Digitale Wirtschaft und Sharing Economy: Wirtschaftsethische und moralökonomische Perspektiven [1 ed.] 9783428552139, 9783428152131

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Digitale Wirtschaft und Sharing Economy: Wirtschaftsethische und moralökonomische Perspektiven [1 ed.]
 9783428552139, 9783428152131

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Volkswirtschaftliche Schriften Band 569

Digitale Wirtschaft und Sharing Economy Wirtschaftsethische und moralökonomische Perspektiven

Herausgegeben von

Detlef Aufderheide und Martin Dabrowski In Verbindung mit Karl Homann · Christian Kirchner † Michael Schramm · Jochen Schumann Viktor Vanberg · Josef Wieland

Duncker & Humblot · Berlin

DETLEF AUFDERHEIDE / MARTIN DABROWSKI (Hg.)

Digitale Wirtschaft und Sharing Economy

Volkswirtschaftliche Schriften Begründet von Prof. Dr. Dr. h. c. J. Broermann †

Band 569

Anschriften der Herausgeber: Prof. Dr. habil. Detlef Aufderheide

Dr. Martin Dabrowski

Business Ethics and Strategic Management School of International Business Hochschule Bremen Werderstr. 73

Akademie Franz Hitze Haus Fachbereich Wirtschaft, Sozialethik, Medien Kardinal-von-Galen-Ring 50

D-28199 Bremen

D-48149 Münster

Die Tagungsreihe „Wirtschaftsethik und Moralökonomik. Normen, soziale Ordnung und der Beitrag der Ökonomik“ wird in Kooperation zwischen der katholisch-sozialen Akademie FRANZ HITZE HAUS und der School of International Business, Hochschule Bremen durchgeführt.

Digitale Wirtschaft und Sharing Economy Wirtschaftsethische und moralökonomische Perspektiven

Herausgegeben von

Detlef Aufderheide und Martin Dabrowski In Verbindung mit Karl Homann · Christian Kirchner † Michael Schramm · Jochen Schumann Viktor Vanberg · Josef Wieland

Duncker & Humblot · Berlin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 2017 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt Druck: Meta Systems GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0505-9372 ISBN 978-3-428-15213-1 (Print) ISBN 978-3-428-55213-9 (E-Book) ISBN 978-3-428-85213-0 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Teilen (können) ist das neue Haben (wollen)? So scheint es bisweilen, wenn man die immer größer werdende Zahl von Veröffentlichungen über die Sharing Economy liest. Nicht wenige sprechen bereits von einer weiteren industriellen Revolution, die die fortschreitende Digitalisierung der Ökonomie und nicht zuletzt das Internet ermöglicht hat. Der Grundgedanke ist bestechend: Nicht zuletzt mit Hilfe der immer schneller werdenden digitalen (Glasfaser-)Netze sind Güter – etwa: Texte, Bilder, Musik oder auch Konstruktionszeichnungen – nahezu beliebig vielen Abnehmern zugänglich, ohne dass für einen zusätzlichen Nutzer nennenswerte zusätzliche Kosten der Bereitstellung entstehen. In der Sprache der Ökonomik heißt das: Die Grenzkosten der Bereitstellung (nicht der Produktion!) liegen nahe bei null oder sogar exakt bei diesem Wert. Schöne neue Welt? Durch das Internet sind Kommunikation und Information – etwa: über die temporäre Verfügbarkeit eines Fahrzeugs oder einer Wohnung – schier unbegrenzt und sehr kostengünstig möglich geworden. Lösen also Tauschen und Teilen den exklusiven Eigentumsanspruch ab, der seit mehr als zwei Jahrhunderten als konstituierendes Element der Marktwirtschaft – des Kapitalismus – gilt? Mehr noch: Wird nun vielleicht doch noch der lang gehegte Traum von einer Welt wahr, in der weltliche Besitztümer nicht nur einigen wenigen, sondern vielen – eines Tages vielleicht nahezu allen – Menschen zur Verfügung stehen? Wird damit vielleicht sogar das Besitzstreben selbst eines Tages überholt sein, das von vielen sehr kritisch, von anderen dagegen seit Adam Smith als ethisch hervorzuhebendes Element menschlichen Handelns in wirtschaftlichen Dingen gesehen wird? Oder werden hier am Ende nur altbekannte Erkenntnisse – aus ökonomischer Sicht etwa: die der Kollektivgütertheorie – in neuer Verpackung angeboten? Ist gar der Traum von einer neuen Form des Wirtschaftens „jenseits des Kapitalismus“ stets genau das gewesen: ein Traum, dem der Bezug zur Realität von Beginn an fehlte? Immerhin zeigt sich bei näherer Betrachtung, dass den – zur Zeit der Drucklegung dieses Bandes – größten oder bedeutsamsten Akteuren der Entwicklung allesamt eines gemeinsam ist: AirBnB, Ebay, Facebook oder Uber – um nur einige zu nennen – sind ohne Zweifel keine karitativen Einrichtungen, sondern erwerbswirtschaftlich ausgerichtete, auf das Gewinnziel fokussierte sowie, nicht zuletzt, in ihrem Innern äußerst straff und erfolgsorientiert organisierte Unternehmungen. An deren Spitze sind jeweils geradezu paradigmatisch Kapitalisten am Werk – oder, in der Sprache

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Vorwort

der Ökonomik und in der Tonalität freundlicher, Schumpetersche Pionier-Unternehmer. Wie passt es dann zusammen, dass die Produkte dieser, derzeit zum Teil marktbeherrschenden Unternehmen der Sharing Economy von den nach eigener Einschätzung im Zweifel oft kapitalismuskritisch eingestellten jungen Menschen, den sogenannten Millennials, jedenfalls in den ersten Jahrzehnten des 21. Jahrhunderts derart begeistert genutzt werden, dass deren von Gewinnerwartungen befeuerten Börsenwerte – zumindest bis auf Weiteres – geradezu schwindelerregende Höhen erreichen? Diese und weitere überaus spannende Fragen sind Gegenstand der Erörterungen, die die Autorinnen und Autoren des vorliegenden Bandes aus verschiedenen Fachperspektiven angestellt haben. Der Sammelband folgt dabei – wie seine Vorgänger – dem Leitbild wechselseitiges Lernens und Austauschens von Anregungen: Im Sinne der Qualitätssicherung werden wie immer jedem Hauptbeitrag zwei Korreferate an die Seite gestellt. Allen Autorinnen und Autoren danken wir sehr für die überaus anregenden Texte und die stets sachlich und erkenntnisorientiert geführten Diskussionen. Möge das Ergebnis den Leser und die Leserin auch dieses Mal bei der ersten Orientierung wie bei der fortgeschrittenen Beschäftigung mit verschiedenen Perspektiven und Facetten der jeweiligen Fragestellung tatkräftig unterstützen. Der aktuelle Band, der in diesem Augenblick gegenständlich oder auf dem Bildschirm Ihres PC, MacBook oder Tablets vor Ihnen liegt, setzt eine inzwischen über recht viele Jahre erfolgreiche Reihe fort, die unter dem Motto „Normen, soziale Ordnung und der Beitrag der Ökonomik“ im Jahre 1996 ihren Anfang genommen hatte und seither, wie wir dankbar anmerken dürfen, auf eine ausgesprochen freundliche Aufnahme bei allen angesprochenen Adressatenkreisen stößt. Die bereits angesteuerten Ufer können in den neun vorangegangenen Sammelbänden begutachtet werden. Diese sind in den „Volkswirtschaftlichen Schriften“ (VWS) des Verlages Duncker & Humblot unter den nachfolgend aufgeführten Titeln erschienen und auch als eBooks erhältlich. Wie man sieht, gibt sich die kleine Publikationsreihe seit dem zweiten Band im Untertitel durch eine Variation des Titels unseres Erstlings zu erkennen: – Wirtschaftsethik und Moralökonomik. Normen, soziale Ordnung und der Beitrag der Ökonomik (VWS 478) – Internationaler Wettbewerb – nationale Sozialpolitik? Wirtschaftsethische und moralökonomische Perspektiven der Globalisierung (VWS 500) – Gesundheit – Ethik – Ökonomik. Wirtschaftsethische und moralökonomische Perspektiven des Gesundheitswesens (VWS 524) – Corporate Governance und Korruption. Wirtschaftsethische und moralökonomische Perspektiven der Bestechung und ihrer Bekämpfung (VWS 544)

Vorwort

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– Markt und Wettbewerb in der Sozialwirtschaft. Wirtschaftsethische und moralökonomische Perspektiven für den Pflegesektor (VWS 551) – Internetökonomie und Ethik. Wirtschaftsethische und moralökonomische Perspektiven des Internets (VWS 556) – Effizienz und Gerechtigkeit bei der Nutzung natürlicher Ressourcen. Wirtschaftsethische und moralökonomische Perspektiven der Rohstoff-, Energie- und Wasserwirtschaft (VWS 560) – Effizienz oder Glück? Wirtschaftsethische und moralökonomische Perspektiven der Kritik an ökonomischen Erfolgsfaktoren (VWS 562) – Markt und Verantwortung. Wirtschaftsethische und moralökonomische Perspektiven (VWS 567). Dem Verleger, Herrn Dr. Florian Simon, sind wir für die inzwischen langjährig bewährte, von gleichermaßen kollegialer wie freundschaftlicher Atmosphäre geprägte Zusammenarbeit sehr dankbar. Die Reihe geht ursprünglich auf eine Kooperation zwischen der Katholisch-sozialen Akademie Franz Hitze Haus (vertreten durch Martin Dabrowski) und der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Münster zurück, die auf wissenschaftlicher Seite von der HSBA Hamburg School of Business Administration übernommen wurde und inzwischen an der School of International Business der Hochschule Bremen (jeweils vertreten durch Detlef Aufderheide) verankert ist. Die Kooperation dient unverändert einem alles überragenden Anliegen, nämlich: dem Diskurs zwischen Ethik und Ökonomik, zwischen Ökonomen und Theologen bzw. Moralphilosophen sowie Vertretern anderer Disziplinen ein Forum zu bieten, auf dem ein fruchtbarer Austausch über aktuelle Forschungsergebnisse ebenso wie über die sich ergebenden Implikationen für die Praxis stattfinden kann. Wie der Untertitel jeweils anzeigt, werden dabei zwei besondere Perspektiven eingenommen und kontrastiert oder zusammengeführt. Es geht einerseits (Stichwort Wirtschaftsethik) nicht in erster Linie um allgemeine Fragen der Angewandten Ethik. Vielmehr erfolgt jeweils eine Engführung auf wirtschaftlich relevante Aspekte. Andererseits (Stichwort Moralökonomik) stellen sich die Autorinnen und Autoren der vorliegenden Reihe immer wieder der Frage, wie mit den Methoden der Ökonomik auch und gerade moralische Probleme besser erklärt und vertiefend analysiert werden können: Moralökonomik kann in Langfassung auch verstanden werden als die Gesamtheit aller wissenschaftlichen Untersuchungen, die durch die Anwendung bewährter und neuerer ökonomischer Methoden zu einem besseren Verständnis moralisch relevanter Fragen und Probleme beitragen (können). Dabei ist uns bewusst, dass es „den“ ökonomischen Ansatz nicht gibt: Es geht auch innerhalb der Ökonomik um einen fruchtbaren Wettbewerb um die besten Analysemethoden.

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Vorwort

Wenn aber, diesen Fragen vorgelagert, die Ökonomik als Forschungsprogramm – und als solches vermeintlich fokussiert auf den Eigennutz und andere moralisch höchst ambivalente Phänomene – gezielt auf Fragen der Moral angesetzt wird, so führt dies immer noch zu Irritationen, und zwar bemerkenswerterweise nicht nur bei Fachfremden, sondern bisweilen auch noch unter Ökonomen. Die vorliegende Buchreihe möchte diesen Irritationen mit inhaltlicher Überzeugungsarbeit entgegentreten. Dass dabei auch die bestehenden Grenzen einer ökonomischen Analyse der Moral im Dialog auszuloten sind, versteht sich von selbst. Auch für die Tagung, die dem vorliegenden Tagungsband vorausging, konnten wir auf den genius loci des überaus bewährten Tagungshauses setzen: Die Akademie Franz Hitze Haus in Münster bietet allerbeste Voraussetzungen. Das eingespielte und wie immer sehr freundliche und hilfsbereite Team trug zum Gelingen der Tagung nicht unmaßgeblich bei, materielle wie immaterielle Unterstützung auch von Seiten der Akademie des Bistums Münster sind von kaum schätzbarem Wert. Je nach fachbezogener Fragestellung konnten wir immer wieder, punktuell auch für den vorliegenden Band, in der inhaltlichen Vor- und Nachbereitung auf guten Rat aus unserem Beraterkreis zurückgreifen, in dem verschiedene akademische Disziplinen vertreten sind. Dem leider viel zu früh verstorbenen Prof. Dr. Dr. Christian Kirchner, LLM., und den Herren Prof. Dr. Dr. Karl Homann, Prof. Dr. Michael Schramm, Prof. Dr. Dr. h.c. Jochen Schumann, Prof. Dr. Viktor Vanberg und Prof. Dr. Josef Wieland sind wir für die inzwischen langjährige Unterstützung dankbar verbunden. Münster, im September 2017

Detlef Aufderheide und Martin Dabrowski

Inhaltsverzeichnis Heidi Dittmann und Björn A. Kuchinke Sharing Economy: Digitale Revolution in der Produktion und im Konsum? . . .

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Peter Schallenberg Sharing Economy: Teilhabe in der modernen und digitalisierten Ökonomie – Korreferat zu Heidi Dittmann und Björn A. Kuchinke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Alexander Spermann Plädoyer für eine angemessene Regulierung der Sharing Economy – Korreferat zu Heidi Dittmann und Björn A. Kuchinke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Rüdiger Wilhelmi Crowdfinance – Strukturen und Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Damian Bäumlisberger Der Schutz mündiger Anleger und die grundsätzliche Gleichbehandlung aller Anbieter – Neue Ansatzpunkte eines fundierteren Arguments gegen die regulatorische Sonderstellung der Crowdfinanzierung – Korreferat zu Rüdiger Wilhelmi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Joachim Wiemeyer Crowdfinanzierung aus normativer Sicht – Korreferat zu Rüdiger Wilhelmi . . .

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Eric Meyer und Theresia Theurl Neue Governance Strukturen für die Sharing Economy . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Heidi Dittmann Genossenschaftliche Lösungsansätze fu¨ r die Sharing Economy – Korreferat zu Eric Meyer und Theresia Theurl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 Michael Köster Ordnungspolitischer Rahmen für den Plattformkapitalismus – Korreferat zu Eric Meyer und Theresia Theurl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 Julian Dörr Sharing is caring? Entwicklungsperspektiven der Share Economy . . . . . . . . . . . 123

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Inhaltsverzeichnis

Nick Lin-Hi Entwicklungsperspektiven der Sharing Economy: Es ist nicht alles Gold was glänzt – Korreferat zu Julian Dörr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 Michael Schramm Jenseits des Kapitalismus? Zur Verheißungsdimension der Sharing Economy – Korreferat zu Julian Dörr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161

Sharing Economy: Digitale Revolution in der Produktion und im Konsum? Von Heidi Dittmann und Björn A. Kuchinke

I. Einleitung und Motivation Das Teilen von Gütern wird seit geraumer Zeit unter dem Begriff „Sharing Economy“ zusammengefasst. In den vergangenen Jahren hat dieses Teilen von Gütern jedoch einen Bedeutungswandel vollzogen. Hervorgegangen aus der bloßen Nachbarschaftshilfe wird darin inzwischen vielfach eine grundlegende Änderung in Konsum und Produktion gesehen.1 Zu diesen Änderungen wird beispielsweise gezählt, dass der temporäre Verleih ungenutzter Güter deren Auslastung erhöhe.2 Nachfrager können Güter darüber hinaus nutzen, ohne sie selbst erwerben zu müssen. Zusammengefasst unter dem Begriff der Sharing Economy soll die Ökonomie des Teilens den Übergang in ein nachhaltigeres Wirtschaften eröffnet haben, als durch die gemeinsame Nutzung von Ressourcen die Umwelt geschont würde.3 Die bessere Kapazitätsauslastung bereits vorhandener Güter ginge zudem mit positiven Wohlfahrtseffekten einher. Durch die Möglichkeit der lediglich kurzfristigen Nutzung der geteilten Güter sei die Sharing Economy in der Lage, Bedürfnisse zu befriedigen, die bisher unbefriedigt bleiben mussten.4 Hierdurch wiederum entstünden nicht ausschließlich neue Konsumformen und neue Märkte, es werde vielmehr ein Wertewandel vom privaten Eigentum hin zu kollaborativen Besitzformen stattfinden. Die zunehmende Beliebtheit des Sharings ist unbestritten. Insbesondere unter Personen zwischen 18 und 24 Jahren sowie unter Personen, in deren Haushalt Kinder unter 18 Jahren leben, erfreut sich das Teilen wachsender Beliebtheit. Gemäß einer PwC-Studie kennen 44 % der US-Amerikaner die Angebote der Sharing Economy.5 Es lässt sich mittlerweile kaum ein Bereich des wirtschaftlichen und sozialen Lebens finden, der nicht zumindest auch teilweise Sharing Economy Angebote ent1 So z. B. vertreten von Voeth/Pölzl/Kienzler, 2015, S. 472, Monopolkommission, 2016, S. 369 Tz. 1189, Priddat, 2015, S. 100, Heinrichs/Grunenberg, 2012, S. 4. 2 Vgl. Koopman/Mitchell/Thierer, 2015, S. 2. 3 Vgl. DuPuis/Rainwater, 2015, S. 2, Zobrist/Grammp, 2015, S. 4, Rauch/Schleicher, 2015, S. 15 f., Schor, 2014, S. 3. 4 Vgl. Zobrist/Grammp, 2015, S. 11. Kritisch hierzu Rauch/Schleicher, 2015, S. 16. 5 Vgl. PwC, 2015, S. 5. Die Ergebnisse beruhen auf der Befragung von 1.000 US-Amerikanern.

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Heidi Dittmann und Björn A. Kuchinke

hält. Neben den Bereichen Unterkünfte und Taxi-/Transportdienstleistungen existieren beispielsweise Angebote im Bereich von Finanzdienstleistungen (Crowdfunding), von Food Sharing, Logistik, Automobil, Arbeit, Ausbildung und Videosharing. Aus ökonomischer Sicht wird die Sharing Economy ungeachtet ihrer Beliebtheit unter ihren Nutzern kontrovers diskutiert. Zentrale Gegenstände der Diskussionen sind zum einen die Vorteile für die Sharing Economy Unternehmen und die Nachfrager. Zum anderen wird die Frage der Regulierung dieses Bereiches hinterfragt. Ein Konsens konnte bisher nicht erreicht werden.6 Das Ziel des Beitrags ist es daher, den Stand der Diskussionen darzustellen und erste wirtschaftspolitische Handlungsempfehlungen zu geben. Der Beitrag gliedert sich wie folgt: Im zweiten Kapitel wird ein Überblick über die begriffliche Vielfalt der Sharing Economy sowie deren Grundcharakteristika gegeben. Im dritten Kapitel wird die These des revolutionären Charakters der Sharing Economy aufgegriffen. Basierend auf den daraus gewonnenen Erkenntnissen werden in Kapitel 4 wirtschaftspolitische Handlungsempfehlungen gegeben. Der Beitrag schließt mit Schlussbemerkungen in Kapitel 5.

II. Grundzüge und Wesen der Sharing Economy Die Möglichkeit des Teilens von Gütern erstreckt sich inzwischen auf eine Vielzahl von Wirtschaftsbereichen. Ebenso vielfältig wie die Sharing Angebote sind die im Schrifttum gebräuchlichen Definitionen der Sharing Economy. Auffällig ist das grundlegend sehr breite und allgemein gehaltene Begriffsverständnis. Eine sehr offen gehaltene Umschreibung präsentieren Zervas/Byers (2016) mit ihrem Verständnis von Sharing Angeboten als mehrseitige Technologie-Plattformen.7 Andere Autoren umschreiben das Sharing als ein ökonomisches Modell, in dem Individuen Güter, Services, Raum und Geld schaffen und miteinander teilen8 oder die Zusammenfassung aller Aktivitäten, die auf das Teilen von Gütern, Diensten und Wissen gerichtet sind.9 Zudem wird mitunter die steigende Auslastung bestehender Ressourcen durch das Teilen betont. Zu finden ist dies beispielsweise in der Definition von Koopman/Mitchell/Thierer (2015). Ihrer Ansicht zufolge handelt es sich dabei um jede Form von Marktplätzen, die das Internet verwenden, um Anbieter und Nachfrager geteilter Güter, die ansonsten unterausgelastet sind, zusammenzuführen.10 Der Aspekt der Unterauslastung wird auch von Cohen/Zehngebot (2015) aufgegriffen, 6 Vgl. hierzu exemplarisch Rauch/Schleicher, 2015, S. 15 f., Schor, 2014, S. 3, Theurl, 2016, S. 8 f. 7 Vgl. Zervas/Proserpio/Byers, 2016, S. 2. 8 Vgl. Miller, 2016, S. 150 f. 9 Vgl. Demary, 2015a, S. 4. 10 Vgl. Koopman/Mitchell/Thierer, 2015, S. 2.

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die im Sharing ein internetbasiertes Teilen von unterausgelasteten Gütern und Fähigkeiten mit monetärem oder nicht-monetärem Vorteil sehen.11 Ein einheitliches und vor allem konkretes Verständnis, was unter den Begriff des Sharings subsumiert wird, konnte sich bisher ebenso wenig durchsetzen, wie ein Konsens in den verwendeten Begrifflichkeiten selbst existiert. Während kollaborativer Konsum und Sharing häufig synonym verwendet werden,12 grenzen andere Autoren beide Begriffe voneinander ab. Belk (2013) beispielsweise definiert den kollaborativen Konsum als die koordinierte Anschaffung und Verbreitung einer Ressource entweder kostenlos oder mit Gegenleistung. Davon eingeschlossen sind sowohl Tausch und Handel als auch nicht-monetäre Gegenleistungen. Damit wiederum ließe sich der kollaborative Konsum von all jenen Sharing-Formen abgrenzen, bei denen es wie beim CouchSurfing keine Gegenleistung gibt.13 Für die nachfolgenden Ausführungen stellen die Autoren daher ausschließlich auf ein allgemein gehaltenes und weithin akzeptiertes Begriffsverständnis des Sharings als das Teilen von Gütern über internetbasierte Plattformen ab. Die nach Belk entscheidende Abgrenzung zwischen kollaborativem Konsum und Sharing über das Vorliegen einer Gegenleistung wird dabei für irrelevant erachtet, zumal dies aus ökonomischer Sicht zumindest nicht unkritisch ist. Viele Sharing Angebote beinhalten monetäre oder nicht-monetäre Gegenleistungen. Da zu den nicht-monetären Entlohnungsformen auch die Preisgabe persönlicher Daten sowie die der Plattform gewidmete Aufmerksamkeit der Nutzer zählen, dürfte die Zahl der Fälle ohne Gegenleistung ohnehin sehr gering sein. Innerhalb des Sharings sind des Weiteren Asset-Hubs von Peer-to-Peer (P2P) Networks abzugrenzen.14 Im Falle eines Asset-Hubs liegt das Eigentum der geteilten Güter bei der Plattform.15 Diese Güter werden Nutzern, ähnlich dem traditionellen Mietvertrag, zur zeitlich begrenzten Nutzung überlassen.16 Im Gegensatz dazu werden die geteilten Güter oder Dienstleistung beim P2P Sharing von privaten oder gewerblichen Anbietern über die Sharing Plattform bereitgestellt. Die Plattform selbst verfügt über keinerlei eigene Sharing Ressourcen. Sie dient ausschließlich der Zusammenführung von Anbietern und Nachfragern.17 Während Asset-Hubs inhaltlich nah an der Funktionsweise der Standard Economy sind, werden für die weiteren Ausführungen ausschließlich P2P Networks unter dem Begriff der Sharing Economy zusammengefasst. Vom P2P Sharing begrifflich abzugrenzen sind Genossenschaften. Zwar findet in Genossenschaften ebenso eine gemeinsame Nutzung von Gütern statt, allerdings be11

Vgl. Cohen/Zehngebot, 2014, S. 1. Vgl. Europäische Kommission, 2016, S. 2, Miller, 2015, S. 150 f. 13 Vgl. Belk, 2013, S. 11. 14 Vgl. Rauch/Schleicher, 2015, S. 11, Demary, 2014, S. 5 f. 15 Vgl. Demary, 2014, S. 5, Rauch/Schleicher, 2015, S. 11. 16 Vgl. Rauch/Schleicher, 2015, S. 12. 17 Vgl. Zobrist/Grammp, 2015, S. 4, Rauch/Schleicher, 2015, S. 2, 13. 12

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findet sich das geteilte Gut im Besitz aller Genossenschaftsmitglieder und wird gemeinsam genutzt. Der Nutzen aus dem Einsatz des Gutes fließt allen Mitgliedern der Genossenschaft zu und verbleibt bei einem Austritt in der Genossenschaft.18 Im klassischen Fall des P2P Sharing verfügt die Plattform hingegen über keinerlei eigene Ressourcen, sondern vermittelt lediglich zwischen Anbietern und Nachfragern der zu entleihenden Waren und/oder Dienstleistungen. Vielmehr wird privates Individualeigentum der Sharing Geber gemeinsam genutzt.19 Die genossenschaftliche gemeinsame Nutzung von Gütern ist demnach nicht mit dem Teilen innerhalb der Sharing Economy gleichzusetzen. Zu den wesentlichen Eigenschaften der Sharing Economy zählt die Koordination von Angebot und Nachfrage über eine internetbasierte Plattform. Die hohe Verbreitung des Internets sowie die Weiterentwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologie können somit als Voraussetzungen der Sharing Economy angesehen werden.20 Die Verfügbarkeit des Internets, die Entwicklung von Apps und mobilen, internetfähigen Endgeräten sowie die Änderung des Nutzungsverhaltens bei gleichzeitig sinkenden Preisen für die Internetnutzung haben entscheidend zum Erfolg von Sharing-Plattformen beigetragen. Der Erfolg des Sharings hängt offenbar stark mit dem technischen Fortschritt und den damit verbundenen Möglichkeiten zusammen. Vor der Nutzung des Internets zur Informationsbereitstellung war der Austausch von Gütern und Dienstleistungen aufgrund der aufwendigen Informationsbeschaffung mit hohen Transaktionskosten verbunden. Zudem konnten potenzielle Anbieter und Nachfrager aufgrund fehlender Informationsmöglichkeiten nicht in jedem Fall zusammengeführt werden.21 Durch die Sharing Economy kam es zu einer Reduktion der Such- und Informationskosten.22 Über die P2P Plattformen kann nunmehr ein Austausch von Waren und Dienstleistungen erfolgen, der bisher nicht über Märkte koordiniert werden konnte.23 Dies trifft insbesondere auf die kurzfristige Nutzung dauerhafter Güter zu.24 Der Austausch privater Güter über Sharing Plattformen bedingt gegenseitiges Vertrauen zwischen Anbietern und Nachfragern. Die Entwicklung der Sharing Economy wurde somit wesentlich durch die Existenz von Bewertungs- und Reputationssystemen begünstigt.25 Sobald allen Beteiligten die Möglichkeit der Informationsbe18

So auch Theurl, 2015, S. 90. Vgl. Theurl, 2015, S. 90. 20 Vgl. Peitz/Schwalbe, 2016, S. 235 ff., Demary, 2015b, S. 96, Heinrichs/Grunenberg, 2012, S. 8. 21 Vgl. Koopman/Mitchell/Thierer, 2015, S. 3 f., Demary, 2014, S. 7. 22 Vgl. Europäisches Parlament, 2015, S. 2 f. 23 Vgl. Theurl, 2016, S. 606. 24 Vgl. Peitz/Schwalbe, 2016, S. 235. 25 Vgl. Peitz/Schwalbe, 2016, S. 235 ff., Monopolkommission, 2016, S. 369 Tz. 1188, Haucap, 2015, S. 92. 19

Sharing Economy: Digitale Revolution in der Produktion?

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schaffung gegeben ist, können sie sich über Bewertungen früherer Tauschpartner über die Zuverlässigkeit des jeweils anderen informieren und sich daraufhin für oder gegen eine Transaktion entscheiden. Durch die Bereitstellung (temporär) ungenutzter Ressourcen über Sharing Plattformen wird deren Auslastung erhöht, die Wohlfahrt steigt.26 Darüber hinaus können Nachfrager Güter nutzen, ohne sie selbst erwerben zu müssen. Somit wird auch Individuen der Zugang zu Ressourcen ermöglicht, welche sich diese zuvor nicht leisten können. Durch den Übergang vom Kauf zur Mietung von Gütern ließen sich zudem positive Umwelteffekt erzielen.27 Das (deutliche) Absinken der Transaktionskosten führe zu einer Disaggregation des Angebots. Güter und Dienstleistungen können in beliebig kleinen Einheiten angeboten und nachgefragt werden. Gegenüber der Standard Economy weise die Sharing Economy zudem eine höhere Preisflexibilität und häufig geringere Preise aus.28 Wie die Ausführungen unter diesem Punkt zeigen, lässt sich auf den ersten Blick tatsächlich eine durch die Sharing Economy ausgelöste Revolution in Produktion und Konsum vermuten. Inwiefern diese Vermutung bei genauerer Betrachtung bestätigt werden kann, ist Gegenstand des nächsten Kapitels.

III. Digitale Revolution? Zur Einschätzung des revolutionären Charakters der Sharing Economy ist es zunächst erforderlich, die ihr zugesprochenen Vorteile kritisch zu diskutieren. Wichtig ist es dabei, zwischen kurz- und langfristiger Betrachtung zu differenzieren. Ein aus ökonomischer Sicht elementarer Punkt ist die Reduktion der Transaktionskosten durch die Senkung der Such- und Informationskosten. Dem Argument ist zwar insofern zuzustimmen, als in der Sharing Economy durch Erfahrungsund Reputationssysteme umfassende Informationsmöglichkeiten bestehen, allerdings wurden diese Möglichkeiten nicht erst mit dem Aufkommen des Sharings begründet. Angaben zu Herstellern, Produkten, deren Preis und Qualität und nicht zuletzt Erfahrungsberichte existieren infolge der zunehmenden Bereitschaft von Individuen zur Teilung privater Erfahrungen im Internet sowohl für die Waren und Dienstleistungen des stationären Handels, des klassischen Internethandels als auch für die Sharing Angebote. So konnten sich Nachfrager bereits vor der Sharing Economy zunächst im Internet in Foren, sozialen Netzwerken oder über Bewertungsportale informieren, bevor Güter im stationären Handel erworben werden. Nachfrager 26 Vgl. Theurl, 2015, S. 88, Rauch/Schleicher, 2015, S. 14 ff., Demary, 2015a, S. 14, DuPuis/Rainwater, 2015, S. 2, Zobrist/Grammp, 2015, S. 4, Schor, 2014, S. 3, Cusumano, 2015, S. 32. 27 Vgl. DuPuis/Rainwater, 2015, S. 2, Zobrist/Grammp, 2015, S. 4, Rauch/Schleicher, 2015, S. 15 f., Schor, 2014, S. 3. 28 Vgl. Skift Report, 2013, S. 22, Rauch/Schleicher, 2015, S. 17.

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können somit in der klassischen Ökonomie über das gleiche Informationsniveau verfügen wie in der Sharing Economy. Ebenso wie die Möglichkeit der Informationsbeschaffung vor Vertragsschluss auch außerhalb des Sharings besteht, können Bewertungs- und Reputationssysteme im klassischen Handel vertrauensbildend wirken. Ein Alleinstellungsmerkmal der Sharing Economy ist hierin ebenfalls nicht zu sehen. Kurzfristig sind demnach keine nennenswerten Transaktionskostenvorteile aufgrund von gesunkenen Informationskosten zu erwarten. Langfristig ließe sich sogar ein Anstieg der Transaktionskosten plausibel annehmen. Im Gegensatz zu klassischen Kauf- und Mietverträgen weisen die Verträge der Sharing Economy i. d. R. eine deutlich geringere Laufzeit auf. Die Folge ist eine Vielzahl an kurzfristigen Mietverhältnissen, für die jeweils Informationen erforderlich sind. Zudem besteht bei lediglich kurzer Überlassung von Gütern die Gefahr eines sorgloseren Umgangs als im Falle des Privateigentums an dem Gut.29 Nach Ansicht der Monopolkommission wird das Absinken der Transaktionskosten ohnehin nicht durch das Teilen der Güter als solches, sondern durch die Koordination von Angebot und Nachfrage über eine Plattform verursacht.30 Die Verwendung einer (internetbasierten) Plattform ermöglicht eine einfachere und schnellere Zusammenführung der beiden Marktseiten als andere Koordinationsverfahren. Insofern ist der Monopolkommission zuzustimmen. Eine wesentliche Eigenschaft der Sharing Plattformen besteht schlichtweg in der Zusammenführung von Marktseiten, die ohne die Plattform nicht oder lediglich mit hohem Aufwand zusammengeführt werden können. Hierauf beruht letztendlich die Theorie mehrseitiger Marktplätze, auf die an späterer Stelle noch eingegangen wird. Kritisch zu hinterfragen ist ferner die Vorteilhaftigkeit der Auslastung bestehender Kapazitäten. Kurzfristig dürfte diese durchaus gegeben sein. Werden temporär ungenutzte Gegenstände einer Verwendung zugeführt und erhält der Sharing Geber dafür sogar eine Gegenleistung, steigt sein Nutzen aus dem Eigentum an dem Gut. Der Sharing Nehmer kann dieses Gut nutzen, ohne es selbst erwerben zu müssen. Auf kurze Sicht wirkt das Teilen somit wohlfahrtssteigernd. Langfristig kann sich dieser Effekt jedoch umdrehen. Ein höherer Auslastungsgrad führt mithin zu höheren Reparaturkosten, einem überproportionalen Verbrauch an Schmierstoffen und letztendlich zu einem früheren Ersatzzeitpunkt.31 Sinkt durch die steigende Sharing Nachfrage zudem der Absatz dauerhafter Güter, führt dies i. d. R. aufgrund sinkenden Outputs und steigender Produktionskosten zu steigenden Konsumgüterpreisen in der Standard Economy, was wiederum mit Wohlfahrtseinbußen einhergeht. Eine langfristige Vorteilhaftigkeit der steigenden Kapazitätsauslastung lässt sich demnach nicht erkennen. Ebenso muss die unterstellte Ressourcenschonung nicht in jedem Fall gegeben sein. Zwar ist durch die bessere Auslastung bestehender Kapazitäten mit positiven 29

Vgl. Fraiberger/Sundararajan, 2015, S. 7. Ähnlich Horton/Zeckhauser, 2016, S. 7. Vgl. Monopolkommission, 2016, S. 370 Tz. 1191 ff. 31 So auch Fraiberger/Sundararajan, 2015, S. 7. 30

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Effekten zu rechnen, zugleich können durch die Sharing Economy jedoch Aktivitäten ermöglicht werden, durch die das Einsparpotenzial teilweise oder ganz eingeschränkt wird.32 Beispielsweise führt eine steigende Nachfrage nach Fahrdienstleistungen zu steigendem Schadstoffausstoß, wenn insgesamt der Verkehr zunimmt. Gleichzeitig kann es zu Staus und höheren Wartezeiten kommen, die wiederum zu höheren Opportunitätskosten führen können und die Umweltbelastung zusätzlich verstärken. Ein weiterer zentraler ökonomischer Vorteil, der dem Sharing zugesprochen wird, sind die im Vergleich zu bestehenden Angeboten geringeren Preise. Die Preise umfassen dabei die Gebühren plus die zu entrichtenden Entgelte bei Nutzung eines Gutes oder Inanspruchnahme einer Dienstleistung. Aus Nutzersicht ist beispielsweise die Fahrt mit einem herkömmlichen Taxi insgesamt teurer als die Fahrt mit einem Uber-Fahrer. Gleichzeitig kommen über die Sharing Angebote neue Kapazitäten, etwa im Bereich der Personenbeförderung hinzu. Grundsätzlich ließen sich die sinkenden oder geringeren Preise hierüber erklären. Treten die Sharing Angebote zudem in Konkurrenz zu den traditionellen Angeboten, erhöht sich der Wettbewerbsdruck. Im Falle der Fahrdienstleister führen geringere Preise wiederum dazu, dass sich mehr Personen eine Fahrt erlauben können, die in dieser Hinsicht vorher nicht mobil waren. Aus Nutzersicht sind die mitunter geringeren Preise somit als Vorteil der Sharing gegenüber der Standard Economy anzusehen. Denkbar ist jedoch ein Trade-off zwischen Preis auf der einen und Qualität und Sicherheit auf der anderen Seite. So könnten die geringeren Preise Ubers z. T. aus geringeren Sicherheitsvorkehrungen etc. folgen. Die Vorteilhaftigkeit der geringeren Preise würde dadurch relativiert. In diesem Zusammenhang ist die Argumentationskette von Haucap et al. (2015) als höchst fraglich anzusehen. Diese argumentieren, die geringen Preise bei Uber seien Ausdruck der höheren Auslastung der Fahrzeuge geschuldet.33 Hierbei gibt es nicht nur erhebliche Berechnungsprobleme, wie hoch die Kostenvorteile tatsächlich sind, es ist vielmehr anzunehmen, dass die Preise für Uber-Fahrten geringer sind, weil die Kosten durch die Nichtbeachtung der Regulierung erheblich geringer sind. Die Erbringung von Taxi-Dienstleistungen unterliegt in Deutschland nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 PBefG der Genehmigungspflicht durch eine von der jeweiligen Landesregierung ermächtigte Behörde (§ 11 Abs. 1 PBefG). Genehmigungsfähig sind nur jene Anbieter, welche die Sicherheit und Leistungsfähigkeit des Betriebs, die fachliche Eignung und ihre Zuverlässigkeit nachweisen können. Die Entscheidung über die für erbrachte Beförderungsleistungen zu fordernden Entgelte obliegt den jeweiligen Landesregierungen.34 Alle nach PBefG zugelassenen Taxi-Unternehmen sind dem32 Vgl. Monopolkommission, 2016, S. 369 Tz. 1188. Ähnliche Überlegungen finden sich in Peitz/Schwalbe, 2016, S. 241, Paech, 2015, S. 103. 33 Vgl. Haucap et al., 2015, S. 30 ff. 34 Exemplarisch für Berlin vgl. hierzu Verordnung über Beförderungsentgelte im Taxenverkehr vom 06. 12. 2005, zuletzt geändert am 21. 01. 2014 (GVBl. für Berlin, 70. Jg., Nr. 3 v. 05. 02. 2014, S. 35).

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zufolge entgeltreguliert. Da Uber die erforderlichen Zulassungsvoraussetzungen nicht erfüllt und derzeit grundsätzlich keine Fahrdienstleistungen erbringen dürfte, sieht sich das Unternehmen ebenso von der Entgeltregulierung befreit und ist somit in der Lage, geringere Preise zu fordern als die traditionellen Taxi-Unternehmen. Weiterhin können die zu geringen Steuerzahlungen Ubers kosten- und letztendlich preissenkend wirken. Die aus Verbrauchersicht positiv zu bewertenden Preisvorteile gegenüber Taxen resultieren schlichtweg aus den bestehenden Wettbewerbsverzerrungen durch die Sharing Economy. Auf diesen Aspekt wird im vierten Kapitel nochmals gesondert eingegangen. Die von Uber ausgehenden positiven Wohlfahrtseffekte sind weiterhin durch einen potenziellen Trade-Off zwischen einem Mehr an Taxifahrten und einer Reduktion der Zahl an Radfahrer sowie den Nutzern von Bussen und Bahnen zu relativieren. Das Angebot von Bussen und Bahnen, wie etwa im öffentlichen Personennahverkehr, ist sehr häufig überdies staatlich subventioniert. Durch die Newcomer kann es daher auf anderen Märkten zu weiteren ökonomisch relevanten Problemen kommen. Beispielsweise führen massive Angebote von Plattformen zur Vermittlung von Ferienwohnungen und -appartments in einem geografischen Raum dazu, dass ganze Wohngebiete nur noch kurzfristig von Nicht-Ortsansässigen bewohnt werden. Dies führt sowohl zu Nutzeneinbußen hinsichtlich der Wohnqualität bei den Dauerbewohnern als auch zu einer (weiteren) Verknappung des für Dauermietverhältnisse bestehenden Wohnraums und damit weiter steigenden Immobilienpreisen. Mit Blick auf die unterstellte Flexibilität sind räumlich deutliche Unterschiede zu erkennen. Die Beurteilung fällt hier nicht immer gleich aus. Zur Verdeutlichung sei noch einmal exemplarisch auf das Taxidienstleistungsgewerbe eingegangen. Zunächst sind Taximärkte typischerweise als regional oder lokal zu beschreiben. Das liegt zentral an den Anfahrtskosten. Ein Taxiunternehmen aus München kann nicht zu den gleichen Kosten eine Fahrt innerhalb Berlins anbieten wie ein Taxiunternehmen Vor-Ort in Berlin. Ähnliches gilt für Uber-Fahrer. Auch hier bietet Uber nicht bundesweit an. Es handelt sich dementsprechend um regionale Dienstleistungen. Die absoluten und relativen Markteintritte dürften in dicht besiedelten Gebieten, wie München oder Berlin, im Vergleich zu dünn besiedelten Gebieten unterschiedlich ausfallen. Die Flexibilität dürfte sich somit nicht gleich erhöhen. Aktuell stellt Uber nur in städtischen Räumen überhaupt ein relevantes Angebot. Der Effekt in ländlichen Räumen ist eher gering. Dies gilt insbesondere durch die zeitliche Bindung einer Taxifahrt. Der Nachfrager möchte zu einem bestimmten Zeitpunkt Taxi fahren. Folglich dürfte der Flexibilitätseffekt für Ballungsräume wie Berlin nahe Null sein, da hier ohnehin ganztags eine (nahezu) ausreichende Kapazität an Taxen vorhanden ist. In ländlichen Räumen dürfte sich die Flexibilität in Abhängigkeit von der Uhrzeit ebenfalls nicht wesentlich erhöhen, da Uber seine Leistung dort bisher nur sporadisch erbringt. Bei Analyse der Funktionsweise des P2P Sharings wird die inhaltliche Nähe des Teilens über Plattformen zu den Plattformen gemäß der Theorie zweiseitiger Markt-

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plätze deutlich. Diese definieren sich über die Existenz einer Plattform, über die das Angebot von und die Nachfrage nach Gütern oder Dienstleistungen von mindestens zwei Nutzergruppen zusammengeführt werden. Beide Nutzergruppen sind dabei über zweiseitige indirekte Netzwerkeffekte miteinander verbunden.35 Netzeffekte beschreiben die Abhängigkeit des aus der Nutzung der Plattform gezogenen Nutzens von der Größe der anderen Marktseite, d. h. mit steigender Gruppengröße der einen Marktseite steigt der Nutzen in der anderen Nutzergruppe.36 Beide Marktseiten haben folglich ein Interesse an einer hohen Nutzerzahl auf der jeweils anderen Marktseite. Um erfolgreich zu sein, ist es für eine Plattform daher unerlässlich, die indirekten Netzeffekte, wenn möglich vollständig, auszuschöpfen. Dieses Verhalten ist gleichzeitig gewinnmaximierend wie wohlfahrtsoptimal. Die Verbundenheit der Marktseiten hat Auswirkungen auf die optimale Preissetzung der Plattformen. Hierbei kann die Plattform über zwei Preise bestimmen, die für die Anbieter und die für die Nachfrager. Der Preis stellt die Nutzungsgebühr für die Inanspruchnahme der Plattform dar. Entscheidend für die Preissetzung ist nicht die absolute, sondern die relative Höhe der Preise, d. h. das Verhältnis der Preise zueinander. Zur Erreichung einer hohen Nutzerzahl wird von der Gruppe, die für das Funktionieren der Plattform wichtiger ist, ein geringeres Entgelt gefordert als von der Marktseite, die einen geringeren Einfluss auf die Nachfrage der anderen Nutzergruppe hat.37 Je höher die Netzeffekte einer Gruppe sind, desto geringer fallen die von ihr zu zahlenden Preise aus. Zur optimalen Ausnutzung der Netzeffekte kann der Preis für die für das Funktionieren der Plattform unerlässliche Nutzergruppe unterhalb der Grenzkosten, Null oder gar geringer als Null sein. Die andere Nutzergruppe hingegen wird ausgebeutet und zahlt einen entsprechend (mitunter deutlich) oberhalb der Grenzkosten liegenden Preis. Obgleich die Sharing Economy bisher nur selten im Zusammenhang mit der Theorie zweiseitiger Märkte diskutiert wird, zeigen sich doch deutliche Überschneidungen. Für Uber sei dies exemplarisch dargestellt: Mit steigender Zahl der auf der Plattform Uber registrierten Fahrer steigt der Nutzen der Nachfrager nach Taxidienstleistungen, weil die Chance, einen Platz für eine Strecke zu finden, zunimmt. Gleiches gilt für die Fahrer. Auch deren Nutzen steigt, wenn die Zahl der Nachfrager auf einer Plattform zunimmt, da sich dadurch die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme der offerierten Beförderungsdienstleistung erhöht. Für die Vermittlung von Fahrgastaufträgen zahlen die Fahrer eine Provision i.H.v. 20 % an Uber. Die Informationen über verfügbare Fahrer werden den registrierten 35 Vgl. Rochet/Tirole, 2003, S. 991 f., Katz/Shapiro, 1985, S. 424, Dewenter, 2006, S. 2 f., Dewenter/Haucap, 2008, S. 3, Evans/Schmalensee, 2007, S. 154, Ellison/Fudenberg, 2012, S. 1250. 36 Vgl. Katz/Shapiro, 1985, S. 426, Katz/Shapiro, 1986, S. 822 f., Armstrong, 2006, S. 668 ff., Church/Gandal/Krause, 2008, S. 1. 37 Vgl. Wright, 2004, S. 46 f., Armstrong, 2006, S. 674, Rysman, 2009, S. 129, Evans/ Schmalensee, 2007, S. 159 f.

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Nutzern über die App zur Auswahl gestellt, wofür von ihnen keine Vermittlungsgebühr zu entrichten ist. Während Uber-Fahrer eine Gebühr entrichten müssen, zahlen Nutzer lediglich mit ihrer Aufmerksamkeit. Der stärkere Netzeffekt müsste demgemäß von den Fahrgästen ausgehen, wenn das Preissetzungsverhalten Ubers den theoretischen Überlegungen entsprechen sollte. Während sich das Angebot für Uber-Fahrer trotz Provisionszahlung solange lohnt, wie die erzielten Umsätze noch immer die Kosten der Fahrt übersteigen, besteht auf der Nachfrageseite bei Erhebung einer Vermittlungspauschale die Gefahr, die Preise anderer Fahrdienstleister oder des öffentlichen Nahverkehrs zu überschreiten und damit Abwanderungen auszulösen. Das Preissetzungsverhalten Ubers ist somit optimal im Sinne der Theorie zweiseitiger Märkte. Ebenso wie klassische Plattformen sind sie um das bestmögliche Ausnutzen der indirekten Netzeffekte und damit um Gewinnmaximierung bemüht. Auf keiner der nennenswerten Plattformen blieb zudem über einen längeren Zeitraum als zwei oder drei Jahre die Nutzung für alle Beteiligten komplett kostenfrei. Mit steigender Nutzerzahl mussten auch diese Plattformen auf die steigenden Kosten für das Betreiben ihrer Plattform durch die aufwendigere Pflege der Webseiten/Apps oder die Ausweitung bestehender Serverkapazitäten reagieren. Hinsichtlich der Preissetzung ist somit ökonomisch kein Unterschied zu Nicht-Sharing-Plattformen zu erkennen. In den USA kam es sogar zu Protesten, da Uber seine Preise an die Auslastung seiner Fahrer koppelt. Besteht eine hohe Nachfrage nach Fahrten mit Uber sind die Preise höher als bei geringer Nachfrage. Uber rechtfertigte seine Preissetzung damit, durch höhere Spitzenlastentarife mehr Fahrer zur Erbringung von Fahrdienstleistungen animieren zu können. Zudem würden die für eine Fahrt zu zahlenden Preise jeweils vor Buchung eines Fahrers von der App angezeigt.38 Aus ökonomischer Sicht ist diese dynamische Preissetzung, das sog. Surge Pricing effizient und in jedem Fall Festpreisen vorzuziehen.39 Wie sich am Beispiel Uber zeigen lässt, verhalten sich Plattformen gewinnmaximierend und auch das Angebot der Sharing Geber als solches ist zumeist nicht kostenfrei. Die Behauptung des altruistischen Teilens ohne monetären Gegenwert ist damit ins Reich der sozialromantischen Verklärung zu verbannen. Zusammenfassend deutet derzeit wenig auf einen grundlegenden durch die Sharing Economy bewirkten Wandel des Wirtschaftssystems hin. Bereits auf theoretischer Ebene zeigen sich keine konzeptionellen Unterschiede zu den Plattformen gemäß der Theorie mehrseitiger Marktplätze. Ein nicht unerheblicher Teil der Vorteile des Teilens ist demnach als nicht Sharing spezifisch zu bezeichnen. Darüber hinaus bestehen andere Vorteile lediglich bei kurzfristiger Betrachtung. Auf lange Sicht sind keine nennenswerten positiven Wohlfahrtseffekte zu erwarten, die nicht auch von Plattformen außerhalb der Sharing Economy ausgehen.

38 39

Vgl. metro.us [www]. Vgl. Monopolkommission, 2016, S. 373 f. Tz. 1207.

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IV. Regulierungsaspekte Wie im vorigen Kapitel beschrieben, ist der Markteintritt der Sharing Unternehmen nicht in jedem Fall unproblematisch. Unter den traditionellen Unternehmen kam es zu deutlichen Abwehrreaktionen.40 Gerichte reagierten auf Uber beispielsweise bisher mit einem gänzlichen Verbot des Fahrdienstleisters.41 Abwehrhaltungen gegenüber neuen Anbietern unter alteingesessenen Unternehmen sind grundsätzlich nichts Neues. Beispielsweise kamen im Telekommunikationsbereich Diskussionen auf, als sog. Over-The-Top-Unternehmen (OTT), wie Facebook, Google oder Apple mit eigenen Telekommunikationsangeboten in den Markt eintraten, die in Konkurrenz zu den Telekommunikationsunternehmen stehen. Während die alteingesessenen Unternehmen im Normalfall über eine eigene Netzinfrastruktur verfügen, greifen die OTT für ihre Dienste auf die Infrastruktur der Telekommunikationsunternehmen zurück. Im Gegenzug zur regulierten Infrastrukturebene ist die Diensteebene typischerweise kaum reguliert. Die Argumentation ist insofern ähnlich, als die OTT nicht oder kaum reguliert sind, die alteingesessenen Telekommunikationsunternehmen auf der Infrastrukturebene jedoch sehr wohl. Die OTT müssen keine Regulierung beobachten und bieten zudem lediglich die Dienste an, die profitabel sind. Die Telekommunikationsunternehmen monieren dagegen die strikte Regulierung der Infrastrukturebene mit wenig Gewinnen, die aber für die Dienste unabdingbar sind. Daraus werden Wettbewerbsnachteile der Telekommunikationsunternehmen abgeleitet. Auch hier ist der Wettbewerbsdruck durch die OTT auf der Diensteebene erheblich angestiegen, die Preise sind gesunken und die Gewinne haben sich verlagert. Institutionelle Lösungen für das Problem liegen bisher nicht vor. Im Fall der Sharing Economy geht die institutionelle Ungleichbehandlung der alteingesessenen und der neueingetretenen Unternehmen einen Schritt weiter, als sie auf der gleichen Ebene unterschiedlichen Marktzutritts- und -verhaltensregeln unterliegen. Während die Unternehmen der Standard Economy der jeweils branchenspezifischen Regulierung unterworfen werden, beanspruchen Sharing Unternehmen Regulierungsfreiheit für sich, wie in Kapitel 3 für Uber gezeigt wurde. Eine Übervorteilung scheinen die Sharing Unternehmen darin nicht zu sehen. Nachdem Uber nach dem derzeitigen Rechtsstand in Deutschland aufgrund der Nichterfüllung der Voraussetzungen des Personenbeförderungsgesetzes keine Zulassung als Taxi-Unternehmen erhalten kann, hat der US-amerikanische Fahrdienstleister sowohl versucht, eine Zuordnung zur Kategorie Mietwagen zu erreichen als auch seine Fahrpreise auf die Höhe der Betriebskosten zu senken. Einer Einordnung als Mietwagenunternehmen stand jedoch die Rückkehrpflicht entgegen. Gemäß § 49 Abs. 4 PBefG dürfen

40 Zu den am Markteintritt Ubers geäußerten Befürchtungen des traditionellen Taxigewerbes vgl. IHK [www]. 41 Vgl. LG Frankfurt vom 25. 08. 2014, Az. 2-03 O 329/14; OVG Hamburg vom 24. 09. 2014, Az. 3 BS 175/14, BVerfGE 81 vom 14. November 1989, 1 BvL 14/85, 1 BvR 1276/84, 70, 86.

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Mietwagen Aufträge ausschließlich an ihrem Betriebssitz entgegennehmen.42 Sie sind nach jeder erbrachten Fahrt zur Rückkehr zum Betriebssitz verpflichtet. Da dieser im Falle Ubers als der Standort des Servers angesehen wird, der sich in den Niederlanden befindet, ist dies ausgeschlossen.43 Eine Ausnahme von der Genehmigungspflicht besteht, wenn die geforderten Entgelte die Betriebskosten der Fahrt nicht übersteigen (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 PBefG). Zwar hatte sich Uber zwischenzeitlich bemüht, seine Fahrpreise als betriebskostendeckend darzustellen, eine Anerkennung der Anwendbarkeit der Sonderregelung konnte der Fahrdienstleister jedoch nicht erlangen. Ein Teil des Schrifttums fordert gänzliche Regulierungsfreiheit für die Sharing Economy.44 Dieser Argumentation zufolge stelle die Anwendung bestehender Regelungen auf die Sharing Unternehmen eine Gefahr für deren Existenz dar, als sie dann keinerlei Vorteile im Wettbewerb gegen die alteingesessenen Unternehmen erzielen könnten. Cannon/Summers (2015) präsentieren sogar Strategien, die Uber ebenso wie den anderen Unternehmen der Sharing Economy auch in Zukunft Regulierungsfreiheit ermöglichen sollen. Dazu zählt ein offener Umgang mit den Regulierungsbehörden, um Befürchtungen gegenüber der Sharing Economy abzubauen, von deren Vorteilen zu überzeugen und Verständnis für das Geschäftsmodell der Sharing Economy aufzubauen. Zudem sollten Sharing Unternehmen den zuständigen Behörden eigene Vorschläge zu ihrer Regulierung unterbreiten.45 Im Jahre 2014 haben elf der in Deutschland tätigen Sharing Unternehmen eine Onlinepetition für nutzerfreundliche Gesetze gestartet. Nach Ansicht dieser elf Startups, zu denen u. a. AirBnB zählt, wäre die derzeitige gesetzliche Lage in Deutschland nicht auf die Gegebenheiten der Sharing Economy angepasst. Der Versuch der kurzfristigen Schließung bestehender Regelungslücken führe zu einem unverhältnismäßig hohen Bürokratieaufwand. Als Beispiel wird die u. a. in Berlin erforderliche Genehmigung des Bezirksgerichts für die gewerbliche Wohnungsvermietung angeführt. Des Weiteren fordern sie eine Steuerfreigrenze für die aus der Sharing-Tätigkeit erzielten Einkünfte i.H.v. 5.000 E. Bis zu dieser Grenze sollen Sharing-Tätigkeiten zudem stets als nicht gewerblich angesehen werden.46 Eine Begründung, weshalb für die Unternehmen der Sharing Economy andere Regeln als für andere Startups oder generell KMU gelten sollen, führen die elf Unternehmen in ihrer Petition nicht an. In einer Genehmigungspflicht für gewerbliche Vermieter ist keine Benachteiligung der Sharing Economy gegenüber klassischen Ver42

Zur Rückkehrpflicht von Mietwagen vgl. BGH, NJW-RR 1993, 1322 (1323). Zum Schluss der Unmöglichkeit der Rückkehr zum Betriebssitz im Falle Ubers vgl. auch Wimmer/Weiß, 2015, S. 84. Die Ausführungen beziehen sich dabei ausschließlich auf UberX. Die weiteren durch Uber offerierten Dienstleistungen werden von der Untersuchung ausgenommen. 44 Vgl. Zobrist/Grammp, 2015, S. 11. Ähnlich Demary, 2015a, S. 15. 45 Vgl. Cannon/Summers 2015, S. 1 ff. 46 Vgl. Förderland [www]. 43

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mietern zu sehen. Ebenso würde eine pauschale Freigrenze für die Zurechnung zur privaten oder zur gewerblichen Sphäre eine ungerechtfertigte Bevorzugung des Sharing darstellen.47 Die (unzulängliche) Zahlung von Steuern stellt einen nicht unerheblichen Aspekt der bisherigen institutionellen Ungleichbehandlung von Unternehmen der Sharing und der Standard Economy dar. Während die traditionellen Unternehmen zur Zahlung von Steuern sowohl auf der Ebene des Unternehmens als auch auf Ebene der Angestellten verpflichtet sind, beansprucht ein Großteil der bedeutenden Sharing Unternehmen wie Uber oder AirBnB weitgehende Steuerfreiheit. Für die US-amerikanischen Märkte gehen Oei/Ring (2016) der Frage nach, inwiefern sich bestehende Steuervorschriften überhaupt auf die Sharing Economy übertragen lassen oder ob es gesonderter Vorschriften bedarf. Der Fokus ihrer Analyse liegt auf Uber und AirBnB. Ihre Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen: Prinzipiell ist das Einkommen der Fahrer von Fahrdienstleister wie Uber in die Summe der Einkünfte einzubeziehen. Anfallende Kosten können geltend gemacht werden, jedoch nur in dem Umfang, in dem sie der beruflichen Tätigkeit konkret zugeordnet werden können. Im Falle einer parallelen privaten und beruflichen Nutzung eines Kraftfahrzeuges ist dies mit einem gewissen Aufwand verbunden. Es besteht zudem die Gefahr der Nichtanerkennung bestimmter Ausgaben durch die Steuerbehörden.48 Gleiches gilt für die Sharing Hosts bei AirBnB. Alle Einkünfte sind den anderen Einkünften zuzurechnen und zu versteuern. Bei der Zurechnung der mit der Vermietung verbundenen Kosten besteht ebenso das Abgrenzungsproblem zwischen privater und Sharing Nutzung. Das US-amerikanische Steuerrecht unterscheidet zudem zwischen einer nur gelegentlichen und der regelmäßigen Vermietung mit unterschiedlichen Freistellungsmöglichkeiten.49 In jedem Fall agieren Anbieter bei Uber und bei AirBnB nicht im luftleeren Raum. Es existieren konkrete Regeln, die auf die Sharing Tätigkeit angewandt werden könnten. Aufgrund der stets erforderlichen Abgrenzung zwischen privatem und Sharing Bereich ist deren Anwendung für die Sharing Anbieter allerdings mit höherem Aufwand verbunden als bei rein gewerblichen Anbietern.50 Nach Oei/Ring (2016) haben die amerikanischen Sharing Unternehmen insbesondere im Bereich der Informationsbereitstellung gegenüber den zuständigen Behörden Verhaltensweisen zur Umgehung der Vorschriften entwickelt. Zur Auskunft über steuerpflichtige Einkünfte fordern die Steuerbehörden je nach Einkommenshöhe unterschiedliche Formulare, die mit unterschiedlichen Informationspflichten einhergehen. Ungeachtet ihrer tatsächlichen Einkünfte erhalten alle Uber-Fahrer jenes Formular, mit dem keinerlei Angaben über die für die Uber-Fahrten erhaltenen Zah47

Vgl. Monopolkommission, 2016, S. 375 Tz. 1214. Vgl. Oei/Ring, 2016, S. 22 ff. 49 Vgl. Oei/Ring, 2016, S. 25 ff. 50 Vgl. Oei/Ring, 2016, S. 32. 48

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lungen verbunden sind.51 Die Ausführungen verdeutlichen die Unzulänglichkeiten bei der Besteuerung von Sharing Unternehmen. Unterlassene Steuerzahlungen sind nicht die Folge fehlender Regelungen, sondern mangelhafter Durchsetzung existierender Gesetze. Ähnliches lässt sich für Deutschland feststellen. Relevant sind insbesondere die Einkommen-, Körperschaft-, Umsatz- und Gewerbesteuer. Keine der jeweils einschlägigen Normen sieht spezifische Ausnahmeregeln für aus Sharing Tätigkeiten erzielte Einkünfte vor. Weshalb die Anbieter der Sharing Economy nicht wie die der Standard Economy der Besteuerung unterworfen werden sollten, sobald ihre erzielten Einkünfte die jeweiligen Freigrenzen überschreiten, ist nicht ersichtlich. Die derzeit unzulängliche Durchsetzung der Gesetzesnormen begründet eine institutionelle Übervorteilung des Sharings, die, wie die bisherigen Ausführungen gezeigt haben, nicht durch wesentliche Vorteile gegenüber den traditionellen Unternehmen begründet sind. Insofern zeigen sich hinsichtlich der Besteuerung die gleichen Durchsetzungsprobleme wie mit Blick auf Regulierungsaspekte. Als eine mögliche Ursache lassen sich die noch immer vorherrschenden idealistischen Vorstellungen über den revolutionären und allheilbringenden Charakter vermuten. Die Annahme der vollständigen Neuheit der Sharing Economy führt auf politischer Ebene offenbar zu dem Schluss, es bedürfe eines gänzlich neuen Ordnungsrahmens für das Sharing. Dabei ist allerdings bereits die häufig unterstellte Entstehung neuer Märkte durch die Sharing Economy bei genauerer Betrachtung nicht haltbar.52 Zwar argumentieren einige Autoren, innerhalb der Sharing Economy würden Bedürfnisse befriedigt, die durch andere Unternehmen nicht befriedigt werden könnten. Es entstünden neue Märkte. Die Europäische Kommission konstatiert, das Aufkommen des Sharings habe neue Märkte geschaffen, zugleich würden Sharing Unternehmen ebenso in herkömmliche Märkte als Konkurrenz zu den traditionellen Unternehmen eintreten.53 Begründen ließe sich die Annahme der Entstehung neuer Märkte über die durch die Sharing Economy geschaffene Möglichkeit der lediglich temporären Nutzung dauerhafter Güter, die bisher nicht marktlich organisiert werden konnte. Folglich wären neue Märkte in Ergänzung zum bisherigen Marktsystem entstanden. Wie Dittmann/Kuchinke (2015) jedoch zeigen, lässt sich insbesondere bei den Beispielen Uber und AirBnB keine gegenüber der Standard Economy abweichende Fristigkeit der Verträge erkennen. Eine Beförderung mit Uber erfolgt ebenso zwischen den Punkten A und B wie bei einer klassischen Taxi-Fahrt. Die Strecken können in beiden Fällen beliebig lang oder kurz gewählt werden. Eine AirBnB-Übernachtung dauert wie eine Hotelübernachtung mindestens eine Nacht. In beiden Bei51

Vgl. Oei/Ring, 2016, S. 49. Zur Entstehung neuer Märkte durch die Sharing Economy vgl. Miller, 2015, S. 164, Rauch/Schleicher, 2015, S. 14 ff., Demary, 2015a, S. 14, DuPuis/Rainwater, 2015, S. 2, Zobrist/Grammp, 2015, S. 4, Schor, 2014, S. 3, Cusumano, 2015, S. 32. 53 Vgl. Europäische Kommission, 2016, S. 3. 52

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spielen unterscheidet sich die Vertragslaufzeit beim Sharing nicht von der in der Standard Economy.54 Zudem zeigt sich die Erfüllung der gleichen Bedürfnisse durch die Sharing und durch die Standard Economy. Sowohl Uber als auch Taxen erfüllen das Bedürfnis nach dem Transport von A nach B. Ebenso dient eine Übernachtung in einem klassischen Hotel dem gleichen Zweck wie eine Nacht in einer AirBnB-Unterkunft. Werden die gleichen Bedürfnisse erfüllt, handelt es sich bei den offerierten Leistungen lediglich um Substitute für bereits bestehende Güter und Dienstleistungen. Sharing Unternehmen treten demnach auf bestehenden Märkten zu alteingesessenen Unternehmen in Konkurrenz, anstatt neue Märkte zu begründen. Für die Zuordnung zu einem Markt ist die Art des Zustandekommens auf dem traditionellen Weg oder über eine Plattform ebenso wenig entscheidend wie die Frage, ob die betreffenden Güter oder Dienstleistungen verkauft oder vermietet werden. Die Entstehung neuer (regionaler) Märkte kann im Einzelfall nicht generell ausgeschlossen werden, um ein konstituierendes Merkmal handelt es sich dabei jedoch nicht. Treten Standard und Sharing Unternehmen einander auf den gleichen Märkten unter anderen Wettbewerbsbedingungen gegenüber, sind Wettbewerbsverzerrungen die Folge.55 Während dies auf politischer Ebene derzeit stillschweigende hingenommen wird, besteht aus ökonomischer Sicht weitgehend Konsens über die Notwendigkeit der Aufhebung dieser Verzerrungen. Beispielsweise führt die Regulierung zu Kosten bei Taxibetreibern für den Erwerb von Lizenzen oder die anfallenden Prüfungen. Der notwendige Erwerb von anzahlmäßig begrenzten Lizenzen stellt überdies eine Markteintrittsbarriere dar, wenn die maximale Anzahl von Lizenzen erreicht ist und keine weiteren vergeben werden. Neueintritte in den Markt werden verhindert. Der Wettbewerbsdruck ist somit geringer als möglich. Taxizentralen, Gebührenordnungen u. v. m. fördern außerdem Absprachen und Kartelle. Die Monopolkommission erkennt die bestehenden Wettbewerbsverzerrungen an. Die Sharing Unternehmen würden nicht den gleichen Regeln wie die Standard Unternehmen unterliegen oder diese ignorieren, wodurch sie zu geringeren Preisen anbieten können.56Eine pauschale Regulierung der Sharing Economy lehnt die Monopolkommission ab. Sie propagiert eine Einzelfallprüfung. Die Sharing Economy solle lediglich bei Vorliegen von Marktversagen, das nicht durch marktkonforme Lösungsansätze überwunden werden kann, reguliert werden.57 Im Falle Ubers empfiehlt die Monopolkommission die Schaffung eines Ordnungsrahmens für Fahrdienstleister außerhalb des traditionellen Taxi-Gewerbes unter zeitgleicher Reformierung der bisherigen Taxi- und Mietwagen-Regulierung, die bereits seit Jahren in der Kritik steht.58 Einheitliche Regeln für Uber und Taxen werden nicht explizit gefordert.59 54

Vgl. Dittmann/Kuchinke, 2015, S. 252. Zu diesem Schluss gelangt auch Demary, 2015b, S. 97 f. 56 Vgl. Monopolkommission, 2016, S. 371 Tz. 1197. 57 Vgl. Monopolkommission, 2016, S. 371 Tz. 1198. Ähnlich Haucap, 2015, S. 95. 58 Vgl. Monopolkommission, 2014, S. 127 Tz. 262. 55

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Theurl (2015) argumentiert, die Ausbreitung der Sharing Economy sei durch die Ausnutzung von Regelungslücken und/oder die Umgehung bestehender Regelungen beschleunigt worden. Ihr tatsächlicher Erfolg zeige sich erst, wenn diese Regeln befolgt werden müssen.60 Für einen fairen Wettbewerb sind Regeln erforderlich, die weder traditionelle noch Sharing Unternehmen institutionell bevorzugen. Konkret sollten keine gesonderten Regeln für die Sharing Unternehmen, sondern allgemeine Regeln nach Kategorien der gehandelten Güter geschaffen werden. Innerhalb dieser Kategorien sollten dann für alle Unternehmen, ungeachtet ob Sharing oder Standard Economy, die gleichen Regelungen gelten. Sollten die Sharing Unternehmen hingegen in der Lage sein, die ihnen zugesprochenen Vorteile, insbesondere den nachhaltigeren Umgang mit knappen Ressourcen, zu realisieren, sollte ihnen hierfür eine regulatorische Sonderstellung zugestanden werden. Eine gänzliche Regulierungsfreiheit lehnt Theurl indes selbst in diesem Fall ab.61 Auch Peitz/Schwalbe (2016) propagieren einen Mittelweg. Weder die gänzliche Regulierungsfreiheit noch die Ausweitung der Gesamtheit der bestehenden Regeln der Standard auf die Sharing Economy seien zielführend. Sie fordern die institutionelle Gleichbehandlung beider Parteien. Regulierungsvorschriften sollten lediglich der Korrektur von Marktversagen dienen, nicht jedoch dem Schutz der traditionellen Unternehmen vor den Sharing Unternehmen. Entsprechende Regeln seien aufzuheben.62 Einen ähnlichen Standpunkt vertritt die Europäische Kommission. Bei der Schaffung eines (gemeinsamen) institutionellen Rahmens sollen für die Standard Economy bestehende Markteintritts- und -verhaltensregeln auf ihre Erforderlichkeit überprüft werden.63 Die Kommission betont, eine mengenmäßige Beschränkung der Sharing Tätigkeit oder gar ein gänzliches Verbot, wie sie derzeit von vielen europäischen Staaten für Teile der Sharing Economy praktiziert werden, sei stets das letzte Mittel, das aktuell im Großteil der Fälle nicht gerechtfertigt ist.64 Unumgänglich ist indes die Aufhebung aller Regeln zur Übervorteilung der Sharing Economy. Zusammenfassend fällt die wettbewerbsökonomische Einschätzung der Sharing Economy recht deutlich aus. Da ein revolutionärer Charakter nicht ersichtlich ist, erscheint eine Aufhebung der derzeitigen Sonderstellung unumgänglich. Das Argument, die institutionelle Gleichbehandlung der Standard und der Sharing Economy würde eine Gefahr für die Entwicklung der Sharing Economy darstellen, ist nicht von der Hand zu weisen. Es ist plausibel anzunehmen, dass die Nutzerzahlen von AirBnB und Uber sinken, wenn deren Preise steigen, weil die Unternehmen die gleichen Vor59

Vgl. Monopolkommission, 2016, S. 389 Tz. 1267. Vgl. Theurl, 2015, S. 88. 61 Vgl. Theurl, 2016, S. 9. 62 Vgl. Peitz/Schwalbe, 2016, S. 245 f. 63 Vgl. Europäische Kommission, 2016, S. 4. Dies entspricht der aus ordnungspolitischer Sicht zu fordernden Überprüfung der Legitimation eines Staatseingriffs zur Korrektur von Marktversagen von Zeit zu Zeit. Vgl. Bögelein, 1990, S. 113. 64 Vgl. Europäische Kommission, 2016, S. 5. 60

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gaben zu erfüllen haben wie die tradierten Unternehmen. Aus wettbewerbsökonomischer Sicht lässt sich hierüber jedoch keine Sonderstellung rechtfertigen. Wie revolutionär und bestandsfähig die Sharing Economy ist, wird sich zeigen, wenn sie die gleichen Spielregeln befolgen muss wie andere Marktteilnehmer. Ein Geschäftsmodell kann nicht darauf beruhen, ausschließlich bei Umgehung gesetzlicher Regelungen erfolgreich sein zu können. Das Konzept des Teilens kann sich nur im fairen Wettbewerb mit den traditionellen Unternehmen als bestandsfähig erweisen. Sollte sie im Wettbewerb gegenüber den traditionellen Unternehmen bestehen können, kann sich dies wiederum positiv auf den Wettbewerb auf den betreffenden Märkten auswirken. Der wesentliche Nutzen der Sharing Economy besteht letztendlich darin, die Funktionsfähigkeit traditioneller Märkte und somit Deregulierungspotenziale aufzuzeigen.

V. Schlussbemerkungen Der Sharing Economy werden viele positive Eigenschaften und Effekte nachgesagt. Wie im Beitrag herausgearbeitet wurde, handelt es sich aus ökonomischer Sicht jedoch zumeist um seit langem beobachtbare Phänomene, die mit der Digitalisierung im Allgemeinen und dem Aufkommen von Internetplattformen im Speziellen zusammenhängen. Hierzu zählen z. B. die Reduktion von Informationsasymmetrien und Transaktionskosten sowie das wohlfahrtsmaximierende Ausnutzen von indirekten Netzeffekten. Die Sharing Economy spezifischen Vorteile sind bei genauerer Analyse als nicht zutreffend oder nur als eingeschränkt zutreffend zu werten. In keinem Fall kann ihnen jedoch ein revolutionärer Charakter gesprochen werden. Zudem beruhen die Vorteile für die Verbraucher, wie etwa niedrigere Preise, zentral aus der Nichtbeachtung der jeweiligen Regulierung des betrachteten Marktes. Die Unternehmen der Sharing Economy sind insbesondere in alte, tradierte Märkte, wie etwa das Taxigewerbe, eingetreten, die aufgrund regulatorischer Vorschriften durch hohe Markteintrittsbarrieren charakterisiert waren. Durch die Umgehung der Regeln konnten diese gesenkt werden. Die einfache Argumentation, die Sharing Economy habe den Wettbewerbsdruck erhöht und sei daher positiv zu bewerten, greift daher zu kurz und ist zudem vor dem Hintergrund der Gefahr der Vernachlässigung anderer für Verbraucher wichtigen Ziele, wie Sicherheit und Qualität, nicht zwangsläufig haltbar. Vielmehr führt die institutionelle Sonderstellung der Sharing Unternehmen zu deutlichen Wettbewerbsverzerrungen. Wie die Ausführungen dieses Beitrags zeigen, sind sowohl die Ignoranz der Steuergesetze als auch branchenspezifischer Regelungen nicht durch positive Wohlfahrtseffekte oder einen revolutionären Charakter der Sharing Economy zu rechtfertigen. Auf politischer Ebene sind daher zwingend Anpassungen vorzunehmen. Zwingend zu berücksichtigen ist dabei, dass die Sharing Economy keine eigene Branche darstellt. In den seltensten Fällen wird über Sharing Economy Unternehmen ein völlig neuer Markt mit einem geringen Marktvolumen, im Extremfall mit Preisen von

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Null geschaffen, die damit ökonomisch eher unkritisch sind. Zumeist stellen Sharing Angebote eine Produktdifferenzierung mit anderen Abrechnungssystemen, Bezahlmodellen, Koordinationswegen o.Ä., dar, die in Konkurrenz zu Unternehmen stehen, die vergleichbare Leistungen schon länger anbieten und am Markt bereits bestanden haben. Oftmals besteht gar kein Unterschied zu den klassischen Plattformen nach der Theorie zweiseitiger Märkte. Zusätzlich sind die nennenswerten Sharing Economy Anbieter wie Uber Global Player. Eine einheitliche Regulierung ist ökonomisch weder ratsam noch durchsetzbar. Sharing spezifische Regeln sind daher insgesamt unsinnig. Es muss vielmehr darum gehen, die Regulierung der Märkte, auf denen Sharing Economy Unternehmen tätig sind, zu analysieren und Änderungen zu erarbeiten. Dabei dürfen ideologische Gedanken einer offenkundigen Lösung nicht länger entgegenstehen. Bevor von einer Revolution ausgegangen werden kann, muss die Sharing Economy den Beweis erbringen, sich auch ohne regulatorische Sonderstellung in einem fairen Wettbewerb gegenüber der Standard Economy behaupten zu können. Literatur Armstrong, Mark, Competition in Two-Sided Markets, The RAND Journal of Economics, Vol. 37, 3/2006, S. 668 – 691. Belk, Russell, You are what you can Access: Sharing and Colaborative Consumption Online, Working Paper York University 2013. Bögelein, Margareta, Ordnungspolitische Ausnahmebereiche: Marktwirtschaftliche Legitimation und wirtschaftspolitische Konsequenzen, Wiesbaden 1990 (Zugl.: Bamberg, Univ., Diss., 1990). Cannon, Sarah/Summers, Lawrence H., How Uber and the Sharing Economy Can Win Over Regulators, in: Harvard Business Review, 2015, S. 1 – 4. Church, Jeffrey/Gandal, Neil/Krause, David, Indirect Network Effects and Adoption Externalities, Foerder Institute for Economic Research, Working Paper No. 02-30, Tel Aviv 2008. Cohen, Molly/Zehngebot, Corey, What’s Old Becomes New: Regulating the Sharing Economy, in: Boston Bar Journal, Vol. 58, 2/2014. Cusumano, Michael A., Technology Strategy and Management: How Traditional Firms Must Compete in the Sharing Economy, in: Communications of the ACM, Vol. 58, 1/2015, S. 32 – 34. Demary, Vera (2015a), Competition in the Sharing Economy, Institut der deutschen Wirtschaft, IW Policy Paper No. 19/2015, Köln 2015. – (2015b), Mehr als das Teilen unter Freunden: Was die Sharing Economy ausmacht, in: Wirtschaftsdienst, 2/2015, S. 95 – 98. Dewenter, Ralf, Two-Sided Markets, in: MedienWirtschaft, 3. Jg., 2/2006, S. 57 – 62. Dewenter, Ralf/Haucap, Justus, Wettbewerb als Aufgabe und Problem auf Medienmärkten: Fallstudien aus Sicht der „Theorie zweiseitiger Märkte“, in: Wentzel, Dirk (Hrsg.), Medien-

Sharing Economy: Digitale Revolution in der Produktion?

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Heidi Dittmann und Björn A. Kuchinke

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Sharing Economy: Digitale Revolution in der Produktion?

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Sharing Economy: Teilhabe in der modernen und digitalisierten Ökonomie – Korreferat zu Heidi Dittmann und Björn A. Kuchinke – Von Peter Schallenberg

I. Was kommt jenseits des Kapitalismus? „Der wesentliche Nutzen der Sharing Economy besteht letztendlich darin, die Funktionsfähigkeit traditioneller Märkte und somit Deregulierungspotentiale aufzuzeigen.“1 Damit ist präzis der Punkt definiert, an dem das Interesse des Sozialethikers, zumal einer christlichen Tradition zugehörig, einsetzt: Es geht um funktionierende Märkte, näherhin um Deregulierung im Dienst einer produzentenaffinen Wettbewerbsfähigkeit. Denn Sharing Economy2 meint ja im Grundsatz nichts anderes als ein gegenseitiges Bereitstellen oder Ausleihen von Gegenständen, Räumen oder Flächen. Im Hintergrund steht die Differenzierung von Besitz und Eigentum: Die jeweiligen Güter können den Besitzer wechseln und deren vorübergehende Benutzung der Güter erlauben, ohne daß damit das Eigentum wechselt. Damit ist eine neue Stufe in der dynamischen Entwicklung des traditionell gewohnten Kapitalismus erreicht, auch und gerade im Blick auf die kontinentaleuropäische Variante des Kapitalismus, die Soziale Marktwirtschaft heißt und sich dem Paradigma sozial kanalisierten Wettbewerbes und sozial verpflichtetem Eigentum verbunden weiß. Dieser Sozialen Marktwirtschaft ist eine Ökonomie des Teilens und vorübergehenden Ausleihens vom Ursprung her durchaus nicht fremd, man denke nur an die Entwicklung des genossenschaftlichen Bankwesens im franziskanisch beeinflußten Frühkapitalismus des 14. und 15. Jahrhunderts3 oder an die Entstehung frühindustrieller Produktionsgenossenschaften im 19. Jahrhundert.4 Allerdings erlebt diese geteilte und Teilhabe ermöglichende Ökonomie im Zeitalter der rasanten Digitalisierung eine erhebliche Verschärfung, die wirtschafts- und sozialethische Bedenken aufwirft: „Eine meist kritisch gesehene Begleiterscheinung des digitalen Wandels ist die Entstehung monopolartiger Unternehmen.“5 Wer garantiert den Zugang zum Markt, wenn die Gren1

Dittmann/Kuchinke, (2017), S. 27. Vgl. Haucap (2015). 3 Vgl. Schallenberg (2016), S. 93 – 119. 4 Vgl. Oermann (2014). 5 Meyer (2015), S. 8. Vgl. auch Bode/Pätzold (Hg.) (2016). 2

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zen von Eigentum und Besitz verschwimmen, wer garantiert dann und mit welchen Mitteln das Recht auf Inklusion?6 Werden auf Dauer nicht nur diejenigen Zugang zum Markt haben, die Zugang zur virtuellen und digitalisierten Welt haben? Ergibt sich dadurch eine Diskriminierung weiter Teile der Konsumenten? Werden digitale Gräben und informationsbedingte Ungleichheiten entstehen, die zur Exklusion von Marktteilnehmern führen? Offenkundig verändert der Kapitalismus sein Aussehen.7 Das Teilen von Waren und Dienstleistungen freilich ist im Blick der christlichen Sozial- und Wirtschaftsethik nichts Neues; das zeigt ein vergewissernder Blick auf die Entstehung der christlichen Sozialethik.

II. An der Wurzel der Sozialethik: Solidarität Die Sozialethik ist durchaus kein spätes Kind der jüdisch-christlichen Religionsgeschichte und ihrer Tradition, vielmehr ist der Gedanke des Teilens und der Verantwortung von Anfang an fest verknüpft mit dem Gedanken eines guten und damit – in der Sprache der Bibel – gottgefälligen Lebens. Wollte man die Geburtsstunde der christlichen Sozialethik benennen, dann könnte man an jenen berühmten (stilisierten und nicht streng historisch gemeinten) Moment der Menschheitsgeschichte erinnern, an dem der biblischen Überlieferung zufolge Gott den Kain nach dessen Mord an seinem Bruder Abel befragt: „Wo ist dein Bruder Abel?“ (Gen 4, 3 – 11). Solidarität und Barmherzigkeit finden sich hier gebündelt und werden doch verweigert in der trotzigen Antwort-Frage des Kain an Gott: „Bin ich der Hüter meines Bruders?“ Und die bekanntlich nie gegebene und nie gehörte Antwort Gottes auf die dreiste Gegenfrage des Kain wird im gesamten Alten Testament bezeugt und ausgerollt und entfaltet: Natürlich ist jeder Mensch in Solidarität und Barmherzigkeit Hüter seines Mitmenschen, gerade das unterscheidet ihn ja vom Tier, diese letzte ethische Fragestellung nicht nur nach dem Nützlichen und Richtigen und Verwertbaren, sondern nach dem Schönen und dem Guten und dem Würdigen. Ethik ist in dieser Sicht immer Sozialethik, und das heißt: Ethik ist ein ständiger Reflexionsprozeß der Verantwortung, auch und gerade in Zeiten hochdifferenzierter Technik,8 gegenüber mir selbst und meinen Mitmenschen, so daß die Goldene Regel mit dem Universalisierungsanspruch zur ersten moralischen Verdichtung eines solchen ethischen Reflexionsprozesses aufsteigen kann: Handle so, wie auch Du behandelt werden möchtest! Ethik ist ein Produkt entwickelter Zivilisation und regulierender Bändigung ungehemmter naturaler Triebe und Interessen. Das heißt zugleich: Denken vom anderen Menschen her, entschlossener Blick über den Rand des mit Glück gut gefüllten eigenen Tellers, Frage nach den Sehnsüchten und Ängsten des Mitmenschen, Rücksicht und Weitsicht und Sprung über den eigenen Schatten des bloß selbstzufriedenen Lebens. Im Neuen Testament findet sich die Frage nach der aktiven Barmherzigkeit 6

Vgl. Rifkin (2000). Vgl. Sennett (2001). 8 Vgl. klassisch Jonas (1987); neuerdings auch Nida-Rümelin (2011). 7

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dann prägnant und eindrücklich aufgegriffen in der Gerichtsrede des Matthäus-Evangeliums. Wieder ist es eine Frage des Menschen an Gott, aber diesmal nicht trotzig und vermessen, sondern angstvoll und besorgt: „Herr, wann haben wir dich hungrig oder durstig oder als Fremdling gesehen und haben dir nicht gedient?“ (Mt 25, 44). Wieder eine Frage, und Jesus von Nazareth antwortet darauf mit seinem eigenen Leben und antwortet indirekt damit und nach Jahrhunderten auch auf die uralte Frage des Kain: Jeder ist Hüter des Mitmenschen, weil Gott selbst Hüter des Menschen ist und Gott gedient wird, wenn der Mensch behütet und beschützt wird. Das genau ist ja das Neue an der christlichen Ethik: Gott wird Mensch, und dem Menschen wird fortan nur noch gerecht, wer in ihm Gottes Ebenbild sehen kann. Von nun an ist Barmherzigkeit nicht mehr nur einfach nur eine beliebige Anstandstugend, nein, jetzt ist Barmherzigkeit ein anderer Name für die notwendige Einheit von Gottesliebe und Nächstenliebe. Gott selbst, so kann man sagen, ist solidarisch geworden mit den Menschen. Jesu Kreuzestod ist der letzte Beweis und Erweis dieser Solidarität Gottes, der die Sünden der Menschen auf sich nimmt und sie überwindet und zunichte macht durch seine eigene größere Liebe, bis zum Tod am Kreuz. Von nun an ist der Mensch unwiderruflich zur Barmherzigkeit aufgefordert, die ans eigene Leben geht und sich steigert bis zur Stellvertretung, bis hin zur Bereitschaft, für einen anderen Menschen, sogar für einen fremden oder feindlich gesinnten Menschen, leiden oder sogar sterben zu können. Im Grunde dient der Gottesgedanke und die geglaubte Offenbarung Gottes nur der Verschärfung des universalethischen Anspruchs von Solidarität und Barmherzigkeit: Jeder Mensch hat einen beständigen und unwandelbaren Hüter, den die Menschen Gott nennen, es ist ein und derselbe Gott aller Menschen, und daraus erwächst sowohl die grundsätzliche Pflicht zur Solidarität und Nächstenliebe wie auch die Gewißheit von der Vorläufigkeit aller Besitzansprüche und aller Eigentumsrechte: Eigentum verpflichtet zur Fürsorge und zur Solidarität; Besitz ruft nach Teilhabe und Teilen im Dienst an der Besserstellung eines jeden Menschen.

III. Entfaltung in der Subsidiarität Solche Barmherzigkeit buchstabiert sich im Sozialstaat aus als Solidarität oder anders: Die private Tugend und die bedingungslose Zuwendung des barmherzigen Samariters wird überführt in sozialstaatliche Solidarität, und dies in der Form der Subsidiarität, also in der staatlich gewährleisteten Hilfe zur Selbsthilfe. Nicht der Staat hat mithin Rechte, sondern die menschliche Person, und nur von ihren Rechten her leitet sich das Recht des Staates ab, und insbesondere seine Pflicht: Förderung jeder Person und Kanalisierung der divergierenden Eigeninteressen im Dienst am Gemeinwohl und an der sozialen Gerechtigkeit. Die Solidargemeinschaft des Staates ermutigt und ermuntert, daß Stärkere für Schwächere eintreten, nicht unbedingt und zwingend aus Wohlwollen oder gar Nächstenliebe, sondern schlicht aus gut verstandenem Eigeninteresse. Adam Smith läßt unverdächtig und milde grüßen: „Nicht vom

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Wohlwollen des Metzgers, Brauers und Bäckers erwarten wir das, was wir zum Leben brauchen, sondern davon, daß sie ihre eigenen Interessen wahrnehmen.“9 Aber eben doch: Am Anfang der Sozialen Marktwirtschaft steht nicht, wie beim adjektivlosen Kapitalismus angelsächsischer Prägung und in der kalten Spur des Utilitarismus10 in der Nachgeschichte des Adam Smith, der pure Wettbewerb und die Leistung, sondern die schlichte Erkenntnis: Der Mensch ist ein soziales Lebewesen, angewiesen von der Wiege bis zur Bahre auf den Mitmenschen, und jede politische und wirtschaftliche Ordnung hat auf diese soziale Personalität des Menschen Rücksicht zu nehmen. Der Sozialstaat als Rechtsstaat ist dann die logische Konsequenz aus der christlichen Überzeugung von gleicher Würde und gleichen Grundrechten einer jeden Person. Sozialstaatliche Solidarität fängt im Herzen und im Denken eines jeden mündigen Staatsbürgers an und setzt sich konsequent fort in der Ethik eines Rechtsstaates, der die Würde des Menschen nicht einfach den Gesetzen des freien Marktes unterwirft. Solidarität erst schafft ein solides Fundament der Staatsordnung, aber Solidarität hat zugleich für den Christen auch eine sehr solide Begründung: Gott wurde Mensch und entzieht damit jeden Menschen der alltäglichen Verwertbarkeit und fordert die alltägliche Tat der Solidarität. Der Kern des Christentums ist praktizierte Nächstenliebe. Aber das Christentum ist doch kein Internationales Rotes Kreuz mit spirituellem Sahnehäubchen. Das Christentum ist auch kein religiös verbrämtes Weltverbesserungsinstitut, und es ist im Grunde überhaupt keine Ethik und lehrt nicht in erster Linie eine bestimmte Moral. Das Christentum ist im Kern eine Überzeugung, aus der dann ein entsprechendes Leben und Handeln erwächst: Überzeugung von der Ewigkeit der Liebe Gottes und der Vorläufigkeit der Erde und der Endgültigkeit des Himmels – falls dieser märchenhafte Ausdruck für Gottes Wirklichkeit gestattet sei. Und der christliche Glaube weiß um die begrenzten Kräfte des Menschen in Politik und Privatleben und mißtraut daher jedem politischen Versuch, auf der Erde das vermeintliche Paradies des Menschen zu errichten. Politik nämlich ist die Kunst des Machbaren unter den widrigen Bedingungen von Raum und Zeit, nicht die Kunst des Wünschbaren. Sie stellt eine ethische Rahmenordnung und einen Datenkranz bereit, innerhalb derer sich Wettbewerb und Produktion und das berechtigte Interesse11 von Menschen entfalten sollen, immer auf der Grundlage der Person und ihres geschützten Eigentums und ihrer Leistungsbereitschaft. In dieser Sicht ist die Soziale Marktwirtschaft in der Tat ein dritter Weg zwischen Kollektivismus auf der einen und Liberalismus auf der anderen Seite. Und das Instrument des Kapitalismus ist nur insoweit und nur solange gut und hilfreich, als es innerhalb einer politischen und wirtschaftlichen Ordnung dem Wohl eines jeden Menschen dient. Dem dient auch jede Form der Regulierung des Wettbewerbs innerhalb einer marktwirtschaftlichen Ordnung.

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Vgl. Smith (2003). Vgl. zum Hintergrund Höffe (2008). 11 Vgl. Hoerster (2003). 10

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IV. Deregulierung im Dienst am Konsumenten? Solidarität und Subsidiarität werden im Zeitalter der digitalisierten Transformation der Wirtschaft und der Gesellschaft12 neu definiert, auch der scheinbar statische Unterschied von Produzenten und Konsumenten löst sich auf: „Die Marktwirtschaft des 21. Jahrhunderts wird nicht nur globaler, sondern vor allem digitaler, was eine Beschleunigung der Transaktionen und eine Senkung von Transaktionskosten nach sich ziehen dürfte, vielleicht aber auch eine massive Reduktion von Arbeitsplätzen, wie manche meinen. Unternehmer wie Volkswirtschaften entwickeln durch ihre digitale Vernetzung ganz neue Geschäftsmodelle, indem sie sich Ressourcen effizienter und damit im Ergebnis zu einem niedrigen Preis teilen. Ein Beispiel dafür wäre die immer beliebter werdende share economy, in der Konsumenten zu „Prosumenten“ werden, also Produzenten, die gleichzeitig als Konsumenten subsidiär immer mehr Güter und Dienstleistungen selbst produzieren und digital zum Tausch oder Kauf anbieten.“13 Zu Recht wird von wirtschaftsethischer Seite nach dem nachhaltigen und langfristigen Nutzen der neuen Sharing Economy gefragt, die, wie gezeigt, dem Grundansatz und den Grundgedanken einer christlich inspirierten Sozialen Marktwirtschaft durchaus entspricht. Wenn die Vorteile für die Konsumenten nur aus der Umgehung von Regulierungen resultieren, dann ergeben sich zwingend und logisch zwei Fragen: Entweder die bisherigen Regulierungen erweisen sich als antiquiert und obsolet; dies könnte etwa im Bereich von Uber und Airbnb der Fall sein. Ein Aufbrechen weitestgehend verkrusteter Wettbewerbsstrukturen im Taxigewerbe oder im Übernachtungsgewerbe könnte durchaus im Interesse der Konsumenten sein, sofern allerdings Rechte der Arbeitnehmer auf geregelte Arbeitszeiten und Mindestlöhne und damit der Schutz vor klandestiner Ausbeutung von Beschäftigen gewahrt bleibt. Hier ist das klassische Feld der Regulierungen des Arbeitsmarktes und des sozialstaatlichen Gesetzgebers betreten: Das Interesse der Konsumenten muß vom Gesetzgeber mit dem Interesse der Beschäftigten vermittelt und in Ausgleich gebracht werden. Auf der anderen Seite kann daher auch die zweite Frage gestellt werden, ob nämlich Regulierungen zugunsten schwächerer Marktteilnehmer aufrechterhalten werden müssen zu Ungunsten der Konsumenten und um der Würde der Beschäftigten willen oder auch um nachhaltiger ökologischer Ziele willen. Das Interesse der digitalisiert vernetzten Konsumenten ist nur ein Interesse im Markt und muß von der vermeintlich unsichtbaren Hand des regulierenden staatlichen Gesetzgebers mit einer Vielzahl anderer Interessen, auch der nachfolgenden und noch nicht geborenen Generationen vermittelt werden. Führt „eine institutionelle Sonderstellung der Sharing Unternehmen zu deutlichen Wettbewerbsverzerrungen“14, dann ist der Gesetzgeber aufgerufen, einen gerechten Wettbewerb wiederherzustellen. Sharing Unternehmen müssen prinzipiell der gleichen Regulierung unterliegen wie alle anderen Unternehmen auch, ohne freilich deswegen verborgenen Kar12

Vgl. Rusche (2017). Oermann (2015), S. 116. 14 Dittmann/Kuchinke (2017), S. 27

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tellen im Markt unscheinbare, aber auf Dauer wettbewerbsschädigende Vorteile zu gewähren. Deregulierung und Transparenz des Wettbewerbs sind im Rahmen der Sozialen Marktwirtschaft hohe Güter;15 dies ist ein primäres Anliegen der Institutionenethik und der ordoliberalen Wirtschaftsethik.16 „Die Rahmenbedingungen eines freien Marktes, wie Adam Smith ihn kannte, werden sich im 21. Jahrhundert, durch den technischen Fortschritt erheblich ändern. Gerade in Zeiten von Finanzkrisen und digitalem Wandel aber wird auch Wirtschaftsethik weder obsolet noch unterkomplex.“17 Eine christlich inspirierte Sozial- und Wirtschaftsethik wird zuletzt auch in globaler Perspektive immer den Blick auf den Weltbürger und das Recht auf Teilhabe am entwickelten Leben eines jeden Menschen auf dieser Welt richten. Und das heißt dann mit Blick auf die neuen digitalen Möglichkeiten einer share economy: „Was etwa ist mit all jenen Armen in developing economies, die zu diesen Technologien und Entwicklungen keinen Zugang haben?“18 Literatur Bode, Alexander/Pätzold, Martin (Hrsg.) (2016): Wirtschaftswunder 4.0. Wie Unternehmen und Politik den Weg ins digitale Zeitalter meistern, Freiburg/Br. Di Fabio, Udo/Oermann, Nils Ole (2011): Was schulden wir einander? Berlin. Dittmann, Heidi/Kuchinke, Björn A. (2017): Sharing Economy. Digitale Revolution in der Produktion und im Konsum?, in diesem Band. Haucap, Justus (2015): Ökonomie des Teilens – nachhaltig und innovativ? Die Chancen der Sharing Economy und ihre möglichen Risiken und Nebenwirkungen, Düsseldorf (Ordnungspolitische Perspektiven Nr. 69). Hoerster, Norbert (2003): Ethik und Interesse, Stuttgart. Höffe, Otfried (2008): Einführung in die utilitaristische Ethik, Tübingen. Homann, Karl/Lütge, Christoph (2004): Einführung in die Wirtschaftsethik, Münster. Jonas, Hans (1987): Das Prinzip Verantwortung. Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation, Frankfurt/M. Meyer, Matthias (2015): Die Digitalisierung als sozialethische Herausforderung. Köln (Kirche und Gesellschaft Nr. 424). Müller-Armack, Alfred (1981): Genealogie der sozialen Marktwirtschaft, Bern/Stuttgart. Nida-Rümelin, Julian (2011): Verantwortung, Stuttgart. Oermann, Nils Ole (2014): Anständig Geld verdienen? Eine protestantische Wirtschaftsethik, Freiburg/Br. – (2015): Wirtschaftsethik. Vom freien Markt bis zur Share Economy, München. 15

Vgl. Müller-Armack (1981). Vgl. Homann/Lütge (2004). 17 Oermann (2015), S. 118. 18 Ebd., S. 119. Vgl. auch zum Hintergrund Di Fabio/Oermann (2011). 16

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Plädoyer für eine angemessene Regulierung der Sharing Economy – Korreferat zu Heidi Dittmann und Björn A. Kuchinke – Von Alexander Spermann Die Digitalisierung ist derzeit in aller Munde – in Unternehmen, in Haushalten und in den Medien. Wer sich mit der Digitalisierung beschäftigt, lernt täglich neue Begriffe und neue technische Möglichkeiten kennen. Im Vergleich zu den achtziger Jahren, einer Welt ohne Internet und ohne Smartphones, ist das Tempo der technischen Entwicklungen gigantisch. Die neuen Geschäftsmodelle, die sich aus der Kombination von mobilem Internet und Apps ergeben, die Fortschritte bei der künstlichen Intelligenz, die rasante Fortentwicklung beim 3D-Druck, die Möglichkeiten erweiterter und virtueller Realität, die Emotionalisierung humanoider Roboter und Blockchain – das sind nur einige der beeindruckenden Entwicklungen in den letzten Jahren. Die kontroverse Diskussion um die Sharing Economy bezieht sich auf die als Plattformen gegründeten, profitorientierten Peer-to-Peer Unternehmen wie Uber und Airbnb. Viel dieser Unternehmen wurden in den USA gegründet, um ökonomische Probleme in einer Zeit der Wirtschaftskrise durch Teilen von Eigentum zu lösen. So wollen zum Beispiel Uber das Problem der Unterversorgung mit Taxis und Airbnb das Problem der Unterversorgung mit bezahlbarem Wohnraum in Ballungsgebieten lösen. Über die Plattformen können PKW-Besitzer potentielle Fahrgäste finden und gegen Entgelt transportieren, und Wohnungsbesitzer können potentielle Übernachtungsgäste finden und kurzzeitig vermieten. Die Dienstleistungen Kurztransporte und Kurzzeitvermietungen ermöglichen Auto- und Hausbesitzern Einkommen für den täglichen Bedarf oder für Urlaubsreisen zu erzielen. Die Plattformen bringen Anbieter und Nachfrager per App zu geringen Transaktionskosten zusammen, sind prozentual am Umsatz beteiligt und müssen weder Autos noch Immobilien anschaffen, um ihr Geschäftsmodell zu betreiben. Rifkin (2014) machte den Begriff der „Null-Grenzkosten-Gesellschaft“ im Zusammenhang mit der Sharing Economy populär. Zusätzliche Nutzer der Apps bringen zusätzlichen Umsatz, jedoch keine zusätzlichen Kosten. Damit steigt der Wert der Plattformen mit jedem zusätzlichen Nutzer. So ergaben sich innerhalb kurzer Zeit Marktbewertungen, die die Marktkapitalisierung weltweit agierender Konzerne teilweise übersteigen.

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Alexander Spermann

Die Sharing-Modelle haben sich auch deshalb so schnell entwickelt, weil sich die Präferenzen der Menschen während der Wirtschafts- und Finanzkrise veränderten. Konsumenten bezahlen für die Nutzung und ziehen keinen Nutzen aus dem Besitz. Man will Autos zur Beförderung und Wohnungen zur Übernachtung nutzen, aber nicht unbedingt besitzen. Neuere Unternehmen der Sharing Economy zielen auf das Teilen von Luxusgütern und bieten zum Beispiel Helikopter-Flüge oder Luxusyachten-Fahrten als buchbare Dienstleistungen über Plattformen an. In ihrem Beitrag stellen Dittmann/Kuchinke im Wesentlichen drei Thesen auf: *

These 1 Sharing Economy ist nichts Revolutionäres, nichts fundamental Neues. Stattdessen „handelt es sich aus ökonomischer Sicht jedoch zumeist um seit langem beobachtbare Phänomene, die mit der Digitalisierung im Allgemeinen und dem Aufkommen von Internetplattformen im Speziellen zusammenhängen.“

Innovationen, die eine völlig neue Dimension der Produktion oder des Konsums ermöglichen, sind sicherlich selten. War das im Jahr 2007 erstmals präsentierte iPhone nichts Revolutionäres, nichts fundamental Neues? Auf den ersten Blick war es, wie es der Microsoft CEO Steve Ballmer formulierte, nur ein Telefon zum Herumtragen, das keiner wirklich braucht. Auf den zweiten Blick war es ein dematerialisiertes (Software statt Tasten), aber überteuerten Blackberry, das wenig nachgefragt werden wird. Doch in den letzten zehn Jahren sind über eine Milliarde iPhones verkauft worden (FAZ v. 28. 6. 2017), der Microsoft CEO hat nach eigener Einschätzung den Trend zum mobilen Internet falsch eingeschätzt und BlackberrySmartphones spielen mit einem Marktanteil von 0,0 Prozent (208.000 verkaufte Geräte im Jahr 2016) keine Rolle mehr. Sind die führenden Unternehmen der Sharing Economy – Uber und Airbnb – nichts Revolutionäres, nichts fundamental Neues? Auf den ersten Blick ist Uber nur eine App, die die Taxibestellung und -bezahlung erleichtert. Auf den ersten Blick ist Airbnb nur eine weitere App, die Übernachtungsmöglichkeiten in Städten vermittelt. Aber weshalb haben dann diese beiden Unternehmen Milliarden an Risikokapital erhalten? Diese Geschäftsmodelle setzen auf Skalierbarkeit, weltweiten roll-out in wenigen Jahren, geringe Kapitalintensität (Low Capex) und damit hohe Marktkapitalisierung. Sie haben das Potential durch Regulierung geschützte Bereiche zu revolutionieren, bestehende geschützte Märkte aufzubrechen. Voraussetzung für diese disruptiven Geschäftsmodelle der Sharing Economy waren mobiles Internet und Apps sowie sichere Bezahlsysteme. Zwar gibt es weiterhin Taxis und Hotels, doch die Unternehmen in diesen Branchen mussten ihre Geschäftsmodelle unter dem Druck der neuen Wettbewerber anpassen. *

These 2 Die institutionelle Sonderstellung der Sharing Unternehmen führt zu deutlichen Wettbewerbsverzerrungen. Eine Aufhebung der derzeitigen Sonderstellungen er-

Plädoyer für eine angemessene Regulierung der Sharing Economy

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scheint unumgänglich. Ein Geschäftsmodell kann nicht darauf beruhen, ausschließlich bei Umgehung gesetzlicher Regelungen erfolgreich sein zu können. Diese These unterstellt, dass Unternehmen wie Uber und Airbnb gesetzliche Regelungen umgehen – und nur deshalb erfolgreich sind. Würden die gleichen Regulierungen für Uber-Taxis gelten wie für reguläre Taxis und die gleichen Regulierungen für Airbnb-Unterkünfte wie für Hotels, dann gäbe es tatsächlich kein oder fast kein Geschäftsfeld für diese beiden Unternehmen der Sharing Economy. Das liegt jedoch daran, dass die bestehenden Regulierungen den Markteintritt von neuen Unternehmen mit einem neuen Geschäftsmodell verunmöglichen oder zumindest erheblich behindern. Das Beispiel Uber: Die Geschäftsidee von Uber ist es, Beförderungen von Passagieren durch private PKW-Besitzer zu vermitteln. Das ist vergleichbar dem Geschäftsmodell von Mitfahrzentralen, nur das das Matching von Fahrern und Passagieren über eine App organisiert ist. Die Transaktionskosten sind dadurch wesentlich geringer, und die bargeldlosen Bezahlsysteme sind unkompliziert und sicher. Eine Sonderstellung von Mitfahrzentralen gegenüber dem Taxigewerbe wurde jedoch in der Vergangenheit nicht zu einem öffentlichen Thema gemacht. Ganz anders bei Uber: Das ursprüngliche Kerngeschäft UberPop wurde nach entsprechenden Klagen gerichtlich verboten, weil es gegen das Personenbeförderungsgesetz (PBefG) und die Verordnung über den Betrieb von Kraftfahrunternehmen im Personenverkehr (BOKraft) verstößt. Heute ist lediglich die folgende, analog zum Taxigewerbe regulierte Deutschland-Variante UberX möglich. Auf der Homepage des Unternehmens (www.uberxgermany.com) heißt es: „Uber vermittelt deine Fahrtanfrage ausschließlich an einen konzessionierten Beförderungsunternehmer. Alle eingesetzten Fahrzeuge erfüllen die Anforderungen des PBefG und der BOKraft. Alle Fahrer haben einen Personenbeförderungsschein. Jede Fahrt ist durch die KFZ-Haftpflichtversicherung des Beförderungsunternehmers versichert. Die Versicherungssumme ist durch das deutsche Pflichtversicherungsgesetz festgeschrieben und wird von der individuellen Versicherung deines Beförderungsunternehmens erfüllt. Damit bist du vom Zeitpunkt des Einsteigens bis zum Ende der Fahrt 100 % abgesichert. Auch die Sicherheit der jeweiligen Fahrer ist wichtig: Bargeldlose Transaktionen sorgen für mehr Sicherheit. Ein gegenseitiges Bewertungssystem gewährt maximale Transparenz und einen respektvollen Umgang auf beiden Seiten“. Durch die Anwendung der bestehenden Regulierung auf den neuen Wettbewerber wurde das innovative Geschäftsmodell von Uber de facto verboten. UberXGermany ist jetzt lediglich ein weiteres Taxi-Unternehmen – mit dem weltweit erfolgreichen Geschäftsmodell von Uber hat es fast nichts mehr zu tun. Das Beispiel Airbnb: Die Geschäftsidee von Airbnb ist es, dass Privatpersonen Gästen einen Teil oder die gesamte Wohnung auf Zeit zur Verfügung stellen. Das ist vergleichbar der temporären Untervermietung von Zimmern in Wohngemeinschaften für die Zeit eines Urlaubs oder Auslandssemesters, nur das das Matching zwischen Anbieter und Nachfrager über eine App organisiert ist. Die Vermietung

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von Ferienwohnungen ist ebenfalls vergleichbar. Eine Sonderstellung von Wohngemeinschaften und Ferienwohnungen gegenüber dem Hotelgewerbe war lange Zeit kein öffentlich intensiv diskutiertes Thema. Das änderte sich als Airbnb auf den deutschen Markt kam: Das ursprüngliche Kerngeschäft wurde nach entsprechender Lobbyarbeit der Hotelbranche in Deutschland reguliert. Die juristischen Instrumente für Einschränkungen sind die Zweckentfremdungsverbotsgesetze der Länder und die lokalen Zweckentfremdungsverbotsgesetzverordnungen – mit der Konsequenz, dass Airbnb in Deutschland nicht in dem Umfang wachsen kann wie das in anderen Ländern (z. B. Frankreich) zu beobachten ist. Im Gegensatz zu Uber ist Airbnb zu Kompromissen bei der lokalen und nationalen Ausgestaltung seines Geschäftsmodells bereit. Somit wurde offensichtlich eine Regulierung gefunden, die sowohl den Interessen von Vermietern und Gästen als auch von Kommunal- und Landespolitik entgegenkommt. Jedenfalls ist Airbnb weiterhin am Markt präsent, wenn auch mit einer geringeren Anzahl an Angeboten. Hätte man jedoch die Regulierung der Hotelbranche – analog zum Taxigewerbe – vollständig auf Airbnb übertragen, wäre auch dieses innovative Geschäftsmodell de facto verboten. Die Vorschriften zu Brandschutz, Sicherheit und Hygiene sind für Hotels wegen der großen Bettenzahl aus guten Gründen umfangreich. Müssten Besitzer von Privatwohnungen bei Kurzzeitvermietungen vergleichbare Vorschriften wie Hotels beachten, würden viele sicherlich ihre Wohnung nicht über eine Plattform anbieten. Der Markt für Kurzzeitvermietungen würde erst gar nicht entstehen. Fakt ist jedoch, dass bei der derzeitigen Rechtslage für kleinere Anbieter die Sicherheitsvorschriften des allgemeinen Bauordnungsrechts gelten – und nicht die wegen der größeren Bettenzahl strengeren Sonderregelungen für Hotels1. Daher ist eine Sonderregelung zugunsten von Airbnb nicht erkennbar. *

These 3 Der wesentliche Nutzen der Sharing Economy besteht letztendlich darin, die Funktionsfähigkeit traditioneller Märkte und somit Deregulierungspotenziale aufzuzeigen.

Die Deregulierungspotenziale im traditionellen Taximarkt werden regelmäßig von der Monopolkommission aufgezeigt. Im Hauptgutachten 2016 befasst sich die Kommission auch explizit mit der Sharing Economy. Darin heißt es für den Taximarkt, dass qualitative Mindestanforderungen für die Fahrer und Fahrzeuge sowie ein ausreichender Versicherungsschutz gewährleistet sein müssen (was jetzt auch der Fall ist). Zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen sollten jedoch auch bestehende Regulierungen des Taxi- und Mietwagengewerbes angepasst werden. Damit sind insbesondere die beschränkte Vergabe von Konzessionen und die behördliche Festlegung von Tarifen, aber auch Ortskenntnisprüfungen im Zeitalter von Navigationssystemen gemeint. Die Diskussion um Uber hat bisher keinen Effekt auf die be1

Vgl. Monopolkommission 2016, S. 400.

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stehende Regulierung, die die derzeitigen Marktteilnehmer vor Wettbewerbern schützt. Es ging lediglich um die Regulierung des zugegebenermaßen aggressiven Angreifers. Bei der kurzzeitigen Vermietung von Privatunterkünften spricht sich die Monopolkommission gegen Pauschalverbote aus. Im Hauptgutachten 2016 heißt es, dass „die nur gelegentliche Kurzzeitvermietung von Privatunterkünften in der Regel eine nicht-gewerbliche Tätigkeit darstellen dürfte“2. Um Einzelfallprüfungen zu minimieren und Rechtssicherheit für die Anbieter herzustellen, sollten Bagatellgrenzen bzw. Schwellenwerte eingeführt werden, bis zu deren Überschreitung Privatpersonen die gelegentliche Kurzzeitvermietung pauschal erlaubt ist. So könnten Obergrenzen für die Zahl der Vermietungstage festgelegt werden, wie das bereits in Amsterdam und London der Fall ist. Auch könnte eine Betreiberregistrierung eingeführt werden (wie in San Francisco), um das Unterlaufen der Bagatellgrenze durch Anmeldung bei verschiedenen Plattformen (Multihoming) auszuschließen. Die Einkünfte aus Vermietung sollten versteuert werden und anfallende lokale Tourismussteuern und -abgaben abgeführt werden. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass allen drei Thesen weitgehend widersprochen werden muss: Ob die Sharing Economy revolutionär ist, werden Historiker entscheiden. Die Geschäftsmodelle der Sharing Economy sind jedenfalls insofern neu, als dass sie skalierbar sind und dank Milliarden an Risikokapital innerhalb weniger Jahre weltweit ausgerollt werden können. Damit treffen sie in jedem Land auf bestehende Regulierungen. In Deutschland sind die bestehenden Regulierungen im Taxigewerbe teilweise wettbewerbsfeindlich – und schützen die derzeitigen Marktteilnehmer vor neuen Marktteilnehmern. Für das Beherbergungsgewerbe gelten nach Betriebsgröße und Bettenzahl differenzierte Regulierungen. Eine Sonderregelung für neue Wettbewerber ist nicht erkennbar. Das Auftreten des mit Blick auf Regulierungen aggressiven Unternehmens Uber und des kompromissbereiten Airbnb hat bis heute zu keiner Deregulierung der beiden Branchen geführt. Ganz im Gegenteil: Bestehende Regulierungen wurden auf die neuen Wettbewerber angewendet – mit der Konsequenz, dass das weltweit erfolgreiche Geschäftsmodell von Uber in Deutschland nicht existiert. Potentielle Einkommens- und Beschäftigungschancen werden somit nicht genutzt, und Verbesserungen der Personenbeförderung werden verhindert. Die Regulierung von Airbnb hat nach der derzeitigen Sachlage nicht zu einer Zerstörung des Geschäftsmodells geführt, sondern eine Modifikation erzwungen. Doch von einer angemessenen Regulierung ist man noch weit entfernt. So fehlen z. B. noch Bagatellgrenzen bzw. Schwellenwerte für die Zahl der Vermietungstage je Jahr, um private und gewerbliche Kurzzeitvermietung klar zu trennen. Auch eine Obergrenze für die Zahl der von einem Vermieter angebotenen Appartements erscheint sinnvoll, um einer Umwandlung von günstigen Mietwohnungen in zentralen Lagen in Airbnb2

Monopolkommission 2016, S. 399

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Wohnungen zu verhindern (sog. Airbnbing). Ergänzend ist ein Betreiberregister sinnvoll, um die Aushöhlung von Bagatellgrenzen zu verhindern. Zur Klarstellung: Der Autor vertritt nicht die Position, dass die neuen Geschäftsmodelle völlig unreguliert in Deutschland umgesetzt werden sollten. Selbstverständlich muss das Angebot an Personenbeförderung und Beherbergung gewissen Mindeststandards entsprechen. Doch es geht um eine angemesse Regulierung, die die Einkommenserzielungsmöglichkeiten von teilungswilligen Besitzern sowie zusätzliche Konsummöglichkeiten nicht zerstören. Dazu bieten die Vorschläge der Monopolkommission konkrete Anhaltspunkte. Schließlich ist vor der im Beitrag von Dittmann/Kuchinke verwendeten Argumentationskette zu warnen. So heißt es, dass fairer Wettbewerb nur existiere, wenn sich die Sharing Economy den gleichen Regulierungen unterwirft wie die Standard Economy. Dieses Argument ist ein Totschlagargument gegen Innovationen, das sowohl vom Taxi- als auch vom Beherbergungsgewerbe regelmäßig in die Diskussion gebracht wird. So kann nichts Neues in Deutschland entstehen. Mit Blick auf die Politik heißt das: Wenn Wirtschaftspolitik auf Verhinderung von Neuem in der Praxis und lediglich bei Sonntagsreden auf die Gründernation Deutschland setzt, dann werden zukünftig weiterhin Innovationen in der Sharing Economy außerhalb von Deutschland stattfinden. Die Frage ist: Wollen wir das? Literatur Dittmann, Heidi/Kuchinke, Björn A. (2017): Sharing Economy: Digitale Revolution in der Produktion und im Konsum? in: Aufderheide, Detlef u. Martin Dabrowski (Hg.), Digitale Wirtschaft und Sharing Economy, Volkswirtschaftliche Schriften, Duncker & Humblot, Berlin, in diesem Band. Eichhorst, Werner/Spermann, Alexander (2015): Sharing Economy – Chancen, Risiken und Gestaltungsoptionen für den Arbeitsmarkt, IZA Research Report No. 69 – (2016): Sharing Economy: Mehr Chancen als Risiken? (jointly with Werner Eichhorst), Wirtschaftsdienst, 96, 433 – 439 Monopolkommission (2016): Hauptgutachten 2016, Einundzwanzigstes Hauptgutachten der Monopolkommission gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 GWB, Nomos, Baden-Baden. Rifkin, Jeremy (2014): Die Null-Grenzkosten-Gesellschaft, Campus, Frankfurt/New York.

Crowdfinance – Strukturen und Regulierung Von Rüdiger Wilhelmi

I. Einleitung Nach dem Motto „Kleinvieh macht auch Mist“ werden bei der Crowd- bzw. Schwarmfinanzierung eine Vielzahl von kleinen Beträgen von einer Vielzahl von Einzelpersonen, der Crowd bzw. dem Schwarm, eingesammelt, um Projekte zu finanzieren. Das Phänomen an sich ist nicht neu. So ist ein beliebtes Beispiel die Finanzierung des Sockels der Freiheitsstatue von New York durch eine Vielzahl von Einzelpersonen nach einem Aufruf des Publizisten Joseph Pulitzer.1 Neu ist hingegen, dass die Finanzierung über das Internet erfolgt,2 sodass ein erheblich weiterer Personenkreis kostengünstig angesprochen werden kann. Ähnlich hat es auch bisher schon die Finanzierung durch die Gewährung von Fremdkapital oder eigenkapitalähnlichen Instrumenten gegeben, die aber heute durch die Verwendung von Internetplattformen deutlich leichter geworden ist. Gerade die Kredit- und anteilsbasierten Dienste stehen im Wettbewerb mit herkömmlichen Finanzdienstleistungen und Finanzdienstleistern.3 Sie sind daher Gegenstand der folgenden Überlegungen über die Strukturen und Regulierung der Crowd- oder Schwarmfinanzierung. Dabei wird der Frage nachgegangen, wie die Crowdfinanzierung rechtstatsächlich ausgestaltet und konstruiert wird und wie diese Ausgestaltung und ihre Regulierung in das System und die Entwicklung der Bank- und Kapitalmarktregulierung passt. Da angenommen wird, dass ein Merkmal der Sharing Economy der Wandel des Konsumenten zum Nutzer ist,4 konzentrieren sich die Überlegungen dabei vor allem auf den Anlegerschutz als Ziel der Regulierung und weniger auf den Funktionsschutz und die Finanzstabilität. Nach einer kurzen Klärung des Begriffs und der Arten der Crowd- oder Schwarmfinanzierung geht es im Folgenden zunächst um die heute übliche rechtliche Konstruktion der Crowd- oder Schwarmfinanzierung. Anschließend wird die Regulierung der Crowd- oder Schwarmfinanzierung behandelt. Dabei geht es zunächst darum, inwieweit ein Bankgeschäft oder eine Finanz- oder Wertpapierdienstleistung 1

Veith (2016), S. 185. Uffmann (2016), S. 929. 3 Monopolkommission (2016), Rn. 1389. 4 Theurl (2016), S. 604.

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vorliegt und ob diese der regulären Bank- und Kapitalmarktregulierung unterliegt oder nur der Regulierung für Vermögensanlagen des überkommenen grauen Kapitalmarkts. Sodann werden die Regulierung der Vermögensanlagen und die dabei geltende Privilegierung der Schwarmfinanzierung näher betrachtet, bevor ein Fazit gezogen wird.

II. Begriff und Arten der Crowdfinanzierung Unter Crowd- oder Schwarmfinanzierung wird die Finanzierung von Projekten durch eine Vielzahl von relativ geringen Einzelbeträgen einer Vielzahl von Einzelpersonen, der Crowd oder dem Schwarm, verstanden, die heutzutage mithilfe von Internetplattformen organisiert wird.5 Dabei werden verschiedene Anlage- und Finanzierungsformen unterschieden, ohne dass sich bisher eine einheitliche Terminologie herausgebildet hat. Für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung wird zwischen Crowdinvesting, Crowdlending und Crowdfunding differenziert. Dabei konzentriert sich die Untersuchung auf das Crowdinvesting und das Crowdlending. Diese sind daher vom (sonstigen) Crowdfunding abzugrenzen. Das Crowdinvesting zeichnet sich dadurch aus, dass der Hingabe des Kapitals eine Gegenleistung in Form einer Beteiligung am Unternehmensgewinn und eventuell auch am Unternehmensverlust gegenübersteht.6 Der Crowdinvestor wird durch Eigenkapital- oder hybride Finanzierungsinstrumente an den zukünftigen Zahlungsströmen des Unternehmens beteiligt;7 die Finanzierung hat also Eigenkapital- oder eigenkapitalähnlichen Charakter. Dabei stehen auf der Kapitalgeberseite oft institutionelle Anleger, die Fondsgelder anlegen;8 Klein- oder Privatanleger sind also in der Regel nicht direkt, sondern allenfalls indirekt über die institutionellen Anleger beteiligt. Den Crowdinvesting-Plattformen wird dabei eine Funktion als Gatekeeper, Informationsintermediäre und Klausel-Produzenten zugeschrieben.9 Als Gatekeeper entscheiden sie darüber, welche kapitalsuchenden Unternehmen Beteiligungen über die Plattform anbieten dürfen, wobei die Ablehnungsquote in der Vergangenheit bis zu 99 % betragen hat. Als Informationsintermediäre bewerten die Plattformen die Unternehmen, schreiben ihnen vor, welche Informationen sie den Anlegern zur Verfügung stellen müssen, und kanalisieren die Information zwischen Anlegern und Unternehmen über einen Investor-Relation-Kanal. Als Klausel-Produzenten entwickeln sie schließlich die standardisierten Verträge, die über die Plattform zwischen den Anlegern und dem Unternehmen geschlossen werden. 5

Veith (2016), S. 185. Veith (2016), S. 185. 7 Klöhn/Hornuf (2012), S. 237 mit weiteren Nachweisen. 8 Monopolkommission (2016), Rn. 1390. 9 Klöhn/Hornuf/Schilling (2016), S. 145. 6

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Das Crowdlending zeichnet sich dadurch aus, dass die Kapitalüberlassung nur vorübergehend ist und ihr eine Gegenleistung in Form eines festen Zinses gegenübersteht.10 Es handelt sich also um Fremdkapital in der Form von Krediten. Die Darlehen werden dabei überwiegend von privat an privat (Peer-to-Peer oder C2C) vergeben, zum Teil auch von Privatpersonen an Unternehmer (C2B).11 Dies hat zur Folge, dass das Crowdlending an die Stelle der Kreditinstitute als klassische Finanzintermediäre tritt, diese also möglicherweise überflüssig macht.12 Während das Crowdinvesting und das Crowdlending auf die Hingabe von Kapital gegen eine echte Gegenleistung gerichtet sind, erfolgt das Crowdfunding nur gegen eine ideelle Gegenleistung und das Crowddonating ohne Gegenleistung.13 Insoweit handelt es sich nur eingeschränkt um eine Alternative zur traditionellen Finanzierung durch Banken,14 da diese grundsätzlich nur gegen Gegenleistung tätig werden; die Alternative wären also eher klassische Spenden. Ein Beispiel für Crowdfunding ist die Finanzierung des Sockels der Freiheitsstatue, da die ideelle Gegenleistung für eine Spende in der Erwähnung in der Zeitung von Joseph Pulitzer war.15 Der Crowd- oder Schwarmfinanzierung ist zwar ein großes Wachstumspotential zugeschrieben worden,16 bisher ist der Umfang jedoch überschaubar. So sind 2016 (2015) im Rahmen des Crowdinvesting 58,8 (37,3) Mio. E aufgebracht worden, wobei auf Startups 15,8 (17) Mio. E und auf Immobilien 37,4 (13,1) Mio. E entfielen; das Crowdlending hatte ein Volumen von 76,7 (66,8) Mio. E, das Crowdfunding von 9,7 (9,8) Mio. E.17 Als zentrales Wachstumshindernis ist dabei ausgemacht worden, dass die Schwarmfinanzierung-Plattformen bisher aus Sicht der Kapitalanleger und dabei insbesondere der Verbraucher keine Alternative zu bisherigen Formen der Geldanlageform seien.18 Die größten Crowdinvesting-Plattformen sind Seedmatch und Companisto,19 das größte Crowdling-Portal ist Auxmoney.20

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Veith (2016), S. 185. Monopolkommission (2016), Rn. 1390. 12 Veith (2016), S. 185. 13 Meller-Hannich (2014), S. 2344. 14 So aber BaFin (2016c). 15 Vgl. Veith (2016), S. 185. 16 Uffmann (2016), S. 928; skeptisch Danwerth (2016), S. 22. 17 Die Zahlen für 2016 aus Für-Gründer.de (2017), S. 1 ff.; für 2015 in Klammern aus FürGründer.de (2016), S. 1 ff. 18 Monopolkommission (2016), Rn. 1393. 19 Klöhn/Hornuf/Schilling (2016), S. 143. 20 Meller-Hannich (2014), S. 2343. 11

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III. Rechtliche Konstruktion der Crowd- oder Schwarmfinanzierung Vor der Untersuchung der Regulierung der Crowdfinanzierung ist zunächst zu betrachten, wie die hier interessierenden Formen der Crowd- oder Schwarmfinanzierung, das Crowdinvesting und das Crowdlending, rechtstatsächlich ausgestaltet und konstruiert sind. 1. Crowdinvesting Das Crowdinvesting fand rechtstatsächlich ursprünglich vor allem in der Form stiller Gesellschaften oder durch Genussrechte statt, momentan finden sich jedoch nur noch qualifizierte partiarische Nachrangdarlehen.21 Ein solches ist im Kern ein Darlehen nach § 488 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Es ist aber zudem qualifiziert nachrangig ausgestaltet, sodass Forderungen aus dem Darlehen zum einen nicht geltend gemacht werden können, wenn dies zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens führen würde, und zum anderen in der Insolvenz erst nach den anderen Forderungen befriedigt werden können.22 Zudem ist das Darlehen als partiarisches ausgestaltet, sieht also eine Beteiligung am Gewinn des Unternehmens vor.23 Dabei wird häufig neben einer festen Verzinsung eine proportionale Beteiligung am Jahresgewinn aufgrund einer Investmentquote vereinbart. Daneben werden die Anleger am Unternehmenswert beteiligt, indem sie einen ihrer Investmentquote entsprechenden Anteil am Exiterlös erhalten. Die Vereinbarung einer Verlustbeteiligung findet sich hingegen gegenwärtig in der Praxis nicht. Anders als bei der typischen Beteiligung als stiller Gesellschafter stehen den Anlegern keine Mitspracherechte bezüglich der Geschäftsführung einschließlich der Bilanzierung zu, sondern nur Rechte auf bestimmte Informationen, die über die Crowdinvesting-Plattform zur Verfügung gestellt werden.24 Abgesehen von der fehlenden Verlustbeteiligung partizipieren die Anleger damit schuldrechtlich so am Gewinn, als ob sie am Eigenkapital beteiligt wären,25 während sie keine Mitspracherechte entsprechend einem Gesellschafter haben. Es handelt sich also um eine hybride Finanzierung mit eigenkapitalähnlichem Charakter.

21 Vgl. Herr/Bantleon (2015), S. 533; Danwerth (2016), S. 23; Klöhn/Hornuf/Schilling (2016), S. 149. 22 Vgl. Klöhn/Hornuf/Schilling (2016), S. 177 f.; Veith (2016), S. 187. 23 Klöhn/Hornuf/Schilling (2016), S. 152, 156 ff. 24 Klöhn/Hornuf/Schilling (2016), S. 168. 25 Klöhn/Hornuf/Schilling (2016), S. 161 ff.

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2. Crowdlending Beim Crowdlending sind zwei Gestaltung zu unterscheiden. In der Regel erfolgt es unter Zwischenschaltung einer Bank als sogenanntes unechtes Crowdlending,26 so etwa beim derzeit größten Anbieter für Crowdlending, Auxmoney.27 Hier bietet der Plattformbetreiber den Anlegern die Beteiligung an einem Kredit für einen Kreditnehmer an, vermittelt dann aber keinen Kredit zwischen den Anlegern und dem Kreditnehmer, sondern zwischen dem Kreditnehmer und einer Bank, die dann die Darlehensrückzahlungsansprüche an die Anleger veräußert, die damit das Kreditrisiko übernehmen.28 Die Crowdlending-Plattform vermittelt daher Darlehen im Sinne des § 655a BGB.29 Beim unechten Crowdlending lässt sich also nicht ohne weiteres sagen, dass die Kreditinstitute als klassische Finanzintermediäre überflüssig werden,30 Denn diese Gestaltung beruht darauf, dass eine Bank eingeschaltet wird, die sich nur statt über Einlagen oder Anleihen über die Crowdfinanzierung refinanziert. Die – seltenere – Alternative zum unechten Crowdlending unter Einschaltung einer Bank ist das Crowdlending mittels eines qualifizierten Nachrangdarlehens zwischen Anleger und Kreditnehmer.31 Wie beim Crowdinvesting handelt es sich um ein Darlehen mit einer qualifizierten Nachrangklausel, sodass die Darlehensforderung bei drohender Insolvenz nicht geltend gemacht werden darf und in der Insolvenz nachrangig gegenüber den anderen Forderungen ist. Anders als beim Crowdinvesting ist es jedoch kein partiarisches Darlehen, sondern ein festverzinsliches mit fester Laufzeit. Auch wenn es sich im Ausgangspunkt um Fremdkapital handelt, führt die Nachrangigkeit dazu, dass diese Form des Crowdlendings bestimmte Züge des Eigenkapitals besitzt, allerdings in geringerem Ausmaß als das Crowdinvesting.

IV. Regulierung der Crowd- oder Schwarmfinanzierung Die Regulierung durch das Bank- und Kapitalmarktrecht knüpft an die Tätigkeit als Bank, Finanzdienstleistungsinstitut oder Wertpapierdienstleistungsinstitut an, also das Betreiben von Bankgeschäften, Finanzdienstleistungen oder Wertpapierdienstleistungen. Allerdings gelten Besonderheiten für Vermögensanlagen. Im Rahmen der Betrachtung der Regulierung der Crowd- oder Schwarmfinanzierung wird demgemäß zunächst untersucht, ob ein Bankgeschäft, eine Finanzdienstleistungen oder eine Wertpapierdienstleistung vorliegt und ob die allgemeine Regu26

Vgl. BaFin (2016b), Crowdlending. Meller-Hannich (2014), S. 2343 f. 28 BaFin, Crowdlending (2016b); Meller-Hannich (2014), S. 2343 f.; Veith (2016), S. 189. 29 Meller-Hannich (2014), S. 2344. 30 So aber Veith (2016), S. 185. 31 Vgl. Veith (2016), S. 187; auch Meller-Hannich (2014), S. 2344. 27

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lierung für diese Geschäfte gilt oder ob die spezielle Regulierung für Vermögensanlagen greift. Sodann wird untersucht, ob und inwieweit die spezielle Privilegierung für Schwarmfinanzierungen in § 2a Vermögensanlagengesetz (VermAnlG) greift. Auf das Recht der Verbraucherdarlehen, das gilt, wenn der Kreditnehmer ein Verbraucher ist, und das insbesondere spezielle Informations- und Widerrufsrechte vorsieht, wird hier nicht näher eingegangen. Seine Anwendung ist bei der Crowdfinanzierung allerdings nicht ausgeschlossen.32 Die Untersuchung nimmt dabei insbesondere das Verhältnis der Regulierung zu den mit den Geschäften oder Dienstleistungen verbundenen Risiken in den Blick. Dabei wird davon ausgegangen, dass die Regulierung im Bank- und Kapitalmarktrecht dem Prinzip folgt, höhere Risiken auch einer strengeren Regulierung zu unterwerfen, wie auch die Beschränkung der reinen Ausführungsgeschäfte, bei denen keine Geeignetheits- oder Angemessenheitsprüfung nach § 31 Abs. 4 und 5 Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) erforderlich ist, auf nicht komplexe Finanzinstrumente in § 31 Abs. 7 WpHG zeigt. Insbesondere führen höhere Risiken zu einer entsprechenden Informationspflicht.33 1. Regulierung als Bankgeschäft, Finanzdienstleistung oder Wertpapierdienstleistung Die bankrechtliche Regulierung durch das Kreditwesengesetz (KWG) ist auf die Sicherstellung der Solvenz der Finanzinstitute und den Schutz ihrer Kunden gerichtet.34 Sie knüpft an das Vorliegen eines Bankgeschäfts nach § 1 Abs. 1 KWG oder einer Finanzdienstleistung nach § 1 Abs. 1a KWG an, die wertpapierrechtliche Regulierung insbesondere durch das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG), vor allem an eine Wertpapierdienstleistung nach § 2 Abs. 3 WpHG. Im Zusammenhang mit der Crowd- oder Schwarmfinanzierung kommen hauptsächlich das Einlagengeschäft, das Kreditgeschäft, die Anlagevermittlung, der Zahlungsdienst, der Betrieb eines multilateralen Handelssystems oder eine Ratingtätigkeit in Betracht. a) Einlagengeschäft Die Entgegennahme von Darlehen stellt an sich zunächst ein Bankgeschäft in der Form eines Einlagengeschäft nach § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 KWG dar.35 Allerdings setzt dies voraus, dass die Gelder unbedingt rückzahlbar sind; demgemäß liegt bei der in der Regel gewählten Ausgestaltung des Darlehens als qualifiziertes Nachrangdarle-

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Meller-Hannich (2014), S. 2344; Veith (2016), S. 192 f. Vgl. nur den Bundesgerichthof in seinem Urteil zu den Aufklärungspflichten beim CMS Spread Ladder Swap-Vertrag in BGHZ 189, 13 = DB 2011, 988. 34 Fischer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler (2016), Einführung Rn. 167 f. 35 Veith (2016), S. 185. 33

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hen kein Einlagengeschäft vor.36 Daher ist die Entgegennahme der Darlehen durch den Kapitalnehmer kein Einlagengeschäft. Eine eventuelle Weiterleitung von Geldern durch die Crowdfunding-Plattform fällt als Nebenzweck zur Kreditvermittlung ebenfalls nicht unter das Einlagengeschäft.37 Auf der Wertungsebene ist dieses Ergebnis zunächst insofern überraschend, als ein bedingter Rückzahlungsanspruch mit höheren Risiken für die Einlagen verbunden ist als ein unbedingter, wie sich gerade bei qualifizierten Nachrangdarlehen zeigt, bei denen der Kreditgeber bei drohender oder eingetretener Insolvenz schlechter gestellt ist als die anderen Kreditgeber. b) Kreditgeschäft Die Gewährung von Gelddarlehen ist ein Kreditgeschäft nach § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 KWG wenn sie gewerbsmäßig und in kaufmännischem Umfang erfolgt. Dies gilt jedoch nicht für qualifizierte Nachrangdarlehen an Unternehmen.38 Eine Kreditvergabe in kaufmännischem Umfang liegt vor, wenn mehr als 100 Kredite vergeben werden oder mehr als 20 Kredite mit einem Gesamtumfang von mehr als 500.000 E; ein gewerbsmäßiges Handeln setzt voraus, dass der Betrieb auf eine gewisse Dauer angelegt ist und mit Gewinnerzielungsabsicht erfolgt.39 Die Anleger betreiben damit nur dann ein erlaubnispflichtiges Kreditgeschäft, wenn sie in erheblichem Umfang Darlehen an Privatpersonen gewähren. Dies dürfte bei Privaten eher selten der Fall sein, während ein systematisches Engagement von professionellen Anlegern auf Crowdlending-Plattformen ein erlaubnispflichtiges Bankgeschäft wäre. Die Crowdfinanzierungs-Plattformen vergeben selbst keine Kredite, sondern vermitteln sie nur. Die Kreditvermittlung stellt kein Bankgeschäft dar, das eine Bankerlaubnis benötigen würde; jedoch liegt darin eine Maklertätigkeit, für die eine Erlaubnispflicht nach § 34c Gewerbeordnung (GewO) besteht, sobald sie gewerbsmäßig erfolgt.40 c) Anlagevermittlung Mit der Vermittlung der Kredite vermitteln die Crowdfinanzierungs-Plattformen eine Anlage. Sie ist damit eine Anlagevermittlung und als solche eine Finanzdienstleistung nach § 1 Abs. 1a S. 2 Nr. 1 KWG bzw. eine Wertpapierdienstleistung nach § 2 Abs. 3 Nr. 4 WpHG.

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Veith (2016), S. 187; vgl. auch Söbbing, S. 364. Vgl. BaFin (2016d); Veith (2016), S. 186. 38 BaFin (2016d); pauschal auch Veith (2016), S. 187. 39 BaFin (2016d); Veith (2016), S. 186. 40 Vgl. BaFin (2007).

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d) Zahlungsdienst Erlaubnispflichtig ist auch die Tätigkeit eines Zahlungsinstituts, also das Betreiben eines Zahlungsdienstes nach § 8 Abs. 1 Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG). Soweit die Crowdfinanzierungs-Plattformen so ausgestaltet sind, dass die Zahlungen entweder direkt zwischen Kapitalgeber und Kapitalnehmer stattfinden oder ein externer Zahlungsdienstleister eingeschaltet wird, betreiben sie jedoch keinen Zahlungsdienst.41 e) Betrieb eines multilateralen Handelssystems Erlaubnispflichtig ist weiter der Betrieb eines multilateralen Handelssystem, das dadurch gekennzeichnet ist, dass es Käufer und Verkäufer von Finanzinstrumenten, zu denen auch Vermögensanlagen wie Nachrangdarlehen gehören, elektronisch nach festgelegten Bedingungen ohne Entscheidungsspielraum zusammenführt (§ 1 Abs. 11 S. 2 Nr. 1b KWG). Ein derartiges Handelssystem wird noch nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Plattform oder der Bank ein Entscheidungsspielraum bezüglich des Kapitalsuchers verbleibt.42 Auch wird ein derartiges Handelssystem nicht dadurch ausgeschlossen, dass es bei den Crowdfinanzierungs-Plattformen keinen Sekundärmarkt gibt,43 da dies nach dem Gesetzeswortlaut keine Voraussetzung für das Vorliegen eines multilateralen Handelssystems ist.44 Jedoch greift auch hier die Bereichsausnahme des § 2 Abs. 6 S. 1 Nr. 8 lit. e KWG bzw. § 2a Abs. 1 Nr. 7 lit. e WpHG, sodass keine Finanzdienstleistung vorliegt und nur die Vorschriften der Gewerbeordnung greifen. f) Ratingtätigkeit Ratingagenturen unterliegen der Regulierung durch die EU-Ratingverordnung Nr. 1060/2009. Jedoch soll kein Rating vorliegen, wenn sich die Crowdfinanzierungs-Plattformen auf die Zusammenfassung und Auswertung aufgrund eines vorgegebenen statistischen Modells beschränken.45 g) Bereichsausnahmen für Vermögensanlagen Die Tätigkeit der Crowdfinanzierungs-Plattformen ist damit als Anlagevermittlung eine Finanz- bzw. Wertpapierdienstleistung. Allerdings greift die Bereichsausnahme des § 2 Abs. 6 S. 1 Nr. 8 lit. e KWG bzw. § 2a Abs. 1 Nr. 7 lit. e WpHG, wenn 41

Veith (2016), S. 193; Nietsch/Eberle (2014), S. 1791. So aber Veith (2016), S. 188 f. 43 So aber Klöhn/Hornuf (2012), S. 251. 44 Weitnauer/Parzinger (2013), S. 155. 45 Veith (2016), S. 190.

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die Plattform Vermögensanlagen im Sinne des § 1 Abs. 2 VermAnlG vermittelt, ohne sich dabei Eigentum und Besitz an den Geldern oder Anteilen der Kunden zu verschaffen.46 Soweit diese Bereichsausnahme greift, sind die CrowdfinanzierungsPlattformen keine Kreditinstitute und keine Wertpapierdienstleistungsunternehmen und fallen daher nicht unter die bankrechtliche Regulierung nach dem KWG und die kapitalmarktrechtliche Regulierung nach dem WpHG. Nachrangdarlehen und auch partiarische Darlehen fallen nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VermAnlG unter die Vermögensanlagen.47 Die entsprechend ausgestalteten Geschäfte der Plattformen fallen damit nicht unter das KWG bzw. WpHG; vielmehr sind sie nur nach § 34c Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und § 34f GewO erlaubnispflichtig und fallen unter die Verhaltenspflichten der nach § 34g GewO erlassenen Finanzanlagenvermittlungsverordnung (FinVermV). Beim unechten Crowdlending ist hingegen keine Vermögensanlage gegeben, wenn kein partiarisches oder Nachrangdarlehen vermittelt wird.48 Die Vermittlung durch die Plattformen stellt insoweit zwar eine unter Gewerberecht erlaubnispflichtige Maklertätigkeit nach § 34c Abs. 1 S. 1 Nr. 2 GewO dar, ist jedoch keine Finanzanlagenvermittlung nach § 34f GewO, sodass hier die Verhaltenspflichten der Finanzanlagenvermittlungsverordnung nicht greifen. An ihre Stelle tritt jedoch die Regulierung der eingeschalteten Bank durch das KWG.49 2. Regulierung der Vermögensanlagen Durch die Bereichsausnahme des § 2 Abs. 6 S. 1 Nr. 8 lit. e KWG bzw. des § 2a Abs. 1 Nr. 7 lit. e WpHG unterliegen Crowdfinanzierungs-Plattformen, die (partiarische) Nachrangdarlehen vermitteln, nicht der Regulierung durch das KWG bzw. WpHG. Stattdessen gelten für sie die Vorschriften des VermAnlG und die Erlaubnispflicht nach § 34c Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und § 34f GewO sowie die Verhaltenspflichten der Finanzanlagenvermittlungsverordnung. Diese Vorschriften gehen wie die Bereichsausnahmen auf das Gesetz zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrechts zurück. Dieses Gesetz führte 2013 das Vermögensanlagengesetz ein und hatte das Ziel, den Anlegerschutz zu stärken, indem es die Regulierung im Bereich des so genannten Grauen Kapitalmarkts fortentwickelte und insbesondere die Prospekthaftung verschärfte.50

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Veith (2016), S. 186 ff.; vgl. auch Jansen/Pfeifle (2012), S. 1850 ff. Veith (2016), S. 190; Danwerth (2016), S. 23. 48 Vgl. Casper (2015), S. 269 mit weiteren Nachweisen. 49 Vgl. Casper (2015), S. 269. 50 Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 17/6051, S. 30.

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a) Erlaubnispflicht Die gewerbsmäßige Erbringung einer Finanzanlagenvermittlung bedarf einer Erlaubnis (§ 34f Abs. 2 GewO). Diese setzt insbesondere voraus, dass die erforderliche Zuverlässigkeit und Sachkunde sowie eine Berufshaftpflichtversicherung vorliegen.51 Anders als unter dem Bankrecht bestehen jedoch keine Vorgaben hinsichtlich der Organisation und der Kapitalausstattung des Vermittlers. b) Verhaltenspflichten Statt der Verhaltenspflichten des WpHG greifen bei der Vermittlung von Vermögensanlagen die Verhaltenspflichten der Finanzanlagenvermittlungsverordnung. Diese übernehmen zwar etliche der anlegerschützenden Regelungen des WpHG, etwa die § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG entsprechende Pflicht zur Vermeidung von Interessenkonflikten in § 13 Abs. 5 FinVermV, die § 31 Abs. 3 S. 1 und 2 WpHG und § 5 Abs. 1 und 2 S. 2 Nr. 5 WpDVerOV entsprechende Pflicht zur Information des Anlegers über Risiken, Kosten, Nebenkosten und Interessenkonflikte in § 13 FinVermV, die § 31 Abs. 4, 5 und 7 WpHG sowie die § 6 WpDVerOV entsprechende Pflicht zur Einholung von Angaben über den Anleger und zur Empfehlung geeigneter bzw. angemessener Finanzanlagen in § 16 FinVermV oder die § 31d WpHG entsprechende Pflicht zur Offenlegung von Zuwendungen in § 17 FinVermV.52 Sie schaffen jedoch nur teilweise ein dem WpHG vergleichendes Anlegerschutzniveau, da auf die Übernahme einer Reihe von Regelungen des WpHG verzichtet wurde, um die finanzielle und organisatorische Überforderung der Vermittler zu vermeiden, die oftmals in kleinen Betrieben tätig sind.53 So fehlen etwa die Pflicht aus § 33 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 bzw. Nr. 3a WpHG, organisatorische Vorkehrungen zur Vermeidung von Interessenkonflikten zu treffen, oder die Regelungen zur Bearbeitung von Kundenaufträgen aus § 31c WpHG. c) Prospektpflicht und -haftung Anbieter von Vermögensanlagen müssen nach § 6 VermAnlG einen Verkaufsprospekt veröffentlichen. Dieser wird von der BaFin auf Vollständigkeit sowie Kohärenz und Verständlichkeit geprüft (§ 8 VermAnlG). Daneben ist ein dreiseitiges Vermögensanlageninformationsblatt zu veröffentlichen, dass die wesentlichen Informationen über die Vermögensanlage zu enthalten hat (§ 13 VermAnlG). Für Fehler und Fehlen eines Verkaufsprospekts wird nach den §§ 20 f. VermAnlG gehaftet, für unrichtige oder fehlende Vermögensinformationsblätter nach

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Zingel/Varadinek (2012), S. 183. Vgl. näher Tiefensee/Kuhlen (2013), S. 17 ff. 53 Tiefensee/Kuhlen (2013), S. 22.

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§ 22 VermAnlG. Diese spezialgesetzliche Prospekthaftung verdrängt die allgemeine bürgerlich-rechtliche Prospekthaftung im engeren Sinne.54 Diese Regelungen bilden den bisherigen Schlusspunkt einer über hundertjährigen Entwicklung der gesetzlichen Prospektpflicht und -haftung. Sie war ursprünglich nach dem Börsengesetz von 1896 nur für börsennotierte Wertpapiere vorgesehen, weil der historische Gesetzgeber einen weitergehenden Schutz angesichts der damaligen Absatzsituation für nicht börsennotierte Wertpapiere bzw. andere Vermögensanlagen nicht für notwendig hielt.55 Mit dem Verkaufsprospektgesetz von 1990 wurden die Prospektpflicht und -haftung auf Wertpapiere erweitert, die zwar nicht an einer Börse notiert waren, aber öffentlich angeboten wurden; mit dem Anlegerschutzverbesserungsgesetz von 2004 wurden darüber hinaus mit den Vermögensanlagen auch Anteile erfasst, die öffentlich angeboten werden, ohne in Wertpapieren verbrieft zu sein.56 Das Vermögensanlagengesetz übernahm 2013 diese Regelungen und erweiterte sie auf Genussrechte und Namensschuldverschreibungen. Das Kleinanlegerschutzgesetz von 2015 erweiterte dann die Prospektpflicht und -haftung insbesondere auf partiarische Darlehen und Nachrangdarlehen sowie wirtschaftlich vergleichbare Vermögensanlagen (§ 1 Abs. 2 Nr. 3, 4 und 7 VermAnlG), und sollte damit Umgehungsstrukturen gegenüber den bisher geregelten Vermögensanlagen erfassen.57 Der Gesetzgeber hat hier jeweils auf die zunehmende Bedeutung des grauen Kapitalmarkts reagiert. d) Weitere Informationspflichten Weitere Pflichten in Bezug auf Information sind die Pflichten zur Veröffentlichung neuer Tatsachen nach §§ 11, 11a VermAnlG, die sogenannte ad-hoc-Pflicht light.58 Zudem muss die Werbung einen deutlich hervorgehobenen Warnhinweis „Der Erwerb dieser Vermögensanlage ist mit erheblichen Risiken verbunden und kann zum vollständigen Verlust des eingesetzten Vermögens führen.“ enthalten (§ 12 Abs. 2 VermAnlG).59 Weiter kann die BaFin unter bestimmten Umständen die Werbung, die Veröffentlichung des Verkaufsprospekts und das öffentliche Anbieten untersagen (§§ 16 ff. VermAnlG), insbesondere wenn die gesetzlichen Vorgaben nicht eingehalten werden oder wenn erhebliche Bedenken für den Anlegerschutz oder eine Gefahr für das Funktionieren des Finanzsystems bestehen.

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Veith (2016), S. 192; Danwerth (2016), S. 34. Heidelbach, in: Schwark/Zimmer (2010), §§ 1 – 8e VerkProspG Rn. 2. 56 Heidelbach, in: Schwark/Zimmer (2010), §§ 1 – 8e VerkProspG Rn. 3 f. 57 Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 18/3994, S. 38. 58 Casper (2015), S. 271. 59 Dazu näher Danwerth (2016), S. 35.

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e) Privilegierung und ihre Rechtfertigung Die aktuellen Crowdfinanzierungs-Plattformen sind damit so ausgestaltet, dass sie die Bereichsausnahme des § 2 Abs. 6 S. 2 Nr. 8 lit. e KWG bzw. des § 2a Abs. 1 Nr. 7 lit. e WpHG und damit eine Privilegierung gegenüber dem traditionellen Bankgeschäft nutzen, die mit einem geringeren Anlegerschutz einhergeht. Diese Privilegierung ist zwar nicht speziell für die Crowdfinanzierung geschaffen worden, sondern steht allen Anlagevermittlungen offen, die sich mit den Finanzanlagen auf bestimmte Anlageprodukte beschränken, zu denen neben den Vermögensanlagen etwa auch Fondsanteile gehören. Trotzdem stellt sich die Frage, ob diese Privilegierung gerechtfertigt ist. Im Ausgangspunkt sind qualifizierte Nachrangdarlehen mit größeren Risiken für die Anleger verbunden als einfache Darlehen. Die Risikostruktur würde daher dafür sprechen, dass die qualifizierten Nachrangdarlehen nicht mit der Regulierung nach dem Vermögensanlagegesetz und der Gewerbeordnung einer weniger strengen Regulierung unterliegen als die einfachen Darlehen, die nach § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 KWG der Bankregulierung unterliegen, sondern einer mindestens ebenso strengen Regulierung. Die Bereichsausnahmen für die Anlagevermittlung werden demgegenüber – wenn überhaupt – damit gerechtfertigt, dass es sich um standardisierte Produkte handele, bei denen der Anbieter oder Emittent der Regulierung durch das KWG oder KAGB unterliege und deren reine Vermittlung daher nicht mit besonderen Risiken verbunden sei.60 Jedoch treffen diese Gründe zwar für die übrigen in § 2 Abs. 6 S. 2 Nr. 8 KWG bzw. § 2a Abs. 1 Nr. 7 WpHG genannten Finanzinstrumente zu, etwa für Fondsanteile, die im KAGB eingehend geregelt sind. Aber auf Vermögensanlagen trifft dies gerade nicht zu. Diese sind nicht nur mit einem höheren Risiko als die anderen von der Bereichsausnahme erfassten Finanzinstrumente verbunden, sondern stammen in aller Regel auch von weniger regulierten Emittenten. Einen stärkeren Schutz bietet das VermAnlG hingegen nur insoweit, als es die Pflicht zur Aufnahme eines deutlich hervorgehobenen Warnhinweises in der Werbung enthält. Ob dieser Warnhinweis jedoch ausreicht, die Anleger wirksam zu schützen, wenn die Crowdfinanzierungs-Plattform es den Anlegern ermöglichen, auf Vermögensanlagen genauso leicht zuzugreifen, wie auf stärker regulierte Bankprodukte und sonstige Finanzinstrumente, erscheint zumindest offen. 3. Privilegierung von Schwarmfinanzierungen Eine spezielle Privilegierung von Schwarmfinanzierungen enthält § 2a VermAnlG. Diese Vorschrift geht auf das Kleinanlegerschutzgesetz von 2015 zurück. Sie sollte die Anbieter von Crowdfinanzierungen über Vertriebsplattformen im Inter60

Boos/Fischer/Schulte-Mattler/Schäfer, § 2 KWG Rn. 80.

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net in den Stand versetzen, weiterhin kleinere und mittlere Unternehmen zu finanzieren, ohne insbesondere der Prospektpflicht unterworfen zu sein.61 a) Befreiung von der Prospektpflicht Danach gelten insbesondere die Prospektpflichten aus §§ 6 ff. VermAnlG – mit Ausnahme der Pflicht zur Veröffentlichung eines Vermögensanlagen-Informationsblattes – nicht, wenn vier Voraussetzungen erfüllt sind. Erstens muss es sich um bestimmte, in § 2a Abs. 1 VermAnlG aufgeführte Vermögensanlagen handeln, zu denen auch die Nachrangdarlehen der Crowdfinanzierungs-Plattformen gehören. Zweitens darf die angebotene Anlage eines Emittenten den Schwellenwert von 2,5 Mio. E nicht übersteigen. Drittens muss für einzelne Anleger, die keine Kapitalgesellschaft sind, eine Anlagegrenze von 1.000 E, unter Umständen auch 10.000 E gelten. Viertens darf die Vermögensanlage nur durch Anlageberatung oder -vermittlung über eine Internetplattform erfolgen. Erfüllt die Internetplattform diese Voraussetzungen nicht, indem sie mit anderen Vermögensanlagen handelt oder die Schwellenwerte überschritten werden, führt dies nicht zur Unzulässigkeit des Handels, sondern nur zum Verlust der Privilegierung, also insbesondere dazu, dass die Befreiung von der Prospektpflicht nicht greift. Die Informationspflichten der Crowdfinanzierungs-Plattformen bei Geschäften, die die genannten Voraussetzungen erfüllen, und ihre Überwachung sind demgemäß deutlich geringer als diejenigen der sonstigen Vermittler. Dies wird auch dann nicht vollständig kompensiert, wenn man berücksichtigt, dass der mit der Befreiung von den Prospektpflichten verbundene Wegfall der Prospekthaftung aus §§ 20 ff. VermAnlG dazu führt, dass die Crowdfinanzierungs-Plattform zivilrechtlich für die Informationen auf ihrer Internetseite nach der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung im engeren Sinne haftet, wenn diese unrichtig sind, während diese Haftung sonst von der speziellen Prospektpflicht und -haftung verdrängt wird.62 Denn diese Haftung kompensiert den Wegfall der Prospektpflicht und -haftung allenfalls teilweise, da nicht sichergestellt ist, dass die Anleger bestimmte Arten von Informationen bekommen und für das Fehlen dieser Information gehaftet wird; zudem fehlt es der Billigung durch die BaFin. Auch wenn man zum einen Auskunftsvertrag zwischen der Plattform und den Anlegern annimmt,63 gilt ähnliches.

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Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 18/3994, S. 40. Bujotzek/Mocker (2015), S. 360; Danwerth (2016), S. 34; Veith (2016), S. 192; Uffmann (2016), S. 934 ff.; ablehnend Meschkowski/Wilhelmi (2014), S. 1415. 63 So Jansen/Pfeifle (2012), S. 1849 f.; Uffmann (2016), S. 933 f.; ablehnend Meschkowski/Wilhelmi (2014), S. 1413. 62

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b) Rechtfertigung dieser Privilegierung Diese Privilegierung wird vor allem mit dem Argument gerechtfertigt, dass die Anforderungen an eine Erlaubnis nach §§ 32 f. KWG, insbesondere hinsichtlich der Organisation und Kapitalausstattung die Crowdfinanzierungs-Plattformen überfordern würden.64 Dabei wird speziell die Ausnahme von der Prospektpflicht damit gerechtfertigt, dass der mit der Veröffentlichung eines Prospekts verbundene Aufwand, der bei 50.000 E liegen kann, eine erhebliche Belastung der Crowdfinanzierungs-Plattformen darstellen und die Crowdfinanzierung für kleine Emittenten unattraktiv machen würde, die diese Kosten nicht tragen können.65 Zudem wird behauptet, dass bei der Crowdfinanzierung nur ein geringerer Anlegerschutz notwendig sei als sonst, weil den Anlegern hier die Schwarmintelligenz zugutekomme.66 Wie dies genau funktionieren soll, bleibt allerdings unklar, scheint aber auf der Annahme einer besonders effizienten Preisbildung zu beruhen. Ob eine derartige Effizienz das Fehlen von Information ausgleichen kann und dem einzelnen Anleger immer eine wohl informierte und eigenverantwortliche Entscheidung ermöglicht, erscheint angesichts der immer wieder im Markt auftretenden Übertreibungen jedoch eher zweifelhaft.67 c) Kritik an der Privilegierung Die Kritik an der Privilegierung der Schwarmfinanzierung bezieht sich zum Teil nur auf bestimmte Voraussetzungen. So wird kritisiert, dass das Privileg nur für bestimmte und nicht für alle Anlageformen gilt. Dies führe zu Abgrenzungsschwierigkeiten, insbesondere zur stillen Gesellschaft,68 und beschneide die Schwarmintelligenz.69 Zwar wird als mögliche Begründung für die Privilegierung nur weniger Anlageformen angeführt, dass nur bisher nicht geregelte Vermögensanlagen privilegiert würden.70 Dies liegt auch immerhin auf der bisherigen Linie des Gesetzgebers, den grauen Kapitalmarkt immer nur schrittweise und nur soweit zu regulieren, wie sich ein Finanzprodukt als problematisch erweist. Ob dies aber rechtfertigen kann, ähnliche Instrumente, wie das partiarische Nachrangdarlehen und die stille Gesellschaft unterschiedlich zu regulieren, insbesondere da die stille Gesellschaft den Anlegern unter Umständen mehr (Informations-)Rechte gewährt als das partiarische Nachrangdarlehen,71 erscheint zweifelhaft. Ebenso erscheint es fraglich, ob die Privilegie64

Veith (2016), S. 187. Casper (2015), S. 275 f. 66 Klöhn/Hornuf (2015), S. 50; Klöhn/Hornuf (2012), S. 257. 67 Klöhn/Hornuf (2012), S. 257 f. 68 Klöhn/Hornuf (2015), S. 50; Casper (2015), S. 280; Danwerth (2016), S. 25; Uffmann (2016), S. 929 f. 69 Casper (2015), S. 280; Danwerth (2016), S. 25. 70 Klöhn/Hornuf (2015), S. 50; Danwerth (2016), S. 25. 71 Vgl. Klöhn/Hornuf (2015), S. 50; Bujotzek/Mocker (2015), S. 359. 65

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rung der partiarischen Darlehen gegenüber anderen Anlageformen, die strenger geregelt sind und einen weitergehenden Schutz gewähren, wie etwa Aktien, gerechtfertigt werden kann.72 Weiter werden die Anlagegrenzen kritisiert, weil anders als im sonstigen Kapitalmarktrecht keine Befreiung für professionelle Anleger, insbesondere auch in der Form von Business Angels, vorgesehen sei.73 Darin ist eine gewisse Skepsis gegenüber dem informationsbasierten Ansatz gesehen worden,74 der davon ausgeht, dass den Anlegern nur die notwendigen Informationen zur Verfügung gestellt werden müssen und sie dann grundsätzlich in der Lage sind, selbst eine vernünftige Anlageentscheidung zu treffen. Selbst wenn man dem zustimmt, erscheint diese Abweichung von den Grundsätzen des sonstigen Kapitalmarktrechts inkonsequent. Möglicherweise sind die Anlagegrenzen auch auf den Gedanken der Risikostreuung zurückzuführen. Dann erscheinen sie jedoch relativ hoch75 und bieten auch keine Risikostreuung, die mit derjenigen bei einer Einlage bei einer Bank oder einer Anlage in Investmentfonds vergleichbar wäre. Diskutiert wird auch über den Schwellenwert für das zu finanzierende Projekt. Dabei finden sich einerseits Stimmen, die fragen, ob der Schwellenwert nicht zu niedrig angesetzt ist.76 Andererseits wird der Schwellenwert als zu hoch kritisiert, weil das Argument, dass die Prospektkosten bei einem geringen Emissionsvolumen prohibitiv wirken würden, nur geringere Schwellenwerte rechtfertigen würde und die Schwellenwerte in anderen Ländern zwar höher sein, dort aber wohl mit einem höheren Anlegerschutz einhergingen.77 Daneben wird auch prinzipielle Kritik an der Privilegierung der Schwarmfinanzierungen geäußert. So ist gerade bei den Start-up-Unternehmen, deren Finanzierung die Crowdfinanzierungs-Plattformen insbesondere dienen, die Gefahr einer Pleite besonders groß.78 Zudem ist die Crowdfinanzierung zwar momentan positiv belegt; aber dies kann sich schnell ändern, wie das Beispiel der Mittelstandsdarlehen zeigt.79 Weiter wird auf die fehlende Regulierung der Crowdfinanzierungs-Plattform hingewiesen und eine spezifische Regulierung dieser Plattformen gefordert, die etwa Regelungen zur Datensicherheiten und die Verpflichtung zur Durchführung einer Due Diligence beim Kapitalsucher umfassen könne.80 Diesen Punkt hat bereits die Gesetzesbegründung antizipiert, indem sie bis Ende 2016 die Überprüfung der Vorschrif72

Vgl. Klöhn/Hornuf (2015), S. 50. Klöhn/Hornuf (2015), S. 52 f.; Bujotzek/Mocker (2015), S. 359. 74 Vgl. Monopolkommission (2016), Rn. 1424; Danwerth (2016), S. 32. 75 Vgl. Casper (2015), S. 281. 76 Bujotzek/Mocker (2015), S. 359. 77 Casper (2015), S. 276, 279. 78 BaFin, crowdfunding und der graue Kapitalmarkt. 79 Herr/Bantleon (2015), S. 539. 80 Danwerth (2016), S. 36; Klöhn/Hornuf (2015), S. 53; Casper (2015), S. 280. 73

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ten vorsieht, ob weitere besondere Vorschriften zur Regulierung der Crowdfinanzierung notwendig sind.81 Anfügen lässt sich weiter das Argument, dass auch in der Sharing Economy das Prinzip gelten muss, dass gleiche Regeln für das gleiche Risiko gelten.82 Die Privilegierung der Crowdfinanzierungs-Plattformen führt demgegenüber zu dem umgekehrten Ergebnis, dass höhere Risiken einer geringeren Regulierung unterworfen werden.

V. Fazit Betrachtet man die Strukturen und die Regulierung der Crowdfinanzierung, so stellt sich insbesondere die Frage nach der Rechtfertigung der doppelten Privilegierung, die darin liegt, dass zunächst die Vermittlung von Vermögensanlagen und darüber hinaus auch die Schwarmfinanzierung privilegiert wird. Diese doppelte Privilegierung liegt nur bei der gängigen Praxis des unechten Crowdlending nicht vor, bei der durch die Einschaltung einer Bank die bank- und kapitalmarktrechtliche Regulierung greift. Die übrigen heute üblichen Gestaltungen der Crowdfinanzierung als qualifizierte (partiarische) Nachrangdarlehen sind hingegen mit höheren Risiken als viele klassische Bankgeschäfte wie das Einlagen- und Kreditgeschäft, verbunden, unterliegen aber einer weniger strengen Regulierung insbesondere in Bezug auf den Anlegerschutz. Ähnliches gilt für vergleichbare Vermögensanlagen, die trotz vergleichbarer oder geringerer Risiken weniger streng reguliert sind. Dabei kann die Förderung von Startups als solche noch kein Argument für einen geringeren Anlegerschutz darstellen, da nicht ersichtlich ist, warum gerade die Anleger die Lasten dieser Förderung tragen sollen. Dies gilt umso mehr, als den Startups eher eine untergeordnete Rolle im Bereich der Crowdfinanzierung zukommt und sich gerade die innovativen Startups häufig nicht für eine Crowdfinanzierung eignen, weil deren Geschäftsideen der Geheimhaltung bedürfen.83 Entsprechend der Entwicklung des Rechts des grauen Kapitalmarkts könnte man überlegen, den geringeren Schutz der Anleger trotz des an sich höheren Risikos der (partiarischen) Nachrangdarlehen, die der Crowdfinanzierung zugrundeliegen, damit zu rechtfertigen, dass die schutzbedürftigen Anleger kaum Zugang zu diesen Anlageprodukten hätten und den Anlageprodukten kaum praktische Bedeutung jedenfalls für schutzbedürftige Anleger zukäme. Die Kombination von Produkten des grauen Kapitalmarkts mit der Vermittlung über Crowdfinanzierungs-Plattformen im Internet führt jedoch dazu, dass Produkte, die für Anleger an sich relativ riskant sind und bisher nur deshalb keinen weitergehenden Anlegerschutz erforderten, weil sie für die Anleger nicht leicht zugänglich waren und daher keine große praktische 81

Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 18/3994, S. 42. Vgl. Monopolkommission (2016), Rn. 1422; Theurl (2016), S. 607. 83 Herr/Bantleon (2015), S. 359; vgl. auch Schmitt/Doetsch (2013), S. 1452, 1454. 82

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Bedeutung hatten, über die Crowdfinanzierungs-Plattformen genauso leicht zugänglich werden wie klassische Bankprodukte, so dass sie an praktischer Bedeutung gewinnen und dadurch einen verstärkten Anlegerschutz erfordern. Vor diesem Hintergrund erscheint sowohl die Privilegierung der Vermittlung von Vermögensanlagen als auch die Privilegierung der Crowdfinanzierungs-Plattformen, über die sie vertrieben werden, nicht gerechtfertigt. Gerade wenn die Crowdfinanzierungs-Plattformen den erhofften Erfolg haben, ist vielmehr ihre Regulierung entsprechend den sonst geltenden Regelungen des Bank- und Kapitalmarktrechts notwendig. Literatur BaFin (2007): Merkblatt zur Erlaubnispflicht von Kreditvermittlungsplattformen 14. 05. 2007, URL: www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Merkblatt/mb_070514_kreditver mittlungsplattform.html, zuletzt geprüft am:1. 3. 2017. – (2016a): Crowdinvesting, URL: www.bafin.de/DE/Aufsicht/FinTech/Crowdfunding/Crowd investing/crowdinvesting_node.html, zuletzt geprüft am: 1. 3. 2017. – (2016b): Crowdlending, URL: www.bafin.de/DE/Aufsicht/FinTech/Crowdfunding/Crowdlen ding/crowdlending_node.html, zuletzt geprüft am: 1. 3. 2017. – (2016c): Crowdfunding und der graue Kapitalmarkt 11. 03. 2016, URL: www.bafin.de/DE/ Verbraucher/GeldanlageWertpapiere/Investieren/Crowdfunding/crowdfunding_artikel. html?nn=7844560, zuletzt geprüft am: 1. 3. 2017. – (2016d): Merkblatt Kreditgeschäft 02. 05. 2016, URL: www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffent lichungen/DE/Merkblatt/mb_090108_tatbestand_kreditgeschaeft.html, zuletzt geprüft am: 1. 3. 2017. Boos, Karl-Heinz/Fischer, Reinfrid/Schulte-Mattler, Hermann (Hrsg.) (2016): KWG, CRRVO. Kommentar zu Kreditwesengesetz VO (EU) Nr. 5752013 (CRR) und Ausführungsvorschriften, 5. Aufl., München. Bujotzek, Peter/Mocker, Felix (2015): Kleinanlegerschutzgesetz – offene Fragen beim Crowdinvesting, in: Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht (BKR), S. 358 ff. Casper, Matthias (2015): Das Kleinanlegerschutzgesetz – zwischen berechtigtem und übertriebenem Paternalismus, in: Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft (ZBB), S. 265 ff. Danwerth, Christopher (2016): Crowdinvesting – Ist das Kleinanlegerschutzgesetz das junge Ende einer innovativen Finanzierungsform?, in: Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft (ZBB), S. 20 ff. European Commission (2016): Report on Crowdfunding in the EU Capital Markets Union 03. 05. 2016. Für-Gründer.de (2017): Finanzierung durch Crowd erreicht 2016 145,2 Mio. Euro, Start-ups verlieren, in: Crowdfinanzierung in Deutschland 1/2017, S. 1 ff., URL: https://www.fuergruender.de/fileadmin/mediapool/Publikation/Crowdfinanzierung_2016-Fuer-Gruender.deDentons.pdf, zuletzt geprüft am 1. 3. 2017.

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Der Schutz mündiger Anleger und die grundsätzliche Gleichbehandlung aller Anbieter – Neue Ansatzpunkte eines fundierteren Arguments gegen die regulatorische Sonderstellung der Crowdfinanzierung – Korreferat zu Rüdiger Wilhelmi – Von Damian Bäumlisberger

I. Einleitung Das vorliegende Korreferat analysiert, kritisiert und vertieft die im Beitrag „Crowdfinance – Strukturen und Regulierung“ vorgebrachten Gründe gegen die regulatorische Sonderstellung der Crowdfinanzierung und ihrer Anbieter gegenüber klassischen Anlageformen und Banken. In Kapitel 2 wird der Beitrag zunächst mit Blick auf die, teils impliziten, Prinzipien hinter der Einschätzung der Sonderstellung als doppelte Privilegierung resümiert. Diese setzen beim Schutz der Anleger vor riskanten Anlagen und der regulatorischen Gleichbehandlung von Anbietern an und werden in Kapitel 3 kritisch beleuchtet. In Kapitel 4 werden dann zwei Vorschläge unterbreitet, wie sich beide Ansatzpunkte zu einer stringenteren Kritik an der Sonderstellung der Crowdfinanzierung entwickeln lassen. Dies gipfelt in den beiden Thesen, dass die regulatorische Sonderstellung der Crowdfinanzierung, erstens, aufgrund eines zu restriktiv und eben nicht zu schwach ausgeprägten Anlegerschutzes korrigiert werden sollte und dass sie, zweitens, nicht als Privilegierung von Crowdfinanzierungs-Plattformen, sondern als unbegründete Ungleichbehandlung aller Akteure abgelehnt werden sollte.

II. Zusammenfassung des kritisch beleuchteten Beitrags1 Der untersuchte Beitrag geht der Frage nach „wie die Crowdfinanzierung rechtstatsächlich ausgestaltet und konstruiert wird und wie diese Ausgestaltung und ihre Regulierung in das System und die Entwicklung der Bank- und Kapitalmarktregulierung passt“ (S. 47). Die Crowd- oder Schwarmfinanzierung wird dabei als die Fi1

Alle Seitenangaben in diesem Kapitel beziehen sich auf Wilhelmi (2017).

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nanzierung von Projekten durch geringe Einzelbeiträge einer großen Zahl an Individuen verstanden, die über das Internet koordiniert wird (S. 48). Es werden Crowdinvesting und -lending als zwei von drei Arten der Crowdfinanzierung untersucht. Ersteres hat eigenkapitalähnlichen Charakter, da der Bereitstellung von Kapital eine Beteiligung am Unternehmenserfolg gegenübersteht. Letzteres hat eher den Charakter von Fremdkapital, da es, ähnlich wie ein Darlehen, nur temporär und zu einem festen Zinssatz bereitgestellt wird. Rechtstatsächlich tritt Crowdlending in Form qualifizierter Nachrangdarlehen auf, die Anleger einem Kreditnehmer entweder direkt (echtes Crowdlending) oder durch eine Bank vermittelt (unechtes Crowdlending) für einen festen Zins und Zeitraum zur Verfügung stellen. Die qualifizierte Nachrangigkeit impliziert, dass die Rückforderung des Darlehens nicht zur Insolvenz führen darf und im Falle der Insolvenz gegenüber klassischen Darlehen nachrangig ist. Crowdinvesting tritt derzeit meist in Form von partiarischen Nachrangdarlehen auf, bei denen zusätzlich zum Festzins eine proportionale Gewinnbeteiligung erfolgt. In dieser rechtlichen Ausprägung als Nachrangdarlehen werden Crowdinvesting und -lending als Vermögensanlage behandelt und fallen sowohl unter das Kreditwesengesetz (KWG) als auch das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG). Die Geschäftsaktivitäten von Crowdfinanzierungs-Plattformen werden als Anlagevermittlung und somit als Finanz- oder Wertpapierdienstleistung eingestuft.2 Sofern sich Plattformen aber auf die Vermittlung von Vermögensanlagen in Form von Nachrangdarlehen beschränken, greift für sie eine Bereichsausnahme, sodass sie weder als Kreditinstitute noch als Wertpapierdienstleister gelten. Obwohl sie im Falle einer gewerbsmäßigen Finanzanlagenvermittlung eine Erlaubnis für ihre Aktivitäten benötigen, unterliegen sie dementsprechend, anders als Banken, keinen Vorschriften bezüglich ihrer Organisationsform oder Ausstattung mit Kapital (S. 56). Auch die im WpHG festgeschriebenen Verhaltenspflichten gelten für Plattformbetreiber nur insoweit, wie sie durch die Finanzanlagenvermittlungsverordnung (FinVermV) übernommen werden. Es entfällt bspw. die Pflicht organisatorisch Interessenkonflikten vorzubeugen (S. 56). An dieser Sonderstellung im System der Bank- und Kapitalmarktregulierung entzündet sich die im Beitrag formulierte Kritik: Die von Crowdfinanzierungs-Plattformen in Anspruch genommene (wenngleich nicht auf sie beschränkte) Bereichsausnahme und die damit verbundenen weniger strengen Regeln werden als „Privilegierung gegenüber dem traditionellen Bankgeschäft“ eingestuft, da sie „mit einem geringeren Anlegerschutz einhergeht“ als er für Banken gilt (S. 58). Ferner wird eine zweite regulatorische Privilegierung festgestellt, die speziell für Schwarmfinanzierungen gilt. Unter vier Bedingungen sind diese von der üblichen Prospektpflicht befreit, welche die Veröffentlichung eines Verkaufsprospekts und 2 Ihre Einstufung als Einlagen-, Kreditgeschäft, Anlagevermittlung, Zahlungsdienst, Betrieb eines multilateralen Handelssystems und Ratingtätigkeit wird zuvor exkludiert.

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eines dreiseitigen Vermögensanlageninformationsblattes3 vorsieht und Emittenten für Fehler oder Informationslücken haftbar macht. Die Befreiung von dieser Pflicht gilt, wenn erstens eine Vermögensanlage wie z. B. ein qualifiziertes Nachrangdarlehen vorliegt, zweitens das finanzierte Projekt weniger als 2,5 Mio. E umfasst, drittens jeder Privatanleger nicht mehr als 1.000 E investiert und viertens die Beratung und Vermittlung nur über eine Internetplattform erfolgt. Diese zweite Privilegierung wird im Beitrag abgelehnt, weil die Gründe dafür als nicht stichhaltig eingestuft werden. Während das Argument, die Prospektpflicht überfordere die Plattformen finanziell, unkommentiert bleibt, wird das Argument, dass bei der Crowdfinanzierung kein höheres Risiko bestünde, da die Schwarmintelligenz dies mindere, als nicht nachvollziehbar angesehen (S. 60). Ferner wird in diesem Kontext angemerkt, die Schwarmfinanzierung werde meist von besonders riskanten Start-up Unternehmen genutzt (S. 61). Zwei der vier rechtlichen Bedingungen für die Befreiung von der Prospektpflicht werden ebenfalls abgelehnt. Ihre Beschränkung auf Nachrangdarlehen wird aufgrund der damit verbundenen Abgrenzungsproblematik zu stillen Gesellschaften und anderen Anlageformen kritisch gesehen. Anders als in der Literatur wird daraus gefolgert, dass die Privilegierung der Nachrangdarlehen abgeschafft und eben nicht auf andere Anlageformen erweitert werden sollte. Die Anlagegrenze von 1.000 E scheint (anders als in der Literatur) wegen ihrer Inkonsistenz mit den „Grundsätzen des sonstigen Kapitalmarktrechts“ (S. 61) abgelehnt zu werden.4 Im nächsten Kapitel wird die im Beitrag angebrachte Kritik an der doppelten regulatorischen „Privilegierung“ der Crowdfinanzierung systematisch analysiert.

III. Analyse der Kritik an der doppelten Privilegierung Im betrachteten Beitrag wird Kritik an der doppelten Privilegierung meist in Form angeführter Kritikpunkte aus der Literatur vorgetragen. Sie wird durch die sukzessive Diskussion einzelner Aspekte der für die Crowdfinanzierung geltenden Bereichsausnahme und Befreiung von der Prospektpflicht entwickelt und scheint im Wesentlichen auf zwei Prinzipien zu beruhen. Das erste, anlegerzentrierte Prinzip kritisiert die beiden Ausnahmen als Schwächung des Anlegerschutzes. Ihre Einstufung als abzuschaffende Privilegierung gründet demnach in der Forderung nach mehr (oder zumindest nicht weniger) Anlegerschutz, wobei dessen regulatorische Strenge aus der Risikostruktur der entsprechenden Finanzprodukte abgeleitet wird. Dabei fällt zunächst auf, dass das Prinzip in seiner Grundform „gleiche Regeln für das gleiche Risiko“5 eher für und nicht gegen die 3

Hierauf bezieht sich die Befreiung von der Prospektpflicht jedoch nicht. Der Schwellenwert in Höhe von 2,5 Mio. E für jedes finanzierte Projekt wird nicht kritisiert. Es wird nur auf Stimmen hingewiesen, die ihn anheben bzw. reduzieren würden. 5 Wilhelmi (2017), S. 62. 4

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derzeitige regulatorische Ungleichbehandlung der als riskanter betrachteten Crowdfinanzierung im Vergleich zu eigen-/fremdkapitalartigen Anlagen spricht. Nur die Ergänzung des Prinzips, dass höhere Risiken zum Schutz der Anleger auch stärker reguliert werden sollen6, ließe die Einstufung der regulatorischen Ausnahmen als Privilegierung zu.7 Wenn die Höhe des Risikos durch die Schadenswahrscheinlichkeit und die Schadenshöhe im Falle des Misserfolgs bestimmt wird8, impliziert die mit der Nachrangigkeit verbundene höhere Ausfallwahrscheinlichkeit im Insolvenzfall in der Tat ein höheres Risiko für qualifizierte Nachrangdarlehen und nach der Logik des genannten Prinzips eine über die Abschaffung der ,Privilegierungen‘ hinausgehende, strengere Regulierung. Diese Betrachtung blendet jedoch aus, dass beide ,Privilegierungen‘ an Bedingungen gekoppelt sind, durch die Anleger teils stärker geschützt werden als durch die Prospektpflicht und Abschaffung der Bereichsausnahme. So werden erstens das mit der Crowdfinanzierung verbundene Risiko systematisch reduziert und, zweitens die Handlungsoptionen der Anleger in deren (vermeintlichem) Interesse gezielt beschränkt oder erweitert. Die Crowdfinanzierung wird z. B. dadurch weniger riskant, dass die Bereichsausnahme und Prospektpflichtbefreiung nur gelten, wenn ausschließlich Vermögensanlagen in Form von Nachrangdarlehen angeboten werden. Bei einer homogenen Projektfinanzierung werden die Nachrangdarlehen im Insolvenzfall zuerst bedient und stehen hinsichtlich der Rangfolge eben nicht schlechter da als klassische Darlehen.9 Bei homogen finanzierten Projekten dürften sie also keine systematisch höhere Ausfallwahrscheinlichkeit aufweisen und dementsprechend keinem höheren Risiko unterliegen als Darlehen.10 Das Prinzip „je höher das Risiko, desto strenger der regulatorische Schutz der Anleger“ begründet folglich keinen zusätzlich Regulierungsbedarf für die Crowdfinanzierung.11 Dies ist auch der Fall, weil die einschränkenden Bedingungen für die beiden regulatorischen Ausnahmen die Position der Anleger teilweise sogar stärken. So gilt die Befreiung von der Prospektpflicht nur für die internetbasierte Vermittlung von Vermögensanlagen. Der Nachteil eines kürzeren, ggf. falschen, Anlageprospekts 6

Wilhelmi, S. 58 f. und 62. Doch nur unter der Prämisse, dass die Crowdfinanzierung tatsächlich riskanter wäre. 8 Gillenkirch et al. (2017). 9 Oder Nachrangdarlehen in einer gemischten Projektfinanzierung wo die Rangfolge eine Rolle spielt und für diese eine höhere Ausfallwahrscheinlichkeit impliziert. 10 Die fristgerechte Rückzahlung nicht einfordern zu dürfen, wenn dies zur Insolvenz führt, stellt gegenüber diesen einen Nachteil dar. Dessen Risikowirkung ist jedoch nicht eindeutig negativ, da dies auch die Erfolgsaussichten finanzierter Projekte erhöhen kann. 11 Bei gemischten Projektfinanzierungen wären sie zwar wieder riskanter als Darlehen, dies würde jedoch durch den Wegfall der Bereichsausnahme und Prospektpflichtbefreiung und den damit verbundenen höheren Anlegerschutz ausgeglichen. 7

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wird somit durch den Vorteil ausgeglichen, das unterstützte Projekt direkt auswählen und sich anderweitig darüber informieren zu können. An mindestens einer Stelle geht der zusätzliche Anlegerschutz zum Ausgleich für die Befreiung von der Prospektpflicht auffällig weit. So zielt die Anlagehöchstgrenze von 1.000 E pro Person nicht nur darauf ab, das Risiko für die Anleger durch eine Deckelung der Schadenshöhe zu begrenzen, sondern nimmt auch eine paternalistische Bevormundung bestimmter Anlegertypen vor. Führt sie dazu, dass Crowdfinanzierungs-Plattformen nur noch Anlagen unter 1.000 E anbieten, werden alle risikofreudigen Anleger, die mehr als 1.000 E in ein riskanteres, aber im Erfolgsfall lukrativeres, Projekt investieren wollen, zu ,ihrem eigenen Schutz‘ in ihren Möglichkeiten beschränkt.12 Dies gilt auch für alle Anleger, die bereit wären ein höheres Risiko zu tragen, um das unterstützte Projekt selbst auswählen zu können. Die Abschaffung der Befreiung von der Prospektpflicht müsste also eher aufgrund ihrer Kopplung an einen zu restriktiven oder zumindest falsch verstandenen Anlegerschutz gefordert werden und nicht, weil der Anlegerschutz durch die Prospektpflicht geschwächt wird. Allein aus der Überlegung Anleger vor riskanteren Anlagen stärker schützen zu müssen, kann die Forderung nach ihrer Abschaffung jedenfalls nicht abgeleitet werden. Das zweite, vermittlerzentrierte Prinzip hingegen kann diese Begründungsleistung erbringen. Es lässt sich auf die Formel „gleiches Recht für alle Anbieter gleicher Dienstleistungen“ bringen und leitet die regulatorische Behandlung von Vermittlern aus der Art ihrer Geschäftstätigkeit und den Eigenschaften der vermittelten Anlagen ab. Es würde die Bereichsausnahme und Prospektpflichtbefreiung als ungerechtfertigte Ungleichbehandlung von Crowdfinanzierungs-Plattformen und Banken ablehnen, sie aber nicht als Privilegierung ersterer werten. Von einer eindeutigen Privilegierung von Crowdfinanzierungs-Plattformen gegenüber Banken kann deshalb nicht gesprochen werden, weil die Ungleichbehandlung auch eine klare Benachteiligung letzterer in Form einer Höchstgrenze von 2,5 Mio. E pro finanziertem Projekt und 1.000 E pro Anleger einschließt. Banken mit einem breiten Produktportfolio unterliegen zwar strengeren Regeln bzgl. ihrer Organisations- und Kapitalstruktur sowie Pflichten zur Vermeidung von Interessenkonflikten, dürfen aber auch größere Projekte mit einem größeren Anlagevolumen pro Anleger unter Einsatz diverser Anlageformen abwickeln. Die allgemeine Anwendung des diskutierten Prinzips zeigt also, dass es irreführend ist, von einer doppelten Privilegierung zu sprechen, da sowohl Banken als auch Crowdfinanzierungs-Plattformen in unterschiedlichen Bereichen nicht nur privilegiert, sondern auch benachteiligt werden. Konsequent angewendet spricht das Prinzip „gleiches Recht für alle Anbieter gleicher Dienstleistungen“ aber dennoch dafür, 12 Die Affinität risikofreudiger Anleger zur Schwarmfinanzierungen legt auch eine erste empirische Studie von Hornuf/Schwienbacher (2014) nahe, die zeigt, dass eine erfolgreiche Schwarmfinanzierung wahrscheinlicher wird, wenn sie über partiarische, qualifizierte Nachrangdarlehen, d. h. in Form einer Gewinnbeteiligung im Erfolgsfall, erfolgt.

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die Bereichsausnahme und die Befreiung von der Prospektpflicht, als eine unbegründete doppelte Ungleichbehandlung abzulehnen. Die durchgeführte Analyse hat gezeigt, dass sich die regulatorische Sonderstellung nicht ohne Weiteres als Aufweichung des Anlegerschutzes oder einseitige Privilegierung interpretieren lässt. Aus einer anderen Interpretation des Anlegerschutzes und der grundsätzlichen Gleichbehandlung aller Anbieter lassen sich beide regulatorischen Ausnahmen, wie nun diskutiert, jedoch kritisieren.

IV. Neue Begründungen für Anlegerschutz und gleiche Regeln für alle Dieses Kapitel ist der Suche nach neuen Ansatzpunkten für eine stringentere Begründung der Forderungen nach mehr Anlegerschutz und einer Gleichbehandlung von Banken und Crowdfinanzierungs-Plattformen gewidmet. In Kapitel IV.1. wird vorgeschlagen, Anleger nicht vor sich selbst, sondern vor Betrug, Zwang oder den negativen Folgen der Geschäfte Dritter zu schützen und somit die Sonderstellung der Crowdfinanzierung als teilweise paternalistisch abzulehnen. In Kapitel IV.2. wird dafür plädiert, die regulatorische Ungleichbehandlung von Crowdinvesting und -lending als unfair zurückzuweisen, sofern zwei vorgeschlagene, im Beitrag nicht berücksichtigte, Gründe dafür in möglichen künftigen Analysen nicht überzeugen. 1. Schutz mündiger Anleger Der Vorstellung, Anleger müssten vor ihrer eigenen Unwissenheit und ihren eigenen Fehlern bewahrt werden, liegt ein paternalistisches Verständnis von der Rolle des Gesetzgebers zugrunde.13 Statt sie vor sich selbst schützen oder ihnen den Weg zu ihren ,wahren Präferenzen‘ zeigen zu wollen14, sollte der Anlegerschutz vielmehr von mündigen Anlegern ausgehen und darauf abzielen, diese zu einer wohlinformierten und freiwilligen Anlageentscheidung zu befähigen und die Konsequenzen zu verantworten. Risikoaffinen oder idealistischen Anlegern sollte es erlaubt bleiben auf der Suche nach hohen Renditen oder zur Verfolgung hehrer Ziele, riskante(re) Anlageformen zu wählen, sofern sie dies im Bewusstsein der Risiken sowie aus freien Stücken tun und bereit sind die entsprechenden Verluste im Falle des Misserfolgs zu tragen statt sie auf Dritte abzuwälzen.15 Ein derart begründeter Anlegerschutz führt zu ähnlichen Schlüssen wie sie im untersuchten Beitrag gezogen werden. So sollte die Prospektpflicht für die Betreiber 13

Klöhn/Hornuf (2012). Dworkin (2017). 15 Dies folgt u. a. aus dem Haftungsprinzip nach Walter Eucken (2004). 14

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von Crowdfinanzierungs-Plattformen wiedereingeführt werden, sofern dies sicherstellt, dass den Anlegern wichtige Informationen für eine fundierte Anlageentscheidung bereitgestellt werden und dass die Plattformbetreiber für fehler- oder lückenhafte Informationen und damit für mögliche Betrugsversuche oder Fahrlässigkeit haften. Dafür spricht auch, dass nicht alle Bedingungen für die Befreiung von der Prospektpflicht mit dem Ideal eines mündigen Anlegers in Einklang stehen. Insbesondere eine Anlagenhöchstsumme, die Anleger vor zu großen Verlusten bewahren möchte, ist als paternalistisch abzulehnen.16 Die Bereichsausnahme, die Crowdfinanzierungs-Plattformen von Auflagen bezüglich ihrer Organisationsstruktur und Kapitalausstattung befreit und ihnen weniger Verhaltenspflichten auferlegt, sollte mit Blick auf den Anlegerschutz besonders dann abgeschafft werden, wenn dadurch eine Täuschung der Anleger verhindert wird, die nur durch den Wegfall der Bereichsausnahme möglich ist. 2. Keine ungerechtfertigte (unfaire) Ungleichbehandlung der Anbieter Die Vorstellung Crowdfinanzierungs-Plattformen würden durch die Bereichsausnahme und Prospektpflichtbefreiung gegenüber Banken bevorzugt, blendet aus, dass sie durch die Beschränkung auf Vermögensanlagen, ein bestimmtes Projektvolumen und eine bestimmte Anlagenobergrenze auch benachteiligt werden. Die Privilegierung erfolgt also unter der Prämisse klarer Einschränkungen, die wiederum Banken privilegieren. Dennoch lässt sich aus allgemeinen Fairnessüberlegungen eine Abschaffung beider Ausnahmen ableiten. Sowohl Crowdfinanzierungs-Plattformen als auch Banken können eine faire Behandlung durch den Gesetzgeber in Form gleicher Regeln für sich reklamieren. Abweichungen von diesem fairnessbasierten Prinzip sollten nur im Fall überzeugender Gründe zulässig sein. Eine im Beitrag nicht behandelte konsequentialistische Begründung für die derzeitige Sonderstellung der Crowdfinanzierung könnte in den damit verbundenen positiven volkswirtschaftlichen Auswirkungen zu suchen sein. So könnte die Schwarmfinanzierung neu gegründeter Unternehmen, die aufgrund ihrer Größe oder ihres Gründungsstadiums ,durch die Maschen‘ des derzeitigen Banken- und Kapitalmarktsystems fallen17, den innovationsfördernden Prozess „schöpferischer Zerstörung“ befeuern, der marktwirtschaftliche Systeme so leistungsfähig macht18. Eine unberücksichtigte deontologische Begründung für den Sonderstatus der Crowdfinanzierung könnte bei der Stärkung von Anlegerrechten ansetzen, die sich aus der Möglichkeit ergibt, finanzierte Projekte direkt auswählen zu können und nicht durch eine vermittelnde Bank auswählen lassen zu müssen. Ob derartige Begründungen tragen, müsste eingehender untersucht werden. Falls nicht, wäre die 16

Klöhn/Hornuf (2012), S. 262. Bradford (2012); Klöhn/Hornuf (2012), S. 238. 18 Schumpeter (1911).

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im Beitrag geforderte Abschaffung der Bereichsausnahme und Befreiung von der Prospektpflicht für die Schwarmfinanzierung stichhaltig.

V. Fazit Der korreferierte Beitrag schafft Klarheit bezüglich der rechtstatsächlichen Ausgestaltung der Crowdfinanzierung und deren Einordnung in das System der Bankenund Kapitalmarktregulierung. Er lenkt den Blick auf Widersprüche in der regulatorischen Behandlung von Crowdinvesting/-lending und weist auf eine Ungleichbehandlung der Betreiber der entsprechenden Internetplattformen hin. Beide Aspekte werden zu Recht kritisiert, allerdings aus teilweise umstrittenen Gründen und unter der vorschnellen Annahme einer doppelten Privilegierung. Das Korreferat legt diese Mängel offen und möchte das Anliegen des Beitrags durch zwei neue Ansatzpunkte für eine stringentere Begründung voranbringen. Es zeigt auf, dass sich die Forderung nach mehr Anlegerschutz auch aus dem Ideal eines mündigen Anlegers ableiten lässt und plädiert dafür, die Ausnahmen für die Betreiber von Internetplattformen als allgemeine, unfaire Ungleichbehandlung von Banken und Crowdfinanzierungs-Plattformen abzuschaffen, sofern sich keine überzeugenden Gründe dafür finden lassen. Literatur Bradford, Steven C. (2012): Crowdfunding and the Federal Securities Laws, in: Columbia Business Law Review, 1(1), S. 1 – 150. Dworkin, Richard (2017): Paternalism, in: The Stanford Encyclopedia of Philosophy (Frühlingsausgabe 2017), E. N. Zalta (Hrsg.), zuletzt abgerufen am 10. 05. 2017. . Eucken, Walter (2004[1952]): Grundsätze der Wirtschaftspolitik, Tübingen. Gillenkirch, Robert/Kamps, Udo/Weber, Jürgen (2017): Risiko. Stichwort im Gabler Wirtschaftslexikon, zuletzt abgerufen am 10. 05. 2017, URL: . Hornuf, Lars/Schwienbacher, Armin (2014): The Emergence of Crowdinvesting in Europe. Diskussionspapier Nr. 2014-43 der Volkswirtschaftlichen Fakultät der Ludwig-MaximiliansUniversität München. Klöhn, Lars/Hornuf, Lars (2012): Crowdinvesting in Deutschland. Markt, Rechtslage und Regulierungsperspektiven, in: Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft, 24(4), S. 237 – 320. Schumpeter, Joseph Alois (1911): Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung. Leipzig: Duncker & Humblot. Wilhelmi, Rüdiger (2017): Crowdfinance. Strukturen und Regulierung, in diesem Band.

Crowdfinanzierung aus normativer Sicht – Korreferat zu Rüdiger Wilhelmi – Von Joachim Wiemeyer

I. Einleitung Unter Crowdfinanzierung kann man allgemein verstehen, dass ein Projekt durch eine Vielzahl von Gebern („einen Schwarm“) finanziert wird. Bestimmte Vorhaben durch eine breite Gruppe von Geldgebern zu finanzieren, ist im gemeinnützigen Raum durch kirchliche Spendenprojekte (z. B. Finanzierung eines Kirchbaus) schon lange bekannt. Im kommerziellen Bereich waren solche Zusammenschlüsse gemeinschaftlicher Kapitalaufbringung etwa Genossenschaften1 im 19. Jh., mit denen gemeinsam z. B. die Weiterverarbeitung von Agrarprodukten (z. B. Winzeroder Molkereigenossenschaft) oder der Bau von Wohnungen finanziert wurden. Während solche traditionellen Formen der Gruppenfinanzierung eher regional gebunden waren, viele Finanziers sich untereinander kannten und bei lokalen Projekten die Mittelverwendung unmittelbar (z. B. Baufortschritt) überprüfen konnten, zeichnen sich die modernen Projekte dadurch aus, dass ihnen keine „face-to-face“-Beziehungen zugrunde liegen, sondern moderne Kommunikationsmittel über internetbasierte Dienste genutzt werden. Zwischen Projektinitiatoren und Geldgebern ist üblicherweise eine Internetplattform zwischengeschaltet. Lediglich diese moderne Form der Gruppenfinanzierung wird im Folgenden näher betrachtet. Zunächst werden im ersten Schritt verschiedene Typen näher beschrieben. Im zweiten Schritt werden Funktionsbedingungen der Crowdfinanzierung benannt. Im dritten Schritt wird dann auf sozialethische Herausforderungen eingegangen, indem positive und negative Faktoren (Risiken und Chancen) gegeneinander abgewogen werden, bevor dann ein Fazit gezogen wird.

1

Vgl. Dellinger (2014).

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II. Typen der Crowdfinanzierung Bei den Typen reicht das Spektrum von reiner Spende bis hin zur Kapitalbeteiligung aus Gewinnerzielungsabsicht.2 Eine erste Form ist das gemeinnützige Crowdfunding (Donation-Based-Crowdfunding). Es handelt sich um einen neuen Weg der Spendenwerbung. Kulturelle, soziale und andere gemeinnützige Projekte werden im Internet vorgestellt und bei potentiellen Gebern beworben, um Spenden zu akquirieren. Die Geber wissen, dass sie ihr Geld nicht zurückerhalten werden. Sie erwarten aber, dass das angekündigte gemeinnützige Projekt tatsächlich realisiert wird. Das Anpreisen über das Internet ist damit ein neuer Weg der Spendenakquise, um potentielle Geldgeber besser ansprechen zu können bzw. ein höheres Spendenvolumen zu generieren. Eine zweite Form ist die Kapitalbeschaffung für ein gesellschaftliches Reformprojekt (Reward-Based Crowdfunding).3 Beispielhaft wäre hier der Erwerb eines Bauernhofs und seine anschließende Umwandlung zu einem Biohof mit artgerechter Tierhaltung und ökologischem Landbau zu nennen. Die Geldgeber gewährleisten dem oder den Initiatoren, die zum Erwerb und für die längere Umstellungszeit einen hohen Kapitalbedarf haben, das notwendige Startkapital. Es wird den Geldgebern aber keine Verzinsung versprochen, sondern die Geldgeber können Naturalien (Eier, Gemüse etc.) erhalten. Ein solches Projekt über Crowd zu finanzieren, hat den Vorteil, dass man für seine Produkte bereits einen Kreis potentieller Abnehmer gefunden hat. Der Erfolg hinreichender Kapitalaufbringung kann damit bereits einen wichtigen Teil des gesamten Projekterfolgs (neben der effizienten Produktion), nämlich den Absatz sichern. Diese Effekte der Aufmerksamkeitserzielung und der Netzwerkbildung können Crowdfinanzierung auch bei rein kommerziellen Projekten in einer Gründungsphase nahelegen.4 Eine dritte Form der Kapitalaufbringung liegt in der Kreditvergabe an ein Unternehmen (Peer-to-Peer-Lending). Einer solchen Finanzierung über eine Kreditplattform bedienen sich üblicherweise kleinere Unternehmen, die noch nicht lange im Markt vertreten sind und für ihr Geschäftsmodell zusätzliches Kapital benötigen, um (weiter) zu wachsen. Dabei können sie sich noch in der Verlustphase der Gründung befinden oder bereits die Gewinnschwelle erreicht haben. Die Darlehnsgeber erhalten einen höheren Zins als mit einer risikolosen Geldanlage bei einer Bank. Aufgrund der im Internet bereitgestellten Informationen haben sie das Geschäftsmodell sowie die Wachstumsaussichten des Unternehmens positiv beurteilt. Ebenso sind sie von dem Produkt oder der Branche überzeugt. Im Gegensatz zur Anlage bei einer Bank wissen sie, wo ihr Geld investiert wird. Das Unternehmen kann über eine Kre2

Vgl. Europäische Kommission (2015), Crowdfunding kurz erläutert. Ein Leitfaden für kleine und mittlere Unternehmen, 2015 sowie Löher u. a. (2015), S. 5 f. (Tabelle 1). Zu der näheren rechtlichen Ausgestaltung: Wilhelmi (2017). 3 Vgl. EU-Kommission (2015), S. 16. 4 Vgl. Löher u. a. (2015), S. 7 f. u. S. 11.

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ditplattform Geld erhalten, das ihr Banken möglicherweise nicht gewähren, weil ihnen das Risiko zu hoch erscheint. Weiterhin kann es für risikobereite Unternehmer als vorteilhaft erscheinen, wenn man nicht von einem Kreditgeber (Hausbank), der alle Zahlungseingänge fortlaufend überwacht, kontrolliert werden kann. Für die Unternehmen besteht aber das Risiko, dass ihre Geschäftsidee, wenn sie diese zu detailliert auf einer Kreditplattform anpreisen, von anderen (mit mehr Kapitalmacht und Managementkapazität ausgerichteten Unternehmen) kopiert wird.5 Dieses ist mit Blick auf den Kapitalumfang die bisher bedeutsamste Form der Schwarmfinanzierung. Es gibt sie auch als Form der Kreditvergabe an Privatpersonen (bekannt: auxmoney). Letztere wird hier nicht weiter betrachtet. Eine vierte Form der Finanzierung besteht in einer Kapitalbeteiligung (EquityBased-Crowdfunding).6 Die Kapitalgeber werden unmittelbar am unternehmerischen Erfolg des Unternehmens beteiligt. Dabei wird üblicherweise eine Beteiligungsform gewählt, die den Crowdfinanziers kein Recht einräumt, in der Geschäftspolitik mitzusprechen. Diese Form kann für das Unternehmen einen erheblichen administrativen Aufwand bedeuten, wenn man regelmäßig mit einer Vielzahl von Personen kommunizieren muss. Im Vergleich zu anderen möglichen Beteiligungsgebern (Business Angels, Venture Capital-Gesellschaften) kann der oder die Unternehmensleiter zwar Mitsprache Fremder vermeiden, aber auch nicht von der wirtschaftlichen Erfahrung eines unternehmerisch kompetenten Kapitalgebers profitieren. Die Crowdfinanziers gehen hohe Risiken bis hin zum Totalverlust ein. In einer der wenigen empirischen Untersuchungen wurde festgestellt, dass 10 % der investierten Mittel verloren gingen. Bei jungen Unternehmen stieg die Verlustquote auf 20 %.7 Die über Crowdinvesting finanzierten Unternehmensgründungen hatten aber eine höhere Überlebensrate als andere Neugründungen. Sowohl für die Finanziers wie für das Unternehmen können sich Probleme ergeben, wenn Eigner aussteigen wollen. Dies wäre bei einer Börsennotierung einfach. Ein Equity-Based-Crowdfunding ist aber billiger als eine Börsennotierung, weil für letztere hohe Anforderungen bei einer Börsenemission (Börsenprospekt) vorgeschrieben sind. Solche Finanzierungsformen finden über die ca. 80 in Deutschland bestehenden Crowfundingplattformen statt, die bei Erfolg Provisionen von 5 – 10 % der eingesammelten Summen in der Regel allein von den Kapitalnehmern 8 erhalten, aber für Unternehmen wie Geldgeber eine Informationsfunktion übernehmen, wenn sie unter den Geldnachfragern selektieren. Ihre ökonomische Leistung besteht in der Selektions-, Informations- und Mittlerfunktion. Sie sammeln das Geld und leiten es erst dann weiter, wenn die angestrebte Summe aufgebracht worden ist. Wenn sich 5

Vgl. EU-Kommission (2015), S. 10. Eine empirische Untersuchung findet man bei Löher u. a. (2015). 7 Vgl. Löher u. a. (2015), S. 30. 8 Vgl. Löher u. a. (2015), S. 7.

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nicht genug Geber finden, wird es zurückgezahlt. Nach ca. 3 Monaten waren aber ca. 90 % der Unternehmensfinanzierungen erfolgreich. Das Gesamtvolumen wurde, einschließlich Crowdfunding von Spenden und Ausleihen an Verbraucher, auf 272 Mill. Euro im Jahr 20159 geschätzt, davon macht das Verleihen bzw. das Investieren in unternehmerische Aktivitäten weniger als die Hälfte aus.

III. Vertrauen als Voraussetzung des Funktionierens von Crowdfinanzierung In der Sharing-Economy10 scheuen sich bis zu 80 % der Bevölkerung Gebrauchsgegenstände (Auto, Wohnung) mit anderen zu teilen, weil sie reinen Internetkontakten misstrauen. Dies gilt analog natürlich auch für Crowdfinanzierung. Das Vertrauen (z. B. bei Plattformen für Privatkäufe) wird durch die beidseitige Bewertung früherer Kunden geschaffen. Dies erschwert natürlich den ersten Markteintritt bei Crowdfinanzierung. Bei der traditionellen Gruppenfinanzierung auf lokaler Ebene kannten die Geldgeber Initiatoren und Verantwortliche und konnten ihnen vertrauen, dass ihre Investitionen nicht durch Veruntreuung zweckentfremdet werden. Vertrauen ist also für eine kollektive Mittelaufbringung zentral. Wenn die lokale soziale Kontrolle bei der Crowdfinanzierung über Internetplattformen nicht mehr gegeben ist, stellt sich die Frage, wie Vertrauen der Geldgeber in die Geldnachfrager aufgebaut bzw. gerechtfertigt werden kann. Beim Crowdfunding müssen die Spender die Sicherheit haben, dass der überwiegende Teil der Mittel tatsächlich dem Projekt zugutekommt und nicht für Verwaltung und Werbung verwendet werden. Hundert Prozent Projektverwendung ist aber unseriös, weil entweder eine konkrete Projektplanung und -auswahl fehlt oder z. B. bei Projekten in der Dritten Welt keine genaue Projektabrechnung stattfindet. Bei gemeinnützigen Projekten, die von den Gebern selbst genutzt werden, ist häufig eine regionale Nähe gegeben und eine nachträgliche Überprüfung möglich, ob die Ziele erreicht werden. Ein Fehlschlag, etwa ein Konkurs durch Fehlkalkulation oder aber Betrug, kann nicht ausgeschlossen werden. Bei der Unternehmensfinanzierung per Kredit oder stiller Beteiligung stellt sich ebenfalls das Kontrollproblem. Dabei hat die Kreditplattform eine gewisse Selektionsfunktion. Wenn es sich um eine länger tätige Plattform handelt, die bereits verschiedene Kredite und Beteiligungen vermittelt hat, kann wiederum ein Ranking von Plattformen (Anzahl/Anteil der Zahlungsausfälle) ein Indikator sein. Die Plattform wiederum kann Know-how entwickeln, um eine Vorselektion derjenigen Un9

Vgl. Crowdfunding (2017a). Jonas Repschläger u. a. (2015).

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ternehmen vorzunehmen, die auf ihrer Plattform für eine Crowdfinanzierung beworben werden. Da die Plattform Provisionen für die Vermittlung von Krediten und Beteiligungen vornimmt, besteht aber kurzfristig ein Interessenskonflikt zwischen hohen Provisionseinnahmen und einer strengen Prüfung, bevor die beworbenen Unternehmen auf der Plattform freigeschaltet werden.11 Falls eine Plattform auf Dauer angelegt ist, kann das langfristige Interesse an einer hohen Reputation im Markt der kurzfristigen Gewinnerzielung durch Provision entgegenwirken. Wenn eine echte Prüfung des Unternehmens durch Plattformen stattfindet, ist zu fragen, wo der Kostenvorteil für Unternehmen gegenüber einem Bankkredit liegen soll. Können Geldgeber höhere Habenzinsen erzielen, während Kreditnehmer niedrigere Sollzinsen zahlen müssen?

IV. Sozialethische Aspekte der Crowdfinanzierung 1. Gesellschaftliche Vorteile Möglichkeiten der Crowdfinanzierung liegen darin, dass bei wohltätigen und innovativen sozialen Projekten die Chancen verbessert werden, schneller und umfangreicher Kapital zu erhalten, als dies auf herkömmlichem Wege bisher möglich war. Dadurch können sich innovative Projekte nun schneller verbreiten. Für sozialbewusste Kreditgeber besteht die Möglichkeit, dass sie kontrollieren können, in welche Branche, Produkte oder Unternehmen ihr Geld investiert wird. Sie können damit ausschließen, dass Banken oder andere Finanzintermediäre ihr Geld in Projekte investieren, die ihren Wertvorstellungen widerstreiten. Außerdem haben risikobereite Anleger die Chance, sich frühzeitig (z. B. bevor es börsennotierte Unternehmen gibt) in ganz neuen Produkten und Branchen zu engagieren, die zwar ein hohes Verlustrisiko aufweisen, andererseits aber auch die Perspektive auf überdurchschnittliche Verzinsung bzw. Gewinnanteile bieten. Besonders innovative Unternehmer, deren Geschäftsidee herkömmlichen Geldgebern als abstrus, illusionär, abwegig o. ä. erscheint, haben über diesen Weg jenseits aller Bedenken und Skepsis die Möglichkeit zu beweisen, dass vermeidliche „Spinnerei“ trotzdem funktioniert. Echte Innovationen haben größere Realisierungschancen. Außerdem kann die Nutzung des Internets ggf. dazu führen, dass die Transaktionskosten, die bisher bei den Banken anfallen, über Kreditplattformen geringer sind, so dass Darlehensgeber höhere und Darlehensnehmer niedrigere Zinsen zahlen müssen. Es stellt sich allerdings die Frage, weshalb etablierte Banken solche Plattformen nicht selbst betreiben oder in ihr Geschäftsmodell übernehmen sollten. Etablierte Banken könnten durch höhere Regulierungsanforderungen, die Finanzierung eines 11

Vgl. Lenz (2015).

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„Wasserkopfs“ (Vorstandsgehälter und Zentralverwaltung), Gefahr von Reputationsverlusten bei Fehlschlägen, die Imageverluste für die Großorganisation bedeuten, daran gehindert sein. 2. Risiken der Crowdfinanzierung Aus Sicht der Kapitalanleger gibt es das erste Problem, dass sie erhebliche Zeit aufwenden müssen, um sich um die Verwendung ihres Geldes zu kümmern. Während sie bei Banken oder Fonds größere Summen (100.000 Euro) risikolos anlegen können und automatisch einmal im Jahr ihre Auszahlung erhalten oder gar Staatsanleihen mit Laufzeiten von zehn und mehr Jahren erwerben können, müssen sie sich umfangreich informieren, bevor sie ihr Geld über Crowdfinanzierung anlegen. Wegen einer Risikostreuung müssen sie auch eine Vielzahl von Anlagealternativen beachten. Weiterhin müssen sie regelmäßig verfolgen, ob Zinsen und Rückzahlungen bei der Vielzahl der Anlagen pünktlich erfolgen. Außerdem dürfte es schwierig sein, Darlehen bei einem ungeplanten Liquiditätsbedarf vorfristig zurückzuerhalten oder weiterveräußern zu können bzw. für stille Beteiligungen an Firmen Käufer zu finden. Aufwand und Risiken sind größer als bei herkömmlichen Geldanlagen. Moderne Gesellschaften sind auf Komplexitätsreduzierung angewiesen. Eine erste Komplexitätsreduktion besteht in der Demokratie, die ermöglicht, dass sich die mehrheitlichen Wertvorstellungen (z. B. über gerechte Arbeitsbedingungen) in der Rechtsordnung niederschlagen. So kann z. B. ein gesetzlicher Mindestlohn sichern, dass man sich weder als Kapitalanleger noch als Konsument im Inland Gedanke machen muss, dass jemand ein zu geringes Einkommen erhält. Analoges gilt für Umweltvorstellungen und andere Regulierungen des Gemeinwohls. Weiterhin kann die Komplexitätsreduktion auch durch kommerzielle oder gesellschaftliche Angebote stattfinden. Um sich nicht um Einzelprojekte einer ethischen Geldanlage kümmern zu müssen, kann man z. B. einen Ethik- oder Nachhaltigkeitsfonds kaufen, der in seinen Anlagerichtlinien den eigenen Wertvorstellungen entspricht. Wenn man für die Dritte Welt spenden will, braucht man dies nicht für 10 und 20 Einzelprojekte tun, sondern kann für ein – vertrauenswürdig erscheinendes – Hilfswerk spenden. Durch das Spendensiegel wird wiederum darüber informiert, ob hinreichende Transparenz und sachgerechte Mittelverwendung gegeben sind. Bei Krediten oder Investitionen bei kommerziellen Anbietern besteht die Gefahr, dass die Umsatz- und Gewinnprognosen nicht aufgehen.12 Es gibt aus der Vergangenheit in der Bundesrepublik eine Vielzahl von gescheiterten Anlagemodellen des „grauen Kapitalmarktes“ (Immobilien-, Schiffs-, Film-, Windenergiefonds), bei denen die Prognosen nicht aufgegangen sind, die Initiatoren wie die Vertriebspartner aber sichere Renditen erzielt haben. Ein Risiko ist die Insolvenz einer CrowdfundingPlattform, die zunächst das Geld der „Crowd“ eingesammelt hat, bevor es weiterge12

Vgl. zur Problematik des Anlageschutzes: Lenz (2015).

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leitet wurde. Auch kann sie im Laufe der Zeit insolvent gehen, so dass die Abwicklung (Zahlungen, Tilgungen an die „Crowd“) nicht mehr gewährleistet ist. Weiterhin sollten die Plattformen sicheren Datenschutz gewährleisten. Darüber hinaus hat es in diesem „grauen Kapitalmarkt“, sei es durch Misswirtschaft und Inkompetenz, sei es durch kriminelles Handeln wie Betrug und Unterschlagung, Milliardenverluste gegeben. Bei „stillen Beteiligungen“ sind zwar Crowdfinanziers in die Haftung einbezogen und ein Totalverlust des eingesetzten Kapitals ist möglich, gesellschaftsrechtliche Mitentscheidungsrechte stehen ihnen aber nicht zu. Allerdings wurde bisher bei der Mehrheit der Crowdfinanzierungen unter 1.000 Euro investiert, die Mehrzahl des Kapitals wurde von Gebern zwischen 1.000 und 5.000 Euro aufgebracht.13 Die Verluste von Anlegern beliefen sich lediglich auf 895 Euro pro Anleger.14 Umgekehrt stellt sich bei erfolgreichen Beteiligungen die Frage, wie diese von den Anlegern in einigen Jahren zu einem marktgerechten Preis, der fair ermittelt wird, liquidiert werden kann.

V. Fazit Wenn man sich das bisherige Volumen der verschiedenen Arten von Crowdfinanzierung ansieht, ist der Umfang marginal. Dies gilt in gesamtwirtschaftlicher Hinsicht, weil aufgrund der Ersparnisse in Deutschland jährlich 230 Mrd. Euro neu angelegt werden. Das gesamte Marktvolumen für Crowdinvesting betrug 2016 lediglich 63,8 Mill. Euro15 (also 0,77 Euro pro Einwohner in Deutschland), davon Immobilien 40,3 Mrd., Unternehmen 18,8 Mill. und grüne Energieprojekte 4,8 Mill. Dies war eine Steigerung zum Vorjahr um 39 %, wobei allerdings der Schwerpunkt im Immobilienbereich lag. Dies gilt für viele Einzelprojekte, die teilweise unter 100.000 Euro liegen, teilweise die Millionengrenze erreichen. Wenn aber tausend Anleger benötigt werden, um eine Millionen aufbringen zu können, liegt das durchschnittliche Volumen lediglich bei tausend Euro pro Anleger. Eine Beschäftigung mit dem Phänomen, besonders durch eine gesetzliche Regulierung, bedeutet, mit „Kanonen auf Spatzen“ zu schießen. Das marginale Volumen zeigt, dass potentiellen Geldgebern die Risiken bekannt sind. Es wird wohl niemanden in Deutschland geben, der seine Altersversorgung durch Investitionen in Crowdfinance aufbaut und daher aus sozialethischer Sicht besonders schutzbedürftig ist. Auch ist bisher kein Fall bekanntgeworden, dass Personen für Investitionen Kredite aufgenommen haben, sie in Crowdfunding investiert haben und wegen des Misserfolgs Privatinsolvenz anmelden mussten. Zwar ist es wegen des Datenschutzes schwierig, Investoren zu befragen. Es gibt aber Indizien dafür, 13

Vgl. Löher u. a. (2015), S. 13. Vgl. Löher u. a. (2015), S. 27. 15 Crowdinvesting-Marktreport (2017). 14

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dass vor allem Männer aus der Finanzbranche bzw. Personen, die z. B. im IT-Bereich über Branchen- und Produktkenntnisse verfügen, „Spielgeld“ angelegt haben. Die verschiedenen Formen der Crowdfinanzierung haben den sozialen Sinn, Innovationen verbreiten zu lassen und ihre Durchführung zu finanzieren. Je grundlegender eine Innovation ist, desto stärker erscheint auch das Risiko und die Möglichkeit des Scheiterns. Eine zu starke Regulierung könnte eher Innovationen bremsen als tatsächlich schutzbedürftige Personen vor Verlusten zu bewahren, zumal diejenigen, die in Finanzskandalen geschädigt wurden, die falsche Geldanlage eher aufgrund persönlicher Beratung (z. B. in ihrer Bank) getätigt haben. Die Witwe jenseits von 70, bei der sich der Mann bisher um das Geld gekümmert hat, wird nach seinem Tod ja nicht auf einmal im Internet surfen, um in Crowdplattformen Geld zu investieren. Wenn man die Motive zur Crowdfinanzierung betrachtet, so kann es sein, dass der Wille zur Spekulation den treibenden Faktor darstellt. Damit wäre Crowdfinanzierung dann, neben dem Kauf von Währungen, Aktien, Gold, Investmentfonds etc., ein zusätzliches Spekulationsobjekt. Als solches kann diese Anlagemöglichkeit auch mit Lottospielen und Casinobesuchen verglichen werden. Deutsche geben für Lotto/Toto, Spielbankbesuche etc. mehr als 30 Mrd. Euro aus. Darüber hinaus sind jedoch weitere Motive für Crowdfinanziserung denkbar. So kann es sein, dass jemand spenden oder in nachhaltige Projekte (etwa Hilfsprogramme in der Dritten Welt oder Anstrengungen zur Vermeidung von CO2,) investieren will, bei denen die Rendite zweit- oder drittrangig ist. Zu einer freien Gesellschaft gehört es, nach der Last von Steuern und Sozialabgaben sein Geld selbst verwenden zu können. Das Kernproblem im Finanzsektor besteht eher darin, dass Institutionen wie Volksbanken und Sparkassen gezielt Fehlanreize zu Lasten der Kunden16 gesetzt haben, die ökonomisch wenig gebildet sind und daher nicht über größere Ersparnisse verfügen. Hier sei beispielhaft die Einführung von erfolgsbezogenen Vergütungsbestandteilen an Bankmitarbeiter genannt. Dies betrifft Millionen von Menschen in Deutschland, wogegen bisher in der Crowdfinanzierung vielleicht rund 30 000 Menschen aktiv investiert haben. „Einstweilen dürften Schwarmfinanzierungen daher ein auf einzelne Marktnischen beschränktes Geschäft bleiben.“17 Diese Bewertung im Blick warnt daher die Monopolkommission im Gegensatz zu Wilhelmi18zu Recht vor einer innovationsfeindlichen Überregulierung.

Literatur Crowdinvesting-Marktreport (2017): Überblick über den deutschen Crowdinvestment-Markt 2016, 02. 02. 2017, URL: http://www.crowdfunding.de/crowdinvesting-marktreport-2016/, zuletzt geprüft am 3.4.17. 16

Vgl. Monopolkommission (2016) Tz. 1348. Vgl. Monopolkommission (2016) Tz. 1393. 18 Vgl. Wilhelmi (2017). 17

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Crowdfunding (2017a): Entwicklung auf dem Crowdinvesting Markt 2017, URL: http://www. crowdfunding.de/marktdaten/, zuletzt geprüft am 3. 4. 2017. Dellinger, Markus (2014): Genossenschaften als Instrument für Crowdfunding, Vorträge und Aufsätze des Forschungsvereins für Genossenschaftswesen Heft 38, Wien. Europäische Kommission (2015): Crowdfunding kurz erläutert. Ein Leitfaden für kleine und mittlere Unternehmen. Lenz, Rainer (2015): Konsumentenschutz im Crowdfunding, in: Oliver Gajda, Karim Serrar und Frank Schwarz (Ed.): Crowdfunding Jahrbuch 2015. Löher, Jonas/Schell, Sabrina/Schneck, Stefan/Werner, Arndt/Moog, Petra (2015): Unternehmensgründungen und Crowdinvesting, Institut für Mittelstandsforschung, Materialien 241, Bonn 2015. Monopolkommission (2016): XXI. Hauptgutachten. Repschläger, Jonas/Zarnekow, Rüdiger/Meinhardt, Nils/Röder, Christoph/Pröhl, Thorsten (2015): Vertrauen in der Share Economy Studie. Analyse von Vertrauensfaktoren für Online-Profile, Research papers in information systems management Bd. 15, TU-Berlin. Wilhelmi, Rüdiger (2017): Crowdfinance – Strukturen und Regulierung, in diesem Band.

Neue Governance Strukturen für die Sharing Economy Von Eric Meyer und Theresia Theurl

I. Einleitung Mit der sogenannten Sharing Economy werden mittlerweile zahlreiche Geschäftsmodelle in Verbindung gebracht. Dieses reicht von den bekannten Beispielen Uber und Airbnb, die Transport- und Übernachtungsmöglichkeiten zwischen Privaten vermitteln, über Cloud-Computing-Angebote bis zu unternehmerischen SharingAngeboten, die gemeinsam Kapitalgüter nutzen. Auch wenn um diese Form der Güternutzung aktuell ein regelrechter Hype entstanden ist, darf dieses nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Idee der gemeinsamen Güternutzung eine lange Tradition hat. Diese geht Jahrhunderte zurück auf die Idee der (landwirtschaftlichen) Genossenschaften, die ebenfalls gemeinsame Investitionen für ihre Mitglieder tätigten, die für jedes einzelne Mitglied unerschwinglich und unwirtschaftlich gewesen wären. Manche Autoren zählen auch das Crowd Funding oder das Crowd Investing zum Bereich der Sharing Economy. Folgte man diesen, so wären auch die ersten Genossenschaftsbanken Teil einer solchen Sharing Economy, die lokale Kreditnachfragen mit dem zur Verfügung stehenden Geld zusammenbrachten. Interessanterweise ging es auch hier um die Auslastung von Kapital (hier: finanziellem Kapital) und um eine Informationsintermediation, die durch diese Genossenschaftsbanken sehr viel besser durchgeführt werden konnte. Die Idee eines Teilens ist also keineswegs so neu, wie es der aktuelle Hype vorzugeben versucht. Umso wichtiger ist es, den (ökonomischen) Kern der aktuellen Sharing Economy herauszuarbeiten, um auf dieser Basis zu untersuchen, ob und wo sich Governance-Herausforderungen ergeben und wie diesen begegnet werden kann. Im folgenden zweiten Abschnitt werden deshalb einige ökonomische Aspekte der Sharing Economy untersucht. Als wesentlich wird sich dabei erweisen, dass Angebot und Nachfrage von Leistungen auf sehr viel mehr Marktteilnehmer ausgeweitet werden, die bislang eher als Leistungs- und Güterkonsumenten klassifiziert worden wären. Kapitel drei identifiziert dann drei Handlungsbereiche, die für die Governance der Sharing-Economy wesentlich sind. Schließlich werden dann in Kapitel vier einige mögliche Lösungsansätze vorgestellt.

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II. Eingrenzung und Abgrenzung der Sharing Economy 1. Definitionsversuche und Abgrenzungen Es ist mittlerweile eine gute Tradition in Beiträgen zur Sharing Economy zunächst einmal festzustellen, dass es keine eindeutige und allgemeingültige Definition des Begriffes „Sharing Economy“ gibt, um dann doch eine genau solche Definition zu versuchen. Dieser Tradition folgt auch dieser Beitrag. Mit der Etablierung des Begriffs der „Sharing Economy“ wird häufig auch eine ideologische Überhöhung verbunden, die bei genauerer ökonomischer Betrachtung so nicht gerechtfertigt ist. So verbinden manche mit der Sharing Economy eine neue Art des Wirtschaftens, die sie als Alternative zum Kapitalismus zu positionieren versuchen. Es wird betont, dass in Zukunft die Nutzung im Vordergrund stehen wird, wofür ein Eigentum an den genutzten Gütern nicht erforderlich sei. Dieses übersieht jedoch geflissentlich, dass irgendjemand schon noch Eigner dieser Güter sein wird müssen. Das Teilen der Güter für die Nutzung wird hier nicht auf ein individuelles Gewinnstreben zurückgeführt, sondern mit einem Streben nach Gemeinschaft und gemeinschaftlichem Erleben verbunden. Es wird der „kollaborative Konsum“ moralisch erhöht und in Gegenposition zu einem individualistischen Konsum gebracht. Eine stringente Herleitung dieser Begründung fehlt jedoch regelmäßig. Außerdem wird nicht begründet, wie und warum damit eine stabile Form des Wirtschaftens etabliert werden kann. Die bisherigen historischen Beispiele einer Sharing Economy weisen klar auf die individuellen Ziele beim Zusammenwirken hin, so dass für solch eine Gegenpositionierung wenig Evidenz vorliegt. Setzt man zur Definition am Wort „sharing“ an, so ergibt sich sehr leicht ein Teil der Begriffsbestimmung der Sharing Economy, es geht um das Teilen von Gütern. Hier ist nun zu präzisieren, um welche Art von Gütern es sich handelt und welche Formen das Teilen annehmen kann. Bei den Konsumgütern wird zwischen Gebrauchs- und Verbrauchsgütern unterschieden. Verbrauchsgüter werden durch den Konsum verbraucht. Ein Teilen dieser Güter ist nicht möglich. Selbst wenn man große Mengen solcher Verbrauchsgüter ordert, so können diese bzw. Teilmengen davon zwar an andere weiterverteilt werden, was jedoch einem Verkauf oder dem Verschenken gleichkommt. Eine weitere Nutzung durch den ursprünglichen Käufer kann also nicht mehr erfolgen. Deshalb können nur Gebrauchsgüter Teil der Sharing Economy sein, die auch nach der Nutzung durch Dritte prinzipiell dem ursprünglichen Eigentümer zur Verfügung stehen. Dieses schließt nicht aus, dass auch Gebrauchsgüter bei der Nutzung einem Verschleiß unterliegen können, was unter den Aspekten der verbesserten Ressourcennutzung von Bedeutung sein wird. Ein solcher Verschleiß ist quasi inexistent bei digitalen Gütern, die sogar problemlos vervielfältigt werden können, oder auch bei der Nutzung der Rechnerkapazitäten. Andere Gebrauchsgüter unterliegen jedoch einem stetigen Verschleiß, so dass entsprechende Instandhaltungsmaßnahmen ergriffen werden müssen. Eine Ressourcenschonung kommt hier also nur in Betracht, wenn durch die intensivere Nutzung dieser

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Güter in der Sharing Economy verhindert wird, dass Güter nach ihrer Nutzung verschrottet werden, die prinzipiell technisch noch einer weiteren Nutzung zur Verfügung stünden, nun aber als veraltet gelten oder aus anderen Gründen nicht genutzt werden, obwohl dieses technisch noch möglich wäre. Als weiteres Problem der Güterunterscheidung tritt hinzu, dass in der Sharing Economy die Gebrauchsgüter des Konsums (zumindest teilweise) zu Investitionsgütern mutieren. Investitionsgüter zeichnen sich dadurch aus, dass sie als Bestandsgrößen zur Produktion von Leistungen genutzt werden. Dieses geschieht auch mit den Gebrauchsgütern des Konsums, wenn sie in der Sharing Economy zur Gewinnerzielung oder zumindest zur Erwirtschaftung von Deckungsbeiträgen eingesetzt werden. D. h. in der Sharing Economy wird auch die Unterscheidung zwischen den Gebrauchsgüter des Konsums und den Investitionsgütern der Produktion zunehmend undeutlich und hängt von der jeweiligen Nutzungsart im Einzelfall ab. Das Teilen selbst kann auch zwei unterschiedliche Formen annehmen. Zum einen ist ein gemeinschaftliches Eigentum an einem Gut denkbar. D. h. man hat ein geteiltes Eigentum, bei dem nur die Gruppe über das Gesamteigentum verfügt. Dieses reflektiert die klassische genossenschaftliche Lösung. Entsprechend gilt es, Lösungen für das Nutzungsrecht des Einzelnen an diesem gemeinschaftlichen Gut zu entwickeln und zu definieren. In der Sharing Economy wird das Teilen jedoch meist interpretiert als Überlassung temporärer Nutzungsrechte an einem Gut wie es z. B. bei der Vermietung geschieht. Wesentlich ist, dass es für das genutzte Gut nur einen Eigentümer gibt, der dieses gegen Gebühr anderen zur Nutzung zur Verfügung stellt. Die Vermietung von Gütern ist keinesfalls eine neue Erscheinung. Sie geschieht regelmäßig in der normalen Wirtschaft, wo spezielle Anbieter ihre Güter zur Nutzung an andere vermieten. Man denke hier an die Autovermietung oder die temporäre Nutzung von Fahrzeugen bei Taxifahrten. Die Sharing Economy hebt jedoch insbesondere darauf ab, dass es keine professionellen Eigentümer dieser Gebrauchsgüter sind, die diese zur temporären Nutzung anbieten und vermieten. Vielmehr sind es Privatpersonen, die temporär ihre Gebrauchsgüter Dritten zur Verfügung stellen. Es geht also um sogenannte Peer-to-peer-Geschäft (P2P-Geschäfte), die im Fokus der Betrachtung stehen, so dass die Privatpersonen eine ökonomische Hybridstellung einnehmen. Professionellen Anbietern bleibt es dabei unbenommen, ihre Produkte und Dienstleistungen ebenso auf diesen Plattformen anzubieten, sofern die dortigen Konditionen mit ihrem Geschäftsmodell vereinbar wären. Daneben kann es natürlich auch Mischformen des gemeinschaftlichen Eigentums und der gemeinschaftlichen Nutzung von Eigentum geben. So kann das gemeinschaftliche Eigentum ebenfalls an die Mitglieder vermietet werden, dieses geschieht auch regelmäßig so, wenn dieses gemeinschaftliche Eigentum nur mittelbar besteht, z. B. wenn mehrere Personen Eigentümer einer Gesellschaft sind, in deren Eigentum sich dann das zu nutzende Gut befindet. Hier können zusätzliche vertragliche Konstruktionen in Form eines Mietverhältnisses angezeigt sein, so dass es zu einer entsprechenden Mischform kommt.

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2. Eigentumsrechte und die Nutzung von Produktionskapazitäten Ein wesentlicher Treiber der Sharing Economy ist eine differenziertere Sichtweise der Eigentumsrechte, die an Gebrauchsgütern bestehen können. Die Institutionenökonomik unterscheidet relativ grobschlächtig fünf unterschiedliche Arten von Eigentumsrechten: das Recht zur Nutzung des Gutes, das Recht zur Änderung des Gutes, das Recht der Gewinnerzielung mit dem Gut, das Recht der Weitergabe des Gutes oder der Rechte, das Recht des Weiterverkaufs des Gutes.1 Diese sehr grobe Einteilung ist für die Entwicklung der Sharing Economy nicht wirklich hilfreich. In den meisten Fällen geht es um ein einfaches Nutzungsrecht, das dem Nachfrager eingeräumt wird. Das Recht zur Änderung des Gutes wird wohlweislich ausgeschlossen, denn wer möchte z. B. nach der Vermietung seiner Wohnung diese mit neugestalteten Wänden und Möbeln wiederfinden. In dem speziellen Teil der digitalen Wirtschaft, die unter bestimmten Bedingungen auch als Teil der Sharing Economy aufgefasst werden kann, kann das Recht zur Änderung des Gutes jedoch wesentlich sein und dem Nutzer eingeräumt werden. Bei Software-Produkten, die verlustfrei kopiert werden können, ist es möglich, Änderungen des Codes durch den Nutzer zuzulassen, um die Software weiterzuentwickeln. Dieses findet sich zum Beispiel häufig bei Open Source Projekten wieder, wo genau diese Änderungen nötig und gewünscht sind. Die Weitergabe oder gar der Verkauf des Gutes hingegen ist regelmäßig weitgehend irrelevant im Zusammenhang mit der Sharing Economy. Für die Sharing Economy ist jedoch die Frage wichtiger, warum Individuen überhaupt eine Eigentumsentscheidung für den Kauf eines Gutes treffen bzw. auch umgekehrt, was sie veranlassen könnte, eine kooperative Sharing-Lösung zu bevorzugen. Für Unternehmen ist diese Diskussion ausführlich geführt worden, indem Erklärungsansätze für die Make-or-buy-Entscheidung und für die Grenzen des Unternehmens hergeleitet wurden. Die Sharing Economy kann zwar auch für Unternehmen interpretiert werden, jedoch geht es hier um Peer-to-peer-Transaktionen, (P2PTransaktionen) also um Transaktionen zwischen Privaten, bei denen eine Partei temporär zum Anbieter von Leistungen wird. Die Ergebnisse der Theorie der Unternehmung lassen sich nur teilweise auf private Akteure übertragen. Neben der grundsätzlichen Präferenz für ein Gut oder eine Dienstleistung wird diese Entscheidung durch die folgenden fünf Faktoren beeinflusst, die stets gesamthaft auf die Kauf- und Eigentumsentscheidung wirken: – Häufigkeit der Nutzung: Je häufiger ein Gut genutzt wird, desto eher wird die Bereitschaft bestehen, dieses Gut zu kaufen und im ständigen Eigentum verfügbar zu haben. Man denke hier an ein Mobiltelefon, das täglich, bei manchen sogar minütlich genutzt wird. Eine Sharing-Lösung kommt hier kaum in Frage. Diese Häufigkeit der Nutzung geht mit der daraus resultierenden Verfügbarkeit (s. u.) einher. 1

Vgl. u. a. Richter/Furubotn (1996), S. 18 f.

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Häufig genutzte Güter oder Leistungen sollten entsprechend problemlos verfügbar sein, was beim Eigentum gewährleistet ist. Bei häufiger Nutzung sinken die Kosten pro Nutzung. So mag es zwar wünschenswert sein, an jedem Urlaubsort ein Haus zu besitzen, allerdings wären die Kosten pro Nutzung so hoch, dass hier eine Marktlösung (also das Einmieten in einem Hotel) zu bevorzugen ist. Wer hingegen sehr häufig ein Auto nutzt (z. B. auch aus beruflichen Gründen) wird hier das Eigentum bevorzugen, während bei sporadischer Nutzung eher eine Marktlösung angezeigt sein kann. Bei einer Marktlösung fallen zudem bei jeder Transaktion neue Anbahnungskosten an. – Vermeidung von Abhängigkeiten: Eigentum hilft auch Abhängigkeiten von Dritten zu reduzieren. Eine Sharing-Lösung schafft stets eine Abhängigkeit vom Angebot durch Dritte. Diese Abhängigkeit kann durch effizient funktionierende Plattformen reduziert werden, jedoch wird nie der Grad der Unabhängigkeit erreicht, den das Eigentum vermitteln kann. Die Entscheidung wird also dadurch getrieben, wie wichtig diese Unabhängigkeit ist und welche Kosten die Abhängigkeit verursacht. – Vermeidung von Unsicherheiten: Da bei einer Miet- oder Sharing-Lösung auf die Güter oder Leistungen anderer Anbieter zurückgegriffen wird, bestehen Unsicherheiten hinsichtlich der Qualität und auch wiederum hinsichtlich der Verfügbarkeit dieser Güter oder Dienstleistungen. Eine solche Unsicherheit besteht nicht bei Gütern, die sich im eigenen Besitz befinden, da man hierüber stets vollständig informiert ist. Auf Plattformen der Sharing-Economy wird versucht, diesen Effekt zu mindern, indem Bewertungsmöglichkeiten gegeben werden, so dass die Kosten aus der Unsicherheit reduziert werden können. – Optionsnutzen/Verfügbarkeit: Ein wesentlicher Treiber für Eigentum ist auch die verzögerungsfrei Verfügbarkeit der Güter. Das Gut steht dem Nutzer zu jedem von ihm gewünschten Zeitpunkt zur Verfügung, ohne dass er von anderen in der Zurverfügungstellung abhängig wäre. Ähnlich verhält es sich mit dem Optionsnutzen mancher Güter. Diese werden nicht mit einer unmittelbaren Nutzungsabsicht gekauft, aber es besteht die gesicherte Option zur Nutzung des Gutes, da keine Abhängigkeit von Dritten besteht. Man denke hier an Bücher, die nicht sofort gelesen werden, die man aber jederzeit im Zugriff hat und damit lesen könnte. – Kosten des Gutes: Die Vorteile der Eigentumsnutzung stehen jedoch zugleich unter der Restriktion der Kosten von Gütern. Auch wenn die oben genannten Faktoren für das Eigentum an einem Gut sprechen, so dann die Restriktion der Kosten doch dagegen sprechen. Umgekehrt gilt genauso, dass die Faktoren eine Mietlösung zulassen, es jedoch zu einem Kauf kommt, da der Preis für das Gut sehr gering ist. Das Verständnis von Eigentumsrechten hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verbessert. Insbesondere Unternehmen haben erkannt, dass durch eine präzisere Differenzierung von Eigentums- und Nutzungsrechten sehr viel effizientere Organisationsformen erreicht werden können. Hierzu differenzieren sie die Prozessschritte in

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den Unternehmen und die dabei involvierten Investitionsgüter und Personen deutlich genauer und sind damit in der Lage, Teilprozesse auszulagern oder in Kooperation mit anderen Unternehmen durchzuführen. So „teilen“ sich eigenständige Automobilhersteller z. B. gemeinsame Plattformen, um damit zusammen Motoren herzustellen, die sie in ihren Fahrzeugen verwenden. Es ist jedoch nicht nur die verbesserte Prozessanalyse, sondern auch ein profunderes Wissen darüber, welche Nutzungsrechte für ein Gut überhaupt definiert werden können. Auch hier finden sich bei den sehr sharing-affinen digitalen Gütern zahlreiche Beispiele differenziertester Nutzungsrechte. Man denke an die Nutzungsrechte für Software oder auch die differenzierten Nutzungsrechte bei Musikdateien. Diese Entwicklung begünstig die Modelle einer Sharing Economy, da damit mehr Güter gemeinschaftlich genutzt werden können, wenn es gelingt die Nutzungsrechte hinreichend weit zu differenzieren, so dass immer weitere Güter potenziell gemeinschaftlich genutzt werden können. Für die gemeinschaftliche Nutzung von Gütern, die üblicherweise den Charakter von Investitionsgütern bzw. Kapitalgütern tragen, spricht die bessere Nutzung von existierenden Ressourcen. Viele Maschinen, die sich in privaten Haushalten finden, werden kaum genutzt und sind unterausgelastet. Man denke an das Beispiel des Autos, das die meiste Zeit seines Lebens auf Parkplätzen ungenutzt vor sich hinrostet oder eine Kaffeemaschine, die nur wenige Minuten am Tag in Betrieb ist. Verbessert man diese Auslastungen, so lassen sich dieselben Leistungen mit weniger Kapitalgütern erzeugen oder mehr Leistungen mit denselben Gütern, so dass die Leistungserstellung insgesamt günstiger erfolgen kann.2 Diese Kapazitätseffekte lassen sich noch weiter differenzieren. Dazu sei unterstellt, dass die Nachfrage nach bestimmten Leistungen und damit den Investitionsgütern zu ihrer Bereitstellung zeitlich variiert, d. h. es existieren Perioden von Spitzenlasten und Perioden, wo eine Grundlast zur Versorgung ausreicht. Die bereitgehaltenen Kapazitäten müssen sich regelmäßig an den Spitzenlasten orientieren, die jedoch in Zeiten der Grundlast nicht genutzt werden können und damit keine Erträge erwirtschaften können. Für eine bessere Lastverteilung sind tarifäre Lösungen denkbar, die jedoch Spitzenlasten nur mildern können. Damit müssen in jedem Fall in Zeiten der Spitzenlasten sämtliche Erträge zur Finanzierung dieser Spitzenlastkapazitäten erwirtschaften werden müssen (sofern eine Quersubventionierung aus der Grundlast ausgeschlossen wird). Hier kann die temporäre Bereitstellung von zusätzlichen Kapazitäten durch Private eine Möglichkeit darstellen, um die Kosten der Spitzenlasten zu reduzieren. Beispiele hierzu könnten Transportleistungen zu Spitzenzeiten sein oder im Strommarkt das Bereitstellen von Verbrauchslasten zum Abfangen von Spitzen in der Stromeinspeisung. Gleichwohl müssen diese Effizienzeffekte auch relativiert werden. Zu unterscheiden ist welcher Verschleiß mit der Nutzung der Güter einhergeht. Eine echte Ressour2 Die beiden gewählten Beispiele machen jedoch auch deutlich, dass die Gebrauchsgüter nicht gleichermaßen geeignet sind, Teil eines Sharing-Prozesses zu sein. Eine Vermietung von (privaten) Kaffeemaschinen dürfte aufgrund von Transportaufwand und dem Nutzen aus einer Kaffee Tasse kaum plausibel sein.

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censchonung träte nur dort auf, wo ein Verschleiß gering ist. Die meisten Gebrauchsbzw. Investitionsgüter unterliegen diesem Verschleiß und sind für eine gewisse Lebenszeit oder für eine bestimmte Zahl von Operationszyklen ausgelegt. Eine bessere Ressourcennutzung träte also nur dann auf, wenn weniger Güter vor Ende ihrer Nutzungsdauer ausrangiert und verschrottet werden. Andernfalls erreicht man keine Ressourcenschonung, sondern nur eine zeitliche Verlagerung der Ressourcennutzung. Eine Beispiel mit wenig Verschleiß ist die Zurverfügungstellung von Rechenkapazitäten (wie z. B. im SETI-Projekt). Da der Verschleiß eines Computers weitgehend unabhängig von der Prozessorauslastung ist, sondern von der Betriebszeit abhängt, die Prozessoren auf vielen Computern jedoch sich die meiste Zeit im Leerlauf befinden, ist hier eine echte Ressourcenschonung möglich. Anders ist dieses bei der Nutzung von Autos. Dieses Verschleißen mit jedem gefahrenen Kilometer unabhängig von der Eigentümerstruktur. Eine Ressourcenschonung träte in diesem Fall nur dann auf, wenn verhindert wird, dass noch fahrtüchtige Fahrzeuge vorzeitig verschrottet werden. 3. Plattformen Ein wesentliches Charakteristikum der Sharing Economy ist die Vermittlung von Güter- bzw. Leistungsanbietern und -nachfragern über eine Internetplattform. Es sind diese Plattformen, die Anbieter und Nachfrager kostengünstig zusammenbringen können. Diese Plattformen werden als Two-side markets bezeichnet. Der Begriff „Two-sided market“ mag dabei als Tautologie erscheinen, da es eine grundlegende Eigenschaft von Märkten ist, dass sie zwei Seiten – nämlich Anbieter und Nachfrager – zusammenbringen. Wesentlich ist jedoch, dass die Bereitstellung der Plattform nun eine eigene unternehmerische Leistung ist, die gewinnbringend arrangiert werden kann.3 Eine wichtige Eigenschaft solcher zweiseitiger Märkte sind die auftretenden Externalitäten, d. h. die Teilnahme an einem solchen Markt bewirkt gleichzeitig einen Nutzengewinn bei anderen Marktteilnehmern, ohne dass der einzelne Teilnehmer diese direkt beabsichtigt hat. Speziell bei den zweiseitigen Märkten treten sogenannte indirekte Netzwerkexternalitäten auf.4 Für Anbieter ist eine solche Plattform umso attraktiver, je mehr Nachfrager dieser Plattform angeschlossen sind. Umgekehrt finden die Nachfrager die Plattform sehr viel anziehender, wenn sie dort viele Anbieter finden, deren Produkte sie nachfragen können. D. h. die Teilnahme eines weiteren Anbieters hat einen indirekten Nutzeneffekt für die Nachfrager und umgekehrt. Diese Plattformen mit diesen externen Effekten sind für die Sharing Economy typisch. Bekannte Beispiele sind Airbnb oder auch Uber. Die Plattformen sind jedoch nicht neu und keinesfalls auf die Sharing Economy beschränkt. Man findet sie in vie3 Die Eigenschaften zweiseitiger Märkte wurden insbesondere von Armstrong (2006) und Rochet/Tirole (2006) ausführlich beschrieben. 4 Zu den indirekten Netzwerkeffekten vgl. Peitz (2006).

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len anderen Bereichen wie zum Beispiel bei Kreditkarten (Zahler und Akzeptanzstellen) oder bei Kostenloszeitungen (Leser und Werbekunden). Diese positiven (indirekten) Externalitäten zusätzlicher Anbieter und Nachfrager führen dazu, dass diese Plattformen regelmäßig Economies of Scale, also Größenvorteile aufweisen.5 Je größer eine Plattform ist, d. h. je mehr Anbieter und Nachfrager auf einer solchen Plattform zu finden sind, desto attraktiver wird diese auch für weitere Anbieter und Nachfrager, so dass kleinere Plattformen Nutzer verlieren und immer unattraktiver werden, während die großen Plattformen an Attraktivität gewinnen. Damit besteht die Gefahr eines Monopols für die Marktplattform. Ein solches Monopol wäre nur dann weniger problematisch, wenn es ein bestreitbares Monopol wäre, d. h. wenn die Preissetzungsmacht des Monopols dadurch eingeschränkt wäre, dass es die Bedrohung durch den Eintritt eines neuen Anbieters gibt. Da diese Plattformen aber die beschriebenen Größenvorteile aufweisen, ist genau dieser potentielle Markteintritt nur eingeschränkt möglich. Allenfalls wäre denkbar, dass eine bestehende Plattform aus einem anderen Marktsegment ihre Aktivität ausweitet. Das Wettbewerbsproblem besteht also nicht in einer möglichen Marktmacht der (auf der Marktplattform aktiven) Anbieter oder Nachfrager, sondern in der Marktmacht der Plattform selbst gegenüber den Teilnehmern auf dieser Plattform. Der Plattformbetreiber selbst hat aufgrund der indirekten Netzwerkexternalitäten gar kein Interesse nur wenige Anbieter oder Nachfrager auf seiner Plattform zu haben, sondern versucht im Gegenteil durch geeignete Tarifierungen ein Gleichgewicht zwischen Anbietern und Nachfragern zu erreichen. Die Internetplattformen der Sharing Economy haben zudem relativ niedrige Eintrittsbarrieren, so dass damit auch neue Anbieter und Nachfrage für Produkte und Leistungen der Sharing Economy erschlossen werden können und insgesamt das Potential zur Verfügung gestellter Leistungen erhöht wird, so dass auch die Preise für diese Produkte sinken können. Die Bildung dieser Plattformen ist eine notwendige Voraussetzung für die Entstehung der Sharing Economy. Sie reduzieren die Vermittlungskosten für Leistungen und erlauben es einer Vielzahl von neuen Teilnehmern, in die Märkte einzutreten. Zu klären bleibt noch, wie weit die Plattformen mit den Teilnehmern interagieren, d. h. wie weit sie in die Kontrahierung zwischen Anbietern und Nachfragern eingreifen, da dieses auch Einfluss auf etwaige regulierende Eingriffe haben kann. Im einfachsten Fall agiert die Plattform lediglich als eine reine Vermittlungsplattform, d. h. es werden keine weiteren Bedingungen an die Leistungserbringung gestellt und ebenso übernimmt der Plattformbetreiber selbst keine Gewährleistungen. Die Plattform kann jedoch auch Bedingungen an die Leistungserbringung z. B. hinsichtlich der Qualität der Leistungen oder der verpflichtenden Bewertung von Leistungen knüpfen. Je weiter diese Bedingungen in die Leistungserstellung durch die Plattform5 Peitz (2006) spricht in diesem Zusammenhang auch von Marktgrößenexternalitäten. Im Gegensatz zu diesen haben die Sortierungsexternalitäten negative indirekte Effekte, was den Größenvorteilen entgegenwirken kann.

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nutzer eingreifen, desto geringer wird die Unabhängigkeit der Leistungserbringer. Diese Eingriffe können sinnvoll sein, um z. B. ein bestimmtes Qualitätsniveau zu gewährleisten, müssen dann jedoch auch kontrolliert und durchgesetzt werden. Die Plattform würde hier ein aktives Signalling betreiben. Dieses kann ein Wettbewerbsvorteil hinsichtlich der angebotenen Qualität sein, kann jedoch andererseits auch Leistungsanbieter abschrecken, auf der Plattform seine Leistungen anzubieten. Dieses würde wiederum nachteilig auf den Erfolg der Plattform wirken, da ein Gleichgewicht von Anbietern und Nachfragern ein wesentlicher Erfolgsfaktor von Plattformmodellen ist. Für die Leistungsanbieter auf den Plattformen wie auch für die Plattformbetreiber kann ein höheres Qualitätsniveau mit einer höheren Entlohnung einhergehen. Jedoch entstehen hierdurch sowohl für die Leistungserbringer als auch für die Plattform Kosten, die es abzuwägen gilt. 4. Informations- und Transaktionskosten Wie im vorangegangenen Abschnitt beschrieben, gelingt es über den Aufbau von Vermittlungsplattformen die Anbahnungskosten für eine Transaktion zu senken, da die Informationskosten und meist auch die Abschlusskosten für die Transaktion reduziert werden. Für die Sharing Economy von wesentlicher Bedeutung ist der Einfluss von Plattformen auf die Informationskosten. Gerade bei der temporären Nutzungsüberlassung des Eigentums auf Peer-to-peer-Plattformen ist es wesentlich, Informationen über den Transaktionspartner auf einfache Art und Weise zu erlangen. Einerseits wollen Anbieter wissen, wie Nachfrager mit ihrem Eigentum umgehen werden, und andererseits interessieren sich die Nachfrager für die Qualität des Angebots. Zum Abbau dieser Informationsasymmetrien über die versteckten Charakteristiken der Transaktionspartner vor der Transaktion gibt es die etablierten Instrumente des Signalling und des Screenings. Zum Signalling zählen z. B. Fotos des Angebots, bestimmte Garantien die ein Anbieter offerieren kann oder Zertifizierungen, die vorgelegt werden können. Das Screening beschreibt die Suchaktivitäten, um genau diese Qualitätsinformationen zu erlangen. Hierbei spielen Foren oder auch Bewertungsmechanismen eine wesentliche Rolle. Diese werden deshalb meist auf den Vermittlungsplattformen simultan bereitgestellt, um genau diese Informationskosten für die Nutzer zu senken. Wie Kuchinke/Dittmann richtig feststellen, ist die Absenkung von Informationskosten durch soziale Medien und Bewertungstechnologien nicht auf die Sharing Economy beschränkt, sondern findet genauso in der klassischen Wirtschaft ihre Anwendung.6 Um die Vielzahl der Anbieter auf den Plattformen zusammenzubringen, sind sie in der Sharing Economy jedoch eine unersetzliche Voraussetzung. Sie sind eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für die Sharing Economy.

6

Vgl. Kuchinke/Dittmann (2015), S. 249.

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5. Power Law-Effekte und die „Prosumer“ Eng verbunden mit den elektronischen Plattformen sind die sogenannten Power Law-Effekte. Das Power Law beschreibt die Verteilung bestimmter Größen. Grafisch entspricht sie dem positiven Ast einer Hyperbel, d. h. für kleine x-Werte ergeben sich hohe Funktionswerte, wogegen hohe x-Werte mit niedrigen Funktionswerten verbunden sind. Ob diese Verteilung im Einzelfall tatsächlich eine Hyperbel ist oder eher einer anderen funktionalen Spezifizierung ähnelt, sei an dieser Stelle dahingestellt, ist für die Argumentation auch nicht wesentlich. Als Beispiel einer solchen Verteilung können die Beiträge von Forumsteilnehmern sein oder die Zahl der Bilder, die Nutzer z. B. auf Instagram zur Verfügung stellen. Es gibt einige wenige, die sehr viele Beiträge leisten oder die sehr viele Bilder posten. Ordnet man diese Teilnehmer nach ihren Beiträgen und beginnt mit jenen, die die meisten Beiträge leisten, dann ergibt sich eine hyperbelartige Kurve, an deren Ende sich jene Teilnehmer befinden, die nur wenige Beiträge leisten. In ähnlicher Weise lassen sich auch die Kapazitäten sortieren, die zur Erstellung von Leistungen in Märkten bereitgestellt werden. Man notiert also zu Beginn die Kapazitäten der größten Anbieter und fügt dann die Kapazitäten der nächstkleineren Anbieter an. Für den Übernachtungsmarkt sind das also z. B. die Bettenzahlen nach denen man die Hotels sortieren könnte. Am Ende dieser Verteilung finden sich dann Einzelzimmer oder Appartements, die auf diesem Markt zur Verfügung gestellt werden können. Dieses sind insbesondere auch Räume von Privatpersonen, die prinzipiell für eine Übernachtung zur Verfügung stünden, aber bislang ohne die entsprechenden Plattformen nicht oder nur in vernachlässigbarer Weise ihr Angebot in den Markt eingebracht haben. Um die Angebote in den Markt zu bringen, sind entsprechende Aufwendungen (z. B. für Marketing und Vertrieb) notwendig, die mit Größenvorteilen einhergehen. Für kleinere Anbieter ist es deshalb schwieriger in diesen Markt einzutreten. Wie zuvor bereits beschrieben, führen die Vermittlungsplattformen zu reduzierten Informationskosten, so dass es auch für diese kleineren Anbieter erleichtert wird in diesen Markt einzutreten. Diese Plattformeigenschaft lässt sich nicht nur für die Plattformen der Sharing Economy, sondern in ganz ähnlicher Weise auch auf anderen Plattformen wie Ebay beobachten, wo ebenfalls kleine Anbieter oder auch private Anbieter durch diese Plattformen ein Angebot bereitstellen können und damit in Konkurrenz zu großen Händlern und Handelsketten treten, die grundsätzlich in denselben oder in nahen Märkten aktiv sind.7 Damit ist es auch kein Kennzeichen, das alleine die Sharing Economy beschreibt. Bei der Sharing Economy handelt es sich also nicht um die Entstehung neuer Märkte, wie es auch Kuchinke/Dittmann richtig bemerken, sondern die Plattformen ermöglichen den Eintritt neuer Anbieter (und teilweise auch neuer Nachfrager) in diese Märkte.8 Da es sich hierbei um eine Folge der Plattformeigenschaft handelt, die auch für Platt7 Diese Power Law-Effekte oder auch Long Tail-Effekte wurden erstmals von Anderson (2006) für Internetplattformen beobachtet. 8 Vgl. Kuchinke/Dittmann (2015), S. 250.

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formen jenseits der Sharing-Economy beobachtet werden kann, ist es also auch kein spezifisches Kennzeichen der Sharing Economy. Wesentlich ist hingegen, dass einzelne kleine Anbieter über diese Plattformen ihr Eigentum Dritten zur Nutzung anbieten können und über diese Form der Vermietung einen Gewinn erzielen können. Diese Anbieter sind häufig Privatpersonen, denen in der „klassischen“ Wirtschaft die Rolle des Konsumenten zugeordnet würde. In der Sharing Economy tragen diese Personen in der Nutzung ihres Eigentums jedoch zwei Hüte. Einerseits nutzen sie ihr Eigentum selbst und sind in dieser Rolle weiterhin Konsument, andererseits nutzen sie ihr Eigentum, um es zur Nutzung durch Dritte anzubieten oder um damit selbst Dienstleistungen für Dritte anzubieten und sind damit Produzenten und somit unternehmerisch tätig. Für diese Zwitterkonstellation wurde der Begriff des „Prosumers“ gebildet.9 Zwar ist es auch für Unternehmen möglich auf den bekannten Sharing-Plattformen zu agieren, so dass auch hier rein unternehmerische Akteure unterwegs sein können, jedoch erfolgt die Erschließung neuer, bislang brach liegender Kapazitäten in der Sharing Economy über die privaten Kleinanbieter, die sowohl Konsument als auch Produzent und damit Prosumer sind. Mit dieser Doppelrolle sind auch einige der wesentlichen regulatorischen Herausforderungen verbunden, da diese Regulierungen häufig an die einzelne Person geknüpft sind und nicht die Rolle die eine Person gerade ausübt. 6. Zwischenfazit Fasst man die wesentlichen Punkte zusammen, so zeichnet sich die Sharing Economy dadurch aus, dass sie plattformbasiert die Nachfrage und das Angebot privater Leistungsanbieter zusammenbringt. Prinzipiell könnte das Teilen von Gebrauchsgütern im Wege der Vermietung auch auf gewerbliche Anbieter ausgeweitet werden, das auch über solche Plattformen abwickelbar wäre. Wesentlich ist für die Sharing Economy jedoch die Einbeziehung privater Produktionskapazitäten, die versprechen, diese Kapazitäten besser auszulasten. Damit erhalten die privaten Anbieter eine hybride Stellung, da sie ihre Güter sowohl privat als auch gewerblich nutzen. Sie werden zu Prosumern, was letztlich die wesentliche Herausforderung für bestehende Regulierungen sein kann. Diese Prosumer treten in direkte Konkurrenz zu Anbietern in bestehenden Märkten. Es entstehen also keine neuen Märkte, sondern es treten neue Wettbewerber in existierende Märkte ein. Keinesfalls ist die Sharing Economy also als eine neue Wirtschaftsform einzuordnen, die eine separate Regulierung erfordern würde.

9 Der Begriff des Prosumers findet sich erstmalig Anfang der achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts im Zusammenhang mit der Etablierung der Homevideo-Systeme. Damit war es möglich nicht nur Videos zu konsumieren, sondern diese über erschwingliche Ausrüstung auch zu produzieren.

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III. Governance-Herausforderungen 1. Grundlagen Wie bereits im Zwischenfazit zu Kapitel zwei erwähnt ergeben sich wesentliche Herausforderungen für die Regulierung der Sharing Economy aus der Hybridstellung der Leistungsanbieter als Prosumer, d. h. sie nutzen ihre Gebrauchsgüter einerseits für sich privat (als Gebrauchsgüter) aber auch mit einer Gewinnerzielungsabsicht, in dem sie die Güter für ein Leistungsangebot auf den Plattformen nutzen. Der allgemeine Vorwurf lautet nun, dass Angebote auf Sharing-Plattformen alleine oder zusätzlich dadurch Vorteile generieren können, dass sie bestehende kostenverursachende Regulierungen und Abgabeverpflichtungen umgehen, indem der private Charakter des Angebots in den Vordergrund gerückt wird. Es ist deshalb zu prüfen, ob und in welchen Bereichen dieses tatsächlich zutrifft. Außerdem ist zu untersuchen, ob bestimmte regulierende Eingriffe vor dem Hintergrund der technischen Entwicklungen überhaupt noch gerechtfertigt sind oder ob nicht auch auf Regulierungen verzichtet werden kann, so dass ein Level-playing-field auf einem niedrigeren Regulierungsniveau realisiert werden kann. Dieses wird nachfolgend für den Bereich der Besteuerung und der Abgabenpflicht sowie für den Verbraucherschutz und die Gewerbeordnung untersucht. Daneben entstehen zwischen den Plattformnutzern und dem Plattformanbieter neue Beziehungen, die ggf. wettbewerbliche Probleme aufwerfen können, da Plattformen eine starke Konzentrationstendenz aufweisen. 2. Steuerliche Aspekte und Sozialabgaben Bei den steuerlichen Aspekten ist zwischen den allgemeinen Steuern (Einkommenssteuer und Umsatzsteuer) und branchenspezifischen Abgaben (wie z. B. der Kurtaxe oder eine Bettensteuer) zu unterscheiden. Bei der Einkommensteuer unterliegen auch Anbieter der Sharing Economy mit ihren Einkommen natürlich der Einkommenssteuer.10 Ebenso unterliegen die Umsätze der Umsatzsteuer, da es sich hierbei um einen Leistungsaustausch handelt. Da für die Umsatzsteuer die Kleinunternehmerregelung gilt, unterliegen Bruttoumsätze unterhalb von 17.500 E nicht der Umsatzsteuer. Dieses dürfte für zahlreiche Anbieter der Sharing Economy zutreffen. Da das Angebot meist von Einzelpersonen erfolgt, fällt eine Körperschaftssteuer im Allgemeinen nicht an. Etwas schwieriger ist die Einordnung der Gewerbesteuerpflicht. Ein Gewerbe im Sinne der Gewerbeordnung ist anmeldepflichtig und unterliegt der Gewerbesteuer, wenn eine wiederholte und regelmäßige Tätigkeitsausübung vorliegt.11 Zudem existiert auch hier ein Freibetrag von 24.000 E. Damit dürften die meisten Anbieter der Sharing Economy, sofern sie überhaupt ein Gewerbe

10 11

Vgl. Monopolkommission (2016), Rn. 1218. Vgl. Monopolkommission (2016), Rn. 1212.

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angemeldet haben, eher nicht der Gewerbesteuerpflicht unterliegen.12 Die branchenspezifischen Abgaben gelten nur bei bestimmten Tätigkeiten, wie z. B. bei Übernachtungen. Geht man von der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit aus, so würden die Tätigkeiten von Anbietern der Sharing Economy ganz normal der Abgabenpflicht unterliegen. Teilweise wird jedoch von Anbietern auf eine nicht gewerbliche Tätigkeit abgestellt, womit versucht wird diesen Abgaben zu entgehen. Damit ergibt sich hinsichtlich der steuerlichen Behandlung kaum ein Unterschied zu Marktteilnehmern der normalen Wirtschaft. Einzig die Gewerbesteuer würde einen Unterschied zwischen den Betrieben der normalen Wirtschaft und der Sharing Economy ausmachen. Als Problem verbleibt, die Erfassung der zu zahlenden Steuern und Abgaben durch die Finanzbehörden. Grundsätzlich ist die Nichtabführung von Steuern auf Tätigkeiten in der Sharing Economy eine Steuerhinterziehung. Der einzelne Leistungsanbieter hat diese Einkommen also in seiner Steuererklärung anzuzeigen. Aufgrund der vielen, sehr kleinen Anbieter in der Sharing Economy wird vermutet, dass eine Kontrolle dieser Einkommen nur schwer möglich ist. Andererseits laufen die Angebote über eine Plattform, die bemüht ist, möglichst transparente Transaktionen zu ermöglichen. Damit sind Leistungsanbieter grundsätzlich leicht identifizierbar, über öffentliche Bewertungen lässt sich ebenso eine Untergrenze der Transaktionen abschätzen und schließlich finden sich auch beim Plattformbetreiber alle Transaktionsinformationen in gesammelter Form. Hier ist nur zu fragen, ob eine Herausgabe der kompletten Daten möglich ist. Dieses wird sich wahrscheinlich auf Verdachtsfälle der Hinterziehung stützen müssen. Zum anderen ist fraglich, ob ausländische Unternehmen eine hohe Kooperationsbereitschaft mit den Finanzbehörden aufweisen würden. Bei den Sozialabgaben ist zwischen zwei Arten der Beschäftigung zu unterscheiden. Einerseits gibt es in der Sharing Economy Leistungsanbieter, die diese Tätigkeit nur in geringem Maße und nebenberuflich ausüben, d. h. sie bezahlen bereits Sozialversicherungsbeiträge in ihrer hauptberuflichen Tätigkeit über die sie auch eine soziale Absicherung erhalten. Daneben gibt es jedoch auch Anbieter, die ihre Tätigkeit in der Sharing Economy hauptberuflich ausüben und damit selbständig sind. Damit unterliegen sie nicht der Sozialversicherungspflicht und müssen ihre soziale Absicherung (Rente, Urlaub, Krankheit, Arbeitslosigkeit etc.) selbst kalkulieren und aufbauen.13 D. h. der selbständige Anbieter von Leistungen und Produkten in der Sharing Economy muss eigenständig Rücklagen für die Altersvorsorge und ebenso für Zeiten der Nicht-Tätigkeit (Urlaub, Krankheit) Vorsorge in Form weiterer Rücklagen bilden. Das Entgelt, was er für seine Produkte oder Tätigkeiten verlangt, muss diese Elemente enthalten und mitvergüten. Dabei kann es für ihn von Vorteil sein, günstigere Vorsorgevarianten zu wählen, als es andere abhängig Beschäftigen könnten. Dazu 12

Selbst die vage Definition des Gewerbes (wiederholte und regelmäßige Tätigkeit) dürfte angesichts des Freibetrages irrelevant sein, da Einnahmen dieser Höhe kaum durch sporadische Tätigkeiten zu realisieren sein dürften. 13 Auch für Selbständige existiert eine Krankenversicherungspflicht in Deutschland

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gehört auch, dass er erheblich mehr Gestaltungsspielräume für diese Tarifierung hat, was insbesondere zeitliche Verschiebungen einschließt. So bietet sich diesen Anbietern die Möglichkeit, in einer ersten Phase (Markteintritt) geringere Vorsorgemaßnahmen zu ergreifen, um dann später – in vermutet profitableren Zeiten – höhere Rücklagen zu treffen. Auch besteht die Möglichkeit über eine längeren Zeitraum aktiv zu sein und damit die insgesamt notwendigen Vorsorgeleistungen zu reduzieren. Damit kann er sein Angebot unterhalb des Preises von Anbietern anbieten, die auf abhängig Beschäftigte in ihrem Leistungsangebot zurückgreifen müssen. Ist der Selbständige nicht in der Lage, Entgelte auf der Sharing-Plattform zu erzielen, die ihm ein Auskommen und eine dauerhafte Vorsorge ermöglichen, so würde auch er durch die soziale Grundsicherung abgedeckt werden, die damit auch hier eine Art Lohnuntergrenze darstellt. Während jedoch beim abhängig Beschäftigten eine klare Sicherungskaskade mit dem Arbeitslosengeld und der danach einsetzenden sozialen Grundsicherung besteht, besteht für die Selbständigen nur die soziale Grundsicherung, die auch durch diese eigenständig ausgelöst und beantragt werden muss.14 Problematisch jedoch bleibt, wann ein Leistungsanbieter tatsächlich als Selbständiger einzuordnen ist. Dieses ist zweifelsfrei der Fall, wenn es sich bei der Plattform um eine reine Vermittlungsplattform handelt. Je mehr jedoch die Plattform in die Unabhängigkeit des Leistungsanbieters eingreift und ihn in seiner Selbständigkeit beschränkt, desto eher neigen Gerichte dazu, die Tätigkeit als abhängige Beschäftigung einzuordnen. So hat im Oktober 2016 ein Londoner Gericht die Beziehung zwischen Uber und den Leistungsanbietern auf der Plattform als abhängiges Beschäftigungsverhältnis einschätzt, da die Uber-Fahrer in wesentlichen Aspekten ihrer Tätigkeit durch Uber eingeschränkt werden.15 Letztlich unterliegen also sowohl selbständige Anbieter in der Sharing Economy wie auch abhängige Beschäftigte einem ähnlichen Kalkül. Können selbständige Leistungsanbieter auf Sharing Economy-Plattformen ihre Leistungen dauerhaft (!) günstiger anbieten als abhängig Beschäftigte, so weist dieses auf eine zuvor bestehende ineffiziente Allokation der Arbeit hin und bedarf deshalb keiner gesonderten Regulierung. Eine Verzerrung kann jedoch bei den nebenberuflich aktiven Anbietern erfolgen, die keine weiteren Sozialabgaben entrichten. 3. Gewerbeordnung und Verbraucherschutz Für zahlreiche Gewerbe gibt es sehr spezifische Anforderungen, die das Angebot in diesen Branchen verteuern. Zu nennen sind beispielsweise Hygiene- oder Brandschutzanforderungen in Hotels oder die Prüfungen (Ortskenntnisse, regelmäßige Gesundheitsprüfungen), die Taxifahrer zu absolvieren haben. Das Taxigewerbe selbst 14

Für Selbständige gibt es die Arbeitslosenversicherung auf Antrag, jedoch knüpft auch diese an ein zuvor bestehendes abhängiges Beschäftigungsverhältnis bzw. an einen zuvor bestehenden Bezug von Leistungen nach SGB III (z. B. Arbeitslosengeld). 15 Central London Employment Tribunal: Case No. 2202550/2015 and others.

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unterliegt innerstädtisch einer festen Gebührenordnung die jeglichen Preiswettbewerb ausschließt. Wenn ähnliche Angebote in der Sharing Economy, die zu diesen in Konkurrenz stehen, diese Anforderungen nicht erfüllen müssen, so können diese ihre Leistungen günstiger erbringen oder unterhalb der der festgesetzten Preise anbieten. Hier ist im Einzelfall zu prüfen, welchem Schutzbedürfnis diese Regulierungen genügen sollen oder ob es sich möglicherweise auch um Regulierungen handelt, die dem Schutz von Marktteilnehmern vor Wettbewerbern dienen soll. Viele dieser gewerblichen Regelungen haben den Arbeitnehmer- und den Verbraucherschutz im Visier. So zielen z. B. die Regulierungen im Taxigewerbe darauf ab, die Qualität und die Sicherheit von Taxifahrten zu garantieren. Über diese Mindeststandards, die Taxiunternehmen erfüllen müssen, spart der Kunde Informationskosten über die Qualität und die Sicherheit des Taxis bzw. Taxifahrers, für die er aber auch zugleich in Form höherer Preise bezahlen muss. Zu hinterfragen ist, ob wirklich noch alle diese Regulierungen zeitgemäß sind oder ob nicht neue Informationstechnologien diese teilweise obsolet machen. So ist die Prüfung der Ortskenntnisse in Zeiten von Navigationsgeräten zumindest fragwürdig geworden, da mit diesen eine objektivierbare Quelle für die Fahrstrecke vorliegt. Ähnliches kann auch zur Gesundheits- und Fahrzeugkontrolle festgestellt werden. Auch hier bestehen Signalling-Möglichkeiten, die dem Kunden die Qualität des Fahrzeugs signalisieren. Wichtig ist vielmehr, dass der Kunde auf diese Signale durch die Auswahl der Taxidienstleistung reagieren kann, d. h. schlechte Qualitäten in diesem Markt aussortiert würden. Dieses geschieht durch die aktuell praktizierten Maßnahmen im Taximarkt kaum. Es muss also nicht notwendigerweise reguliert werden, da auch alternative Mechanismen existieren. Teilweise könnten auch Anreize für den Plattformbetreiber bestehen, diese Signale durch die Leistungsanbieter auf seiner Plattform verpflichtend setzen zu lassen, um eine hohe Kundenzufriedenheit zu erreichen, die im Wettbewerb der Plattformen einen starken Einfluss auf den Erfolg hat. Ein echter Regulierungsbedarf könnte sich hingegen ergeben, wenn von einer plattformvermittelten Transaktion Dritte betroffen sind. Im Beispiel der Transportdienstleistungsvermittlung durch Uber könnte eine Versicherung versuchen, einer Schadensregulierung zu entgehen, da die abgeschlossene Versicherung eine gewerbliche Nutzung von Fahrzeugen nicht abdeckt. Dadurch wäre der (unfall-)geschädigte Dritte durch den Transaktionsabschluss über die Uber-Plattform negativ betroffen, obwohl er nicht Teil des Vertragsabschlusses war. Hierfür sind Regularien sinnvoll einsetzbar. Eine allgemeingültige Empfehlung zur Regulierung der Sharing Economy bezüglich des Verbraucherschutzes und der Gewerbeordnung lassen sich nicht erteilen, da die Gegebenheiten in den einzelnen Branchen zu unterschiedlich sind. Grundsätzlich scheint eine Gleichstellung der Anbieter aus der Sharing Economy mit den Anbietern der normalen Wirtschaft angezeigt. Jedoch gilt es die Regulierungen, die für diese existieren, kritisch zu hinterfragen, ob sie tatsächlich noch notwendig sind oder durch günstigere Mechanismen ersetzt werden können. Für die Bewertung sind im Einzelfall folgende Fragen zu klären:

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– Sind die Kosten der Regulierung in Form von Standards zur Gewährleistung eines Mindestmaßes von Qualität und Sicherheit geringer als Kosten der Informationsbeschaffung bzw. der Informationsbereitstellung durch die Anbieter und Nachfrager? In diesem Zusammenhang ist auch zu prüfen, wie verlässlich diese beiden Systeme funktionieren können. – Sind durch die Transaktion zwischen Anbietern und Nachfragern auch Dritte durch externe Effekte dieser Transaktion betroffen, was eine Regulierung rechtfertigen könnte?

4. Wettbewerbsaspekte Neben den Beziehungen der Leistungsanbieter und -nachfrager zueinander, ist auch die Beziehung dieser beiden Gruppen zur Plattform Teil der Organisation der Sharing Economy. Wie im Abschnitt zu den Plattformen aufgezeigt wurde, führen die indirekten Netzwerkexternalitäten und Skaleneffekte bei Plattformen tendenziell zu Plattformmärkten mit nur wenigen Teilnehmern. Dieses muss nicht zwingend zu einer echten Monopolisierung des Plattformmarktes führen, sofern Anbieter und Nachfrager die Leistungen nicht nur auf einer Plattform anbieten und nachfragen können und sofern ein Wechsel oder mehrfaches Angebot mit niedrigen Kosten möglich ist.16 Diese niedrigen Wechselkosten existieren am ehesten bei reinen Vermittlungsplattformen. Hier wären lediglich die Bewertungen plattformspezifisch und nicht transfereierbar.17 Je stärker der Plattformanbieter in die Aktivitäten der Leistungsanbieter eingreift, so dass möglicherweise sogar plattformspezifische Investitionen nötig sind, desto schwieriger ist ein Wechsel und desto eher besteht die Gefahr eines monopolisierten Marktes. Mit diesem Eingreifen in die Aktivitäten der Leistungsanbieter kann die Plattform das Ziel einer besseren Angebotsqualität verfolgen, was grundsätzlich wünschenswert wäre. Zugleich führt dieses jedoch auch zu einem Lock-in der Anbieter, was die Wettbewerbssituation zwischen den Leistungsanbietern und den Plattformbetreibern zu Lasten der Leistungsanbieter verschieben würde. Ähnlich wettbewerbsbeschränkend könnten Ausschließlichkeitsklauseln in den Nutzungsbedingungen mit den Anbietern wirken.18 Aus der reinen ökonomischen Natur der Plattformen kann also eine Tendenz zur Konzentration hergeleitet werden. Je stärker die Konzentration jedoch voranschreiten würde, wie es auf anderen P2P-Märkten beobachtbar war, desto eher besteht die Gefahr, dass die Leistungsanbieter in Abhängigkeit eines Plattformanbietern geraten, so dass es zu einer Umverteilung der Renten von den Leistungsanbietern und -nachfragern zu den Plattformeigentümern kommen würde.

16

Vgl. Monopolkommission (2016), Rn. 1232 ff. Vgl. Monopolkommission (2016), Rn. 1233. 18 Vgl. Monopolkommission (2016), Rn. 1234.

17

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IV. „Neue“ Governance-Strukturen für die Sharing-Economy 1. Abgrenzung Die vorangehenden Ausführungen zu den Eigenschaften der Sharing Economy und den Governance-Herausforderungen machen deutlich, dass die Sharing Economy sich gut mit traditionellen ökonomischen Begriffen fassen lässt und auch nur wenige „neue“ Eigenschaften mit ihr verbunden sind, die eine eigenständige Regulierung erfordern würden. Viele Forderungen nach Regulierungen entspringen vielmehr dem Wunsch nach der Wahrung traditioneller Geschäftsmodelle ohne den störenden Einfluss neuer Anbieter. Es ist jedoch Teil der Sharing Economy und der mit ihr verbundenen Plattform- und Power Law-Eigenschaften, dass sie genau diesen neuen Anbietern einen Marktzugang erlaubt. Hinzu kommt, dass dieses Angebot häufig in Bereichen erfolgt, die wenig Qualifikation erfordern, so dass das potentielle Angebot auch sehr groß wird. Dieses zusätzliche Angebot übt dann einen entsprechenden Druck auf die Preise aus, was zu den entsprechenden regulatorischen Wünschen zur Abwehr dieses Neuangebots führt. Dieses kann jedoch keine Regulierungsbegründung liefern. Als echter Kern der Governance-Herausforderungen erweisen sich zwei Elemente der Sharing Economy: – die doppelte Eigenschaft von Anbietern in der Sharing Economy als Prosumer, die also die zur Verfügung gestellten Produkte und Leistungen selbst nutzen aber auch anderen zur Verfügung stellen, – die tendenzielle Monopolisierung der Vermittlungsplattform für die Leistungen und Produkte der Sharing Economy, die eine marktmächtige Position einnimmt.

2. Der Umgang mit den Prosumern Die wesentlichen Regulierungs- und Governancefragen für die Sharing Economy erwachsen aus der hybriden Natur der Leistungsanbieter auf den Plattformen, die ihre Leistungen mit existierenden privaten Gebrauchsgütern in bereits existierenden Märkten in Konkurrenz zu den dortigen Marktteilnehmern anbieten, sich aber selbst weiterhin als Privatpersonen und nicht als Unternehmer wahrnehmen, woraus abgeleitet wird, dass sie auch nicht unter die Regulierungen fallen, die für Transaktionen in diesen Märkten gelten. Es wurde aufgezeigt, dass das Hauptproblem dieser Prosumer-Eigenschaft in den Regulierungen einzelner Branchen und in den Regulierungen des Verbraucherschutzes liegen, während die steuerliche Veranlagung und die Behandlung der Sozialabgaben eher weniger Probleme hervorrufen. Um einen fairen Wettbewerb zu ermöglichen, sollten für alle Teilnehmer gleiche Bedingungen herrschen. Wenn also Leistungsanbieter private Gebrauchsgüter zur Gewinnerzielung nutzen und damit den

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Hut eines Unternehmers aufsetzen, so sind sie den Regeln eines Unternehmers zu unterwerfen. Damit wäre pro forma ein level playing field hinsichtlich der Regulierung der Prosumer der Sharing Economy hergestellt. Ein solches apodiktisches und starres Regulierungskorsett kann jedoch zugleich den Wettbewerb beschränken, indem es jene Unternehmen unverhältnismäßig schützt, die sich im Markt befinden und dort eine gewisse Größe entwickelt haben, die ihnen den Umgang mit den Regulierungen erleichtert. Kleine und Kleinstanbieter wie die Prosumer der Sharing Economy haben damit keine Chance in diesen Markt einzutreten. Dieser Zutritt bliebe ihnen selbst dann verwehrt, wenn sie mit einem innovativen Geschäftsmodell die Ziele einer Regulierung erreichen können, aber hierfür nicht die Handlungsvorgaben der Regulierung erfüllen. Es sind also nicht nur ungleiche Regeln, die zu einer Wettbewerbsverzerrung führen, sondern auch gleiche Regeln für alle Teilnehmer können zu ähnlichen, dynamischen Verzerrungen führen.19 Deshalb darf der regulatorische Umgang mit der Sharing Economy nicht starr bei dem Verweis auf ein level playing field verharren, sondern muss Regulierungen selbst wieder in Frage stellen, um – möglicherweise überlegenen – Geschäftsmodellen eine Entwicklungschance zu geben. Auch wenn eine solche Antwort aufgrund ihrer fehlenden Allgemeingültigkeit nicht befriedigen kann, so ist die Regulierung der Prosumer aus der Sharing Economy doch in ihren Einzelfällen zu überprüfen, um einerseits externe Effekte zu bekämpfen oder effizient Informationsasymmetrien abzubauen, aber andererseits auch hinreichend Spielraum für innovative Geschäftsmodelle zu schaffen und Änderungen des Regulierungsrahmens zuzulassen. 3. Genossenschaftliche Plattformorganisation Aufgrund der Monopolisierungstendenz für Plattformen gewinnen die Plattformbetreiber eine Marktmacht, die wettbewerbspolitisch bedenklich sind, da sie zu höheren Preisen für die Nutzung der Plattform führen können. Eine denkbare Maßnahme wäre ein Vorgehen im Zuge der wettbewerblichen Missbrauchsaufsicht. Dieses hat jedoch zwei gravierende Nachteile. Erstens muss der Missbrauch der Marktmacht durch den Plattformbetreiber zweifelsfrei nachgewiesen werden. Dieses ist vor dem Hintergrund der mangelnden Vergleichbarkeit und der plattformspezifischen Preisgestaltung, um gleichermaßen für Anbieter und Nachfrager attraktiv zu sein, schwierig. Zweitens sind solche Verfahren sehr langwierig, so dass bei einem eventuell ergehenden Urteil die tatsächliche Wettbewerbssituation sich vollends geändert haben

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Dass ein level playing field keinen wettbewerbspolitischen Wert per se darstellt, zeigt sich aktuell in der Bankenregulierung, wo über ein solches level playing field am Markt erfolgreiche Banken aus dem Wettbewerb ausscheiden müssen, da sie zwar die Ziele der Regulierung erreichen, nicht jedoch in der Lage sind die größengetriebenen Handlungsvorgaben zu erfüllen.

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kann oder es kaum mehr möglich, ist einen Marktzutritt für Konkurrenten zu ermöglichen. Neben solchen wettbewerbspolitischen Eingriffen lassen sich auch organisatorische Lösungen finden, die dieses Marktmachtproblem und teilweise auch weitere in Kapitel drei aufgeworfene Regulierungsprobleme lösen oder zumindest mildern können. Sofern es tatsächlich zu wettbewerbspolitisch bedenklichen Konzentrationen unter den Plattformbetreibern kommt, würden die Leistungsanbieter in eine starke Abhängigkeit zu den Plattformbetreibern geraten. Eine Möglichkeit durch Aggregation eine Marktgegenmacht zu schaffen besteht aufgrund der Individualeigenschaft der Teilnehmer kaum. Die Konzentration würde also zu Abhängigkeiten vom Plattformbetreiber führen und der Wettbewerbskanal, der sonst durch einen (potenziellen) Plattformwechsel einen disziplinierenden Druck ausüben könnte, ist damit „verstopft“. Nun wäre es denkbar, hier das übliche, oben beschriebene wettbewerbspolitische Instrumentarium anzuwenden, das die Plattformen diszipliniert oder sie in ihrer Größe beschränkt. Dieses ist jedoch aufgrund der ökonomischen Natur der Plattform als zweiseitiger Markt nur unter Effizienzeinbußen in Form nicht realisierter positiver externer Effekte möglich. Deshalb ist nach organisatorischen Lösungen zu suchen, die einerseits die Wirkungen der Abhängigkeit abmildern, ohne die Effizienz der Plattformen selbst zu gefährden. Ein probates Mittel, um vertikale Abhängigkeiten zu beherrschen ist das (Teil-)Eigentum in der einer vertikalen Beziehung, wie es durch Genossenschaften ermöglicht wird. Zwei Typen eines genossenschaftlichen Eigentums an der Plattform sind denkbar. Beim ersten Typ würden die Leistungsanbieter über die Genossenschaft zu Eigentümern der Plattform werden. Selbst wenn diese Plattform dann marktmächtig wäre, so würden sich die Plattformbetreiber (in ihrer Rolle als Eigentümer) nur sich selbst (in der Rolle als Leistungsanbieter) ausbeuten, was die negativen Marktmachteffekte aufhebt. Der aufgrund der Produktionsstruktur nicht mögliche Wettbewerbskanal des Einflusses auf die Plattform wird bei der genossenschaftlichen Lösung durch den Vote-Kanal ersetzt, d. h. die Mitglieder üben direkt einen Einfluss durch Abstimmung und Mitbestimmung aus, so dass Änderungen nicht durch einen Anbieterwechsel mit einem anderen Angebot, sondern innerhalb der bestehenden Struktur erfolgen kann. Innerhalb einer solchen genossenschaftlichen Organisation lassen sich auch Qualitätsmerkmale eines Angebots besser realisieren, da die Mitglieder der Genossenschaft über diese Merkmale selbstbefinden und diesen selbst zustimmen und sie durch die Genossenschaft kontrollieren lassen. Eine solche Plattformgenossenschaft kann umso besser funktionieren, je homogener die Struktur der Mitglieder ist. Da es sich bei den Mitgliedern um Individuen handelt, treten übliche Heterogenitäten wie Größenunterschiede oder unterschiedliche Geschäftsstrategien hier kaum auf. Unterschiede kann es jedoch hinsichtlich der beruflichen Ausrichtung der Leistungsanbieter kommen, so dass es Interessensunterschiede zwischen hauptberuflichen und nebenberuflichen Leistungsanbietern kommen könnte. Aufgrund einer eher homogenen Mitgliederstruktur der Genossenschaft ist auch das häufig genannte Problem der steigenden Konsensfin-

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dungskosten bei steigender Mitgliederzahl nicht so relevant, wie es bei einer eher heterogenen Mitgliederstruktur sein würde. Ein Problem dieser einseitigen Eigentümerschaft an der (marktmächtigen) Plattform ist, dass die Marktmacht natürlich auch gegenüber der anderen Marktseite ausgeübt werden kann, so dass letztlich doch wieder eine wettbewerbspolitische Kontrolle nötig wäre.20 Dieses könnte in einem zweiten Typ der Genossenschaft gelöst werden, der im Vergleich zu den historischen Beispielen als atypisch zu bezeichnen wäre, da hier beide Marktseiten zu Mitgliedern der Genossenschaft würden.21 Mit einer solchen zweiseitigen Genossenschaft, bei der beide Marktseiten Mitglieder der Genossenschaft sind, erhöht sich naturgemäß die Heterogenität der Genossenschaftsmitglieder, da sowohl Leistungsanbieter als auch die Nachfrager mit ihren unterschiedlichen Interessen Eigentümer der Genossenschaft sind. Auch wenn sie zumindest hinsichtlich eines wesentlichen Parameters nämlich des Leistungsentgelts unterschiedliche Vorstellungen haben dürften, so eint sie doch das gemeinsame Interesse an der Dienstleistung und an deren hinreichender Qualität. In einer solchen Konstruktion kann die Kommunikation der Nachfragerwünsche sogar sehr stark vereinfacht sein, da ein einender Rahmen der gemeinsamen Eigentümerschaft zu einer besseren Kundenbeziehung führt, sofern ein geeignetes Management dieser Beziehungen implementiert wird. Obwohl die Organisation einer Genossenschaftsplattform zahlreiche Vorteile aufweist und effektiv Regulierungsherausforderungen löst, so gibt es auch Herausforderungen, mit denen dieses Modell zu kämpfen hat. Für die Entwicklung einer Plattform ist Geschwindigkeit ein wesentlicher Faktor, da Größe hier zur Attraktivität der Plattform beiträgt, so dass die schon beschriebenen Effekte auftreten. Gleichzeitig ist das Eigentum an der Plattform erklärungsbedürftig und Bedarf eines höheren Aufwandes als einer einfachen Registrierung bei der Plattform. Auch ist die Mitgliedschaft und damit die Eigentümerschaft mit einem Kapitalaufwand verbunden der von den Mitgliedern zu leisten ist, so dass die Eintrittsbarrieren erhöht würden.22 All dieses würde im Aufbau der Plattform zu deutlichen Geschwindigkeitsnachteilen führen, so dass eine Plattform im Eigentum der Nutzer immer einen Entwicklungsnachteil gegenüber anderen Plattformen hätte. Schließlich wäre auch eine dritte genossenschaftliche Organisationsform vorstellbar, die es auch schon tatsächlich gibt und die auf das gemeinschaftliche Eigentum als alternativer Erklärung der Sharing Economy abhebt. Statt plattformvermittelt temporär auf das bestehende Eigentum anderer zuzugreifen, könnte eine Genossen20 Alternativ könnte auch argumentiert werden, dass diese Marktmacht gegenüber den Nachfragern nicht so relevant ist, da durch die Anbieter der normalen Wirtschaft weiterhin Substitutangebot existieren, auf die die Nachfrager ausweichen können. 21 Es sei erwähnt, dass es allerdings mittlerweile solchen zweiseitigen Genossenschaften mit Auftraggebern und Auftragnehmer gibt, wie das Beispiel der Osadl eG zeigt 22 Gleichwohl sind hier Varianten denkbar, die diese Effekte abfedern. So könnte eine Mitgliedschaft für ein Jahr oder einen anderen Zeitraum auch ohne Zeichnung von Geschäftsanteilen als Nicht-Mitgliedergeschäft realisiert werden.

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schaft auch ein gemeinsames Eigentum an Gebrauchsgütern realisieren. Für den Markt von Personentransporten könnte dieses z. B. durch ein gemeinschaftliches Eigentum an Fahrzeugen geschehen, die dann einer Nutzung durch die Mitglieder zur Verfügung stehen. Dieses ist die genossenschaftliche Organisation eines Mietwagenservices. Eine solche Form der Sharing Economy findet sich seit vielen Jahren in der Schweiz mit der Mobility Car Sharing. Dieses ist natürlich kein P2P-Modell, das bestehende Kapazitäten besser nutzt, es führt jedoch auch zu einer besseren Kapazitätsnutzung, da auf den Aufbau privater Kapazitäten verzichtet wird und stattdessen auf gemeinsam genutzte Fahrzeuge zurückgegriffen wird.

V. Fazit Der Sharing Economy wird häufig zugeschrieben, dass sie neuer, innovativer Regulierungen bedürfe, da das Handeln der Akteure nicht durch die bestehenden Regulierungen abgedeckt würde. Bei näherer Betrachtung jedoch zeigt sich, dass viele Elemente der Sharing Economy nicht neu sind und in ähnlicher Form in der traditionellen Wirtschaft oder bei anderen Internetgeschäftsmodellen bereits auftreten. So verbleiben als Kern für neue Regulierungs- und Governance-Elemente nur die Eigenschaft der Nutzer der Vermittlungsplattformen als Prosumer und die Herausforderung der marktmächtigen Position der Plattform gegenüber den Nutzern. Für die Überwindung des Marktmachtproblems wurden genossenschaftliche Organisationslösungen entwickelt, die dieses Problem innovativ lösen, jedoch auch mit einigen Nachteilen insbesondere hinsichtlich der Entwicklungsgeschwindigkeit behaftet sind. Literatur Anderson, Ch. (2006): The Long Tail, New York. Armstrong, M. (2006): Competition in Two-Sided Markets. In: RAND Journal of Economics, Vol. 37, Nr. 3, S. 668 – 691. Kuchinke, B. A./Dittmann, H. (2015): Ordnungsökonomische Aspekte der Sharing Economy, in: ORDO – Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft, Band 66, S. 243 – 262. Monopolkommission (2016): Wettbewerb 2016. Einundzwanzigstes Hauptgutachten, BadenBaden. Peitz, M. (2006): Marktplätze und indirekte Netzwerkeffekte, in: Perspektiven der Wirtschaftspolitik, 7. Jg., Heft 3, S. 317 – 333. Richter, R./Furubotn, E. (1996): Neue Institutionenökonomik, Tübingen. Rochet, J.-Ch./Tirole, J. (2006): Two-sided markets: a progress report. In: RAND Journal of Economics, Vol. 37, Nr. 3, S. 645 – 667.

Genossenschaftliche Lösungsansätze fu¨ r die Sharing Economy – Korreferat zu Eric Meyer und Theresia Theurl – Von Heidi Dittmann

I. Einleitung Die Sharing Economy erfreut sich sowohl unter ihren Nutzern als auch im wissenschaftlichen Diskurs wachsender Beliebtheit. Insbesondere aus medienwissenschaftlicher und publizistischer Sicht werden ihr Aufkommen und die steigende Nachfrage nach Sharing Leistungen als Ausdruck eines Wertewandels angesehen.1 Durch das Teilen von Gütern sei ein Übergang von Privateigentum zur gemeinsamen oder geteilten Nutzung dauerhafter Güter initiiert worden, der zu einer Revolution in Konsum und Produktion führen wird, in Teilen sogar bereits geführt hat. Das Knappheitsproblem der traditionellen Ökonomie könnte gelöst werden. Letztendlich begründe die Sharing Economy den Übergang in eine neue Wirtschaftsordnung, den sog. post-Kapitalismus.2 Dieser sozialromantischen Sichtweise entgegen steht das tatsächliche Marktverhalten der nennenswerten Sharing Unternehmen, wie Uber und AirBnB. Diese sind in Märkte mit einer hohen Regulierungsdichte eingetreten, ohne die bestehenden Markteintritts- und -verhaltensregeln zu befolgen. Die regulatorisch begründeten Inflexibilitäten der alteingesessenen Unternehmen wirkten so zugunsten der Sharing Unternehmen. Aus (ordnungs-)ökonomischer Sicht führt dies zu Wettbewerbsverzerrungen, wenn es sich bei Sharing und herkömmlichen Anbietern um Konkurrenten auf denselben Märkten handelt. An diesem Punkt setzt der Beitrag von Meyer/ Theurl an. Die Autoren prüfen die der Sharing Economy zugesprochenen Eigenschaften auf ihre ökonomische Stichhaltigkeit und leiten daraus aktuelle Governance-Herausforderungen ab.

1 Vgl. Voeth/Pölzl/Kienzler, 2015, S. 472, Monopolkommission, 2016, S. 369 Tz. 1189, Priddat, 2015, S. 100, Heinrichs/Grunenberg, 2012, S. 4. 2 Vgl. Bond, 2015, S. 78 f.

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II. Der ökonomische Kern der Sharing Economy Ungeachtet ihrer unbestrittenen Beliebtheit hat sich bisher kein einheitliches Begriffsverständnis der Sharing Economy durchgesetzt. Um wettbewerbsökonomische Schlussfolgerungen ziehen zu können, ist eine Abgrenzung der darunter zu zählenden Aktivitäten indes unerlässlich. Meyer/Theurl unternehmen den Versuch einer Definition und machen ihren Standpunkt hinsichtlich des revolutionären Charakters bereits eingangs deutlich. Anstatt dem Auslöser eines wirtschaftlichen Umbruchs handle es sich um eine „[…] ideologische Erhöhung […], die bei genauerer ökonomischer Betrachtung so nicht gerechtfertigt ist.“ Weshalb es sich dabei um eine Alternative zum Kapitalismus handeln sollte, sei zudem nicht ersichtlich. Anschließend stellen die Autoren die wesentlichen dem Sharing zugesprochenen Eigenschaften der ökonomischen Sichtweise gegenüber. Ein zentraler Vorteil der Sharing Economy gegenüber der klassischen Ökonomie wird in der Ressourcenschonung gesehen. Indem temporär unterausgelastete Ressourcen einer Verwendung zugeführt werden, steigt deren Auslastung. Dadurch können nicht lediglich Nutzer an Ressourcen partizipieren, die bisher aufgrund der dafür erforderlichen Anschaffungskosten keinen Zugang hatten, c. p. sinkt somit zugleich die Anzahl neu zu erwerbender Gebrauchsgüter, was mit einem geringeren gesamtwirtschaftlichen Ressourcenverzehr einhergeht.3 Meyer/Theurl beschränken die Gültigkeit dieser Folgerung auf die Fälle, in denen die intensivere Nutzung eines Gebrauchsguts zu keinem schnelleren und/oder stärkeren Verschleiß führt. Zu einem geringeren Ressourcenverbrauch kommt es demzufolge lediglich bei Gütern, die ansonsten aufgrund ihrer veralteten Technik verschrottet werden würden, in der Sharing Economy indes weiterhin genutzt werden. Da die meisten Gebrauchsgüter jedoch dem Verschleiß unterliegen, fällt der Effekt nicht so deutlich wie häufig beschrieben aus. Im Wesentlich wird eine echte Ressourcenschonung bei Computern möglich sein, als diese weitgehend unabhängig von der Prozessorenauslastung ist. Einen Vorteil der höheren Kapazitätsauslastung sehen die Autoren insbesondere im Bereich der gemeinsamen Nutzung von Investitionsgütern durch Unternehmen, wie beispielsweise Produktionsanlagen. Die dadurch erzielte bessere Nutzung bestehender Ressourcen geht wiederum mit sinkenden Produktionskosten einher. Des Weiteren führt die Bereitstellung zusätzlicher Kapazitäten durch die Anbieter der Sharing Economy zu insgesamt steigenden Kapazitäten, wodurch es zu einer Reduktion von Spitzenlasttarifen kommen kann. Steigt beispielsweise durch den Eintritt Ubers in die Märkte für Taxi-Dienstleistungen die Gesamtzahl der Fahrdienstleister, stehen c. p. auch zu Zeiten hoher Nachfrage mehr Fahrer zu Verfügung, was wiederum zu geringeren Spitzenlasttarifen führt als im Szenario ohne die zusätzlichen Kapazitäten.

3 Vgl. DuPuis/Rainwater, 2015, S. 2, Zobrist/Grammp, 2015, S. 4, Rauch/Schleicher, 2015, S. 15 f., Schor, 2014, S. 3, Cusumano, 2015, S. 32.

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Grundsätzlich lässt sich das Teilen von Gütern in Asset-Hub Sharing und Peer-toPeer Sharing Networks unterscheiden. Ersteres ist seinem Wesen nach dem traditionellen Geschäftsmodell ähnlich. Eine Plattform verfügt über eigene Güter oder bietet eigene Dienstleistungen an und gewährt den Nutzern als eine Art Hub Zugang zu ihren eigenen Ressourcen.4 Aufgrund der hohen inhaltlichen Nähe zum klassischen Handel und der klassischen Dienstleistungserbringung wird diese Form bei der Betrachtung des Sharings zumeist ausgenommen. Sharing wie es u. a. bei Uber und AirBnB der Fall ist, erfolgt über Peer-to-Peer Networks. Hierbei werden die zu teilenden Güter oder Dienstleistungen nicht durch die Plattform, sondern durch i. d. R. private Anbieter bereitgestellt. Die Plattform selbst verfügt über keinerlei Assets, sondern wird ausschließlich als Vermittler tätig.5 Ein zentraler Aspekt der Sharing Economy besteht demnach in der Koordination von Angebot und Nachfrage über eine Internetplattform. Bereits auf dieser Ebene zeigt sich eine deutliche Ähnlichkeit zu den Plattformen im Sinne der Theorie mehrseitiger Marktplätze. Diese sind definiert durch die Existenz zweier Nutzergruppen, die in wechselseitiger Abhängigkeit zueinander stehen und über die Plattform als Vermittler zusammengeführt werden.6 Liegen zweiseitige indirekte Netzeffekte vor, erfahren die Teilnehmer der einen Marktseite eine Nutzensteigerung durch die Steigerung der Teilnehmerzahl auf der anderen Marktseite.7 Die Interdependenz der beiden Marktseiten hat zudem einen Einfluss auf die Preissetzung der Plattform. Zur Erreichung einer hohen Nutzerzahl ist im Normalfall von der Marktseite, von welcher der geringere indirekte Netzeffekt ausgeht, ein höheres Entgelt zu fordern als von der Marktseite, die über den jeweiligen indirekten Netzeffekt einen starken Einfluss auf den Nutzen der anderen Nutzergruppe hat.8 Für eine optimale Ausnutzung der Netzeffekte können die Preise unterhalb der Grenzkosten gesetzt werden. Negative Preise sind ebenso möglich.9 Meyer/Theurl greifen diesen Punkt zwar auf, ohne jedoch vertiefend auf die Preissetzung der Sharing Plattformen einzugehen. Mit Blick auf die Netzeffekte ist zwischen Größen- und Sortierungsexternalitäten zu differenzieren. Liegen Größenexternalitäten vor, steigt der Nutzen der Nutzer mit steigender Gruppengröße auf der anderen Marktseite. Da eine Plattform die Größenexternalitäten besser ausnutzen kann als zwei oder mehrere, tendieren Plattformen zur Konzentration. Meyer/Theurl sehen darin die Möglichkeit von Plattformen, sich vor dem Markteintritt neuer Plattformen zu schützen und negative Einflüsse auf ihre Preise zu vermeiden.

4

Vgl. Demary, 2014, S. 5, Rauch/Schleicher, 2015, S. 11. Vgl. Zobrist/Grammp, 2015, S. 4, Rauch/Schleicher, 2015, S. 2, 13. 6 Vgl. Rochet/Tirole, 2003, S. 991 f., Katz/Shapiro, 1985, S. 424, Dewenter, 2006, S. 58 f., Dewenter/Haucap, 2009, S. 38 f., Evans/Schmalensee, 2007, S. 154. 7 Vgl. Katz/Shapiro, 1985, S. 426, Katz/Shapiro, 1986, S. 822 f. 8 Vgl. Wright, 2004, S. 46 f., Armstrong, 2006, S. 674, Evans/Schmalensee, 2007, S. 159 f. 9 Vgl. Rysman, 2009, S. 130, Wright, 2004, S. 48. 5

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Das häufig mit der Sharing Economy assoziierte Absinken von Informations- und Transaktionskosten wird von den Autoren nicht auf das Wesen der Sharing Economy als solche, sondern auf deren Verwendung einer internetbasierten Plattform zur Koordination von Angebot und Nachfrage zurückgeführt. Nicht nur können Anbieter und Nachfrager leichter zusammengeführt werden, über Bewertungsportale besteht zudem die Möglichkeit, vor Vertragsabschluss umfassende Informationen über den Vertragspartner zu erhalten. Da diese Informationsbeschaffung jedoch nicht auf die Sharing Economy begrenzt ist, kann dies nach Meyer/Theurl kein ausschließlich ihr zuzurechnendes Wesensmerkmal erachtet werden. Eine durch die Sharing Economy hervorgerufene Änderung besteht nach Meyer/ Theurl in der Verschmelzung der Grenze zwischen Konsumenten und Produzenten. Während die Sharing Anbieter ihr Eigentum weiterhin privat selbst nutzen, stellen sie es zudem anderen Individuen temporär zur Verfügung. Hierin wird im vorliegenden Beitrag die wesentliche Herausforderung für die Schaffung eines adäquaten Ordnungsrahmens für das Teilen von Gütern gesehen. Zusammenfassend kommen die Autoren zu dem Schluss einer weitgehenden Kongruenz der Sharing Unternehmen mit den Plattformen im Sinne der Theorie zweiseitiger Märkte. Ein revolutionärer Charakter oder gar der beginnende Übergang in eine post-kapitalistische Wirtschaftsordnung ist nicht zu erkennen.

III. Governance-Herausforderungen Governance-Herausforderungen machen Meyer/Theurl in drei Bereichen aus: die steuerliche Handhabung und Sozialabgaben innerhalb der Sharing Economy, die Gewerbeordnung und der Verbraucherschutz sowie die Wettbewerbspolitik, wobei Handlungsbedarf insbesondere bei Letzterem besteht. Die steuerliche Einordnung der Sharing Economy wird als weitgehend unkritisch gesehen. Die durch das Teilen von Gütern erzielten Einkünfte unterliegen der Einkommensteuer sowie der Umsatzsteuer, sofern die für Kleinunternehmer existierende Freigrenze überschritten wird. Gewerbliche Anbieter unterfallen zudem den Regelungen des Gewerbesteuergesetzes. Einen nennenswerten Unterschied zur Vorgehensweise innerhalb der klassischen Ökonomie sehen die Autoren grundsätzlich nicht. Allein die Kontrolle über die Höhe der erzielten Einkünfte durch die zuständige Steuerbehörde wird aufgrund der vielen kleinen Anbieter sowie der Vermischung zwischen privater und gewerblicher Sphäre erschwert. Sozialrechtlich sind insbesondere Fragen des Kündigungsschutzes, der Arbeitszeiten- und -entgeltregelungen und nicht zuletzt der Krankenversicherung relevant. Die Autoren thematisieren ferner die gängige Praxis einiger Plattformen wie Uber, die Leistungsanbieter als Selbständige zu klassifizieren, obgleich sie in der Entscheidung über die Ausgestaltung ihrer Tätigkeit z. T. erheblich eingeschränkt sind.

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Mit der Ausübung eines Gewerbes ist in vielen Branchen die Erfüllung zahlreicher Vorschriften verbunden. Meyer/Theurl zeigen die diesbezüglichen Mängel am Status quo auf. Während die traditionellen Unternehmen die existierenden Regelungen beachten müssen, erbringen die Sharing Anbieter ihre Leistungen derzeit weitgehend regulierungsfrei. Die Flexibilität innerhalb der Sharing Economy kann daher höher sein als in der Standard Economy. Eine unreflektierte Übertragung der bestehenden Marktzugangs- und -verhaltensregeln auf die Sharing Anbieter lehnen Meyer/Theurl jedoch ab. Vielmehr gilt es, die gegenwärtige Regulierung auf ihre (ökonomische) Notwendigkeit zu überprüfen und gegebenenfalls Deregulierungsmaßnahmen zu ergreifen, wenn die Regulierung alleinig dem Schutz der Marktteilnehmer und eben nicht der Korrektur von Marktversagen dient. Hierin liegt ein zentraler Punkt in der Diskussion um die Regulierung der Sharing Economy. Weder eine pauschale Regulierung noch eine gänzliche Regulierungsfreiheit sind ökonomisch sinnvoll. Um einen fairen Wettbewerb zwischen beiden Angebotsformen zu ermöglichen, müssen einheitliche Wettbewerbsbedingungen geschaffen werden. In diesem Zusammenhang kann der Markteintritt der Sharing Anbieter zu einem Überdenken der bestehenden Marktzugangs- und -verhaltensregeln führen. Verdeutlichen lässt sich dies am Beispiel Uber. Die Erbringung von Taxi-Dienstleistungen unterliegt den restriktiven Vorschriften des Personenbeförderungsgesetzes, die bereits seit etlichen Jahren als überholt anzusehen sind. Die Tätigkeit Ubers zeigt nun die Funktionsfähigkeit der Märkte für Taxi-Dienstleistungen auf und könnte somit den Anstoß für die überfällige Liberalisierung geben. Aus wettbewerbspolitischer Sicht besteht laut Meyer/Theurl die zentrale mit der Sharing Economy einhergehende Gefahr in der Konzentration, die aus der Organisation als Plattform resultiert. Insgesamt erkennen die Autoren somit zwei wesentliche Governance-Herausforderungen: der Umgang mit den sog. Prosumern auf der einen Seite sowie die Kontrolle der möglichen Konzentrationstendenzen.

IV. Lösungsvorschläge Für einen fairen Wettbewerb zwischen klassischen Unternehmen und Sharing Anbietern ist es für Meyer/Theurl unerlässlich, Regeln für den Umgang mit den Prosumern zu schaffen. Zunächst sind diese, sobald sie gewerblich tätig sind, den gleichen Regeln zu unterwerfen, wie sie von den alteingesessenen Unternehmen zu erfüllen sind. Hierdurch könnten jedoch (alteingesessene) große Unternehmen Vorteile gegenüber kleinen Anbietern, wie die Prosumer der Sharing Economy, erlangen, was nach Ansicht der Autoren mit Wettbewerbsverzerrungen einhergehen würde. Als Lösung des Problems propagieren Meyer/Theurl die Aufhebung der Regulierung auf den betreffenden Märkten. Für wettbewerbspolitisch kritisch erachten die Autoren die Gefahr der Erlangung einer marktbeherrschenden Stellung durch die Plattformenanbieter. Die auf der Platt-

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form tätigen Leistungserbringer geraten somit in eine Abhängigkeit zu den Betreibern, ohne über die Möglichkeit der Schaffung einer Gegenmacht zu verfügen. Das klassische wettbewerbsökonomische Instrumentarium sei auf Plattformen lediglich unter Effizienzeinbußen anwendbar. Begründet wird diese Aussage über die damit einhergehende Einschränkung der Ausnutzung der indirekten Netzeffekte. Hierzu kommt es jedoch lediglich bei Beschränkung der Größe der Plattformen. Eine solche sieht das GWB indes nicht vor. Vielmehr unterliegen marktbeherrschende Plattformen der Missbrauchsaufsicht, die eine missbräuchliche Ausnutzung der Marktstellung verhindern soll. Der Umgang mit der plattformenspezifischen Preissetzung ist in der gegenwärtigen Praxis der deutschen Kartellbehörden allerdings noch nicht ausgereift, so die Autoren. Meyer/Theurl präsentieren einen alternativen Vorschlag zur Lösung des bestehenden vertikalen Abhängigkeitsverhältnisses und zwar die Überführung der betreffenden Sharing Plattformen in eine genossenschaftliche Organisationsstruktur. Diesbezüglich unterscheiden sie drei mögliche Gestaltungsformen: Zunächst könnten die Plattform sowie die auf ihr tätigen Anbieter die Genossenschaft bilden. Ebenfalls sei es denkbar, die Nachfrager in die Genossenschaft einzubeziehen. Die dritte Alternative benennen die Autoren mit dem Erwerb des gemeinsamen Eigentums der Genossenschaft an den relevanten Gütern. Die Vorzüge dieser Vorgehensweise sehen die Autoren in der Verhinderung des Machtmissbrauchs gegenüber den Leistungserbringern, als beide Parteien nunmehr als Mitglieder der Genossenschaft Betreiber und Leistungserbringer zugleich sind und sich somit letztendlich selbst ausbeuten würden. Aufgrund der Leistungserbringung durch i. d. R. Privatpersonen bestünden auf Seiten der Anbieter keine nennenswerten Unterschiede bezüglich der Interessen, der Geschäftsmodelle sowie der Größe. Folglich sei die Abstimmung innerhalb der Genossenschaft selbst mit steigender Mitgliederzahl mit geringen Interdependenzkosten verbunden. Einräumen müssen die Autoren hingegen die bei dieser Alternative weiterhin bestehende Möglichkeit der Ausbeutung der Nachfrageseite. Diesem Problem Rechnung tragend, könnte stattdessen eine atypische Form der Genossenschaft gewählt werden. Bei dieser Vorgehensweise würden die Nachfrager der Sharing Leistungen ebenfalls Mitglieder der Genossenschaft werden. Damit würden der Anreiz und die Möglichkeit des Missbrauchs der marktbeherrschenden Stellung gegenüber den Konsumenten nivelliert. Die resultierende erhöhte Heterogenität innerhalb der Genossenschaft sei dabei nicht als Problem anzusehen, als alle Mitglieder über ein gemeinsames Interesse verfügen würden. Vielmehr würde die Erlangung von Eigentum an den relevanten Ressourcen eine Stärkung der Nachfragewünsche bewirken. Die Nachteile der atypischen Genossenschaftslösung benennen die Autoren mit der Erklärungsbedürftigkeit gegenüber potenziellen Nutzern und den Geschwindigkeitsnachteilen einer derart organisierten Plattform, die mit Entwicklungsnachteilen gegenüber anderen Plattformen einhergeht.

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Inwiefern die Genossenschaftslösung indes zur Problemlösung beiträgt, ist fraglich. Gegen die genannten Alternativen lässt sich eine Reihe von Argumenten vorbringen. Grundsätzlich erscheint es nicht plausibel, anzunehmen, Nachfrager seien bereit, für die Inanspruchnahme einer Sharing Leistung Anteile einer Genossenschaft zu erwerben. Aus Nutzersicht vorteilhaft ist das Teilen insbesondere durch die Möglichkeit, Güter zu konsumieren, die sie selbst nicht besitzen. Die Mitgliedschaft in einer Genossenschaft wäre hingegen mit Eigentum und Verpflichtungen verbunden, was durch das Sharing eigentlich umgangen werden soll. Ferner ist die Inanspruchnahme einer Dienstleistung mit einem deutlich höheren Koordinationsaufwand verbunden als bisher. Bereits die Aushandlung von Nutzungsregeln, wobei zu klären gilt, ob für alle Nutzer einheitliche oder individuell unterschiedliche Regeln gelten sollen, ist selbst bei homogenen Interessen aufwändig. Darüber hinaus könnte sogar kritisch diskutiert werden, wie homogen die Präferenzen tatsächlich sind. Vor diesem Hintergrund erscheint insbesondere die dritte Alternative wenig realistisch, zumindest für die derzeit bedeutendsten Sharing Plattformen, Uber und AirBnB. Für diese sind nachfolgend lediglich einige Gegenargumente dargestellt. Zunächst ist kritisch zu hinterfragen, welcher Anteil der Sharing Anbieter tatsächlich bereit ist, das Eigentum an seinem privaten Gut aufzugeben, d. h. ihr Fahrzeug oder ihre Wohnung/ihr Haus in das Eigentum der Genossenschaft zu überführen. Im Falle der Unterkunft stellt sich zudem die Frage, wie viele Sharing Geber überhaupt selbst Eigentümer sind oder ob nicht überwiegend Mietwohnungen von den Leistungsanbietern der Sharing Economy untervermietet werden. Ein Verkauf an die Genossenschaft wäre damit ausgeschlossen, wodurch ein (Groß-)Teil der potenziellen Nutzer ausgeschlossen werden würde. Aber auch der Verkauf einer Eigentumswohnung zur Teilnahme an einer Sharing Plattform erscheint unwahrscheinlich. Gleiches gilt für das private Kfz. Ein wesentlicher Vorteil an der Partizipation an der Sharing Economy besteht für die Anbieter gerade in der gelegentlichen Bereitstellung des eigenen Guts, wenn dieses nicht für eigene Zwecke genutzt wird. Ist das Fahrzeug Eigentum der Genossenschaft, müsste die private Nutzung mit den anderen Mitgliedern koordiniert werden. Für die meisten Anbieter dürfte dies ausgeschlossen sein. Des Weiteren zu klären wäre die Frage, welche räumliche Abgrenzung vorgenommen werden soll, eine lokale, regionale oder gar überregionale? Dieser Punkt wird von Meyer/Theurl jedoch nicht aufgegriffen. Neben der Frage der praktischen Umsetzbarkeit des Vorschlags sind ferner mögliche wettbewerbsökonomische Effekte zu betrachten. Das Ziel der Genossenschaftslösung besteht nach Meyer/Theurl in der Vermeidung der negativen Auswirkung der Konzentration als Folge der optimalen Ausnutzung der Netzeffekte durch Sharing Plattformen, ohne indes eben diese Nutzung der Netzeffekte einzuschränken. Durch die geringen Anreize zur Teilnahme an einer genossenschaftlich organisierten Sharing Plattform dürfte es für Plattformen aber gerade schwerer werden, eine

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hohe Nutzer-, respektive Mitgliederzahl zu erreichen. Effizienzeinbußen gegenüber dem Status quo wären die Folge. Zum anderen steigen die Wechselkosten für die Nutzer deutlich an, wodurch Multihoming letztendlich verhindert wird. Ein Fahrzeug oder eine Wohnung kann ausschließlich an eine Plattform veräußert werden. Der derzeit jederzeit mögliche Wechsel zwischen verschiedenen Fahrdienstleistern wird dadurch unterbunden. Resümierend lassen die angeführten Argumente deutliche Zweifel an der Realisierbarkeit der präsentierten Genossenschaftslösung aufkommen. Zudem ist es zumindest fraglich, in welchem Umfang diese tatsächlich zur Problemlösung beiträgt.

V. Schlussbetrachtung Im vorstehenden Beitrag nehmen Meyer/Theurl eine fundierte ökonomische Analyse der Wesenszüge der Sharing Economy vor und leisten somit einen wertvollen Beitrag zur Abkehr von den sozialromantischen Vorstellungen über das Teilen. Ebenso wichtig sind die daraus gezogene Schlussfolgerung der Notwendigkeit eines einheitlichen Regulierungsrahmens für Sharing sowie alteingesessene Unternehmen und die Forderung der Überprüfung der bestehenden Regulierung auf ihre ökonomische Sinnhaftigkeit. Der präsentierte Vorschlag zur Lösung eventueller Marktmachtsprobleme erscheint hingegen nicht praktikabel. Literatur Armstrong, Mark: Competition in Two-Sided Markets, The RAND Journal of Economics, Vol. 37, 3/2006, S. 668 – 691. Bond, Andrew T.: An App for that: Local Governments and the Rise of the Sharing Economy, in: Notre Dame Law Review, Vol. 90, 2/2015, S. 77 – 96. Cusumano, Michael A.: Technology Strategy and Management: How Traditional Firms Must Compete in the Sharing Economy, in: Communications of the ACM, Vol. 58, 1/2015, S. 32 – 34. Dewenter, Ralf: Two-Sided Markets, in: MedienWirtschaft, 3. Jg., 2/2006, S. 57 – 62. Dewenter, Ralf/Haucap, Justus: Wettbewerb als Aufgabe und Problem auf Medienmärkten: Fallstudien aus Sicht der „Theorie zweiseitiger Märkte“, in: Wentzel, Dirk (Hrsg.), Medienökonomie: Ordnungsökonomische Grundfragen und Gestaltungsmöglichkeiten, Stuttgart 2009, S. 35 – 73. DuPuis, Nicole/Rainwater, Brooks: Shifting Perception of Collaborative Consumption: A National League of Cities Survey on the Sharing Economy, Washington 2015. Evans, David S./Schmalensee, Richard: The Industrial Organization of Markets with TwoSided Platforms, in: Competition Policy International, Vol. 3, 1/2007, S. 150 – 179. Heinrichs, Harald/Grunenberg, Heiko: Sharing Economy: Auf dem Weg in eine neue Konsumkultur?, Working Paper Leuphana Universität Lüneburg, Lüneburg 2012.

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Katz, Michael L./Shapiro, Carl: Network Externalities, Competition, and Compatibility, in: The American Economic Review, Vol. 75, 3/1985, S. 424 – 440. – Technology Adaption in the Presence of Network Externalities, in: Journal of Political Economy, Vol. 94, 4/1986, S. 822 – 841. Monopolkommission, Wettbewerb 2016: Einundzwanzigstes Hauptgutachten der Monopolkommission gema¨ ß § 44 Abs. 1 Satz 1 GWB, Bonn 2016. Priddat, Birger P.: Share Economy: mehr Markt als Gemeinschaft, in: Wirtschaftsdienst, 2/ 2015, S. 98 – 101. Rauch, Daniel E./Schleicher, David: Like Uber, but for Local Governmental Policy: The Future of Local Regulation on the “Sharing Economy“, George Mason University Law and Economic Research Paper Series, Research Paper No. 15 – 01, Fairfax 2015. Rochet, Jean-Charles/Tirole, Jean: Platform Competition in Two-Sided Markets, in: Journal of the European Economic Association, Vol. 1, 4/2003, S. 990 – 1029. Schor, Juliet: Debating the Sharing Economy, Essay, Great Transition Initiative, 2014. Abrufbar unter: http://www.greattransition.org/images/GTI_publications/Schor_Debating_the_Shar ing_Economy.pdf. Voeth, Markus/Pölzl, Jana/Kienzler, Oliver: Sharing Economy – Chancen, Herausforderungen und Erfolgsfaktoren für den Wandel vom Produktgeschäft zur interaktiven Dienstleistung am Beispiel des Car-Sharings, in: Interaktive Wertschöpfung durch Dienstleistungen: strategische Ausrichtung von Kundeninteraktionen, Geschäftsmodellen und sozialen Netzwerken, Wiesbaden 2015, S. 469 – 489. Wright, Julian: One-Sided Logic in Two-Sided Markets, in: Review of Network Economics, Vol. 3, 1/2004, S. 44 – 64. Zobrist, Luc/Grampp, Michael: The Sharing Economy: Share and Make Money: How Does Switzerland Compare?, Zürich 2015. Abrufbar unter: http://www2.deloitte.com/content/ dam/Deloitte/ch/Documents/consumer-business/ch-cb-shared-economy-share-and-makemoney.pdf.

Ordnungspolitischer Rahmen für den Plattformkapitalismus – Korreferat zu Eric Meyer und Theresia Theurl – Von Michael Köster

I. Einleitung Der Konsumforscher Russell Belk brachte Ende der neunziger Jahre den Zeitgeist mit seinem „you are what you own“1 auf den Punkt. Er stellt heute unter Verweis auf Phänomene wie Collaborative Consumption, die Prosumer und sogenannte Commercial Sharing Systems fest: „you are what you can access“2. Die Sharing Economy ist also in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Sie ist dabei ein Musterbeispiel für die verschiedenen Dimensionen des Megatrends Digitalisierung und ihrer inhärenten Tragweite. Wir unterscheiden dazu diverse Treiber, unter anderem technologische, soziale, finanzielle und regulative. Im Fall der Sharing Economy ist es primär die technologische Entwicklung, wie beispielsweise im Bereich der digitalen Kommunikation, der Vernetzung und der allgemeinen Verbreitung des Smartphones, welche die neuen Services ermöglichen. Viele Angebote der Sharing Economy erheben jedoch einen höheren Anspruch, sie wollen nicht nur für die simple Übertragung bestehender Geschäftsmodelle in das digitale Zeitalter stehen. Brian Chesky etwa, Gründer und CEO der Vermittlungsplattform Airbnb, stellt wie selbstverständlich auch seine eigenen Anwesen zur Teilhabe im Internet bereit. Er und andere Vertreter der Branche verändern bestehende Märkte „disruptiv“ und betreiben mit Services einen gesellschaftlichen Wandel. Der Umbruch vom Besitzen zum vorwiegenden Benutzen einschlägiger Konsumgüter ist ihre Maxime. Robin Chase, Entrepreneurin im Bereich des Carsharings (u. a. Zipcar und Buzzcar, heute Drivy), nennt die „Collaborative Economy“ gar die Neuerfindung des Kapitalismus. Die Abgrenzung von Selbstvermarktung und tatsächlichem sozialen Treiber der Sharing Economy sei dahingestellt. Fakt ist aber, dass einige Plattformen in ihrem Wirtschaftszweig bei steigender Beliebtheit bereits einen signifikanten Marktanteil erobert haben. Für Airbnb beziffert eine Studie des Immobiliendienstleisters Collier 1 2

Belk (1988), S. 1. Belk (2014), S. 1595 – 1600.

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International den Marktanteil im Großraum Berlin auf stolze 8,5 % – bei einem Wachstum von 68 % gegenüber dem Vorjahr.3 Hohe Wachstumsraten kann auch der Bundesverband für das Carsharing vermelden: ein Zuwachs von 36,1 % registrierter Kunden bei den deutschen Carsharing-Anbietern, darunter bei den stationslosen und ausschließlich digital mietbaren Plattformen bemerkenswerte 51,8 %.4 Nicht zuletzt ist es die hohe Skalierbarkeit der Angebote und die damit verbundenen Aussichten auf hohe Gewinne, welche überdies einen großen Zufluss finanzieller Mittel zu den Anbietern der Sharing Economy begründen und damit auch zu einem starken finanziellen Treiber der Digitalisierung werden. Das Silicon Valley der ersten Generation hat ordentlich freies Kapital produziert, welches sich nur zu gern in visionäre und gut skalierbare Services investieren mag.

II. Definitorische Abgrenzung Demgemäß muss die Diskussion um die Sharing Economy im Rahmen der rasanten Veränderungsdynamik der allgemeinen Digitalisierung gesehen werden. Die Umbrüche werden gesellschaftlich kaum ausreichend schnell durchdrungen, dafür sind sie einfach zu schnell, zu vielfältig und technisch zu komplex. Aufgrund der Tragweite, die einige Modelle für ihre Branche haben, wie beispielsweise Airbnb für das Hotelgewerbe oder das Uber für das Taxiwesen, werden nur auf den ersten Blick ähnliche Angebote, gerne vorschnell in einen Topf geworfen. Gerade bei der Analyse der sozialen Dimension der Sharing Economy wird viel subsummiert. Belk verwendet einen extrem generischen Begriff der Sharing Economy: „In a broad sense, the Internet itself us a giant pool of shared content“. Diese Ansicht kann weder als falsch noch als richtig bewertet werden, sie ist aber mindestens nicht zielführend. Es ist zweckmäßiger, eine eigene Begriffsbestimmung an der Zielrichtung der Untersuchung auszurichten.5 Meyer & Theurl stellen folgerichtig fest, dass der wissenschaftliche Diskurs zunächst eine über die gesellschaftliche Debatte hinausgehende definitorische Schärfung der Bezeichnung „Sharing Economy“ erfordert. Die Autoren verwenden daher viel Zeit auf eine saubere Abgrenzung und definieren die Sharing Economy als ein Angebot, welches „plattformbasiert die Nachfrage und das Angebot privater Leistungsanbieter“ zum Austausch von „Gebrauchsgütern“ zusammenführt. Sie stellen dazu also insbesondere auf den privaten Charakter der Leistungserbringung ab und reflektieren die Eigenschaften der sogenannten Prosumer. Darauf aufbauend erfolgt eine präzise Analyse der mit dieser Definition von Sharing Economy verbun3

Vgl. Studie unter https://www.colliers.de/wp-content/uploads/2017/03/airbnb-berlin-col liers-170309.pdf. 4 Vgl. Mitteilung unter https://carsharing.de/presse/pressemitteilungen/carsharing-jahresbi lanz-2016-mehr-17-millionen-carsaring-nutzer. 5 Vgl. bspw. Pawłowski (1980), S. 14.

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denen regulatorischen Herausforderungen, und dabei insbesondere im Bereich der Steuererhebung und der Sozialabgaben, der Gewerbeordnungen und von Wettbewerbsaspekten der Plattformen untereinander. Die Präzision wird allerdings erst durch die gewählte sehr enge Abgrenzung ermöglicht. Das allgemeine Verständnis der Sharing Economy umfasst durchaus nicht nur zweiseitige Märkte – realisiert durch Internetplattformen – sondern beispielsweise auch Carsharing, die digitale und schnelldrehende Variante des klassischen Mietwagengeschäfts. Die Autoren rekurrieren zudem selbst auf Uber, ein Vermittlungsdienst zur Personenbeförderung, und eigentlich eher ein Vertreter der Gig Economy. Bei Uber steht eben nicht der Güteraustausch im Vordergrund, sondern die plattformbasierte Vermittlung einer Dienstleistung. Der Bezug ist aber naheliegend, denn bestimmte Entwicklungen – wie beispielsweise im Bereich der Wettbewerbsaspekte – sind ganz analog gegeben. Der vorliegende Beitrag versucht daher die Analyse vor dem Hintergrund eines erweiterten Verständnisses der Sharing Economy zu werten.

III. Ordnungspolitischer Diskurs 1. Vorbemerkungen und erste Einordnung Vor dem Hintergrund der beschriebenen Veränderungsdynamik stellt sich naturgemäß die Frage, ob in regulatorischer Hinsicht Handlungsbedarf besteht. Benötigt die Sharing Economy einen spezifischen ordnungspolitischen Rahmen? Falls es sich tatsächlich um nichts weniger als die Neuerfindung des Kapitalismus handeln sollte, wie wirken die neuen Modelle im Rahmen der sozialen Marktwirtschaft? Und wie wollen wir sie wirken lassen? Uber ist ein vielzitiertes Beispiel für die Tragweite und die notwendige Wachsamkeit in der Analyse der Plattformen. UberPop – der Service, der rein private Fahrer mit privaten Fahrzeugen an beförderungswillige Fahrgäste vermittelt – hat eine Kontroverse dahingehend ausgelöst, was einen professionellen Taxiservice von einer privaten Mitfahrgelegenheit abgrenzt. Als Taxiservice verstieße UberPop gegen das deutsche Personenbeförderungsgesetz, da die privaten Fahrer in der Regel nicht über einen Führerschein zur Fahrgastbeförderung verfügen, die Fahrzeuge nicht den gesetzlichen Vorgaben genügen müssen und keine dedizierte Taxilizenz zur Teilnahme am Service erforderlich ist. Reine Mitfahrgelegenheiten – wie sie beispielsweise bei der inzwischen im französischen Carsharing-Anbieter BlaBlaCar aufgegangenen Mitfahrzentrale angeboten wurden – dürfen nur zum Selbstkostenpreis angeboten werden, und es darf keine Gewinnerzielungsabsicht des Fahrers vorliegen. Meyer & Theurl beschreiben drei wesentliche Governance-Herausforderungen für die Regulierung der Sharing-Economy: Erstens Herausforderungen in der Abgrenzung privatem Zuverdienst und Gewerbebetrieb mit Gewinnerzielungsabsicht, zweitens Fragen zur Gewerbeordnung und dem Verbraucherschutz und drittens Wettbewerbsaspekte der Plattformen untereinander.

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In Bezug auf die Gewerbeordnung ist es eine berechtigte Kritik, dass vor dem Hintergrund der digitalen Möglichkeiten bestimmte spezifische Anforderungen einzelner Branchen nicht länger berechtigt sind. Dies gilt beispielsweise für die Taxiordnungen, aber auch für andere. Gerade die Hotelbranche führt gerne ihre durch die Gewerbeordnung induzierten Nachteile gegenüber gewerbsmäßigen Vertretern auf Plattformen wie Airbnb ins Feld. Es stellt sich allerdings die Frage, ob das Sternesystem der DEHOGA im digitalen Zeitalter noch die wesentliche Bedeutung vergangener Tage hat, war doch der Sinn und Zweck dem nicht ortskundigen Gast einen Indikator zur absehbaren Hotelausstattung zu geben. Kriterien wie die Rezeptionsbesetzung oder die Verfügbarkeit eines Zimmersafes können heutzutage über die Plattformen besser und feingranularer abgebildet werden. 2. Wettbewerbsaspekte Es ist richtig beobachtet, dass die digitalen Vermittlungsplattformen sehr gut skalieren und somit eine Tendenz zur Konzentration aufweisen. Die darin verborgene Problematik ist allerdings nicht zu unterschätzen, da die Wettbewerbsvorteile dem Endkunden nicht transparent sind. Im Vergleich stellen sich ihm Buchungsportale wie HRS und booking.com als überlegene Alternative zur Direktbuchung dar, ebenso wie MyTaxi oder Uber. Demzufolge wird die Präsenz auf Vermittlungsplattformen für die Leistungsanbieter zur Pflicht, ohne die sie in einigen Bereichen kaum mehr auf ausreichende Nutzerzahlen kommen. Dies wird verstärkt durch die teilweise erheblichen Investitionssummen, mit deren Hilfe Plattformen ihre Services vermarkten und subventionieren können, wie es aktuell im Taxigewerbe schon passiert. Umso wichtiger wäre eine regulatorische Vorgabe, um den Lock-in-Effekt von Anbietern auf Plattformen zu reduzieren – ohne dabei jedoch das Geschäftsmodell wesentlich einzuschränken. Denkbar wäre beispielsweise eine Art Anrechnungsmodell für Kundenbewertungen einer Plattform oder die Verpflichtung zur Bereitstellung einer technischen Schnittstelle zur Aufnahme kleiner Anbieter ab einer gewissen Marktdominanz. Ein noch größeres und bislang unerwähntes Problem liegt in der algorithmischen Intransparenz der Plattformanbieter verborgen. Letztlich handelt es sich bei jeder der Kundenanfragen an eine Vermittlungsplattform um einen Suchauftrag mit definierten Kriterien, beispielsweise bei einer Suche nach einer Übernachtungsmöglichkeit, einem freien Taxi in räumlicher Nähe, einem freien Fahrzeug oder einer spezifischen Dienstleistung. Die Reihenfolge der auf der Plattform angezeigten Suchergebnisse hat naturgemäß erheblichen Einfluss auf die Buchungsselektion. Es liegt allerdings allein in der Hand des Plattformanbieters, diese Reihenfolge und die grafische Hervorhebung einzelner Angebote zu steuern. Dabei ist bekannt, dass beispielsweise Hoteliers die Rankings gegen Zahlung einer Gebühr an die Hotelvermittler in ihrem Sinne positiv beeinflussen können, oder Fahrzeuge von MyTaxi-Werbeträgern vom Verteilungsalgorithmus bevorzugt werden. Auf diese Art und Weise erfolgt eine suboptimale Allokation der verfügbaren Ressourcen. Zudem ist dieser Hinter-

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grund dem zahlenden Endkunden in der Regel nicht bekannt. Er bucht ggf. gutgläubig das nur vermeintlich beste Angebot und wird betriebswirtschaftlich zwangsläufig über einen unnötig erhöhten Preis noch zum Begleichen der Werbemaßnahme gezwungen, auf die er selbst hereingefallen ist. Diese Instrumente heben den Vermittler in eine übermächtige Position als „man in the middle“, mit einem unfairen Verhältnis aus Rechten und Pflichten. Hier ist regulatorischer Handlungsbedarf gegeben, um gekaufte oder käuflich beeinflusste Angebote deutlich von anderen zu differenzieren – wie es bei Abgrenzung von bezahlten Anzeigen und neutralen Artikeln in Zeitschriften und Zeitungen seit langem üblich ist.

3. Steuerliche Aspekte In Bezug auf die Abgrenzung zwischen privater und erwerbsmäßiger Tätigkeit wird auf einkommensteuerliche, körperschaftsteuerliche, gewerbesteuerliche und umsatzsteuerliche Aspekte rekurriert. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass es sich in der Regel um Kleinunternehmer handelt und Angebote von Einzelpersonen und insofern die gesetzlichen Regelungen zu Körperschaft- und Gewerbesteuer regelmäßig nicht einschlägig seien. Darüber hinaus ergebe sich hinsichtlich der steuerlichen Behandlung kaum ein Unterschied zwischen Teilnehmern der Sharing Economy und der allgemeinen Wirtschaft, wobei die Herausforderung in der Identifikation der bei den Plattformbetreibern liegenden Transaktions- und Umsatzdaten läge. Richtig beobachtet ist, dass es schon heute für die oben genannte Abgrenzung gesetzliche Rahmenparameter gibt. Es kommt in diesem Zusammenhang stark auf die zuvor gewählte definitorische Abgrenzung der Sharing Economy an. Wenn es im engeren Sinne nur um das Teilen physischer Güter geht, dann besteht zumindest eine theoretische Chance für die Steuerfahndung stichprobenhafte Prüfungen bei den Leistungsanbietern zu unternehmen, so wie es auch heute schon bei privaten Verkäufen im Internet geschieht.6 Fraglich ist jedoch, ob die Auswahl einer geeigneten Stichprobe und die Identifikation der wesentlichen Umsatzträger tatsächlich so einfach möglich sein werden. Es liegt nämlich gerade nicht im Interesse der Plattformen die Höhe der Transaktionen auch für den Fiskus transparent zu gestalten. Viele Plattformen dürften im Graubereich erhebliche Umsatzvolumina vermuten. Falls sich die Definition darüber hinaus auch auf Vertreter der sogenannten Gig Economy bezieht, so stellt sich die Situation noch erheblich schwieriger dar. Denn in diesem Fall genügt für die Registrierung zur Leistungserbringung in der Regel eine gültige E-Mailadresse, so dass für Webcrawler weder die tatsächliche Identität des Leistungserbringers noch der Ort der Leitungserbringung ohne weiteres zu ermitteln wäre. Eigene Studien auf den einschlägigen Plattformen upwork.com, freelancer.com und guru.com zeigen, dass Jahresumsätze im fünf- und sechsstelligen Bereich bei der Erbringungen immaterieller Liefergegenstände auf diesen Plattformen keine Seltenheit sind.7 6 7

Vgl. unter http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/079/1607978.pdf. Untersuchung aus März 2016, n + 1000 Profile.

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Um den vielen kleinen privaten Anbietern die Möglichkeit zu einem Hinzuverdienst zu geben und die Steuerbehörden von ihrer prinzipiellen Pflicht zu entlasten, jedes digitale Steuerdelikt zu ahnden, empfiehlt sich somit die Einführung einer Bagatellgrenze (steuerliche Freigrenze), wie sie de facto aus Praktikabilitätsgründen auch heute schon existiert. Die Freigrenze würde per definitionem privaten Zuverdienst von berufsmäßiger Beschäftigung abgrenzen. Darüber hinaus können für die Fälle der teilweise erheblichen Umsätze nur die Plattformen selbst zur Meldung oder ggf. sogar zur Abführung in Form einer Abgeltungssteuer verpflichtet werden. Hier stellt sich natürlich die Herausforderung des Umgangs mit ausländischen Anbietern, die im Internet grundsätzlich nicht auf nationale Grenzen stoßen. Da allerdings auch diese Plattformen aktiv am Markt auftreten müssen, um flächendeckend nutzbar zu werden, ist eine Identifikation wesentlicher Angebote grundsätzlich möglich. Es sollte daher im Interesse des Regulierers liegen, den Markt gut zu beobachten, um eine neu einzuführende Meldepflicht auch durchsetzen zu können.

4. Sozialversicherung Anders stellt sich die Situation in der Abgrenzung der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung dar. Uber-Fahrer werden mitunter von Behörden und Gerichten als abhängig Beschäftigte eingestuft. Einschlägig ist in diesem Zusammenhang ein Fall der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt Suva aus dem Dezember 2016. Auf Anfrage hatte die Suva insbesondere auf die regelmäßige Übernahme von Direktaufträgen abgestellt und Uber-Fahrern somit den Status der selbstständigen Erwerbstätigkeit versagt.8 Die Position der Suva hat in der Schweiz allerdings eine Reihe von juristischen Gegenpositionen und eine ordnungspolitische Debatte ausgelöst. Diese Diskussion zeigt im weiteren Fortgang, dass die zu treffende Abgrenzung alles andere als einfach ist und keinesfalls pauschal für alle Vertreter der Sharing Economy gleichermaßen gelten kann. Die Plattformen betonen in Ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Unabhängigkeit von den Leistungserbringern und ziehen sich auf die reine Vermittlungstätigkeit zurück. Es wird somit nur in Einzelfällen zu abhängiger Beschäftigung in der Sharing Economy kommen. Dazu ist der vertragliche Gestaltungsspielraum zu groß und die aktuelle Gesetzgebung zur Abgrenzung von Scheinselbstständigkeit zumindest in Deutschland zu wenig spezifisch. Zudem gibt es bei den direkt Beteiligten kein flächendeckendes Interesse, als abhängige Beschäftigung eingestuft zu werden. Es passt nicht zum Selbstverständnis der Plattformen, die sich als reine Vermittler verstehen und es liegt nicht im Interesse der Leistungserbringer, da sie auf diese Art und Weise ihre Unabhängigkeit verlören und als selbstständig Tätige (vermeintlich) Sozialabgaben sparen. In Bezug auf die dritte Partei, die Kunden, steht im aktuellen Stand der wissenschaftlichen Untersuchung eine evidente Positionsbestimmung noch aus. Es ist aber zu vermuten, dass diese mit den Signalling-Optionen der 8

Schreiben vom 29. Dezember 2016, 701-74056.4 Uber Switzerland GmbH.

Ordnungspolitischer Rahmen für den Plattformkapitalismus

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Plattformen (Bewertungen, „Fünf-Sterne-Modell“) ausreichend, oder sogar besser bedient sind, als mit dem Modell der abhängigen Beschäftigten früherer Tage (beispielsweise im Taxigewerbe). Für die güterteilenden Vertreter der Sharing Economy im engeren Sinne, wie die Vermieter von Wohnungen oder Parkplätzen über Airbnb oder ParkNow stellt sich diese Diskussion vermutlich nicht, denn der Charakter der Tätigkeit induziert schon aufgrund der Besitzverhältnisse meistens keine abhängige Beschäftigung bei der Vermittlungsplattform. In der Folge sind deren Leistungsanbieter in der Regel nicht als abhängig Beschäftigte einzustufen. Dies aber induziert für den Regulierer einen Handlungsbedarf. Mit der zunehmenden Verbreitung von Vermittlungsplattformen sinkt die Hürde für den Einstieg in die selbstständige berufliche Tätigkeit weiter. Die vermeintliche Attraktivität im Zusammenhang mit geringeren Sozialabgaben droht die Gesellschaft langfristig einzuholen, wenn ehemals Selbstständige in die Grundversorgung zurückfallen oder ihre ärztliche Versorgung nicht oder nur teilweise selbst bestreiten können. Aus diesem Grund wäre der Einstieg in die Einrichtung einer freiwilligen Sozialversicherung für Selbstständige, die attraktiv genug für einen flächendeckenden Beitritt ist, dringend geraten. In diesem Zusammenhang ist die Diskussion deckungsgleich mit den schon seit längerem geführten Überlegungen zur Zeitarbeit und den dort teilweise bestehenden prekären Arbeitsverhältnissen.9

IV. Genossenschaftliche Lösung und Schlussbetrachtung Meyer & Theurl bringen mit der genossenschaftlichen Lösung einen neuen Gedanken in die Diskussion rund um die Sharing Economy ein. Der Vergleich früher landwirtschaftlicher Genossenschaften mit der Sharing Economy ist durchaus treffend und die Idee der genossenschaftlichen Güterteilung bzw. der genossenschaftlich organisierten Vermittlung von Services sehr charmant. Zwei der wesentlichen Herausforderungen der heutigen Welt für jede diesbezügliche Initiative werden von den Autoren aber bereits genannt: Geschwindigkeit und Investitionskapital. Die großen Plattformen des Silicon Valley sind mit erheblichen Venture Capital-Mitteln ausgestattet, sowie mit der notwendigen Infrastruktur und einer unvergleichlichen ITKompetenz. Während auf dieser Seite Unternehmensgründer mit Weltverbesserungsmentalität begierig darauf sind, bestehende Märkte dauerhaft transformieren und sich zu eigen machen zu wollen, steht bei den alteingesessenen Akteuren Skepsis und Festhalten am Status Quo im Vordergrund. Es treffen Treiber auf Getriebene. Da die typische Investitionskurve in digitale Infrastrukturen anfangs sehr hohe Kapitaleinlagen erfordert, liegen die Vorteile hier ganz eindeutig auf der Seite der digitalen Entrepreneure. Beispielhaft sei dies wieder durch zwei Vorgänge aus der Personen9 Vgl. Eichhorst/Spermann, „Sharing Economy“ – Chancen, Risiken und Gestaltungsoptionen für den Arbeitsmarkt, Randstad Stiftung 2015, S. 33.

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beförderung belegt. Dort sind viele Taxizentralen bereits heute genossenschaftlich organisiert, dennoch schaffen es diese kaum den etablierten Anbietern MyTaxi und Uber ein digitales Produkt entgegen zu setzen.10 Das internationale Netzwerk taxi.eu kam zu spät und wird nicht nachhaltig genug entwickelt und beworben. Für die Kannibalisierung des angestammten Geschäftsmodells fehlen den Genossenschaften der unbedingte Wille und vielleicht auch die notwendige digitale Kompetenz. Auch die Mitfahrzentrale ist ein beachtenswertes Beispiel, da die Vermittlung zum Selbstkostenpreis offenbar erst unter dem Dach des durch Vermittlungsgebühren finanzierten Betreibers BlaBlaCar überlebensfähig wurde. Es ist somit davon auszugehen, dass genossenschaftlichen Lösungen in letzter Konsequenz die Schlagkraft für einen langfristig konkurrenzfähigen Markteintritt in die Sharing Economy fehlt. Es wäre aber gerade die zuvor diskutierte Verringerung von Wechselhürden, welche auch kleinen, ggf. genossenschaftlich organisierten Plattformen attraktive Marktnischen zum Überleben sichern helfen. Begrüßenswert ist die Idee eines level playing fields, also die Vermeidung von spezifischen Regelungen für Leistungsanbieter oder Leistungsnachfrager auf Vermittlungsplattformen der Sharing Economy. Andererseits ist es die bislang in der öffentlichen Diskussion unterschätzte dritte Partei, die Plattformen selbst, die verstärkt in den Fokus des Regulators rücken sollten. Bislang schreckt der deutsche Gesetzgeber vor spezifischen Regelungen für Internetanbieter weitgehend zurück. Doch so sehr es die Webcommunity auch stören mag, die algorithmische Macht, die Skalierbarkeit, das Investitionspotential und die marktbeherrschenden Stellungen der früh in den Markt eingetretenen Protagonisten geben ausreichend Anlass, jedenfalls über spezifische Regeln nachzudenken. Literatur Belk, Russel (1988): Possessions and the extended self, Journal of consumer research 15 (2), 139 – 168. – (2014): You are what you can access: Sharing and collaborative consumption online, Journal of Business Research 67 (8), 1595 – 1600. Eichhorst, Werner/Spermann, Alexander (2015): „Sharing Economy“ – Chancen, Risiken und Gestaltungsoptionen für den Arbeitsmarkt, Randstad Stiftung, Eschborn. Pawłowski, Tadeusz (1980): Begriffsbildung und Definition, Walter de Gruyter, Berlin.

10

Vgl. unter https://www.gruenderszene.de/news/mytaxi-finanzierung-10-millionen.

Sharing is caring? Entwicklungsperspektiven der Share Economy Von Julian Dörr

I. Einleitung Der Autor Dave Eggers lässt die Protagonistin seines 2013 erschienenen dystopischen Romans „The Circle“ Mae Holland die Formel „Sharing is caring“ gebrauchen. Dieser Slogan des „Teilen ist Heilen“ dient ihm als Chiffre für eine Welt, in der alles mit allen geteilt wird und in der dank technologischer Entwicklungen alle sozialen Probleme zu lösen sind: Weniger Ressourcenverbrauch, bessere Produkte und keine Kriminalität mehr durch Transparenz und gegenseitige Kontrolle. Das Sharing und die Community führen zu einer bereitwilligen Preisgabe sämtlicher Informationen jedes Einzelnen und am Ende weiß jeder alles über den Anderen. Auch wenn dieses Teilen weit über das der Share Economy als gemeinsame Nutzung dauerhafter Konsumgüter hinausgeht, so deutet es doch zweierlei an. Zunächst stellt sich die Frage, ob die Share Economy wirklich die Kraft hat, eine bessere Welt zu schaffen. Darüber hinaus zeigt es davon unabhängig aber auch, dass die Ökonomie des Teilens zweifellos aktuell ein Trend und selbst in der Gegenwartsliteratur angekommen ist. Ihr wird nicht nur medial wachsende Aufmerksamkeit geschenkt, sondern auch die steigenden Nutzerzahlen und die zunehmenden Studien und Stellungnahmen1 weisen auf eine hohe Relevanz hin. Zugleich scheint das Phänomen der Share Economy allerdings einem unbekannten Wesen zu gleichen. Zumindest existieren die unterschiedlichsten Deutungen der Ökonomie des Teilens. So wird sie teilweise als „the value in taking underutilized assets and making them accessible online to a community, leading to a reduced need for ownership of those assets“2 definiert. An anderer Stelle herrscht dagegen ein viel weiter gefasstes Verständnis vor, das ebenso Fälle wie Co-Working, Co-Creation, Crowdsourcing sowie Open-Innovation-Ansätze3 beinhaltet. Seitdem Botsman 2010 festgestellt hat, dass der Share Economy „lacks a shared definition“4 hat sich nicht viel getan. Ganz im Gegenteil: Es werden die unterschiedlichen Begrifflichkeiten in Verbindung zur Share Economy 1 Z. B. EU Kommission 2016; Monopolkommission 2016; BM für Arbeit und Soziales 2016. 2 Stephany (2015), S. 9. 3 Vgl. Pelzer/Burgard (2016). 4 Vgl. Botsman (2010).

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Julian Dörr

durcheinandergebracht. Der Mangel an einem von allen geteilten Begriffsinhalt führt zu einer regelrechten Sprachverwirrung, die sich nicht zuletzt auch darin äußert, dass sowohl „Share Economy“ als auch „Sharing Economy“ gebräuchlich sind. Die mögliche Ursache hierfür könnte im facettenreichen Wort des „Teilens“ liegen, das sowohl ein Verständnis materiellen Teilens umfasst als auch im Sinne des Mitteilens von Gedanken und Ideen oder des Gebens von Wärme und Liebe aufgefasst werden kann.5 Eine sinnvolle Definition und eine Differenzierung des Sachverhaltes wären jedoch notwendig, da es sich bei den unterschiedlichen Modewörtern wie Share Economy, Co-Konsum oder Collaborative Economy tatsächlich um verschiedene Tatbestände handelt, aus denen sich verschiedene Diskussionskontexte ergeben. So ist es ein Unterschied, ob bei Transaktionen eine Eigentumsübertragung (wie bei Ebay) oder ein Verleihen (wie beim Carsharing) vorliegt. Dabei ergeben sich sowohl verschiedene vertragsrechtliche und ethische Fragestellungen als auch politische Implikationen. Aus diesem Grund lohnt ein nochmaliger Definitionsversuch, auch wenn er kleinteilig und nicht immer trennscharf erscheinen mag (Abschnitt II.). Anschließend sollen aus ökonomischer (Abschnitt III.) und ethischer Sicht (Abschnitt IV.) die Entwicklungsperspektiven der Share Economy ergründet werden. Abschließend soll ein Ordnungsrahmen für die vermeintlich neue Art des Wirtschaftens im Rahmen der Sozialen Marktwirtschaft skizziert werden (Abschnitt V.).

II. Worüber reden wir? Zunächst soll eine Definition vorgeschlagen werden, die die verschiedenen Merkmale und Aspekte der Share Economy berücksichtigt. Die wesentlichen drei Kriterien sind hierbei die Eigenschaft der temporären Inanspruchnahme, das Vorliegen von privatem Eigentum und die Koordination mittels einer digitalen Plattform. Demnach sind Transaktionen dann Bestandteil der Share Economy, wenn Besitz(rechte) an privatem Eigentum auf Basis vorübergehender Nutzung (also leihweise oder „teilend“) entweder unentgeltlich oder entgeltlich durch digitale Plattformen vermittelt werden. Eine ähnlich enge Definition liegt dem Verständnis der Monopolkommission zu Grunde, die als den Kern der Ökonomie des Teilens die Vermittlungsplattformen sieht, „über die temporäre Nutzungsrechte vermarktet bzw. eine gemeinsame, häufig sequenzielle Nutzung von Gütern oder Dienstleistungen ermöglicht wird.“6 Damit lässt sich nun eine erste grundlegende Abgrenzung treffen. Phänomene der Collaborative Economy7, die sich durch horizontale Netzwerke und Partizipation auszeichnet, stellen in diesem Sinne keine Share Economy dar (Abb. 1). Beim kollaborativen Wirtschaften, also im Rahmen einer „gemeinschaftlichen“ Wirtschaft, geht es primär um Kollektivgüter (Commons), verstanden als Überbe5

Für einen kulturgeschichtlichen Blick: Belk (2010). Monopolkommission (2016), S. 364. 7 Botsman (2010). 6

Sharing is caring? Entwicklungsperspektiven der Share Economy Share Economy Handlungsgegenstände sind Privateigentum Einzeltransaktionen Keine Mitbestimmung

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Collaborative Economy Kein Individuum hat exklusive Eigentumsrechte und es findet kein oder ein partieller Ausschluss statt Zusammenarbeit auf Dauer angelegt „Teilen“ im Sinne von (Ver-)Schenken

Gemeinsam: Bedürfnis, alternativ zu wirtschaften

Abbildung 1: Abgrenzung der Phänomene Share Economy und Collaborative Economy

griff von Gütern ohne oder lediglich mit partiellem Ausschlussprinzip. Mittels der Kriterien Zugangsbeschränkung und Ressourcennutzungsbeschränkung lassen sich Kollektivgüter weiter in die Unterklassifikation Allmende/Gemeingüter, Clubgüter und öffentliche Güter auffächern.8 Diese Güterarten der Trichotomie kennzeichnen sich durch unterschiedliche Rivalitäten im Konsum aus. Gegenstände wie Open-Source-Software beispielsweise sind für alle frei zugänglich und ohne Rivalität (öffentliches Gut). Unabhängig von einer, auch an dieser Stelle auftretenden, Begriffs- und Definitionsvielfalt9, können neben natürlichen Kollektivgütern (z. B. Weltmeere, Klima) auch künstlich geschaffene Commons identifiziert werden. Das Verständnis von Collaborative Economy umfasst sowohl die kluge gemeinschaftliche Nutzung bestehender Commons als auch insbesondere die gemeinsame Schaffung von Commons. Während der erste Aspekt bereits intensiv erforscht wurde10, erlangt die commonbasierte Wirtschaft gegenwärtig verstärkt an Relevanz. Beispielsweise wird in ihr das Potenzial einer neuen Art der Kooperation jenseits des Marktes gesehen, um in Städten gemeinwohlorientierte Wirtschaftsformen umsetzen zu können.11 Hier lassen sich auch die Arbeiten von Jeremy Rifkin einordnen, die von einer eigentumsablösenden Verwandlung des Kapitalismus in eine Welt, „in der fast alle Güter und Dienstleistungen nahezu kostenlos sind, in der es keinen Profit mehr gibt, in der Eigentum bedeutungslos und der Markt überflüssig geworden ist“, ausgehen.12 Kollaborativer Konsum stellt in diesem Zusammenhang die koordinierte Anschaffung und Verbreitung einer Ressource dar.13 Die „Ecommony“14 – ein Kofferwort aus Economy und Commons – bezeichnet die gemeinschaftliche Schaffung und Verwaltung von Ressourcen, sodass sie für 8

Vgl. Stevenson (1991). Vgl. Habermann (2015). 10 Z. B. Ostrom (2012/1990). 11 Vgl. Iaione (2016). 12 Vgl. Rifkin (2007); (2014). 13 Vgl. Belk (2013). 14 Habermann (2015). 9

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alle oder zumindest für die Teilhaber offen und dauerhaft zugänglich ist. Silke Helfrich sieht gerade in diesem „Commoning“, verstanden als ein Lebensgefühl, das entscheidende Motiv bei der Gemeinressourcenproduktion.15 Ein wesentliches Merkmal der commonschaffenden Peer-Produktion sind also die von der traditionellen Marktlogik abweichenden Governance- und Verteilungsstrukturen. Anders als bei der Sharing Economy steht nicht der marktliche Tausch im Vordergrund, sondern eine alternative Form der Zuteilung. Zwar findet auch im Austauschprozess von Angebot und Nachfrage mittels eines Preises eine „Zusammenarbeit“ beider Akteure statt, allerdings besitzt die Kooperation im Rahmen der Collaborative Economy eine neue Qualität. Bei der Share Economy stehen tendenziell punktuelle Transaktionen zwischen zumeist anonymen Teilnehmern im Vordergrund, die zudem wenig Einfluss auf die Vermittlerplattformen haben. Im Falle der kollaborativen Wirtschaft hingegen ist es erwünscht, dass die Teilnehmer ein Mitbestimmungsrecht ausüben und folglich ist die Struktur auf Dauer angelegt, wie die Organisationsform der Genossenschaft oder die Mitarbeit bei Wikipedia zeigen. Der Eigentumsaspekt ist also das konstituierende Kriterium: Statt Privateigentum liegt bei Commons entweder kein extensives Eigentum an der Ressource oder aber Gemeineigentum vor. Die Mitwirkenden erlangen lediglich für eine gewisse Zeit Zugang oder sind Mitbesitzer. Deutlich wird diese grundlegende Unterscheidung am Beispiel Wikipedia. Während eine Person, die ihre Bohrmaschine dem Nachbarn oder wie DriveNow seine Autos Kunden leiht, sich aussuchen kann, wem sie das Eigentum leiht (und wem nicht) und dieses wieder zurückerhält, gibt bei Wikipedia derjenige, der sein Privatwissen in das Online-Lexikon einspeist, seine Eigentumsrechte daran auf und hat keinerlei Kontrolle mehr darüber, wer das Wissen abruft und nutzt. Hierbei wird Privateigentum zu einem öffentlichen Gut transformiert. Auch Open-Source-Software wie Linux fällt in diese Kategorie. Während somit in der Collaborative Economy Individuen Zugriff auf Güter haben, die sonst nichts besitzen oder sich lediglich durch ihre Mitgliedschaft zu einer Gemeinschaft auszeichnen, müssen Nutzer der Share Economy entweder etwas zum Teilen haben oder aber Ressourcen besitzen, um den Zugang zu solchen Gütern zu erhalten (sofern es sich nicht um die wenigen unentgeltlichen Angebote handelt). In der Share Economy gilt vorrangig der klassische Diskriminierungsmechanismus des Preises. Dass es dennoch häufig zur Verwechslung von Share Economy und der Collaborative Economy kommt, hängt auch mit der semantischen Aufladung der Begriffe zusammen. In beiden Fällen wird ihnen zugeschrieben, das Bedürfnis der Menschen nach nachhaltigeren Wirtschaftsweisen widerzuspiegeln. Die Share Economy bezieht ihr zumeist positives Image daraus, dass sie positive Effekte auf Umwelt und die Nachhaltigkeit verspricht. Auf den ersten Blick mag die euphorische Begeisterung verwundern, sind doch sowohl die Share Economy als auch die kollaborative Wirtschaft nichts substanziell Neues. Die Ökonomie des Teilens ist keine neue Idee und wird bereits seit langem in der einen oder anderen Form etwa als Time-Sharing 15

Vgl. Helfrich (2009).

Sharing is caring? Entwicklungsperspektiven der Share Economy

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bei Computernutzung, Nachbarschaftshilfe, Lesezirkel, Maschinenring u. Ä. praktiziert.16 Auch die technische Basis, die digitalen Plattformen, sind bereits länger erprobt. In gewisser Hinsicht waren somit Unternehmen wie Ebay oder Amazon (Marketplace), die internetgetriebene Plattformen etablierten, die Wegbereiter der Share Economy – nicht jedoch Vorgänger, da sie Waren verkaufen und nicht teilen.17 Dass sie dennoch dabei ist die Art des Wirtschaftens zu verändern – Buczynski spricht deshalb von der „new sharing economy“18 – liegt an den technischen Möglichkeiten. Dadurch steigt die Quantität an Nutzern sprunghaft an und es können Qualitätssteigerungen erreicht werden. Natürlich wurden schon vor 40 Jahren Mitfahrgelegenheiten vermittelt und so freie Plätze in Autos für eine bestimmte Fahrstrecke geteilt. Jedoch waren die Anbahnungskosten im Vergleich zu heute mit dem Internet und der Appbasierten Technologie deutlich höher. Durch die niedrigen Transaktionskosten und die große Bequemlichkeit kann eine solche Share Economy hohe Nutzerzahlen erreichen. Hierin liegt ein wesentliches Strukturmerkmal verborgen: Der (positive) Netzwerkeffekt bewirkt, dass eine höhere aktive Nutzeranzahl auch zu einer höheren Attraktivität für alle Teilnehmer führt. Werden also auf einer MitfahrgelegenheitenPlattform (wie z. B. BlaBla Cars) mehr Fahrten angeboten, so steigen auch die Userzahlen, da das Vermittlungsforum individuell attraktiver wird. Daraus ergibt sich für Unternehmen eine wichtige Implikation: Sie müssen möglichst schnell wachsen und Konsumenten binden, da viele Märkte nur einen großen Anbieter hervorbringen. Dieses Umsatzwachstum geht zumeist zu Lasten des Gewinns und ist nur durch Wagniskapitalgeber möglich. Trotz dieser ersten Differenzierung bedarf es weiterer Abgrenzungen um die vielfältige Landschaft der Share Economy zu ordnen, denn sie reicht etwa von Plattformen für die Vermittlung von Hundebesitzern und vertrauenswürdigen Hundesittern (Gudog), über die Bootsvermittlung mit und ohne Kapitän (BoatBound) bis hin zu Maklertätigkeiten im Essensbereich (Cookening, Eatwith). Anhand dreier Ebenen kann die Typologie präzisiert werden. Entweder bieten die digitalen Plattformen eigene Güter an (auch Asset-Hubs genannt) oder sie treten als Vermittler auf und erbringen auf diese Weise eine Dienstleistung. Diese erste Ebene betrifft somit die Eigentumsverhältnisse: Der Betreiber der Plattform kann selbst der Eigentümer der Güter sein oder aber er fungiert lediglich als Makler für das Eigentum Dritter. Geschäftsmodelle des Anbietens plattformeigenen Eigentums sind vergleichsweise selten: Carsharing-Anbieter wie BMW DriveNow oder Mercedes Car2go betreiben eine eigene Fahrzeugflotte und Vaude iRent plant auf einer eigenen Onlineplattform den Verleih von Rucksäcken, Zelten, Radtaschen etc. für individuelle Outdoor-Touren. Foodora als Dienstleister zum Ausfahren von Essen beschäftigt eigene Ausfahrer für die Belieferung der Kunden. Der weit häufigere Fall ist hingegen die klassische Vermittlerrolle. Und insbesondere die16

Vgl. Peitz/Schwalbe (2016); Haucap (2015). Eine Ausnahme ist Amazon Web Services (AWS), einer Cloud-Dienstleistung. 18 Buczynski (2013), S. 16 ff. 17

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ses Segment der Share Economy wächst stark und trägt zur Verbreitung der Ökonomie des Teilens bei. Die größten Unternehmen sind hier angesiedelt. Uber mit einem geschätzten Unternehmenswert von 62,5 Mrd. USD bringt Anbieter von Taxileistungen und Nachfrager zusammen, besitzt allerdings kein einziges eigenes Auto.19 Auch Airbnb versteht sich lediglich als Koordinator beider Marktseiten: Es ist mit über 800.000 Unterkunftsangeboten in rund 190 Ländern der größte Anbieter von Übernachtungsmöglichkeiten, besitzt jedoch keine eigenen Wohnungen. Auch Buchungsportale wie booking.com funktionieren nach diesem Schema. Die Leistung kann dabei physische wie immaterielle Waren (wie Streaming-Dienste für Musik und Filme) beinhalten. Beispiele lassen sich auch im Bereich der Vermittlung von Dienstleistungen finden, wie Helpling, Lieferando oder Lieferheld. Anders als Foodora vermitteln sie zwischen dem Konsumenten und dem Anbieter von Mahlzeiten, der für die Lieferung des bestellten Essens selbst verantwortlich ist.

Plattform

Abbildung 2: Schematische Darstellung verschiedener Share Economy Marktbeziehungen

Abbildung 2 schematisiert diese beiden Möglichkeiten. Im ersten Fall sind lediglich zwei Akteure involviert (Fall A). Person 1 erhält von der Plattform im Austausch gegen Geld Güter.20 Im zweiten Fall (B) teilt nicht die Plattform, sondern eine weitere Person (Person 2) bietet diese Waren oder Dienstleistungen mittels der Plattform an. Die Plattform tritt als Koordinator zwischen beiden auf und wickelt die Bezahlung ab (gestrichelte Linien in der Abbildung), während die physische Leistung direkt zwi19

Vgl. Koetsier (2015). Tauschwirtschaft und auch die Schenkökonomie sind hier ausgenommen, da es sich dabei um Prozesse des Eigentumsübertrags handelt. So kann zwar das Foodsharing als Teilen gesehen werden, jedoch handelt es sich dabei um ein Verschenken von Gütern. Theurl/Meyer treffen in diesem Band die nützliche Unterscheidung zwischen Verbrauchs- und Gebrauchsgütern. Da Verbrauchsgüter durch den Konsum „verbraucht“ werden, ist ein Teilen folglich nicht möglich. 20

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schen Person 1 und 2 erfolgt (durchgezogene Linien). Diese zweiseitigen Märkte (oder P2P-Dienste) verbinden zwei Personen oder Nutzergruppen miteinander und ermöglichen es Privatpersonen Waren oder Dienstleistungen kommerziell anzubieten.21 Ein Charakteristikum sind hierbei die bereits erwähnten zweiseitigen Netzwerkeffekte: Sowohl A als auch B erfahren Nutzensteigerungen durch die Erhöhung der Teilnehmerzahlen auf den jeweiligen Marktseiten. Die zweite Klassifikationsebene umfasst die Art der Güter, die vermittelt oder von der Plattform direkt angeboten werden. Die Abbildung 2 erweitert die klassische Güterarttypologie um den Aspekt der Share Economy. Bei diesem zeitweiligen Überlassen können entweder materielle oder immaterielle Güter gehandelt werden. Im ersten Fall erbringen die Plattformen die Dienstleistung Angebot und Nachfrage für Waren zu koordinieren (zweiseitige Märkte) oder bieten diese Ware selbst an. Aber auch immaterielle Güter, also Rechte (wie z. B. Lizenzen an Musikstücken oder Filmen), Informationen (Zugriff auf bestimmte Datenbanken), Dienstleistungen oder soziale Kontakte sind Gegenstände der Vermittlungsbemühungen. wirtschaftliche Güter (knappe Güter)

dauerhaftes Überlassen (Eigentumsübertrag)

materielle Güter (Sachgüter)

Rechte

zeitweiliges Überlassen (Zugangsschaffung) materielle Güter (Sachgüter)

immaterielle Güter

Informationen

Rechte

Informationen

immaterielle Güter

Dienstleistungen

soziale Kontakte

Abbildung 3: Erweiterte Güterartklassifikation

Das Teilen von sozialen Kontakten umfasst die Bereitschaft, freiwillig und physisch mit anderen Menschen zu interagieren, mit der Intention seinen eigenen Nutzen zu erhöhen. Beispielweise bieten Menschen sich selbst als sozialen Kontakt an, um mit jemandem anderen Zeit zu verbringen, auch intimer Art (wie z. B. Tinder, eDarling). Ebenso kann an diese Stelle das Pflegepersonal im Rahmen sozialer Dienstleistungen verorten werden, welches primär Zeit mit bedürftigen Individuen verbringt (z. B. Betreuung älterer Menschen). Nicht allein Online-Partnerbörsen verzeichnen Zulauf, auch Nachbarschaftsportale (z. B. WieNachbarn, Nachbarschaft.net, Nebenan.de, Nextdoor.com) erfreuen sich zunehmender Beliebtheit, da sie soziale Nähe versprechen. Über Plattformen können auf diese Weise nicht nur Waren (wie die Bohrmaschine) unentgeltlich ausgeliehen werden, sondern darüber hinaus eventuell 21

Vgl. Dewenter (2006); Rochet/Tirole (2003).

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jemand Fachkundiges, der mit dieser Maschine zugleich die Löcher bohrt (gewissermaßen die Dienstleistung) vermittelt werden und insgesamt kann dies zu einer besseren Nachbarschaft beitragen. Durch diese Art der Kontaktportale sind eine höhere Vernetzung und der Abbau von Kontakthemmnissen zu vermuten. Der Gefahr der urbanen Vereinsamung steht somit die Möglichkeit entgegen, in kurzer Zeit möglichst viele potentielle Partner oder Freunde kennenzulernen. Allerdings trifft dies in erster Linie wohl die jüngere Bevölkerung, da hauptsächlich sie Angebote der Share Economy nutzt.22 Außerdem wird gerade angesichts eines solchen Übergreifens auf den privaten Sektor prognostiziert, dass der Plattformkapitalismus zu einer Ökonomisierung sämtlicher Lebensbereichen führt, die bislang ausgeschlossen waren.23 Da sich sogar die Gastfreundschaft durch die Übernachtungsmarktplätze ökonomisiert, wird die „Totalkommerzialisierung des Lebens“ befürchtet, in der der Kapitalismus den Kommunismus (also die Idee des Teilens) als Ware verkauft: „Der Kommunismus als Ware, das ist das Ende der Revolution.“24. Eng verknüpft mit der Frage nach den Eigentumsrechten der angebotenen Güter ist die Differenzierung nach dem Geschäftsmodell (dritte Ebene). Denn solche Vermittlungen können entweder ohne Gewinnerzielungsabsichten erfolgen oder aber als Geschäftsmodell betrieben werden (oder haben sich von der einen Form in die andere gewandelt). Die Finanzierung nimmt unterschiedliche Ausprägungen an, so in direkter Weise (gebührenpflichtige Mitgliedschaft, Provision als Gebühr für die einzelne Benutzung) oder indirekt durch Werbung. Weiterhin gilt es zu unterscheiden, inwiefern diese Finanzierung lediglich die Kosten decken soll oder ein Gewinn angestrebt wird. Die Entgeltlichkeit kann nur auf der Ebene der Plattform liegen oder auch im Austausch der Nutzer (reziproker Austausch von Gegenleistungen). Obwohl zahlreiche kostenlose Dienste existieren25, dominiert gemessen sowohl an der Zahl der Plattformen als auch an der Anzahl der Nutzer der kommerzielle Zweig der Share Economy. Die Unterteilung in marktlichen und nicht-marktlichen Tausch hat Konsequenzen für die Regulierung.26 Denn es macht einen Unterschied, ob jemand ein Zimmer oder Sofa gelegentlich und unentgeltlich anbietet oder ob jemand systematisch seine Wohnung gegen Geld vermietet. Dabei ist der Name oft nicht ausschlaggebend: Das Start-Up mit dem Namen „Careship“ vermittelt entgeltlich Betreuer, die älteren Menschen im Haushalt helfen und sie zu Terminen begleiten. In Abgrenzung zu den gewinnorientiert arbeitenden Unternehmungen, kann die Intention der kostenfreien Plattformen weiter unterteilt werden. Motive der Vermittlung können sowohl altruistischer Natur sein oder aber auf das Gemeinwohl abzielen. Im letzteren Fall geht es explizit darum einen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten, 22

Vgl. PWC (2015). Vgl. Parker/Van Alstyne/Choudary (2016). 24 Han (2014). 25 Z. B. koordiniert der Service „Garten Paten“ die Nutzung von Gärten für die Freizeitgestaltung und für den Anbau von Obst und Gemüse. 26 Vgl. Loske (2016). 23

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während der Altruismus als Selbstlosigkeit im Sinne der Nächstenliebe keine umfassende Gesellschaftsvision einfordert. Insgesamt bietet diese Kategorisierung die Möglichkeit verschiedene Entwicklungsprozesse, die derzeit die Old Economy verändern, schärfer zu fassen, die gegenwärtige Diskussion zu strukturieren und vor allem anschlussfähig für ordnungspolitische Erwägungen zu machen.27 Ein wesentliches Ergebnis ist, dass nicht alles zur Share Economy gezählt werden sollte, das auf digitalen Plattformen basiert oder bei dem Gegenstände im weitesten Wortsinne „geteilt“ werden. Das bereits erwähnte Fallbeispiel Ebay weist zwar infolge der effizienten und technischen Vermittlung mittels Internet und eines Bewertungssystems eine andere quantitative Dimension auf als der traditionelle Flohmarkt, ist jedoch im Grunde genommen eine Anbahnungsmöglichkeit privatrechtlicher Austauschbeziehungen. Folglich sind auch die rechtlichen Rahmenbedingungen klar: Es gelten die Regelungen des Kaufvertrages mit allen Haftungsbedingungen und möglichen Schadensersatzansprüchen. Hingegen betreffen viele Fragen, die sich aus der Share Economy ergeben (insbesondere bei zweiseitigen, kommerziellen Märkten), regulatorisches und rechtliches Neuland.

III. Entwicklungsperspektiven Das Entwicklungspotenzial wird in der Forschung sehr unterschiedlich bewertet. Die bisherige Literatur kann in dieser Hinsicht grob in zwei Kategorien eingeteilt werden. Zum einen besteht eine Gruppe lobender und optimistischer Literatur, zum anderen Positionen mit einer sehr kritischen und pessimistischen Ausrichtung. Die euphorischen Bewertungen28 gehen von positiven Effekten und Vorteilen aus. Loske ordnet den Optimisten die Haltung zu, dass sie der Share Economy „eine transformative und letztlich systemsprengende Kraft“29 zuschreiben. Die kritischen Stimmen30 entkräften im Wesentlichen diese Wirkung und warnen vor negativen Folgen: „Anhänger beschreiben die Sharing Economy teils als eine neue Unternehmensform, teils als soziale Bewegung – eine in der digitalen Welt vertraute Mischung von Kommerz und ethischem Anliegen.“31 Slee sieht in der Ökonomie des Teilens sogar lediglich eine Fassade für marktliberale Politik und Deregulierung, die den Ursprungsgedanken des Teilens ad absurdum geführt habe. Ausgewogene und konstruktive Positionen finden sich eher selten.32 27 Natürlich gibt es zahlreiche weitere Typologisierungen wie nach Nutzerschaft (P2P, C2C, B2C) oder nach Sektoren (Fortbewegung, Haushaltsdienstleistungen); vgl. z. B. Owyang (2015); Schor (2014); Buczynski (2013); Botsmann (2010). 28 Z. B. Sundararajan (2016); Parker/Van Alstyne/Choudary (2016); Chase (2015); Stephany (2015); Buczynski (2013). 29 Loske (2016), S. 14. 30 Z. B. Slee (2016); Morozov (2013); Lanier (2013). 31 Slee (2016), S. 9. 32 Vgl. Theurl (2016).

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Um zu einer eigenen, davon unabhängigen Bewertung zu kommen, müssen die möglichen Auswirkungen der Share Economy gegenübergestellt und diskutiert werden (Übersicht in Tab. 1). Aus ökonomischer Perspektive wird eine Reihe positiver Effekte angeführt, insbesondere infolge allokativer und wohlfahrtsökonomischer Vorteile. Vorrangig schaffen mehr Anbieter und Nachfrager, vor allem in bislang regulierten Märkten, ceteris paribus mehr Wettbewerb.33 Die Erhöhung der Wettbewerbsintensität führt tendenziell zu Preissenkungen, Qualitätssteigerungen und einer höheren Angebotsvielfalt. Beispielsweise führen die Angebote von Uber oder Airbnb zu deutlich niedrigeren Preisen in der Personenbeförderung bzw. bei Übernachtungen.34 Auch wird die Inanspruchnahme solcher Güter bequemer und effizienter, da die Suchfriktionen kleiner werden.35 Damit einhergehend verwischt die Abgrenzung zwischen Produzenten und Konsumenten: Einzelpersonen können leichter Dienstleistungen anbieten, dadurch werden neue Beschäftigungschancen, flexible Arbeitszeitreglungen und neue Einkommensquellen gefördert. Stellenweise wird dies in einem Ausmaß prognostiziert, dass die traditionelle Struktur aus Unternehmungen durch einen „crowd-based capitalism“ 36, einen Kapitalismus mit einer Unmenge an kleineren Einzelunternehmern, abgelöst wird. Neben dieser höheren Autonomie stärken Bewertungssysteme den Verbraucher.37 Die erbrachte Dienstleistung wird bewertet und erhöht im Ausleseprozess den Leistungsanreiz für Anbieter. Als sehr starkes Argument wird darüber hinaus die bessere Nachhaltigkeit angeführt. Infolge des Teilens von Ressourcen und der besseren Auslastung sind weniger Güter notwendig und dadurch muss wiederum weniger produziert werden.38 Beliebt ist hierfür das Beispiel der Bohrmaschine einer Privatperson, die wenige Minuten im Jahr in Betrieb ist. Gerade dieser Effekt wird jedoch auch ambivalent bewertet. Aufgrund fallender Preise werden Dienste generell attraktiver und substituieren andere Güter (teilweise als „Bequemlichkeitsmobilität“ bezeichnet). Zum Beispiel konnte beobachtet werden, dass Uber die Kosten für eine Taxifahrt in New York so drastisch reduzierte, dass mehr Menschen anstatt des öffentlichen Nahverkehrs nun auf das Auto umstiegen.39 Der Markteintritt von Ridesharing-Anbietern führte somit zu einer höheren Anzahl an Fahrten und Autos. Diese Logik des Rebound-Effektes ist auch beim Reisen zu beobachten, da Übernachtungen und die Reise selbst kostengünstiger werden.

33

Vgl. Demary (2015). Vgl. Brodeur/Nield (2016); Zervas/Proserpio/Byers (2014). 35 Vgl. Fradkin (2015). 36 Sundararajan (2016), S. 6. 37 Grundlegend zu Feedbacksystemen: Liu (2011); Dellarocas (2003); zum Zusammenhang zwischen Vertrauen und Nutzung der Angebote der Sharing Economy: Hawlitschek/ Teubner/Weinhardt (2016). 38 Z. B. für den Fall Uber: Cramer/Krueger (2016). 39 Vgl. Eichhorst/Spermann (2015). 34

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Weiterhin sehen Kritiker bei den zweiseitigen Märkten und in Abgrenzung zu Plattformen mit eigenen Gütern erhebliche negative Wirkungen auf den Arbeitsmarkt. Während die Plattform sich selbst nur als den Makler versteht, trägt das unternehmerische Risiko der Anbieter, also der Fahrer, der mit seinem Auto mittels Uber seine Dienstleistung anbietet. Zugleich bewegt sich sein Einkommen auf einem geringen Niveau, da der Wettbewerb und die geringen Markteintrittshürden einen stetigen Druck auf den Preis ausüben und er aus dem Erlös zudem die nicht unerhebliche Provision begleichen muss (bei Uber rund 20 %; bei Airbnb 6 – 12 % für Gäste und 3 % für den Gastgeber). Ein solcher race-to-the-bottom nützt zwar – zumindest kurzfristig @ dem Konsumenten, nicht jedoch dem Anbieter, der sich dadurch in einem prekären Arbeitsverhältnis befindet, auf das er oft zur Existenzsicherung angewiesen ist. Der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann befürchtet in diesem Zusammenhang das Entstehen „neue[r] Formen der oftmals prekären Solo-Selbstständigkeit“ und einer „moderne[n] Sklaverei“40. Erste empirische Befunde widersprechen diesem Effekt allerdings.41 Überspitzt könnte also formuliert werden, dass die einkommensschwachen Personen, die durch die gesunkenen Preise nun auch bislang ihnen vorenthaltene Dienstleistungen erwerben können, ihre PeerGroup ausbeuten. Teilweise wird sogar das Aufkommen einer neuen Schicht an Sklaven gesehen, die bei diesen (neuen) haushaltsnahen Dienstleistungen ausgebeutet werden.42 Der Plattformkapitalismus trage somit zu einer neuen Armut bei. Tabelle 1 Zusammenstellung der möglichen Effekte der Share Economy Positive Effekte

Negative Effekte

Erhöhung der Wettbewerbsintensität

Rebound-Effekte konterkarieren die verbesserte Nachhaltigkeit

Preissenkungen, Qualitätssteigerungen und erhöhte Angebotsvielfalt Höhere Bequemlichkeit bei der Nutzung Niedrigere Transaktionskosten Stärkung des Verbrauchers Verbesserte Nachhaltigkeit

Steigende Anzahl an Selbstständigen, die das Risiko bei zeitgleich sinkender Entlohnung tragen (race-to-the-bottom) Ungleiche Wettbewerbsbedingungen Anreiz zu Marktmachtkonzentration Datenschutzaspekte und Wechselkosten (lock-inEffekt) Asymmetrische Machtverteilung

Das stichhaltigste Argument ist sicherlich das der ungleichen Wettbewerbsbedingungen. Die staatliche Regulierung neigt angesichts der neuen Formen entweder zu einem laissez faire oder aber zu einem strikten Verbot. So war bei den Vermittlern von Wohnraum lange Zeit eine regulatorische Grauzone zu beobachten. Abweichend von der ursprünglichen Idee der Plattform, dass der Wohnungsbesitzer eines seiner freien 40

Hoffmann (2014). Vgl. Eichhorst/Spermann (2015). 42 Vgl. Bartmann (2016).

41

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Zimmer einem Gast anbietet, wurden zunehmend systematisch ganze Wohnungen ausschließlich weitervermietet – teils auch ohne Wissen des Eigentümers und somit unter Verletzung des Mietvertrages. Für die Anbieter von Wohnungen eröffnet sich ein lukratives Einnahmefeld. Airbnb ist damit nichts anderes als eine profitorientierte Website (im Gegensatz etwa zu Couchsourfing.org, bei der kein Geld im Spiel ist), die Ferienwohnungen vermieten. Empirische Befunde für New York (und in ähnlicher Weise für andere Städte) zeigen, dass dort 60 % des Angebotes keine Vermietung von einzelnen Zimmern in Wohnungen bilden, sondern die Kategorie „ganze Unterkunft“ sind: „Der Großteil der Einnahmen von Airbnb stammt aus Vermietungen, bei denen Gastgeber und Gast außer der Schlüsselübergabe keinen Kontakt zueinander haben müssen.“43 Die Betreiber dieser Quasi-Hotels treten in Konkurrenz zum regulären Hotelangebot, werden allerdings steuerlich und regulatorisch (Brandschutz, Hygienevorschriften etc.) bevorzugt. Von dieser ungleichen Behandlung abgesehen birgt die Ungleichbehandlung die Gefahr der Kommerzialisierung innerstädtischen Eigentums und dem Entzug von lokalen Wohnungsangebot für die einheimische Bevölkerung. Dieser Verlust der ansässigen Wohnbevölkerung zugunsten von touristischen Besuchern kann weiterhin eine Abwanderung lokaler Kultur bewirken. O’Reilly kommt zu dem empirischen Befund: „While Airbnb began as a network of properties offered solely by individuals, already 40 % of Airbnb properties are now offered by hosts who own more than one property.“44 O’Reilly sieht Uber und Airbnb als neues Franchising-Modell, bei dem der Franchise-Geber die Vermittlungsplattform, das Marketing und seine Marke teilt und der Franchise-Nehmer hierfür einen Teil seines Gewinns abführen muss. Im Gegensatz zum traditionellen Franchising-System sind die Eintrittsbarrieren deutlich geringer, sodass heute „the franchise can be a single individual, and that individual can work only part time, so it’s really ,the franchise of one or even less!‘“45. In Deutschland wurde relativ spät mit kommunalen Gesetzen (z. B. das Zweckentfremdungsgesetz in Berlin) gegengesteuert. Weitere Aspekte können gegen die Share Economy angeführt werden, wie z. B. ein erhöhter Anreiz zu Marktmachtkonzentration (durch den Netzwerkeffekt) oder Probleme hinsichtlich des Datenschutzes, der hohen Wechselkosten und Machtasymmetrien im Verhältnis der einzelnen Nutzer zum mächtigen Plattformbetreiber, die Kontrolle über die Erbringung der zugrundeliegenden Dienstleistung ausüben; diese sollen aber hier nicht weiter vertieft werden. Stattdessen ist es fruchtbar eine dritte Perspektive bei der Bewertung der Share Economy einzunehmen. Diese Sicht fragt vor dem Hintergrund der ressourcenschonenden und kostensenkenden Ökonomie des Teilens einerseits und dem ethisch besseren Konsum andererseits nach einer Versöhnung von ökonomischer Effizienz und Moral.46 43

Slee (2016), S. 44. O’Reilly (2015). 45 O’Reilly (2015). 46 Vgl. Dörr/Goldschmidt (2015). 44

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IV. Ein alternativer Blick Der Trend zur Share Economy scheint auch das Bedürfnis nach einer alternativen Wirtschaftsweise widerzuspiegeln. Das Unbehagen gegenüber den wahrgenommenen Auswirkungen des Kapitalismus ist latent vorhanden und bricht immer wieder deutlich hervor. Aktuell findet die Angst vor der Globalisierung und der Marktlogik wieder Anklang. So warnt etwa Hartmut Rosa vor der Beschleunigung und dem Materialismus, der die Moderne kennzeichne.47 Die Qualität eines menschlichen Lebens lässt sich nicht durch Ressourcen und Eigentum messen. In dieser Hinsicht kann in der Share Economy eine Teillösung, ein Gegenentwurf zum Konsumismus, gesehen werden. Zum einen wird das Streben nach Haben wollen durch das Teilen, also Zugang zu Gütern haben und Zugang zu schaffen, ersetzt. Bemerkenswert ist ebenso die zunehmende Vermittlung sozialer Kontakte. Zum anderen verheißt die Ökonomie des Teilens eine über den reinen, emotionslosen Akt des Austausches und der materiellen Bedürfnisbefriedigung hinausgehende Transaktion: Warum in einer seelenlosen Hotelkette übernachten, wenn auch ein gemütliches Zimmer bei einem herzlichen Einheimischen verfügbar ist, der eventuell für mich kocht und mir die Stadt zeigen kann? Vielleicht entwickelt sich aus dieser Begegnung sogar eine dauerhafte Freundschaft. Ebenso werden das Besondere und das Einmalige gesucht. So können bei Airbnb Baumhäuser, Zimmer in Schlössern, in einem Uhrenturm oder Hausboote gemietet werden. Menschen scheinen schlicht anders konsumieren zu wollen. Der Einzelne erhält das Gefühl nicht lediglich Konsument zu sein, sondern lebt vermeintliche Solidarität, Kooperation und Gemeinschaftlichkeit. Empirische Untersuchungen zu den Motiven hinter der Nutzung von Share Economy-Angeboten stehen gegenwärtig erst am Anfang.48 In diesem Bedürfnis und einem Wertewandel von privatem Eigentum hin zu kollaborativen Besitzformen wurzelt oftmals auch die Entstehung von Share EconomyPlattformen. Zum Beispiel stand Airbnb ursprünglich für eine Übernachtung auf einer Luftmatratze mit Frühstück (das Kunstwort „Airbnb“ setzt sich aus den Komponenten „Air Bed“ und „Bed and Breakfast“ zusammen). Und auch wenn sich solche Unternehmungen mittlerweile professionalisiert haben und rein kommerzielle Angebote darstellen, verwenden sie doch weiterhin diese Semantik des „warmglow giving“49, bei dem der Nutzer nicht nur durch die egoistisch-geleitete Bedürfnisbefriedigung profitiert, sondern dabei auch andere Motive wie Freundschaft, soziales Prestige oder Respekt verfolgen kann. Übertragen auf eine Wohnraumvermittlung bedeutet das, dass ich nicht nur Geld durch die Vermietung verdiene, sondern eben auch ein Gefühl bekomme der Umwelt, meinen Mitmenschen und besonders dem Mieter etwas Gutes zu tun. Die Außendarstellung vieler Share Economy-Akteure ist durch eine solche Rhetorik der Weltverbesserung aufgeladen und fester Bestandteil des Marketings. Der Anspruch ist auch vor dem Hintergrund des Mikrokos47

Vgl. Rosa (2016). Z. B. Hawlitschek/Teubner/Gimpel (2016). 49 In Anlehnung an Andreoni (1990).

48

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mos der Start-Ups zu verstehen: Alles ist möglich, alles ist anders und unkonventionell, wir müssen nichts machen wie es bisher gehandhabt wurde. Versatzstücke finden sich in etwa in den verschiedenen Unternehmensslogans, wie die der Ridesharing-Firmen Zimride („Never drive alone“) und Lyft („Your friend with a car“). Außerdem wird diese Erzählung gerne von den Unternehmen selbst befördert. So malt der (Mit)Gründer und CEO von Airbnb Brian Chesky in dem Essay „Shared City“ die schöne Vision junger idealistischer Start-Ups, die gegen die großen MegaHotelketten antreten und auf diese Weise eine bessere Welt schaffen wollen: „Stell dir vor, du könntest eine Stadt bauen, die geteilt wird. Wo die Menschen Mikro-Unternehmer werden und Tante-Emma-Läden wieder florieren. Stell dir eine Stadt vor, die den Zusammenhalt fördert, wo Raum nicht verschwendet, sondern mit anderen geteilt wird. Eine Stadt, die mehr produziert, aber nicht mehr Abfall verursacht. Das mag vielleicht radikal klingen, aber es ist keine neue Idee. Städte sind ursprünglich Plattformen für das Teilen.“50

Und jüngst hat Airbnb ein „Community-Bekenntnis“ geschaffen, dem jeder, der Airbnb nutzt, zustimmen muss.51 Im Kern handelt es sich um eine Antidiskriminierungsrichtlinie, die den Nutzer verpflichtet, jeden anderen Nutzer „unabhängig von seiner Herkunft, Religion, Nationalität, seiner ethnischen Zugehörigkeit, einer Behinderung, seinem Geschlecht bzw. seiner Geschlechtsidentität, seiner sexuellen Orientierung oder seinem Alter – respektvoll, vorurteilsfrei und unvoreingenommen zu behandeln.“52 Airbnb bettet diese – eigentlich kulturelle Selbstverständlichkeit – in ihre Mission ein, „dass sich jeder weltweit zu Hause und willkommen fühlen kann.“ Ein solcher Impetus wurzelt in der Gedankenwelt der „kalifornischen Ideologie“, jener Glaube an die emanzipatorischen Möglichkeiten neuer Technologien und der Informationsgesellschaft, der aus der Kultur der individuellen Freiheit der Hippie-Bewegung der 1960er-Jahre und der High-Tech-Industrie des Silicon Valley entstanden ist.53 Die Visionen der führenden Unternehmen der Digitalökonomie legen nahe, dass dem die Vorstellung zu Grunde liegt, Technologie könnte die Lösung für komplexe gesellschaftliche Probleme liefern: Teilen ist also Heilen? Für die Stadt würde ein solcher „Solutionismus“54 das Lösen sämtlicher urbaner Probleme, wie Segregation, Zersiedelung oder Verelendung bedeuten. Slee vermutet hingegen insbesondere hinter Angeboten wie Airbnb eine „Bewegung für Deregulierung“, die die Gelegenheit ergreift „die Regeln zu attackieren, die demokratisch gewählten Stadtverwaltungen überall auf der Welt aufgestellt haben, um die Städte nach ihren eigenen Interessen umzugestalten. Es geht nicht um eine Alternative zu einer von Konzernen geprägten Marktwirtschaft, sondern darum, die Prinzipien deregulierter freier

50

Chesky (2014). Vgl. Airbnb (2016). 52 Airbnb (2016). 53 Vgl. Castells (2005). 54 Morozov (2013). 51

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Märkte auf immer neue Bereiche unseres Lebens auszudehnen.“55 Einiges deutet darauf hin, dass philanthropische und altruistische Motive nicht die tatsächlichen Beweggründe sind, sondern sie lediglich als ein „Sharewashing“, also eine Art des „Greenwashings“, dienen. So können selbst ethisch fragwürdige Geschäfte den Nutzern als Beitrag zum Gemeinwohl, zum Klimaschutz und zur Glückproduktion vermittelt werden. Diese Verquickung von kommerziellem Geschäftsmodell und philosophischem Überbau sorgt zunehmend für Irritation. Negative Argumente wie die Ungleichbehandlung oder die Arbeitsmarkteffekte sind nicht der Share Economy inhärent, sondern abhängig vom Regelrahmen. Dies bedeutet aber auch, dass durch eine entsprechende Ordnung unerwünschte Auswirkungen zumindest eingegrenzt werden können. Deshalb soll der Blick abschließend auf eine Ordnungspolitik gelenkt werden, die sich auch an den Besonderheiten der Share Economy orientiert muss.

V. Der Ordnungsrahmen der Sozialen Marktwirtschaft Obwohl gegenwärtig die Forschungsliteratur stark zunimmt, so ist der Gegenstand in der öffentlichen Diskussion und im politischen Prozess meist (noch) ein Randthema. Der Mangel an einem breiten Diskurs führt vielmehr zu einem Spielraum für Interessenvertreter. Folglich bestimmen nicht zwingend sachliche Argumente die regulatorischen Eingriffe, sondern Machtverhältnisse. Eine Front verläuft zwischen etablierten Akteuren auf der einen Seite und den Akteuren der neuen Geschäftsmodelle auf der anderen Seite. Der Prozess der Digitalisierung zerstört in vielen Bereichen bisherige Unternehmensausrichtungen. Den auf diese Weise angegriffenen Unternehmen kann unterstellt werden Abwehrstrategien gegen die disruptiven Prozesse zu entwickeln und durchzusetzen. Vorranging geschieht dies durch Einflussnahme auf den Gesetzgeber (rent-seeking oder regulatory capture). So erwirkten die Vertreter des Taxigewerbes in Deutschland ein Verbot von Uber. Und auch weltweit darf Uber in seinem Kerngeschäft der Taxidienstleistungen ohne Lizenz oft nicht mehr tätig sein (z. B. Spanien, Italien, China). Allerdings ist die Konfliktlinie komplexer, da zudem die Gesellschaft als Ganzes betroffenen ist. So formiert sich aus unterschiedlichen Richtungen Widerstand gegen die Wohnraumvermittlung. Auch im bislang für Airbnb liberalsten Markt New York ist eine deutliche Verschärfung zu beobachten, die ein Verbot des Angebotes zur Vermietung von ganzen Appartements für weniger als 30 Tage in Häusern mit mehr als drei Parteien vorsieht.56 Ein Resultat dieser gering ausgeprägten Auseinandersetzung über eine kohärente Ordnung der Share Economy ist die ambivalente Situation von Verboten einerseits, 55

Slee (2016), S. 30 f. Hulverscheidt (2016); die zunehmend striktere Gesetzgebung gefährdet das Geschäftsmodell scheinbar so stark, dass Airbnb auch nach anderen Betätigungsfeldern sucht (wie z. B. der Vermittlung von Besichtigungstouren) und sich andeutungsweise auf dem Weg zu einem integrierten Touristikunternehmen befindet. 56

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aber auch einem gewissen laissez faire andererseits. Wo Akteure der Share Economy oder Ihre Konkurrenten nicht aktiv werden, ist in regulatorischer Hinsicht auch wenig Tätigkeit zu beobachten. Mit Blick auf die Ökonomie des Teilens ist in Deutschland bislang lediglich eine einzige spezifische Gesetzgebung zu beobachten. So sieht der Gesetzesentwurf des Bundesverkehrsministeriums von September 2016 vor, den Bundesländern zu ermöglichen dezidiert Parkplätze für Carsharing-Wagen in den jeweiligen Städten und Kommunen zu reservieren und den Firmen die Parkgebühren zu erlassen. Ein bundesweit einheitlicher Regelrahmen und damit verbunden eine erhöhte Rechtssicherheit kommt insbesondere auch den großen Anbietern BMW (DriveNow) und Mercedes-Benz (Car2go) zu Gute. Die Regelung ist jedoch nicht konfliktfrei. Denn hier gilt es abzuwägen, inwiefern privaten Unternehmen bestimmte Privilegien eingeräumt werden sollen, obwohl Carsharing durch die „Bequemlichkeitsmobilität“ dem Nahverkehr Kunden entzieht und somit das Ziel der Stärkung des ÖPNV verletzt. In einem anderen Bereich der Mobilität, dem Personenbeförderungsgesetz, das seinen Ursprung bereits im Jahr 1935 hat, sind jedoch „keine Änderungen der Vorschriften zur Personenbeförderung“ vorgesehen, wie es aus dem Ministerium heißt, da das Gesetz „Sicherheit und Qualität“ gewährleiste.57 Die Ambivalenz von Verboten einerseits und Unterlassen andererseits sowie dem Mangel eines kohärenten Ordnungsgedankens fördert zwei Probleme, die insbesondere auch in Deutschland beobachtet werden können. Erstens herrscht in vielerlei Hinsicht eine unklare Rechtslage. Wer haftet beispielsweise bei Schäden von überlassenem Eigentum, wenn nicht deutlich ist, ob es sich um einen gewerblichen oder privaten Betrieb handelt? Zweitens kommt es häufig zu einer bereits angesprochenen Bevorzugung und Ungleichbehandlung etwa in Hinsicht auf den Verbraucherschutz, die teilweise auch unbewusst ist. Diese Rechtsunsicherheit behindert die Entwicklung einer im Kern sinnvollen Wirtschaftsweise. Angesichts der Tatsache, dass die Share Economy durchaus einiges Entwicklungspotenzial aufweist, muss die Frage gestellt werden, wie die Prozesse gestaltet werden sollen, um zu Ergebnissen zu kommen, die im Interesse aller Gesellschaftsmitglieder liegen. Anders als stellenweise in der Literatur eingefordert58, bedarf es eines geeigneten Ordnungsrahmens, der hier freilich aus Platzgründen nur angedeutet werden kann. Hierfür und um das Phänomen zu erfassen, wird zunächst eine integrierte Perspektive benötigt. Mittels einer solchen Sicht wir deutlich, dass dem bisherigen Erfolg der Share Economy das verbreitete Bedürfnis nach alternativen Wirtschaftsweisen zu Grunde liegt. Der Regelrahmen muss dies stets mitdenken und sich an überwirtschaftlichen, gesellschaftlichen Ziele orientieren. Die Anforderungen an einen solchen Regelrahmen sind an die Grundidee der Sozialen Marktwirtschaft anschlussfähig. Diese fordert neben der Privilegien- und Diskriminierungsfreiheit auch die Einbettung ökonomischer Prozesse in die Gesellschaft. Übertragen auf das Phänomen der Share Economy und generell auch auf 57 58

Schlesiger/Fischer (2016). Z. B. Deloitte (2015).

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den (digitalen) Strukturwandel, den wir gegenwärtig erleben, bedeutet dies eine Verständigung über, für alle zustimmungsfähige (also von allen geteilte) Regeln. Demnach sollte es um kluge Marktzugangsanforderungen gehen, die neue Anbieter zulassen, diese jedoch denselben Wettbewerbsbedingungen unterwerfen. Zielpunkt muss eine Gleichbehandlung mit den etablierten Anbietern sein, in deren Markt sie eintreten (Taxi- und Hotelmarkt), um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. Dazu müssen erstens neue Regulierungen vorwiegend für die zweiseitigen Märkte geschaffen und zweitens im gleichen Maße die Regeln für die traditionellen Anbieter auf den Prüfstand gestellt sowie nicht mehr notwendige Vorschriften (wie z. B. die Ortskundeprüfung im Taxigewerbe) überarbeitet werden.59 Hierzu gehören auch Fragen der Besteuerung und dem Vollzug der Abgabenpflicht. Die Ordnung sollte durch branchenspezifische Regelungen zum Schutz der Verbraucher (z. B. bei Online-Vergleichsportalen) flankiert werden. Mit Blick auf das gesellschaftliche Ziel der Sozialen Marktwirtschaft gilt: Regeln schaffen Freiräume zur Entfaltung und ermöglichen unterschiedliche Lebensmodelle. Die Share Economy erhöht nicht allein die Auswahlmenge an wirtschaftlichen Tätigkeiten, sondern bietet die Möglichkeit Tauschprozesse und soziale Nahbeziehungen anders zu organisieren. Somit geht es nicht darum die Share Economy zu verdammen. Insbesondere auch die kommerziellen Angebote können dem Konsumenten Nutzen stiften. Weiterhin bedarf es Gedanken über neue Verbraucherschutzbestimmungen. Oftmals ist es dem Konsumenten z. B. gar nicht bewusst, dass er Dienste der Share Economy in Anspruch nimmt. Wenn er Ebooks, Musik, Filme oder Software meint käuflich zu erwerben, kann es sich jedoch nur um Lizenzen handeln. Aus dem vermeintlichen Eigentum wird somit digitaler Besitz, ohne dass der Konsument frei darüber verfügen kann (Verleihen, Verkaufen etc.). Einer solchen Regelung stimmt er versteckt in den Nutzungsbestimmungen zu. Bekannt wurde beispielweise ein Fall, bei dem Amazon bestimmte Ebooks über Nacht von den Geräten seiner Kunden entfernte. Konkret sollte es somit bei einer solchen Regellösungen nicht um pauschale Verbote gehen, sondern ein Mindestmaß an Regulierung (z. B. Prüfung des Gesundheitszustandes des Fahrers oder des Versicherungsschutzes des Vermieters). Darüber hinaus weist die vorgenommene zweistufige Differenzierung auf einen weiteren Regelbedarf hin. Während die Collaborative Economy tatsächlich eine alternative Organisation zur Bedürfnisbefriedigung ist, stellt die Share Economy im weit geringeren Maß eine Neuerung dar. Hinzu tritt die, auf der dritten Stufe getroffene, Differenzierung in kommerzielle und altruistische Modelle. So macht es einen Unterschied, ob eine Mitfahrgelegenheit-Plattform auf Kostenbeteiligung oder Gewinn fußt. Und es macht einen Unterschied, ob der Student während eines Auslandsaufenthaltes seine Wohnung vermietet oder ob Wohnraum ganzjährig systematisch an Touristen vermittelt wird. Da es sich bei der Share Economy zum größten Teil um kommerzielle Dienste handelt, sind die wirtschaftspolitischen Folgerungen andere 59

Vgl. Schwalbe (2014).

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als im Fall der kollaborativen Wirtschaft. Bei der kollaborativen Wirtschaft besteht weniger Regulierungsbedarf. Stattdessen ist vielmehr ein Rahmen gefordert, indem sie sich entfalten kann. Im Rahmen der Sozialen Marktwirtschaft gilt es deshalb darüber nachzudenken, wie die Bedingungen für gemeinwohlorientierte Unternehmen, insbesondere auf kommunaler Ebene, zu unterstützen sind. Unabhängig, ob es sich um kommerzielle oder gemeinwohlorientierte Share Economy-Plattformen handelt oder ob die Kooperation dauerhaft im Sinne der Gemeinressourcenökonomie angelegt ist, es gilt die verschiedenen Konzepte parallel nebeneinander zu ermöglichen. Der Wunsch kein Auto haben zu wollen, aber dennoch uneingeschränkt mobil zu sein, kann die betreffende Person dadurch umsetzen, dass er sich entweder für jede Fahrt bei einem Carsharing-Anbieter entgeltlich ein Auto mietet oder aber, indem er sich einem Carpool mit Autos im Gemeineigentum anschließt.60 Für das jeweilige Individuum wird sich herausstellen, welche der Möglichkeiten seinen Präferenzen am ehesten gerecht wird und möglichst effizient bei der Güterbereitstellung ist. Mit einer kohärenten Regelordnung kann es somit gelingen, die Chancen der Share Economy zu nutzen und zeitgleich die Risiken und Grenzen zu erkennen. Literatur Airbnb (2016): Das Airbnb-Community-Bekenntnis, http://blog.airbnb.com/community-com mitment-de/ [10. 12. 2016]. Andreoni, James (1990): Impure Altruism and Donations to Public Goods: A Theory of WarmGlow Giving, in: Economic Journal, Vol. 100, No. 401, S. 464 – 477. Bartmann, Christoph (2016): Die Rückkehr der Diener. Das neue Bürgertum und sein Personal, München: Hanser. Belk, Russel (2010): Sharing, in: Journal of Consumer Research, Jg. 36 H. 5, S. 715 – 734. – (2013): You are what you can access: Sharing and collaborative consumption online, in: Journal of Business Research, Jg. 67 H. 8, S. 1595 – 1600. BM für Arbeit und Soziales (2016): Weißbuch Arbeiten 4.0, Berlin. Botsman, Rachel/Rogers, Roo (2010): What‘s Mine is Yours: The Rise of Collaborative Consumption, New York: Harper Collins. Brodeur, Abel/Nield, Kerry (2016): Has Uber Made It Easier to Get a Ride in the Rain?, IZA Discussion Paper No. 9986. Buczynski, Beth (2013): Sharing is good. How to Save Money, Time and Resources through Collaborative Consumption, Gabriola Island: New Society Publishers. Castells, Manuel (2005): Die Internet-Galaxie. Internet, Wirtschaft und Gesellschaft, Berlin: VS Verlag. 60 Eine Kombination bietet die Schweizer Genossenschaft „Mobility Carsharing“, bei dem Nutzer sowohl durch den Beitritt zur Genossenschaft Zugang zu den Autos erhalten können als auch durch punktuelles Anmieten („Click & Drive“).

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Schlesiger, Christian/Fischer, Konrad (2016): Teile und herrsche, in: Wirtschaftswoche, Nr. 30, 22. 7. 2016, S. 54 – 59. Schor, Juliet (2014): Debating the Sharing Economy, Great Transition Initiative, S. 1 – 14. Schwalbe, Ulrich (2014): Uber und Airbnb: zur Mikroökonomik der „Sharing Economy“, in: Ifo-Schnelldienst, J. 67, Nr. 21, S. 12 – 15. Slee, Tom (2016): Deins ist meins. Die unbequemen Wahrheiten der Sharing Economy, München: Verlag Antje Kunstmann. Stephany, Alex (2015): The Business of Sharing, Houndmills: Palgrave Macmillan. Stevenson, Glenn G. (1991): Common Property Economics. A General Theory an Land Use Applications. Cambridge: Cambridge University Press. Sundararajan, Arun (2016): The Sharing Economy. The End of Employment and the Rise of Crowd-Based Capitalism, Cambridge: MIT Press. Theurl, Theresia (2016): Sharing Economy: Nutznießer oder Opfer institutioneller Inkonsistenzen?, in: Wirtschaftsdienst Jg. 96 H. 8, S. 603 – 608. Zervas, Georgios/Proserpio, Davide/Byers, John (2014): The rise of the sharing economy: Estimating the impact of Airbnb on the hotel industry, Working Paper. http://cs-people.bu.edu/ dproserp/papers/airbnb.pdf.

Entwicklungsperspektiven der Sharing Economy: Es ist nicht alles Gold was glänzt – Korreferat zu Julian Dörr – Von Nick Lin-Hi

I. Einleitung Für viele Menschen ist die Ökonomie des Teilens der soziale Gegenentwurf zum marktwirtschaftlichen System, in dem es – so die immer wiederkehrende Kritik – nur um die Maximierung des eigenen Nutzens geht. Die Sharing Economy bedient dabei die gesellschaftliche Sehnsucht nach einer alternativen Wirtschaftsform, bei der nicht Effizienz, sondern Nächstenliebe und Fürsorge im Vordergrund stehen. Entsprechend könnte das mit der Sharing Economy verbundene Credo durchaus lauten: Teilen ist besser als Marktwirtschaft. In den letzten Jahren hat die Sharing Economy eine durchaus beeindruckende Entwicklung vollzogen. War die Ökonomie des Teilens früher ein Nischensegment, so ist sie heute fast schon allgegenwärtig. Die Sharing Economy hat den Massenmarkt erreicht und hat auf dem Weg dorthin vom positiven Image des Teilens profitiert; sie verspricht eine andere, eine bessere Welt. Dass diese Botschaft durchaus auf fruchtbaren Boden fällt, spiegelt auch die mediale Berichterstattung wider. So zählte beispielsweise das Nachrichtenmagazin TIME die Sharing Economy im Jahr 2011 zu den zehn Ideen, welche die Welt verändern werden. Der vorliegende Beitrag adressiert die Entwicklungsperspektiven der Sharing Economy aus wirtschaftsethischer Perspektive. Hierbei wird die Position entfaltet, dass die internetbasierten Plattformmodelle, welche heute vor allem mit der Sharing Economy assoziiert werden, das mit der Ökonomie des Teilens verbundene Versprechen einer besseren Welt nicht einlösen können. Ganz im Gegenteil, die großen Anbieter im Markt der Sharing Economy sind gewinnorientierte Unternehmen, welche sich unter dem sozialromantischen Deckmantel des Teilens Wettbewerbsvorteile verschaffen und zudem noch dysfunktionale Effekte für die Gesellschaft produzieren. Der Beitrag ist wie folgt aufgebaut: Im nächsten Kapitel wird nach dem Wesen der Sharing Economy gefragt und aus einer Wahrnehmungsperspektive rekonstruiert. Anschließend wird herausgearbeitet, dass der Erfolg der Sharing Economy auch auf ihr positives Image zurückzuführen ist. Ausgehend hiervon wird kritisch beleuch-

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tet, ob die Sharing Economy die mit ihrem positiven Image verbundenen Erwartungen erfüllen kann. Der Beitrag schließt mit einer kurzen Schlussbemerkung.

II. Was ist die Sharing Economy? Obgleich die Ökonomie des Teilens bisweilen als eine neue Form des Wirtschaftens positioniert wird, so ist festzustellen, dass sie kein neues Phänomen ist1. So wissen etwa Gelegenheitsskifahrer seit Jahrzehnten die Möglichkeit sehr zu schätzen, sich am Berg für die nächsten Tage ihr Sportgerät unkompliziert ausleihen zu können. Und auch Videotheken haben über viele Jahre hinweg eine der grundlegenden Ideen der Sharing Economy – gemeinschaftlicher Konsum – erfolgreich praktiziert. Weitere Beispiele für gut etablierte Formen der geteilten Nutzung von Ressourcen sind etwa Waschsalons, Carsharing oder Wohngemeinschaften. Es kann gar die Sichtweise vertreten werden, dass die Ökonomie des Teilens über eine weitaus längere Historie verfügt als das marktwirtschaftliche System. Bereits in der Antike gab es beispielsweise öffentliche Badehäuser sowie öffentliche Büchersammlungen als frühe Form von Bibliotheken. Vor dem Hintergrund, dass die gemeinsame Nutzung von Gütern und Einrichtungen in Form von Teilen und Mieten bereits über Jahrzehnte und bisweilen auch Jahrhunderte hinweg erfolgreich in Gemeinschaften praktiziert wurde, stellt sich die Frage, was das Neue an der Sharing Economy ist bzw. sein soll. Indes gibt es hierauf keine allgemein anerkannte Antwort, da die Sharing Economy, wie auch Julian Dörr in seinem Beitrag deutlich gemacht hat, ein vielschichtiges Phänomen ist. Entsprechend existieren auch eine Vielzahl an Versuchen, die Sharing Economy zu strukturieren und zu klassifizieren. Jenseits von formalen Definitionsversuchen und Klassifizierungen kann die Sharing Economy auch über die öffentliche Sichtweise konkretisiert werden. Entsprechend wird darauf abgestellt, welche Akteure und Dienstleistungen primär mit der Ökonomie des Teilens in der Öffentlichkeit in Verbindung gebracht werden. Ein solcher Zugang zeigt, dass es gerade die großen Akteure wie der Fahrdienstvermittler Uber, der Vermittlungsdienst für private Übernachtungsmöglichkeiten Airbnb oder die Mitfahrzentrale BlaBlaCar sind, welche mit der Sharing Economy assoziiert werden. Hierin spiegelt sich auch wider, dass die Sharing Economy in der öffentlichen Wahrnehmung eng mit Anbietern von Internetplattformen verbunden ist. Die typischen Beispiele für Geschäftsmodelle in der Sharing Economy sowie der Umstand, dass weder das Teilen noch das Mieten von Ressourcen als solches neu sind, machen deutlich, dass in der Öffentlichkeit ein wahrgenommenes Merkmal der Sharing Economy darin liegt, dass Transaktionen internetbasiert erfolgen und Anbieter und Nachfrager primär Privatpersonen sind bzw. zu sein scheinen. Anders formuliert wird die Ökonomie des Teilens vor allem als das über Onlineplattformen 1

Vgl. Haucap (2015).

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vermittelte Peer-to-Peer Sharing von Gütern und Dienstleistungen verstanden. Auch in der Literatur finden sich zahlreiche Definitionen, die ein solches Verständnis der Sharing Economy zugrunde legen2. Im Anschluss an die soeben erfolgte Konkretisierung der Sharing Economy aus Perspektive der öffentlichen Wahrnehmung wird im Folgenden die Frage adressiert, was den Erfolg der Ökonomie des Teilens bedingt hat.

III. Erfolgsfaktoren der Sharing Economy Es gibt verschiedene Faktoren, welche die Sharing Economy zu einer Erfolgsgeschichte gemacht haben. Hierzu gehören beispielsweise ein hoher Bequemlichkeitsund Komfortnutzen3, da das Teilen, Mieten und Vermieten von Gütern und Dienstleistungen gewissermaßen mit einem Mausklick bzw. einem Fingertippen möglich ist. Hinzu kommt, dass in Zeiten von Smartphones und sinkenden Gebühren für mobiles Internet die Angebote gewissermaßen überall und permanent verfügbar sind4. Ein weiterer Erfolgsfaktor der Sharing Economy ist ihr gutes Image. Die Ökonomie des Teilens trifft einen aktuellen Zeitgeist und sie wird in der Gesellschaft als modern, fortschrittlich, cool und trendy wahrgenommen5. Zudem gilt die Ökonomie des Teilens als ökologisch vorteilhaft, infolgedessen ihr tendenziell auch ein grünes Image anhaftet6. Hinzu kommen die positiven Assoziationen, die mit der Idee des Teilens verbunden sind, zumal Teilen semantisch oftmals als Ausdruck von gelebter Solidarität verstanden wird. In ihrer Gesamtheit führen die existierenden Assoziationen dazu, dass Transaktionen innerhalb der Sharing Economy positiv besetzt sind, was wiederum den an den Austauschprozessen beteiligten Akteuren einen zusätzlichen Nutzen bietet. Dieser Nutzen ist dabei immaterieller Natur und fällt auf der emotionalen Ebene an. Die Sharing Economy vermittelt somit nicht nur einen Austausch von materiellen Leistungen, sondern ebenso von guten Gefühlen. Die Gefühlsebene wird von den Akteuren der Sharing Economy durchaus bewusst bedient, wie auch Julian Dörr in seinem Beitrag konstatiert. Versprochen werden Glück, Zufriedenheit, Harmonie und sonstige von Menschen geschätzte Werte, wie etwa die folgende Botschaft von Brian Chesky, CEO von Airbnb, deutlich macht: „Stell dir vor, du könntest eine Stadt bauen, die geteilt wird. Wo die Menschen Mikro-Unternehmer werden und Tante-Emma-Läden wieder florieren. Stell dir eine Stadt vor, die den Zusammenhalt fördert, wo Raum nicht verschwendet, sondern mit anderen geteilt wird. Eine Stadt, die mehr produziert, aber nicht mehr Abfall verursacht. Das mag vielleicht ra2

Siehe etwa Cohen/Sundararajan (2015); Harmari et al. (2015); Martin et al. (2015). Vgl. PwC (2015). 4 Vgl. Möhlmann (2015). 5 Vgl. McArthur (2014). 6 Vgl. Hasan/Birgach (2016). 3

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dikal klingen, aber es ist keine neue Idee. Städte sind ursprünglich Plattformen für das Teilen.“7

Die großen Akteure der Sharing Economy befördern aber nicht nur ihr eigenes positives Image, sondern nutzen dieses gleichzeitig auch dazu, sich von etablierten Unternehmen abzugrenzen. Mindestens implizit schwingt die Botschaft mit, dass das auf Eigeninteresse basierende marktwirtschaftliche System im Widerspruch zu einer solidarischen Gemeinschaft steht. Uber, Airbnb, BlaBlaCar und andere Akteure der Sharing Economy treten damit gewissermaßen als gesellschaftliche Wohltäter und als Verteidiger einer menschlichen Wirtschaft auf. In Zeiten, in denen Marktwirtschaft und Unternehmertum in einer tiefgreifenden Akzeptanz- und Vertrauenskrise sind8, kann es wenig verwundern, dass die Versprechen der Sharing Economy gut ankommen. Die Sharing Economy bedient die gesellschaftliche Nachfrage nach einer moralischen Wirtschaft. Die Akteure der Sharing Economy haben gewissermaßen die Moral auf ihrer Seite, da sie sich in den Augen der Öffentlichkeit für das Gute einsetzen. Dies spiegelt sich auch in Studien wider, welche die Wahrnehmung von der Sharing Economy untersuchen. So geben etwa in einer PwC-Studie9 mehr als drei Viertel der Befragten an, dass Sharing Economy Umweltworteile mit sich bringt und fast acht von zehn Befragten sehen in der Ökonomie des Teilens sogar einen Mechanismus, der den Zusammenhalt in der Gesellschaft stärkt. Die der Sharing Economy zugebilligte moralische Vorzugswürdigkeit ist ein nicht zu unterschätzender Wettbewerbsfaktor. Einfach formuliert wird hierdurch eine Vielzahl an Vorteilen in Bezug auf Stakeholderbeziehungen bedingt. Auf Kundenebene reicht dies von verbesserten Produktwahrnehmungen über eine höhere Weiterempfehlungsbereitschaft bis hin zu starken Loyalitätswerten. Auch auf Mitarbeiterebene bringt die Positionierung als moralischer Akteur Vorteile mit sich, u. a. in Form einer gesteigerten Identifikation mit dem Arbeitgeber, einer höheren Mitarbeiterzufriedenheit oder einer besseren Arbeitgeberattraktivität. Schließlich ist auch die höhere gesellschaftliche Legitimität anzuführen, welche wiederum auf politische Entscheidungsprozesse wirkt. Es kann durchaus als eine beachtenswerte Leistung der Sharing Economy gesehen werden, dass sie es geschafft hat, sich ein positives Image zu erarbeiten. Indes stellt sich die Frage, ob die Ökonomie des Teilens zu Recht über dieses Image verfügt. Anders formuliert gilt es zu prüfen, ob die Sharing Economy ihren eigenen Ansprüchen gerecht wird.

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Chesky (2014). Vgl. Edelman (2017). 9 PwC (2015). 8

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IV. Sharing Economy und gesellschaftliche Erwartungen Die gemeinschaftliche Nutzung von Ressourcen ist sowohl ökonomisch als auch ökologisch sinnvoll. Zudem sind aus der Sharing Economy eine Vielzahl an innovativen Impulsen für Wirtschaft und Gesellschaft hervorgegangen. Insofern ist die Ökonomie des Teilens zweifelsfrei in der Lage, positive Beiträge für die Gesellschaft zu leisten und eine nachhaltige Entwicklung zu befördern. Hiervon zeugen auch diverse Angebote, die den gesellschaftlichen Mehrwert von grundlegenden Prinzipien der Sharing Economy deutlich machen – exemplarisch hierfür genannt seien etwa foodsharing.de oder Free Your Stuff, die über internetbasierte Plattformen nicht mehr benötigte Lebensmittel sowie diverse Waren neu verteilen. Nichtsdestotrotz haben in der jüngsten Vergangenheit kritische Auseinandersetzungen mit der Sharing Economy deutlich zugenommen10 und auch der Beitrag von Julian Dörr geht auf die negativen Seiten der Ökonomie des Teilens ein. Ein zentraler Kritikpunkt in der existierenden Diskussion ist dabei, dass gerade die großen Akteure der Sharing Economy in der Wirtschaft existierende Spielregeln unterlaufen und hierdurch negative Effekte befördern, etwa in Form von Scheinselbständigkeit oder sinkenden Sicherheitsstandards. Hinzu kommen Probleme in Form von Steuerhinterziehung auf Nutzerseite, fehlenden Qualitätsstandards oder Rebound-Effekten. Es ist in der Tat kritisch zu sehen, dass die Sharing Economy vielfach nicht immer innerhalb des existierenden Ordnungsrahmens agiert bzw. selbigen umgehen kann. Spielregeln sind eine grundlegende Voraussetzung für eine funktionsfähige Wirtschaft, welche im Dienste der Gesellschaft steht11. Akteure, die existierende Spielregeln unterlaufen, unterminieren einen gesellschaftlich erwünschten Leistungswettbewerb. Im schlimmsten Fall erwächst hieraus ein Race-to-the-bottom, der alle Marktteilnehmer dazu zwingt, Standards zu reduzieren, um durch eine Externalisierung von Kosten die individuelle Wettbewerbsfähigkeit erhalten zu können. Eine bessere Welt wird auf diese Art und Weise sicherlich nicht möglich. Jenseits der Problematik in Bezug auf Spielregeln – das mittel- und langfristig durchaus lösbar erscheint – besteht ein weiteres Problem, welches systematischer Natur ist. Im Kern ist dieses Problem in der öffentlichen Erwartungshaltung verwurzelt, welcher bereits im Begriff des Teilens zum Ausdruck kommt. Die Öffentlichkeit wünscht sich einen Gegenentwurf zur Marktwirtschaft und scheint daran zu glauben – bzw. glauben zu wollen –, dass die Ökonomie des Teilens einen solchen darstellt. Letzteres dürfte auch durch eine entsprechende Kommunikation der großen Anbieter in der Sharing Economy zurückzuführen sein. Problematisch ist nun, dass gerade diejenigen Akteure für viele Menschen die Sharing Economy verkörpern, welche die existierenden gesellschaftlichen Erwartungen langfristig kaum erfüllen können. Uber, Airbnb, BlaBlaCar und Co. sind gewinnorientierte Unternehmen, welche auf Basis erfolgter Finanzierungsrunden be10 11

Vgl. etwa Haucap (2015); Malhotra/Van Alstyne (2014); Peitz/Schwalbe (2016). Vgl. Homann/Suchanek (2005).

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reits heute mit Milliarden von US-Dollar bewertet werden. Ihrer Bewertung können die Unternehmen nur dann gerecht werden, wenn sie ihre Geschäfte konsequent auf Gewinnerzielung ausrichten und neue, innovative Einnahmemöglichkeiten erschließen. Eben dieses gewinnorientierte Handeln ist es jedoch, warum Marktwirtschaft und Unternehmertum in der Öffentlichkeit kritisch gesehen werden. Noch schaffen es die großen Anbieter im Markt der Sharing Economy, ihre Gewinnmotive unter dem sozialromantischen Begriff des Teilens zu verschleiern. Setzt sich jedoch die Sichtweise durch, dass Unternehmen wie Uber oder Airbnb nach normalen marktwirtschaftlichen Logiken geführt werden, so kommt es zwangsläufig zur Enttäuschung von Erwartungen und damit zu einem substantiellen Imageverlust. Letzterer droht dabei sehr heftig auszufallen, da die genannten Unternehmen sich gezielt sozialromantischen Semantiken bedienen und das Bild vermitteln, „anders“ zu sein.

V. Schlussbemerkung Die mit der Sharing Economy assoziierten Unternehmen sägen fleißig an dem Ast, auf dem sie selbst sitzen – so lässt sich eine der Kernaussagen dieses Beitrags zusammenfassen. Der Erfolg von Unternehmen wie Uber, Airbnb, BlaBlaCar und Co. ist damit verbunden, dass sie sich das positive Image des Teilens zunutze machen und durchaus proaktiv daran mitwirken, sich als Weltverbesserer zu positionieren. Da sie jedoch nach marktwirtschaftlichen Prinzipien – und damit auch gewinnorientiert – geführt werden müssen, droht langfristig ihre Entzauberung mit all den damit verbundenen negativen Konsequenzen. Um Missverständnisse zu vermeiden sei betont, dass Gewinnorientierung zwar einen schlechten Ruf hat, gleichzeitig aber – unter geeigneten Spielregeln – in den Dienste gesellschaftlicher Interessen gestellt werden kann12. Man kann es durchaus als gerecht ansehen, wenn die großen Akteure der Sharing Economy aufgrund von falschen (Werbe-)Versprechen – Julian Dörr spricht von „Sharewashing“ – irgendwann einen Imageschaden erleiden werden. Es ist jedoch zu befürchten, dass der drohende Imageverlust der großen Akteure auch auf das Image der Sharing Economy als Ganzes abfärben wird, da Uber, Airbnb, usw. in hohem Maße mit der Ökonomie des Teilens assoziiert werden. Derartige SpillOver-Effekte sind im Kontext des Ansehens von ganzen Industrien gut bekannt: Ein Fehlverhalten eines einzelnen Unternehmens ist ausreichend, um das Image einer ganzen Industrie zu beschädigen13. Insofern ist zu erwarten, dass alle Akteure der Sharing Economy darunter zu leiden haben, wenn einige wenige in den Fokus der öffentlichen Kritik geraten. Da letzteres aufgrund nicht einzuhaltender Versprechen langfristig droht, kann die Entwicklungsperspektive der Sharing Economy nicht als 12 13

Vgl. Lin-Hi (2009). Siehe hierzu auch Barnett/King (2008).

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glänzend bezeichnet werden. Es hat dabei durchaus eine gewisse Ironie, dass gerade diejenigen Akteure die Sharing Economy in eine problematische Richtung führen, welche ihr erst zur heutigen Popularität verholfen haben. Literatur Barnett, Michael. L./King, Andrew A. (2008): Good fences make good neighbors: A longitudinal analysis of an industry self-regulatory institution, in: Academy of Management Journal, 51(6), 1150 – 1170. Chesky, Brian (2014): Shared City, https://medium.com/@bchesky/shared-city-db9746750a3a#. pnh41b6ia. Cohen, Molly/Sundararajan, Arun (2015): Self-regulation and innovation in the peer-to-peer sharing economy. The University of Chicago Law Review, 82, 116. Edelman (2017): 2017 Edelman Trust Barometer. Global results, http://www.edelman.com/glo bal-results. Hamari, Juho/Sjöklint, Mimmi/Ukkonen, Antti (2015): The sharing economy: Why people participate in collaborative consumption, in: Journal of the Association for Information Science and Technology, DOI: 10.1002/asi.23552 (online first). Hasan, Raza/Birgach, Mehdi (2016): Critical success factors behind the sustainability of the Sharing Economy. 2016 IEEE 14th International Conference on Software Engineering Research, Management and Applications (SERA). Haucap, Justus (2015): Ökonomie des Teilens – nachhaltig und innovativ? Die Chancen der Sharing Economy und ihre möglichen Risiken und Nebenwirkungen. DICE Ordnungspolitische Perspektiven Nr. 69. Homann, Karl/Suchanek, Andreas (2005): Ökonomik: Eine Einführung, 2. Auflage, Mohr Siebeck Verlag, Tübingen. Lin-Hi, Nick (2009): Eine Theorie der Unternehmensverantwortung: Die Verknüpfung von Gewinnerzielung und gesellschaftlichen Interessen, Erich Schmidt Verlag, Berlin. Malhotra, Arvind/Van Alstyne, Marshall (2014): The dark side of the sharing economy … And how to lighten it. Communications of the ACM, 57(11), 24 – 27. Martin, Chris. J./Upham, Paul/Budd, Leslie (2015): Commercial orientation in grassroots social innovation: Insights from the sharing economy. Ecological Economics, 118, 240 – 251. McArthur, Ellen (2015): Many-to-many exchange without money: why people share their resources. Consumption Markets/Culture, 18(3), 239 – 256. Möhlmann, Mareike (2015): Collaborative consumption: Determinants of satisfaction and the likelihood of using a sharing economy option again. Journal of Consumer Behaviour, 14(3), 193 – 207. Müller, Peter (2008): In der Vertrauenskrise: Zur Fundamentalkritik and der Sozialen Marktwirtschaft. Die Politische Meinung Nr. 462, Mai 2008, Konrad Adenauer Stiftung (Hrsg.), http://www.kas.de/wf/doc/kas_13620-544-1-30.pdf?080619091830.

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Peitz, Martin/Schwalbe, Ulrich (2016): Zwischen Sozialromantik und Neoliberalismus: zur Ökonomie der Sharing-Economy. ZEW Discussion Paper No. 16-033. PwC (2015): The sharing economy, https://www.pwc.com/us/en/technology/publications/assets/ pwc-consumer-intelligence-series-the-sharing-economy.pdf.

Jenseits des Kapitalismus? Zur Verheißungsdimension der Sharing Economy – Korreferat zu Julian Dörr – Von Michael Schramm Es gibt genau eine Wirklichkeit, in der wir leben, nämlich die Wirklichkeit hier auf unserer Erde. Natürlich folgen die Geschehnisse recht unterschiedlichen Regeln: beispielsweise hat eine normale wirtschaftliche Transaktion wie etwa der Kauf eines Joghurtbechers an der Supermarktkasse im Rahmen des Regelcodes „Zahlen oder Nichtzahlen“ („: Zahlen“) von Geld abzulaufen, während das Zahlen von Geld in einer Liebes- oder Freundschaftsbeziehung für diese Beziehung geradezu tödlich wäre.1 Hier gelten moralische oder auch religiöse „Identitätssemantiken“, auf die wir Menschen bei der Generierung unserer personalen Identität in menschlichen Beziehungen zurückgreifen können.2 Das Problem, das hier entsteht, besteht in der Frage, wie man all diese differenten Logiken, die unser Leben bestimmen, miteinander vermitteln und unter einen Hut bringen kann: „Unsere Aufgabe besteht darin, zu erklären, wie es uns gelingt, unser Leben in genau einer Welt zu führen“3.

Die sogenannte „Sharing Economy“ macht hier keine Ausnahme. Wie Julian Dörr in seinem Beitrag deutlich macht, ist sie einerseits ein geldorientiertes (kapitalistisches) Geschäft, arbeitet andererseits aber in ihrer Außendarstellung mit per-

1 Man stelle sich vor, jemand würde seiner Partnerin nach erfolgtem Beischlaf als Anreiz für Nachfolgeunternehmungen erklären: „Wow, das war ja großartig. Ich zahle Dir dafür 200, ach was, 300 Euro!“ 2 Ich bin der Auffassung, dass solche personalitätsrelevanten Differenzsemantiken keine gesellschaftlichen Funktionssysteme darstellen. Das gilt m. E. sowohl für die moralischen (im Einklang mit Luhmann) als auch für die religiösen (im Unterschied zu Luhmann) Identitätssemantiken. Für beide gilt das, was Luhmann nur für die Moral vermutet: „[D]ie Moral bildet kein Funktionssystem neben den anderen“ (Luhmann 1993, S. 421). Neben den Systemlogiken laufen die moralischen oder religiösen Identitätssemantiken gesellschaftlich diffus umher: „Moral ist eine gesellschaftsweit zirkulierende Kommunikationsweise. Sie läßt sich nicht als Teilsystem ausdifferenzieren“ (ebd., S. 434). Es wäre aber völlig verkehrt, diese Identitätssemantiken deshalb in irgendeiner Weise abzuwerten, da sie eben für die personale Identität ganz unverzichtbar sind. 3 Searle (2010/2012), S. 12.

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sonalen Werten wie dem Teilen oder der solidarischen Gemeinschaftlichkeit.4 Diesem Doppelaspekt widmet sich mein Koreferat.

I. Alles vermischt – mehr oder weniger. „Hybrid Economies“ zwischen „Commercial Economies“ und „Sharing Economies“ Nachdem der Begriff „Share Economy“ bereits 1984 von dem Ökonomen Martin L. Weitzman (allerdings mit etwas anderer Wortbedeutung) ins Spiel gebracht5 und das Phänomen von der Sache her in mehreren Publikationen diskutiert worden war6, wurde der Begriff „Sharing Economy“ im Jahr 2008 von dem Juristen Lawrence Lessig explizit in die Diskussion eingeführt.7 Interessanterweise bezeichnet Lessig mit dem Wort „Sharing Economy“ nicht das, was heute unter dem Begriff subsumiert wird, macht aber gerade deswegen in diesem Buch einige begriffliche Unterscheidungen, die ich zur Analyse meines Themas hilfreich finde: (1) „Commercial Economy“. Lessig beginnt mit der „normalen“ Wirtschaft, die er „kommerzielle Wirtschaft“ nennt. „[B]y a ,commercial economy,‘ I mean an economy in which money or ,price‘ is a central term of the ordinary, or normal, exchange. In this sense, your local record store is part of a commercial economy.“8

Lessigs Terminus „Commercial Economy“ meint also unsere normale, geldorientierte Profitwirtschaft, die unter dem Rahmencode des Marktes – nämlich: „: Zahlen“ von Geld – zu operieren hat.9 (2) „Sharing Economy“. Sodann führt er den Begriff einer „Wirtschaft des Teiles“ ein, meint damit aber nicht das, was heutzutage mit dem Wort bezeichnet wird (Airbnb oder UBER gab es ja noch gar nicht als Lessig an seinem Buch schrieb10): „A ,sharing economy‘ is different. Of all the possible terms of exchange within a sharing economy, the single term that isn’t appropriate is money. You can demand that a friend 4

Vgl. Dörr (2017), in diesem Band. Vgl. Weitzman (1984). 6 Vgl. etwa Benkler (2006) oder Belk (2007). 7 Vgl. Lessig (2008). Den Hinweis auf dieses Buch habe ich einer bei mir geschriebenen Master Thesis von Julian Panzer entnommen. 8 Lessig (2008), S. 118. 9 Auch Lessig ergänzt (m. E. völlig plausiblerweise), dass es ein Missverständnis sei zu meinen, in der realen „Profitwirtschaft“ gebe es ausschließlich nur die monetäre Dimension von Preisen (vgl. ebd., S. 118). Preise (oder monetäre) Kosten bilden einen unverzichtbaren Rahmencode des Marktes für wirtschaftliche Transaktionen, doch weisen diese Transaktionen mindestens noch zwei weitere Dimensionen auf: nämlich eine juristische und eine moralische Dimension. Zu dieser Polydimensionalität vgl. näher Schramm (2016a); Schramm (2015). 10 Airbnb wurde 2008 gegründet, Uber im Jahr 2009. 5

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spend more time with you, and the relationship is still a friendship. If you demand that he pay you for the time you spend with him, the relationship is no longer a friendship.“11

Es erstaunt zunächst einmal, dass Lessig Beziehungen wie etwa eine Freundschaft als „Economy“ bezeichnet, doch löst sich dieses Erstaunen auf, wenn man seine Definition von „Wirtschaft“ berücksichtigt: „An ,economy‘ is a practice of exchange that sustains itself, or is sustained, through time.“12

Auch freundschaftliche Beziehungen sind Austauschprozesse – und damit laut Lessig eine Art von „Wirtschaft“ –, allerdings werden hier nicht Waren gegen Geld getauscht: „Money in the sharing economy is not just inappropriate; it is poisonous.“13

Dieser Zersetzungseffekt war später dann auch das zentrale Thema des Buchs „What Money Can’t Buy“ von Michael Sandel. Sein „Korrumpierungseinwand“ besagt, dass man „Güter“ (wie etwa eine Freundschaft) nicht auf Märkten handeln sollte, weil die Marktlogik (die „Marktwerte“) das Gut verändern, seinen eigentlichen Gehalt zerstören.14 Unser Leben ist polydimensional: Geld ist nützlich und daher wichtig, aber nicht alles im Leben kann man mit Geld kaufen.15 Ein paradigmatisches Beispiel seiner Art von „Sharing Economy“ ist für Lessig die Internetplattform Wikipedia: „Wikipedia is my paradigm sharing economy. Its contributors are motivated not by money, but by the fun or joy in what they do.“16

(3) „Hybrid Economy“. Nun führt Lessig aber interessanterweise noch einen weiteren Terminus ein und unterscheidet also drei Typen von austauschenden oder wert(e)schaffenden „Wirtschaften“: „Commercial economies build value with money at their core. Sharing economies build value, ignoring money. […] But between these two economies, there is an increasingly important third economy: one that builds upon both the sharing and commercial economies, one that adds value to each. This third type – the hybrid – […] is either a commercial entity that aims to leverage value from a sharing economy, or it is a sharing economy that builds a commercial entity to better support its sharing aims.“17

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Lessig (2008), S. 118. Lessig (2008), S. 117. 13 Lessig (2008), S. 119; vgl. S. 149. Man denke an mein Beispiel aus Fn. 1. 14 Vgl. Sandel (2012), S. 9. 113. 15 „Viewed like this, we all live in many different commercial and sharing economies, all at the same time. These economies complement one another, and our lives are richer because of this diversity. No society could survive with just one or the other. No society should try.“ (Lessig [2008], S. 119). 16 Lessig (2008), S. 162. 17 Lessig (2008), S. 177 (Hervorhebungen: M.S.). 12

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Die Unternehmen, die heute üblicherweise der „Sharing Economy“ zugeordnet werden, gehören nach Lessig also tatsächlich zur „Hybrid Economy“. Mit diesem begrifflichen Rüstzeug kann ich nun folgende Hypothese formulieren: Die sogenannte „Sharing Economy“ besteht – zumindest mittlerweile – aus Unternehmen, die als „Hybrid Economy“ beschrieben werden müssen. Der „Trick“ dieser Hybridunternehmen sieht dabei so aus, dass einerseits ihr operatives Geschäftsmodell der Logik der „Commercial Economy“ folgt, dass aber ihre Unternehmenskommunikation andererseits gleichwohl nur mit den Werten der „Shared Economy“ arbeitet und es ihnen so (mehr oder minder) gelingt, ein Image der „Shared Economy“ aufzubauen. Dass diese Mischung gut funktioniert, hängt mit zwei korrelierten Tendenzen zusammen: Geld ist nützlich, aber es hatte schon immer die „teuflische“ Tendenz, sich zum alleinigen „Gott“ aufzuplustern und zu einem „Vulgärkapitalismus“ zu degenerieren (Abschnitt II.). Von daher gab es ebenfalls schon immer die Tendenz, sich den geldfreien „Himmel“ eines Lebens jenseits des schnöden Mammons auszumalen (Abschnitt III.).

II. Die dunkle Seite der „Commercial Economy“: „Vulgärkapitalismus“ „Man hat […] das Gefühl, […] dass man im Kapitalismus nicht mehr genug darüber nachdenkt, was man tut. Dass man im Grunde genommen da zu einem Vulgärkapitalismus gekommen ist, zu einer Vulgärmarktwirtschaft […]. [D]iese Banker in New York […] sind dem Geld hinterher gerannt bis ihnen der Atem ausgegangen ist. Häufig machen die das nur wenige Jahre, weil du das nicht lange aushältst. […] Glücklich hat das nicht gemacht, es hat reich gemacht.“18

Obgleich Märkte durchaus ein sehr effizientes Tool sind, um Wohlstand zu schaffen, tendieren kapitalistische Systeme dennoch dazu, die Vielfalt unterschiedlicher Interessen auf einen einzigen Typus zu reduzieren: auf monetäre Interessen. Im Endergebnis drohen menschliche Wesen zu geldvermehrenden Robotern zu degenerieren, die die anderen wichtigen Werte des menschlichen Lebens ignorieren. Ein Beispiel hierfür ist das Statement des früheren CEO der Lehman Brothers, Richard Fuld, aus dem Jahr 2007: „Wir werden einige dieser Typen [der sog. short-seller] zerquetschen. Und wir werden hart zudrücken. […] Was ich wirklich tun will, ist in sie hineinzugreifen, ihnen das Herz herauszureißen und es aufzuessen, bevor sie sterben.“19

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Hans-Peter Burghof (2008): Interview SWR1 Leute, 2008-10-02; http://www.ardmedia thek.de/ard/servlet/content/986968 (4. 10. 2010). 19 Aus der Dokumentation „The Love of Money. Episode 1: The Bank that Bust the World“ (BBC 2009), dt. Übers.: M.S. Online: http://www.tradeitdontdateit.com/bbc-the-love-of-mon

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Hier handelt es sich um eine Art von eindimensionalem „Vulgärkapitalismus“, der außer den monetären Werten alle anderen Werte vergessen hat, in diesem Fall speziell die moralischen Werte.

III. Die helle Seite der „Sharing Economy“: Zur Logik von Alternativ-Verheißungen Die Sehnsucht nach einem idealen, der ökonomischen Logik entkommenden „Jenseits“ einer Moral oder Religion pur, also nach einer Realität jenseits des schnöden Mammons, ist so alt wie die Menschheit selbst. Ich greife einige Beispiele heraus: (1) Da wäre zunächst einmal die zentrale Figur der christlichen Religion, Jesus von Nazareth. Man muss nicht lange suchen, um hier Äußerungen zu finden, die auf eine Welt jenseits des schnöden Mammons abzielen: „19Sammelt euch nicht Schätze hier auf der Erde […], 20sondern sammelt euch Schätze im Himmel […]. 24[…] Ihr könnt nicht beiden dienen, Gott und dem Mammon.“ (Mt 6,19 ff.) „25Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt.“ (Mk 20,25; vgl. Lk 18,25; Mt 19,24)

Der „Mammon“, der doch das unverzichtbare Medium des Marktsystems darstellt, wird hier als Verunmöglichung des religiösen Heils angesehen (Mt 6,19 – 24; Mk 10,23 – 25). Nun mag Jesu Position religiös konsequent sein, doch wäre es ökonomisch unvernünftig, die Bergpredigt als wirtschaftspolitische Durchführungsbestimmung zu verwenden. Zugespitzt formuliert: „Die Bergpredigt ist ein Richtlinienkatalog für Junggesellen, der ihnen sagt, wie sie die letzte Woche vor dem Ende der Welt verbringen sollen“20.

Jesu Vision einer Realität jenseits des schnöden Mammons ist eben genau das: eine religiöse Vision, aber keine zweckmäßige Bedienungsanleitung zur Installation eines funktionstüchtigen Wirtschaftssystems. (2) Doch auch in jüngster Zeit finden sich immer wieder AutorINNen, die eine Welt, welche ihren moralischen Zielen entspräche, als Welt jenseits der Logik des Kapitalismus ansiedeln. Ein Beispiel hierfür wäre etwa Naomi Klein, die uns in einem ihrer letzten Bücher mit einer „Entscheidung“ zwischen „dem“ – moralisch natürlich inferioren – „Kapitalismus“ auf der einen Seite und der angeblichen Alternative eines ökomoralisch zu stabilisierenden „Klimas“ auf der anderen Seite konfrontiert.21 ey-episode-1-the-bank-that-bust-the-world/ or http://www.youtube.com/watch?v=l0N_FX0 kUMI&feature=related. 20 Berger (1994), S. 201. 21 Klein (2015).

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(3) Eine klare Dominanz der Welt der Moral und Spiritualität über die – zwar nicht abzuschaffende, aber doch in ihre Grenzen zu verweisende – Welt der Wirtschaft vertritt auch der Philosoph Michael Sandel in seinen beiden letzten Büchern.22 Nebenbei: Dass man sich mit Geld in der Tat nicht alles kaufen kann, wussten schon die Beatles. (einschlägig hier ihr Song: „Can’t Buy me Love“). Allerdings wussten sie auch, dass Geld recht nützlich und von daher durchaus erstrebenswert sein kann (man denke etwa an ihren Song „Money, that’s what I want“). (4) Schließlich malt man sich auch in den Fiction-Welten Hollywoods aus, dass man in der Zukunft den schnöden Mammon (Geld) und damit den Kapitalismus zugunsten edlerer Ziele endlich überwunden habe. Beispiel: Star Trek. „The economics of the future is somewhat different. […] Money doesn‘t exist in the 24th century. The acquisition of wealth is no longer the driving force in our lives. We work to better ourselves and the rest of humanity!“23 „A lot has changed in the past three hundred years. People are no longer obsessed with the accumulation of things. We’ve eliminated hunger, want, the need for possessions. We‘ve grown out of our infancy!“24

Die Logik von Alternativ-Verheißungen funktioniert nun folgendermaßen: Als das „ganz andere“ Gegenüber zur „schmutzigen“ Wirklichkeit wird eine Harmoniefiktion präsentiert: eine edle Welt des Wahren, Schönen und Guten. Aus diesem Kontrast von „schmutziger“ Wirklichkeit und „sauberer“ schöner Utopie – religiös eines „Reiches Gottes“, wirtschaftlich einer Ökonomie, die „etwas anders funktioniert“ – speist sich die Attraktivität der Verheißung. Es ist der Traum von einer Erlösung, jenseits der „messiness“.

IV. Was bleibt? „Messiness“ managen Ich glaube nicht, dass wir hier auf Erden jemals eine allumfassende Wirtschaft jenseits des schnöden Mammons haben werden oder dass die Wirtschaft der Zukunft der „Himmel“ einer „Wikinomics“ sein wird. Ich glaube aber auch nicht, dass unsere Wirtschaft zur „Hölle“ eines allumfassenden „Vulgärkapitalismus“ degenerieren wird, der alle anderen Werte vernichtet hat. Vielmehr wird es eine Wirtschaft eben hier auf Erden sein – und mit einer ziemlich großen Bandbreite irgendwo zwischen „Himmel“ und „Hölle“. Mit dieser „messiness“ der „Erde“ müssen wir zurechtkommen. Es ist unsere Welt, unsere eine Welt. Das Ziel, aus dieser „messiness“ – aus der „Unordentlichkeit“ der konkreten Wirklichkeit, der „Schmutzigkeit“ unseres Lebens – aussteigen zu können, ist eine Illusion. Die Aufgabe kann nur darin bestehen, diese „messiness“ halbwegs vernünftig zu managen, indem weder die ökonomische Logik des Kapita22

Vgl. Sandel (2009); Sandel (2012). Star Trek VII: First Contact (USA 1996). 24 Star Trek – The Next Generation (TNG), Season 1, Episode 26: „The Neutral Zone“ (USA 1988). 23

Jenseits des Kapitalismus? Zur Verheißungsdimension der Sharing Economy

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lismus noch die moralischen oder religiösen Logiken der Identitätssemantiken einseitig ausgeblendet werden. Jedenfalls haben sowohl Ökonomen als auch Philosophen darauf hingewiesen, dass man in der Ökonomik wie in der Ethik mit einer polydimensionalen „Buntheit“ oder „messiness“ unserer irdischen Wirklichkeit rechnen sollte. So etwa der Ökonom Paul Krugman und der Philosoph Hilary Putnam: „As I see it, the economics profession went astray because economists, as a group, mistook beauty, clad in impressive-looking mathematics, for truth. […] [E]conomists will have to learn to live with messiness.“25 „[P]ractical problems, unlike the idealized thought experiments of the philosophers, are typically ,messy‘. They do not have clear-cut solutions.“26

Oder wie der Dalai Lama kurz und bündig in seiner unnachahmlichen Art erklärt: „Everybody loves money, including myself [he giggles]. In order to live you need money. Without money you can’t work. [But:] Beside money, there are other values“27.

Das Leben besteht nicht nur aus Geldwerten, sondern auch aus moralischen (und religiösen oder spirituellen) Werten. Und umgekehrt: es gibt im Leben nie nur moralische, sondern immer auch monetäre Werte. Auch die heute sogenannte „Sharing Economy“ ist eine Mischform („Hybrid Economy“), welche einerseits der Logik der „Commercial Economy“ folgt, andererseits aber die Werte der „Shared Economy“ vor sich her trägt. Mit diesem Problem, in der konkreten Realität zwischen den Stühlen von Profit und anderen Werten operieren zu müssen, müssen wir alle in unserem Leben und muss auch die „Sharing Economy“ zurechtkommen.

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Krugman (2009). Putnam (2004/2005), S. 28 f. 27 So der Dalai Lama im Jahr 2009. Download: http://www.manager-magazin.de/magazin/ artikel/0,2828,632732,00.html Video: http://www.spiegel.de/video/video-1009086.html. 26

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