hingewiesen und vergleicht dazu Verg. Aen. 3,423 (aus der Prophezeiung des Helenos). Dieser Vers endet mit den Worten: et sidera verberat unda – „und (Charybdis) peitscht die Gestirne mit der Woge“. Auch die Verwendung des Wortes fluctus im Singular entspricht möglicherweise poetisierendem Sprachgebrauch (Adams 2005, 84). Das Bild war offenbar so eindrücklich, dass Plutarch es in seine Caesarvita übernommen hat (52,1): καὶ περὶ τροπὰς χειμερινὰς διαβὰς εἰς Σικελίαν, καὶ βουλόμενος εὐθὺς ἀποκόψαι τῶν περὶ αὐτὸν ἡγεμόνων ἅπασαν ἐλπίδα μελλήσεως καὶ διατριβῆς, ἐπὶ τοῦ κλύσματος ἔπηξε τὴν ἑαυτοῦ σκηνήν. – „Um die Winterzeit machte er sich nach Sizilien auf und in dem Wunsch, sofort bei seinen Offizieren jede Hoffnung auf Wartezeit und auf ein Verweilen zu zerschlagen, errichtete er sein Zelt nahe der Brandung.“ 26 Das Bellum Africum ist hier genau: Am 17.12. (vorjulianisch) = a. d. XIII Kal. Ian. (nicht, wie Jahn 2004, 209, angibt, am 19.12., da der December bis zur Kalenderreform 29 Tage hatte), erreicht Caesar

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Folgen: Schlechtes Wetter sorgt dafür, dass seine Flotte zerstreut wird. Als er mit einigen wenigen Kriegsschiffen (cum longis paucis navibus, 2,5) Hadrumetum anläuft, ist er kaum handlungsfähig. Wenig später bringt der Erzähler – etwas unvermittelt, da zuvor bereits von der Erkundung der Umgebung von Hadrumetum die Rede war27 – die Kritik zur Sprache, mit der sich Caesar angesichts der Schwierigkeiten konfrontiert sieht (3,4–5): Nonnemo culpae eius imprudentiaeque adsignabat quod neque circum loca gubernatoribus praefectisque quid peterent praeceperat neque, ut more ipsius consuetudo superioribus temporibus fuerat, tabellas signatas dederat, ut in tempore his perlectis locum certum peterent universi. Quod minime Caesarem fefellerat; namque nullum portum terrae Africae quo classes decurrerent pro certo tutum ab hostium praesidio fore suspicabatur, sed fortuitu oblatam occasionem egressus aucupabatur. Nicht wenige sahen darin sein Verschulden und sein Versäumnis, dass er den Steuerleuten und Kommandeuren weder die Umgebung genannt hatte, die sie ansteuern sollten, noch ihnen, wie es nach seiner eigenen Gewohnheit in vergangenen Zeiten üblich gewesen war, versiegelte Briefe gegeben hatte, sodass sie, wenn sie sie zur rechten Zeit geöffnet hätten, gemeinsam einen sicheren Ort hätten ansteuern können. Doch das war Caesar keineswegs entgangen; denn er ahnte, dass es keinen vor feindlicher Besatzung sicheren Hafen auf afrikanischem Boden geben würde, in den die Schiffe einlaufen könnten; vielmehr wartete er auf eine zufällig sich bietende Gelegenheit zu landen.

Dieser Exkurs, der die missglückte Überfahrt nochmals aufgreift, gliedert sich in zwei Teile. Zunächst wird ein Vorwurf an Caesar referiert, daraufhin folgt eine Rechtfertigung, die diesen Vorwurf entkräften soll: Caesar habe nicht unbedacht gehandelt, als er seine Flotte ohne weitere Befehle nach Afrika segeln ließ, sondern er konnte selbst noch nicht wissen, welcher Ort für eine Landung geeignet sein würde. Der Einschub wirkt, als hätte der Erzähler bei seiner Beschreibung der Überfahrt und Landung vergessen, zu berichten, und würde es nun noch nachschieben, obwohl der Kontext mittlerweile ein ganz anderer ist.28 Auch die Stichhaltigkeit der Rechtfertigung wird in der Forschung infrage gestellt: Wegen seiner geringen Weitsicht könne, so die Kommentatoren, der Verfasser des Bell. Afr. nicht dem engsten Vertrautenkreis Caesars angehört haben.29

|| Lilybaeum, besteigt, nachdem er einen Teil der Flotte vorausgeschickt hatte, am 25.12. (a. d. VI Kal. Ian., 2,4) einen Schnellsegler, holt seine Flotte ein und gelangt binnen vier Tagen (post diem quartum, 2,5) gemeinsam mit einem Teil seiner Schiffe nach Afrika. 27 Vgl. Müller (2001) 102. 28 Es hätte nahe gelegen, die Bemerkung bereits am Ende des zweiten Kapitels einzufügen. 29 Napoléon (1836) ch. XIV, VI, 1; Veith (1912) 903 (contra Koestermann 1973, 49); Way (1955) 141f.: „[He is] a keen observer of all that went on around him, but without access to the inner counsels of his C.-in-C.“; Bouvet/Richard (1997) XXVII; Loreto (2001) 403; contra Raaflaub (2017a) 547, 13.3h.

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Einerseits erweist der Erzähler sich an dieser Stelle als Apologet Caesars. Andererseits muss er, um seine Verteidigung zu führen, den Vorwurf, von dem er Caesar freisprechen will, zunächst referieren, und dies tut er detailliert, nämlich in zwei Varianten: Entweder, so die Kritiker, hätte Caesar den Schiffskapitänen ungefähre Anweisungen über Ziel und Richtung geben oder in versiegelten Briefen einen gemeinsamen Anlaufpunkt festlegen sollen. Auf diese Weise nimmt der Erzähler eine dezidiert caesarkritische Stimme in seinen Bericht auf. Auch wenn er diese im Anschluss zu widerlegen versucht: der Vorwurf steht im Raum.30 Besonders bedeutsam wird dieser Einschub nun dadurch, dass die Versorgungsprobleme, die ihre Ursache kritischen Stimmen zufolge in einer Fehlentscheidung Caesars haben, das gesamte erste Drittel des Bell. Afr. dominieren.31

6.2.3 Der missglückte erste Truppentransport: Frequenz Ein einfaches, aber sehr wirkungsvolles Mittel, mit dem die Nachschub- und Versorgungsprobleme zu Beginn des Feldzugs betont werden, liegt in der wiederholten Erwähnung des missglückten ersten Truppentransports. Anstatt zusammenfassend darzustellen, wie in den ersten Wochen nach Caesars Landung immer wieder einzelne Schiffe entweder vom Feind abgefangen werden oder glücklich bei Caesar eintreffen, verzeichnet der Erzähler, in der Regel streng der Chronologie folgend, jedes einzelne dieser Ereignisse gesondert.32 Damit ist der Aspekt der narrativen Frequenz angesprochen. In Genette’scher Terminologie liegt eine singulative Erzählung vor: Es wird n-mal erzählt, was n-mal passiert ist.33 Auf diese Weise nimmt der erste Transport allein quantitativ viel Raum im Text ein. Im Folgenden sind diejenigen Stellen aufgeführt, in denen von Caesars Schiffen des ersten Transports die Rede ist: 1. Bell. Afr. 7,3–4: Eodemque naves onerariae et longae nonnullae casu advenerunt; reliquae, ut est ei nuntiatum, incertae locorum Uticam versus petere visae sunt. Interim Caesar a mari non digredi neque medi-

|| 30 Ganz ähnlich verfährt der Erzähler des Bell. Alex., um die Freilassung Ptolemaios’ XIII. zu rechtfertigen (vgl. Bell. Alex. 24 bzw. Kap. 5.3.2) und Fairbank (2017) 220f. 31 Darüber hinaus steht dieser anfängliche Misserfolg im Kontrast zu Curios geglückter Überfahrt im ersten Afrikafeldzug, derer er sich vor seinen Soldaten rühmt (civ. 2,32,12): An paenitet vos, quod salvum atque incolumem exercitum nulla omnino navi desiderata traduxerim? – „Ist es euch denn nicht genug, dass ich das Heer heil und unversehrt und ohne den Verlust auch nur eines einzigen Schiffes (nach Afrika) übergesetzt habe?“ 32 Vgl. z. B. Schneider (1959) 66f. Für Ausnahmen vgl. Müller (2001) 38f. 33 Im Gegensatz zur iterativen Erzählung, in der einmal erzählt wird, was n-mal passiert ist, und die für die Analyse der Recherche ausgesprochen bedeutend ist (vgl. allein den ersten Satz der Proust’schen Erzählung „Lange Zeit bin ich früh schlafen gegangen.“); vgl. Genette (2010) 74f.

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terranea petere propter navium errorem equitatumque in navibus omnem continere, ut arbitror, ne agri vastarentur; aquam in naves iubet comportari. Ebendort (d. h. bei Leptis) langten einige Last- und Kriegsschiffe an. Die verbliebenen wurden, wie Caesar berichtet wurde, gesehen, wie sie in Unkenntnis der Gegend in die Richtung von Utica steuerten. Inzwischen entfernte sich Caesar nicht vom Meer und suchte nicht das Landesinnere auf wegen der Irrfahrt seiner Schiffe und er behielt seine gesamte Reiterei auf den Schiffen, damit, wie ich glaube, die Felder nicht verwüstet wurden. Er befahl, das Trinkwasser auf die Schiffe zu bringen. 2. Bell. Afr. 8,2: Interim cum X navibus longis ad reliquas naves onerarias conquirendas quae deerrassent et simul mare tuendum ab hostibus iubet proficisci. Inzwischen befahl er, mit 10 Kriegsschiffen aufzubrechen, um die übrigen Lastschiffe zu finden, die umherirrten, und um das Meer vor den Feinden zu schützen. 3. Bell. Afr. 10,2–4: Omnibus in exercitu insciis et requirentibus imperatoris consilium, magno metu ac tristimonia sollicitabantur. Parva enim cum copia, et ea tironum neque omni exposita in Africa, contra magnas copias et insidiosae nationis equitatumque innumerabilem se expositos videbant neque quicquam solacium in praesentia neque auxilium in suorum consilio animum advertebant, nisi in ipsius imperatoris vultu, vigore mirabilique hilaritate; animum enim altum et erectum prae se gerebat. Huic adquiescebant homines et in eius scientia et consilio omnia sibi proclivia omnes fore sperabant. ________ exposita, in Africa Bouvet Alle im Heer waren im Unklaren über den Plan des Feldherrn und fragten danach; sie wurden von großer Angst und Traurigkeit verunsichert. Denn sie sahen sich mit einer kleinen Truppe, die zudem aus Rekruten bestand und nicht gänzlich in Afrika gelandet war,34 großen Truppen, zumal eines heimtückischen Volkes, und unzähligen Reitern ausgesetzt und sie fanden in diesem Augenblick keinen Trost und keine Hilfe im Rat ihrer Freunde, außer einzig im Gesicht ihres Feldherrn, seiner Stärke und seiner erstaunlichen Heiterkeit. Er legte nämlich einen hohen und erhabenen Charakter an den Tag. Bei ihm fanden die Männer ihre Ruhe wieder und hofften alle darauf, dass für sie durch seine Kenntnis und Planung alles leicht (zu bewerkstelligen) sein werde.

|| 34 Die Ortsangabe in Africa kann sowohl auf exposita als auch auf expositos bezogen werden. Anders als Schneider (1905) 16 halte ich es durchaus für möglich, dass die „gewöhnliche Erklärung“ für expositos i. S. v. obiectos (= ThlL s. v., 1758,74–1759,35) das Richtige trifft (vgl. auch Georges s. v., II, 3b; Müller 2001, 140). Es passt zu dem um rhetorisch-stilistische Effekte bemühten Stil des Bell. Afr. (s. z. B. Bouvet/Richard 1997, XXXIf.; XXXVII), dass das Partizip kurz hintereinander wortspielerisch in verschiedenen Bedeutungen gebraucht wird. Vor diesem Hintergrund scheint der Bezug der Ortsangabe auf exposita wahrscheinlicher, das auf diese Weise besser erklärt wird (vgl. auch die Übersetzung Loretos 2001, 175). Exponere i. S. v. ‚(an einem Ort) landen‘ mit in + Abl. (statt Akk.) ist geläufig (ThlL s. v., 1757,39).

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4. Bell. Afr. 11,1–2; 4: Caesar, una nocte in navibus consumpta, iam caelo albente cum proficisci conaretur, subito navium pars de qua timebat ex errore eodem conferebatur. Hac re cognita, Caesar celeriter de navibus imperat omnes egredi atque in litore armatos reliquos advenientes milites expectare … Ex eo est cognitum Caesaris consilium, illum cum classe navibus onerariis quae deerrassent subsidio ire clam hostibus voluisse, ne casu inprudentes suae naves in classem adversariorum inciderent; neque eam rem eos voluisse scire qui in praesidiis relicti sui milites fuissent, uti nihil propter suorum paucitatem et hostium multitudinem metu deficerent. Nachdem man eine Nacht auf den Schiffen zugebracht hatte und Caesar sich, als der Morgen schon graute, dazu anschickte, aufzubrechen, wurde plötzlich der Teil der Schiffe, um die er sich Sorgen machte, von seiner Irrfahrt eben dorthin35 angetrieben. Nach Bekanntwerden dieses Ereignisses befahl Caesar allen, schnell die Schiffe zu verlassen und an der Küste bewaffnet die übrigen ankommenden Soldaten zu erwarten ... Daraus konnte man Caesars Plan ersehen: Dass er mit der Flotte den Lastschiffen, die umherirrten, ohne dass die Feinde davon erfuhren, zu Hilfe kommen wollte, damit ihre Schiffe nicht zufällig nichts ahnend der gegnerischen Flotte in die Hände fielen, dass er aber nicht wollte, dass diejenigen seiner Soldaten davon wussten, die er auf den Posten zurückgelassen hatte, damit sie nicht im Mindesten wegen ihrer geringen Stärke und der Masse der Feinde aus Angst den Mut sinken ließen.36 5. Bell. Afr. 21,3–4: Naves interim Caesaris onerariae errabundae male vagabantur, incertae locorum atque castrorum suorum. Quas singulas scaphae adversariorum complures adortae incendebant atque expugnabant. Hac re nuntiata Caesari, classes circum insulas portusque disposuit, quo tutius commeatus supportari posset. Die verirrten Lastschiffe Caesars streiften inzwischen ziellos umher, in Unkenntnis der Gegend und des Ortes des Lagers ihrer Leute. Mehrere angreifende Boote der Gegner steckten sie einzeln in Brand und eroberten sie. Nachdem Caesar das vernommen hatte, verteilte er seine Flottenverbände rund um die Inseln und Häfen, damit ihm der Nachschub sicherer zugeführt werden konnte. 6. Bell. Afr. 28,1: Dum haec ad Ruspinam ab utrisque ducibus administrantur, C. Vergilius praetorius, qui Thapsi oppido maritimo praeerat, cum animum advertisset naves singulas cum exercitu Caesaris incertas locorum atque castrorum suorum vagari, occasionem nactus, navem quam ibi habuit actua-

|| 35 Anm. zur Übersetzung: Eodem ist Adverb, bezieht sich nicht auf errore. 36 Die Konstruktion uti nihil … deficerent kann am besten mit Schneider (1905) 18 erklärt werden, der nihil adverbial („ganz und gar nicht“, vgl. OLD s. v. nihil 11: „used with advl. force“) auffasst. Dagegen hat sich in einigen Ausgaben die Konjektur Nipperdeys ne hi … deficerent (du Pontet 1901 ad loc.; Way 1955, 162; Jahn 2004, 114) oder die Lesart ne (nihil) der Kodizes der Handschriftengruppe α durchgesetzt (Wölfflin/Miodoński 1889, 22). Die Übersetzung Müllers (2001) 60 („damit sie nicht wegen ihrer geringen Zahl und der Menge der Feinde aus Furcht überliefen“) scheint sich ebenfalls an dieser Lesart zu orientieren. Dass der Erzähler an dieser Stelle Caesars Sorge vor Überläufern aus den eigenen Reihen thematisiert (so Müller 2001, 144, vgl. auch Loreto 2001, 408), scheint allerdings unwahrscheinlich. Zum engen Band zwischen Soldaten und Caesar gerade im Afrikafeldzug Hatscher (2000) 173 mit Verweis auf Bell. Afr. 10,3–4.

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riam complet militibus et sagittariis et eidem scaphas de navibus adiungit ac singulas naves Caesarianas consectari coepit. Während dies in der Gegend von Ruspina von beiden Anführern veranlasst wurde, ergriff der Praetor C. Vergilius, der in Thapsus, einer Siedlung am Meer, den Oberbefehl innehatte, eine günstige Gelegenheit, nachdem er bemerkt hatte, dass einzelne Schiffe mit Caesars Heer, in Unkenntnis der Gegend und des Ortes des Lagers ihrer Leute umherstreiften. Er bestückte einen Schnellsegler, den er dort hatte, mit Soldaten und Bogenschützen, fügte diesem kleine Boote von seinen Schiffen hinzu und begann, einzelne von Caesars Schiffen zu verfolgen.

Die singulative Berichterstattung, die der Erzähler des Bell. Afr. wählt, wirkt zugleich affirmativ und repetitiv. Zum repetitiven Charakter trägt bei, dass sich die berichteten Ereignisse nicht nur im Hinblick auf ihren Gegenstand ähneln, sondern dass auch immer wieder derselbe Wortschatz verwendet wird: Die dreimalige Verwendung des Ausdrucks (navis) incerta locorum (7,3, Text 1) bzw. incerta locorum atque castrorum suorum (21,3, Text 5; 28,1, Text 6) wirkt formelhaft.37 Hinzu kommt die gehäufte Verwendung von Begriffen aus dem Wortfeld errare – error (7,4, Text 1; 11,1, Text 4), deerrare (8,2, Text 2; 11,4, Text 4), errabunda (21,3, Text 5, vgl. auch 2,5) – sowie die Wiederholung von vagari (21,3, Text 5; 28,1, Text 6).38 Die singulative Berichterstattung ist es auch, die zumindest der Anfangspartie des Bell. Afr. Tagebuchcharakter verleiht,39 denn die Abstraktion, die erforderlich ist, um in der Rückschau einzelne Ereignisse zu einer iterativen Erzählung zusammenzufassen, fehlt hier.40 Gleichzeitig verdeutlicht der Erzähler durch die Wahl des Singulativs die Priorität, die Caesar der Bergung seiner Schiffe einräumt: Mehrfach versucht er, das Meer gegen die feindliche Flotte abzusichern (8,2, Text 2; 21,4, Text 5). Bis Verstärkung eintrifft, hält er außerdem die gesamte Besatzung an Bord, und das so konsequent, dass ihr sogar das Trinkwasser auf die Schiffe gebracht wird (7,4, Text 1). Zu den zitierten Passagen treten noch die zahlreichen Gelegenheiten hinzu, an denen || 37 Vgl. auch Adams (2005) 82f. 38 Zur formelhaften Überleitung zwischen Erzählblöcken mit interim vgl. z. B. Rüpke (1992) 221f.; Militerni della Morte (1996) 79f. und v. a. Richter (1977) 206–209, der die Überleitung mit interim überzeugend als Technik interpretiert, „das ‚Schachspiel‘ dieses Krieges ständig von mehreren Seiten gleichzeitig, also … lückenlos“ (207) erscheinen zu lassen. Reformuliert man Richters Beobachtung in der Terminologie dieser Arbeit, lässt sich sagen, dass mit interim i. d. R. ein Wechsel der vom Erzähler fokalisierten Figuren einhergeht. 39 So bereits Landgraf (1888) 26; Schneider (1905) Einleitung; Koestermann (1973) 50; Rüpke (1992) 221f. 40 Müller (2001) 223f. vermutet, dass in 21,3 und 28,1 sogar zweimal über dasselbe Ereignis berichtet wird. Der Verlust der in Kap. 21 erwähnten Schiffe werde vom Verfasser in Kap. 28 nochmals aufgegriffen, weil ihm erst zu diesem Zeitpunkt das Schicksal der Brüder Titius bekannt geworden war, die sich Vergilius ergeben hatten und wenig später hingerichtet wurden. Dass die Erzählung nicht immer der Chronologie der Ereignisse folgt, sondern dass in der Reihenfolge berichtet wird, in der die jeweiligen Nachrichten den Verfasser erreichen, hat Müller an anderer Stelle überzeugend nachgewiesen (vgl. ebd., 191f.).

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der Erzähler als Begründung für ein passives Verhalten Caesars oder um die ungleichen Voraussetzungen im Kampf zu illustrieren, auf die quantitative Unterlegenheit der Caesarianer aufmerksam macht.41 Außerdem kommen wiederholt Probleme bei der Getreideversorgung zur Sprache.42 Zusammengenommen verfestigt sich durch die singulative Berichterstattung des Erzählers der Leseeindruck, dass Caesar in Afrika bereits zu Anfang der Kampagne kurz vor dem Scheitern steht.43

6.2.4 Der missglückte erste Truppentransport: Identität des Erzählers Unmittelbar mit der kritischen Berichterstattung des Erzählers hängt eine Veränderung des Erzählerstandorts zusammen, die bereits in den im letzten Abschnitt zitierten Passagen sichtbar wird (vgl. ut arbitror, 7,4 [Text 1]; ex eo est cognitum consilium, 11,4 [Text 4]). Wie lässt sich diese Veränderung terminologisch fassen? Alle Erzähler lassen sich nach Genette als homodiegetische oder heterodiegetische Erzähler feinbestimmen.44 Auf die Probleme, die diese Differenzierung bei der Kategorisierung der caesarischen commentarii aufwirft, ist eingangs bereits hingewiesen worden, doch lässt kein Text des Corpus Caesarianum eine eindeutigere Klassifizierung mithilfe dieser Termini zu als gerade das Bell. Afr.: Sein Erzähler trägt alle Merkmale eines heterodiegetischen Erzählers. Zwar wurde der Erzähler des Bell. Afr. in der Forschung gelegentlich, ganz im Gegenteil zur hier vertretenen Auffassung, als homodiegetischer Erzähler klassifiziert45 – ein Urteil, dem zweifelsohne die Auffassung zugrunde liegt, der Verfasser des Textes sei Augenzeuge des || 41 Außer in der oben bereits zitierten Passage 11,4 findet sich der Hinweis auf quantitative Unterlegenheit noch an zahlreichen weiteren Stellen: neque equitatu abundabat et ad oppidum oppugnandum non satis copiarum habebat, et eas tironum (5,1); equites, quamquam erant pauci, tamen … audacissime concurrunt (6,2); Caesar celeriter iubet equitatum universum, cuius copiam habuit in praesentia non magnam, et sagittarios quorum parvus numerus, ex castris arcessi (12,2); Caesar aciem derigit simplicem ut poterat propter paucitatem (13,2); Cum … cum suorum paucitate contra magnam vim hostium artificio magis quam viribus decernendum videret (14,1); Equitatus interim Labieni, suorum multitudine confisus, Caesaris paucitatem circuire conatur (15,2); iumenta ex nausia recenti siti, languore, paucitate, vulneribus defatigata (18,4); rex Iuba, cognitis Caesaris difficultatibus copiarumque paucitate, non est visum dari spatium convalescendi (25,1); his se (sc. Caesarem) miseris suamque fidem implorantibus auxilio propter copiarum paucitatem esse non posse (26,5); Atque haec propter exercitus sui praesentis paucitatem et tirocinium praeparaverat (31,8); Neque idcirco copias, quamquam erant paucae tironumque, non educebat in aciem, quod victoriae suorum diffideret, sed … (31,9). 42 Die Stellen hat Paratore (1979) 159f. zusammengetragen. 43 Vgl. auch die Charakterisierung des Bell. Afr. bei Murphy (1986) 313. 44 Zur Begrifflichkeit s. Kap. 3.2.3; zur Fokalisierung s. den folgenden Abschnitt. 45 Vgl. Militerni della Morte (1996) 31f.; Rüpke (2015) 140. Anders als Militerni della Morte meint, deutet die Verwendung der ersten Person im Bell. Afr. nicht auf einen homodiegetischen Erzähler, vgl. auch das Kap. 3.2.3 mit Anm. 54.

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Krieges gewesen. Doch auch, wenn einiges, wie etwa die Qualität und Detailliertheit der im Text enthaltenen Informationen, für die Augenzeugenschaft des Verfassers spricht:46 „Ein zwingender Beweis für diese Annahme läßt sich … nicht führen“.47 Genau dieser ‚Beweis‘, der darin bestünde, dass sich der Erzähler als eine der handelnden Figuren zu erkennen gibt oder doch wenigstens durch die Verwendung entsprechender Pronomina wie nos/noster seine Zugehörigkeit zu den Caesarianern artikuliert, wäre jedoch die notwendige Voraussetzung, um von einem homodiegetischen Erzähler sprechen zu können.48 Der Erzähler des Bell. Afr. spricht von sich selbst in der ersten Person aber nur in seiner Eigenschaft als Erzähler, nicht jedoch als Figur.49 Anders als alle anderen Erzähler des Corpus Caesarianum verzichtet er außerdem darauf, die caesarische Parteiung im Bürgerkrieg als die seine zu kennzeichnen.50 Caesarische Soldaten werden im Bell. Afr. grundsätzlich nicht als „unsere Leute“ (nostri) bezeichnet, sie heißen Iuliani, Caesariani oder, und dies am häufigsten, copiae/exercitus/equitatus/legionarii/ … Caesaris. Analog spricht der Erzähler auch nicht von „unserem Lager“ (castra nostra), sondern von castra Caesaris usw.51 Dieses Erzählerverhalten spricht deutlich dafür, den Standort des Erzählers außerhalb der erzählten Welt anzusetzen. Zugleich ist es eine wichtige Voraussetzung für die distanzierte und bisweilen kritische Berichterstattung im Bell. Afr. An diesen Befund schließt sich die Frage an, ob und, wenn ja, wie der Erzähler, der ja mit dem Verfasser des Bell. Afr. stets identifizierbar bleibt,52 signalisiert, dass er von der Figur Caesar im Text dissoziiert werden kann. Zunächst ist ein kurzer Blick zurück auf die bereits behandelten Texte hilfreich: Dass der Erzähler des Bell. Alex. nicht Caesar ‚ist‘, lässt sich, verzichtet man auf philologische Analyse, nur durch entsprechendes Kontextwissen, also das Wissen

|| 46 So etwa Fröhlich (1872) 13; Schneider (1905) Einleitung; Koestermann (1973) 49; Faraguna (1993) 1353; Schmid (1993) 139; Carter (1997) XXIV; Bouvet/Richard (1997) XXIV; Müller (2001) 45 und andere. Zur Autorschaftsdiskussion vgl. ferner Abschn. 6.1. 47 Pötter (1932) 67. 48 So müsste sich der u. a. von Rüpke als Autor des Bell. Afr. favorisierte L. Munatius Plancus an der Stelle, an der er als handelnde Figur auftritt (Bell. Afr. 4) als Erzähler zu erkennen geben. Dies geschieht bekanntlich nicht und macht den komplizierten Beweisgang Koestermanns (1973) erst notwendig, der folglich eine unausgesprochene Voraussetzung hat: Plancus muss, wenn er der Verfasser des Bell. Afr. ist, den besonderen Erzählerstandort der caesarischen commentarii übernommen haben und in Bell. Afr. 4 von sich selbst in der dritten Person schreiben. 49 Im Rahmen von Querverweisen des Typs ut supra demonstravimus (z. B. 24,1; 34,1; 74,1), vgl. auch Anm. 6. 50 Im Bell. Afr. benutzt der Erzähler nur ein einziges Mal (71,2) das Pronomen nostri, um damit die caesarischen Truppen zu bezeichnen (vgl. Pötter 1932, 69). 51 Belegstellen: Iuliani: 69,5; 78,4; 85,5 und 15,2; 78,4; 78,7 als Adjektiv; Caesariani: 7,5; 14,3; 24,3; 66,3 und 13,1; 14,2; 28,1; 52,2; 53 als Adjektiv; copiae Caesaris: z. B. 70,3; exercitus Caesaris: z. B. 47,1; equitatus Caesaris: z. B. 40,1; legionarii Caesaris: z. B. 69,4; castra Caesaris: z. B. 26,2. 52 Gemäß der im faktualen Text gültigen Festlegung A = N, vgl. Kap. 3.2.2.

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um die in der epistula ad Balbum gegebene Information, dass Caesar den Alexandrinischen Krieg nicht mehr selbst vollenden konnte, erschließen. Die Forschung zum Bell. Alex., die einzelne Partien wiederholt für Caesar selbst reklamiert hat, zeigt, dass zumindest auf der sprachlichen Ebene einer Autorschaft Caesars nichts im Weg steht.53 Anders verhält es sich in Bell. Gall. 8: Hier verweist der Erzähler explizit auf andere commentarii aus Caesars Hand (15,5; 38,3) und rechtfertigt sich, als er von der durch Caesar vorgeprägten Konvention der jahrweisen Abfassung abweicht (48,10). Bei der Lektüre dieses Textes werden diese Äußerungen erst unter der Voraussetzung verständlich, dass eine andere Instanz als Caesar als Verfasser des Textes imaginiert wird. Kontextwissen ist hier strenggenommen nicht erforderlich, der Erzähler macht explizit, dass er nicht Caesar ‚ist‘.54 Nun zum Bell. Afr.: Auch hier lässt sich die Nichtidentität von Verfasser/Erzähler und Figur Caesar textinhärent feststellen, allerdings aufgrund anderer Merkmale als noch im Bell. Gall. Dies zeigt folgender, bereits oben zitierter Satz aus dem siebten Kapitel (Abschn. 6.2.3, Text Nr. 1): Interim Caesar a mari non digredi neque mediterranea petere propter navium errorem equitatumque in navibus omnem continere, ut arbitror, ne agri vastarentur …

Der Zusatz ut arbitror markiert den Finalsatz ne agri vastarentur als Mutmaßung des Erzählers über die Motive Caesars. Ein ähnlicher Sachverhalt begegnet im elften Kapitel wieder (Text Nr. 4): Dadurch, dass der Erzähler seine Erläuterungen zu Caesars Plänen mit der Formulierung ex eo est cognitum Caesaris consilium einleitet, offenbart er, dass er selbst sich die Hintergründe von Caesars Handeln erst erschließen musste (vgl. schon Bell. Afr. 1,2, zit. in Abschn. 6.2.2: hoc eo consilio fecit …).55 Der Erzähler fingiert somit keineswegs, die Identität Caesars zu besitzen – für das Bell. Afr. ist folglich die Kategorisierung als ps.-caesarisch besonders irreführend.56

|| 53 Die gelegentliche Verwendung von nos statt nostri im ersten Textteil des Bell. Alex. legt Augenzeugenschaft nahe (so u. a. Giomini 1956, 28; Richter 1977, 200), schließt aber die Autorschaft Caesars keineswegs aus (s. Gaertner/Hausburg 2013, 78 Anm. 15). 54 Vgl. Pecere (2003) 202f., der davon ausgeht, dass das achte Buch des Bell. Gall. zum großen Teil von Caesar geschrieben wurde, sieht in diesen Äußerungen Änderungen am Text, die Hirtius durchgeführt hat. 55 Vgl. zu dieser Stelle auch Rambaud (1966) 175; Schneider (1959) 101f.; Schmid (1993) 142; ferner Maurach (2003) 251. 56 Dass der Autor des Bell. Afr. nicht Caesar ist, hat bereits der Humanist Giuniforte Barzizza in seinem Kommentar zu Bell. Afr. 7,2 und 9,4 vermerkt (vgl. McGrath 1970, 184). – Die von Richter (1977) 206 Anm. 56 gegebenen Beispiele, die belegen sollen, dass nicht Caesar der Verfasser des Bell. Afr. ist, gründen auf dem Argument, dass Caesar eine bestimmte Darstellungsweise nicht zugetraut werden kann. So würde z. B. die Äußerung … mirabili peritus scientia bellandi in praetorio sedens per speculatores et nuntios imperabat quae fieri volebat (31,4) – „… geschult in einer staunenswerten Kriegskunst ordnete er in seinem Feldherrenzelt sitzend über Kundschafter und Boten an, was er

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Im Unterschied zum achten Buch des Bell. Gall., in dem die Nichtidentität von Erzähler und Figur nur aus redaktionellen Bemerkungen geschlossen werden kann, ansonsten aber interne Fokalisierung auf Caesar/die Römer dominiert, bildet der Erzähler des Bell. Afr. an solchen Stellen eine eigene Stimme aus, indem er von außen auf den Feldherrn blickt.57 Er interpretiert seine eigene Rolle als die eines Exegeten und erklärt dem Lesepublikum Caesars Verhalten.58 Obwohl er durch dieses Vorgehen für sich beansprucht, ‚Caesar-Experte‘ zu sein,59 so wird doch die Selbstverständlichkeit, mit der Caesar im Krieg agiert, dadurch infrage gestellt, dass dessen Handlungen teilweise interpretationsbedürftig werden. Die Perspektive, mit der der Erzähler das Geschehen wahrnimmt, gleicht an diesen Stellen folglich nicht länger der des Feldherrn, sondern derjenigen eines Soldaten, der Caesar mit Ehrfurcht und Bewunderung begegnet, gleichzeitig aber davon ausgeht, dass (s)eine Deutung der Ereignisse benötigt wird, um Caesars Handlungen richtig einzuordnen.60 Dies gilt gerade für die Entscheidungen zu Beginn des Feldzuges, die, wie Bell. Afr. 3 zeigt, offenbar interner Kritik ausgesetzt waren.61 Fragt man unter diesen Voraussetzungen erneut nach der Funktion dieser kritischen Stimme im Bell. Afr., lässt sich diese ebenfalls als Folge des veränderten Erzählerstandorts interpretieren: Zur Inszenierung der Figur Caesar durch einen Erzähler, der den Feldherrn von außen beobachtet, passt, dass Skepsis und Kritik ungeschönt dargestellt werden, um die Zuversicht und Autorität Caesars auch in existentiell bedrohlichen Situationen umso besser mit den Zweifeln seiner Truppe

|| ausgeführt wissen wollte“, unter der Voraussetzung, dass ‚Caesar‘ spricht, zu einem plakativen Selbstlob, das den caesarischen commentarii fremd ist. 57 In der Terminologie Bals lässt sich diese Änderung des Erzählerstandorts als Wechsel der Fokalisierungsinstanz auffassen. Der focalizor ist nicht Caesar, sondern ein anonymer Erzähler. Zum Fokalisierungsbegriff nach Bal vgl. die einleitenden Bemerkungen in Kap. 3.3. 58 Vgl. Cascón Dorado (2012) 37f., der in den häufigen Erzählereinwürfen eine Hinwendung zur traditionellen Historiographie sieht, und Gaertner (2017) 268f. Nicht überzeugend dagegen Richter (1977) 205 (ähnlich bereits Adcock 1956, 104): „Wir haben also in gewissem Sinne das ideale Modell eines commentarius vor uns, da auf jede Art literarischer Ausgestaltung und jede persönliche Meinungsäußerung verzichtet wird.“ 59 So Coulon-McIntosh (2001) 79 in ihrer Analyse von Bell. Afr. 3. 60 Die narratologische Analyse macht so auch transparent, aufgrund welcher Eigenschaften des Textes der Verfasser in der Forschung für einen höheren Offizier gehalten wird, der aber in die Pläne Caesars und seines inneren Zirkels nicht eingeweiht gewesen sei (vgl. Anm. 29). 61 Weitere Stellen: 1) 9,2: Hoc (sc. frumentum) eum idcirco existimo recepisse … (Klotz 1927a, 65; Pennacini 1993, 811; Bouvet/Richard 1997, 9; umgangssprachlich statt huc: Müller 2001, 135f.) bzw. Huc (sc. Ruspinam) eum idcirco existimo recepisse … (du Pontet 1901 ad loc.; ähnlich Wölfflin/Miodoński 1889, 17 und Schneider 1905, 14; Veith 1912, 903); 2) 26,5: Nec mirum: animum advertebat enim villas exuri … 3) 73,2: Neque mirum: copias enim habebat in Gallia bellare consuetas locis campestribus …; Wortmeldungen des Erzählers, die nicht die Funktion haben, Caesars Verhalten zu erklären, begegnen auch noch im weiteren Verlauf des Textes: Vgl. z. B. Non arbitror esse praetermittendum … (59,1, ähnlich 84,1); vgl. auch Rambaud (1966) 88.

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kontrastieren zu können. Als besonders instruktiv in diesem Sinn darf die CaesarDarstellung in Bell. Afr. 10,2–4 gelten:62 Omnibus in exercitu insciis et requirentibus imperatoris consilium, magno metu ac tristimonia sollicitabantur. Parva enim cum copia, et ea tironum neque omni exposita in Africa, contra magnas copias et insidiosae nationis equitatumque innumerabilem se expositos videbant neque quicquam solacium in praesentia neque auxilium in suorum consilio animum advertebant, nisi in ipsius imperatoris vultu, vigore mirabilique hilaritate; animum enim altum et erectum prae se gerebat. Huic adquiescebant homines et in eius scientia et consilio omnia sibi proclivia omnes fore sperabant.

Indem der Erzähler in diesem Textstück auf die Gefühle der Soldaten fokussiert, blickt er auch hier wieder von außen auf seine Hauptfigur.63 Dabei scheut er sich nicht, hervorzuheben, dass es Caesar nicht gelungen ist, seine Pläne den Soldaten gegenüber transparent zu machen (omnibus in exercitu insciis et requirentibus imperatoris consilium). Aus diesem Unwissen entsteht Angst,64 die durch den Verweis auf die eigene quantitative Unterlegenheit wohlbegründet erscheint. Caesar vermag ihnen diese Angst zwar zu nehmen, allerdings nicht durch eine Ansprache, in der er mit Argumenten die Sorgen seiner Soldaten zu entkräften sucht, sondern durch seine bloße Präsenz und die öffentliche Zurschaustellung seiner Zuversicht. Da der Erzähler an dieser Stelle aber weder selbst Caesars Verhalten erklärt noch Caesar selbst das Wort ergreifen lässt, bleibt der Grund für seinen eigenen Optimismus (mirabili hilaritate) allerdings im Dunkeln.65 Es deutet sich bereits hier an, dass der Erzähler darauf verzichtet, konsequent auf Caesar zu fokalisieren, was zur Folge hat, dass sich seine Gedanken nicht immer zuverlässig erschließen lassen.

6.3 Modus: Distanzierung durch externe Fokalisierung 6.3.1 Vorbemerkung Mit der Frage nach dem Erzählerstandort ist die Frage nach der gewählten Fokalisierung so eng verknüpft, dass der Begriff bereits gegen Ende des vergangenen Abschnitts fiel. Im folgenden Abschnitt geht es nun darum, den Zusammenhang zwi|| 62 Der Übersichtlichkeit halber drucke ich die Passage noch ein zweites Mal ab, für die Übersetzung s. Abschn. 6.2.3. 63 Vgl. auch Müller (2001) 138f., der glaubt, die Soldatenperspektive aus dem „stark personalisierten Gebrauch des Wortes imperator“ ableiten zu können. 64 Der ablativus absolutus kann kausal aufgefasst werden, vgl. z. B. Baumstark/Jahn (2004) 113. 65 In diesem Punkt unterscheidet sich also diese von ähnlich gelagerten Situationen im Corpus Caesarianum, z. B. Gall. 1,39–41 (Meuterei von Vesontio) oder Bell. Alex. 7–9 (s. hierzu ausführlich Kap. 5.2.2), in denen es Caesar gelingt, die vorhandenen Zweifel durch die Darlegung seiner Pläne zu zerstreuen.

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schen dem neuen Erzählerstandort und der damit einhergehenden externen Fokalisierung genauer zu beschreiben. Dass der Erzähler nach Belieben auf die Gedanken der Figur Caesar ‚zugreifen‘ und sie dem Lesepublikum referieren kann, kennzeichnet die Erzählhaltung sowohl in den caesarischen commentarii als auch in Bell. Gall. 8 und Bell. Alex. Folgerichtig findet sich externe Fokalisierung in diesen Texten des Corpus nur sehr selten. Die bislang einzige der untersuchten Textpassagen, die eine solche Fokalisierung aufweist, fand sich in der Darstellung des Mordanschlags auf den Atrebaten Commius im achten Buch des Bell. Gall., wo der Erzähler sie als Mittel der Distanzierung nutzt (vgl. Kap. 4.4.4). Zwar überwiegen interne und Nullfokalisierung im Bell. Afr. weiterhin,66 gleichzeitig gewinnt die externe Fokalisierung an Bedeutung. Schon der vergangene Abschnitt hat gezeigt, dass die Figur Caesar nicht selten durch exegetische Kommentare des Erzählers modelliert wird; fielen diese weg, bliebe sein Verhalten begründungsbedürftig und unklar. Die Frage, welche Wirkung es hat, wenn der Erzähler auf diese Kommentare verzichtet und dabei gleichzeitig nicht auf Caesar als handelnde Figur fokalisiert, soll Gegenstand des folgenden Abschnitts sein.

6.3.2 Externe Fokalisierung in der Darstellung der Schlacht von Thapsus Als Ausgangspunkt der Untersuchung dient die Darstellung der Schlacht von Thapsus (82,1–83,1): Itaque in circumeundo exercitu animadvertit hostes circa vallum trepidare atque ultro citroque pavidos concursare et modo se intra portas recipere, modo inconstanter immoderateque prodire. Cum idem a pluribus animadverti coeptum esset, subito legati evocatique obsecrare Caesarem ne dubitaret signum dare: victoriam sibi propriam a dis immortalibus portendi. Dubitante Caesare atque eorum studio cupiditatique resistente sibique eruptione pugnari non placere clamitante, etiam atque etiam aciem sustentante, subito dextro cornu iniussu Caesaris tubicen a militibus coactus canere coepit. Quo facto ab universis cohortibus signa in hostem coepere inferri, cum centuriones pectore adverso resisterent vique continerent milites ne iniussu imperatoris concurrerent, nec quicquam proficerent. Quod postquam Caesar intellexit incitatis militum animis resisti nullo modo posse, signo Felicitatis dato, equo admisso in hostem inter principes ire contendit. So bemerkte er, als er das Heer umrundete, dass die Feinde in der Nähe des Walls in Aufregung waren, auf beiden Seiten ängstlich durcheinanderliefen und sich bald hinter die Tore zurückzogen, bald unsicher und ungeordnet vorrückten. Nachdem ebendies allmählich auch von mehreren anderen bemerkt worden war, flehten plötzlich die Legaten und Veteranen Caesar an, er möge nicht länger zögern, das Zeichen zum Kampf zu geben: Der eigene Sieg werde ihnen von den unsterblichen Göttern prophezeit. Doch obwohl Caesar zögerte, ihrem Eifer und ihrer Begierde widerstand, ausrief, ihm gefalle nicht, dass nicht in Schlachtordnung gekämpft

|| 66 Vgl. nochmals Anm. 38 zum Gebrauch von interim.

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werde,67 und wieder und wieder die Schlachtreihe herstellte, begann plötzlich auf dem rechten Heeresflügel ein Trompeter ohne Caesars Befehl, doch von den Soldaten dazu getrieben, das Signal zu geben. Nachdem dies geschehen war, wurde von allen Kohorten damit begonnen, den Feind anzugreifen, wobei die Zenturionen mit entgegengestellter Brust widerstanden und die Soldaten mit Gewalt zurückhielten, damit sie nicht ohne den Befehl ihres Feldherrn losstürmten, dabei jedoch nichts ausrichteten. Nachdem Caesar begriffen hatte, dass den aufgeheizten Gemütern seiner Soldaten auf keine Weise widerstanden werden konnte, beeilte er sich, nachdem er die Parole ‚Felicitas‘ ausgerufen hatte, in vollem Galopp und in vorderster Reihe gegen den Feind zu ziehen.

Die im Verhältnis zu anderen Passagen relativ große Bekanntheit dieser Textpassage in der Forschung verdankt sich,68 neben der historischen Bedeutung der hier beschriebenen Schlacht, ihrer irritierenden Caesardarstellung. Gerade hier nämlich scheint Caesar, der es sonst im Afrikafeldzug selbst in schwierigen Situationen vermag, seine Soldaten von der Richtigkeit seiner eigenen Position zu überzeugen, die Kontrolle verloren zu haben: Sein Heer kämpft ohne Befehl, ja missachtet sogar die Ordnungsrufe des Feldherrn, den die sich überstürzenden Ereignisse schließlich dazu zwingen, sich in die Schlacht zu fügen.69 Wie passt eine solche Darstellung, in der Caesar in einem der wichtigsten Augenblicke des Krieges ein Autoritätsverlust unterstellt wird, zum Rest des Bell. Afr.?70 Um diese Frage beantworten zu können, ist es in einem ersten Schritt nötig zu untersuchen, welche Eigenschaften des Textes den beschriebenen Leseeindruck hervorrufen. Eine wichtige Funktion hat in diesem Zusammenhang der in der Vorbemerkung zu diesem Abschnitt bereits angekündigte markante Fokalisierungswechsel. Denn während Caesar zu Beginn des 82. Kapitels noch Herr der Lage ist

|| 67 Zur Übersetzung an dieser Stelle vgl. Anm. 71. 68 S. hierzu die in Anm. 70 zitierte Literatur. 69 Ähnlich später Flor. 2,13,66: Nihil ergo inter Pharsaliam et Thapson, nisi quod amplior eoque acrior Caesareanorum impertus fuit indignantium post Pompeium crevisse bellum; denique, quod alias numquam, ante imperium ducis sua sponte signa cecinerunt. – „Es gab also keinen Unterschied zwischen Pharsalos und Thapsus, es sei denn, dass der Angriff der Caesarianer breiter und damit heftiger war, weil sie darüber empört waren, dass nach Pompeius der Krieg noch gewachsen war. Schließlich gaben sie – was sonst nie geschehen war – noch vor dem Befehl des Feldherrn aus eigenem Antrieb das Zeichen zum Kampf.“ 70 Vgl. dazu etwa folgende Bewertungen der Textstelle in der Forschungsliteratur: Bouvet/Richard (1997) 105f. („L’hésitation de César fait quelque difficulté …“); Goldsworthy (1998) 210f. ~ (2010) 57 („It is a slightly less perfect image [sc. of Caesar] and confirms the suspicion that Caesar’s own version of events in earlier campaigns deliberately omitted such incidents …“); Loreto (2001) 459 („La versione più sfavorevole quanto al ruolo di C. …“); Melchior (2004) 159f. („Loss of discipline is portrayed in a number of different scenes. At the battle of Thapsus, for instance, Caesar is forced to take the field against his will …“); Schulz (2010) 330 („Soweit der Bericht des Verfassers, der hier unfreiwillig zugibt, dass der Feldherr das Heft aus der Hand gegeben und den Kampf der Infanterie sich selbst überlassen hat.“); vgl. auch Fairbank (2017) 221; Gaertner (2017) 270. – Zur historischen Bedeutung der Schlacht vgl. Anm. 73.

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und als erster die Unruhe im gegnerischen Lager wahrnimmt (animadvertit hostes circa vallum trepidare), so gibt der Erzähler anschließend die Fokalisierung auf die Figur Caesar auf. Dies korrespondiert mit einem Subjektswechsel: Die Legaten und Veteranen beschwören Caesar, das Zeichen zur Schlacht zu geben. Aus welchen Gründen Caesar angesichts der auch von ihm selbst erkannten Unordnung in den Reihen des Feindes genau dazu nicht bereit ist, wird nicht deutlich. Die einzigen Worte, die möglicherweise über Caesars Verhalten Auskunft geben, sind so dunkel, dass ihre genaue Bedeutung umstritten ist: sibique eruptione pugnari non placere clamitante.71 Es ist nachvollziehbar, dass unter diesen Voraussetzungen das Verdikt gefällt wurde, der Verfasser sei über die Ereignisse vor Thapsus nur schlecht informiert, besonders wenn man als Maßstab seine profunden strategischen Kenntnisse der ersten Operationen ansetzt.72 Noch rätselhafter wirkt, dass durch das ungestüme Verhalten der Soldaten weder der Sieg in Gefahr gerät,73 noch Caesar nach Ende der Schlacht die Befehlsverweigerer bestraft. Im Gegenteil verteilt er sogar Belohnungen an die tapfersten Kämpfer (praemia fortissimo cuique ac bene merenti pro suggestu tribuit, 86,3),74 was überdies in bemerkenswertem Kontrast zu den strengen disziplinarischen Maßnahmen steht, von denen in Bell. Afr. 54 berichtet wird.75 Angesichts dieser Entwicklung || 71 Das Substantiv eruptio bezeichnet als terminus technicus des Militärwesens einen Ausfall, d. h. den Versuch, aus einer Belagerung auszubrechen (vgl. ThlL s. v., 846,63–847,5). Caesar befindet sich vor Thapsus aber keineswegs in einer Belagerungssituation (vgl. Richard 1997, 118; contra Schmid 1993, 165). Aus diesem Grund trifft die Übersetzung Baumstarks (bei Jahn 2004, 190f.) – „ihm gefalle es nicht, wie ein Belagerter zu kämpfen, der einen Ausfall macht“ (ähnlich Pennacini 1993, 887) – den Sinn der Stelle nicht. Dafür, dass Caesar auf einen drohenden Ausfall der Stadtbewohner anspielt (so Schneider 1905, 112), finden sich im Text hingegen keine Belege. Zur älteren Diskussion um die Stelle vgl. Langhammer (1907); Veith (1912) 840–842; Langhammer (1921); Gsell (1930b) 131; Schneider (1959) 103. Ich folge in meiner Übersetzung der Erläuterung von Wölfflin/Miodoński (1889) 125: „… eruptionem enim Asinius dixit, quia legiones non omnes simul procedebant, sed eversa disciplina militari periculum erat, ne singulae cohortes temere prorumperent.“ In diesem Sinn hat auch Richard in Bouvet/Richard (1997) 76 die Übersetzung Bouvets modifiziert, von „protestant que se précipiter ainsi était bon pour les gens assiéges“ in der 1. Aufl. (1949) zu „protestant que se précipiter ainsi n’était pas à ses yeux la bonne façon de combattre“ (vgl. auch Guey 1951, 158). 72 Vgl. Koestermann (1973) 50; Müller (2001) 45 Anm. 68. 73 In ihrer Auswertung der Quellen zur Schlacht von Thapsus kommen Charles/Rhodan (2008) 187 zu dem Schluss, dass keine Schlacht im eigentlichen Sinne stattgefunden hat: „Thapsus was not a case of Zama revisited, and it was certainly not a replication of the Bagradas valley.“ Der Verfasser des Bell. Afr. habe den Anschein eines großen militärischen Ereignisses („a sense of epic military importance“) geben wollen. Dagegen spricht hingegen die Darstellung Appians, der von einer schweren Schlacht berichtet (civ. 2,97). 74 Vgl. Melchiors (2004) 162f.; treffend auch Guey (1951) 158: „… la cause de cette hésitation et de cette nervosité (clamitante) de César reste un secret entre sa Fortune et lui.“ 75 In diesem Kapitel ist die einzige direkte Rede Caesars im gesamten Bell Afr. enthalten: … memor in Italia pristinae licentiae militaris ac rapinarum certorum hominum, parvulam modo causulam

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erscheint Caesars Verhalten vor Beginn der Schlacht begründungsbedürftig. Selbst die Parole Felicitas, die Caesar ausgibt, erscheint im Nachhinein situationsunangemessen: Offenbar wurde doch der Sieg so schnell erfochten, dass es zu keiner Zeit des caesarischen Glücks bedurfte.76 Anders als zuvor in den Anfangskapiteln nutzt der Erzähler an dieser Stelle jedoch die Gelegenheit nicht, um sich selbst als Exeget Caesars zu präsentieren. Stattdessen beschränkt er sich auf die Perspektive des Soldaten, der das Geschehen und Caesars Handlungen von außen wahrnimmt, nämlich wie Caesar zögert und etwas ruft, damit aber bei den Soldaten nicht durchdringt und wie diese stattdessen einen Trompeter dazu nötigen, endlich das Signal zum Kampf zu geben (tubicen a militibus coactus canere coepit). Das Verhalten der Zenturionen, die als einzige, besonders treu ergebene Soldaten versuchen, die Legionen noch am Angriff zu hindern und sich dabei nicht wie Caesar auf Worte beschränken, sondern sich der Masse mit Gewalt (vi) entgegenstellen, zeigt deutlich, dass im Heer von Anfang an kein Zweifel besteht, dass es sich hier um ein Beispiel militärischen Ungehorsams handelt – und dass dem Erzähler nicht daran gelegen ist, diesen Umstand zu verschleiern.77 Zu beachten ist dabei, dass auch die Zenturionen mit dem Ziel handeln, zu verhindern, dass ohne Befehl gekämpft wird (ne iniussu imperatoris concurrerent), nicht etwa, weil sie die Bedenken, die Caesar zuvor äußert, teilen. Auch den Zenturionen erschließt sich folglich der Grund für Caesars Zögern nicht. Wie ist Caesars Passivität zu interpretieren? Bei der Beantwortung dieser Frage ist zwischen Vorschlägen zu unterscheiden, die die Beweggründe des historischen Caesar eruieren und solchen, die erklären, wie das in dieser Passage transportierte Bild des zaudernden Caesar mit der Figurencharakteristik im restlichen Bell. Afr. zu vereinbaren ist. In die erste Kategorie gehören etwa die Anmerkungen Bouvets und Faragunas zur Stelle, die das Zögern Caesars als Ausdruck seines Verantwortungs-

|| nactus, quod C. Avienus, tribunus militum X legionis, navem commeatu familia sua atque iumentis occupavisset neque militem unum ab Sicilia sustulisset, postero die de suggestu, convocatis omnium legionum tribunis centurionibusque: «Maxime vellem, inquit, homines suae petulantiae nimiaeque libertatis aliquando finem fecissent meaeque lenitatis, modestiae patientiaeque rationem habuissent …» – „In Erinnerung an die alte soldatische Disziplinlosigkeit in Italien und die Räubereien bestimmter Leute griff er eine nur sehr kleine Sache auf, dass nämlich C. Avienus, Militärtribun der zehnten Legion, ein Schiff aus dem Transport mit seinem Hausstand und Lasttieren besetzt hatte und nicht einen einzigen Soldaten von Sizilien mitgenommen hatte. Am folgenden Tag sprach er von der Tribüne vor den Tribunen und Zenturionen aller Legionen: ‚Ich hätte mir sehr gewünscht, dass die Leute einmal ihrer Frechheit und übermäßigen Zügellosigkeit ein Ende gemacht hätten und meine Milde, meine Mäßigung und meine Geduld geachtet hätten …‘“ 76 Zu den Implikationen der Parole Felicitas vgl. Murphy (1986) 314; Linderski (1996) 169; Welch (2008) 203. 77 Pace Charles/Rhodan (2008) 179: „… the pro-Caesarian author of the Bellum Africum refers to over-enthusiasm on the part of the troops, and thereby plays down the possibility that Caesar had not intended battle to take place when it did.“

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bewusstseins deuten, vor der unumkehrbaren Entscheidung zur Schlacht das Für und Wider sorgsam gegeneinander abzuwägen.78 Diese Erklärung ist zwar plausibel, kann aber nicht durch Textbelege erhärtet werden.79 In die zweite Kategorie fallen zwei ganz unterschiedliche Interpretationsvorschläge: Zum einen wird argumentiert, der Erzähler wähle diese Form der Darstellung, um deutlich zu machen, dass Caesar keine persönliche Verantwortung am Blutvergießen von Thapsus trage.80 Diese These beruht auf der Beobachtung, dass in den letzten Kapiteln des Bell. Afr. das Motiv der clementia Caesaris an Bedeutung gewinnt.81 Somit wäre die Stelle strukturell mit der Darstellung des Mordes an Gutuatrus im letzten Kriegsjahr in Gallien vergleichbar, als Caesars Soldaten ebenfalls ohne Zustimmung ihres Feldherrn an ihrem Feindbild Rache nehmen (Gall. 8,38,3–5, vgl. Kap. 4.3.3).82 Dagegen hat Melchior eine andere Interpretation vorgeschlagen: Der Text betone dadurch, dass am Höhepunkt des Krieges selbst die größte Autoritätsfigur als machtlos dargestellt werde, das Chaotische und Anarchische, das dem Bürgerkrieg innewohne.83 Die erste Deutung hat in Bezug auf die Massaker, die auf die gewonnene Schlacht folgen, ihre Berechtigung,84 steht aber deutlich im Widerspruch zu den Entwicklungen, die der Schlacht unmittelbar vorausgehen. Nachdem die anfängliche quantitative Unterlegenheit überwunden ist, ergreift Caesar trotz anhaltender Besorgnis vermehrt selbst die Initiative und treibt seine Gegner in die Enge (73,4; 75,1–2; 77,4–78,3). Diese Entwicklung gipfelt in Caesars Abzug aus Aggar, der die Gegner zum Handeln zwingt (79,1–2): Postquam nulla condicione cogere adversarios poterat ut in aequum locum descenderent legionumque periculum facerent, neque ipse propius hostem castra ponere propter aquae penuriam se posse animadvertebat, adversarios non virtute eorum confidere, sed aquarum inopia fretos despicere se intellexit, II Non. Apr. tertia vigilia egressus, ab Aggar XVI milia nocte progressus, ad Thapsum, ubi Vergilius cum grandi praesidio praeerat, castra ponit … Scipio interim, cognitis

|| 78 Faraguna (1993) 1482; Bouvet (1997) 176f. Anm. 131. Vgl. hierzu auch Goldsworthy (1998) 204– 206. 79 Nicht ausreichend zur Begründung scheint die Annahme Coulon-McIntoshs (2011) 84, angesichts der kompromittierenden ‚Faktenlage‘ – andere Historiographen berichten übereinstimmend, dass vor Thapsus ein großes Blutbad angerichtet wurde und machen teilweise Caesar selbst dafür verantwortlich – sei keine positivere Darstellung Caesars möglich gewesen. Vgl. Plut. Caes. 53; App. civ. 2,97 (s. dazu auch Schulz 2010, 427–430); Cass. Dio 43,8,2–9,1 (s. dazu auch Schulz 2010, 398– 405); Flor. 2,13,66; Oros. 6,16,3. Suet. Iul. 35 äußert sich nicht zum Verlauf der Schlacht. 80 So zuerst Sihler (1912) 248. Vgl. auch Schulz (2010) 331 und Coulon-McIntosh (2011) 83. 81 Die Schlagworte lenitas und clementia begegnen zuerst im 86. Kapitel. Weitere Stellen: 88,6; 92,4. Vgl. außerdem die zahlreichen Gnadenakte Caesars gegen ehemalige Gegner, z. B. die Söhne des Considius und Catos (89,2; 5), die Besetzer Uticas (90,1) oder C. Vergilius (93,3). S. auch Richard (1997) 119. 82 Die Parallele zum Bell. Gall. sieht bereits Coulon-McIntosh (2011) 84. 83 Vgl. Melchior (2004) 159–169. 84 S. dazu unten, Kap. 6.3.3.

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Caesaris consiliis, ad necessitatem adductus dimicandi ne per summum dedecus fidissimos suis rebus Thapsitanos et Vergilium amitteret, confestim Caesarem per superiora loca consecutus milia passuum VIII a Thapso binis castris consedit. Nachdem Caesar die Gegner unter keinen Umständen dazu hatte bringen können, auf ebenes Gelände herabzusteigen und ihre Legionen einer Gefahr auszusetzen, er selbst aber bemerkt hatte, dass er das Lager aufgrund der Wasserknappheit nicht näher am Feind aufschlagen konnte, und verstanden hatte, dass seine Gegner sich nicht auf die Tapferkeit ihrer Leute verließen, sondern im Vertrauen auf den Wassermangel (der caesarischen Truppen) auf ihn herabblickten, brach er am zweiten Tag vor den Aprilnonen zur dritten Nachtwache auf. Von Aggar aus marschierte er in der Nacht 16 Meilen und schlug in der Gegend von Thapsus, wo Vergilius mit einer großen Besatzung den Oberbefehl hatte, das Lager auf … Nachdem in der Zwischenzeit Scipio die Pläne Caesars bekannt geworden waren, fühlte dieser sich zum Kampf gezwungen, um nicht seine treuesten Verbündeten, die Einwohner von Thapsus, und Vergilius im Stich zu lassen. Er folgte Caesar sogleich über hochgelegenes Gelände und ließ sich acht Meilen von Thapsus entfernt in zwei Lagern nieder.

Auch hier liegt die Fokalisierung noch ganz auf der Figur Caesar: Er ‚sieht‘ (animadvertebat, intellexit), ist aktiv (egressus, progressus, castra ponit), setzt Scipio unter Druck und diktiert ihm die Bedingungen, unter denen gekämpft wird (ad necessitatem adductus). Die Provokation seiner Gegner, die glauben, einer Auseinandersetzung mit Caesar allein aufgrund der für ihn ungünstigen räumlichen Bedingungen entgehen zu können (adversarios … aquarum inopia fretos despicere intellexit), kontert er, indem er kurzerhand den Kriegsschauplatz wechselt. Die Verlagerung des Heeres nach Thapsus erfolgt also mit der Intention, auf diese Weise die offene Feldschlacht zu erzwingen.85 Notgedrungen und nur, um sein Gesicht zu wahren, lässt sich dagegen Scipio auf die Schlacht ein.86 Darüber hinaus greift Caesar noch kurz vor Schlachtausbruch zu einer motivierenden exhortatio: Mit dieser Ansprache vor den Soldaten entfacht er den Eifer, den er anschließend wieder zu zügeln versucht (81,1–2):87 … ipse pedibus circum milites concursans virtutesque veteranorum proeliaque superiora commemorans blandeque appellans animos eorum excitabat. Tirones autem, qui numquam in acie dimi-

|| 85 Der Temporalsatz hat kausalen Nebensinn. Schmid (1993) 163 vergleicht zur Aussage victoriam sibi propriam a dis immortalibus portendi (32,1), wo Scipio gegenüber seinen Soldaten verspricht, dass der Sieg in kurzer Zeit errungen werden könne (victoriam propriam se eis brevi daturum). 86 Auch hier steht die Rekonstruktion der Schlacht von Charles/Rhodan (2008) 187, nach der Scipio mit einer offensiven Attacke Caesars nicht gerechnet hatte, im Widerspruch zur Darstellung des Bell. Afr. 87 Vgl. Schmid (1993) 165; Faraguna (1993) 1482. – Diese Feldherrnrede bietet, nach Melchior (2009) 249, den Auftakt zu einem prototypischen exemplum: 1) Caesar ist ein Zeuge („primary witness“) früherer Tapferkeit der Soldaten gewesen, 2) Caesar ruft diese Erinnerung ins Gedächtnis und teilt sie als exemplum mit den Soldaten, 3) die Soldaten („secondary audience“) handeln gemäß dem exemplum und gewinnen die Schlacht. Gerade im letzten Schritt des ‚exemplary cycle‘ weicht die Erzählung allerdings entscheidend von diesem Prototyp ab.

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cassent, hortabatur ut veteranorum virtutem aemularentur eorumque famam, locum, nomen victoria parta cuperent possidere. Indem Caesar selbst zu Fuß unter den Soldaten umherlief, sie an die Kampfestugenden der Veteranen und an vergangene Schlachten erinnerte und sie aufmunternd ansprach, entfachte er ihren Mut. Die Rekruten jedoch rief er, weil sie noch nie in einer Schlacht gekämpft hatten, dazu auf, der Tapferkeit der Veteranen nachzueifern und danach zu streben, sich deren Ruhm, Stand und Namen durch den errungenen Sieg zu eigen zu machen.

Gerade die altgedienten Soldaten, an denen sich die Rekruten ein Vorbild nehmen sollen, sind es wenig später, die Caesar unter Hinweis auf ein göttliches Zeichen dazu drängen werden, die Schlacht zu eröffnen (legati evocatique obsecrare Caesarem ne dubitaret signum dare: victoriam sibi propriam a dis immortalibus portendi, 82,2).88 Es deutet nichts darauf hin, dass Caesar, ähnlich wie etwa im ersten Krieg in Hispanien und noch zu Beginn dieses Feldzuges, die offene Schlacht zu vermeiden versucht, um das Leben seiner Kontrahenten zu schonen.89 Die beiden Textbeispiele machen im Gegenteil deutlich, dass der Caesar des Bell. Afr. die Schlacht von Thapsus von langer Hand geplant hat und keine Bedenken hat, dass er gegen die Grundsätze seiner clementia-Politik verstoßen könnte. Überzeugender scheint deshalb, dass der Erzähler an dieser Stelle die Darstellung der caesarischen auctoritas zugunsten eines Darstellungsziels aufgibt, das nicht in der Inszenierung der Figur Caesar, sondern in der Inszenierung der irrationalen Gewalt des Krieges liegt.90 Da diese These noch durch die Hinzuziehung weiterer Textstellen erhärtet werden kann, soll ihr ein eigener Abschnitt gewidmet werden.

6.3.3 Ein Ende mit Schrecken: Fokalisierung in Gewaltdarstellungen Dass ein Erzähler im Corpus Caesarianum zugunsten anderer Darstellungsziele in Kauf nimmt, die Inszenierung Caesars als eines Feldherrn, der in jeder Situation die Kontrolle über das Geschehen behält, aufzugeben, ist nicht singulär, sondern kennzeichnet sowohl Passagen des Bell. Alex. als auch des hirtianischen Buchs des Bell. Gall, etwa das bereits angesprochene, zwecklose Plädoyer für die Schonung des Gutuatrus (vgl. Kap. 4.4.3). Im Bell. Alex. wiederum zeigen die letzten Kapitel, die die Schlacht von Zela behandeln, dass der Nachweis der göttlichen Legitimität des

|| 88 Die evocati, so benannt, weil es sich um altgediente, wieder einberufene Soldaten handelt, stehen vom Rang unterhalb der centuriones, s. Carter (1997) 316; J. B. Campbell/A. Beuchel, s. v. Evocati, DNP 4, 1998, 328–329. 89 Vgl. civ. 1,72; Bell. Afr. 31,9 (vgl. hierzu auch Cascón Dorado 2012, 39). 90 Melchior (2004) 14 geht noch einen Schritt weiter und spricht von der Gewalt als einer neuen Protagonistin: „The final protagonist of the work seems not to be Caesar … but bloodshed itself.“

Modus: Distanzierung durch externe Fokalisierung | 165

Sieges der Inszenierung der militärisch-strategischen Überlegenheit Caesars übergeordnet ist.91 Neu im Bell. Afr. ist allerdings das gewählte Darstellungsziel selbst, die Brutalität, derer sich die Kriegsparteien bedienen, offenzulegen und zu kritisieren.92 Ausdrücklich nicht ausgenommen von den kritischen Reflexionen des Erzählers ist das Verhalten der caesarischen Soldaten (85,5–9): Desperata salute in quodam colle consistunt atque armis demissis salutationem more militari faciunt. Quibus miseris ea res parvo fuit praesidio. Namque milites veterani ira et dolore incensi non modo ut parcerent hosti non poterant adduci, sed etiam ex suo exercitu illustres urbanos, quos auctores appellabant, complures aut vulnerarunt aut interfecerunt. In quo numero fuit Tullius Rufus quaestorius qui pilo traiectus consulto a milite interiit. Item Pompeius Rufus brachium gladio percussus, nisi celeriter ad Caesarem adcucurisset, interfectus esset. Quo facto complures equites Romani senatoresque perterriti ex proelio se receperunt, ne militibus, qui ex tanta victoria licentiam sibi assumpsissent immoderate peccandi, impunitatis spe propter maximas res gestas, ipsi quoque interficerentur. Itaque ii omnes Scipionis milites cum fidem Caesaris implorarent, inspectante ipso Caesare et a militibus deprecante uti eis parcerent, ad unum sunt interfecti. ________ auctores codd. : fautores Lipsius ‖ lac. post auctores stat. Kübler (prob. Bouvet) Völlig mutlos geworden besetzten sie irgendeinen Hügel, streckten die Waffen und grüßten nach Soldatenart. Dieses Verhalten war für sie jedoch kaum ein Schutz. Denn die Veteranen konnten, weil sie derart von Zorn und Wut entbrannt waren, nicht nur nicht dazu bewegt werden, den Feind zu schonen, sondern sie verwundeten oder töteten sogar mehrere einflussreiche Stadtrömer aus ihrem eigenen Heer, die sie als ‚Urheber‘ bezeichneten. Unter ihnen war der gewesene Quaestor Tullius Rufus, der von einem Soldaten absichtlich mit einem Wurfspieß durchbohrt wurde und starb. Ebenso wurde Pompeius Rufus mit dem Schwert am Arm verletzt, und wäre, wenn er nicht schnell zu Caesar gelaufen wäre, getötet worden. Nach diesen Geschehnissen zogen sich viele römische Ritter und Senatoren zutiefst erschreckt aus dem Kampf zurück, damit sie selbst nicht auch von ihren Kameraden getötet würden, die sich angesichts eines solch großen Sieges die Freiheit herausgenommen hatten, unbändig zu wüten, darauf hoffend, dass sie wegen der überaus großen Bedeutung ihrer Taten ungestraft bleiben würden. Deshalb wurden auch alle Soldaten Scipios, obwohl sie Caesars Schutz anflehten und während Caesar selbst zusah und die Soldaten beschwor, sie doch zu schonen, bis zum letzten Mann umgebracht.

Erneut sind die Veteranen, dieselben oder zumindest dieselbe Gruppe, für das Massaker verantwortlich: Bereits zu Beginn der Schlacht von Thapsus setzten sie sich über ihren Feldherrn hinweg, nun zeigt sich, dass Caesar sie auch während des Kampfes nicht kontrollieren kann, sodass nicht einmal die eigenen Kameraden vor ihrer Wut sicher sind. Angesichts dieser Entwicklungen darf Caesars exhortatio, in deren Rahmen er gerade an die virtutes veteranorum erinnerte, die den Rekruten im Heer als exemplum dienen sollten (81,1–2), als gescheitert gelten.93 Denn dass der || 91 Vgl. dazu Goldsworthy (1998) 210f. 92 Vgl. hierzu auch Opelt (1980). 93 Vgl. Anm. 87 zu Melchior (2009).

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Erzähler, wie auch Caesar, das brutale Vorgehen der Veteranen verurteilt, markiert er deutlich durch die hohe Frequenz moralischer Wertattribute: Die Opfer auf der eigenen Seite bezeichnet er als illustres urbani und betont die absichtsvolle (consulto) Tötung des unschuldigen Tullius Rufus; das Verhalten der Angreifer tadelt er scharf (licentiam sibi assumpsissent immoderate peccare).94 Aber auch das Töten der gegnerischen Soldaten widerspricht Caesars Willen. Die Schlachtdarstellung endet mit den Worten Scipionis milites … ad unum sunt interfecti, wobei die Formulierung an den Schluss der Darstellung der Schlacht am Bagradas erinnert (milites ad unum omnes interficiuntur, civ. 2,42,5); eine beachtenswerte Parallele, da das Töten bis auf den letzten Mann im Bell. civ. gerade als Beleg für die Grausamkeit der Caesargegner gegenüber dem curionischen Heer gedeutet wurde.95 Doch aus welchem Grund wendet sich der Zorn der Soldaten nicht nur gegen den Feind – dies allein wäre, wie im Fall des Gutuatrus, vielleicht noch nachvollziehbar –, sondern auch gegen die eigenen Leute? Der Erzähler bleibt hier knapp: Die Veteranen hätten sie auctores genannt. Ähnlich wie Caesars ungehörtes Räsonieren vor Ausbruch der Schlacht bleibt diese Äußerung der Veteranen unverständlich, sodass viele Herausgeber davon ausgehen, dass hinter auctores ein Genitivattribut, etwa belli, ausgefallen ist.96 Nach diesem Verständnis wären die Veteranen kriegsmüde: Die Strapazen des afrikanischen Feldzuges, der sich vor allem wegen der anfänglichen Probleme bei Versorgung und Nachschub als langwierig und entbehrungsreich erwiesen hat, veranlassen die Soldaten zur Rache an denjenigen, die sie für die Verantwortlichen halten, nämlich den einflussreichen Stadtrömern. Doch ist kaum einsichtig, aus welchem Grund die Veteranen gerade jetzt, nach einem entscheidenden und zugleich mühelosen Sieg, ihrer Frustration freien Lauf lassen sollten.97

|| 94 Mit Recht hält Grillo (2012) 156f. diese Szene im Bell. civ. für undenkbar. 95 Vgl. Grillo (2012) 164. 96 Während Klotz (1927a) 125 und Loreto (2001) 268 dieser Vermutung Küblers folgen (bei Loreto steht belli sogar im Haupttext), macht du Pontet (1901) ad loc. nur im Apparat auf dessen Vorschlag aufmerksam. Schneider (1905) 116 geht davon aus, dass urbanos falsch überliefert ist und hier ursprünglich der erwartete Genitiv zu auctores zu finden gewesen ist. Nicht durchgesetzt haben sich Wölfflin/Miodoński (1889) 129 mit der Lesart quos urbanos auctores appellant, weil sie den Sinn der Stelle kaum aufhellt. 97 Aus diesem Grund fasst Guey (1951) 158f. auctores als juristischen terminus technicus auf. Die illustres urbani seien als Fürsprecher der Besiegten aus Scipios Heer aufgetreten und hätten dadurch den Zorn der Veteranen auf sich gezogen, die die feindlichen Truppen keinesfalls schonen wollten (von Guey inspiriert ist offenbar die Übersetzung Pennacinis 1993, 891 „favoreggiatori“). Doch bleibt die vorgeschlagene Bedeutung, die im juristischen Kontext gängig ist, in einem historiographischen Text – vor allem ohne jede weitere Erläuterung – ungewöhnlich (vgl. Richard in Bouvet/Richard 1997, 118f.). Erwägenswert hingegen Lipsius’ (1585) 96 Vorschlag, dem derselbe Gedanke zu Grunde liegt, nämlich auctores zu fautores zu emendieren.

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Im Vergleich mit der in Abschnitt 6.3.2 eingangs besprochenen Passage (82,1– 83,1) wird vielmehr wahrscheinlich, dass die Textstelle gar nicht korrupt ist. Denn ähnlich wie bereits dort besitzt die aus der verknappten Darstellung resultierende Unbestimmtheit eine Funktion: Das vorgebliche Motiv, mit dem die Veteranen das Massaker zu rechtfertigen versuchen, bleibt zunächst im Unklaren. Erneut liegt somit externe Fokalisierung vor: Der Erzähler blickt von außen auf das Geschehen, hier auf die mordenden Soldaten, und beschränkt sich darauf, das eine Wort (auctores) mitzuteilen, mit dem die Beteiligten ihre Opfer öffentlich geißeln, sagt jedoch nicht, was sie denken. Ein wesentlicher Unterschied zur Stelle 82,1–83,1 liegt nun allerdings darin, dass der aus der externen Fokalisierung resultierende Informationsrückstand beim Lesepublikum nur vorübergehender Natur ist. Denn während die Gründe für Caesars Zögern vor Schlachtbeginn auch ex post nicht aufgeklärt werden, erläutert der Erzähler an dieser Stelle die aus seiner Sicht tatsächlichen Hintergründe des Gemetzels. Als Auslöser der Zügellosigkeit identifiziert er den durch den glorreichen Sieg (ex tanta victoria) bedingten Übermut der Soldaten, die angesichts ihrer großartigen Leistungen (propter maximas res gestas) damit rechnen, für ihr Verhalten nicht bestraft zu werden. Dass victoria und res gestae nicht etwa den Glanz- und Endpunkt einer Kampagne markieren, sondern ihrerseits Ausgangspunkt für neue Gewalt sind, zeugt von einer differenzierten und von der üblichen Darstellung im Corpus Caesarianum unabhängigen Beurteilung des Kriegsgeschehens.98 Freilich sind Caesars Soldaten nicht die einzigen, die nach der Schlacht von Thapsus Unrecht begehen. Auch eine Gruppe von Scipios Reitern zieht marodierend durch die Provinz und bedroht schließlich die Cato unterstellte Stadt Utica (87,1–4; 7): Equites interim Scipionis qui ex proelio fugerant, cum Uticam versus iter facerent, perveniunt ad oppidum Paradae. Ubi cum ab incolis non reciperentur, ideo quod fama de victoria Caesaris praecucurisset, vi oppido potiti, in medio foro lignis coacervatis omnibusque rebus eorum congestis ignem subiciunt atque eius oppidi incolas cuiusque generis aetatisque vivos constrictosque in flammam coiciunt atque ita acerbissimo afficiunt supplicio; deinde protinus Uticam perveniunt. Superiore tempore M. Cato, quod *in* Uticensibus propter beneficium legis Iuliae parum * suis partibus praesidii esse existimaverat, plebem inermem oppido eiecerat et ante portam Belicam castris fossaque parvula dumtaxat munierat ibique custodiis circumdatis habitare coegerat; senatum autem oppidi custodia tenebat. Eorum castra ii equites adorti expugnare coeperunt, ideo quod eos Caesaris partibus favisse sciebant, ut, eis interfectis, eorum pernicie dolorem suum ulciscerentur … Quibus cum Cato persuadere nulla ratione quiret ut secum oppidum defenderent

|| 98 Üblicherweise geht ein Sieg mit dem – zumindest vorübergehenden – Ende der Gewalt einher: Vgl. z. B. Gall. 8,37; 46; Bell. Alex. 32; 77. Hierzu Melchior (2004) 160: „The focus on the deepening chaos … reveals an author who is interested not so much in the comforting closure of his work as in the process of dissolution that is occurring as the war continues.“

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et caede rapinisque desisterent et quid sibi vellent sciret, sedandae eorum importunitatis gratia singulis C divisit. Unterdessen kamen Scipios Reiter, die aus der Schlacht geflohen waren, auf ihrem Weg nach Utica in der Siedlung Parada an. Als sie dort von den Bewohnern nicht eingelassen wurden – das Gerücht von Caesars Sieg hatte diese nämlich schon erreicht –, bemächtigten sie sich der Siedlung mit Gewalt und steckten dann mitten auf dem Forum ein Feuer an, nachdem sie Holzscheite aufgeschichtet und die Habseligkeiten der Bewohner aufgetürmt hatten. Sogar die Einwohner dieser Stadt warfen sie lebend und gefesselt und unabhängig von Rang und Alter in die Flammen und fügten ihnen auf diese Weise die härteste Strafe zu. Sogleich darauf kamen sie in Utica an. Bereits früher hatte M. Cato, weil er davon ausgegangen war, dass mit den Einwohnern von Utica wegen der Begünstigung durch die lex Iulia99 seine Parteifreunde nur wenig Verstärkung bekommen würden, das Volk ohne Waffen aus der Siedlung geworfen, es vor dem Baalstor100 mit einem Lager und einem kleinen Graben geschützt und es gezwungen, dort von Wachen umgeben zu wohnen. Den Senat hingegen hielt er in der Stadt in Gefangenschaft. Die genannten Reiter machten sich nun daran, deren Lager anzugreifen und zu erobern, weil sie wussten, dass diese Caesars Partei gewogen waren, um, indem sie sie töteten, in ihrem Verderben die eigene Wut zu rächen … Als Cato die Reiter auf keine Weise dazu bringen konnte, mit ihm die Siedlung zu verteidigen und von Mord und Raubzügen abzusehen, und weil er wusste, was sie für sich wollten, gab er ihnen jeweils 100 (Sesterzen101), um ihrer Rücksichtslosigkeit Einhalt zu gebieten.

Die in dieser Textpassage verwendeten narrativen Mittel entsprechen in Vielem denen der zuletzt analysierten. Wieder lässt der Erzähler keinen Zweifel daran, dass er das Verhalten der scipionischen Reiter missbilligt. Die Plünderung Paradas gipfelt darin, dass alle Einwohner bei lebendigem Leib verbrannt werden, wobei der Erzähler, indem er betont, dass alle Einwohner gleich welchen Ranges und Alters (incolas cuisque generis aetatisque) getötet werden, verdeutlicht, dass es sich um eine Kollektivstrafe, ein acerbissimum supplicium, handelt. Erst als die Reiter schließlich in Utica ihre Plünderungen unvermindert fortsetzen wollen, schreitet der Kommandeur der Stadt, Cato, ein. Abermals liegt externe Fokalisierung vor: Die Motive der Angreifer bleiben zunächst gänzlich im Dunkeln, was das Massaker von Parada noch grausamer wirken lässt. Später erläutert der Erzähler, sie hätten im Tod der caesarfreundlichen Einwohner von Utica ihren eigenen Schmerz rächen wollen (ut, eis interfectis, eorum pernicie dolorem suum ulciscerentur). Das Motiv der Reiter ähnelt in der Sichtweise des Erzählers folglich dem der caesarischen Veteranen, die ebenfalls aus Zorn und Schmerz (ira et dolore incensi, 85,7) handeln – Sieger und Besiegte werde beide

|| 99 Schon im Bell. civ. (2,36,1) wird von Wohltaten Caesars gegenüber den Einwohnern von Utica berichtet (vgl. Faraguna 1993, 1485). Daher kann die hier gemeinte lex nicht identisch sein mit der lex Iulia de provinciis aus dem Jahr 46 v. Chr. (so jedoch Wölfflin/Miodoński 1889, 132; Schneider 1905, 119; Jahn 2004, 213 Anm. 97). 100 Vgl. jetzt auch Damon (2016) 161 zu civ. 2,25,1, wo die porta ebenfalls erwähnt wird. 101 Vgl. Wölfflin/Miodoński (1889) 133; Schneider (1905) 120.

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durch ihren Schmerz angetrieben. Bedingt durch die mangelnden Informationen in Bezug auf die Beweggründe der Reiter kommt das Ende überraschend: Cato gelingt es, sie zu bestechen, sodass sie von weiteren Morden absehen und in Richtung Numidien abziehen (87,8); über ihr weiteres Schicksal ist nichts bekannt. Überraschend ist diese Wendung deshalb, weil das Verhalten der Reiter bis zu diesem Zeitpunkt keineswegs darauf schließen ließ, dass ihnen an materiellen Dingen gelegen ist. Im Gegenteil zeugt die Eroberung von Parada von Zerstörungswut – alle Wertgegenstände der Einwohner werden verbrannt (omnibusque rebus eorum congestis) –, und auch mit dem Angriff auf das von Cato für die plebs inermis eingerichtete Lager vor Utica ist nicht die Aussicht auf Beute verbunden. Die Figur Cato verfügt also gegenüber dem Lesepublikum über einen Informationsvorsprung (cum … quid sibi vellent sciret), ein weiterer Beleg für die auch an dieser Stelle vorliegende externe Fokalisierung, die vom Lesepublikum eine eigene Interpretation des Dargestellten abverlangt.102

6.4 Figurenrede und Ordnung: Die Figur des Scipio im Bell. Afr. 6.4.1 Vorbemerkung Orationes rectae, die Caesar im vierten Buch des Bell. Gall. zum ersten Mal und fortan immer wieder eingesetzt hat,103 finden sich weder bei Hirtius noch im Bell. Alex. Die einzige Ausnahme bildet die an Caesar gerichtete, kurze Ansprache des rhodischen Admirals Euphranor vor Beginn der Schlacht im portus Eunostus (Bell. Alex. 15,3–4, vgl. Kap. 5.3.3). Das Bell. Afr. enthält demgegenüber wieder eine Reihe von direkten Reden unterschiedlicher Figuren: Es kommen unter anderem sowohl Caesar (54,2–5) als auch seine Gegner Considius (4,3–4), Labienus (16,1–3), Cato (22,2– 5), Scipio (44,3; 46,2) und, vermittelt über einen Boten, König Juba (57,2) zu Wort – Grund genug also, der Figurenrede im Bell. Afr. einen eigenen Abschnitt zu widmen. Wenn im Folgenden verkürzt von ‚Rede‘ gesprochen wird, sind damit, abweichend vom gewöhnlichen Gebrauch des Wortes in der Caesarforschung, stets orationes rectae gemeint. In letzter Zeit hat sich die Auffassung durchgesetzt, dass indirekte und direkte Reden bei Caesar dieselbe Funktion haben können.104 Trotzdem sind direkte Reden in den commentarii immer noch schon allein wegen ihrer Seltenheit besonders interpretationsbedürftig.105 Als Besonderheit der direkten Rede, die sie

|| 102 Vgl. Cascón Dorado (2012) 46f. 103 Für eine Übersicht vgl. Gaertner/Hausburg (2013) 122f. Anm. 190. 104 Vgl. Dangel (1995) 101; Tsitsiou-Chelidoni (2010) 146 Anm. 71. 105 Vgl. z. B. Tsitsiou-Chelidoni (2010) 136 zur Vercingetorix-Rede in Gall. 7. Dies gilt, auch wenn man Rasmussens (1963) 155f. Auffassung, dass sich an der zunehmenden Verwendung direkter Reden im Bell. Gall. ein Stilwandel ablesen lasse, nicht mehr teilen mag. Vgl. auch Schauer (2016)

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aus narratologischer Perspektive interessant macht, kommt hinzu, dass ein temporärer Stimmwechsel stattfindet, indem der Erzähler das Wort an eine seiner Figuren abgibt. Das Ziel des Abschnitts besteht darin, durch die Auswertung mehrerer orationes rectae eine Figurencharakteristik für Metellus Scipio, den Oberbefehlshaber der Caesargegner, zu erarbeiten.

6.4.2 Inkongruenz zwischen Figurenrede und Erzählerbericht: Scipio und die Gaetuler Die Rede Euphranors im Bell. Alex. ist mit vielen Reden in den caesarischen commentarii vergleichbar: In dieser wichtigen Schlacht ist das beherzte Handeln des Rhodiers eine Voraussetzung für den Sieg. Seine Rede, gehalten in einem Augenblick der Ungewissheit, leitet seine ‚Aristie‘ ein und legt so den Grundstein für den späteren Erfolg. Im Bell. Afr. sind es hingegen überwiegend Gegner Caesars, die das Wort ergreifen, außerdem ändert sich auch die Funktion der Reden.106 Sie sind nicht mehr nur an solchen Stellen platziert, an denen die Handlung ihren dramatischen Höhepunkt erreicht.107 Auch haben sie zumeist kaum noch eine Auswirkung auf den Verlauf der Ereignisse, sondern dienen vielmehr ausschließlich der Charakterisierung des Redenden sowie des Angeredeten. Für die unterschiedliche Funktion der orationes im Bell. Afr. kann die Rede Catos, die an den jüngeren Cn. Pompeius gerichtet ist, als Beispiel dienen.108 Wortreich

|| 147f. zum Bell. Gall.: „Wörtliche Reden kündigen ein bedeutendes Ereignis an und markieren den dramatischen Moment unmittelbar vor dem Höhepunkt des Geschehens … Durch die wörtliche Rede wird der entscheidende Augenblick, von dem die weitere Entwicklung der Handlung abhängt, in Jetztzeit inszeniert: Die Vergangenheit wird zur Gegenwart, die Perspektive des Redners zu der des Lesers …“. Diese Position impliziert bereits, dass der Unterschied zwischen narrativisierter, transponierter (~ indirekter) und berichteter (~ direkter) Rede im Grad der Mittelbarkeit liegt. Folgerichtig hat Genette die Behandlung direkter und indirekter Reden unter den Aspekt der ‚narrativen Distanz‘ gestellt (Genette 2010, 109f.). 106 Im Bell. civ. sind es hauptsächlich caesarische Soldaten, die Ansprachen halten (im Afrikanischen Feldzug z. B. Curio: 2,32,2–14; 39,2–3). Einzig vor der Schlacht von Pharsalos ergreifen auch Pompeius und Labienus das Wort (3,86,2–4; 87,1–4). Im Bell. Gall. stammen einige der bekanntesten Reden hingegen von Galliern: Vercingetorix (7,20,3–12; tlw. in or. obl.), Litaviccus (7,38,2–3; 6– 8) und, vor allem, Critognatus (7,77,3–16). 107 Vgl. die in Anm. 105 referierte Position Schauers (2016). 108 Diese Rede wurde in der Forschung gelegentlich für eine spätere Interpolation gehalten (Koestermann 1973; Pallavisini 1974; contra Müller 2001, 193–196). Gründe für diese Annahme sind a) der Inhalt der Rede, der einem Caesarianer nicht zugetraut werden könne, b) die angenommene Intertextualität zu R. gest. div. Aug. 1 (hierzu auch Skard 1955, 120f.). Gegen die erste Prämisse hat Schmid (1993) 143–145 berechtigte Einwände erhoben. Zur Intertextualitätshypothese äußern sich

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(multis verbis, 22,1) fordert Cato darin den Sohn des Pompeius Magnus dazu auf, endlich gemäß seinem berühmten Namen zu handeln und zur Verteidigung Afrikas aus der väterlichen Klientel Hilfstruppen zu akquirieren. Die Scheltrede dieses so großen Mannes (hominis gravissimi, 23,1) zeigt Wirkung: Der junge Pompeius ist wachgerüttelt (incitatus), macht sich sogleich mit ein paar unbedeutenden Truppen nach Mauretanien auf – und scheitert gleich im ersten Versuch, die Siedlung Ascurum einzunehmen (23,2). Die ganze Episode endet mit folgenden Worten des Erzählers (23,3): Ita re male gesta Cn. Pompeius filius naves inde avertit neque postea litus attigit classemque ad insulas Baleares versus convertit. Da die Sache so schlecht verlaufen war, legte der jüngere Gnaeus Pompeius von dort ab, lief die (afrikanische) Küste danach nicht mehr an und wandte seine Flotte in Richtung der balearischen Inseln.

Pompeius spielt im Afrikanischen Krieg von nun an keine Rolle mehr. Die Catorede und der auf sie folgende Erzählerbericht verhalten sich folglich zueinander inkongruent: Die engagierte Rede lässt, vor allem nach dem Maßstab der caesarischen commentarii, einen Handlungsumschwung erwarten. Dieser tritt jedoch nicht ein, stattdessen wird das ganze Unternehmen des Pompeius in zwei Sätzen abgehandelt. Auf den weiteren Kriegsverlauf hat sein Versuch keine Auswirkung. Es ist klar, dass eine solche Darstellung dazu geeignet ist, die Beteiligten zu charakterisieren: Cato als einen Utopisten, der sowohl den Einfluss Pompeius Magnus’ als auch die Fähigkeiten des jüngeren Cn. Pompeius überschätzt, Pompeius selbst als unfähig, auch nur eine kleine Operation erfolgreich zum Abschluss zu bringen.109 Dasselbe Prinzip der Inkongruenz zwischen Erzählerbericht und Rede findet sich wenig später nochmals, mit dem Unterschied, dass nun der Erzählerbericht der Rede voransteht (35,1–4): Quibus rebus Scipio quique cum eo essent comites mirari et requirere: C. Caesarem, qui ultro consuesset bellum inferre ac lacessere proelio, subito commutatum non sine magno consilio suspicabantur. Itaque ex eius patientia in magnum timorem coniecti, ex Gaetulis duos quos arbit-

|| bereits Richard (in Bouvet/Richard 1997, 113), der Parallelen zu Cic. Manil. 61 erkennen will, und Müller (2001) 194 Anm. 884 skeptisch. 109 Die Forschung fokussiert meist auf dem letzten Punkt: Pascucci (1965) 31f.; Faraguna (1993) 1448; Bouvet/Richard (1997) XXIIIf.; 21 Anm. 38; 99; Melchior (2009) 253–255; Coulon-McIntosh (2011) 97f. Zu Cato vgl. Schmid (1993) 143–146, hier 145: „Daß dieser redeeifrige Mahner … den jungen Mann dann mit so unzulänglicher Ausrüstung … und Bewaffnung von Utica ausfahren läßt, wirft kein sonderlich günstiges Licht auf den Kommandanten dieser Festung. Der Eindruck drängt sich auf, daß sein rigoroses Verhalten militärisch und menschlich unverantwortlich war“ und Militerni della Morte (1996) 70–72.

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rabantur suis rebus amicissimos, magnis praemiis pollicitationibusque propositis, pro perfugis speculandi gratia in castra Caesaris mittunt. Qui simul ad eum sunt deducti, petierunt ut sibi liceret vera sine periculo proloqui. Potestate facta: „Saepenumero, inquiunt, imperator, complures Gaetuli qui sumus clientes C. Mari et propemodum omnes cives Romani, qui sunt in legione IV et VI, ad te voluimus in tuaque praesidia confugere. Sed custodiis equitum Numidarum quo id sine periculo minus faceremus impediebamur. Nunc data facultate, pro speculatoribus missi ab Scipione ad te cupidissime venimus …“ Über diese Dinge wunderten sich Scipio und seine Begleiter, die bei ihm waren, und stellten Nachforschungen an: Gaius Caesar, der gewöhnlich aus eigenem Antrieb in die Offensive ging und es auf eine Schlacht anlegte, habe, so vermuteten sie, sich nicht ohne einen großen Plan so plötzlich verändert. Weil sie infolge seiner Zurückhaltung in große Angst gerieten, schickten sie zwei Gaetuler, die sie ihrer Sache im höchsten Maße verbunden glaubten, nachdem sie ihnen große Belohnungen und Versprechungen in Aussicht gestellt hatten, getarnt als Überläufer zum Auskundschaften in Caesars Lager. Kaum waren diese zu ihm gebracht worden, da baten sie darum, es möge ihnen erlaubt sein, ohne Gefahr die Wahrheit zu sagen. Dazu gab man ihnen die Gelegenheit und sie sprachen: „Oft schon, Imperator, haben wir, die Mehrzahl der Gaetuler, weil wir Schützlinge des Gaius Marius sind,110 und beinahe alle römischen Bürger in der vierten und sechsten Legion, zu dir und in deinen Schutz uns fliehen wollen. Doch wir sind von Wachen der numidischen Reiter daran gehindert worden, dies ohne Gefahr auch zu tun. Jetzt, da uns die Gelegenheit dazu gegeben wurde, kommen wir, als Kundschafter von Scipio geschickt, liebend gern zu dir …“

Ähnlich wie Cato in Kap. 22 sind es hier Scipio und seine comites, denen gleich zwei Fehleinschätzungen unterlaufen. Erstens vermuten sie hinter Caesars Passivität einen großen Plan (magnum consilium) und haben plötzlich Angst, von Caesar überrascht zu werden. Das Lesepublikum ist freilich besser informiert als Scipio und sein Vertrautenkreis: Ein solcher Plan, wie ihn die Gegenseite annimmt, existiert nicht. Caesars passives Verhalten ist vielmehr seiner geringen Truppenstärke geschuldet.111 Aufgrund seines Argwohns schickt Scipio daraufhin zwei Gaetuler als Spione in

|| 110 Dass der Relativsatz bereits an dieser Stelle schließt, ist keineswegs eindeutig (so jedoch Müller 2001, 259 und die Übersetzungen mit Ausnahme von Baumstark/Jahn 2004, 141). Denn wenn der hier sprechenden Gruppe der Gaetuler tatsächlich das römische Bürgerrecht verliehen wurde (Fentress 1982, 328; Faraguna 1993, 1455; Richard in Bouvet/Richard 1997, 116f.), könnten sie auch in Scipios Legionen aufgenommen worden sein (so auch H. Dessau, s. v. Gaetuli, RE 7,1, 1910, 464f., hier: 465). Ein Hinweis darauf, dass sich die Gaetuler mitnichten als einfache Auxiliartruppen verstehen, würde im Kontext der Rede ebenfalls gut passen. Dafür, dass die in der Rede erwähnten legionarii keine Gaetuler waren, scheint hingegen der Schlusssatz des Kapitels zu sprechen (35,6): postero die ex legionibus his quas Gaetuli nominarunt milites legionarii complures ab Scipione in castra Caesaris perfugerunt – „Am nächsten Tag flohen aus den Legionen, die die Gaetuler benannt hatten, viele Legionssoldaten in Caesars Lager.“ 111 Vgl. noch 73,1: Ob has causas quas supra commemoravi, sollicitabatur Caesar tardiorque et consideratior erat factus et ex pristina bellandi consuetudine celeritateque excesserat. – „Aus den oben von mir erwähnten Gründen war Caesar in Sorge, war langsamer und besonnener geworden und hatte von seiner alten Kriegsführung und Schnelligkeit Abstand genommen.“

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Caesars Lager, die dort aber, kaum dass sie angekommen sind, Caesar den Zweck ihrer Mission verraten und zu ihm überlaufen. Mittels der direkten Rede wird Scipio nun zum zweiten Mal, wiederum ganz ohne Erzählerkommentar, als inkompetent entlarvt, hatte er doch die beiden Gaetuler als besonders ergeben eingeschätzt und ihnen darüber hinaus noch Belohnungen in Aussicht gestellt (magnis praemiis pollicitationibusque propositis). Die Tragweite dieser zweiten Fehleinschätzung lässt sich ermessen, wenn man bedenkt, wie die Gaetuler ihre Entscheidung, zu Caesar überzulaufen, begründen: Sie nennen sich clientes C. Mari. Dass sich die Gaetuler auf den Heeresreformer Marius berufen, kommt dabei, obwohl dessen Name im gesamten Bell. civ. nicht gefallen ist,112 an dieser Stelle nicht überraschend. Schon kurz vorher war nämlich eine Reihe von Gaetulern zu Caesar übergelaufen, „weil sie selbst und ihre Vorfahren von einem Freundschaftsdienst des Gaius Marius profitiert hatten und davon hörten, dass Caesar ein Verwandter von ihm war“ (quod ipsi maioresque eorum beneficio C. Mari usi fuissent Caesaremque eius adfinem esse audiebant, 32,3).113 An späterer Stelle wird auch das Wesen des hier apostrophierten beneficium aufgeklärt (56,3): Namque Gaetuli ex equitatu regio nobiliores equitumque praefecti, quorum patres cum Mario ante meruerant eiusque beneficio agris finibusque donati post Sullae victoriam sub Hiempsalis regis erant dati potestatem, occasione capta … perfugiunt in Caesaris castra … Denn die angeseheneren Gaetuler aus der königlichen Reiterei und die Reiterpräfekten, deren Väter gemeinsam mit Marius gedient hatten, von ihm als Freundschaftsdienst mit Äckern und Land beschenkt, nach Sullas Sieg (aber) unter die Vorherrschaft des Hiempsal gestellt worden waren, ergriffen die Gelegenheit … und flohen sich zu Caesar …

Erneut favorisiert der Erzähler die singulative Berichterstattung (vgl. Abschn. 6.2.3): Dreimal laufen während des Afrikafeldzugs Gaetuler zu Caesar über, dreimal variiert er dieselbe Begründung für den Seitenwechsel. Militärisch bedeutsam sind die Überläufer nicht, sieht man von einem Angriff einiger Gaetuler auf Numidien ab, der Juba dazu nötigt, sechs Kohorten zur Verteidigung in sein Königreich zurückzuschicken (55,1–2).114 Auf die Rede der Gaetuler (35,4) folgt zudem wieder kein Handlungsumschwung. Allerdings wird durch den Singulativ das Klientelverhältnis, das offenbar zwischen einem Teil der Gaetuler und Marius bestand, besonders betont. Dies hat Folgen für die Modellierung der Figur Caesar, der auf diese Weise als Erbe der alten marianischen Freundschaftsbeziehungen präsentiert wird. Scipio dagegen

|| 112 Vgl. Grillo (2012) 154. 113 Caesar war Marius’ Neffe. 114 Dagegen kämpfen Caesars Truppen wiederholt gegen die Gaetuler: 25,2–3; 61,2–5; 62,1; vgl. auch 43.

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missachtet solche historisch gewachsenen Bindungen: Er hält ausgerechnet zwei Gaetuler für seine treuesten Anhänger und schickt sie ins feindliche Lager. Aus den zitierten Stellen, in denen die Gaetuler auf Marius als ihren patronus verweisen, geht nicht hervor, welchen Dienst sie dem Römer erwiesen haben, der sie dann in den Genuss der erwähnten Landzuweisungen kommen ließ. Die geschichtswissenschaftliche Forschung geht zumeist davon aus, dass einige Gaetuler im Krieg gegen Jugurtha die Seiten gewechselt und dann im marianischen Heer gekämpft haben.115 Gegen diese These hat jedoch Fentress starke Argumente vorgebracht. Insbesondere die in Bell. Afr. 56 beschriebenen Strafmaßnahmen Sullas gegen die Gaetuler machen es wahrscheinlich, dass Marius den Gaetulern ihre Privilegien erst für ihre Unterstützung im Bürgerkrieg gewährt hat.116 Nach dieser Rekonstruktion hätten die Afrikaner im Jahr 87 geholfen, als Marius als Geflohener in Nordafrika seinen Widerstand gegen Sulla organisierte.117 Es ist daher gut möglich, dass im Bell. Afr. eine Verbindungslinie von den Bürgerkriegen der Achtzigerjahre zu den Auseinandersetzungen im Jahr 46 gezogen wird. Aus Bell. Afr. 56 geht sicher immerhin Folgendes hervor: Caesar erbt Marius’ Klientel nicht bedingungslos, vielmehr ist mit der Flucht zu Caesar seitens der Gaetuler auch die Hoffnung verbunden, er werde ihnen gegenüber das durch Sulla erlittene Unrecht wiedergutmachen. Der Erzähler zeigt sich folglich bemüht, Afrika als Raum mit seiner Geschichte vorzustellen.118 Dabei rekurriert er jedoch nicht etwa auf die Zeitgeschichte – die Niederlage der Caesarianer am Bagradas119 – sondern greift zurück auf die Zeit Mariusʼ und Sullas. Scipio hat für den historischen Zusammenhang, wie ihn der Erzähler entfaltet, kein Bewusstsein. So wirkt gerade angesichts der zusätzlichen Informationen in Bell. Afr. 56 die Vertrauensseligkeit Scipios in Bell. Afr. 35 in der Rückschau nur noch unangemessener. Noch dringender stellt sich nämlich die Frage: Wieso wusste Scipio nichts von der wahren Parteizugehörigkeit ‚seiner‘ Gaetuler, die die von Sulla befohlene Unterordnung unter Hiempsal, also den Vater seines engsten Verbündeten Juba, als Affront auffassen mussten?120 || 115 H. Dessau, s. v. Gaetuli, RE 7,1, 1910, 464f., hier: 465; Gsell (1930a) 263f.; 287; Way (1955) 194 Anm. 1; Richard in Bouvet/Richard (1997) 116f. 116 Vgl. Fentress (1982) 326. Außerdem finden sich keinerlei Belege für gaetulische Unterstützung Roms im Jugurthinischen Krieg. So kämpfen sie in Sallusts Iugurtha bis zum Ende des Krieges ausschließlich auf der Seite des Numiderkönigs (vgl. ebd.); zweifelnd Carter (1997) 314. 117 Vgl. Fentress (1982) 327f.; Bouvet/Richard (1997) 31f. Anm. 48. 118 Zum Geschichtsbewusstsein vgl. Pötter (1932) 73; Schmid (1993) 139, zur nuancierten Beschreibung der Gaetuler im Bell. Afr. auch Luisi (1992) 147f.; Callegarin (2009) 212. 119 Die Ereignisse des ersten Afrikanischen Feldzuges werden im Bell. Afr. zwar nicht verschwiegen – so wird zweimal auf Curios Niederlage angespielt (19,2; 40,5) –, doch hat dieses Ereignis in der Darstellung des Erzählers keinerlei Folgen für den aktuellen Krieg. 120 Fentress (1982) 332 glaubt an eine bereits lange währende Rivalität zwischen Numidern und Gaetulern: „As we have seen, throughout the first century B. C. they [the Gaetuli] have consistently

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Angesichts dieses Ergebnisses überrascht es nicht, dass mangelndes historisches Bewusstsein auf Seiten Scipios auch darüber hinaus, nämlich im Umgang mit dem Numiderkönig Juba, zu Fehlverhalten führt (57,4–6): Atque etiam et superbius Iubae factum non in M. Aquinium hominem novum parvumque senatorem, sed in Scipionem hominem illa familia, dignitate, honoribus praestantem. Namque cum Scipio sagulo purpureo ante regis adventum uti solitus esset, dicitur Iuba cum eo egisse non oportere illum eodem vestitu atque ipse uteretur. Itaque factum est ut Scipio ad album sese vestitum transferret et Iubae, homini superbissimo ineptissimoque, obtemperaret. Ja, Juba handelte sogar noch hochmütiger, nicht gegenüber M. Aquinius, einem homo novus und kleinem Senator, sondern gegenüber Scipio, einem Mann, der sich durch seine Familie, Würde und Ehrentitel auszeichnete. Denn weil Scipio vor Ankunft des Königs gewöhnlich einen Purpurmantel getragen hatte, sagt man, dass Juba mit ihm gestritten habe: Es gehöre sich für ihn nicht, dieselbe Kleidung zu tragen wie er. So geschah es, dass Scipio zu weißer Kleidung wechselte und Juba, diesem überaus hochmütigen und schwachsinnigen Mann, Gehorsam leistete.

Es liegt auf der Hand, dass in dieser Passage mit dem Ablegen des purpurnen Feldherrnmantels als Symbol für Scipios Autoritätsverlust die mangelnde Durchsetzungsfähigkeit des Römers gegenüber Juba illustriert wird.121 Schon zuvor war M. Aquinius vom Erzähler explizit dafür getadelt worden, dass er einen Befehl Scipios zuerst ignorierte, ihm schließlich aber doch Folge leistete, als schließlich Juba ihm drohte.122 Auch hier hat das Geschehen aber eine historische Dimension, die im Text durch den Hinweis auf die große Familientradition Scipios (hominem illa familia, dignitate, honoribus praestantem) anklingt. Das freundschaftliche Band zwischen den Scipionen und den Numiderkönigen besteht seit dem Jahr 206, als König Massinissa im Zweiten Punischen Krieg die Seiten wechselte und den älteren Scipio gegen Karthago unterstützte (z. B. Liv. 28,16,11). In der Schlussphase des Numantinischen Krieges kämpfte dann der Numiderkönig Jugurtha unter Scipio Aemilianus und wurde dessen Freund (Sall. Iug. 7,6).123 Metellus Scipio ist es nun, der es zulässt, dass Juba das Abhängigkeitsverhältnis zwischen einer der traditionsreichsten Fami|| taken the side opposed to the Numidian Kings.“ Unklar ist dann, aus welchem Grund die Gaetuler teilweise trotzdem König Juba unterstützten (s. Anm. 114; vgl. auch Bertrandy 1991, 294; 296f.). 121 Vgl. Sihler (1912) 247; Schneider (1959) 106; Coulon-McIntosh (2011) 93f. Melchior (2004) 153 parallelisiert die Darstellung Jubas an dieser Stelle mit civ. 2,44. 122 Entrüstet kommentiert der Erzähler (57,3): Usu venisse hoc civi Romano, et ei qui ab populo Romano honores accepisset, incolumi patria fortunisque omnibus, Iubae barbaro potius oboedientem fuisse quam aut Scipionis obtemperasse nuntio aut caesis eiusdem partis civibus incolumem reverti malle! – „Dass das für einen römischen Bürger zur Gewohnheit geworden ist, einem, der vom römischen Volk politische Ämter übertragen bekam: Dass er, obwohl Heimat und alles Vermögen unversehrt war, lieber dem Barbaren Juba gehorsam sein wollte, als dass er dem Boten Scipios gehorcht hätte oder unversehrt umgekehrt wäre, nachdem (schon) Bürger derselben Partei gestorben waren!“ 123 Vgl. auch Fentress (1982) 329.

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lien Roms und den numidischen Klientelkönigen invertiert: Im Bell. Afr. ist Scipio Jubas Vasall. Es gehört sich demnach nicht nur für einen Römer nicht, einem fremden König lieber Untertan sein zu wollen als seinem eigenen Feldherrn (wie im Beispiel des M. Aquinius), genauso wenig gehört es sich für einen Scipio, den die Geschichte seines Namens zu Stolz verpflichtet, sich von einem Numider seine Bekleidung vorschreiben zu lassen.

6.4.3 Das Rededuell zwischen Scipio und einem namenlosen Zenturio Caesars Eine Verwendungsweise der oratio recta, die das Bell. Afr. auch gegenüber den anderen commentarii auszeichnet, ist ihr Einsatz im Rahmen kurzer Dialoge. Im gesamten Text gibt es drei solcher Dialoge: Einen Wortwechsel zwischen C. Considius und einem von L. Munatius Plancus geschickten Gefangenen, der für Verhandlungen zwischen beiden Kriegsparteien werben soll (4,3–4), ein Wortgefecht zwischen T. Labienus und einem Veteran der zehnten Legion auf dem Höhepunkt der Schlacht von Ruspina (16,1–4) und schließlich ein Rededuell zwischen Metellus Scipio und einem Zenturio aus dem zweiten Truppentransport, dessen Schiff vom Kurs abgekommen und gefangengenommen worden ist (44–46). Wie die anderen direkten Reden verfügt auch jeder dieser Dialoge über hohe Symbolkraft: So muss der von Plancus geschickte Unterhändler nur deshalb sterben, weil er auf Considius’ Frage, woher der Brief komme, den er ihm bringe, mit den Worten imperatore a Caesare antwortet. Dass er Caesar einen imperator nennt, interpretiert Considius als Verrat an Scipio und lässt ihn sofort töten – ein exemplum für die Grausamkeit der Caesargegner.124 Der caesarische Soldat wiederum, der mitten auf dem Schlachtfeld vom siegesgewissen Labienus als miles tiro und feroculus verhöhnt wird, reißt sich mit den Worten Iam me quis sim intelleges! („Du wirst schon sehen, wer ich bin!“) den Helm vom Kopf und gibt sich ihm so als Veteran aus der zehnten Legion zu erkennen. Sein Wurfspieß, den er im Anschluss auf Labienus abfeuert, trifft dann allerdings nur dessen Pferd. So fungiert dieser Zweikampf als Sinnbild für die Schlacht insgesamt, in der die Caesarianer zwar ein Achtungszeichen setzen, aber den Gegner nicht entscheidend schwächen.125

|| 124 Vgl. hierzu Glücklich (1990) 78f.; Melchior (2004) 147f.; Coulon-McIntosh (2011) 81f. – Die Passage ist textkritisch umstritten, da die Kodizes statt imperatore, einer Konjektur Barths (1624) 831, der die meisten Herausgeber folgen (u. a. Bouvet/Richard 1997, 5), immo überliefern. 125 Vgl. hierzu Glücklich (1990) 79f.; Melchior (2004) 154f. und (2009) 246f.; Coulon-McIntosh (2011) 90f.

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Anhand des dritten Rededuells zwischen Scipio und dem caesarischen Legionär soll die im vergangenen Abschnitt skizzierte Figurencharakteristik des Scipio ausgebaut und verfeinert werden; es wird daher hier ganz zitiert (44,2–46,3): (XLIV,2) Item altera navis trieris ex eadem classe, errabunda ac tempestate delata ad Aegimurum, a classe Vari et M. Octavi est capta, in qua milites veterani cum uno centurione et nonnulli tirones fuerunt; quos Varus adservatos sine contumelia deducendos curavit ad Scipionem. Qui postquam ad eum pervenerunt et ante suggestum eius constiterunt, „Non vestra, inquit, sponte vos certo scio, sed illius scelerati vestri imperatoris impulsu et imperio coactos cives et optimum quemque nefarie consectari. Quos quoniam fortuna in nostram detulit potestatem, si, id quod facere debetis, rem publicam cum optimo quoque defendetis, certum est vobis vitam et pecuniam donare. Quapropter quid sentiatis proloquimini.“ (XLV) Hac habita oratione Scipio, cum existimasset pro suo beneficio sine dubio ab his gratia sibi actum iri, potestatem iis dicundi fecit. Ex eis centurio legionis XIV „Pro tuo, inquit, summo beneficio, Scipio, tibi gratias ago – non enim imperatorem te appello – quod mihi vitam incolumitatemque belli iure capto polliceris; et forsitan isto uterer beneficio, si non ei summum scelus adiungeretur. Egone contra Caesarem imperatorem meum, apud quem ordinem duxi, eiusque exercitum, pro cuius dignitate victoriaque amplius XXXVI annos depugnavi, adversus armatusque consistam? Neque ego istud facturus sum et te magnopere ut de negotio desistas adhortor. Contra cuius enim copias contendas, si minus antea expertus es, licet nunc cognoscas. Elige ex tuis cohortem unam quam putas esse firmissimam, et constitue contra me; ego autem ex meis commilitonibus quos nunc in tua tenes potestate non amplius X sumam. Tum ex virtute nostra intelleges quid ex tuis copiis sperare debeas.“ (XLVI) Postquam haec centurio praesenti animo adversus opinionem eius est locutus, ira percitus Scipio atque animi dolore incensus annuit centurionibus quid fieri vellet, atque ante pedes centurionem interficit reliquosque veteranos a tironibus iubet secerni. „Abducite istos, inquit, nefario scelere contaminatos et caede civium saginatos.“ Sic extra vallum deducti sunt et cruciabiliter interfecti. Tirones autem iubet inter legiones dispertiri … (44,2) Desgleichen wurde eine Triere aus demselben Flottenverband, die umherirrte und vom Unwetter nach Aegimurus abgetrieben worden war, von der Flotte des Varus und des M. Octavius abgefangen. An Bord befanden sich Veteranen zusammen mit einem Zenturio und einige Rekruten. Varus sorgte dafür, dass die Gefangengenommenen ohne Misshandlung zu Scipio gebracht wurden. Nachdem sie zu ihm gekommen waren und vor seiner Tribüne standen, sagte er: „Nicht aus eigenem Antrieb, sondern auf Druck und gebunden durch Befehl jenes eures verbrecherischen Imperators, so bin ich mir sicher, verfolgt ihr frevelhaft Bürger und gerade die Besten. Weil euch das Schicksal in meine Gewalt geführt hat, so ist es, für den Fall, dass ihr – was ihr zu tun verpflichtet seid – den Staat mit diesen Besten verteidigen wollt, sicher, dass ich euch euer Leben und Geld schenke. Sagt darum, was ihr davon haltet!“ (45) Nach dieser Rede gab er ihnen, weil er davon ausgegangen war, für seine Freundlichkeit zweifellos Dank von ihnen zu ernten, die Gelegenheit zu sprechen. Von ihnen sprach der Zenturio aus der vierzehnten Legion: „Für deine Freundlichkeit, Scipio, danke ich dir – Imperator nenne ich dich freilich nicht –, dass du mir, einem nach Kriegsrecht Gefangenen, mein Leben und körperliche Unversehrtheit versprichst. Tatsächlich würde ich möglicherweise auf deine Freundlichkeit eingehen, wenn damit nicht das größte Verbrechen verbunden wäre. Soll ich mich gegen Caesar, meinen Imperator, bei dem ich ein Kommando übernommen habe, und gegen sein Heer, für dessen Ehre und Sieg ich mehr als 36 Jahre lang gekämpft habe, als Gegner und bewaffnet zum Kampf aufstellen? Das werde ich nicht tun, und dich rufe ich dringend dazu auf, von deinem Anliegen abzulassen. Gegen wessen Truppen du kämpfst, sollst du, wenn du es bis jetzt nicht zur Genüge erfahren hast, jetzt kennenlernen. Wähle aus deinen Truppen eine Ko-

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horte, die du für die stärkste hältst, und biete sie gegen mich auf. Ich werde im Gegenzug aus meinen Mitkämpfern, die du jetzt in deiner Gewalt hast, nicht mehr als zehn auswählen. Dann wirst du an unserer Tapferkeit erkennen, was du von deinen Truppen hoffen darfst.“ (46) Nachdem dies der Zenturio geistesgegenwärtig und gegen Scipios Erwartung gesagt hatte, gab dieser, von seinem Zorn ganz in Rage und voller Wut im Bauch, seinen Zenturionen durch Nicken zu verstehen, was geschehen sollte, tötete den Zenturio vor seinen Füßen und befahl, die übrigen Veteranen von den Rekruten zu trennen. „Führt sie ab“, sagte er, „sie sind befleckt von frevelhaftem Verbrechen und gemästet mit dem Blut von Bürgern.“ So wurden sie hinter die Verschanzung geführt und auf grausame Weise getötet. Die Rekruten dagegen ließ er auf seine Legionen verteilen.

Diese Szene illustriert beispielhaft die moralische Überlegenheit des caesarischen Zenturios, der nicht nur das Angebot Scipios überzulaufen ausschlägt, sondern es sogar wagt, seinen Gegner zu provozieren, indem er die virtus seiner Truppen infrage stellt. Scipio antwortet auf diese Standhaftigkeit mit Grausamkeit: Er tötet den Sprecher sofort, lässt die anderen Veteranen auf qualvolle Weise (cruciabiliter126) umbringen – sie sind wie der Zenturio für Bekehrungsversuche ohnehin unempfänglich – und verleibt seinen Truppen nur die Rekruten ein, die noch nicht über dieselbe Bindung an Caesar und sein Heer verfügen.127 Obwohl also die Strafen, die Scipio gegen die Gefangenen verhängt, drakonisch sind und sein Verhalten damit, wie Melchior zurecht betont hat, als exemplum malum fungiert, erschöpft sich das Deutungspotential der Textstelle noch nicht in diesem Punkt. Dies lässt sich erneut am Verhältnis zwischen Figurenrede und Erzählerbericht zeigen. Nachdem Scipio gesprochen hat, legt der Erzähler Wert darauf, herauszustellen, dass dieser davon überzeugt sei (existimasset … sine dubio), für sein Angebot den Dank der Gefangenen zu ernten, die mit ihrem Tod rechnen mussten. Da der Text keinerlei Hinweise darauf gibt, dass es sich bei dem Versuch, die Soldaten zum Überlaufen zu bewegen, um eine Finte handeln könnte,128 lässt sich Scipios Handeln insofern als redlich gemeinter Imitationsversuch der caesarischen clementia-Politik deuten. Dieser unterscheidet sich von Caesars Gnadenakten nur durch die zusätzliche Bestechung (certum est vobis vitam et pecuniam donare), die zweifelhaft werden lässt, ob tatsächlich eine moralische Verpflichtung zum Übertritt besteht (id quod facere debetis), wie Scipio behauptet hatte.129 Interessanterweise geht der Zenturio in seiner Antwort auf diesen Aspekt jedoch gar nicht ein, obwohl er ihm zweifelsohne die Gelegenheit dazu geboten hätte, das Angebot des Gegners als verwerflich zu entlarven. Ihm geht es allein darum, zu begründen, warum es für ihn unter diesen

|| 126 Zur Wortbildung vgl. Adams (2005) 88f. 127 Vgl. Müller (2001) 303f. und Melchior (2009) 245f., die insbesondere die Exemplarität des dargestellten Verhaltens und seine Wirkung auf das Lesepublikum untersucht. 128 Im Gegenteil: Varus und M. Octavius sorgen dafür, dass die Gefangenen untadelig (sine contumelia) behandelt werden. 129 So richtig Müller (2001) 303.

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Umständen das größte Verbrechen (summum scelus) wäre, auch nur das Leben von Scipio geschenkt zu bekommen.130 Dass Scipio nun kein Pardon mehr kennt, kommt nicht unerwartet und ist, gerade nach der provokanten Aufforderung des Zenturios zum Schaukampf, folgerichtig. Überraschend ist vielmehr, dass Scipio – woran das Lesepublikum durch den erneuten Hinweis des Erzählers jetzt erinnert wird131 – nicht mit einer solchen abschlägigen Antwort, wie sie für den Zenturio selbstverständlich ist, gerechnet hat. Scipios Verhalten in dieser Situation erweist sich als konsistent: Wie schon damals, als er die beiden Gaetuler zu Unrecht als besonders treu einschätzte, beurteilt er auch in diesem Fall die Lage gänzlich falsch. Seine irrige Hoffnung, Caesars ergebenste Männer auf sein Ideal der res publica verpflichten zu können, erweist ihn als verblendet und realitätsfern.132 Damit ist aber auch klar: Der Erzähler des Bell. Afr. zeichnet Scipio – im Gegensatz zu Juba – nicht als Tyrannen,133 der von Natur aus Freude an Gewalttätigkeit und Unterdrückung empfindet; tatsächlich belegt sein Verhalten nur ein ums andere Mal, dass ihm die Einsicht in die Absurdität seiner eigenen Überzeugungen fehlt. Seine Gewalttätigkeit ist Symptom dieses Starrsinns: Die Rede des Zenturios erzeugt bei ihm ira und dolor animi, jene Affekte, die der Erzähler auch später für die entgrenzte Gewalt der caesarischen Soldaten und scipionischen Reiter verantwortlich machen wird (vgl. Abschn. 6.3.3). Scipios letzter Satz, gerichtet an seine Zenturionen, soll offenbar deutlich machen, dass er nicht dazu in der Lage ist, Verständnis für die Loyalität des caesarischen Zenturio aufzubringen und seine eigene Weltanschauung nur umso vehementer vertritt.134 Schon Melchior hat dafür argumentiert, dass der Text durch die Kontrastierung des unangemessenen Verhaltens Scipios mit dem vorbildlichen des Zenturios das Lesepublikum dazu einlädt, die Szene im Sinn des Erzählers zu deuten.135 Diese

|| 130 Insofern kann man Glücklich (1990) 81 nicht zustimmen, wenn er über die Soldaten des Bell. Afr. schreibt: „Ihre Haltung ist zwar von selbstverständlicher Treue zu Caesar, aber sie reflektieren weder die Gründe dafür, noch haben sie Caesars politische Argumentation verinnerlicht.“ 131 Hier, zu Beginn des 46. Kapitels, erfolgt nochmals die Bemerkung, dass die Antwort des Zenturios der Erwartungshaltung Scipios zuwiderläuft (adversus opinionem eius); richtig beobachtet von Müller (2001) 311. 132 Ganz nebenbei illustriert dieses Beispiel, ohne es freilich zum Thema zu machen, sehr anschaulich das Dilemma der caesarischen clementia-Politik im Bürgerkrieg: Sie setzt voraus, dass derjenige, dem die Amnestie in Aussicht gestellt ist, auch willens ist, den damit verbundenen Akt der Unterwerfung zu leisten (vgl. z. B. Barden Dowling 2006, 20–24 für eine Zusammenfassung dieser weit verbreiteten Position; kritisch dagegen Konstan 2005). 133 Contra Melchior (2004) 152 und (2009) 246. 134 Von Melchior (2004) 152 wird dieser letzte Satz als ironisch gedeutet, da Scipio Caesars Veteranen für ein Verbrechen verurteile, das er selbst begehe: das Morden von Bürgern. 135 Melchior (2009): „Although Scipio cannot recognize the importance of the centurion’s statements, we as readers can. An ethical bond is forged between the reader, the text and the centurion that excludes Scipio.“

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zutreffende Beobachtung lässt sich mit einer Überlegung Rüpkes kombinieren. So zeigen gerade Beispiele wie diese, dass Rüpke mit seiner Einschätzung der nichtcaesarischen Schriften, und hier im Besonderen des Bell. Afr., als „Parteiliteratur“ richtig liegt.136 Es ist Literatur, die dadurch, dass sie wie hier versucht, eine Interpretationsgemeinschaft im Sinne Melchiors herzustellen, die Möglichkeit, ehemalige Gegner im Nachhinein noch von der Richtigkeit der eigenen Position zu überzeugen, tendenziell ausschließt. Vielmehr können solche Szenen der Selbstvergewisserung dienen: Caesars Zenturio legt selbst dar, aus welchen Gründen es ihm nicht möglich ist, anders zu handeln, als er es tut. Das intendierte Lesepublikum wird eingeladen, Gleiches für sich selbst zu denken.

6.5 Nachtrag: Die Selbstmorde Catos und Jubas Am Ende des Bell. Afr. wird über das Schicksal fast aller Kontrahenten Caesars berichtet.137 Einige werden vom Feldherrn begnadigt, unter ihnen C. Vergilius, der Kommandeur von Thapsus (93,3). Viele hingegen finden den Tod: C. Considius Longus, der Kommandeur von Hadrumetum, wird von einer Gruppe Gaetuler hintergangen (93,2);138 L. Afranius, der Gegner Caesars im ersten Hispanischen Feldzug, über dessen Aufgaben im Bell. Afr. kaum etwas berichtet wird, stirbt genau wie L. Sulla Faustus, der Sohn des Diktators Sulla, bei Unruhen unter caesarischen Soldaten (95,3); Scipio wird auf dem Weg nach Hispanien getötet (96,2). Auch König Juba und M. Petreius kommen ums Leben. Ohne verbleibende Hoffnung fassen sie den Plan, einander in einem Schwertkampf zu töten (94): Rex interim ab omnibus civitatibus exclusus, desperata salute, cum iam conatus esset, cum Petreio, ut cum virtute interfecti esse viderentur, ferro inter se depugnant atque firmior inbecilliorem Iuba Petreium facile ferro consumpsit. Deinde ipse sibi cum conaretur gladio traicere pectus neque posset, precibus a servo suo impetravit ut se interficeret idque obtinuit. ________ Iuba Petreium codd : Iubam Petreius Rubenius Elect. 1,10 (prob. Bouvet) Inzwischen war der König von allen Bürgerschaften abgewiesen worden. Ohne Hoffnung auf Rettung focht er, nachdem er schon alles versucht hatte, mit Petreius, damit die beiden den Anschein erweckten tapfer gestorben zu sein, einen Schwertkampf aus. Der stärkere Juba tötete leicht den schwächeren Petreius mit dem Schwert. Als er dann versuchte, sich selbst die Brust mit dem Dolch zu durchbohren, es aber nicht fertigbrachte, erreichte er durch Bitten von seinem Sklaven, dass er ihn töte, und fand so den Tod.

|| 136 Rüpke (1992) 224. 137 Über die Ausnahmen, T. Labienus und P. Attius Varus, vgl. Abschn. 6.1. 138 Zur infidelitas der Gaetuler gegenüber Scipio und seinen Verbündeten vgl. Abschn. 6.4.2.

Nachtrag: Die Selbstmorde Catos und Jubas | 181

Uneinheitlich beantwortet worden ist in der Forschung bislang die Frage, ob gemäß der Lesart der Handschriften Juba Petreius tötet oder ob im Text Subjekt und Objekt vertauscht werden müssen, sodass Petreius den Numiderkönig umbringt.139 Im Folgenden möchte ich dafür argumentieren, den überlieferten Text Iuba Petreium … consumpsit beizubehalten. Bisher nicht genügend berücksichtigt wurde in diesem Zusammenhang nämlich, dass ein gescheiterter Selbstmordversuch Jubas als exemplum eines unwürdigen Todes aufgefasst werden kann, weil der Tod des Königs durch die Hand eines Sklaven in scharfem Kontrast zum ebenfalls im Bell. Afr. dargestellten Selbstmord Catos (88,2–4) steht.140 Ein Hauptargument für die fragliche Textkorrektur liegt darin, dass auf diese Weise die Darstellung des Zweikampfes zwischen Juba und Petreius im Bell. Afr. mit dem späteren Bericht des Livius harmonisiert werden kann, in dem, wenn der Epitomator den exzerpierten Text korrekt wiedergibt, Petreius Juba und sich selbst tötet (Petreius Iubam seque interfecit, per. 114).141 Wölfflin und Miodoński haben diesen Vorschlag gebilligt, da sie nicht glauben, dass der Verfasser – ihrer Auffassung nach also Asinius Pollio – den Numider als im Zweikampf überlegen darstellen wollte.142 Die Überlegenheit Jubas bei Beibehaltung des überlieferten Textes ist jedoch nur eine scheinbare: Zum einen passt es gut zum grausamen Charakter des Königs, dass es ihm leicht fällt, Petreius, der ja keine ernste Gegenwehr leistet, zu töten.143 Seine Charakterschwäche zeigt sich zum anderen gleich darauf, insofern er mit seinem eigenen Selbstmordversuch scheitert: Die Worte neque posset deuten,

|| 139 Für die Emendation sprechen sich Wölfflin/Miodoński (1889) 141; Schneider (1904) 1084 und (1905) 130; Klotz (1927a) 132 und Bouvet/Richard (1997) 87f. mit Anm. 150 und 120 aus. Dagegen behalten du Pontet (1901) ad loc.; McDermott (1969) 858 und Melchior (2004) 167 den überlieferten Text bei. Zweifelnd äußern sich Way (1955) 294 Anm. 2; Faraguna (1993) 1490f. und CoulonMcIntosh (2011) 101. Jahn (2004) 202f. übernimmt aus der Ausgabe du Pontets die Lesart Iubam Petreius, übersetzt dann aber ohne erläuternde Anmerkung: „… der stärkere Iuba tötete leicht den schwächeren Petreius“ (vgl. Städele 2006, 478). 140 Dies wurde bisher lediglich am Rande von Melchior (2004) 166 bemerkt. 141 Rubens (1608) I, 13. – Wie in per. 114 auch Flor. 2,69: Iuba … magnifice epulatus est postero die cum Petreio fugae comite superque mensas et pocula interficiendum se ei praebuit. Ille et regi suffecit et sibi …; diese und weitere Stellen zum Tod Jubas listen Schneider (1904) 1083 und McDermott (1969) 859. Rubens’ Emendation cenatus statt conatus in Bell. Afr. 94 (ebenfalls in Anlehnung an Flor. 2,69) wird von du Pontet (1901) und den von du Pontet abhängigen Ausgaben (Way 1955, 294; Jahn 2004, 202) übernommen. 142 Wölfflin/Miodoński (1889) 141: „Et Asinius Iubam inertissimum dixerat (57,6) et Petreium asperiorem quidem, sed minime imbecillum fuisse omnes consentiunt.“ 143 Mit dem Text scheint die Interpretation Schneiders (1904) 1086 hingegen unvereinbar, nach der Juba „in seinem Unglücke doch noch die Ehre rettete und durch freiwilligen Entschluß dem schandvollen Geschicke des Jugurtha zu entrinnen verstand.“ Dagegen spricht schon die Formulierung ut cum virtute interfecti esse viderentur in Bell. Afr. 94, die verdeutlicht, dass der Erzähler den Tod der beiden Flüchtigen gerade nicht als ehrenhaft aufgefasst wissen will (ähnlich Voisin 1983, 22; Melchior 2009, 244 Anm. 12; Coulon-McIntosh 2011, 102).

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wie bereits Caspar von Barth anmerkt, auf die Furchtsamkeit des überlebenden Zweikämpfers. Auch dieses Verhalten passt besser zu Juba, dem homo ineptissimus (57,6).144 Lassen sich also bereits Einwände gegen die Änderung des überlieferten Textes geltend machen, wenn man Bell. Afr. 94 für sich allein betrachtet, so verstärken sich diese noch, sobald auch der Kontext einbezogen wird. Kurz vor dem Zweikampf zwischen Juba und Petreius wurde nämlich mit dem Tod Catos bereits ein erster Selbstmord geschildert (88,2–5), der mit den späteren Ereignissen im Zusammenhang steht:145 Quorum cum partem adsentire, partem animum mentemque perterritam atque in fugam destinatam habere intellexisset, amplius de ea re agere destitit navesque his adtribuit ut in quas quisque partes vellet proficiscerentur. Ipse omnibus rebus diligentissime constitutis, liberis suis L. Caesari qui tum ei pro quaestore fuerat commendatis, et sine suspicione, vultu atque sermone quo superiore tempore usus fuerat cum dormitum isset, ferrum intro clam in cubiculum tulit atque ita se traiecit. Qui cum anima nondum exspirata concidisset, impetu facto in cubiculum ex suspicione medicus familiaresque continere atque volnus obligare coepissent, ipse suis manibus vulnus crudelissime divellit atque animo praesenti se interemit. Quem Uticenses quamquam oderant partium gratia, tamen propter eius singularem integritatem et quod dissimillimus reliquorum ducum fuerat quodque Uticam mirificis operibus munierat turribusque auxerat, sepultura afficiunt. Sowie er (sc. Cato) verstanden hatte, dass sie (sc. die Dreihundert146) ihm teils zustimmten, teils (aber schon) ihren furchtsamen Sinn und Verstand auf die Flucht gerichtet hatten, ließ er davon ab, weiter über dieses Thema zu verhandeln und gab ihnen Schiffe, damit jeder abreisen konnte, wohin er wollte. Er selbst ordnete seine Angelegenheiten höchst gewissenhaft; seine Kinder vertraute er L. Caesar an, der damals bei ihm Proquaestor war. Als er daraufhin, ohne Verdacht zu erregen, und mit einem Gesichtsausdruck und Worten, die er auch zuvor gebraucht hatte, schlafen ging, nahm er heimlich ein Schwert mit in sein Schlafzimmer und durchbohrte sich so selbst. Noch halb bei Bewusstsein sackte er in sich zusammen. Doch während ein Arzt und seine Bediensteten, die durch den Aufprall Verdacht geschöpft hatten, ins Schlafzimmer eilten und damit begannen, die Wunde zu schließen und zu verbinden, riss er

|| 144 Vgl. von Barth (1624) XVI, 830: „Dicat vero mihi aliquis quo pacto viro Romanae virtutis conveniat, quod sequitur, non potuisse se ipsum perimere. Id vero omnino ad Jubam pertinet, non Petreium. Rex enim nimis deliciarum regiarum plenus non poterat sanguinem sibi mittere, aut durare in hoc virilitatis“; ähnlich McDermott (1969) 862; Coulon-McIntosh (2011) 101–103; Cascón Dorado (2012) 44; contra van Hooff (1990) 89. Die Deutung der Worte neque posset durch Schneider (1904) 1085 ~ (1905) 130, nach der der überlebende Petreius sich aufgrund einer Verwundung nicht das Leben nehmen konnte, überzeugt nicht. 145 Obwohl das Bell. Afr. eine der frühesten Verarbeitungen des berühmten Stoffes bietet, ist diese Version viel weniger bekannt als die – natürlich viel detailliertere – Darstellung Plutarchs in der Catovita. So verweisen bspw. weder RE- noch DNP-Artikel (F. Miltner, s. v. Porcius 16, RE 22,1, 1953, 168–211, hier: 202–205 bzw. T. Frigo, s. v. Porcius I 7, DNP 10, 2001, 158–161, hier: 159f.) im Zusammenhang mit Catos Tod auf das Bell. Afr. Vgl. in diesem Sinn auch Müller (2001) 193 Anm. 878. 146 Es handelt sich um eine Gruppe finanzstarker Kaufleute (Einzelheiten und weitere Literatur bei Bouvet/Richard 1997, 107 [Bouvet] bzw. 121 [Richard]).

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sich mit seinen eigenen Händen die Wunde auf grausamste Weise wieder auf und machte seinem Leben bei wachem Verstand ein Ende. Die Einwohner von Utica hassten ihn wegen seiner Parteizugehörigkeit, ließen ihm aber dennoch wegen seiner einzigartigen Integrität, weil er ganz anders gewesen war als die anderen Anführer und weil er Utica mit staunenswerten Schanzwerken befestigt und mit Türmen verstärkt hatte, ein Begräbnis zuteilwerden.

Die Ambivalenz der Figur Cato kommt in der zwiespältigen Beurteilung seiner Person durch die caesarfreundlichen Uticenser zum Ausdruck: Hass und Ehrfurcht gehen bei ihnen Hand in Hand. Obwohl der Erzähler die Unbeliebtheit Catos beim Volk also nicht verschweigt, fallen in einer Schrift mit pro-caesarischer Tendenz, wie sie das Bell. Afr. darstellt, vor allem die positiven Aspekte der Charakterisierung Catos ins Auge.147 Denn selbst wenn Caesars eigene literarische Auseinandersetzung im Anticato nicht den Charakter einer scharfen Invektive gehabt haben sollte, so widerspricht die Darstellung des Bell. Afr. dem von Caesar verbreiteten Catobild ziemlich sicher.148 Anlass des Anticato dürfte es gerade gewesen sein, die singularis integritas des Caesarfeinds, die die Einwohner von Utica so stark beeindruckt, zu hinterfragen.149 Der Erzähler aber relativiert die Wahrnehmung der Uticenser keineswegs; im Gegenteil untermauert sein Bericht vom Sterben des überzeugten Republikaners die Richtigkeit ihres Urteils.150 Im Angesicht des Todes zeigt der Cato des Bell. Afr. alle Zeichen stoischer Apatheia: Er handelt nicht überstürzt (omnibus rebus diligentissime constitutis), seine Mimik und seine Redeweise zeugen von gelungener Affektkontrolle (vultu atque sermone quo superiore tempore usus fuerat) und selbst im Sterben bringt er noch die Willensstärke auf, seine Entscheidung zum Tod durch das Aufreißen der Wunde gegen allen wohlmeinenden Widerstand eigenhändig durchzusetzen (ipse suis manibus vulnus crudelissime divellit).151

|| 147 Das überraschend positive Catobild ist eine der immer wieder hervorgehobenen Eigenschaften des Bell. Afr.; vgl. u. a. Nipperdey (1847) 15f.; Wölfflin/Miodoński (1889) XXIV; Schneider (1905) Einleitung; Sihler (1912) 248; Pötter (1932) 71; Rambaud (1966) 361; Koestermann (1973) 57; Richter (1977) 205; Müller (2001) 370; 377f. u. ö.; Melchior (2004) 14 Anm. 26 u. ö. 148 Zur zurückhaltenden Kritik an Cato im Bell. civ. vgl. Yates (2011). Nach dem Tod Catos sind die Voraussetzungen für ein mildes Urteil Caesars allerdings nicht mehr gegeben (ebd., 173). 149 Zum Anticato Caesars ist immer noch Tschiedel (1981) das maßgebliche Referenzwerk; vgl. daneben auch Berthold (1971) bes. 136–140. 150 Contra Bouvet/Richard (1997) 108: „Il faut probablement voir dans notre texte une sorte de « version officielle » de la mort de Caton.“ 151 Zadorojnyi (2007) 219; 222f. hat gezeigt, dass Catos Tod in Plutarchs Vita dem stoischen Ideal nicht entspricht. In Bezug auf Catos Affektkontrolle wird beispielsweise in der Vita berichtet: … ἀπιὼν εἰς τὸ δωμάτιον ἤδη, τόν τε παῖδα καὶ τῶν φίλων ἕκαστον μᾶλλον ἢ πρότερον εἰώθει προσαγαγόμενος καὶ φιλοφρονηθείς, πάλιν ὑποψίαν παρέσχε τοῦ μέλλοντος – „Anschließend ging er schlafen, umarmte und herzte sein Kind und jeden seiner Freunde aber ausgiebiger, als er es früher getan hatte, und gab so erneut Anlass zum Verdacht auf das, was bevorstand“ (Cat. min. 68,1). Diese Informationen stehen im genauen Widerspruch zur Darstellung in 88,3, sodass der Cato des Bell. Afr. geradezu als Stoicus perfectior gelten kann. Vgl. andererseits Melchior (2009) 250f.

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Der Kontrast zum Überlebenden im Zweikampf zwischen Petreius und Juba, dem es nicht schwerfällt, andere, sehr wohl aber sich selbst zu töten, ist offenbar: Jener verhält sich im Angesicht des Todes feige, Cato willensstark; jener macht sich von einem Sklaven abhängig, Cato muss sich noch im Sterben gegen Arzt und Freunde durchsetzen, die versuchen, seinen Plan zu torpedieren. Auch im Rahmen dieser Synkrisis ist nun in Juba der passendere Konterpart zu Cato zu sehen. Denn während sich der Erzähler des Bell. Afr. für den Charakter des Petreius kaum interessiert,152 eignet sich die Figur des Juba hervorragend als exemplum malum. Dies gilt umso mehr angesichts des ursprünglichen Plans des Königs, nicht nur sich selbst, sondern auch seine Familie und Untergebenen umzubringen (91,1–2): Rex interim Iuba, ut ex proelio fugerat, una cum Petreio interdiu in villis latitando tandem nocturnis itineribus confectis in regnum pervenit atque ad oppidum Zamam, ubi ipse domicilium, coniuges liberosque habebat, quo ex cuncto regno omnem pecuniam carissimasque res conportaverat quodque inito bello operibus maximis muniverat, accedit. Quem antea oppidani, rumore exoptato de Caesaris victoria audito, ob has causas oppido prohibuerunt quod, bello contra populum Romanum suscepto, in oppido Zamae lignis congestis maximam in medio foro pyram construxerat, ut, si forte bello foret superatus, omnibus rebus eo coacervatis, dein civibus cunctis interfectis eodemque proiectis, igne subiecto, tum demum se ipse insuper interficeret atque una cum liberis, coniugibus, civibus cunctaque gaza regia cremaretur. Inzwischen war König Juba, nachdem er aus der Schlacht geflohen war, zusammen mit Petreius, indem er sich untertags in Häusern versteckt gehalten hatte, endlich nach nächtlichen Märschen in sein Königreich gelangt. Nun näherte er sich der Stadt Zama: Dort hatte er selbst seinen Palast, seine Frauen und Kinder, dorthin hatte er aus dem ganzen Königreich alles Geld und die wertvollsten Gegenstände geschafft und dort hatte er nach Kriegsbeginn für die stärkste Befestigung gesorgt. Ihm verwehrten die Einwohner, die das erhoffte Gerücht von Caesars Sieg erreicht hatte, den Zutritt zur Stadt, und zwar aus folgenden Gründen: Als er den Krieg gegen das römische Volk begonnen hatte, hatte er in der Stadt Zama aus aufgestapeltem Holz einen riesigen Scheiterhaufen mitten auf dem Forum errichtet, um für den Fall, dass er im Krieg besiegt würde, alle Habseligkeiten dort aufzuschichten, daraufhin alle Bürger zu töten und dort hineinzuwerfen, Feuer zu legen und um zum Schluss sich selbst obenauf zu töten und zusammen mit seinen Kindern, Frauen, Bürgern und dem ganzen Königsschatz zu verbrennen.

Auch diese Textpassage zeichnet ein ausgeprägter intratextueller Verweischarakter aus. Erstens erinnert der Plan des Königs stark an das Massaker, das die scipionischen Reiter in Parada verüben (87,1–4, vgl. Abschn. 6.3.3); Ähnlichkeiten finden sich teilweise auch im Wortlaut.153 Auch wenn also Jubas Plan kommentarlos referiert wird, lässt diese Parallele das Vorhaben Jubas in sehr schlechtem Licht er-

|| 152 Dort, wo Petreius persönlich in Erscheinung tritt (abgesehen von Kap. 94 noch in 18,1; 19,4; 91,1 und 4), bleibt er Randfigur. Seine Aktionen beschränken sich auf Militärisches. 153 Vgl. die Formulierung lignis congestis maximam in medio foro pyram construxerat, ut, si forte bello foret superatus, omnibus rebus eo coacervatis … (91,2) mit in medio foro lignis coacervatis omnibusque rebus eorum congestis (87,2).

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scheinen: Er zeigt sich dazu imstande, ein solches Verbrechen, wie es die Reiter in Parada im Affekt begehen, von langer Hand zu planen und vor aller Augen sogar schon die nötigen Vorbereitungen dazu zu treffen. Zweitens steht ein solcher Plan ganz offenkundig im Widerspruch zum vorbildlichen Verhalten Catos angesichts der aussichtslosen Lage nach Thapsus. Anders als der König maßt er sich nicht an, über Wohl und Wehe der ganzen ihm unterstellten Stadt zu entscheiden. Sein Entschluss zum Selbstmord ist vielmehr privater Natur. Diejenigen der Dreihundert, die fliehen wollen, stattet er sogar mit Schiffen aus (navesque his adtribuit ut in quas quisque partes vellet proficiscerentur, 88,2). Diese Darstellung hat zur Konsequenz, dass gerade der orthodoxe Stoiker zuletzt zum Pragmatiker wird, der Gewalt auch mit fragwürdigen Mitteln abzuwehren bereit ist – erinnert sei hier an die Bestechung der scipionischen Reiter (87,7) – und nicht versucht, anderen die eigene Doktrin aufzudrängen.154 Damit ist Cato nicht nur im Leben von den übrigen Anführern verschieden (dissimillimus reliquorum ducum, 88,4), sondern auch und vor allem im Tod. Der beste ‚Beweis‘ dafür ist Juba, der selbst an der Inszenierung seines eigenen Todes kläglich scheitert. Aufgrund der Belege, die dafürsprechen, dass die Tode Catos und Jubas als einander kontrastierende exempla modelliert sind, ist daher der überlieferten Lesart Iuba Petreium … consumpsit in Bell. Afr. 94 der Vorzug zu geben.

6.6 Zwischenfazit Als Ausgangspunkt für die narratologische Analyse des Bell. Afr. diente eine Stelle aus der Eingangspartie des Textes, die von parteiinterner Kritik an Caesar angesichts des missglückten Truppentransports handelte, aber auch in den folgenden Abschnitten stand immer wieder die kritische Berichterstattung des Erzählers im Vordergrund. Das Bell. Afr. zeichnet sich, so lässt sich feststellen, dadurch aus, dass nicht nur die Caesargegner in schlechtem Licht erscheinen, sondern auch das Handeln caesarischer Soldaten, ja bisweilen Caesars selbst – trotz aller Bewunderung für den Feldherrn – bedenklich wirkt. Diese zwar bei weitem nicht unparteiische, aber, im Hinblick auf die Rolle Caesars und seiner Soldaten im Krieg, doch reflektierte Berichterstattung wird durch den Einsatz unterschiedlicher narrativer Techniken unterstützt. Durch den Einsatz des Singulativs – es wird n-mal erzählt, was n-mal passiert – stellt der Erzähler in der Anfangspartie die Versorgungsprobleme der caesarischen || 154 Anders gedeutet bei Melchior (2009) 250: „Cato’s ability to persuade and inspire fails him when he most needs it to succeed … His pleas to the Roman elite in Utica ultimately fail. Although principled, he is unable to call forth similar excellence in others … Despite the fact that his suicide later became an important model for those who sought to resist imperial power, he is represented in the Bellum Africum as incapable of effectively wielding exempla while alive.“

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Armee ins Zentrum der Darstellung. Sie dienen einerseits als Begründung für anfängliche Misserfolge und Passivität Caesars, andererseits führen sie auch zu Furcht bei den Soldaten, die auf ihren Feldherrn blind vertrauen müssen, weil sie seinen Plan nicht durchschauen (10,2–4). Dass die Motivation Caesars besonders zu Beginn manches Mal unklar bleibt, versucht der Erzähler einige Male mittels eigener Deutungsversuche zu kompensieren, die Caesars Handeln rationalisieren sollen. Im zehnten Kapitel macht sich diese im Vergleich zu Bell. Gall. 8 und Bell. Alex. signifikante Veränderung des Erzählerstandorts bemerkbar: Es wird klar heterodiegetisch erzählt, eine weitere narrative Technik, die der Distanznahme des Erzählers dient. Dazu passt, dass der Erzähler auch die interne Fokalisierung auf die Figur Caesar immer wieder aufgibt. Diese externe Fokalisierung kommt beispielsweise in der Darstellung von Thapsus zum Einsatz und liefert hier die narratologisch begründbare Ursache für den schon häufig geäußerten Leseeindruck, das Caesarbild sei an dieser Stelle weniger positiv als im Rest des Textes.155 Viel offener als Caesar selbst werden am Ende des Bell. Afr. seine Veteranen für ihre Kriegsverbrechen kritisiert. Auch hier distanziert sich der Erzähler durch externe Fokalisierung, präsentiert stattdessen seine eigene Deutung des Geschehens, ohne dabei das Verhalten der Veteranen zu rechtfertigen. Als Auslöser der Gewalt identifiziert er bei den Soldaten Zorn (ira) und Wut (dolor), Emotionen, die nicht einmal von Caesar, der weiterhin an seiner clementia-Politik festhalten will, kontrolliert werden können. Von genau denselben Affekten ist auch eine Gruppe scipionischer Reiter betroffen, die ein ganzes Dorf mitsamt seiner Bevölkerung vernichten und erst in Utica von Cato durch Bestechung von weiteren Gewalttaten abgehalten werden. Wie Caesar zeichnet sich Cato dadurch aus, dass er an der ausgebrochenen Gewalt nicht teilhat. Während für Caesar die Charaktereigenschaft der lenitas reserviert ist, zeichnet Cato sich durch seine Leidenschaftslosigkeit und seinen Pragmatismus aus (vgl. Abschn. 6.5). Caesars Hauptgegner im Afrikanischen Feldzug ist Metellus Scipio. Die Kritik an ihm ist, für einen pro-caesarischen Text kaum überraschend, viel offensiver als die Kritik an Caesar und seinen Soldaten, verglichen mit dem Urteil, das der Erzähler (in diesem Punkt der caesarischen Darstellung folgend156) über den Numiderkönig Juba fällt, hingegen auch wohlwollender. Seine Gewalt ist nicht Ausdruck seiner Natur, sondern seiner Machtlosigkeit, die ihre Ursache in seinem realitätsfernen Weltbild hat. Bewusstsein für historische Zusammenhänge hat er keines, sich selbst sieht er als Anführer der optimi, überschätzt dabei jedoch seinen Einfluss, so wie er gleichzeitig die Attraktivität der caesarischen Position unterschätzt. Diese Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit inszeniert der Erzähler auch durch den Einsatz der direkten Rede. Auch im Hinblick auf die Darstellung der Gegner Caesars zeigt

|| 155 Vgl. nochmals Anm. 70. 156 Vgl. zur Darstellung Jubas in civ. 2 z. B. Grillo (2012) 164–167.

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sich der heterodiegetische Erzähler also als differenziert urteilender Beobachter, dem unter Beibehaltung einer pro-caesarischen Tendenz an einer nuancierten Darstellung gelegen ist.

7. Das Bellum Hispaniense 7.1 Struktur, Autorschaft und Abfassungszeit Das Bellum Hispaniense ist der letzte Text im Corpus Caesarianum und zugleich auch der kürzeste. Zwar wissen wir ähnlich wie beim achten Buch des Bell. Gall. aufgrund einer Lücke am Schluss nicht, wie viele Kapitel genau fehlen. Doch bricht der Text mitten in einer Rede Caesars ab, die bereits so stark resümierenden Charakter trägt, dass nur wenig, womöglich nur der Rest der Rede, ausgefallen sein dürfte.1 Der Kürze der Schrift entspricht die Kürze des Feldzugs: Leidglich rund ein Vierteljahr benötigt Caesar von der Ankunft am Schauplatz des Krieges im ‚jenseitigen‘ Hispanien bis zur Entscheidungsschlacht von Munda.2 Seine Gegner sind die beiden Pompeiussöhne Gnaeus und Sextus sowie deren Verbündete, der bekannteste unter ihnen T. Labienus.3 Cn. Pompeius hatte schon vor der Niederlage in Afrika den Kriegsschauplatz verlassen und die Balearen angesteuert (Bell. Afr. 23). Nach Thapsus vereinigt er sich mit den verbliebenen Gegnern Caesars, um im ‚jenseitigen‘ Hispanien neuen Widerstand zu organisieren.4 Q. Pedius und Q. Fabius Maximus, die beiden Legaten Caesars in Hispanien, bitten Caesar um persönliches Eingreifen, sodass der Diktator und Triumphator über Gallien, Ägypten, Pontos und Afrika im November 46 nach Hispania ulterior aufbricht. Von dieser Vorgeschichte berichtet das Bell. Hisp. nicht.5 Trotzdem verankert der Erzähler durch ein einleitendes Kapitel, in dem Pompeius’ Bemühungen, die Provinz unter seine Kontrolle zu bringen, als Schreckensherrschaft angeprangert wird, den Text im Corpus Caesarianum (vgl. dazu Kap. 7.3.2). Erst im zweiten Kapitel setzt dann mit Caesars Ankunft am Kriegsschauplatz der eigentliche Kriegsbericht ein. Als Caesar in Hispanien eintrifft, haben die (Neo-)pompeianer bereits fast die

|| 1 Für eine kleine Textlücke sprechen sich Pascucci (1965) 392f.; Richter (1977) 214; Rüpke (1992) 225 Anm. 63; Diouron (1999) 40 und Raaflaub (2017a) 637, 14.42n; 14.42q aus (zweifelnd Marshall 2001, 51). Dagegen glaubt Loreto (2001) 490f. an eine längere lacuna. Einen konkreten Vorschlag macht Gutt (2017) 112–114: Etwa zwei Kapitel seien am Schluss ausgefallen, in denen nicht nur Caesar seine Rede beende, sondern der Erzähler im Anschluss den Ereignisbericht noch einmal aufnehme, um vom Abschluss des Feldzugs und Caesars Abfahrt in Richtung Italien zu berichten (vgl. auch Anm. 87). 2 Dagegen behauptet der Erzähler wiederholt, dass der Krieg wegen der Verzögerungstaktik des Pompeius unnötig lang dauert (vgl. hierzu Kap. 7.4.2). 3 Im Bell. Hisp. spielen sowohl Sex. Pompeius, der nicht an der Schlacht von Munda teilnahm (32,4), als auch T. Labienus (hierzu Schulz 2010, 341–355) allerdings nur eine untergeordnete Rolle. 4 Über die Ereignisse in der jenseitigen Provinz zwischen dem Ende der Revolte gegen Cassius Longinus und dem Eintreffen des Cn. Pompeius wird im Corpus Caesarianum nicht berichtet. Vgl. hierzu Cass. Dio 43,29,1–31,1. 5 Allerdings wird der Vierfachtriumph Caesars erwähnt (Bell. Hisp. 1,1). https://doi.org/10.1515/9783110711530-007

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gesamte Provinz unter ihre Kontrolle gebracht:6 Sextus hält Corduba besetzt, Gnaeus belagert Ulia, das einzige oppidum, das noch Widerstand leistet. Caesar führt sein Heer zunächst nach Corduba (4,1). Dies veranlasst Sextus, seinen Bruder um Hilfe zu bitten, woraufhin dieser die Belagerung von Ulia abbricht. Aufgrund der Weigerung der Pompeianer sich auf eine offene Feldschlacht einzulassen, ist jedoch an eine frühe Entscheidung nicht zu denken. Caesar verlegt das Heer deshalb nach Ategua und beginnt seinerseits eine Belagerung (6,1). Cn. Pompeius gelingt es in der Folgezeit nicht, die Stadtbewohner entscheidend zu entlasten: Ein Angriff auf einen Außenposten Caesars schlägt fehl (9,1–4), ein Ausfallversuch der pompeianischen Schutztruppe ebenfalls (16,1–3). Etwa einen Monat nach Beginn der Belagerung zieht Caesar in die Stadt ein. Nicht lange, nachdem Ategua sich Caesar ergeben hat, müssen die Pompeianer eine weitere Niederlage verkraften: Bei Soricaria kommt es zu einem ersten größeren Aufeinandertreffen der beiden Heere, das Caesar für sich entscheiden kann. Nur die Dämmerung verhindert einen noch größeren Verlust (24,5). Nach diesen Rückschlägen verlagert Cn. Pompeius den Kriegsschauplatz und marschiert in Richtung Munda, das ebenfalls unter seiner Kontrolle steht. An diesem Ort findet schließlich die entscheidende Schlacht statt, die Caesars Truppen trotz ihrer schlechteren Position gewinnen können (29–31). Es sterben viele tausend Soldaten, unter ihnen auch Labienus und Attius Varus (31,9), Cn. Pompeius verletzt sich schwer. Sex. Pompeius überlässt auf diese Nachrichten hin Corduba seinem Schicksal, den Widerstand hält jetzt nur noch ein Teil der pompeiustreuen Einheimischen aufrecht. Doch gelingt es Caesar und seinen Generälen, in kurzer Folge die Städte Corduba, Hispalis und Munda, deren Einwohner sich trotz der verheerenden Schlacht noch nicht ergeben hatten, unter ihre Kontrolle zu bringen. Cn. Pompeius wird schließlich auf der Flucht von Caesars Soldaten getötet (39,2). Zum Allgemeinwissen über das Bell. Hisp. gehört es, dass es sich sprachlich nicht nur von den commentarii Caesars, sondern von allen anderen Texten im Corpus Caesarianum markant unterscheidet.7 In der Regel wurden dabei die zahlreichen sprachlichen Auffälligkeiten dem schlechten Überlieferungszustand dieses Textes und dem Unvermögen des Verfassers, sich klar auszudrücken, angelastet.8 Es verwundert daher nicht, dass, anders als bei den anderen anonymen bella, nur selten

|| 6 Den Begriff Neopompeianer nutzt z. B. Loreto (2001) 470 u. ö., um kenntlich zu machen, dass die Caesargegner in diesem Krieg im Gegensatz zu denen der anderen Feldzüge nach Pharsalos mit Recht wieder Pompeianer heißen können. 7 Entsprechend ist das Interesse an Sprache und Stil des Bell. Hisp. seit jeher groß: Vgl. u. a. Heubner (1916); Faller (1949); Pascucci (1950); (1965) 46–60; Strocchi (1996) 99f.; Diouron (1999) LXX– LXXXIII; Gaertner (2010); Allendorf (2016). 8 Für (die zumeist negativen) Urteile über das Bell. Hisp. vgl. Gaertner (2010) 243 Anm. 4 und die hier, Anm. 7–9, genannte Literatur. Als besonders einflussreich hat sich das Diktum Rice Holmes’ (1923) 298 („worst book of Latin literature“) erwiesen: Vgl. Adcock (1956) 105; van Hooff (1974) 123 Anm. 3; Diouron (1999) LXXXIII; Cluett (2009) 195; Damon/Raaflaub (2017) LXIIf.

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der Versuch gemacht wurde, einen Autor tatsächlich namhaft zu machen.9 In der Regel beschränken sich die Forschungsbeiträge darauf, den Verfasser entweder als einfachen Soldaten oder als Offizier von mittlerem Rang, jedenfalls als einen Militär ohne große schriftstellerische Erfahrung, zu charakterisieren.10 Gleichwohl wird immer wieder zu Recht betont, dass der Autor des Bell. Hisp. über schriftstellerische Ambitionen durchaus verfügte,11 sodass die These, mit dem Bell. Hisp. liege lediglich der Entwurf eines noch zu verfassenden commentarius vor,12 nicht überzeugt. Sprachlich fallen nämlich die beiden orationes rectae – ein Brief des Cn. Pompeius an seine Verbündeten (26,3–6) und die Rede Caesars vor Hispalis (ab 42,4) – aus dem Rahmen, in denen sich der Verfasser eines ganz anderen Sprachregisters bedient; und auch der Ereignisbericht ist bei genauerem Hinsehen heterogen: Zwar trägt der Text über weite Strecken den Charakter eines skizzenartigen Tagebuchs (6–19; 32–42), doch daneben werden Ereignisse, zum Beispiel die Entscheidungsschlacht von Munda, auch kohärent berichtet.13 Zwei Exkurse, von denen der eine die räumlichen Voraussetzungen der Kriegführung in Hispanien behandelt (8,2–5), der andere den gewöhnlichen Ablauf eines Reiterkampfes erklärt (15,1), passen ebenfalls nicht zu einer bloßen Skizze.14 Aus der Beobachtung, dass mit dem Bell. Hisp. wohl kein bloßer Entwurf vorliegt, hat Diouron geschlussfolgert, dass dieser Text erst nach dem Tod des Hirtius verfasst worden sei. Denn erst nach der Schlacht von Mutina im April 43 sei es nötig geworden, andere mit der Abfassung derjenigen Teile des Corpus Caesarianum zu beauftragen, die eigenhändig fertigzustellen Hirtius nicht mehr die Zeit hatte.15 Mit dieser Einschätzung vertritt sie die communis opinio der Forschung zum Bell. Hisp., dass nach dem Tod des Hirtius ein anderer Caesarvertrauter, wie etwa Cornelius

|| 9 Zu nennen sind hier: Kohl (1924), der den sonst nicht weiter bekannten Clodius Arguetius/Arquitius (10,1; 23,8) als Autor vorgeschlagen hat, van Hooff (1974), der Q. Fabius Maximus oder Q. Pedius – also zwei Legaten Caesars in Hispanien – ins Spiel bringt, und Strocchi (1996), der sich für L. Vibius Paciaecus (3,4) als Verfasser ausspricht. 10 Vgl. u. a. Sihler (192) 248–250; Klotz (1927b) 97; Adcock (1951) 703 ~ (1956) 106 (Soldat der 10. Legion); Storch (1973) (praefectus equitum); Richter (1977) 213; 216; Murphy (1986) 315; Faraguna (1993) 1354; Dioruon (1999) XVII; Raaflaub/Damon (2017) LXII, § 85 und andere. Eine gute Zusammenfassung bietet Mayer (2011) 218f. 11 Vgl. Drexler (1935) 208–227; Seel (1935) 84 Anm. 1; Castiglioni (1954) 209–215; Pascucci (1973) 596f.; Skutsch (1986) 724; Rüpke (1992) 222; Diouron (1999) XI; Gaertner (2010); Gaertner/Hausburg (2013) 27. 12 So Daly (1951) 117; Cluett (2009) 196f.; Allendorf (2016) 554f. 13 Vgl. hierzu Gutt (2017) 108. 14 Vgl. hierzu Pascucci (1963). 15 Vgl. Diouron (1999) XI.

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Balbus, die Fertigstellung des Corpus besorgte.16 Der im Einleitungskapitel vertretenen Rekonstruktion des Produktionsprozesses des Corpus Caesarianum zufolge ist allerdings damit zu rechnen, dass das Corpus in seiner überlieferten Form bereits vor Hirtius’ Tod als fertiggestellt galt und veröffentlicht war.17 Hierin ist das Bell. Hisp. ausdrücklich eingeschlossen. Dafür spricht nicht zuletzt, dass sich in Bezug auf die Wirkungsabsicht des Textes Kontinuitätslinien bis zum achten Buch des Bell. Gall. verfolgen lassen (s. dazu Kap. 7.3.3). Doch durch eine Veränderung des Erzählerstandortes (s. dazu Kap. 7.2) erlangt das Bell. Hisp. einen ganz eigenen Charakter. In Hispanien steht Caesar abermals äußeren Feinden gegenüber, gegen die sich seine Gefolgsleute als Repräsentanten Roms scharf abheben (s. dazu Kap. 7.4; 7.3.2).

7.2 Stimme und Modus: Der veränderte Erzählerstandort im Bell. Hisp. 7.2.1 Vorbemerkung Dass das Bell. Hisp. streckenweise den Charakter einer Tagebuchskizze trägt, wurde bereits in der Einleitung zu diesem Kapitel erwähnt. Dieser Umstand macht solche Textstellen aber keineswegs ungeeignet für die narratologische Analyse. Im Gegenteil: Gerade hier lässt sich die postulierte Veränderung des Erzählerstandorts besonders gut beobachten. Um diesen terminologisch zu fassen, nutze ich den Terminus der Homodiegetizität (s. Kap. 3.2.3). Dieser Begriff soll das zunächst paradox scheinende Phänomen beschreiben, dass auch der Erzähler eines formal heterodiegetisch erzählten Textes den Eindruck erwecken kann, er selbst habe an den Ereignissen, über die er berichtet, teilgenommen, sei also eigentlich ein homodiegetischer Erzähler. Genau dieser Eindruck entsteht nämlich im Bell. Hisp.: Zwar ist der Erzähler nicht mit einer im Text handelnden Figur identifizierbar – das Kriterium eines homodiegetischen Erzählers erfüllt er somit nicht. Dennoch ist er, wie gezeigt werden soll, auch als heterodiegetischer Erzähler nicht treffend beschrieben. Da die von Genette geprägte Begriffsdefinition eines homodiegetischen Erzählers vorsieht, dass sich der Erzähler im Text als Individuum fassen lässt, fällt das Bell. Hisp. in dieser Beziehung aus dem Raster. Denn der Erzähler wird nirgends mit einer der handelnden Figuren identifizierbar, ordnet sich gleichzeitig aber sehr wohl dem Kollektiv der caesarischen Soldaten als Protagonisten des Krieges zu.

|| 16 Vgl. Seel (1935) 86: „Diese Erklärung scheint die an sich nächstliegende“; Pascucci (1965) 19; Rüpke (2015) 136. Rüpke (ebd., 140) räumt aber auch die Möglichkeit ein, dass bereits Hirtius den Text angefordert hat. 17 Vgl. nochmals Gaertner/Hausburg (2013) 28f. und Kap. 2.4.1.

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7.2.2 Homodiegetizität Postero die equites nostri longius ad Cordubam versus prosecuti sunt eos qui commeatus ad castra Pompei ex oppido portabant. Ex his capti L cum iumentis ad nostra adducti sunt castra. Eo die Q. Marcius, tribunus militum qui fuisset Pompei, ad nos transfugit; et noctis tertia vigilia in oppido acerrime pugnatum est, ignemque multum miserunt sic ut omne genus quibus ignis per iactus solitus est mitti. Hoc praeterito tempore C. Fundanius eques Romanus ex castris adversariorum ad nos transfugit. (XII) Postero die ex legione Vernacula milites sunt capti ab equitibus nostris duo qui dixerunt se servos esse. Cum venirent cogniti sunt a militibus qui antea cum Fabio et Pedio fuerant et a Trebonio transfugerant. Eis ad ignoscendum nulla facultas est data et a militibus nostris interfecti sunt. Idem temporis capti tabellarii qui a Corduba ad Pompeium missi erant perperamque ad nostra castra pervenerant, praecisis manibus missi sunt facti. Am folgenden Tag verfolgten unsere Reiter diejenigen ziemlich weit in Richtung Corduba, die Nachschub aus der Siedlung in Pompeius’ Lager brachten. Von diesen wurden 50 gefangengenommen und mit ihren Lasttieren in unser Lager geführt. An diesem Tag lief Q. Marcius, der Pompeius’ Militärtribun war, zu uns über; und zur dritten Nachtwache wurde bei der Siedlung (sc. Ategua) aufs Heftigste gekämpft. Sie warfen viele Brandfackeln, sodass jede Art , mit denen eine Brandfackel für gewöhnlich geworfen wird. Zu einem späteren Zeitpunkt lief C. Fundanius, ein römischer Ritter, aus dem gegnerischen Lager zu uns über. (12) Am folgenden Tag wurden zwei Soldaten aus der Einheimischenlegion von unseren Reitern gefangengenommen, die sagten, sie seien Sklaven. Als sie kamen, wurden sie von Soldaten erkannt, die schon unter Fabius und Pedius gedient hatten und von Trebonius übergelaufen waren.18 Diesen gab man nicht die Möglichkeit zur Begnadigung und sie wurden von unseren Soldaten getötet. Zur selben Zeit wurden Boten gefangengenommen, die von Corduba zu Pompeius geschickt worden und fälschlicherweise in unser Lager gelangt waren. Sie wurden laufengelassen, nachdem man ihnen die Hände abgehackt hatte.

Es ist leicht zu erweisen, dass der Eindruck, der zitierte Text (11,1–12,3) stamme aus einem Kriegstagebuch,19 seine Berechtigung hat. Schon in der Analyse des Bell. Afr. wurde als Charakteristikum eines Tagebuchs bestimmt, dass Ereignisse unabhängig von ihrer Wichtigkeit und in streng chronologischer Reihenfolge berichtet werden (Kap. 6.2.3). Entsprechend findet sich auch in der oben zitierten Passage aus dem Bell. Hisp. wieder der Singulativ: Zwei sehr ähnliche Ereignisse, die Desertion der beiden Pompeianer Q. Marcius und C. Fundanius werden jeweils einzeln behandelt, möglicherweise, weil der Verfasser die Fahnenflucht des Marcius bereits verzeichnet hatte, als Fundanius später am Tag ebenfalls überlief. Die streng chronologische Berichterstattung findet ihren Niederschlag in nicht weniger als sechs Zeitangaben || 18 Trebonius folgt dem gescheiterten Cassius Longinus als Prokonsul in der Provinz Hispania ulterior (vgl. Bell. Alex. 64). Subjekt zu transfugerant sind demnach nicht die Soldaten, die den Caesarianern stets die Treue gehalten haben, sondern die beiden Gefangenen. Dies macht die Annahme einer Textlücke erforderlich; vgl. Pascucci (1965) 211; Diouron (1999) 79. 19 So Vulić (1896) 8; Kohl (1924) 38f.; Drexler (1935) 214f. und ferner Richter (1977) 213; Faraguna (1993) 1515; Carter (1997) XXXV.

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(postero die [2x], eo die, noctis tertia vigilia, hoc praeterito tempore, idem temporis).20 Doch nicht nur dies bewirkt, dass der Text wie eine Aneinanderreihung von Stichpunkten wirkt; hinzu kommt, dass der Erzähler nicht den Versuch dazu unternimmt, die berichteten Ereignisse zu kommentieren, ihre Relevanz für den weiteren Verlauf des Krieges zu erweisen oder sie auch nur miteinander in Beziehung zu setzen.21 Eine letzte Beobachtung zur Stelle, die ebenfalls gut zum Charakter eines Tagebuchs passt, führt schließlich hin zum Untersuchungsgegenstand dieses Abschnitts, der Identität des Erzählers im Bell. Hisp.: Siebenmal werden die Pronomina noster und nos verwendet, um die Caesarianer zu bezeichnen. Das Possessivpronomen noster findet sich im ganzen Corpus Caesarianum außer im Bell. Afr.,22 wenn auch mit unterschiedlicher Deixis.23 Durch den Gebrauch von noster kann bereits der Eindruck von Homodiegetizität entstehen.24 Dazu trägt jedoch umso mehr noch die Verwendung des Personalpronomens bei. Im Gegensatz zum Possessivpronomen findet es sich im ganzen Corpus Caesarianum außerhalb direkter Rede ausgesprochen selten, im Bell. Hisp. jedoch häufiger,25 und dabei meist, wie auch oben, in der Wendung ad nos transfugere/transsilire.26 Wie Riggsby gezeigt hat, hat dieses Pronomen in den commentarii mindestens zwei mögliche Denotate: Es kann als pluralis modestiae auf den Erzähler verweisen oder als ‚echter‘

|| 20 Vgl. Rambaud (1966) 89f. 21 Zur einzigen Ausnahme, der Formulierung eis ad ignoscendum nulla facultas est data, die Faraguna (1993) 1516 treffend kommentiert („La formulazione dell’autore è tendenziosa perché prospetta la possibilità di un perdono nel momento stesso in cui la esclude …“), s. u.; Schneider (1959) 68 kommentiert am Beispiel von Kap. 36: „Es fehlt der überschauende, ordnende Blick, der die Dinge in ihrer Bezogenheit und je verschiedenen Bedeutung erkennt und unterscheidet“; ähnlich Strocchi (1996) 104. 22 Vgl. Kap. 6, Anm. 50. 23 Mit dem Pronomen noster werden im Corpus Caesarianum unterschiedliche Personengruppen bezeichnet: 1. Römer im Allgemeinen (wie in … qui ipsorum lingua Celtae, nostra Galli appellantur, Gall. 1,1 ~ „… die in Ihrer und meiner, unserer gemeinsamen Sprache Gallier genannt werden“); 2. das römische Heer (wie in reiecto nostro equitatu, Gall. 1,24 ~ „nachdem unsere ≈ die für Rom kämpfende Reiterei zurückgedrängt worden war“); 3. das caesarische Heer (wie in equitatus … noster, civ. 1,46 ~ „unsere Reiterei, die Reiterei Caesars“); 4. (selten) Caesar und sein engster Vertrautenkreis (wie in … ne intercepta epistula nostra ab hostibus consilia cognoscatur, Gall. 5,48 ~ „… damit durch Abfangen des Briefes nicht unsere ≈ meine Pläne von den Feinden entdeckt würden“). Vgl. hierzu Rüpke (1992) 223–225; Reijgwart (1993) 31–33; Busch (2005) 145–149; Riggsby (2006) 150f. 24 Vgl. Busch (2005) 147 für Beispiele aus dem Bell. Gall.; zum Begriff vgl. Kap. 3.2.3. 25 Im gesamten Bell. Gall. zählt Reijgwart (1993) 28 neun Fälle, für das Bell. civ. ergibt eine Datenbankrecherche zwei Fälle (civ. 3,60,3; 92,4; vgl. ferner Grillo 2011 zum Erzähler des Bell. civ.). In den nicht-caesarischen Schriften findet sich nos außer im Bell. Hisp. nur noch in Bell. Alex. 3,1; 19,6 (vgl. hierzu Gaertner/Hausburg 2013, 78), im Bell. Hisp. selbst außer in der zitierten Stelle noch in 19,3; 20,2; 21,2. 26 Parallel dazu findet sich die Formulierung ad Caesarem transfugere ebenfalls (z. B. 20,4; 26,2; ähnlich 21,3). Zum Verb transsilire im Bell. Hisp. vgl. Corbett (1962) 77–79.

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Plural die römische (bzw. caesarische) Parteiung bezeichnen.27 Welche der beiden Interpretationen jeweils die höhere Plausibilität für sich in Anspruch nehmen darf, muss im Einzelfall entschieden werden. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die erstgenannte Interpretationsmöglichkeit zumindest für einen Teil der Belegstellen von nos im Corpus Caesarianum die plausiblere ist. Dies trifft z. B. auf die von Riggsby selbst zitierte Stelle aus dem Bell. Gall. zu (7,25,1–2): … accidit inspectantibus nobis quod dignum memoria visum praetereundum non existimavimus: quidam ante portam oppidi Gallus … scorpione ab latere dextro traiectus exanimatusque concidit. Es geschah vor meinen Augen etwas, was ich glaubte nicht auslassen zu dürfen, weil es der Erinnerung wert scheint: Vor dem Stadttor brach ein Gallier, … von einem Geschoss durchbohrt, tot zusammen.

Da aus dem Prädikat existimavimus geschlossen werden kann, dass der Erzähler als zugehöriges Subjekt fungiert, liegt es nahe, auch nobis ausschließlich auf den Erzähler, nicht auf die römischen Truppen insgesamt, zu beziehen.28 Ein ähnliches Bild ergibt sich aus civ. 3,92,2–4. An dieser Stelle ergreift offenbar der Erzähler selbst das Wort, um über Pompeius’ Passivität zu Beginn der Schlacht von Pharsalos zu urteilen: Idque admonitu C. Triari fecisse dicebatur … Quod nobis quidem nulla ratione factum a Pompeio videtur, propterea quod est quaedam animi incitatio atque alacritas naturaliter innata omnibus, quae studio pugnae incenditur. Hanc non reprimere, sed augere imperatores debent. Man sagte, er (Pompeius) habe es auf den Rat von C. Triarius hin getan … Es scheint mir allerdings so, als hätte Pompeius ohne guten Grund so gehandelt. Denn jedermann verfügt von Natur aus über einen bestimmten Drang und Antrieb, der durch Kampfeseifer entfacht wird. Diesen sollten Feldherrn nicht unterdrücken, sondern fördern.

Gerade im letzten Satz, in dem sich der Erzähler über die Pflicht eines Feldherrn äußert, scheint er mit Caesar selbst identifizierbar zu werden, der seinen Kontrahenten persönlich über die Gründe der späteren Niederlage aufklärt.29 Eine solche Verwendungsweise des Pronomens gibt es im Bell. Hisp. nicht. Das ‚Wir‘ in der Formulierung ad nos transfugere bezeichnet das caesarische Heer als Einheit im Hispanischen Krieg. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass es im Bell. Hisp. zwei verschiedene Protagonisten gibt: Neben der Figur Caesar ist dies das

|| 27 Vgl. Riggsby (2006) 150; contra Gaertner/Hausburg (2013) 78 Anm. 15, allerdings ohne Verweis auf Riggsby. 28 So auch Kraner/Dittenberger/Meusel (1920) 300 ad loc. 29 Vgl. Batstone/Damon (2006) 129–131 zu dieser und ähnlichen Stellen im Bell. civ.; ferner Grillo (2012) 115f.; Peer (2015) 138.

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soldatische Kollektiv, das als Einheit denkt, fühlt und handelt.30 Da der Erzähler sich selbst als Teil dieses Kollektivs versteht, entsteht in der Konsequenz der Eindruck von Homodiegetizität.31 Dass die Fokalisierung auf die Soldaten im Bell. Hisp. insgesamt an Bedeutung gewinnt, lässt sich aber noch durch eine andere Beobachtung belegen: Der im Bell. Hisp. dargestellte Krieg ist streckenweise vollständig unabhängig von der Figur Caesar, seinen Plänen und seinen Feldherrntugenden.32 Dies zeigt nicht zuletzt die oben bereits zitierte Stelle aus dem elften und zwölften Kapitel: Die Protagonisten in dieser Passage sind „unsere Reiter“ (equites nostri), die 50 Gefangene machen, als sie Pompeius’ Nachschub angreifen, und die am folgenden Tag zwei Soldaten aus der legio Vernacula aufgreifen. Als diese ihre Identität verschleiern und sich als Sklaven ausgeben, wird die Lüge von Soldaten des Fabius und Pedius enttarnt (a militibus qui antea cum Fabio et Pedio fuerant). Eine Möglichkeit, um Gnade zu bitten, wird ihnen nicht eingeräumt. Die beiden Gefangenen werden sofort getötet, wiederum nicht auf Befehl Caesars, sondern „von unseren Soldaten“ (a militibus nostris). Da auch der Caesar des Bell. Hisp. für seine clementia bekannt ist und sie Überläufern wiederholt gewährt,33 lässt sich aus der Formulierung, die der Erzähler an dieser Stelle wählt – eis ad ignoscendum nulla facultas est data –, schließen, dass Caesars Soldaten ihrem Feldherrn die Gefangenen vorenthalten haben, um sie zu töten, bevor Caesar dagegen sein Veto einlegen konnte.34 Auch im folgenden Satz bleibt durch die Formulierung im Passiv unklar, auf wessen Befehl die Verstümmelung der pompeianischen tabellarii erfolgte.35 Wegen der Vergleichbarkeit der Strafe verweisen die Kommentare zu dieser Stelle häufig auf Caesars Befehl am Ende des Gallischen Krieges, den besiegten Uxellodunern die

|| 30 Vgl. neuerdings auch Gutt (2017) 108f. („Daneben ist auch die Perspektive des Verfassers zu berücksichtigen: Er blickt nie von einer erhöhten Position wie der des Feldherrn auf die Belagerungen, sondern beschreibt sie aus der Sicht eines in den Kampfalltag involvierten Akteurs, etwa eines Offiziers oder sogar Soldaten“) und Damon/Raaflaub (2017) LXIIf., § 85f. 31 Vulić (1896) 8, Klotz (1927b) 4 und Richter (1977) 212 mit Anm. 71 schließen aus diesen Stellen auf die Augenzeugenschaft des Verfassers. Zutreffend auch Strocchi (1996) 105 („[l’Anonimo] vede i soldati combattenti come propri commilitoni“). 32 Richtig beobachtet von Tschiedel (2012) 46f. (ähnlich bereits Schneider 1959, 44–46; 69); contra Schulz (2010) 355. 33 Vgl. Bell. Hisp. 17,1–3; 19,4–6. Überraschenderweise erwähnt van Hooff (1974) 127 die clementia als charakteristischen Wesenszug Caesars im Bell. Hisp. nicht, richtig dagegen Pascucci (1965) 33f.; Diouron (1999) LXI; Tschiedel (2012) 41f. 34 Vgl. Dioruon (1999) LXII. 35 Dass Caesar von diesem und ähnlichen Gewaltakten wusste, wie Tschiedel (2012) 45 Anm. 33 meint, mag zutreffen. Allerdings lässt sich aus dem Text gerade nicht darauf schließen, vgl. z. B. Pascucci (1965) 34.

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Hände abzuschlagen (Gall. 8,44,1, vgl. Kap. 4.4.3).36 Im Unterschied zu dieser Stelle ist aber Caesar hier nicht als Befehlsgeber namhaft gemacht, und es lässt sich nicht sagen, ob andernfalls der Erzähler des Bell. Hisp. nicht wie der Erzähler von Bell. Gall. 8 ebenfalls einen Legitimationsversuch unternommen hätte. Was das Verhalten des Erzählers betrifft, halte ich Bell. Afr. 85,9 für die aussagekräftigere Vergleichsstelle. Denn während der Erzähler sich dort, wie gezeigt wurde (vgl. Kap. 6.3.3), deutlich vom Verhalten der Soldaten distanziert, berichtet er im Bell. Hisp. über die von den Soldaten verübten Gräueltaten, ohne sie zu kommentieren. Dies hat dem Verfasser des Bell. Hisp. den Ruf eingebracht, so mitleidlos über die von den Caesarianern zu verantwortenden Grausamkeiten und Gewaltakte zu berichten, als handelte es sich dabei um alltägliche Selbstverständlichkeiten eines Krieges37 – eine Einschätzung, die insofern nachvollziehbar ist, als sich Distanzierungsbemühungen der Erzählstimme in solchen Fällen tatsächlich nicht nachweisen lassen. Doch der Erzähler stellt in seinem Bericht nicht nur die Handlungen der Soldaten in den Vordergrund, er referiert auch ihre Gedanken und Überlegungen,38 manchmal auch dort, wo stattdessen die Gedanken Caesars zu erwarten gewesen wären. Im Vorfeld der nächsten Textpassage, die dies illustrieren kann, verhandeln – die Einzelheiten sind aufgrund zweier Textlücken nicht zu rekonstruieren39 – die Einwohner von Ategua mit dem Feldherrn darüber, der Besatzung des Pompeius freies Geleit aus der belagerten Stadt zu gewähren (13,5–6): Quibus respondit Caesar se condiciones dare, non accipere consuevisse. Qui cum in oppidum revertissent, relato responso clamore sublato omni genere telorum emisso pugnare pro muro toto coeperunt; propter quod fere magna pars hominum, qui in castris nostris essent, non dubitarunt quin eruptionem eo die essent facturi. Ihnen antwortete Caesar, er sei es gewohnt, Bedingungen zu stellen, nicht anzunehmen. Als sie mit dieser Nachricht in die Siedlung zurückgekommen waren, erhoben sie ein Geschrei und begannen mit allen möglichen Geschossen auf der ganzen Mauer zu kämpfen. Deswegen glaubte ein Gutteil der Männer, die in unserem Lager waren, fest daran, dass sie an diesem Tag einen Ausfall machen würden.

Die Antwort auf die Forderung der Stadtbewohner erfolgt aus Caesars Mund: se condiciones dare, non accipere consuevisse.40 Anschließend fokalisiert der Erzähler,

|| 36 Vgl. Klotz (1927b) 64; Pascucci (1965) 212; Faraguna (1993) 1516; Diouron (1999) LXII; Melchior (2004) 175f.; Tschiedel (2012) 45 mit Anm. 36. 37 Vgl. Klotz (1927b) 100 zu Bell. Hisp. 32; Pascucci (1965) 34f.; Faraguna (1993) 1516; Diouron (1999) LXII; Maurach (2003) 254; Melchior (2004) 171; 173; Tschiedel (2012) 45; Laarmann (2015) 86f. 38 Vgl. Richter (1977) 214: „Was der Erzähler für mitteilenswert erachtet, sind die kleinen Einzelbewegungen und die Empfindungen der Mannschaften im Gefecht.“ 39 Zum möglichen Inhalt der lacunae vgl. Diouron (1999) 80f. 40 Van Hooff (1974) 129 spekuliert, dass es sich hierbei um eine authentische Äußerung Caesars handelt.

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anstatt das Geschehen aus Caesars Blickwinkel weiterzuverfolgen, jedoch auf die caesarischen Soldaten: Subjekt ist nun fere magna pars hominum, qui in castris nostris essent. Durch diesen Wechsel der fokalisierten Gruppe gibt der Erzähler nun einen Einblick ins Denken der Soldaten: Bei den Diskussionen, was auf Caesars Antwort an die Einheimischen, den im Lager hörbaren Lärm und die heftigen Kämpfe an der Mauer zu erwarten sei, ist die Mehrheit der Ansicht, man müsse noch am selben Tag mit einem Ausfallversuch rechnen. Was dagegen Caesar denkt, verschweigt der Erzähler. Die Priorisierung der Taten und Gedanken des soldatischen Kollektivs gegenüber den Taten und Gedanken Caesars ist im Bell. Hisp. immer wieder auffällig. So hat bereits Tschiedel die Abwesenheit der Figur Caesar in der Darstellung der Schlacht von Munda, die anderen antiken Historiographen als die schwerste Schlacht gilt, die Caesar je zu schlagen hatte,41 hervorgehoben.42 Tatsächlich ist die Schlachtbeschreibung (31) recht knapp und allgemein gehalten, zumal, wenn man dazu die detaillierten Informationen aus den früheren Kapiteln, dem ‚Tagebuch‘, vergleicht: Die nostri, auf der rechten Seite die decumani, auf der linken der equitatus Caesaris, kämpfen mit großer Tapferkeit gegen den höher stehenden Feind, bis dieser sich schließlich in die Siedlung zurückzieht. Lediglich aus der Zahl der Toten und aus dem Hinweis des Erzählers, dass sich unter ihnen auch Labienus und Attius Varus befinden, lässt sich das Ausmaß und die historische Bedeutung der Schlacht erahnen.43 Dass der Erzähler die Schlacht von Munda trotzdem als militärischen Höhepunkt des hispanischen Feldzugs modelliert hat, verdeutlichen die Kapitel, die von den Stunden unmittelbar vor Ausbruch der Schlacht handeln. Auch in diesem Zusammenhang hat das Soldatenkollektiv als handelnde und fühlende ‚Figur‘ eine herausgehobene Bedeutung (29,3–30,4): (XXIX,3) Id quod Caesar cum aciem derectam vidisset, non habuit dubium quin mediae planitie in aequum ad dimicandum adversarii procederent; hoc erat in omnium conspectu … Nostri laetari, nonnulli etiam timere, quod in eum locum res fortunaeque omnium deducerentur ut quidquid post horam casus tribuisset, in dubio poneretur. Itaque nostri ad dimicandum procedunt, id quod adversarios existimabamus esse facturos … (XXX,2) Ita cum in extrema planitie iniquum in locum nostri appropinquassent, paratus hostis erat superior, ut transeundum superius iter vehementer

|| 41 Vell. Pat. 2,55,3 (nullum umquam atrocius periculosiusque ab eo initum proelium), ähnlich Flor. 2,13,78, sowie Plut. Caes. 56, wo Caesar die Worte in den Mund gelegt werden, er habe vor Munda zum ersten Mal um sein Leben gekämpft (ὡς πολλάκις μὲν ἀγωνίσαιτο περὶ νίκης, νῦν δὲ περὶ ψυχῆς), ähnlich App. civ. 2,104. Sueton (Iul. 36) und Orosius (6,16,7) sprechen von Selbstmordgedanken Caesars. 42 Vgl. Tschiedel (2012) 47. 43 Ob die Verwendung des Enniuszitats pes pede premitur, arma teruntur arma (frg. 584 Skutsch) inmitten der Schlachtdarstellung (31,6) dazu dient, die große Bedeutung der Schlacht hervorzuheben, ist umstritten: vgl. Gaertner (2010) 249 und contra Allendorf (2016) 553.

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esset pericolosum. Quod cum a Caesare esset animadversum, ne quid temere culpa secus admitteretur, eum locum definire coepit. Quod cum hominum auribus esset obiectum, moleste et acerbe accipiebant se impediri quominus proelium conficere possent. (29,3) Nachdem Caesar dies und die feindliche Schlachtaufstellung gesehen hatte, rechnete er fest damit, dass die Feinde auf flaches Gelände mitten in der Ebene zum Kampf vorrücken würden. Dieses lag vor aller Augen … Unsere Leute frohlockten, einige fürchteten sich auch, weil an diesem Ort über das Glück und Schicksal aller entschieden würde, sodass, was auch immer der Zufall nach einer Stunde brächte, noch im Ungewissen lag. So schritten unsere Leute zum Kampf, wovon wir dachten, dass es die Gegner ebenfalls tun würden … (30,2) Als unsere Leute sich auf diese Weise auf dem hintersten Teil der Ebene dem ungünstigen Gelände genähert hatten, war der höher lagernde Feind schon kampfbereit, sodass es überaus gefährlich war, den Weg höher hinauf zu gehen. Als Caesar dies bemerkt hatte, begann er, um nicht zufällig etwa eine Fahrlässigkeit zu begehen, diesen Ort abzustecken. Als dies an die Ohren der Männer gedrungen war, nahmen sie ungehalten und gereizt auf, dass sie zurückgehalten wurden, sodass sie nun die Schlacht nicht schlagen konnten.

Auch an dieser Stelle formuliert der Erzähler wieder so, dass der Eindruck entsteht, er selbst sei Teil des Soldatenkollektivs und somit ein homodiegetischer Erzähler. Dazu trägt entscheidend der Plural existimabamus bei, mit dem er seine Zugehörigkeit zur Truppe deutlich signalisiert.44 Es passt ins Bild, dass er die Bedeutung der ganzen Schlacht, die aus der sich anschließenden, eigentlichen Schlachtdarstellung nicht recht deutlich wird, an dieser Stelle ausgerechnet an der Stimmung unter den Soldaten zu illustrieren versucht: Freude und angstvolle Ungewissheit markieren die Spannung der Truppe vor dem anstehenden Großereignis (nostri laetari, nonnulli etiam timere).45 Gleichwohl ist hier auch Caesar noch als Figur präsent. Genau wie seine Soldaten ist auch er davon überzeugt, das gegnerische Heer werde zum Kampf in die Ebene hinabsteigen (non habuit dubium …). Diese Auffassung stellt sich jedoch schon bald als falsch heraus, da Pompeius seine Stellung nicht aufzugeben bereit ist. Aus diesem Grund lässt Caesar sein Heer vorübergehend Halt machen. Die Reaktionen des Heeres auf den Befehl des Feldherrn sind keineswegs positiv: Die Solda-

|| 44 Im Gegensatz dazu verweist der Erzähler durch Querverweise des Typs ut supra demonstravimus auf sich selbst in seiner Funktion als Erzähler, nicht als Figur. Mit Recht kann also Vulic (1896) 7 aus der Form existimabamus auf die (ggf. fingierte) Augenzeugenschaft des Verfassers schließen. 45 Die Infinitive unterstreichen Diouron (1999) LXXXII zufolge die dramatische Spannung kurz vor Ausbruch der Schlacht. Treffend zum ganzen Abschnitt auch Faraguna (1993) 1530: „Ma tutto il racconto della battgalia … resulta particolarmente vivo ed efficace, specie per la ricca serie di osservazioni psicologiche che ci illustrano l’episodio non dal punto di vista del generale, che tutto vede e prevede, ma da quello dei soldati che vivono lo scontro con le loro inquietudini e i loro entusiasmi.“ In diesem Zusammenhang ist allerdings auch auf die äußeren Bedingungen (Wetter, Eignung des Kampfplatzes) hinzuweisen, die, so der Erzähler, so ausgezeichnet sind, dass Ort und Zeitpunkt fast göttlich vorherbestimmt scheinen (ut optandum tempus prope ab diis inmortalibus illud tributum esset ad proelium committendum, 29,4).

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ten sind kampfbegierig und daher ungehalten über Caesars Entscheidung (moleste et acerbe accipiebant se impediri quominus proelium facere possent). Auch in diesem Satz zeigt der Erzähler das Heer als kollektiven Akteur im Krieg. Es fungiert nicht als bloßes Werkzeug in den Händen eines Feldherrn, der den Sieg durch seine überlegene Strategie herbeiführt, sondern es denkt, fühlt und handelt eigenständig, häufig in Übereinstimmung mit Caesar, manchmal, wie diese Stelle zeigt, jedoch auch anders als er.

7.2.3 Intendiertes Lesepublikum Aus den Ergebnissen des vorigen Abschnitts können auch Rückschlüsse auf ein mögliches intendiertes Lesepublikum gezogen werden. Da der Erzähler über weite Strecken auf das soldatische Kollektiv fokalisiert und dabei auch dessen Gedanken und Gefühle verbalisiert, liegt diese Gruppe auch als Adressat des Bell. Hisp. nahe: Der Text lädt durch die Darstellung des Erzählers zu einer identifikationsstiftenden Lektüre ein, einer Lektüre also, in der sich besonders die Veteranen aus Caesars Heer repräsentiert fühlen können.46 Diese Hypothese wird durch eine Analyse der Darstellung des gegnerischen Heeres gestützt. Die genauen Mechanismen der Diskreditierung und Diffamierung der Pompeianer im Bell. Hisp. sind zwar Gegenstand des vierten Unterkapitels, da sie entscheidend von einem Raummodell abhängig sind, auf das der Erzähler für die Evaluation von Kriegsereignissen regelmäßig rekurriert. Doch fällt es auch unabhängig davon nicht schwer, zu zeigen, dass der Erzähler keineswegs neutral berichtet, sondern im Gegenteil darauf bedacht ist, die Grausamkeit und Inhumanität der pompeianischen Soldaten, wie sie etwa während der Belagerung von Ategua zu Tage tritt (15,6), drastisch herauszustellen:47 Eius diei insequenti tempore pristina consuetudine pro muro pugnari coeptum est. Cum bene magnam multitudinem telorum ignemque nostris defendentibus iniecissent, nefandum crudelissimumque facinus sunt agressi in conspectuque nostro hospites qui in oppido erant iugulare et de muro praecipites mittere coeperunt, sicuti apud barbaros; quod post hominum memoriam numquam est factum. Später am selben Tag begann man nach alter Gewohnheit wieder damit, an der Mauer zu kämpfen. Als sie eine reichliche Zahl48 Wurfspieße und Feuergeschosse auf unsere Leute, die

|| 46 So auch Rüpke (1992) 224f. ~ (2015) 136f. 47 Vgl. grundlegend Pascucci (1965) 30–33; Diouron (1999) LXf. 48 Eine der markantesten Eigenarten in der Sprache des Bell. Hisp. ist die Komparation mit bene, ein Phänomen, das als „typisch umgangssprachlich“ (Hofmann 1951, § 70; vgl. Pascucci 1965, 47; Canali 1966, 125f.; Diouron 1999, LXX; Gaertner 2010, 251; Allendorf 2016, 552f.) gilt. In der Überset-

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sich dagegen zur Wehr setzten, geworfen hatten, machten sie sich an ein verwerfliches und außerordentlich grausames Verbrechen und gingen dazu über, vor unseren Augen den Gastfreunden, die in der Siedlung waren, die Kehle durchzuschneiden und sie von der Mauer hinunterzuwerfen, wie bei Barbaren; das ist seit Menschengedenken niemals geschehen.

Oben (in Kap. 7.2.2) wurde bereits kurz auf die fehlende Empathie hingewiesen, die die Forschung dem Erzähler angesichts der nüchternen Darstellung von auf caesarischer Seite verübten Gräueltaten wiederholt attestiert hat. Im deutlichen Kontrast zu diesen Fällen steht das emphatische Urteil über das an den – hier als hospites bezeichneten – Einwohnern Ateguas verübte Massaker. Die Pompeianer verüben ein Verbrechen der Superlative: Sie töten ihre Gastgeber49 und werfen sie anschließend Caesars Heer, das die Siedlung belagert, vor die Füße, indem sie die Leichen über die Stadtmauer werfen. Diese Tat qualifiziert für den Erzähler nicht nur als nefandum crudelissimumque facinus, er spricht den Tätern auch ihre Romanitas ab (sicuti apud barbaros) und besteht auf der Singularität des Verbrechens (post hominum memoriam numquam est factum). Es ist klar, dass eine solche Darstellung eine werbende, auf Versöhnung der Bürgerkriegsparteien ausgerichtete Textintention nahezu ausschließt.50 Auch die gelegentlichen Anleihen, die der Erzähler beim Epos (z. B. Ennius) und der römischen Historiographie nimmt,51 passen in dieses Bild. Bis in die jüngste Vergangenheit dominiert in Bezug auf diese Zitate die Frage, welche Rückschlüsse sie auf den Bildungsstand des Verfassers oder seine literarischen Ambitionen zulassen.52 Doch kann man die Frage auch anders stellen: Wenn die Darstellung Caesars ehemalige Soldaten, also Teilnehmer des Krieges, über den der Erzähler berichtet, als intendierte primäre Rezipienten wahrscheinlich macht, welchen Wert haben

|| zung lässt sich die damit verbundene Redundanz (bene magna multitudo wörtlich: eine recht große Vielzahl) nur selten adäquat nachahmen. 49 Der Erzähler verwendet hier und öfter (z. B. 35,4, zit. in Abschn. 7.4.5) den konkreten und drastischen Begriff iugulare. Dieser Terminus ist ausschließlich für die Pompeianer reserviert (vgl. hierzu u. a. Klotz 1927b, 26; Pascucci 1965, 232; Canali 1966, 132; Diouron 1999, 83f.). 50 Vgl. Pascucci (1965) 41f. („Denigrare l’avversario è il compito che si propone l’anonimo con maggiore coerenza e continuità …“); Diouron (1999) LXf. und Müller (2018). 51 Vgl. dazu einleitend Kap. 7.1. Für die Analyse einer Motivübernahme aus der jüngeren Annalistik vgl. Abschn. 7.4.3. 52 Kaum ein Forschungsbeitrag zum Bell. Hisp. kommt ohne eine Bewertung in dieser Frage aus: Vgl. z. B. Pascucci (1950) 213–215; für weitere Literatur vgl. Gaertner 2010, 243 Anm. 4; für einen extravaganten Vorschlag vgl. Melchior 2004, 185f. (Die Vergleiche zeugten vom Versuch des Verfassers, selbst erlebte Gewalt zu bewältigen). Gaertner behält diese Fragestellung bei (vgl. ebd., 245f.: „I shall develop a more plausible interpretation of the author’s stylistic aims …“), kommt dabei aber zu dem Ergebnis, dass der Verfasser die Enniuszitate als archaisierendes Stilmittel eingesetzt habe (vgl. ebd., 249). Dem entgegnet Allendorf (2016) 553f. mit Anm. 46, dass der Verfasser möglicherweise unbewusst auf sprachliche Mittel zurückgegriffen haben könnte, die älteren Texten entstammten.

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epische Vergleiche und Reminiszenzen an die ‚große‘ Historiographie gerade für diese Zielgruppe? Zur Beantwortung dieser Frage ist es von untergeordneter Bedeutung, ob der Autor des Bell. Hisp. sich in eine historiographische Tradition einschreiben oder schlicht mit seinem Schulwissen prahlen wollte. In jedem Fall kann in diesen Reminiszenzen ein Mittel gesehen werden, das geeignet ist, die dargestellten Kriegsereignisse, ob geglückt oder nicht, zu ästhetisieren.53 Durch die mehrfache Parallelisierung mit Kampfdarstellungen etwa bei Ennius steht das selbst Erlebte in einer Reihe mit den großen Kriegen, die der Dichter in den Annales behandelt hat. Der Erzähler liefert seinem Lesepublikum so die Gewissheit, an geschichtemachenden Ereignissen selbst teilgehabt und Denkwürdiges geleistet zu haben. Diese Form der Selbstvergewisserung kann nicht zuletzt auch dazu beitragen, das Zugehörigkeitsgefühl zur Gemeinschaft der Caesarianer in einer Zeit, in der diese zusehends zu erodieren droht, zu festigen (s. dazu ausführlich Kap. 4.4.5 und 7.3.3).

7.3 Ordnung: Die historische Bedingtheit des Krieges 7.3.1 Vorbemerkung Im vorigen Abschnitt kam bereits kurz der Aspekt der Erzählordnung im Bell. Hisp. zur Sprache: Sie folgt stets und penibel der Chronologie der Ereignisse. Dies geht so weit, dass der Erzähler sich bei versehentlichen Verstößen gegen die zeitliche Ordnung sogar dazu verpflichtet fühlt, darüber Rechenschaft abzulegen.54 In den Fällen, in denen der Erzähler mit repetitiven Analepsen des Typs ut supra demonstravimus zuvor Berichtetes wieder aufgreift, bezieht er sich stets auf seinen eigenen Text.55 Unter diesen Voraussetzungen eine Untersuchung der Erzählordnung anzustrengen, scheint zunächst wenig vielversprechend. Allerdings nehmen das erste und das uns als letztes überlieferte Kapitel in dieser Hinsicht einen Sonderstatus ein, denn der Erzähler geht hier über das Berichten von Einzelfakten hinaus, das das Bell. Hisp. ansonsten über weite Strecken kennzeichnet. Diese beiden Kapitel leisten stattdessen eine, wenngleich knappe, Kontextualisierung: Welches sind die Ursachen für den gegenwärtigen Krieg? Welche Rolle spielen dabei die persönlichen Verbindungen der Feldherrn Pompeius und Caesar in die hispanischen Provinzen?

|| 53 Dies ist etwa gegen Cluett (2009) 196f. und Allendorf (2016) 554f. zu betonen. Beide Forscher gehen davon aus, dass das Bell. Hisp. nicht als literarisches Werk konzipiert worden ist, eine Position, die sich allerdings nicht mit der communis opinio deckt (s. Kap. 7.1). 54 Vgl. Bell. Hisp. 10,2: Suo loco praeteritum est quod equites ex Italia cum Asprenate ad Caesarem venissent – „Es wurde vergessen, an geeigneter Stelle darauf hinzuweisen, dass Reiter aus Italien zusammen mit Asprenas zu Caesar gekommen waren“. 55 Vgl. Bell. Hisp. 4,2; 5,2; 25,7; 39,1.

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Weil der Text sonst solcherlei Einordnungen nicht enthält, sind die Äußerungen des Erzählers in den genannten Kapiteln umso gründlicher zu analysieren. In diesem Rahmen ist zu prüfen, ob der Erzähler, ähnlich wie der Erzähler des achten Buches des Bell. Gall., mit seinen Ausführungen nachweisbar auf andere Texte im Corpus Caesarianum Bezug genommen hat und so signalisiert, diese gekannt zu haben (Abschn. 7.3.2). Nicht zuletzt würde ein solcher Befund die Schlussfolgerung nahelegen, dass sich der Verfasser des Bell. Hisp. trotz der Diversität seiner Sprache um Anschluss an die anderen Texte im Corpus Caesarianum bemüht hat. Davon unabhängig wird in der Art und Weise, wie der Erzähler (bzw. die Figur Caesar) Ereignisse der Vergangenheit auswertet und zum aktuellen Geschehen in Beziehung setzt, die ideologische Ausrichtung der Schrift besonders gut sichtbar. Die Rekonstruktion dieser Tendenz auf der Grundlage der bisher gewonnenen Ergebnisse zu vervollständigen, ist Ziel des zweiten und vor allem des dritten Abschnitts.

7.3.2 Der Anfang vom Ende – Bell. Hisp. 1 Pharnace superato, Africa recepta, qui ex his proeliis cum adulescente Cn. Pompeio profugissent, cum et ulterioris Hispaniae potitus esset, dum Caesar muneribus dandis in Italia detinetur, quo facilius praesidia contra compararet, Pompeius in fidem uniuscuiusque civitatis confugere coepit. Ita partim precibus partim vi bene magna comparata manu provinciam vastare. Quibus in rebus nonnullae civitates sua sponte auxilia mittebant, item nonnullae portas contra claudebant. Ex quibus si qua oppida vi ceperat, cum aliquis ex ea civitate optime de Cn. Pompeio meritus civis esset, propter pecuniae magnitudinem aliqua ei inferebatur causa, ut eo de medio sublato ex eius pecunia latronum largitio fieret. ________ lac. post cum stat. edd. vett. (Kraner, Kübler, du Pontet) Als nach dem Sieg über Pharnakes und der Rückeroberung Afrikas diejenigen, die mit dem jungen Gnaeus Pompeius aus diesen Kämpfen geflohen waren und im ‚jenseitigen‘ Hispanien Fuß gefasst hatte, begann Pompeius damit, während Caesar noch wegen Spielen, die er abhielt, in Italien zurückgehalten wurde, um einfacher Unterstützung gegen (ihn) zu organisieren, sich in den Schutz jeder einzelnen Stadt zu begeben. So verwüstete er die Provinz mit einem recht großen, teils durch Bitten teils durch Gewalt verpflichteten Haufen. Hierzu sandten einige Städte ihm aus freien Stücken Truppen, zugleich verschlossen einige ihm die Tore. Wenn er von diesen Siedlungen eine mit Gewalt eingenommen hatte, wurde, selbst wenn einer aus dieser Stadt sich sehr um Gnaeus Pompeius (Magnus) verdient gemacht hatte, diesem Menschen wegen seines Reichtums irgendetwas angeheftet, damit man mit dessen Geld nun, nachdem er beseitigt war, Räuber beschenken konnte.

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Das Eröffnungskapitel des Bell. Hisp. galt lange Zeit als lückenhaft und korrupt,56 bis als erster Drexler bestritten hat, dass der Text überhaupt emendationsbedürftig sei.57 Folgt man seiner Auffassung und geht davon aus, dass der Text größtenteils richtig überliefert ist,58 liegt es nahe, ihn auch auf erste Anzeichen für die ideologische Ausrichtung der Schrift zu untersuchen, die der Erzähler für seinen Bericht festgelegt hat.59 Hinsichtlich der Kategorie ‚Ordnung‘ fallen dabei zwei Stellen ins Auge. Zum einen die beiden ablativi absoluti, mit denen das Bell. Hisp. einsetzt (Pharnace superato, Africa recepta): Anders als Bell. Alex. und Bell. Afr., die beide auf eine Kontextualisierung des Berichteten zu Beginn des Textes verzichten,60 könnte die Eröffnung des Bell. Hisp. auf seine Vorgängertexte Bezug nehmen; in diesem Fall müsste der Verfasser von der Existenz des Bell. Alex. und des Bell. Afr. Kenntnis gehabt haben.61 Zum anderen könnte die Erwähnung des Pompeius Magnus und seiner Klientelverhältnisse gleich im ersten Kapitel den aktuellen Krieg mit dem ersten

|| 56 Vgl. u. a. die Ausgaben von Nipperdey (1847) 717f., Kraner (1861) 369, du Pontet (1901) ad loc. oder Klotz (1927a) 136; zuletzt wieder Raaflaub (2017) 607, 14.1b. Von den genannten Hgg. ist Klotz der einzige, der versucht hat, einen lesbaren Text herzustellen. Seine Vorschläge haben sich nicht durchgesetzt. 57 In Drexler (1935) 208–214. Mit Zustimmung wurde Drexlers Vorstoß nicht nur von Seel (1935) 106–110 aufgenommen, auch die meisten modernen Editionen – namentlich etwa Pascucci (1965) 83; 114–126; Diouron (1999) 41; eine Ausnahme: Loreto (2001) 286 – greifen darauf zurück. 58 Zur Textgestalt: Ich folge grundsätzlich Drexlers konservativem Textverständnis, doch setze ich zur Vermeidung eines schweren Anakoluths wie einige der älteren Editoren eine lacuna. Verzichtet man auf diese lacuna, ergibt sich noch ein weiteres Problem: Das folgende et kann dann nicht Konjunktion sein, sondern bedeutet so viel wie etiam, „auch“ (Nipperdey 1847, 228f.; Drexler 1933, 210; 212). Eine solche Lesart würde jedoch nahelegen, dass Pompeius Hispania citerior zuerst unterworfen hat (entsprechend der Übersetzung Pennacinis 1993, 907: „… il giovane Gneo Pompeo … essendosi impadronito anche della Spagna Ulteriore …“), doch die diesseitige Provinz ist zu keinem Zeitpunkt Schauplatz dieses Krieges (zur Bedeutung von potiri an dieser Stelle vgl. Coulon-McIntosh 2012, 111 Anm. 487). Dagegen hat Seel (1935) 107 ~ Pascucci (1965) 118 folgende Übersetzung vorgeschlagen: „… als es dann Pompeius gelungen war (nicht nur zu fliehen, sondern) auch (et!) sich in Spanien … festzusetzen …“, eine Paraphrase, die sich recht weit vom überlieferten Text entfernt. Andererseits ist Drexler (1935) 211 darin rechtzugeben, „daß sich kaum etwas denken läßt, was zwischen profugissent und potitus esset gestanden haben könnte.“ – Die Stelle veranschaulicht exemplarisch, welche Probleme die Textkonstitution des Bell. Hisp. bereitet, vgl. dazu van Hooff (1974) 124. 59 Erste Ansätze hierzu ebenfalls bei Drexler (1935) 208–227. 60 Vgl. Kap. 1 und 6.1. 61 Vgl. Klotz (1927b) 35 und zustimmend Seel (1935) 89f.; Pascucci (1973) 630; Faraguna (1993) 1498.

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Bürgerkriegsfeldzug in Hispanien parallelisieren und somit auf das erste und zweite Buch des Bell. civ. zurückverweisen.62 Im Rahmen der erwähnten textkritischen Auseinandersetzung mit Bell. Hisp. 1,1 hat Drexler überzeugend zu erklären vermocht, aus welchem Grund die beiden ablativi absoluti korrekt überliefert sind: „Sie sollen einfach die beiden dem spanischen vorangehenden Kriege in Erinnerung rufen, und zwar die Kriege, die Caesar selbst geführt hat“, wobei der Afrikanische Feldzug als auswärtiger Krieg aufgefasst werde, „ganz so, als handelte es sich nur um einen Aufstand des Iuba gegen Rom“.63 Diese Interpretation erhält durch einen Blick ins Bell. Afr. große Wahrscheinlichkeit: Wie gesehen, beansprucht König Juba hier den purpurnen Feldherrnmantel für sich und Scipio unterwirft sich dieser Forderung; ein symbolischer Akt, durch den der König für Caesar zum primären Gegner, Scipio hingegen zum Vasallen einer fremden Macht wird.64 Ein weiteres Indiz deutet darauf hin, dass genau diese Auslegung des Konflikts zentral für die pro-caesarische Weltanschauung ist: Der Umstand, dass Caesar im Jahr 46 eben nicht nur über Gallien, Ägypten und Pontos, also die vom Bürgerkrieg (weitgehend) unabhängigen Siege, sondern auch über Afrika triumphierte.65 Für das Bell. Hisp. ist nun entscheidend, dass sein Erzähler bereits durch die beiden einleitenden ablativi absoluti signalisiert, dass er diese caesarische Auslegung der zeitgeschichtlichen Ereignisse übernehmen will. Später wird er dieses Deutungsmuster auch auf den Konflikt in Hispanien übertragen (vgl. Abschn. 7.4.5 zu den Implikationen des Raummodells), doch klingt es ebenfalls bereits hier, zu Beginn der Schrift, an: Diejenigen, die den Krieg in Hispanien führen, sind dieselben wie zuvor, nur dass sie dieses Mal unter Führung des Cn. Pompeius stehen: qui ex his proeliis – nämlich aus den Kämpfen in Pontos und Afrika – cum adulescente Cn. Pompeio profugissent.66 Gänzlich unklar muss folglich bleiben, ob der Erzähler mit dem Verweis auf den Sieg über Pharnakes und Juba auf die entsprechenden Darstellungen im Corpus

|| 62 Auch wenn Pompeius nicht persönlich an diesem Feldzug teilgenommen hat, wird die aus dem Sertoriuskrieg resultierende Verbundenheit der hispanischen Bevölkerung mit dem abwesenden Anführer der Senatspartei hier mehrfach thematisiert (civ. 1,29,3; 61,3; 2,18,7). 63 Drexler (1935) 209. Insbesondere deutet die Formulierung Africa recepta auf einen legitimen Verteidigungskrieg (vgl. Faraguna 1993, 1498). 64 Vgl. Kap. 6.4.2. Die Kritik Seels (1935) 106 Anm. 1 ist unberechtigt. 65 Vgl. Faraguna (1993) 1498; zum Triumph des Jahres 46: Voisin (1983); zur Darstellung des Alexandrinischen als eines auswärtigen Krieges vgl. Kap. 5.3.1. 66 Diese Paraphase gibt die historische Realität nur ungenügend wieder: In Pontos haben weder Pompeius noch die anderen Protagonisten des Widerstands in Hispanien (Attius Varus, Labienus) gegen Caesar gekämpft, während des afrikanischen Feldzugs hat Pompeius sich nach Hispanien abgesetzt, ehe er in den Krieg hätte eingreifen können (Bell. Afr. 23). Von einer gemeinsamen Flucht der Caesargegner, zumal unter der Führung des Pompeius, kann daher keine Rede sein (vgl. z. B. Raaflaub 2017, 607, 14.1b) Doch ist gut denkbar, dass der Erzähler diese Ungenauigkeit in Kauf genommen hat, um die Gleichartigkeit der drei Kriege zu erweisen.

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Caesarianum anspielt. Die Erwähnung gerade dieser beiden Feldzüge ist aus sich heraus so schlüssig, dass es nicht nötig ist, den Grund dafür bei Hirtius oder einem späteren Bearbeiter zu suchen, der mit einer redaktionellen Bemerkung zu Beginn das Bell. Hisp. mit den anderen Texten im Corpus verbinden wollte.67 Es liegt keine Analepse vor. Anders als die Funktion der beiden ablativi absoluti hat Drexler in seiner Interpretation von Bell. Hisp. 1 die Bedeutung des Verweises auf Cn. Pompeius Magnus (cum aliquis ex ea civitate optime de Cn. Pompeio meritus civis esset) für die ideologische Ausrichtung des Textes unterschätzt.68 Dass es sich bei dem hier genannten Pompeius tatsächlich um den Vater der nun in Hispanien kriegführenden Brüder handelt, ist aus zwei Gründen sehr wahrscheinlich: Erstens lässt sich aus dem Bell. civ. und Bell. Alex. die Verbundenheit eines Teils der hispanischen Bevölkerung mit dem Sieger über Sertorius, die auch zu dessen großer Popularität im Bürgerkrieg entscheidend beigetragen hatte, gut erschließen.69 Zweitens ist unklar, auf welche Weise sich die hispanische Bevölkerung bereits um den jungen Pompeiussohn verdient gemacht haben könnte, zumal in den Städten, die dieser mit Gewalt eroberte.70 Richtig ist, dass Pompeius Magnus im weiteren Textverlauf nicht als Vergleichsfigur instrumentalisiert wird – sein Name fällt nur dieses einzige Mal im gesamten Text. Umso bedeutsamer ist allerdings der Hinweis auf ihn an dieser exponierten Stelle im ersten Kapitel, noch bevor mit Caesars Ankunft im zweiten Kapitel der eigentliche Kriegsbericht einsetzt. Er dient dazu, schon früh im Text die grundlegende Verschiedenheit von Vater und Sohn festzustellen. Statt die Vorteile auszunutzen, die die historisch gewachsenen Bindungen an den Vater auch dem Sohn eröffnen könnten, geht letzterer auch gegen verdiente Bürger vor,71 um Geld für den Krieg zu beschaffen. Dies beurteilt der Erzähler erkennbar kritisch: Ein Anhänger Pompeius Magnus’ hat in seinen Augen größere Achtung verdient als die nicht näher spezifizierte Gruppe der latrones, die der jüngere Cn. Pompeius durch dessen Enteignung finanziert. Der Verdacht liegt nahe, dass der Vater ein solches Verhalten keineswegs gutgeheißen hätte. Und noch ein weiterer Schluss ist möglich: Die seit Zela immer gleichen Widerständler, die gegen Caesar agitieren (qui ex his proeliis … profugissent), können sich nicht mehr auf Pompeius Magnus und seine Ziele beru-

|| 67 So Seel (1935) 90. Diese Hypothese überzeugt schon deshalb nicht, weil das Bell. Afr. einer solchen Anbindung ebenfalls bedurft hätte; diese aber fehlt. 68 Vgl. Drexler (1935) 213. 69 Vgl. civ. 1,61; aber auch beim Aufstand gegen Q. Cassius Longinus spielen Sympathien für Pompeius Magnus eine Rolle, vgl. Bell. Alex. 58 bzw. Kap. 5.3.5. 70 Diese Einschätzung teilen auch Pascucci (1965) 127; Diouron (1999) 43 und Baumstark/Jahn (2004) 221 gegen den zweifelnden Drexler. 71 Auffällig ist hier eine Inversion des patronus-cliens-Verhältnisses: Stehen im Bell. civ. die Verdienste des Pompeius in Hispanien im Vordergrund, so sind es an dieser Stelle die der hispanischen Bürger um Pompeius.

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fen. Sein Sohn, dessen Name Kontinuität insinuiert, handelt nämlich ohne Rücksicht auf die Errungenschaften seines Vaters: Statt die Provinz zu fördern, verwüstet er sie (Ita … provinciam vastare).72 Es wird sich zeigen, dass sich genau in diesem Punkt die Einschätzung des Erzählers mit derjenigen der Figur Caesar deckt, die sich aus der abschließenden Caesarrede rekonstruieren lässt. Auch in diesem Fall kommt ein intertextueller Bezug auf das Bell. civ. also wohl eher nicht in Betracht: In der Auslegung des Erzählers ist der gegenwärtige Krieg ein Krieg gegen illegitime und romfeindlich gesinnte Widerständler, ist Pompeius Magnus im Vergleich zu seinem Sohn ein Förderer der Provinz.

7.3.3 Caesar und die Hispanier Identifiziert der Erzähler im ersten Kapitel des Bell. Hisp. in Pompeius den Hauptverantwortlichen für den neuerlichen Krieg, richtet die Figur Caesar ihre Vorwürfe vor allem gegen die einheimische Bevölkerung. ‚Caesars‘ Ansprache, vor den Einwohnern des als lusitanischer Hochburg bekannten Hispalis gehalten, ist als Generalabrechnung mit den Provinzialen konzipiert.73 In ihrem ersten Teil ruft ‚Caesar‘ seinen Zuhörern die Wohltaten ins Gedächtnis, die er der Provinz im Laufe seiner politischen Laufbahn immer wieder erwiesen habe.74 Diese Aufzählung mündet in einem zweiten Teil, einer Scheltrede, die formal durch den Wechsel von oratio obliqua zu oratio recta gekennzeichnet ist.75 Die in diesem Zusammenhang vorgebrachten Vorwürfe richten sich allesamt gegen die rebellische Natur der hispanischen Bevölkerung (42,4–7):76 || 72 Vgl. auch Drexler (1935) 213; Faraguna (1993) 1503f. 73 Die Rede hebt sich schon deshalb stark vom Rest des Bell. Hisp. ab, weil sie sich sprachlichstilistisch erheblich vom Rest des Textes unterscheidet (vgl. z. B. Pötter 1932, 60f.; Gaertner 2010, 243f.; contra Seel 1935, 62f. Gutt 2017 trennt strikt zwischen Kriterien für ein Supplement der Rede und des Ereignisberichts). Für die Interpretation des Gesamttextes wird sie vor allem deshalb interessant, weil hier (wie sonst nur in 1,1) die Ereignisse des behandelten Krieges in einen größeren Zusammenhang gestellt und auf diese Weise reflektiert und gedeutet werden (vgl. Coulon-McIntosh 2012, 124; kleine Burhoff et al. 2017, 75–77). Dem resümierenden Charakter der Rede ist es wohl geschuldet, dass die Forschung zumeist nicht von einer großen Textlücke am Schluss ausgeht (für Literatur vgl. Abschn. 7.1). 74 Caesars ausführliches Referat seiner persönlichen Leistungen in Hispanien steht im auffälligen Kontrast zu jener untertreibenden Bemerkung des Erzählers im Bell. civ., für die Bewohner der Provinz sei Caesar ein Unbekannter (Caesaris autem erat in barbaris nomen obscurius, 1,61,3), die sich teilweise damit erklären lässt, dass Caesar Quaestur und Propraetur im ‚jenseitigen‘ Hispanien ableistete, wohingegen Schauplatz des Feldzugs gegen Afranius und Petreius das ‚diesseitige‘ Hispanien war. 75 Vgl. hierzu Gutt (2017) 95. 76 Innerhalb der Rede wird nicht zwischen einzelnen Volksgruppen in Hispanien unterschieden, obwohl es historisch, wie auch im Bell. Hisp. selbst fassbar, innerhalb Hispaniens wohl deutliche

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„Vos iure gentium et civiumque Romanorum institutis cognitis, more barbarorum, populi Romani magistratibus sacrosanctis manus semel et saepius attulistis et luce clara Cassium in medio foro nefarie interficere voluistis. Vos ita pacem semper odistis, ut nullo tempore legiones desitae populi Romani in hac provincia haberi. Apud vos beneficia pro maleficiis, maleficia pro beneficiis habentur. Ita neque in otio concordiam neque in bello virtutem ullo tempore retinere potuistis. Privatus ex fuga Cn. Pompeius adulescens a vobis receptus fasces, imperium sibi arripuit, multis interfectis civibus auxilia contra populum Romanum comparavit, agros provinciamque vestro impulsu depopulavit. In quo vos victores exstabatis? An me deleto non animum advertebatis decem habere legiones populum Romanum, quae non solum vobis obsistere, sed etiam caelum diruere possent? Quarum laudibus et virtute …“ „Ihr habt euch, obwohl ihr mit dem Völkerrecht und den Sitten römischer Bürger bereits vertraut wart, nach Art von Barbaren nicht nur einmal an den sakrosankten Beamten des römischen Volkes vergriffen und wolltet am helllichten Tag den Cassius mitten auf dem Forum verbrecherisch umbringen. Ihr habt den Frieden schon immer so sehr verabscheut, dass zu jeder Zeit Legionen des römischen Volkes in dieser Provinz unterhalten wurden. Bei euch gelten Wohltaten als Übeltaten, Übeltaten als Wohltaten. Entsprechend konntet ihr weder in Friedenszeiten Eintracht wahren noch im Krieg Tapferkeit. Der junge Gnaeus Pompeius hat als Privatmann auf der Flucht von euch die Rutenbündel erhalten, hat den Oberbefehl an sich gerissen, hat, nachdem er viele Bürger getötet hatte, Truppen gegen das römische Volk ausgehoben und die Felder und die Provinz auf euren Antrieb hin verwüstet. In welcher Hinsicht habt ihr euch als siegreich erwiesen? Habt ihr nicht bedacht, dass nach meinem Tod das römische Volk zehn Legionen haben würde, die nicht nur euch bekämpfen, sondern sogar den Himmel einstürzen lassen könnten? Durch ihren Ruhm und ihre Tapferkeit ...“

Es ist vor allem dieser Abschnitt der Rede, in der in ‚Caesars‘ eigenen Worten die aktuellen Kriegsereignisse historisch verortet werden.77 Vor dem Hintergrund der vergangenen Feldzüge auf diesem Territorium, die der Redner explizit in Erinnerung ruft (nullo tempore legiones desitae populi Romani in hac provincia haberi), stellt der Krieg Caesars gegen den jüngeren Cn. Pompeius – von Sextus ist hier erst gar nicht die Rede – kein singuläres Ereignis dar, sondern schließt an eine lange Tradition römischen Kriegführens in der Provinz an. Durch diese Deutung wird Caesars Feldzug vom Bürgerkriegsgeschehen gänzlich entkoppelt: Hier sind nicht Pompeius und eine streng anticaesarisch gestimmte factio um so bekannte römische Militärs wie Labienus oder Attius Varus die Aggressoren, sondern es sind die Hispanier, in deren Händen Pompeius nur mehr als Werkzeug fungiert, um das eigene Ziel – die Souveränität von Rom – zu erreichen.78 || Unterschiede in Bezug auf die Loyalität zu Caesar gegeben hat (vgl. hierzu Kap. 5, Anm. 108. sowie Tsirkin 1981). Eine Erklärungsmöglichkeit liegt darin, dass Caesar seine Vorwürfe ohne zu generalisieren ausschließlich an die Einwohner von Hispalis richtet. 77 Mit der Aufnahme einer solchen, mit stilistischem Ornat versehenen, direkten Rede aus Caesars Mund in den Text hat sich der Verfasser des Bell. Hisp. (ähnlich wie der des Bell. Afr.) von der Verwendung der oratio obliqua in den caesarischen commentarii entfernt; vgl. Pascucci (1965) 386 ~ (1973) 621. 78 Vgl. van Hooff (1974) 133; Coulon-McIntosh (2011) 124.

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Diese Sichtweise auf die Ereignisse in Hispanien hat verschiedene Implikationen. Zum einen gelingt es so, Caesar als Garant für Kontinuität und Stabilität zu inszenieren: Seit der Quaestur (initio quaesturae, 42,1) verfolgt er in Hispanien dieselbe Politik, die Provinz durch gute Verwaltung für das römische Reich zu sichern. Die Menschen, gegen die er kämpft, verhalten sich so wie Barbaren (more barbarorum). Damit folgt nicht allein Caesars Handeln in Hispanien stets demselben Prinzip, sein letzter Feldzug ist zudem ganz ähnlich motiviert wie bereits sein Eingreifen in Gallien.79 In einem politischen Klima, in dem der Anschlag auf den dictator von seinen Gegnern als Tyrannenmord gerechtfertigt wird, ist dieser Nachweis von besonders hoher Relevanz. Aus dem Gesagten folgt zum anderen, dass Caesar in Hispanien im Gegensatz zu Pompeius als legitimer Vertreter Roms auftritt.80 Da jener einen Krieg ohne Amt (privatus) führt, ist er nicht mehr als ein abtrünniger Rädelsführer und Umstürzler, dessen revolutionäre Gesinnung in Hispanien, dem Raum, der für solche Bewegungen schon lange prädestiniert ist,81 auf besonders fruchtbaren Boden fällt. Damit wird durch die Rede genau der Eindruck bestätigt, den der Kriegsbericht bereits zuvor erweckt hatte. Durch seine passive Kriegsführung – das Vermeiden der Feldschlacht, das Lagern in den Bergen, den Guerillakampf – hat Pompeius sich seiner eigenen Kultur entfremdet und gleichzeitig Verhaltensmuster der hispanischen ‚Barbaren‘ adaptiert. Während Caesar die Werte Roms verkörpert, liefert Pompeius also mit seinem Handeln ein Beispiel für Diskontinuität und Illoyalität: Ausgerechnet er, der Träger eines so großen Namens, hat sich von Rom abgewandt. Durch diese Interpretation der Ereignisse in Hispanien rückt Pompeius’ Unternehmen in die Nähe des Krieges gegen Sertorius. Auch wenn der Marianer in Caesars Rede nicht namentlich genannt wird, ist er im Hintergrund doch präsent. So sind seit der römischen Rückeroberung Hispaniens zu dem Zeitpunkt, als Caesar seine in der Rede erwähnte Quaestur antritt (also i. J. 69)82 nicht länger als zwei Jahre vergangen. Bei den Steuererleichterungen, die Caesar durchgesetzt hat (42,2), || 79 Diouron (1999) 156f. schlägt vor, die Erwähnung des Cassius Longinus als Hinweis auf eine Ringkomposition zu den Anfangskapiteln des Bell. civ. zu lesen. Zwar ist auch hier Cassius Longinus ein magistratus sacrosanctus, dem Unrecht geschieht, nämlich einer der geschassten Volkstribunen (1,7,2), doch ist die These im Ganzen doch unwahrscheinlich. Nichts deutet darauf hin, dass am Schluss des Corpus gerade an den Ausbruch des Bürgerkriegs erinnert werden soll. Im Gegenteil ruft die Rede gerade Caesars auswärtige Kriege in Erinnerung (vgl. nochmals van Hooff 1974, 133; anders Gutt 2017, 93). Zur abweichenden Beurteilung des Cassius im Bell. Alex. vgl. Kap. 5.3.5. 80 Vgl. Coulon-McIntosh (2011) 124; kleine Burhoff et al. (2017) 76. 81 Vgl. auch die Begründung bei Loreto (2001) 469, warum Caesars letzter Krieg gerade in Hispanien stattfindet: „… Né c’è, a nostro parere, una ragione strutturale – cioè sociale e politica – nei conflitti in Spagna dal 49 al 45, bensì puramente militare-materiale, determinata cioè dalla marginalità geostrategica come topografica del teatro spagnolo, che lo rendo idoneo – meglio di qualsiasi altro – a divenire, di volta in volta, la nicchia per tentativi postremi.“ 82 Vgl. Diouron (1999) 155.

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handelt es sich um Strafzahlungen, die den Provinzialen im Anschluss an den Sertoriuskrieg durch Q. Caecilius Metellus Pius auferlegt worden waren.83 Indem Pompeius nun ebenfalls von Hispanien aus versucht, Widerstand gegen Rom zu organisieren, imitiert er also, wenngleich unfreiwillig und zugleich wenig erfolgreich, einen Mann, der gerade ihm nicht als Vorbild dienen sollte. Es war sein Vater, Pompeius Magnus, der für Rom den Sieg über Sertorius und die mit ihm verbündeten Lusitaner errungen hatte. Zugespitzt lässt sich folglich formulieren, dass sich ‚Caesar‘ in seiner Rede als derjenige inszeniert, der ausgerechnet die Errungenschaften seines größten Widersachers gegen dessen auf Abwege geratenen Sohn verteidigt. Auf diese Weise nimmt die Caesarrede einen Gedanken des ersten Kapitels wieder auf: Sein Auftreten in Hispanien zeigt, dass der junge Cn. Pompeius seinem Namen und den Erwartungen, die daran geknüpft sind, zu keinem Zeitpunkt gerecht wird. Allerdings endet die Rede noch nicht an diesem Punkt. Der Beweis, dass Caesar in Hispanien ein bellum iustum geführt hat, ist nun erbracht, Pompeius ist diskreditiert; doch mit der rhetorischen Frage In quo vos victores exstabatis? wechselt der Redner abermals das Thema. Was folgt, weist über den Feldzug in Hispanien deutlich hinaus: An me deleto non animum advertebatis decem habere legiones populum Romanum …? Was wäre geschehen, fragt ‚Caesar‘ seine Zuhörer, wenn er selbst in Hispanien nicht hätte Krieg führen können oder während des Feldzugs gefallen wäre? Die Antwort gibt er selbst: Nichts wäre anders verlaufen. Der eigentliche Rückhalt des römischen Reiches liegt nämlich bei seinen Legionen, die so viel vermögen, dass sie sogar den Himmel zum Einsturz bringen könnten (quae … caelum diruere possent). Diese Formulierung ist nicht nur aufgrund ihres hyperbolischen Charakters bemerkenswert, der mit der Nüchternheit der caesarischen commentarii nicht vereinbar scheint,84 sondern auch wegen ihres Inhalts: In seinem Lob auf die römischen Legionen marginalisiert sich ‚Caesar‘ selbst, indem er nahelegt, dass es seiner selbst gar nicht bedurfte, um den Sieg in Hispanien herbeizuführen. Dieses Resümee passt einerseits, wie die Analyse des ‚Ereignisberichts‘ gezeigt hat, zur Wirkungsabsicht des Bell. Hisp. insgesamt: Es geht genau genommen nicht länger um „Caesars Kriege“,85 sondern um die Kriege der caesarischen Soldaten – denn sie sind es, die im Vordergrund stehen. Doch andererseits bietet es sich hier, wie vielleicht an keiner anderen Stelle des Corpus Caesarianum, an, die Worte ‚Caesars‘ vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Ereignisse zu interpretieren: Caesars Tod, im Kontext der Rede ein bloßes Gedankenspiel, ist für das Lesepublikum

|| 83 Vgl. Pascucci (1973) 620. 84 So Pascucci (1965) 386 ~ Pascucci (1973) 621; van Hooff (1974) 136; Tschiedel (2010) 44 mit Anm. 30. 85 Rüpke (1992) 225 zu den postcaesarischen Schriften: „Es handelt sich um Kriegsmonographien, es geht jetzt um Caesars Kriege.“

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bereits Realität geworden.86 So wirkt der Satz An me deleto … wie eine implizite Replik an die Caesarmörder. Auch sie haben nicht bedacht, dass sie durch die Beseitigung Caesars allein nichts bewirken würden. Umgekehrt werden die caesarischen Veteranen als intendierte Rezipienten gleichfalls implizit dazu eingeladen, sich als Teil der zehn Legionen zu verstehen, über die das römische Volk nach Caesars Tod verfügt. Ihre Stärke liegt in ihrem Zusammenhalt. So bestätigt noch der letzte überlieferte Satz des Bell. Hisp. die These zur Wirkungsabsicht des Textes, nach dem Tod des Feldherrn die Einheit der Caesarianer zu beschwören (vgl. Kap. 7.2.3).87 Es ist diese Intention, die auch das ganze Corpus der nicht-caesarischen Texte rahmt. Denn der Hinweis auf die decem legiones populi Romani an dieser exponierten Stelle schließt nahtlos an das Supplement zum achten Buch des Bell. Gall. an: Hier wie dort steht dem Lesepublikum die Geschlossenheit der caesarischen Soldaten als exemplum vor Augen (vgl. Kap. 4.4.5).88

7.4 Raum: Hispanien im Bell. Hisp. 7.4.1 Vorbemerkung Spätestens seit Pascuccis detaillierter Untersuchung des topographischen Exkurses in Bell. Hisp. 7–9 weiß man, welcher Stellenwert der Raumdarstellung in diesem Text zukommt.89 Wenn der Erzähler den Versuch dazu unternimmt, die von ihm berichteten Einzelheiten zueinander in Bezug zu setzen, so geschieht dies meist, indem er die Handlungen der Kriegsparteien im Raum verortet. Die Raumdarstellung steht daher nie für sich selbst, sondern hilft dabei, das Verhalten der Kontrahenten einzuordnen. In den folgenden vier Abschnitten wird der Raum im Bell. Hisp.

|| 86 Dass mit An me deleto … der Tod Caesars bereits antizipiert wird, hat schon Schneider (1959) 109f. vermutet. Allerdings sind seine Schlussfolgerungen aus diesem Befund andere. 87 Wir wissen aufgrund des Überlieferungszustands des Bell. Hisp. nichts über den Schluss der Rede und ob sie, wie von Tschiedel (2010) 44 und insbesondere Gutt (2017) 99f. erwogen, mit einem Gnadenakt endete. Dass der Redner noch einmal auf Pompeius zu sprechen gekommen ist (so Gutt 2017, 112 [Teil des Supplements]: „Nonne Pompeium adulescentem insidiis aut scelere milites nostros, qui se totos virtute constantiaque in salutem populi Romani conferrent, nequaquam posse superare animadvertistis?“) scheint mir angesichts der Anlage der Rede allerdings unwahrscheinlich. 88 Gaertner/Hausburg (2013) 162f. glauben, dass von dieser Darstellungsweise vor allem Octavian profitieren konnte: „By publishing the Bellum Civile and adding the pseudo-Caesarian commentarii, Hirtius not only propagated a Caesarian view of the Roman Civil War, but also advertised … the outstanding prowess and loyalty of his troops. In so doing, Hirtius reinforced the emotional bond between the veterans and the assassinated dictator and thus automatically supported the political strategy of Caesar’s heir.“ 89 Vgl. Pascucci (1963), hier: 326–337 (Ansätze bereits bei Pascucci 1950, 201); ferner Drexler (1935) 215f.

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auf unterschiedliche Weise behandelt. In den ersten drei Abschnitten geht es um das konkrete Kriegshandeln im Raum, um den, mit Rambaud gesprochen, „espace tactique“.90 Dabei wird gezeigt, dass die räumliche Opposition zwischen Berg und Ebene sowie die Darstellung des Flusses Salsum als räumliche Grenze der Charakterisierung der beiden Kriegsparteien dienen. Der vierte Abschnitt fragt auf einer allgemeineren Ebene nach der Bedeutung des Raumes für die Bildung ethnographischer Stereotype. Dabei soll hier gezeigt werden, dass Vorurteile über die Lusitaner, die ‚Barbaren‘ im äußersten Westen des Reiches, stärker als beispielsweise diejenigen über die Alexandriner91 von den räumlichen Bedingungen abhängig sind, in denen sie leben.

7.4.2 Gebirge und Ebene Caesar legt sich bereits zu Beginn des zweiten Hispanienfeldzugs auf eine militärische Strategie fest, die die ganze Kampagne bis zur Schlacht von Munda kennzeichnen wird. Nachdem die ersten Tage in einem blutigen, aber fruchtlosen Stellungskrieg bei Corduba vergangen sind,92 möchte er den Krieg am liebsten an Ort und Stelle in einer offenen Feldschlacht entscheiden (cupiebat Caesar … adversarios in aequum locum deducere et primo quoque tempore de bello decernere, 5,7). Auch die Schlacht von Munda selbst (29–31) entspringt, wie gesehen, Caesars Erwartung, es werde endlich zur entscheidenden Schlacht in aequo loco kommen. Pompeius seinerseits möchte ebenfalls alles für einen schnellen Sieg tun. Dies jedenfalls gibt er in einem Brief gegenüber den Einwohnern der verbündeten Stadt Ursao an, der im Bell. Hisp. im Wortlaut wiedergegeben wird (dort sagt Pompeius über sich: bellum primo quoque tempore conficiam, 26,5 – „Ich werde den Krieg bei nächster Gelegenheit beenden“). Gleichzeitig macht er seine Gegner dafür verantwortlich, dass der Krieg überhaupt noch andauert: … qui si aequo loco sui potestatem facerent, celerius quam vestra opinio fert bellum confecissem; sed exercitum tironem non audent in campum deducere … (26,3–4) – „Wenn sie sich in der Ebene zum Kampf stellen würden, hätte ich den Krieg schneller beendet als ihr glauben

|| 90 Da alle in diesen drei Abschnitten behandelten Räume dieser einzigen Kategorie zuzuordnen sind, greife ich auf die von Rambaud (1987) vorgeschlagene Terminologie dreier verschiedener ‚Typen‘ von Geländebeschreibungen (geographisch – strategisch – taktisch) nicht zurück. 91 Vgl. Kap. 5.3.2. 92 Vgl. Bell. Hisp. 5,6: Hic alternis non solum morti mortem aggerabant, sed tumulos tumulis exaequabant – „Hier häuften sie abwechselnd nicht nur eine Leiche auf die andere, sondern machten die Leichenberge sogar den (umliegenden) Hügeln gleich“. Der Satz erhält seinen poetischen Charakter u. a. durch das Spiel mit den zwei Grundbedeutungen von tumulus und dadurch, dass der Begriff mors metonymisch gebraucht ist. Vgl. dazu Pascucci (1965) 174; zum letzten Punkt zuerst Klotz (1927b) 53.

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würdet. Doch sie wagen es nicht, ihr Rekrutenheer auf flaches Gelände herabzuführen …“ Die Behauptung des Pompeius, es sei das caesarische Heer, welches die offene Konfrontation vermeide, steht im Widerspruch zu den Angaben des Erzählers. In einem Punkt sind sich beide dennoch einig: Die Ebene (locus aequus in 5,7 bzw. 26,3) ist positiv besetzt als derjenige Raum, an dem sowohl Caesar als auch Pompeius, zumindest nach eigener Aussage, über Sieg und Niederlage entscheiden wollen. Aus Pompeius’ Brief lässt sich umgekehrt auch erschließen, weshalb das Gebirge im militärischen Kontext negativ konnotiert ist: Es ist der Raum, in den sich ein schwacher Gegner zurückzieht, ein Heer, das aus Rekruten besteht (exercitus tiro) und das kein Vertrauen in die eigene Stärke hat (non audent). Ein solcher Gegner ist im Gebirge sicherer, weil eine offene Feldschlacht dort nicht möglich ist und statt der militärischen Stärke dem klugen Taktieren ein größerer Stellenwert zukommt.93 Es ist daher nachvollziehbar, aus welchem Grund Pompeius gegenüber seinen Verbündeten für sich in Anspruch nimmt, den Kampf in der Ebene zu suchen und ihnen gegenüber behauptet, es sei Caesar, der der offenen Feldschlacht aus dem Weg gehe. Doch wie bereits angemerkt: Obwohl der Erzähler den Briefinhalt nicht kommentiert, entlarvt er Pompeius indirekt als Lügner, indem er dessen Aussagen seinen eigenen Bericht über Caesars zahlreiche Bemühungen gegenüberstellt, Pompeius in die Ebene zu locken.94 Tatsächlich macht der Erzähler das Verhalten der Kriegsparteien im Raum für die Deutung fast jedes größeren Aufeinandertreffens geltend, wobei die Rollen stets klar verteilt sind: Pompeius hat die Höhen besetzt; das caesarische Heer steht in der Ebene.95 Aus diesem Grund darf die Unterscheidung zwischen Gebirge und Ebene als die dominierende räumliche Dichotomie des Bell. Hisp. gelten.96 Dies lässt sich auch am Beispiel der Schlacht von Soricaria (24,1– 5) zeigen:97 Postero die ad Soricariam utrorumque convenere copiae. Nostri brachia ducere coeperunt. Pompeius cum animadverteret castello se excludi Aspavia, quod est ab Ucubi milia passuum V, haec res necessario devocabat ut ad dimicandum descenderet; neque tamen aequo loco sui potestatem faciebat, sed ex grumo excelsum tumulum capiebant, usque eo ut necessario cogeretur iniquum locum subire. Quo de facto cum utrorumque copiae tumulum excellentem petissent, prohibiti a nostris sunt deiecti planitie. Quae res secundum nostris efficiebat proelium. Undique ce-

|| 93 Vgl. auch Kap. 5.4.3. 94 Vgl. Drexler (1935) 216f.; Pascucci (1973) 624f; Gutt (2017) 106; kleine Burhoff et al. (2017) 64f. Dass Pompeius den Krieg durch Verschanzen im Gebirge in die Länge zieht, ist vom Erzähler zudem schon vorher (8,1) als Tatsache präsentiert worden. 95 Vgl. Pascucci (1965) 39f. 96 So bereits Faller (1949) 175f. 97 Ich behandle die Darstellung der Schlacht von Soricaria exempli gratia. Für andere Beispiele vgl. kleine Burhoff et al. (2017); Müller (2018).

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dentibus adversariis, non parum magna in caede versabantur; quibus mons, non virtus, saluti fuit. Quo subsidio , nisi advesperasset, a paucioribus nostris omni auxilio privati essent. ________ post grumo lac. stat. edd. vett. Am folgenden Tag trafen beide Heere bei Soricaria aufeinander. Unsere Leute begannen damit, Verteidigungswerke aufzubauen. Als Pompeius bemerkte, dass er von seiner befestigten Stellung Aspavia abgeschnitten war, die von Ucubis fünf Meilen entfernt liegt, rief ihn diese Tatsache notwendigerweise dazu auf, zum Kampf herabzusteigen. Doch er ließ es nicht an einem ebenen Ort zum Kampf kommen, sondern sie versuchten,98 von einem Hügel aus eine aufragende Anhöhe zu nehmen, bis zu einer Höhe, dass er (d. h. Caesar) notwendigerweise dazu gezwungen wurde, einen ungünstigen Ort in Kauf zu nehmen. Als infolgedessen beide Heere die aufragende Anhöhe einzunehmen versuchten, wurden sie von unseren Leuten daran gehindert und auf die Ebene zurückgeworfen. Diese Sache bewirkte eine erfolgreiche Schlacht. An allen Fronten wichen die Gegner zurück, unsere Leute richteten ein nicht gerade kleines Blutbad an. Ihre Rettung war ein Berg, nicht ihre Tapferkeit. Wenngleich sie sich auf diese Unterstützung verließen, wären sie, wenn es nicht gedämmert hätte, von unseren wenigen Leuten aller Hilfe beraubt gewesen.

Das Gelände bedingt den Ausgang des geschilderten Gefechts in jedem einzelnen Stadium: In einer ersten Phase zwingen die Caesarianer Pompeius zum Abstieg in die Ebene – oder glauben dies zumindest.99 Denn anstatt sich auf einen Kampf einzulassen, versuchen die Gegner von ihrem derzeitigen erhöhten Standpunkt aus (ex grumo) eine andere Anhöhe (excelsum tumulum) einzunehmen.100 Sie eröffnen damit eine zweite Phase, den Wettlauf um die erhöhte Position.101 Sobald die Pompeianer auf die Ebene zurückgeworfen worden sind, haben Caesars Truppen leichtes Spiel: Die eigentliche Schlacht endet in einem Blutbad. Schließlich gelingt den Pompeianern der Rückzug, wiederum dank der Geländeverhältnisse: Quibus mons, non virtus, saluti fuit. Auf diese Weise gewinnen sie Zeit, denn als die Sonne untergeht, muss sich das caesarische Heer zurückziehen. Pompeius ist der Katastrophe gerade noch einmal entronnen, wenngleich das Gefecht deutlich zeigt, dass seine Truppen

|| 98 Ich folge Pascucci (1965) 284, der capiebant als konatives Imperfekt erklärt. 99 Der Satz ist inkonzinn: Im Nebensatz fokalisiert der Erzähler noch auf die Gedanken des Pompeius, im Hauptsatz ist offenbar die Auffassung der Caesarianer wiedergegeben. 100 Seit Pascuccis Neuedition setzen die Hgg. (so auch Diouron 1999, 22) keine lacuna mehr hinter ex grumo an. Auffällig bleibt der selbst für das Bell. Hisp. harte Subjektswechsel – zu capiebant ist Pompeiani zu ergänzen, zu cogeretur jedoch Caesar (vgl. auch Carter 1997, XXIV zur Unbestimmtheit des Subjekts im Bell. Hisp.) –, der allerdings auch durch Klotz’ Konjektur nicht behoben wird. 101 Zu einer ganz ähnlichen Situation im ersten Hispanienfeldzug (civ. 1,66–68) vgl. Grillo (2012) 16–23. Dort steht das Caesarattribut der celeritas im Zentrum der Darstellung, dank der es gelingt, die erhöhte Position vor den Afranianern zu erreichen. Der Erzähler des Bell. Hisp. fokussiert demgegenüber auf die Schwäche der Gegner statt auf die Stärke Caesars/der Caesarianer.

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nicht in der Lage sind, in der Ebene, d. h. unter gleichberechtigten, nicht vom Raum abhängigen Bedingungen, gegen Caesars Heer zu bestehen.102

7.4.3 Ein Stellvertreterkampf in der Ebene Bereits am Tag nach der Schlacht von Soricaria treffen beide Heere erneut aufeinander. Zur Schlacht kommt es zwar abermals nicht – zu groß ist die Angst der Pompeianer vor einem Aufeinandertreffen in der Ebene –, doch ein Zweikampf zieht die Soldaten in ihren Bann (25,1–7): Insequenti die pari consuetudine cum ad eundem103 locum eius praesidium venisset, pristino illo suo utebantur instituto; nam praeter equites nullo loco aequo se committere audebant. Cum nostri in opere essent, equitum copiae concursus facere coeperunt, simulque vociferantibus legionariis, cum locum efflagitarent ex consuetudine insequendi, existimare posses paratissimos esse ad dimicandum. Nostri ex humili convalle bene longe sunt egressi et planitie in aequiori loco constiterunt. Illi tamen procul dubio ad congrediendum in aequum locum non sunt ausi descendere praeter unum Antistium Turpionem, qui fidens viribus ex adversariis sibi parem esse neminem agitare coepit. Hic, ut fertur Achillis Memnonisque congressus, Q. Pompeius Niger eques Romanus Italicensis ex acie nostra ad congrediendum progressus est. Quoniam ferocitas Antistii omnium mentes converterat ab opere ad spectandum, acies sunt dispositae; nam inter bellatores principesque dubia erat posita victoria, ut prope videretur finem bellandi duorum dirimere pugna. Ita avidi cupidique suarum quisque [ex] partium virorum fautorumque voluntate habebatur. Quorum virtute alacri, cum ad dimicandum in planitiem se contulissent, scutorumque, laudis insignia, praefulgens opus caelatum quorum pugna esset prope profecto dirempta, nisi propter equitum concursum, ut supra demonstravimus Nachdem am folgenden Tag aus gleicher Gewohnheit Pompeius’ Schutztruppe zu diesem Ort gekommen war, handelten sie wieder gemäß jenem ihnen eigenen, alten Grundsatz; denn außer den Reitern wagte keiner, sich auf flaches Gelände zu begeben. Während unsere Leute bei der Schanzarbeit waren, begann eine Menge an Reitern einen Angriff vorzutragen. Als nun zugleich die lauthals rufenden Legionssoldaten gemäß ihrer Gewohnheit, nachzusetzen, deren Platz für sich beanspruchten, hätte man glauben mögen, sie seien mehr als willens zu kämpfen. Unsere Leute kamen recht weit aus einem kleinen Tal hervor und stellten sich in der Ebene an einem flacheren Ort auf. Jene hingegen wagten natürlich104 nicht, für ein Treffen an den fla-

|| 102 Der irreale Konditionalsatz, der die Schlachtdarstellung beschließt, funktioniert als ‚if notsituation‘: Zum Begriff und zur Funktion dieser narrativen Technik in historiographischen und epischen Texten vgl. de Jong (1987) 68–81; bes. 78–81, wobei hierzu zu bemerken ist, dass gemäß den in dieser Arbeit verwendeten Begriffsdefinitionen ‚if not-situations‘ weder als ‚Fiktionssignale‘ (so W. Füger) noch als ‚semi-fiction‘ (so de Jong selbst) qualifizieren. Es handelt sich um fiktive Elemente, die jedoch keine Auswirkungen auf den faktualen Status des Textes haben. Vgl. ferner Pausch (2011) 200–202. 103 Ich drucke die gewöhnliche Form statt eumdem (vgl. Marshall 2001, 51). 104 Zur Übersetzung von procul dubio i. S. v. scilicet mit ironischer Konnotation überzeugend Pascucci (1965) 291 (auch wenn der ThlL s. v. procul II B diese Verwendungsweise nicht kennt).

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chen Ort hinabzusteigen mit der Ausnahme eines einzigen, Antistius Turpio, der im Vertrauen auf seine Körperkraft (uns) aufzustacheln begann: Von den Gegnern komme ihm keiner gleich. Da trat, wie es von dem Aufeinandertreffen Achills und Memnons berichtet wird, Q. Pompeius Niger, ein römischer Ritter aus Italica, aus unserer Schlachtreihe hervor, um sich (mit ihm) zu messen. Weil nun die Wildheit des Antistius alle Gemüter von der Schanzarbeit abgelenkt hatte, wurden die Schlachtreihen gebildet; denn wer von den beiden besten Kriegern den Sieg davontragen sollte, war ungewiss, sodass es fast so schien, als würde der Kampf der beiden das Ende des Krieges bedeuten. So105 war ein jeder aufgeregt und begierig in seiner Unterstützung seiner Partei. Durch ihre106 Tapferkeit angespornt, , nachdem sie sich zum Kampf in die Ebene begeben hatten, das schimmernde Ziselierwerk ihrer Schilde, Ausweis ihres Ruhmes. Ihr Kampf wäre tatsächlich fast 107 unterbrochen worden, wenn nicht durch den Angriff der Reiter, wie ich oben gezeigt habe

Die Textstelle zeichnet sich durch ihre markante Zweiteilung aus: Der Stagnation, die der anhaltenden Passivität der Pompeianer geschuldet ist, und der damit verbundenen Frustration auf Seite der caesarischen Soldaten steht die Begeisterung über den Stellvertreterkampf zwischen Antistius Turpio und Pompeius Niger gegenüber, die durch den Vergleich mit dem mythischen Zweikampf zwischen Achilles und dem Äthiopierkönig Memnon zur epischen Begegnung erhoben wird.108 Auslöser für diese Entwicklung und damit zugleich Bindeglied zwischen den beiden Teilen ist eine atypische Bewegung im Raum: Der Pompeianer Antistius verlässt den Handlungsraum seines Heeres und steigt in die Ebene hinab, um dort einen von Caesars Soldaten herauszufordern. Aus den ersten Sätzen des zitierten Abschnitts, die unmittelbar an das Ende der Schlacht von Soricaria anschließen, wird zunächst deutlich, dass die im vorigen Abschnitt beschriebene, von den Geländebedingungen bestimmte Strategie der Pompeianer in den Augen des Erzählers keineswegs eine ehrenhafte und somit legitime Form der Kriegsführung darstellt.109 Angesichts der anhaltenden Weigerung

|| 105 Pascucci (1965) 294: „di qui innanzi, e sino a tutto il § [scil. 25,]7, le condizioni del testo sono così disparate, da non permetterci di riscostruire neppure il pensiero dello scrittore.“ Eine Übersetzung im eigentlichen Sinn ist unter diesen Voraussetzungen unmöglich; du Pontet (1901) setzt § 25,6f. (ab ita) in cruces. Über eine lacuna im Satz ita … habebatur spekuliert Klotz (1927b) 87. 106 Wie Klotz (1927b) 87 und Pascucci (1965) 295 richtig vermerken, verweist der relative Satzanschluss offenbar auf das Kämpferpaar Antistius und Pompeius (Niger) und nicht auf das Subjekt des vorausgehenden Satzes, d. h. die Zuschauer. Denn es ist kaum vorstellbar, in welcher Hinsicht sich die Zuschauer des Duells durch virtus auszeichnen sollten. 107 Diese Korrektur Diourons wie auch die Einwände gegen Klotz’ Text quorum pugna esset … dirempta (Diouron 1999, 107) sind überzeugend (contra Marshall 2001, 51), wenngleich es sich bei allen Änderungen in dieser Passage freilich um Konjekturen im Wortsinne handelt. 108 Zum Kampf Achill vs. Memnon vgl. Pascucci (1965) 292f.; Diouron (1999) 103f. Zur Funktion dieser Episierung s. Kap. 7.2.3. 109 Für den Erzähler des Bell. Afr. ist ein ähnliches Verhalten auf Seiten Caesars ebenfalls begründungsbedürftig (73,1–2): Caesar tardiorque et consideratior erat factus et ex pristina bellandi consuetudine celeritateque excesserat. Neque mirum: … – „Caesar war langsamer und besonnener gewor-

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der Pompeianer, die Entscheidungsschlacht in der Ebene anzunehmen, kommentiert dieser ihr Verhalten zunehmend zynisch und herablassend als pristinum illud suum institutum; zweimal ist von fehlendem Mut auf Seiten der Pompeianer die Rede (nullo loco aequo se committere audebant; in aequum locum non sunt ausi descendere).110 Das Kriegsgeschrei, das die pompeianischen Legionssoldaten angesichts eines Reiterangriffs erheben, lässt Tapferkeit vermuten (existimare posses paratissimos esse ad dimicandum), doch „natürlich“ (procul dubio) steckt abermals nichts dahinter. Dass Antistius Turpio sich auf einen Zweikampf in der Ebene einlässt, ist daher bemerkenswert und steht in starkem Kontrast zum Verhalten der anderen Legionäre.111 In der Kommentarliteratur zur Stelle sind Ähnlichkeiten des im Bell. Hisp. dargestellten Zweikampfes mit Stellvertreterkämpfen zwischen einem ‚Barbaren‘ und einem Römer aus der jüngeren Annalistik gut dokumentiert.112 Auch wenn aufgrund der Überlieferungslage der Verlauf des Duells und sein Ende nicht im Einzelnen rekonstruiert werden können, lassen sich trotzdem insbesondere zu zwei bei Gellius überlieferten Fragmenten des Annalisten Claudius Quadrigarius (frgg. 10b; 12 Peter) Parallelen feststellen. Im Bericht des Claudius kämpfen die Römer T. Manlius Torquatus und M. Valerius Corvus jeweils gegen einen Gallier, nach dessen Vorbild auch die Figur des Antistius Turpio modelliert zu sein scheint: Gemeinsam sind allen dreien ihre furchteinflößende Körperkraft und Virilität113 sowie ihre Arroganz

|| den und hatte von seiner alten Kriegsführung und Schnelligkeit Abstand genommen. Das war auch kein Wunder …“ (zu diesen charakteristischen, mit neque mirum eingeleiteten exegetischen Bemerkungen im Bell. Afr. vgl. Kap. 6.2.4). 110 Schon im siebten Kapitel sagt der Erzähler über Pompeius, er „wage es nicht, seinen Leuten [in Ategua] zu Hilfe zu kommen“ (neque suis ausus est subsidio venire, 7,3) und kurz vor der Schlacht von Munda (29,6) wird dieser Vorwurf nochmals erneuert: a munitione oppidi longius non audebant procedere („Sie wagten es nicht, von der Befestigung der Siedlung aus weiter vorzurücken“). Pompeius wiederum behauptet in seinem Brief an Ursao (26,4, s. o. Abschn. 7.4.2) dasselbe von seinem Gegner: exercitum tironem non audent in campum deducere („Sie wagen es nicht, ihr Rekrutenheer auf flaches Gelände herabzuführen“). 111 Andernorts ahndet Pompeius rigoros den Vorschlag eines seiner Soldaten, sich in die Ebene zu wagen (aus dem Bericht zweier Überläufer): unum respondisse ut potius ad dimicandum descenderet quam signum fugae ostenderet; eum qui ita locutus esset iugulatum (18,6) – „Einer habe (Pompeius) geantwortet, dass er lieber zum Kämpfen hinabsteigen als ein Zeichen der Flucht zeigen würde. Dem, der so gesprochen habe, habe man die Kehle durchgeschnitten.“ 112 Vgl. Klotz (1927b) 86f.; Pascucci (1965) 289; Diouron (1999) 103. 113 Beispiele für die körperliche Stärke a) des Gegners des Manlius (frg. 10b): et viribus et magnitudine et adulescentia simulque virtute ceteris antistabat; nemo (scil. Romanorum prodire) audebat propter magnitudinem atque immanitatem facies; b) des Gegners des Valerius (frg. 12): Dux … Gallorum, vasta et ardua proceritate …, grandia ingrediens et manu telum reciprocans incedebat; c) des Antistius Turpio: fidens viribus; ferocitas.

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und ihr Hochmut, der sie dazu veranlasst, die Römer (bzw. Caesarianer) zum Duell herauszufordern.114 Für die Deutung des Zweikampfes im Bell. Hisp. ist jedoch auch ein Unterschied zu den Darstellungen des Annalisten wichtig. Während die Gallier bei Claudius mit ihrem Auftreten das römische Ehrgefühl verletzen und die Duellanten jeweils mit der Motivation antreten, diese Anmaßung zu rächen,115 wird der Stellvertreterkampf im Bell. Hisp. ganz anders bewertet: Schon indem er mit dem mythischen Kampf zwischen Achill und Memnon parallelisiert wird, lenkt der Erzähler das Augenmerk weg vom bei Claudius wichtigen Rachemotiv. Im Gegensatz zu den gallischen ‚Barbaren‘, die sich durch ihre Tapferkeit im Kampf auszeichnen, besitzen die Pompeianer diese Eigenschaft, wie ihr Verhalten im Raum evident macht, gerade nicht.116 Insbesondere vor dem Hintergrund der Raumdarstellung lässt sich in Antistius also ein würdiger, ja vielleicht der einzig würdige Gegner der Caesarianer sehen. Dass es dank Antistius endlich zu einem gleichberechtigten Kampf Mann gegen Mann kommt, honoriert der Erzähler entsprechend: Er billigt auch ihm (nach dem Vorbild der gallischen Krieger bei Claudius, aber ganz im Gegensatz zu den Pompeianern im Bell. Hisp.) virtus zu.117 Auch bei den restlichen Soldaten, die das Geschehen gebannt verfolgen (ferocitas Antistii omnium mentes converterat … ad spectandum), überwiegt nicht Ärger über die Unverfrorenheit des Antistius, sondern Freude über den nun stattfindenden Kampf: Sie sind „aufgeregt und begierig“ (avidi cupidique) und

|| 114 Beispiele für den Hochmut a) des Gegners des Manlius (frg. 10b): cum voce maxima conclamat, si quis secum depugnare vellet, uti prodiret; deinde Gallus inridere coepit atque linguam exertare; b) des Gegners des Valerius (frg. 12): omnia venire iubet et congredi, si quis pugnare secum ex omni Romano exercitu auderet; c) des Antistius Turpio: sibi parem esse neminem agitare coepit. – Einen Vergleich dieser drei Stellen bietet auch Pascucci (1973) 625–628. 115 So heißt es von T. Manlius: Is, ut dico, processit neque passus est virtutem Romanam ab Gallo turpiter spoliari – „Dieser trat, wie ich sage, hervor und duldete es nicht, dass die römische Tapferkeit von einem Gallier auf üble Weise lächerlich gemacht wurde“ und von M. Valerius: Tum Valerius tribunus … impetrato prius a consulibus, ut in Gallum tam immaniter [inaniter Peter] adrogantem pugnare sese permitterent, progreditur … – „Da trat der Tribun Valerius hervor, nachdem er zuvor bei den Konsuln um Erlaubnis gebeten hatte, dass es ihm gestattet sei, gegen einen Gallier, der auf so furchterregende [überhebliche] Weise anmaßend war, zu kämpfen …“. 116 Vgl. kleine Burhoff et al. (2017) 74f. 117 Diouron (1999) LXIII hat nicht ganz Recht mit der Aussage „Quant au défi lancé par un certain Antistius Turpion fidens uiribus, il révèle non la uirtus mais la ferocitas“. Schließlich dürfte sich quorum virtute (25,7) auf die Zweikämpfer (und mithin auch auf Antistius) beziehen. Richtig beobachtet sie jedoch, dass nur an einer anderen Stelle eine Gruppe von Pompeianern cum virtute agieren (ebd., S. LXIV). Vgl. dazu auch das Verdikt ‚Caesars‘ über die Hispanier am Ende des Bell. Hisp. (neque in otio concordiam neque in bello virtutem ullo tempore retinere potuistis, 42,5) und kleine Burhoff et al. (2017) 77.

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glauben fast, der ganze Krieg könnte nun entschieden werden (… ut prope videretur finem bellandi duorum dirimere pugna).118 Die durch den Erzähler vorgenommene Charakterisierung der Pompeianer als feige Versteckspieler bewirkt, dass der Topos des Stellvertreterkampfes vor den Augen der versammelten Heere in einem entscheidenden Punkt umgedeutet wird: Er ist im Bell. Hisp. zur willkommenen Gelegenheit geworden, sich mit dem Gegner zu messen.

7.4.4 Der Fluss Salsum Die letzten beiden Abschnitte haben gezeigt, wie die räumliche Opposition zwischen Gebirge und Ebene das Bell. Hisp. strukturiert und dadurch, dass den beiden Kriegsparteien jeweils einer dieser Teilräume als bevorzugter Handlungsraum zugewiesen wird, zur Charakterisierung sowohl der Caesarianer als auch der Pompeianer beiträgt. Dieser Befund soll noch um einen Aspekt erweitert werden. In den folgenden Textbeispielen, die die Operationen bei Ategua zu Beginn des Feldzugs zum Gegenstand haben, lassen sich nämlich gleich zwei verschiedene, ineinandergreifende räumliche Oppositionen ausmachen. Neben dem beschriebenen vertikalen Gegensatz zwischen Berg und Ebene werden hier zusätzlich zwei horizontale Teilräume voneinander abgegrenzt: ein Gebiet, das aus caesarischer Perspektive diesseits des Flusses Salsum gelegen ist – hier belagert Caesar die Siedlung Ategua –, und eines jenseits dieses Flusses – dort hat Pompeius sein Lager in den Bergen aufgeschlagen (7,1–3):119 Insequenti nocte castra sua incendit Pompeius et trans flumen Salsum per convalles castra inter duo oppida Ateguam et Ucubim in monte constituit. Caesar in munitionibus ceterisque quae ad oppidum opus fuerunt aggerem vineasque agere instituit. Haec loca sunt montuosa et natura edita ad rem militarem; quae planitie dividuntur Salso flumine, proxime tamen Ateguam ut flumen sit. Circiter passus duo milia ex ea regione oppidi in montibus castra habuit posita Pompeius in conspectu utrorumque oppidorum neque suis ausus est subsidio venire. In der folgenden Nacht steckte Pompeius sein Lager in Brand und schlug jenseits des Flusses Salsum nach einem Marsch durch die Talkessel ein Lager zwischen den zwei Siedlungen Ategua und Ucubis auf einem Berg auf. Caesar ordnete an, während Befestigungen und alles Übrige, was zur Belagerung der Siedlung nötig war, besorgt wurde, auch einen Wall und Schirmdächer zu bauen. Diese Gegend ist gebirgig und von Natur aus hochgelegen zur Kriegsführung. Sie wird in der Ebene durch den Fluss Salsum geteilt, allerdings derart, dass der Fluss am nächsten an Ategua liegt. Ungefähr zwei Meilen vom Gebiet dieser Stadt entfernt hatte Pom-

|| 118 Laut Diouron (1999) 106f. ist dieser Gedanke weit weniger abwegig, als es scheint – zumal, so lässt sich hinzufügen, ein Kampf auf andere Weise nicht zustande kommt. 119 Zu dieser und der folgenden Textstelle vgl. insbes. Pascucci (1963) 327–337 und (1973) 597–602.

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peius in den Bergen sein Lager mit Blick auf beide Siedlungen aufgeschlagen, aber wagte es nicht, seinen Leuten zu Hilfe zu kommen.

Mit Nachdruck wird auch an dieser Stelle Pompeius das Gebirge als Handlungsraum zugeordnet: Sein Lager befindet sich „auf einem Berg“ (in monte) bzw. „in den Bergen“ (in montibus), die ganze Gegend ist „gebirgig“ (montuosa) und „hochgelegen zur Kriegsführung“ (edita ad rem militarem).120 Doch parallel wird eine weitere räumliche Gegebenheit eingeführt, die die Funktion einer Grenze besitzt: der Fluss Salsum.121 Der Raum zwischen Ucubis und Ategua wird durch ihn in der Ebene geteilt (dividuntur). Aus diesen räumlichen Bedingungen zieht nun Pompeius seine Schlüsse, indem er versucht, die spezifische Geländebeschaffenheit für seine Zwecke zu nutzen (8,6–9,1): Nam cum inter Ateguam et Ucubim, quae oppida supra sunt scripta, Pompeius ut habuit castra constituta in conspectu duorum oppidorum, ab suis castris circiter milia passuum IV grumus est excellens natura, qui appellatur Castra Postumiana; ibi praesidii causa castellum Caesar habuit constitutum. Quod Pompeius quod eodem iugo tegebatur loci natura et remotum erat a castris Caesaris, animadvertebat loci difficultatem et, quia flumine Salso intercludebatur, non esse commissurum Caesarem ut in tanta loci difficultate ad subsidium mittendum se demitteret. Denn sobald Pompeius zwischen den oben erwähnten Siedlungen Ategua und Ucubis sein Lager mit Blick auf die beiden Siedlungen aufgeschlagen hatte, gab es von seinem Lager aus etwa vier Meilen entfernt einen Hügel, der von Natur aus in die Höhe ragt und Castra Postumiana genannt wird. Dort hatte Caesar zu seinem Schutz eine befestigte Stellung. Weil diese befestigte Stellung in demselben Gebirgszug durch die natürliche Lage verdeckt wurde und von Caesars Lager weit entfernt war, bemerkte Pompeius die Schwierigkeit des Geländes und glaubte, dass Caesar, weil er durch den Fluss Salsum abgeschnitten war, es nicht wagen würde, angesichts solch großer Geländeschwierigkeit herunterzukommen, um Hilfe zu schicken.

Anstatt den Belagerten in Ategua zu Hilfe zu kommen, entscheidet er sich mit dem Angriff auf die Castra Postumiana für ein scheinbar risikoarmes Manöver. Doch Caesar verhält sich nicht passiv, wie Pompeius erwartet hatte, sondern bricht mit drei Legionen auf, um das castellum zu schützen und schlägt die Pompeianer in die Flucht (9,3). Obwohl der Erzähler offenlässt, wie genau es Caesar gelingt, die Geländeschwierigkeiten zu meistern, wird der Feldherr auf diese Weise zum Überwinder von räumlichen Grenzen. Dies gelingt deshalb, weil die Raumdarstellung selbst nicht fokalisiert ist und ihre Richtigkeit infolgedessen durch die Autorität des Erzählers beglaubigt: Pompeius schätzt nicht etwa die räumlichen Bedingungen falsch

|| 120 Vgl. kleine Burhoff et al. (2017) 61; zur Übersetzung „hochgelegen“ für edita vgl. ebd., S. 61f. Anm. 26. und Pascucci (1963) 330f. ~ (1965) 188f. 121 Heute der Guadajoz, der im Guadalquivir mündet (vgl. Diouron 1999, 68).

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ein, sondern er unterschätzt die Fähigkeit Caesars, auch unter schwierigen topographischen Rahmenbedingungen erfolgreich zu handeln.122 Neben der Gebirgslandschaft dient vor allem der Fluss Salsum in der Wahrnehmung des Pompeius als natürliche Barriere (flumine Salso intercludebatur). Dies deckt sich mit der Auffassung des Erzählers, in dessen Raumbeschreibung der Fluss ebenfalls als Grenzlinie fungierte. Insofern erscheint Pompeius’ Plan, gerade die Castra Postumiana anzugreifen, die aus Caesars Perspektive jenseits des Flusses liegen, zunächst als kluger Schachzug; er wird erst dadurch kompromittiert, dass für Caesar der Fluss keineswegs das unüberwindbare Hindernis darstellt, das Pompeius in ihm sieht. Während für Caesar die Überquerung des Flusses offenbar kein sonderlich schwer zu bewerkstelligendes Unterfangen darstellt, verbucht Pompeius schon als Erfolg für sich, dass es ihm gelingt, auf der gegenüberliegenden Uferseite eine befestigte Stellung zu errichten (14,1–4): †Eius praeteriti temporis† Pompeius trans flumen Salsum castellum constituit neque a nostris prohibitus falsaque illa opinione gloriatus est, quod prope in nostris partibus locum tenuisset. Item insequenti die eadem consuetudine dum longius prosequitur, quo loco equites nostri stationem habuerant, aliquot turmae cum levi armatura impetu facto loco sunt deiecti et propter paucitatem nostrorum equitum simul cum levi armatura inter turmas adversariorum protriti. Hoc in conspectu utrorumque castrorum gerebatur, et maiore Pompeiani exultabant gloria longius quod nostris cedentibus prosequi coepissent. Qui cum aequo loco a nostris recepti essent, ut consuessent ex simili virtute clamore facto, aversati sunt proelium facere. ________ aequo Lipsius : aliquo codd. Nach einiger Zeit installierte Pompeius jenseits des Flusses Salsum eine befestigte Stellung, wurde dabei von unseren Leuten nicht daran gehindert und rühmte sich im falschen Glauben, er habe beinahe in unserem Gebiet Fuß gefasst. Als er desgleichen am folgenden Tag nach demselben Muster noch weiter vorrückte, an einen Ort, an dem unsere Reiter stationiert waren, wurden einige Abteilungen zusammen mit den Leichtbewaffneten nach einem Angriff von diesem Ort vertrieben und wegen der geringen Anzahl unserer Reiter gleichzeitig mit den Leichtbewaffneten zwischen den gegnerischen Abteilungen aufgerieben. Dies geschah in Sichtweite beider Lager, und die Pompeianer frohlockten vor noch größerem Stolz, weil sie unsere Leute, die zurückwichen, noch weiter zu verfolgen begannen. Nachdem sie (aber) von unseren Leuten an einem ebenen Ort abgefangen worden waren und früherer Tapferkeit entsprechend das Kriegsgeschrei erhoben worden war, wollten sie es nicht zum Kampf kommen lassen.

Für Pompeius stellt der Fluss Salsum, anders als für Caesar, tatsächlich eine schwer zu überwindende Grenze dar. In seiner Wahrnehmung liegt das neue castellum am jenseitigen Flussufer bereits im von Caesars Soldaten kontrollierten Raum (prope in

|| 122 Vgl. dazu auch meine Überlegungen in kleine Burhoff et al. (2017) 60–64. Etwas anders urteilt Pascucci (1963) 337.

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nostris partibus).123 Nach den jüngsten Gefechten bei Ategua ist das Lesepublikum aber bereits informiert: Caesar verfügt schon längst über eine solche befestigte Stellung jenseits des Flusses, derer sich Pompeius nun rühmt – nämlich die Castra Postumiana, die er vor einigen Tagen mühelos vor Pompeius schützen konnte. Schon vor diesem Hintergrund wirkt das Selbstlob des Pompeius unverhältnismäßig. Hinzu kommt noch, dass der Erzähler deutlich markiert, dass Pompeius sich überschätzt und der Prahlerei schuldig macht (falsaque illa opinione gloriatus est).124 Zwar ist es ihm gelungen, den Fluss zu überschreiten, doch dies nur deshalb, weil Caesars Leute nicht eingegriffen haben (neque a nostris prohibitus). Als er, ermutigt durch den scheinbaren Achtungserfolg, am folgenden Tag energischer im fremden Raum vorrückt (longius prosequitur), sieht es zunächst danach aus, als sollte er Erfolg haben. Doch sobald Caesars Soldaten die Angreifer in der Ebene (aequo loco) stellen, weichen sie dem Kampf aus. Ihr Verhalten entspricht an dieser Stelle wieder ihrem konventionellen Handlungsmuster im Raum125 und die außergewöhnlich offensive Vorgehensweise des Pompeius wird wieder auf den Regelfall zurückgeführt:126 Er bleibt ein Guerillakämpfer, dem temporäre Raumgewinne lediglich dazu dienen, sporadisch vorzustoßen, um im Kleinkrieg den Gegner zu zermürben.

7.4.5 Lusitanien, Land der Barbaren Das Bell. Hisp. endet nicht mit der kriegsentscheidenden Schlacht von Munda. Stattdessen wird geschildert, wie die caesarischen Truppen den Kampf in der Provinz unvermindert fortführen. Die, die den Krieg gegen Caesar jetzt noch aufrechterhalten, heißen zwar noch Pompeiani, sind es de facto aber nicht mehr. Cn. Pompeius ist schwer verwundet (32,7) und hat seine Macht verloren; er wird nur noch kurze Zeit leben.127 Auch Sex. Pompeius, der Bruder des Gnaeus und spätere Gegner des zweiten Triumvirats, tritt nicht an seine Stelle.128 Stattdessen wurzelt der Wider|| 123 Trans flumen ist hier, anders als in 7,1, aus der Perspektive des Pompeius gesagt (vgl. Pascucci 1965, 223). 124 Pascucci (1965) 223f. über die Formulierung, die der Erzähler wählt: „Serve a denunziare la vanità e infondatezza delle previsioni di Pompeo, in fatto di eventi bellici, la sua congenita κενὴ δόξα“. Zu weiteren Stellen pompeiischer Hybris vgl. Pascucci (1965) 36f.; Diouron (1999) LXIII; Coulon-McIntosh (2011) 115. 125 Aus diesem Grund ist der Textverbesserung aequo (loco) der Vorzug vor der Lesart der Kodizes zu geben (so alle Hgg. seit Klotz). 126 Faraguna (1993) 1518 sieht im Vordringen des Pompeius über den Fluss das erste größere von Pompeius initiierte Manöver. 127 Zu Pompeius’ Tod in einer Höhle vgl. kleine Burhoff et al. (2017) 69. 128 Über seinen Verbleib nach der Schlacht von Munda, deren Ausgang ihm nach Corduba gemeldet wird (32,4), äußert sich der Erzähler nicht.

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stand in der Provinz selbst. Neben Corduba (s. hierzu 34,1) ist auch Hispalis angesichts der verheerenden Niederlage gespalten: Soll man aufgeben oder weiterkämpfen? (35,1–4): Caesar Hispalim cum contendisset, legati deprecatum venerunt. Ita cum ad oppidum esset ventum, Caninium cum praesidio legatum intromittit, ipse castra ad oppidum ponit. Erat bene magna manus intra Pompeianarum partium, quae praesidium receptum indignaretur clam quemdam Philonem illum, qui Pompeianarum partium fuisset defensor acerrimus; is tota Lusitania notissimus erat. Hic clam praesidia Lusitaniam proficiscitur et Caecilium Nigrum hominem barbarum ad Lennium convenit, qui bene magnam manum Lusitanorum haberet. Rursus Hispalim oppidum denuo noctu per murum recipitur; praesidium, vigiles iugulant, portas praecludunt, de integro pugnare coeperunt. Als Caesar nach Hispalis aufgebrochen war, kamen ihm Gesandte entgegen, um um Schonung zu bitten. Als er also bei der Siedlung angelangt war, schickte er seinen Gesandten Caninius mit einer Schutztruppe hinein; er selbst schlug sein Lager in der Nähe der Siedlung auf. Drinnen befand sich eine recht große Anzahl Pompeianer, die sich darüber aufregte, dass die Schutztruppe ohne das Wissen eines gewissen Philo eingelassen worden war, der der leidenschaftlichste Verteidiger der pompeianischen Sache war. Dieser war in ganz Lusitanien sehr bekannt. Dieser brach ohne das Wissen der Schutztruppen nach Lusitanien auf und traf mit Caecilius Niger, einem Barbaren, bei Lennium zusammen, der über eine recht große Anzahl Lusitaner verfügte. Er (d. h. Philo) wurde, als er wieder in Hispalis war, noch einmal des Nachts über die Mauer eingelassen. Der Schutztruppe und den Wachen schnitten sie die Kehle durch, die Tore verschlossen sie und begannen den Kampf von neuem.

Als Kriegstreiber in Hispalis wird vor allem eine Gruppe der Hispanier aufgebaut: die Lusitaner. Ein sonst nicht weiter bekannter Philo, der die Sache des Pompeius vehement vertritt (acerrimus), ist in Lusitanien sehr populär (notissimus) und sucht sich dort Unterstützung. Sein Verbündeter heißt Caecilius Niger, der als homo barbarus apostrophiert wird.129 Gemeinsam setzen sie gegen den Willen eines Teiles der Bevölkerung, die schon Gesandte an Caesar gesandt hatte, den Widerstand fort. Auch über die Textstelle hinaus treten die Lusitaner nach der Schlacht von Munda als Verbündete des Pompeius in Erscheinung: Sie sind die letzten, die kurz vor seinem Tod noch zu ihm halten und versuchen, den schwer verletzten Feldherrn in einer Sänfte in Sicherheit zu bringen (38,3).130 Im Gegensatz zum nicht-römischen Gallien, einem Land, das vor Caesars Eroberungsfeldzügen nahezu unbekannt ist,131 ist Lusitanien schon lange auf der römischen Landkarte verortet. Durch die Konkurrenz mit Karthago expandiert Rom schon früh nach Hispanien, doch auch nach Ende der Punischen Kriege gibt es auf || 129 Es ist davon auszugehen, dass der Begriff barbarus Caecilius Niger nicht nur als Indigenen kennzeichnet (vgl. Pascucci 1965, 355), sondern – wie auch sonst im Bell. Hisp. (vgl. z. B. 15,6, zit. in Abschn. 7.2.3; 42,4 zit. in Abschn. 7.3.3) – abwertend gebraucht ist. 130 Der Text ist allerdings an dieser Stelle unsicher, vgl. dazu Diouron (1999) 147f. 131 Vgl. Dobesch (2000).

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der Halbinsel keinen Frieden, vielmehr rebelliert die einheimische Bevölkerung immer wieder gegen die Herrschaft Roms. Die Folge sind kriegerische Auseinandersetzungen, die langwierig und verlustreich sind. Die Lusitaner gehören dabei stets zu den bedeutendsten Kontrahenten Roms, im 2. Jahrhundert angeführt durch Viriatus, im 1. Jahrhundert durch Sertorius: Der erste gebürtiger Lusitaner, der zweite ein Römer, dem es mit der Hilfe der Lusitaner gelingt, in Hispanien Widerstand gegen das durch Sulla ‚restaurierte‘ Rom aufzubauen.132 Caesar selbst wird während seiner Propraetur im ‚jenseitigen‘ Hispanien nach Kämpfen gegen die Lusitaner zum imperator akklamiert.133 Erst Livius wird, im Rahmen der Darstellung des zweiten Punischen Krieges, nebenbei darauf hinweisen können, dass vor Kurzem (nuper) die Befriedung Hispaniens vollendet wurde (28,12,10–12):134 In Hispania res quadam ex parte eandem fortunam, quadam longe disparem habebant; eandem, quod proelio victi Carthaginienses duce amisso in ultimam Hispaniae oram usque ad Oceanum compulsi erant, disparem autem quod Hispania non quam Italia modo, sed quam ulla pars terrarum bello reparando aptior erat locorum hominumque ingeniis. Itaque ergo prima Romanis inita provinciarum, quae quidem continentis sint, postrema omnium nostra demum aetate ductu auspicioque Augusti Caesaris perdomita est. In Hispanien nahmen die Ereignisse teilweise denselben Verlauf, teilweise aber auch einen grundsätzlich anderen; denselben, weil die Karthager in der Schlacht besiegt und ohne Anführer an die am weitesten entfernte Küste Hispaniens bis zum Ozean getrieben worden waren, einen anderen aber, weil Hispanien dafür geeigneter war – und zwar nicht nur als Italien, sondern als jeder beliebige andere Erdteil –, einen Krieg (immer) wieder zu erneuern, durch die natürliche Beschaffenheit von Landschaft und Menschen. Deswegen nämlich wurde es von den Römern als erste Provinz betreten, jedenfalls von denjenigen, die auf dem Festland liegen, und als letzte von allen erst zu unserer Zeit unter Führung und Kommando des Augustus vollständig unterworfen.

Verantwortlich für die häufigen Misserfolge in Hispanien seien, so der Erzähler in der zitierten Textpassage, die locorum hominumque ingenia. Diese Auffassung deckt sich, wie bereits gesehen, mit der des Erzählers des Bell. Hisp.: Er zeigt, wie die in 7.4.3–7.4.4 besprochenen Beispiele belegen, Pompeius als einen Feldherrn, der sich ausgerechnet derjenigen Strategien bedient, die auch die rebellierenden Einheimi-

|| 132 Zu Viriatus vgl. App. Ib. 60–72 und die ältere, aber immer noch lesenswerte Rekonstruktion von Simon (1962) 87–137; zu Sertorius neben der überwiegend wohlwollend urteilenden Vita Plutarchs auch App. civ. 1,86 (Abreise nach Spanien i. J. 83); 107–115 (Krieg gegen Rom). 133 Vgl. Plut. Caes. 12; Suet. Iul. 18. 134 Vgl. auch Flor. 1,33,5: In hac (sc. provincia) prope ducentos per annos dimicatum est a primis Scipionibus in primum Caesarem Augustum, non continuo et cohaerenter, sed prout causae lacessierant, nec cum Hispanis initio, sed cum Poenis in Hispania. – „In dieser Provinz wurde an die 200 Jahre gekämpft, angefangen bei den ersten Scipionen bis hin zum ersten Caesar Augustus, (allerdings) nicht ununterbrochen und zusammenhängend, sondern wie es die Verhältnisse erforderlich gemacht hatten, und am Anfang gar nicht mit Hispaniern, sondern mit Karthagern in Hispanien.“

224 | Das Bellum Hispaniense

schen wieder und wieder gegen römische Armeen mit Erfolg angewendet haben.135 Vielleicht lässt sich hier eine historiographische Tradition erkennen, militärische Rückschläge in Hispanien zu erklären, auf die bereits der Verfasser dieses Textes zurückgreifen kann.136 Auf jeden Fall wird Pompeius’ Form der Kriegsführung durch diese Parallelität zusätzlich diskreditiert: Einerseits offenbart sich darin ein Mangel an virtus, andererseits aber auch ihre Entfremdung von der römischen Kultur.137

7.5 Zwischenfazit Die narratologische Analyse weist das Bell. Hisp. als einen Text aus, dessen vornehmliches Anliegen es ist, Caesars Gegner im zweiten Hispanienfeldzug, den jüngeren Cn. Pompeius und seine Truppen, zu diskreditieren. Bereits im ersten Kapitel des Bell. Hisp. wird klargestellt, dass die Opposition der Pompeianer keineswegs politisch motiviert ist: Sie paktieren mit latrones, die die Provinz verwüsten, und sind auf diese Weise von Beginn an delegitimiert. Im weiteren Verlauf des Textes erfolgt die Diffamierung des Gegners unter anderem mittels der Raumdarstellungen. Die dominierende räumliche Opposition im Bell. Hisp. besteht in der Differenzierung zwischen Gebirge als bevorzugtem Handlungsraum der Pompeianer und der Ebene als bevorzugtem Handlungsraum der Caesarianer. Diese Zweiteilung des Raumes hat eine Abwertung der Pompeianer zur Folge, weil sie auf ein im militärischen Kontext etabliertes Raummodell rekurriert, gemäß dem das Gebirge als derjenige Raum negativ besetzt ist, den in der Regel die schwächere Kriegspartei belegt, da sie auf diese Weise eine offene Feldschlacht vermeiden kann. Mit römischer virtus ist solches Handeln in der Sichtweise des Erzählers unvereinbar. Hinzu kommt, dass sich gerade Hispanien in der römischen Geschichte immer wieder als Raum erwiesen hat, dessen topographische Verhältnisse dazu einladen, den Krieg auf genau diese Weise zu führen; Nutznießer dieser Zermürbungstaktik waren dabei stets die Kontrahenten Roms. Besonders nach der verlore-

|| 135 So lassen sich die wichtigsten Eigenschaften der lusitanischen Kriegsstrategie unter Viriatus nach Gundel (1970) 115 mühelos auf Seiten des Pompeius wiedererkennen: „Vermeiden von offenen Feldschlachten, wenn nicht numerische Überlegenheit oder andere Gegebenheiten von vornherein einen lusitanischen Sieg erwarten ließen. Sehr bewegliche und weiträumige Kriegführung mit glänzender Raum- und Geländeausnutzung.“ 136 Hierzu ausführlich (mit Belegstellen aus der jüngeren Annalistik) kleine Burhoff et al. (2017) 70–74. Zu der stereotypen Darstellung der Hispanier als barbari vgl. Cadiou (2007) 176–203 und, speziell bei Livius, Bedon (2010), wobei Cadiou dafür argumentiert, dass der scharfe Gegensatz zwischen römischer und hispanischer Kampfstrategie, wie er in der römischen Historiographie gezeichnet wird, nicht existierte. 137 Damit wird eine Argumentationsstrategie aufgegriffen, die sich bis ins Bell. civ. zurückverfolgen lässt, vgl. u. a. Tronson (2001); Grillo (2012) 117–121; Peer (2015) 140–142 (mit älterer Literatur); Johnston (2018) 91f.

Zwischenfazit | 225

nen Schlacht von Munda und der Verletzung des Cn. Pompeius zeigt sich, dass sich die Unterstützung für seine nun führerlose Gefolgschaft tatsächlich aus ebenjenen alten Feinden Roms generiert und immer schon generiert hat: Es ist der rebellische Volksstamm der Lusitaner, der den Widerstand gegen Caesar bis zum Schluss aufrechterhält. Caesars Soldaten vertreten dagegen die Sache Roms. Deutlicher als in den anderen Texten des Corpus Caesarianum signalisiert der Erzähler seine Zugehörigkeit zur Truppe und erzeugt auf diese Weise den Eindruck von Homodiegetizität. Auf diese Weise propagiert er ein Wir-Konzept, das zur Identifikation einlädt und daher als intendierte Leser solche Männer nahelegt, die die Sichtweise des Erzählers teilen können: Caesars Veteranen. Zu dieser Hypothese passt, dass die Präsenz Caesars im Text und damit auch sein Anteil am Gelingen militärischer Operationen stellenweise geradezu marginal werden. Vor Munda besteht seine ganze Leistung darin, die eigenen Truppen zu bremsen, um sie gegen den besser positionierten Feind nicht ins offene Messer laufen zu lassen. Mit der eigentlichen Entscheidung in der Schlacht hat er hingegen nichts mehr zu tun. Dass unabhängig davon der Erzähler die von Caesar vertretenen politischen Positionen teilt, wird ersichtlich, wenn man die den Kriegsbericht rahmenden Kapitel 1 und 42 vergleicht. Die wörtliche Rede der Figur Caesar, die mit großer Wahrscheinlichkeit Positionen referiert, die der historische Caesar so oder so ähnlich ebenfalls verfochten hat, deckt sich mit der Auffassung des Erzählers im ersten Kapitel: Pompeius ist privatus, sein Feldzug illegitim; seine Verbündeten sind Feinde Roms und undankbar angesichts der beneficia, die Caesar ihnen in der Vergangenheit wiederholt erwiesen hat. Er selbst tritt als Repräsentant Roms auf, unterstützt von seinen Soldaten, deren Leistungen allerdings auch hier, am Ende des Textes, diejenigen des Feldherrn überstrahlen: Mit ihrem Einfluss könnten sie sogar den Himmel zum Einstürzen bringen. Kein Erzähler des Corpus Caesarianum hat je selbstbewusster über die Macht und Überlegenheit der Caesarianer geschrieben und die Gegner des Bürgerkrieges gleichzeitig so scharf herabgewürdigt.

8 Schluss 8.1 Ergebniszusammenfassung nach narratologischen Kategorien Wie in der Einleitung angekündigt, enthält der Schlussteil zunächst eine Zusammenfassung der Ergebnisse geordnet nach narratologischen Kategorien. Im Gegensatz zu den Zwischenfazits, die die jeweiligen Textanalysekapitel beschließen, sollen hier die Ergebnisse textübergreifend resümiert werden.

8.1.1 Stimme Die Erzähler der nicht-caesarischen Schriften haben sich als heterogen erwiesen. Gemeinsam ist allen das Bedürfnis, Caesar und seine virtutes in Szene zu setzen, wobei diese Tendenz im Bell. Hisp. am schwächsten ausgeprägt ist. Hinsichtlich ihrer Präsenz im Text unterschieden sie sich hingegen signifikant. Im achten Buch des Bell. Gall. fällt der Erzähler kaum durch wertende Kommentare auf; andererseits meldet er sich regelmäßig zu Wort, um mithilfe von Verweisen des Typs ut supra demonstravimus auf seinen eigenen oder auf Caesars commentarii Querverbindungen herzustellen. Dadurch gelingt es ihm, seine Kenntnisse des gesamten Bell. Gall., vor allem des siebten Buches, nachzuweisen. Im Fall des Bell. Alex. von einem einzigen Erzähler zu sprechen, verdeckt eigentlich den Umstand, dass dieser Text vermutlich aus autonomen Teilen verschiedener Autoren besteht, die im Anschluss nur rein äußerlich miteinander verbunden worden sind. Doch gibt es auch Kontinuitäten: Die häufigen Querverweise, die das achte Buch des Bell. Gall. kennzeichneten, sind im ganzen Bell. Alex. nicht mehr anzutreffen. Gleichzeitig steigt die Zahl der auktorial-wertenden Kommentare, die ideologische Funktion besitzen – und zwar ebenfalls über alle Textteile hinweg. Die Dichotomie zwischen Römern und ‚östlichen‘ Völkern hilft dem Erzähler, indem er die Alexandriner offensiv und Rhodier subtil abwertet, sich dem Lesepublikum klar als Römer zu präsentieren. Durch den zweifachen Hinweis auf die Kastration als charakteristisches Kriegsverbrechen eines Tyrannen aus dem Osten gelingt es, auch König Pharnakes II. zu denunzieren. Ohne Rekurs auf ethnographische Stereotype wird lediglich über die Statthalterschaft des Cassius Longinus berichtet. So klar die Erzähler des Bell. Alex. (und auch des Bell. Gall.) als Römer auftreten, so ambivalent ist ihre Position im Erzähluniversum. Hierin ähneln sie dem Erzähler der caesarischen commentarii. Dies ändert sich mit dem Bell. Afr., dessen Erzähler als heterodiegetisch zu klassifizieren ist. Er ist der erste und einzige, der auf die bereits durch Caesar vorgeprägte Bezeichnung der eigenen Gefolgsleute als nostri verzichtet. Auf diese Weise distanziert er sich vom Geschehen, über das er berichtet.

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Gleichzeitig ist auch er im Text präsent, teilweise mit ähnlichen ethnozentristischen Bemerkungen wie im Bell. Alex., teilweise aber auch mit exegetischen Kommentaren, die er für notwendig erachtet, um scheinbar irrationales Verhalten seines Protagonisten, also Caesars, gegenüber dem Lesepublikum verständlich zu machen. Der Erzähler des Bell. Hisp. verhält sich in dieser Hinsicht gänzlich anders. Er erklärt Caesars Verhalten selten, versteht sich vielmehr als Teil des soldatischen Kollektivs. Dadurch, dass er wiederholt die erste Person Plural und das Personalpronomen der ersten Person nutzt, erzeugt er den Eindruck der Homodiegetizität. Auch wenn seine Identität unklar bleibt, er sich also an keiner Stelle mit einer der handelnden Figuren identifiziert, signalisiert er auf diese Weise, selbst am Feldzug teilgenommen zu haben. Die Bezeichnung nostri für die eigenen Gefolgsleute nimmt er wieder auf. Diese nostri, nicht Caesar, sind über weite Strecken das handelnde Subjekt in diesem Kriegsbericht.

8.1.2 Modus Obwohl in den nicht-caesarischen Schriften die unfokaliserte bzw. multifokalisierte Darstellung der Ereignisse überwiegt, lassen sich in den einzelnen Texten auch Unterschiede im Hinblick auf die Wahl der Fokalisierung feststellen. Eine Sonderstellung nimmt das achte Buch des Bell. Gall. ein, da in diesem Text ganz überwiegend interne Fokalisierung vorherrscht, womit es eher an das erste Buch als an das siebte Buch des Bell. Gall. anschließt. Gleichzeitig fehlt aber das aus dem eingeschränkten Blickfeld resultierende, charakteristische Merkmal der internen Fokalisierung: der Informationsrückstand des Erzählers. Dadurch, dass die Römer über Späher und Überläufer stets hervorragend über die Pläne der Gallier informiert sind, kann das Lesepublikum wie in einem unfokalisierten Text die römischen Erfolge souverän mitverfolgen. Für das Bell. Alex. gilt dies nur zum Teil. Vor allem zu Beginn des Textes ergibt sich dadurch, dass die Fokalisierung auf Caesar zurückgehalten wird, der Leseeindruck, der Ausgang des Krieges sei noch offen.1 Mittels einer Prolepse ‚verrät‘ der Erzähler der Ereignisse in Illyrien hingegen den Ausgang des Seegefechts zwischen Vatinius und Octavius schon, bevor der eigentliche Kampf stattfindet. Der einzige Erzähler der untersuchten Schriften, der sich an verschiedenen Stellen auch externer Fokalisierung bedient, ist der Erzähler des Bell. Afr. Diese Wahl hat zur Konsequenz, dass handlungsleitende Motive aller Kriegsteilnehmer im Unklaren bleiben und der Erzähler entweder nicht den Versuch dazu unternimmt, das Dargestellte zu erklären oder gar bekennt, selbst unsicher zu sein, wie es zu deuten sei. Die damit verbundene Distanznahme lädt das Lesepublikum dazu ein, das Dar|| 1 So Gaertner/Hausburg (2013) 117.

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gestellte kritisch zu hinterfragen. Während der Erzähler an der positiven Darstellung Caesars weitgehend festhält, nährt die Wahl der Fokalisierung Zweifel am Verhalten der Caesarianer. Die ausführliche Behandlung des Todes Catos belegt die relative Unvoreingenommenheit des Erzählers, gerade im Vergleich zum Erzähler des Bell. Hisp. In letzterem Text korrespondiert der Eindruck der Homodiegetizität (vgl. Kap. 8.1.1) mit der Wahl der Fokalisierung auf den caesarischen Soldaten als einem Kollektiv. Diese interne Fokalisierung gibt der Erzähler vor allem mit dem Zweck auf, Cn. Pompeius zu diffamieren. Referiert der Erzähler dessen Gedanken und taktische Überlegungen, erweisen sich diese durch den weiteren Verlauf der Handlung häufig als unzutreffend und inadäquat.

8.1.3 Ordnung Caesars commentarii sind arm an Anachronien, und die postcaesarischen Schriften setzen diese Tradition fort. Wenn die Erzähler der Supplemente dennoch auf Anachronien zurückgreifen, lohnt sich deshalb oft ein genauerer Blick. Die am häufigsten auftretende Art der Anachronie im Corpus ist die repetitive Analepse, der Rückverweis auf zuvor Berichtetes. Der Erzähler tritt als Organisator des Textes auf und setzt, häufig mithilfe von Formulierungen des Typs ut supra demonstratum est, das berichtete Ereignis mit einem früheren in Zusammenhang. Dabei kann die Analepse auf Ereignisse erfolgen, über die der Erzähler selbst berichtet hat, aber auch auf Ereignisse, die in einem anderen Text behandelt wurden. Dieser zweiten Möglichkeit bedient sich der Erzähler des achten Buches des Bell. Gall., indem er einige Male auf Bell. Gall. 7 verweist. Durch dieses Vorgehen gibt er sich als Leser und Kenner der caesarischen commentarii zu erkennen. Im Bell. Alex. hingegen wird nicht der Versuch dazu unternommen, die verschiedenen Schauplätze mittels solcher Querverweise in eine Gesamtdarstellung zu überführen – ein Hinweis darauf, dass den Autoren der einzelnen Textteile zum Zeitpunkt des Schreibens die anderen Teile nicht vorlagen. Auch im Bell. Afr. und im Bell. Hisp. transgredieren die Querverweise die Textgrenzen nicht. Die Erzähler ‚wissen‘ jeweils nur von dem, was sie selbst berichtet haben. So nimmt der Erzähler des Bell. Hisp. beispielsweise nicht Bezug auf die im Bell. Alex. enthaltene Vorgeschichte zu dem von ihm geschilderten Feldzug; der Erzähler des Bell. Afr. weiß zwar von der Niederlage Curios in Afrika (19,2; 40,5), aber anscheinend nichts von der Darstellung derselben im zweiten Buch des Bell. civ. In der Arbeit wurde der Untersuchungsgegenstand innerhalb der Kategorie ‚Ordnung‘ insofern erweitert, als nicht nur explizite Verweise auf Texte, sondern auch Rückbezüge auf historische Ereignisse oder Anspielungen auf Ereignisse der

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Erzählzeit analysiert wurden.2 Hier zeigten sich die Erzähler in unterschiedlichem Maße geschichtsbewusst: Im achten Buch des Bell. Gall. zeichnet der Erzähler beispielsweise seine Figuren Labienus und Antonius allusiv proleptisch, d. h. so, dass an ihrem gegenwärtigen Verhalten bereits ihre zukünftige Rolle im Bürgerkrieg ablesbar ist. Der Erzähler des Bell. Afr. stellt wiederholt die Anhängerschaft eines Teils der Gaetuler als Folge des Verwandtschaftsverhältnisses zwischen Caesar und C. Marius dar. Der Erzähler des Bell. Hisp. schließlich kontextualisiert durch die abschließende Caesarrede den aktuellen Feldzug als letztes Glied in einer Kette von Aufständen der hispanischen Provinzialen.

8.1.4 Raum Unter dem Aspekt des Raumes wurden das Bell. Alex. und das Bell. Hisp. untersucht. In beiden commentarii dienen Raumdarstellungen nicht nur dazu, die berichteten Ereignisse zu verorten, sondern sie werden auch den Wirkungsabsichten des Textes unterworfen. Im Bell. Alex. dient der vergebliche Versuch der Alexandriner, sich die Topographie Alexandrias zu Nutze zu machen und Caesar von der Süßwasserversorgung abzuschneiden, als exemplum, das die Unterlegenheit der taktischen Kriegsführung, die sie dem Kampf Mann gegen Mann vorziehen, illustriert. Erfolgreicher scheint zunächst das Unternehmen des Pharnakes, der im Vertrauen auf den Glück verheißenden Ort in der Schlacht von Zela ein militärisches Wagnis eingeht und ohne Rücksicht auf militärische Vernunft im Raum vorrückt. Dass der von diesem Vorgehen überraschte Caesar die Schlacht dennoch leicht für sich entscheiden kann, weist nicht sein militärisches Können, sondern seine göttliche Legitimation nach. Noch grundlegender für die Figurencharakteristik sind die Raumdarstellungen im Bell. Hisp. Ähnlich wie im Bell. Alex. ist hier ein bestimmtes Verhalten im Raum als ‚fremd‘ markiert (Raummodell). Die Guerillataktik, die der jüngere Pompeius in diesem Krieg verfolgt, indem er sich im Gebirge verschanzt, ist der Taktik der Alexandriner keineswegs unähnlich: In beiden Fällen versuchen Caesars Gegner, der offenen Feldschlacht aus dem Weg zu gehen. Diese wird zur condicio sine qua non eines ehrenhaften Sieges stilisiert. Mit der Raumdarstellung eng verbunden ist eine ethnographische Stereotypisierung der Gegner Caesars: Dem klugen Taktieren im Raum haftet das Stigma des Unrömischen an, was im Umkehrschluss zur Legitimation der caesarischen Politik beiträgt, insofern sein Heer sich durch seine bevorzugte Art des Kämpfens als einzig würdiger Repräsentant Roms erweist.

|| 2 Vgl. de Jong (2014) 86f.

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8.2 Ausblick: Die Supplemente des Corpus Caesarianum im politischen Kontext Dass die postcaesarischen Schriften – genau wie die caesarischen commentarii selbst – politisch wirksam sein sollten, hat sich im Verlauf der Analyse an verschiedenen Punkten gezeigt. Trotz aller Unterschiedlichkeit der Texte haben sie ein gemeinsames Ziel: Als Teil der Gesamtausgabe der caesarischen Kriege sind sie Teil eines Plädoyers für die caesarische Sache. Es ist daher davon auszugehen, dass sie auch Anteil am zeitpolitischen Diskurs um die legitime Nachfolge Caesars haben. Welche spezifische Funktion sie in diesem Kontext erfüllen können, auch darauf lassen sich durch die vorgelegte Studie Rückschlüsse ziehen. Allerdings ist diese Frage nicht mehr primär von literaturwissenschaftlichen, sondern von historischen Interessen geleitet. Entsprechend möchte ich die folgenden Ausführungen verstanden wissen als Anregungen, wie zukünftige Arbeiten die Ergebnisse dieses Buches für sich nutzbar machen könnten, und als Ausblick auf ein Forschungsgebiet, das eine gründlichere Untersuchung durch die althistorische Forschung erwartet. Eine wichtige Voraussetzung für die nun folgenden abschließenden Überlegungen ist durch die zeitliche Verortung der Produktion des Corpus Caesarianum gegeben. In Bezug auf die Genese dieser Gesamtausgabe habe ich dafür argumentiert, die Konzeption der nicht-caesarischen Schriften und die Veröffentlichung der Gesamtausgabe der commentarii nicht zu spät, d. h. noch vor der Schlacht von Mutina anzusetzen. Es gibt gute Gründe dafür, dass Hirtius das Verfassen der einzelnen bella selbst delegiert hat und zum Schluss, als ein neuer Bürgerkrieg sich bereits abzuzeichnen begann, seine Briefvorrede nicht nur dem achten Buch des Bell. Gall., sondern dem schon zu diesem Zeitpunkt vollständig vorliegenden Rest des Corpus vorangestellt hat. Ausgehend von diesem Szenario lässt sich die Gesamtausgabe der commentarii also als Instrument interpretieren, mit dem die komplizierte politische Gemengelage zwischen dem Tod Caesars und dem Tod des Hirtius adressiert werden konnte, nicht jedoch der weitere Verlauf des Bürgerkriegs. Als ein wichtiges Anliegen aller nicht-caesarischen Schriften lässt sich, unter dieser Voraussetzung wenig überraschend, die positive Darstellung des Feldherrn Caesar identifizieren. Denn es liegt nahe, dass insbesondere kurz nach dem Tod des Diktators Bedarf besteht, die Unrechtmäßigkeit des angeblichen Tyrannenmordes zu erweisen.3 Die pro-caesarische Apologetik bedient sich dabei textübergreifend einer Charaktereigenschaft, die Caesar sich selbst nie expressis verbis zugeschrieben hat, die aber in der öffentlichen Wahrnehmung wie keine zweite mit dem Diktator verbunden wird: seiner berühmten clementia.4 Den Anfang macht der Erzähler des achten Buches des Bell. Gall., der, indem er die clementia des Feldherrn hervorhebt,

|| 3 Vgl. Gaertner/Hausburg (2013) 161. 4 Vgl. z. B. Cic. Att. 8,16,2; Plut. Caes. 57.

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plausibel zu machen versucht, dass sich Caesars Milde keineswegs ausschließlich auf die Begnadigung seiner Gegner im Bürgerkrieg erstreckt, sondern bereits für seine Kriegsführung in Gallien kennzeichnend war. Umgekehrt rechtfertigt er Caesars Handeln dann besonders sorgfältig, wenn es von der Leserschaft als grausam empfunden werden konnte, etwa den Befehl, den Einwohnern von Uxellodunum die Hände abzuschlagen. Herausgehobene Bedeutung hat die Inszenierung caesarischer clementia ferner am Schluss des Bell. Afr.: Der Feldherr bemüht sich nicht immer erfolgreich darum, gegen die gewaltbereiten Soldaten auf beiden Seiten seine clementia-Politik durchzusetzen. Dass der Darstellung der clementia Caesars an dieser entscheidenden Stelle der Vorzug vor der Darstellung seiner auctoritas gegeben wird, zeugt von einer gegenüber den caesarischen commentarii veränderten Prioritätensetzung. In den Monaten nach Caesars Tod könnte es von größerer Bedeutung gewesen sein, die charakterliche Integrität des Diktators zu erweisen als seine militärischen Fähigkeiten herauszustellen – auch wenn freilich gerade der Erzähler des Bell. Afr. seine Bewunderung für den Militär Caesar offen ausspricht. Sind die nicht-caesarischen commentarii also als Werbeschriften aufzufassen, die den Feldherrn postum von den Vorwürfen seiner Gegner öffentlichkeitswirksam reinwaschen sollten? Einiges spricht dafür, dass damit die eigentliche Funktion der Schriften nur unzureichend erfasst würde. Besonders das Bell. Hisp. hat durch den gegenüber den anderen commentarii veränderten Erzählerstandort als intendiertes Lesepublikum die Caesarianer selbst wahrscheinlich gemacht. Doch auch im Bell. Alex. und im Bell. Afr. verteidigen die Erzähler Caesar nicht nur vor seinen Gegnern, sondern auch vor parteiinternen Kritikern – sei es anlässlich der Freilassung des jungen Ptolemaios, sei es anlässlich der angeblich überstürzten Überfahrt nach Afrika.5 In Bell. Gall. 8 spielt zudem die Caesartugend der cura militum eine wichtige Rolle. Überall hier werden Gefolgsleute angesprochen, eine Zielgruppe, für die die Legitimation des caesarischen Handelns ebenfalls von großer Bedeutung ist: Denn ist Caesars Standpunkt legitimiert, kann dies auch seinen Veteranen und sonstigen Parteigängern als Selbstvergewisserung dienen, in einem bellum iustum für die richtige Sache gekämpft zu haben. Die Erzähler der nicht-caesarischen Schriften perpetuieren in der Konsequenz die caesarische Interpretation der Feldzüge nach Pharsalos als Kriege gegen äußere Feinde und tragen auf diese Weise dazu bei, die Identität der Caesarianer zu stärken. Von Bürgerkriegen ist in den postcaesarischen Schriften grundsätzlich nicht die Rede.6 Bereits die Platzierung der epistula ad Balbum „mitten zwischen Caesars

|| 5 Nur scheinbar gegen die Veteranen als adressierte Leser spricht die negative Beurteilung dieser Gruppe am Ende des Bell. Afr. Zwar ist ihr Verhalten grausam und nicht nachvollziehbar, doch erst auf diese Weise tritt das Außergewöhnliche an der Natur des von ihnen verehrten Caesar (seine clementia) deutlich hervor. 6 Ausnahmen bestätigen die Regel: Bell. Alex. 48–64; Bell. Hisp. 17 (vgl. dazu Tschiedel 2012, 42).

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Schriften“ (mediis … Caesaris scriptis, Hirt. Gall. 8 praef. 3) signalisiert, dass der Eindruck einer Zweiteilung des Corpus in einen ‚gallischen‘ und einen ‚Bürgerkriegsteil‘ vermieden werden soll. In der Tat ist bereits der Alexandrinische Krieg – der caesarischen Grundlegung im Bell. civ. folgend – ein Krieg, der geführt werden muss, um Roms Sicherheitsinteressen zu wahren; der Feldzug gegen Pharnakes ist es ohnehin. Im Bell. Afr. wird der zweite Afrikafeldzug als Krieg gegen den Numiderkönig Juba interpretiert, dem sich Scipio als Oberbefehlshaber bisweilen sogar unterordnet (und dadurch seine Romanitas verwirkt). Sein Plädoyer für die Sache der Republik kann daher bei Caesars Soldaten nicht verfangen. Dazu passt die Aussage des Erzählers in Bell. Hisp. 1, nach der die afrikanische Provinz für Rom, nicht etwa für Caesar, wiedergewonnen wurde (Africa recepta). Den zweiten Hispanienfeldzug führt Caesar gemäß der Darstellung des Bell. Hisp. zwar gegen Römer, die sich aber – ihr Verhalten im Raum erweist dies deutlich – von ihrer Herkunft losgesagt haben und wie Barbaren kämpfen. Schließlich sind es mit den Lusitanern auch hier wieder auswärtige Feinde, die den Widerstand bis zuletzt aufrechterhalten – einen Widerstand, der sich nicht gegen Caesar, sondern gegen die römische Vorherrschaft in Hispanien richtet. Zur Parteibildung trägt auch der Rekurs auf ethnographische Stereotype bei, die in unterschiedlicher Ausprägung alle postcaesarischen Schriften kennzeichnen: Die Gallier sind töricht (stulti, Gall. 8,10,4), die Alexandriner verschlagen (fallaces, Bell. Alex. 7,3), die Hispanier undankbar (ingrati, Bell. Hisp. 42,3). Solche Klischees dienen in den Texten immer wieder dazu, Caesars Gegner als Fremde dar- und die Legitimität des eigenen Handelns herauszustellen. Der Erzähler inszeniert sich, besonders auffällig im Bell. Alex., aber teils auch in den anderen Schriften, nicht so sehr als Anhänger Caesars, sondern als Römer. Mit dem Gebrauch abwertender Stereotype korrespondiert die Wahl der Fokalisierung in auffälliger Weise: Im achten Buch des Bell. Gall. liegt zwar interne Fokalisierung vor, doch der für diesen Fokalisierungstyp charakteristische Informationsrückstand des Erzählers fehlt hier. Im Bell. Alex. bleibt die interne Fokalisierung auf den ersten Textteil beschränkt. Bell. Afr. und Bell. Hisp. sind überwiegend multifokalisiert. Dies hat zur Folge, dass die ‚römischen‘ Erzähler der nicht-caesarischen Schriften (und mit ihnen das Lesepublikum) den fremden Völkern, über die sie berichten, auch im Hinblick auf ihre Informiertheit überlegen sind. Die commentarii zeigen die caesarischen Gefolgsleute als Einheit. Gerade in einer Zeit, in der diese Einheit durch das Machtvakuum, das Caesars Tod hinterlässt, infrage gestellt wird, kann dies als Appell zur Rückbesinnung an gemeinsam Erlebtes aufgefasst werden. So dürften die Texte den caesarischen Soldaten als intendiertem Lesepublikum auch vor Augen geführt haben, dass sie an geschichtemachenden Ereignissen selbst beteiligt waren. Aus diesem Rahmen fällt lediglich das Bell. Afr. heraus, insofern der heterodiegetische Erzähler vor allem zum Ende des Textes das Verhalten der Soldaten kritisch beurteilt und sich von ihnen distanziert.

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Beachtenswert ist, dass zu Caesars Günstlingen auch M. Antonius gehört, obwohl er an den Feldzügen, die im Bell. Alex., Bell. Afr. und Bell. Hisp. geschildert werden, nicht teilgenommen hat und deshalb in diesen Texten auch nicht erwähnt wird. Doch im achten Buch des Bell. Gall. zählt der Erzähler M. Antonius, trotz der bekannten Antipathie des Autors Hirtius gegen seine Person, wie selbstverständlich zu den Schützlingen Caesars. Dies spricht gegen die These, dass Hirtius’ Projekt der Supplementierung des Corpus Caesarianum im Kampf um die politische Vormachtstellung in Rom einseitig die Octavianische Position stärken sollte.7 Freilich ist es naheliegend, dass die vier Supplementschriften geeignet waren, die enge Bindung der Veteranen an Caesar zu fördern, die der ‚Radikalcaesarianer‘ Octavian als nächster Verwandter des Verstorbenen in den Monaten nach dessen Tod für seine Zwecke zu nutzen versucht.8 Auf der anderen Seite hatten die Veteranen wohl kein Interesse an einem neuerlichen Krieg, solange ihre Versorgung gewahrt blieb. Wie Hirtius waren sie um Ausgleich bemüht. Wenn sie auch nicht wie dieser die Verständigung mit der Senatspartei begrüßten, so drängten sie zumindest auf eine Aussöhnung zwischen den beiden innerparteilichen Rivalen Antonius und Octavian.9 * Manches bleibt gleich, vieles ändert sich durch den anderen Blick auf Caesars Kriege. Im Spannungsfeld zwischen der durch Caesar vorgezeichneten Tradition und den veränderten Ansprüchen, denen die Schriften infolge der neuen politischen Lage gerecht werden müssen, gibt es keinen Königsweg zur Supplementierung der caesarischen commentarii. Die vier nicht-caesarischen Schriften repräsentieren mit den unterschiedlichen Herangehensweisen und Schwerpunktsetzungen ihrer Autoren vier verschiedene Umsetzungsmöglichkeiten, ein gemeinsames Ziel zu erreichen: Die Stärkung der caesarischen Veteranen als Einheit über Caesars Tod hinaus. Die Geschichte zeigt, dass entgegen dieser Intention schon bald neue Allianzen diese Einheit erodieren werden.

|| 7 So Gaertner/Hausburg (2013) 162f. 8 Vgl. Gotter (1996) 63–65. 9 Vgl. Botermann (1968) 27–31; Gotter (1996) 79f.; 98f.

Literatur Textausgaben Corpus Caesarianum Maßgebliche textkritische Ausgaben: Bell. Gall. 1–8 C. Iulii Caesaris Commentarii rerum gestarum, ed. W. Hering, Berlin/New York 2008 = 1987 (= Hering 1987). Bell. civ. 1–3 C. Iuli Caesaris Commentariorum libri III de Bello civili, ed. C. Damon, Oxford 2015 (= Damon 2015). Bell. Alex. Pseudo-César, Guerre d’Alexandrie, ed. J. Andrieu, Paris ³2002 = 1954 (= Andrieu 1954). Bell. Afr. Pseudo-César, Guerre d’Afrique, edd. A. Bouvet/J.-C. Richard, Paris ²1997 (11949) (= Bouvet/Richard 1997). Bell. Hisp. Pseudo-César, Guerre d’Espagne, ed. N. Diouron, Paris 1999 (= Diouron 1999).

Weitere benutzte Ausgaben des Corpus Caesarianum, die teilweise zweisprachig sind und/oder zusätzlich einen Kommentar enthalten, werden hier in chronologischer Reihenfolge gelistet. Wenn im Fußnotenapparat ein Kurztitel für die jeweilige Ausgabe vergeben wurde, so ist dieser in Klammern angegeben. C. Iulii Caesaris Commentarii cum supplementis A. Hirtii et aliorum, ed. K. Nipperdey, Leipzig 1847 (= Nipperdey 1847). C. Iulii Caesaris Commentarii de bello civili, ed. F. Kraner, Leipzig 1861 (= Kraner 1861). C. Iuli Caesaris Commentarii, ed. R. du Pontet, vol. II: Libri III de Bello Civili, cum libris incertorum auctorum de Bello Alexandrino Africo Hispaniensi, Oxford 1901 (= du Pontet 1901). C. Iulii Caesaris Commentarii, ed. A. Klotz, vol. III: Commentarii Belli Alexandrini Belli Africi Belli Hispaniensis, accedunt C. Iuli Caesaris et A. Hirti fragmenta, Stuttgart 1927 (= Klotz 1927a). Caesar, Alexandrian, African and Spanish Wars, ed. A. G. Way, London/Cambridge, MA 1955 (= Way 1955). C. Iuli Caesaris Commentarii rerum gestarum, ed. O. Seel, vol. I: Bellum Gallicum, Leipzig 1961. C. Iulii Caesaris Bellum Hispaniense, ed. G. Pascucci, Firenze 1965 (= Pascucci 1965). Caio Giulio Cesare, Opere, ed. V. A. Sirago, Napoli 1973 (= Sirago 1973). Gaio Giulio Cesare, Opera omnia, ed. A. Pennacini, Torino 1993 (= Pennacini 1993). Julius Caesar, The Civil War. With the Anonymous Alexandrian, African, and Spanish Wars, transl. J. M. Carter, Oxford/New York 1997 (= Carter 1997).

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Pseudo-Cesare, La lunga guerra civile, Alessandria – Africa – Spagna, ed. L. Loreto, Milano 2001 (= Loreto 2001). Gaius Iulius Caesar, Kriege in Alexandrien, Afrika und Spanien, ed. T. Baier, Darmstadt 2004 [Nachdruck des Textes von R. du Pontet, übers. v. A. Baumstark, überarb. v. C. Jahn] (= Baumstark/Jahn 2004). Caesar, Der Gallische Krieg, hrsg. und übers. v. O. Schönberger, Düsseldorf/Zürich 2004 (= Schönberger 2004). The Landmark Julius Caesar. The Complete Works, ed. K. Raaflaub, New York 2017 (= Raaflaub 2017a).

Weitere Autoren Wenn im Fußnotenapparat ein Kurztitel für die jeweilige Ausgabe vergeben wurde, so ist dieser in Klammern angegeben. Appiani Historia Romana, vol. I: edd. P. Viereck/A. G. Roos, Leipzig ³1962, vol. II: ed. P. Viereck ex recensione L. Mendelssohnii, Leipzig ²1905. Cassius Dio Cocceianus, Historiarum Romanorum quae supersunt (vol. I–II), ed. U. P. Boissevain, Berlin ²1955. M. Tulli Ciceronis Brutus de claris oratoribus, rec. Th. Stangl, Leipzig 1886 (= Stangl 1886). M. Tullius Cicero, Brutus, übers. v. B. Kytzler, München/Zürich 41990 (= Kytzler 41990). M. Tulli Ciceronis Epistulae (vol. III), ed. W. S. Watt, Oxford 1958. M. Tulli Ciceronis Epistulae ad Atticum (vol. I‒II), ed. D. R. Shackleton Bailey, Stuttgart 1987. M. Tulli Ciceronis Epistulae ad familiares, ed. D. R. Shackleton Bailey, Stuttgart 1988. M. Tulli Ciceronis Rhetorica (vol. II), ed. A. S. Wilkins, Oxford 1903. M. Tulli Ciceronis Scripta quae manserunt omnia. Brutus (vol. IV), ed. H. Malcovati, Leipzig ²1970. M. Tulli Ciceronis Scripta quae manserunt omnia. De Oratore (vol. III), ed. K. F. Kumaniecki, Leipzig 1969. Petri Candidi Decembrii Epistolarum iuvenilium libri octo, ed. F. Petrucci, Firenze 2013 (= Petrucci 2013). L. Annaei Flori Quae exstant, ed. H. Malcovati, Roma ²1972. Iuli Frontini Strategmata, ed. R. I. Ireland, Leipzig 1990. M. Cornelii Frontonis Epistulae, ed. M. P. J. van den Hout, Leipzig 1988. T. Livi Ab urbe condita libri XXVIII–XXX, rec. P. G. Walsh, Leipzig 1986. Titi Livi Ab urbe condita libri (vol. X,2: Buch XLV und Fragmente), edd. W. Weissenborn/H. J. Müller, Berlin ³1962. Orose, Histoires (Contre les Païens), tome II, ed. M.-P. Arnaud-Lindet, Paris 1991. Plutarchi Vitae Parallelae (vol. II, fasc. 1–2), recc. C. Lindskog/K. Ziegler/H. Gärtner, Stuttgart/Leipzig 1993–1994. C. Suetonii Tranquilli Opera (vol. I), ed. M. Ihm, München/Leipzig 2003 = 1933. Vegetius, Epitoma rei militaris, ed. M. D. Reeve, Oxford 2004. Vellei Paterculi Historiarum ad M. Vinicium consulem libri duo, rec. W. S. Watt, Leipzig 1988.

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Indizes Stellenindex Fettgedruckte Ziffern verweisen auf Stellen, an denen der Text zitiert, übersetzt und ausführlich besprochen wird.

Appian civ. – 1,86 223 – 1,107–115 223 – 2,76 142 – 2,92–94 142 – 2,97 162 – 2,101 1 – 2,104 197 Ib. – 60–72 223

Augustinus civ. – 18,18 36

Bellum Africum – 1,1 142 – 1,1–2 146f. – 1,2 155 – 1,3 147 – 1,5 147 – 2,4 148 – 2,5 148, 152 – 3 156 – 3,4–5 148 – 4 142, 154 – 4,3–4 169, 176 – 5 143, 145 – 5,1 153 – 6,2 153 – 7,2 155 – 7,3–4 150 – 7,3 152 – 7,4 152f., 155

https://doi.org/10.1515/9783110711530-010

– 7,5 154 – 8,2 150, 152 – 8,3 145 – 9,2 156 – 9,4 155 – 10,2–4 150, 157, 186 – 10,3–4 151 – 11 112 – 11,1 152 – 11,1–2 151 – 11,4 152f. – 12,2 153 – 13,1 154 – 13,2 153 – 14,1 153 – 14,2 154 – 14,3 154 – 15,2 153f. – 16,1–3 143, 169 – 16,1–4 176 – 18,1 184 – 18,4 153 – 19,2 174 – 19,4 184 – 21,3–4 151 – 21,3 152 – 21,4 152 – 22,1 171 – 22,2–5 169 – 23 143, 188, 204 – 23,1 171 – 23,2 171 – 23,3 171 – 24,1 154 – 24,3 154 – 25,1 153 – 25,2–3 173 – 26,2 154 – 26,5 153, 156 – 28,1 152, 154 – 31,4 155 – 31,8 153 – 31,9 153, 164 – 32,1 163 – 32,3 173 – 34,1 154 – 34,1–3 145 – 35 174 – 35,1–4 172

252 | Indizes

– 35,4 173 – 35,6 172 – 37,1 144 – 40,1 154 – 40,5 174 – 43 173 – 44–46 176 – 44,2 105 – 44,2–46,3 177f. – 44,3 169 – 46,2 169 – 47,1 154 – 49,1 144 – 50,3–4 144 – 51,1–5 144 – 52,1–3 144 – 52,2 154 – 53 154 – 54 160 – 54,2–5 169 – 55,1–2 173 – 56 174 – 56,1 144 – 56,3 173 – 57,2 169 – 57,3 175 – 57,4–6 175 – 57,6 182 – 59,1 156 – 61,2–5 144, 173 – 61,5 105 – 61,6–8 144 – 62,1 173 – 66,1–4 144 – 66,3 154 – 67,1 144 – 69,4 154 – 69,5 154 – 70,3 154 – 71,2 154 – 73,1–2 215 – 73,1 172 – 73,2 113, 156 – 74,1 154 – 75,1–2 162 – 77,4–78,3 162 – 78,4 154 – 78,7 154 – 79,1–2 163

– 79,2 144 – 81,1–2 164 – 82,1–83,1 158f., 167 – 82,2 164 – 84,1 156 – 85,1–5 144 – 85,5–9 165 – 85,5–97 144 – 85,5 154 – 87,1–4 168, 184 – 87,2 184 – 87,7 185 – 87,8 169 – 88,2–4 181 – 88,2–5 182f. – 88,2 185 – 88,3 183 – 88,4 185 – 88,6 162 – 89,2 162 – 89,5 162 – 90,1 162 – 91,1 184 – 91,1–2 184 – 91,2 184 – 91,4 184 – 92,4 162 – 93,2 180 – 93,3 162, 180 – 94 180ff., 185 – 95,3 180 – 96,2 180

Bellum Alexandrinum – 1 104 – 1–21 96f., 113 – 1–33 96, 113 – 1,1 114 – 1,3 133 – 3,1 103, 112, 114, 117, 193 – 3,2–4 109 – 4,1 96, 99, 123 – 5–9 97 – 5,1–2 134 – 5,1–3 102 – 5,2 134 – 6,1–9,3 102f. – 6,1 104

Indizes | 253

– 6,2 103 – 7–9 157 – 7,1 104 – 7,2–3 110ff. – 7,3 111 – 8,1 104 – 8,1 134 – 9,2 104 – 9,3 119 – 11–12 100 – 11,2–3 115 – 11,4 115 – 12,1 112, 115f. – 12,4 112 – 13,2 117, 133 – 13,5 114 – 13,6 120 – 14,1–2 119 – 14,2 118 – 14,5 115 – 15–16 114 – 15,1–2 116 – 15,1 119 – 15,3–4 115, 169 – 15,6–7 116f. – 16,1–2 117 – 16,2–5 118 – 16,5 112, 117, 119 – 16,6–7 115 – 17–22 97 – 19,6 193 – 22–33 96f. – 22–78 106 – 22 101 – 23–24 96 – 23,1 112 – 23,1–2 112 – 24 97, 149 – 24,1 113 – 24,3 112f. – 24,5 112 – 24,6 112 – 25,1–3 101 – 27,2–4 101 – 27,5 112 – 29–32 98 – 29,2 112 – 31,1 109 – 32 167

– 32,4 126 – 33,3 119 – 34–37 98 – 34–41 136 – 34–78 97 – 34,3–5 99 – 34,4 121 – 35,1 121, 136 – 35,3 99 – 36,1 121 – 36,4–5 121 – 37,1 101, 121 – 38 101 – 39–41 98 – 41 101 – 41,1–2 121, 136 – 41,1 123 – 41,2 123 – 43,1 105 – 43,4 106f. – 44,5 107 – 45,1–46,1 106f. – 45–47 98 – 45,1 101 – 46,1 108 – 48–64 100, 131 – 48,1 124f. – 48,3 130 – 49 125 – 49,2 125 – 50,1–3 125 – 50,1 126 – 50,3 127 – 51,1 128 – 51,4 125 – 52–53 98 – 53,5 124, 131 – 54,2–3 127 – 55,5 126 – 57,3 127f. – 57,6 128 – 58 205 – 58,1–4 128f. – 59–63 98 – 59,1 129 – 60,1–2 131 – 61,1 127 – 64 98, 192 – 68,2 121

254 | Indizes

– 69,1 114 – 69,2 121 – 69,3 122 – 70,3–7 122 – 70,3 126 – 70,4 139 – 71,1 101, 121, 138 – 72–77 98 – 72,1–3 135 – 73,1 136 – 73,2 136 – 74–75 108 – 74,1 101, 136 – 74,3–75,1 137 – 74,3 121, 139 – 75,3 138f. – 77 167 – 77,1 139 – 78,2 96

Bellum Hispaniense – 1 205 – 1,1–4 202 – 1,1 6, 188, 204, 206 – 3,4 190 – 4,2 201 – 5,2 201 – 5,6 211 – 5,7 211f. – 6–19 190 – 6,1 189 – 7–9 210 – 7,1–3 218f. – 7,1 221 – 7,3 216 – 7,4 128 – 8,1 212 – 8,2–5 190 – 8,6–9,1 219 – 9,1–4 189 – 9,3 219 – 10,1 46, 190 – 10,2 201 – 11,1–12,3 192 – 13,5–6 196 – 14,1–4 220 – 15,1 190 – 15,6 199f., 222

– 16,1–3 189 – 17,1–3 195 – 17,3 72 – 19,3 193 – 19,4–6 195 – 20,2 193 – 20,4 193 – 21,2 193 – 21,3 193 – 23,8 46, 190 – 24,1–5 213 – 24,5 189 – 25,1–7 214f. – 25,7 201, 217 – 26,2 193 – 26,3–4 211 – 26,3–6 190 – 26,3 212 – 26,4 216 – 26,5 211 – 29–31 189, 211 – 29,3–30,4 198 – 29,4 198 – 29,6 216 – 31 197 – 31,6 197 – 31,9 189 – 32–42 190 – 32,4 221 – 32,7 221 – 35,1–4 222 – 35,4 200 – 38,3 222 – 39,1 201 – 39,2 189 – 42,1 208 – 42,2 208 – 42,4–7 207 – 42,4 126, 190, 222 – 42,5 217

Caesar civ. – 1,1–2 142 – 1,2,6 88 – 1,2,7 124 – 1,5 93 – 1,7,2 208

Indizes | 255

– 1,29,3 204 – 1,46 193 – 1,58,2 120 – 1,61 129, 205 – 1,61,3 204, 206 – 1,66–68 213 – 1,72 164 – 2,4–7 120 – 2,5–6 117 – 2,6,1 120 – 2,18,7 204 – 2,20 129 – 2,20,4 128 – 2,21,4 124 – 2,25,1 168 – 2,32,2–14 170 – 2,32,12 149 – 2,36,1 168 – 2,39,2–3 170 – 2,42,5 166 – 2,44 175 – 2,97 160 – 3,60,3 193 – 3,86,2–4 170 – 3,87,1–4 114, 170 – 3,92,2–4 194 – 3,92,4 193 – 3,103-112 96 – 3,105,3–6 139 – 3,106–112 99 – 3,106,1 119 – 3,107–108 109 – 3,107,2 96 – 3,108,1 123 – 3,109,6 96, 113 – 3,110,2 110 – 3,110,4 113 – 3,112 110 – 3,112,10 96 – 3,112,11 96 – 3,112,12 100 Gall. – 1,1 57, 193 – 1,1,4 114 – 1,13,2 63 – 1,24 193 – 1,28,5 75 – 1,39–41 157

– 2,1–2 60 – 2,8,1 114 – 2,14,1–5 71 – 2,15,4–5 114 – 2,20,1 138 – 3,17,5 65 – 4,5,2 67 – 4,29,3 67 – 5,48 193 – 5,54,5 114 – 6,14,4 111 – 6,25–28 30 – 6,43 52 – 7,1 57 – 7,1,1 56, 75 – 7,1,2–5,7 59 – 7,3,1 73 – 7,5,1 66, 78 – 7,6 66 – 7,6,1–4 59 – 7,7,3 66 – 7,8,1 66 – 7,17,1 64 – 7,17,7–8 73 – 7,20–21 61 – 7,20,3–12 170 – 7,22,1 114 – 7,23,2 64 – 7,25,1–2 194 – 7,25,1 64 – 7,26,4–5 62 – 7,28,4 73 – 7,29–30 61 – 7,30,1 78 – 7,37–38 61 – 7,37,1 64 – 7,38,2–3 170 – 7,38,6–8 170 – 7,40,2 56 – 7,48,1 64 – 7,58,3 64 – 7,59,5 114 – 7,63–64 61 – 7,66 61 – 7,70,1 64 – 7,72,1 61, 65 – 7,75–78 61 – 7,76 86 – 7,76,1 64

256 | Indizes

– 7,77,3–16 170 – 7,77,15–16 109 – 7,79,2 64 – 7,81,6 82 – 7,83 61 – 7,83,8 64 – 7,85,4 64 – 7,90,7 65

Cassius Dio – 40,56,1 78 – 42,15,3 131 – 42,52,1–55,3 142 – 43,8,2–9,1 162 – 43,29,1–31,1 188 – 43,31,4 129

Cicero Att. – 1,16,15 45 – 1,19 14 – 1,20 14 – 2,1 14 – 2,1,1 45 – 7,1,4 78 – 7,3,7 12 – 8,3,3 78 – 14,4,1 92 – 14,10,1 92 – 14,13,6 89 – 14,20,4 54 – 15,1,3 53, 89 – 15,2,4 53 – 15,5,1 54 – 15,5,2 53 – 15,6,1 54 – 15,6,2–3 53 – 15,8,1 53 Brut. – 262 9, 16

– 1,208 14f. – 1,240 12 dom. – 136 12 fam. – 5,12 45 – 5,12,10 12 – 8,1 28 – 8,1,2 81 – 8,2,2 12 – 8,8,9 78, 81 – 8,11,4 12 – 11,1 54 inv. – 1,27 35 Manil. – 61 171 off. – 3,8 12 – 3,121 12 or. – 1,1 8 Phil. – 1,2 28 – 2,35 28, 89 – 2,43 28, 89 – 2,97 28, 89 – 5,11 28 – 5,11–12 89

Claudius Quadrigarius – 10b 217 – frg. 10b 216 – frg. 12 216f.

Ennius de orat. – 1,5 13 – 1,206 13, 15

– frg. 584 197

Indizes | 257

Florus – 1,33,5 223 – 2,13,60 123 – 2,13,66 159, 162 – 2,13,78 197 – 2,69 181

Frontin strat. – 2,2,2–4 137

Hirtius Gall. 8 – praef. 1 2, 7f. – praef. 2–3 22 – praef. 2 1, 10, 17, 24f., 54f., 74, 76 – praef. 3–5 18 – praef. 3 25 – praef. 4–5 9f. – praef. 4 29 – praef. 6–7 20f. – praef. 6 21 – praef. 7 26 – praef. 8–9 26 – praef. 9 18 – 1–5 52 – 1,1 69 – 1,1–2,1 55f. – 3,1 59, 67 – 3,5 69, 86 – 4,1 69 – 4,3 57, 65, 69 – 5 70 – 5,1–2 69f. – 5,1 57 – 5,4 70 – 6–23 52, 90 – 7,1–7 61 – 7,3–7 91 – 7,4 91 – 7,5 65 – 7,6 91 – 8,3 67 – 9,1 85 – 9,3–4 53

– 10,3 68 – 10,4 65 – 12,1–3 68 – 13,4 85 – 14,1 57, 61 – 14,2 67 – 15,4–16,4 62 – 15,5 57, 65, 155 – 16,4–17,3 62 – 17,2–3 63 – 17,3 65 – 18,2–4 63 – 18,4 63, 67 – 19,2 65 – 19,3 67 – 19,4 92 – 20,2–21,1 91 – 21,2 71 – 21,4–22,2 91 – 23,2–6 65, 82f. – 23,3 86 – 23,4 85 – 23,6 84 – 24,1 57 – 24,3 66 – 24,4 52 – 25,1–2 52, 82 – 26–29 52 – 26,2 61 – 27,3 61 – 30–37 52 – 30,1–2 65f., 78 – 30,1 57 – 31,1–4 70 – 31,1–5 73 – 31,4 70 – 32,1–2 78 – 32,1 61 – 33–37 78 – 33,3 100 – 34,1 57, 61 – 35,4 61 – 35,5 65 – 36,1–3 61 – 36,3 67 – 36,5 65 – 37 167 – 38,1–4 52 – 38,2 73

258 | Indizes

– 38,3–5 72, 162 – 38,3 53, 57, 65, 155 – 38,5 79 – 39,1–3 80 – 39,1 52 – 40–44 52 – 40,1 61 – 43,1 85 – 43,5 78 – 44,1 71, 78f., 123, 196 – 44,2 65, 85 – 44,3 65, 85 – 45–48,9 52 – 45,1 82 – 46,5–6 84 – 46,1 57 – 47–48 83 – 47,2 65 – 48,1 84 – 48,5 84 – 48,7 84 – 48,8–9 84 – 48,8 85 – 48,9 53, 86 – 48,10–11 20, 52, 65, 74f., 88, 100 – 48,10–50 92 – 48,10–55 92 – 48,10 24 – 48,11 10 – 49–55 52 – 50,1–4 87f. – 50,2–3 82 – 50,2 53, 93 – 50,3 93 – 51,1 93 – 51,3 93 – 52,3 82, 88, 93 – 52,4–5 76 – 52,5 77, 93 – 53 81 – 53,1–2 77 – 54,5 114 – 55,2 90

Homer Od. – 18,83–87 123

Lipsius Elect. – 2,22 3

Livius – 28,12,10–12 223 – 28,16,11 175 per. – 114 181

Lukian hist. conscr. – 48 11

Monumentum Ancyranum R. gest. div. Aug. – 1 170

Orosius – 6,7,2 2 – 6,16,3 162 – 6,16,7 197

Plutarch Brut. – 18-21 92 Caes. – 12 223 – 50,3 98 – 51 142 – 52,1 147 – 53 162 – 56 2, 197 Cat. min. – 68,1 183

Indizes | 259

Rhetorica ad Herennium

Thukydides

– 1,13 35

– 5,26 24 – 7,69–71 120 – 7,70–71 117

Sallust Iug. – 7,6 175 – 91 79

Vegetius

Sidonius

mil. – 1,22,2 137 – 3,13,2 137 – 4,1 137

epist. – 9,14,7 2

Velleius Paterculus

Sueton

– 2,54 142 – 2,55,3 197

gramm. – 12,2 19

Vergil

Iul. – 18 223 – 28,2 81 – 35 162 – 36 197 – 37,2 98 – 56 3, 10, 19, 45, 52 – 56,4 2,44 – 70 142

Aen. – 3,423 147

Personen- und Sachindex Achill 215, 217 Achillas 96f., 102 Addendum (zum achten Buch des Bell. Gall.) 52, 55, 65, 74, 76, 88, 95 Aegimurus 177 Aelius, Sex. 12 Aemilius Lepidus, M. 98 Aemilius Scaurus, M. 16 Aeneas 41 Afranius, L. 143, 180, 206 Aggar 144, 162f. Alexandria 98, 100, 109f., 113, 117, 119ff., 124, 133f., 140

Alexandriner 97, 101ff., 108ff., 120f., 133f. Ambiorix 52 Anachronie 101, 140f., 228, siehe auch Analepse, Prolepse Analepse 50, 76, 84 – allusive 50 – kompletive 50, 83 – Prolepse 50 – repetitive 50, 65, 75, 201, 228 Andekaver 70 Annaeus Lucanus, M. 35 Anticato (Caesar) 183 Antistius Turpio 215ff.

260 | Indizes

Antonius, M. 27, 52ff., 56, 74, 81f., 84, 86ff., 93, 95, 105, 124, 142, 229, 233 Antonius, M. (orator) 13 Appendix Vergiliana 31 Aquinius, M. 175f. Arsinoë IV. 96, 102 Ascurum 171 Asia 119 Asinius Pollio, C. 2, 9, 44, 145, 160, 181 Aspavia 212f. Asprenas siehe Nonius Asprenas Ategua 189, 192, 196, 199, 216, 218f., 221 Atticus siehe Pomponius Atticus Attius Varus, P. 142f., 177f., 180, 189, 197, 204, 207 Autor – abstrakter oder impliziter 40 – des achten Buches des Bell. Gall. 52 – des Bell. Afr. 38, 144 – des Bell. Alex. 4, 97, 100 – des Bell. Hisp. 190 Baetica siehe Hispania ulterior Balbus siehe Cornelius Balbus Balbusbrief siehe epistula ad Balbum Barzizza, Giuniforte 3, 155 Belger 60, 71, 114 Bellovaker 52, 60ff., 68, 71, 82f., 90ff., 114 Bibracte 55f., 61 Biographismus 37, 40 Biturigen 52, 59f., 69, 86 Boier 75 Brutus siehe Iunius Brutus Caecilius Metellus Pius, Q. 209 Caecilius Metellus Pius Scipio, Q. 142ff., 146, 162f., 165ff., 186, 204, 232 Caecilius Niger 222 Caelius Rufus, M. 12, 19, 28, 77, 81 Caesare dignum (Beurteilungskriterium für Schriften im Corpus Caesarianum) 4, 79 Caninius Rebilus, C. 52f., 61, 65ff., 78, 80, 82, 222 Capra, Bartolomeo della 2 Capsa 79 Cassius Longinus, C. 54, 124 Cassius Longinus, Q. 97f., 124ff., 141, 188, 192, 205, 207f., 226 Castra Postumiana 219ff.

Cato siehe Porcius Cato Catulus siehe Lutatius Catulus Celsus Constantinus, Iulius 2f. Cenabum 70, 73 Cicero siehe Tullius Cicero Claudius Marcellus Aesernius, M. 98, 127, 129, 131 Claudius Marcellus, M. 77f., 81 Claudius Marcellus, C. (Konsul des Jahres 50) 75 Claudius Marcellus, C. (Konsul des Jahres 49) 87 Claudius Quadrigarius, Q. 216f. clementia 126, siehe auch virtutes Caesaris Clodius Arguetius 190 commentarius – ~ ὑπόμνημα 11 – a commentariis 19, 28 – als Teil des Buchtitels 10 – 'annalistisches' Prinzip 74, 98ff. – commentariolum petitionis 11f., 19 – Eigenschaften der caesarischen commentarii 13, 17, 20f., 41, 43ff., 48, 56, 65, 73, 75, 105, 122, 139, 141, 156, 158, 169ff., 207, 209, 226, 228, 230f. – kollaborative Autorschaft 19f., 27 – Literarizität 12ff., 19, 21, 29 – Rezeption der caesarischen commentarii 15ff., 21, 30f., 66, 71, 94 – Textsorte 8, 12, 16ff., 22, 26f., 29f., 37, 44, 67, 111 – ὑπόμνημα περὶ τῆς ὑπατείας 14, 17, 20, 45 Commius (Atrebas) 52, 61, 65, 82ff., 91, 95, 126, 158 Considius Longus, C. 142f., 162, 169, 176, 180 Convictolitavis 61 Corduba 127ff., 131, 189, 192, 211, 221f. Cornelius Balbus, L. 2, 7f., 21, 24, 54, 89, 191 Cornelius Lentulus Crus, L. 87 Cornelius Scipio Aemilianus, P. 175 Cornelius Sulla, L. 14, 19, 180, 223 Cornelius Sulla Faustus, L. 180 Cornificius, Q. 105f. Corpus Caesarianum 2ff., 10f., 17f., 20ff., 29ff., 33, 36f., 40ff., 46, 70, 75, 88, 112f., 126, 142f., 153, 157, 164, 167, 188ff., 193, 202, 205, 209, 225, 230, 233 – enthält keine pseudepigraphischen Texte 5, 27, 30, 45, 72, 155

Indizes | 261

– Entstehung des Corpus Caesarianum 22, 24, 27f. Correus (Bellovacus) 62f., 91f. Crassus siehe Licinius Crassus Critognatus 109, 170 Curio siehe Scribonius Curio Decembrio, Pier Candido 2 Deiotaros 121 Desubjektivierungsstrategie 44f. Dienstberichtshypothese 17 dignitas 88 Distanz, narrative 170 Diviciacus 71 Domitius Calvinus, Cn. 97ff., 121f., 136f. Drappes 52, 61, 65f., 78, 80, 85 Dumnacus 52, 61, 70 Duratius 52, 61 Echetos von Epiros 123 Ennius, Q. 197, 200f. Epicadus (Sklave Sullas) 19 epistula ad Balbum 5, 7ff., 12, 17f., 22ff., 36, 40, 45, 52ff., 64, 66f., 74, 76, 88, 94, 155, 231 – Legitimation der Supplementierung 8, 18, 20ff. Erzähler 31, 33, 37ff., 53, 55, 57ff., 76f., 79, 82ff., 90, 93ff., 98, 100f., 103ff., 107ff., 116ff., 125, 127, 129, 132ff., 137ff., 188, 191, 193ff., 210, 212f., 215ff., 221, 223, 225 – autodiegetischer 41, 45 – covert narrator 45f. – Erzählerkommentar 44, 67f., 85, 110, 112f., 140f., 148, 155, 165, 173 – heterodiegetischer 40ff., 45, 100, 153, 186f., 191, 226, 232 – homodiegetischer 40ff., 45, 153f., 191, 198 – Homodiegetizität 42, 191ff., 195, 225, 227f. – Identität mit dem Autor im faktualen Text 37, 40, 43 – ideologische Erzählfunktion 112, 140, 226 – im engeren und im weiteren Sinn 38f. – in den caesarischen commentarii 42ff., 48, 194 – primärer und sekundärer 41 – Teil eines Kollektivs 191, 195, 198 Erzähltempo 99, 111, 117, 132 Erzählzeit und erzählte Zeit 74, 76, 87, 89f., 95

Ethnozentrismus 45, 108, 111, 116, 120, 131, 227, 232 – Romanitas 123, 200, 224, 232 – Stereotype 113f., 121, 140, 211, 224 Euphranor 114ff., 119f., 169f. Fabius, C. 52f., 61, 70, 73, 82 Fabius Maximus, Q. 188, 190, 192, 195 factio paucorum 93, 95 Fiktionalität und Faktualität 32ff., 39, 49 – Rezeptionshaltung 34f., 37f. – semantische Fiktionalitätssignale 34 Fiktivität 34, 36 – im Unterschied zur Fiktionalität 34f., 40 – skalierbar 35f. Fokalisierung 32f., 46ff., 195, 197 – externe 47,49, 85, 158, 167f., 186, 227 – figurengebundene und externe 46f. – fokalisiert / unfokalisiert 47f. – Fokalisierungsinstanz und Erzählinstanz 46f., 156 – interne 32, 49, 55, 57f., 60, 63, 85, 94, 107, 156, 158, 186, 227f., 232 – multiple 48f., 101, 105, 227, 232 – nicht synonym zu point of view 46, 104 – Nullfokalisierung 47f., 55, 58ff., 101, 105, 107f., 158 – Wechsel der Fokalisierung 159 fortuna siehe virtutes Caesaris – als göttliche Kraft 108, 138f. – als kontingentes Kriegsglück 108 Frequenz, narrative siehe Singulativ, Iterativ Fufius Calenus, Q. 119 Fundanius, C. 192 Gabinius, A. 97f., 105ff., 109, 126 Gaetuler 170, 172ff., 179f., 229 Galba siehe Sulpicius Galba Gallia – cisalpina 83, 87, 93 – transalpina 59, 66, 78, 83 Ganymedes 96f., 102, 123, 133 Gellius, A. 216 Gutuatrus 72f., 79, 162, 164, 166 Hadrumetum 143, 145, 148, 180 Haeduer 71, 75 Hannibal 47 Helvetier 49, 60, 63, 114

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Heptastadium 97 Hercynia silva 30, 48 Herodot 38 Hiempsal II. 173f. Hirtius, A. 1ff., 5, 7ff., 15, 17ff., 52ff., 56f., 64, 74, 78f., 81, 84, 86, 89f., 96f., 99f., 111, 114, 143, 155, 169, 190f., 205, 210, 230, 233 – Editor des Corpus Caesarianum 25, 31 Hispalis 126, 128, 189f., 206f., 222 Hispania 98ff., 124, 143, 164, 180, 204ff., 222ff., 232 – citerior 129, 203, 206 – ulterior 97f., 124, 126ff., 188, 192, 202, 206, 208, 223 historia 21, 33, 35, 58 Hybris 18, 138, 221 Illyricum 97ff., 105, 126, 138, 140, 227 Informationsvergabe 46, 48f. – äußeres Kommunikationssystem 48 – diskrepante Informiertheit 48, 61, 63, 103, 107, 140, 232 – Informationsrückstand 49, 61, 167, 227, 232 – Informationsvorsprung 48f., 60, 63, 94, 103f., 107f., 140, 169 – inneres Kommunikationssystem 48f., 107 Italica 128, 215 Iterativ 50 Iunius Brutus Albinus, D. 54 Iunius Brutus, M. 15ff., 29, 54 Juba I. 142f., 146, 169, 173ff., 179ff., 184ff., 204, 232 Jugurtha 174f., 181 Kadurker 66, 78 Karnuten 52, 69f., 72f. Karthago 222f. Kastration 123f., 226 Kleopatra VII. 96, 109 Konferenz von Luca 77 Labienus, T. 52, 54, 81ff., 95, 114, 143, 169f., 176, 180, 188f., 197, 204, 207, 229 legio vernacula 124, 127f., 192, 195 Lemonum 52, 61, 70 Lennium 222 Lentulus siehe Cornelius Lentulus Lepidus siehe Aemilius Lepidus

Leptis 150 Lesepublikum, intendiertes 77, 142, 180, 199, 201, 221, 227, 231f. lex Licinia Pompeia 77 Licinius Crassus, L. 13f. Licinius Crassus, M. 77 Lilybaeum 146, 148 Lipsius, Iustus 3, 144, 166 Litaviccus 61, 170 Livius, T. 34f., 39 Lucceius, L. 45 Lucterius 52, 61, 66, 78, 80 Lukan siehe Annaeus Lucanus Lukian von Samosata 11 Lusitaner 209, 211, 222f., 225, 232 Lutatius Catulus, Q. 14, 16 Lycia 119 Manlius Torquatus, T. 216f. Marc Anton siehe Antonius, M. Marcellus siehe Claudius Marcellus Marcius, Q. 192 Marius, C. 79, 172ff., 229 Massinissa 175 Memnon 215, 217 Mithridates VI. 96, 108, 120, 135f. Mithridates von Pergamon 96f. Modus siehe Fokalisierung Munatius Plancus, L. 145, 154, 176 Narbo siehe Gallia transalpina Narratologie 5, siehe u. a. auch Analepse, Erzähler, Fokalisierung, Iterativ, Prolepse, Raumnarratologie, Singulativ – histoire und discours 32, 34, 36, 99f., 145 – strukturalistische 51 – synchrone und diachrone 32f. Nervier 114 Nil 98, 102, 134 Nonius Asprenas, L. 201 Numider 113, 174, 176, 181 Octavian 53, 233 Octavius, M. 98, 105f., 127, 138, 140, 177f., 227 Oppius, C. 3, 10 Ordnung siehe Anachronie, Analepse, Prolepse Pansa siehe Vibius Pansa Parada 168, 184f.

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Paränese 89 Parenthese 64, 67f. Parther 1, 90 Pause, deskriptive 132 Pedius, Q. 188, 190, 192, 195 persona 37ff., 90 Petreius, M. 143, 146, 180ff., 184, 206 Pharnakes II. 96ff., 108, 120ff., 126, 132, 135ff., 202, 204, 226, 229, 232 Pharos 97 Philo (Lusitanus) 222 Piktonen 52 Polybios 47 Pompeius (Magnus), Cn. 1, 10, 59f., 74ff., 81, 88, 90, 93, 96, 105, 109, 121f., 124, 128ff., 136, 141, 159, 171, 194, 202ff., 209 Pompeius, Cn. 124, 128, 143, 145, 165, 170f., 188ff., 192, 194ff., 198, 201ff., 216, 218ff., 229 Pompeius, Sex. 124, 188f., 207, 221 Pompeius Niger, Q. 214f. Pompeius Trogus, Cn. 145 Pomponius Atticus, T. 17, 53, 92 Pontos 97f., 100, 119, 121f., 135f., 141 Porcius Cato (Uticensis), M. 142f., 145, 162, 167ff., 180ff. portus Eunostus (Alexandria) 97, siehe auch Schlacht im portus Eunostus Poseidonios 12, 14, 45 Pothinus 96, 123 Prolepse 50, 74f., 79f., 105ff., 140, 227 – allusive 50, 229 – externe 50 – repetitive 50 Pseudepigraphie siehe Corpus Caesarianum Ptolemaios XII. 96, 105, 109 Ptolemaios XIII. 96f., 99, 109, 112f., 231 Querverweis 99, 154, 198, 226, 228, siehe auch Analepse, repetitive Raumnarratologie 50f. – espace tactique 211 – Mnemotopos 135, 138 – Raummodell 137, 199, 204, 224, 229 – Topographie 30, 132ff., 210, 220, 224 Remer 60, 68 Rhodier 108, 114ff., 140 Ruspina 143, 152, 176

Sallustius Crispus, C. 145, 174 Salsum 211, 218ff. Schlacht – am Bagradas 142, 160, 166, 174 – an der Sambre 48, 138 – bei Nicopolis 98, 122 – im portus Eunostus 114ff., 120, 132, 169 – von Alesia 2, 57, 60f. – von Avaricum 57, 61, 73 – von Dyrrhachium 99, 124 – von Gergovia 57 – von Massilia 120 – von Munda 1, 46, 188ff., 197, 211, 216, 221f., 225 – von Mutina 24, 190, 230 – von Pharsalos 1f., 98f., 114, 124, 128f., 139, 142, 159, 170, 189, 194 – von Soricaria 189, 212ff. – von Syrakus 120 – von Thapsus 143f., 146, 152, 158ff., 162ff., 167, 180, 185f., 188 – von Zama 160 – von Zela 98, 121f., 132, 135ff., 139, 141f., 164, 205, 229 Scipio siehe Caecilius Metellus bzw. Cornelius Aemilianus Scribonius Curio, C. 76, 93, 98, 142, 149, 166, 170, 174, 228 Sertorius, Q. 204f., 208f., 223 Singulativ 50f., 149, 152f., 173, 185, 192 Spannung auf den Ausgang 64 Spannung auf den Gang 107 Stimme 33, 37ff., siehe auch Erzähler Suetonius Tranquillus, C. 9f., 19, 52 Sulla siehe Cornelius Sulla Sulpicius Galba, Ser. 87f. Syria 118 szenisches Erzählen 103 Tagebuch 152, 190ff., 197 Terentius Varro, M. 128f. Tergeste 66 Thorius, T. 128ff. Thukydides 24, 30, 35, 117, 120 Titii (fratres) 152 Topographie siehe Raumnarratologie Trebonius, C. 192 Treverer 52, 82 Triarius, C. 194

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Triarius, C. Valerius 135f. Tullius Cicero, M. 12ff., 27ff., 45, 53, 77, 89, 92, 106 Tullius Cicero, Q. 11, 13, 19 Tullius Rufus 165f. Ucubis 213, 218f. Ulia 189 Ursao 211, 216 Utica 142, 150, 162, 167f., 171, 183, 185f. Uxellodunum 52, 61, 78ff., 123, 195, 231 Valerius Corvus, M. 216f. Varro siehe Terentius Varro Vatinius, P. 97f., 106ff., 127, 138, 140, 227 Vercingetorix 1, 56f., 61, 169f. Vergilius, C. 143f., 151f., 162f., 180 Vesontio 157 Vibius Paciaecus, L. 190

Vibius Pansa, C. 52f. Viriatus 223f. Viridovix 65 virtus 106, 108, 114, 118, 120, 123, 178, 215, 217, 224 – vs. scientia 115ff., 120, 133 virtutes Caesaris 68 – auctoritas 164, 231 – celeritas 69, 147, 213 – clementia 68ff., 79, 86, 90f., 122, 126, 162, 164, 178f., 186, 195, 230f. – cura militum 68ff., 231 – fortuna 105, 139, 161 Volusenus Quadratus, C. 82ff. Xenophon 45 Zama 184