Differenzierte Schädigungs- und Alterungsdiagnose als Grundlage für ein zielgerichtetes Asset-Management im polymerisolierten Mittelspannungskabelnetz [1. Aufl. 2009] 978-3-658-24683-9, 978-3-658-24684-6

Eine zuverlässige und kostenoptimierte Versorgung mit elektrischer Energie ist eine der tragenden Säulen einer produktiv

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Differenzierte Schädigungs- und Alterungsdiagnose als Grundlage für ein zielgerichtetes Asset-Management im polymerisolierten Mittelspannungskabelnetz [1. Aufl. 2009]
 978-3-658-24683-9, 978-3-658-24684-6

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-XVII
Einleitung (Guido Schmidt)....Pages 1-13
Lebensdauer elektrischer Isolationssysteme (Guido Schmidt)....Pages 14-24
Globale Alterung und Lokale Schädigung in der Zustandsdiagnose (Guido Schmidt)....Pages 25-44
Alterungs- und Schädigungsdiagnose an MS-Polymerkabeln (Guido Schmidt)....Pages 45-84
Aussagekraft relevanter Diagnose- und Messverfahren (Guido Schmidt)....Pages 85-127
Zusammenfassung und Ausblick (Guido Schmidt)....Pages 128-133
Back Matter ....Pages 134-152

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Edition KWV

Guido Schmidt

Differenzierte Schädigungs- und Alterungsdiagnose als Grundlage für ein zielgerichtetes AssetManagement im polymerisolierten Mittelspannungskabelnetz

Edition KWV

Die „Edition KWV“ beinhaltet hochwertige Werke aus dem Bereich der Wirtschaftswissen­ schaften. Alle Werke in der Reihe erschienen ursprünglich im Kölner Wissenschaftsverlag, dessen Programm Springer Gabler 2018 übernommen hat.

Weitere Bände in der Reihe http://www.springer.com/series/16033

Guido Schmidt

Differenzierte Schädigungsund Alterungsdiagnose als Grundlage für ein zielgerichtetes Asset-Management im polymerisolierten Mittelspannungskabelnetz

Guido Schmidt Wiesbaden, Deutschland Bis 2018 erschien der Titel im Kölner Wissenschaftsverlag, Köln Dissertation Bergische Universität Wuppertal, 2009

Edition KWV ISBN 978-3-658-24683-9 ISBN 978-3-658-24684-6  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-24684-6 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detail­ lierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer Gabler © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2009, Nachdruck 2019 Ursprünglich erschienen bei Kölner Wissenschaftsverlag, Köln, 2009 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer Gabler ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

Vorwort Die vorliegende Arbeit entstand während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl und Laboratorium für Hochspannungstechnik der Bergischen Universität Wuppertal. Mein ganz besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr.-Ing. H.-G. Kranz, dem ehemaligen Leiter des Lehrstuhls und Laboratoriums. Das gesamte Gelingen dieser Arbeit wurde maßgeblich durch seine fachliche Konsequenz, die engagierte und individuelle Förderung und seine fortwährend verantwortungsvolle persönliche und wissenschaftliche Betreuung ermöglicht. Weiterhin danke ich Herrn Prof. Dr.-Ing. V. Hansen, dem Leiter des Lehrstuhls für theoretische Elektrotechnik der Bergischen Universität Wuppertal. Mit seiner freundlichen Übernahme des Referates und der entgegengebrachten Geduld hat er mir den Weg zur Vollendung der Arbeit eröffnet. Herrn Prof. Dr.-Ing. A. Glasmachers, dem Leiter des Lehrstuhls für Messtechnik der Bergischen Universität Wuppertal, danke ich für die freundliche und unkomplizierte Übernahme des Korreferates. Meinen ehemaligen Kollegen am Lehrstuhl für Hochspannungstechnik der Bergischen Universität Wuppertal danke ich für die fachlich konstruktive und persönlich sehr bereichernde Zusammenarbeit. Hier gilt vor allem Herrn Dr.-Ing. Dirk Aschenbrenner ein besonderer Dank für die aufmerksame Durchsicht meines Manuskriptes. Weiterhin möchte ich allen Studenten des Lehrstuhls danken, welche durch ihre motivierte Tätigkeit einen wesentlichen Beitrag zum Gelingen dieser Arbeit geliefert haben. Mein innigster Dank gilt meiner Familie und hier insbesondere meinen lieben Eltern Hilda Schmidt und Werner Schmidt sowie meiner Frau Silke Löhr, welche mich mit größter Fürsorge, unermüdlicher Motivation und verlässlichem emotionalen Rückhalt während der hürdenreichen Phase der Fertigstellung meiner Arbeit getragen haben. Ohne deren selbstlose und ausdauernde Unterstützung hätte ich diese Arbeit nicht vollenden können.

Köln, August 2009

Guido Schmidt

Zusammenfassung Die Kosten der Versorgung mit elektrischer Energie werden wesentlich durch die Qualität der Verfügbarkeit des Energieübertragungssystems geprägt. Das AssetManagement sieht sich vor der Aufgabe, den veränderten Wettbewerbsbedingungen des liberalisierten Energiemarktes, der Anreizregulierung und gesetzgeberischer Sanktionierung gerecht zu werden. Dabei wird ein Optimum aus Qualität der Versorgung und Kosten abgestrebt. Dazu ist es notwendig, die Lebensdauer bestehender energietechnischer Betriebsmittel maximal zu nutzen, ohne das Betriebsrisiko durch einen unvorhergesehenen Ausfall zu erhöhen. Diese Herausforderung kann heute durch Verbesserung vorhandener und/oder Anwendung neuer Instandhaltungskonzepte erreicht werden. Im Verteilungsnetz sind polymerisolierte Mittelspannungskabel wesentlich am Ausfallgeschehen beteiligt. Es wurde in dieser Arbeit gezeigt, dass eine zustandsorientierte Instandhaltung insbesondere dann zielführend ist, wenn der Zustand des Isolationssystems hinsichtlich der tatsächlichen Versagensmechanismen erfasst wird. Es wurden globale Alterung und lokale Schädigung als zentrale ursachenorientierte Begriffe zur Analyse des Versagensverhaltens von energietechnischen Betriebsmitteln und hier insbesondere von polymerisolierten Mittelspannungskabelsystemen umfassend diskutiert. Damit können Instandhaltungsmaßnahmen wie kostenintensiver Austausch oder eine vergleichsweise günstige Reparatur plausibel begründet werden. Es wurden die wichtigsten eingeführten Mess- und Prüfverfahren untersucht und hinsichtlich ihrer Aussagekraft zur Alterungs- und Schädigungsdiagnose analysiert. Da Alterungs- und Schädigungsmechanismen im selben Isoliervolumen auftreten, muss eine umfassende Zustandsdiagnose in der Lage sein, die Mechanismen sicher zu selektieren, die zu einer Erhöhung des aktuellen Versagensrisikos führen. Dazu wurden unter Laborbedingungen VPE-Kabelprüflinge definierten Alterungszustandes und Schädigungsgrades mit der IRC-Analyse, TE-Diagnose, VLF-Prüfung und dem FGH-Stufentest untersucht. Die Signifikanz der einzelnen Verfahren hängt davon ab, ob und welche Alterungsund Schädigungsmechanismen Wechselwirkungen ausbilden, die zu einer Beeinflussung oder sogar Verfälschung des Diagnoseergebnisses führen. Die Ergebnisse wurden dahingehend ausgewertet und die Konsequenzen für die Vor-Ort-Diagnose diskutiert. Zusammenfassend kommt diese Arbeit zu dem Ergebnis, dass die IRC-Analyse unabhängig vom Schädigungszustand des VPE-Kabelsystems eine zuverlässige Bestimmung des globalen Alterungszustandes bereitstellt. Eine nachgeschaltete VLF-Prüfung, die das IRC-Ergebnis berücksichtigt, ermöglicht in Abhängigkeit von Prüfpegel, Prüfzeit und Prüfintervall den Ausschluss von Durchschlägen als Folge lokaler Schädigung für eine empirisch nachweisbare Betriebszeit. Eine TE-Diagnose kann keine Restlebensdauer für ein VPE-Kabelsystem prognostizieren und TE-freie Schwachstellen bleiben unentdeckt.

Abstract Differentiated Degradation and Ageing Diagnosis as Basis for goal-oriented Asset Management in the Polymer insulated Medium Voltage Cable Network

The costs of electrical energy supply are materially affected by quality of the energy transmission system’s availability. Here the asset management is assigned to fulfil diverse requisitions in the liberalised energy market. One target is to accomplish the optimum of supply quality and costs. Therefore it is essential to maximise the service lifetime of present electrical equipment without increasing the service risk due to unexpected failure. This challenge nowadays is achievable by improvement of existing and/or application of novel maintenance concepts. In the distribution network it is the polyethylene insulated medium voltage cable which dominates the failure incidence. In this paper it was shown that condition based maintenance is effective if the condition of the insulation system is measured concerning the factual failure mechanisms. The global ageing and the local degradation were discussed intensively as the central nomenclature which affords the analysis of the breakdown behaviour of electrical equipment especially the polymeric medium voltage cable system. With this it is possible to substantiate maintenance activity like cost-intensive replacement or relatively low-cost repair. The most important established measurement and test procedures were investigated and analysed regarding their validity in terms of ageing diagnosis and degradation diagnosis. Ageing and degradation mechanisms occur in the identical insulation material volume. Hence an overall condition diagnosis must have the ability to separate the mechanisms which cause the increasing of the actual failure risk. Under laboratory conditions polymeric cable samples with defined and well known ageing and degradation conditions were investigated with the IRC-Analysis, PD diagnosis, VLF test and the FGH steptest. The significance of each procedure depends on the possibility of interactions between ageing and degradation mechanisms which could lead to a falsification of the diagnosis result. The performance was evaluated and the consequences for an on-site diagnosis were discussed. This paper comes to the conclusion that the IRC-Analysis delivers reliable information about the global ageing condition of the polymeric cable system without being affected by local degradation. A following VLF test which considers the IRC-Analysis result enables an exclusion of breakdown due to local degradation for an empirically determinable service time depending on the test voltage level, test time and test interval. A residual lifetime prognosis for a polymeric cable system basing on a PD diagnosis is not possible and PD free weak spots remain undetected.

Inhaltsverzeichnis Abbildungs- und Tabellenverzeichnis...................................................... XIII Liste verwendeter Abkürzungen..............................................................XVII 1 Einleitung ...................................................................................................1 1.1 Zustandsdiagnose im Asset-Management ...........................................4 1.2 Situation der Versorgungszuverlässigkeit in Deutschland....................9 1.3 Zustandsdiagnose im Mittelspannungskabelnetz...............................11 1.4 Motivation und Ziel der Arbeit.............................................................12 2 Lebensdauer elektrischer Isolationssysteme .......................................14 2.1 Lebensdauer und Zustandsdiagnose .................................................14 2.2 Idealisierte Beschreibung des Lebensdauerverhaltens......................18 3 Globale Alterung und Lokale Schädigung in der Zustandsdiagnose .25 3.1 Versagen von energietechnischen Isolationssystemen......................26 3.2 Globale Alterung und Lokale Schädigung ..........................................34 4 Alterungs- und Schädigungsdiagnose an MS-Polymerkabeln............45 4.1 Konstruktion polymerisolierter Mittelspannungskabel ........................46 4.2 Garnituren ..........................................................................................47 4.3 Globale Alterung im polymerisolierten MS-Kabelsystem....................51 4.4 Lokale Schädigung im polymerisolierten MS-Kabelsystem................56 4.5 Konzept einer Zustandsdiagnose.......................................................60 4.6 Elektrische Verfahren zur Erfassung des Isolationszustandes...........61 4.6.1 Restfestigkeitsbestimmung mit dem FGH-Stufentest ...................... 61 4.6.2 IRC-Analyse..................................................................................... 63 4.6.3 Teilentladungsmessung und –diagnose .......................................... 70 4.6.4 VLF-Prüfung..................................................................................... 76

4.7 Wechselwirkungen der Versagensmechanismen unter Betriebsbedingungen .........................................................................80

XII

Inhaltverzeichnis

5 Aussagekraft relevanter Diagnose- und Messverfahren......................85 5.1 Adaption der Vor-Ort-Fragestellungen auf Bedingungen im Prüflabor..................................................................85 5.1.1 Versuchstechnische Randbedingungen und künstliche lokale Schwachstellen ................................................................................ 86 5.1.1.1 Defekt G: Absetzkante ................................................................87 5.1.1.2 Defekt K: Kegelbohrung ..............................................................88 5.1.1.3 Defekt B: Senkloch .....................................................................88 5.1.1.4 Defekt E: Einkerbung ..................................................................89 5.1.1.5 Defekt N: Nadeln im Dielektrikum ...............................................89 5.1.1.6 Defekt Q: Quetschung.................................................................90

5.1.2 Präparierung der Absetzkanten ....................................................... 91

5.2 Diagnose des globalen Alterungszustandes unter dem Einfluss künstlicher lokaler Schädigung...........................................................93 5.2.1 Versuchsaufbau und -ablauf ............................................................ 93 5.2.2 Ergebnisse und Auswertung ............................................................ 96

5.3 Restfestigkeitsbestimmung im FGH-Stufentest................................105 5.3.1 Versuchsablauf .............................................................................. 105 5.3.2 Ergebnisse der FGH-Stufentests ................................................... 105

5.4 Untersuchung lokal bewertender Verfahren an künstlich geschädigten Kabelprüflingen ..........................................................107 5.4.1 TE-Messung und –Diagnose ......................................................... 107 5.4.1.1 Versuchsablauf ......................................................................... 107 5.4.1.2 TE-Aktivität in Abhängigkeit der Art der Schwachstelle ............ 108 5.4.1.3 TE-Aktivität in Abhängigkeit der Zeit ......................................... 111

5.4.2 VLF-Prüfung................................................................................... 114 5.4.2.1 Versuchsaufbau ........................................................................ 114 5.4.2.2 Ergebnisse der VLF-Prüfungen.................................................116

5.5 Diskussion der Labor-Messergebnisse hinsichtlich der Vor-Ort-Zustandsdiagnose ...............................................................120 5.5.1 IRC-Analyse................................................................................... 120 5.5.2 TE-Diagnose .................................................................................. 122 5.5.3 VLF-Prüfung................................................................................... 125

6 Zusammenfassung und Ausblick ........................................................128 Literaturverzeichnis ...................................................................................134

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis Abbildung

1.1:

Asset-Management im Spannungsfeld gegenläufiger Ansprüche ........3

Abbildung

1.2:

Prinzip der Reduktion von Betriebsmitteleigenschaften auf die Größe „Zustand“ durch eine selektive Erfassung und Bewertung........5

Abbildung

1.3:

Lokale Schädigung und globale Alterung während der Betriebsdauer eines energietechnischen Betriebsmittels [Schmi06]..................7

Abbildung

1.4:

Anteile der Spannungsbereiche an der Nichtverfügbarkeit in Deutschland in den Jahren 2005 und 2006 [VDN07a] .........................9

Abbildung

2.1:

Abnahme der Isolationsfähigkeit mit der Zeit aufgrund von Alterungsbeanspruchung (lineare Achsenteilung) ..............................17

Abbildung

2.2:

Lebensdauergerade nach der Transformation der Achsen in eine logarithmische Teilung........................................................................19

Abbildung

2.3:

Konstantspannungsversuche und ihre statistische Beschreibung .......20

Abbildung

2.4:

Lebensdauerkennlinie als Ergebnis der statistischen Auswertung von empirischen Konstantspannungsversuchen [Küchl04] ................21

Abbildung

2.5:

Lebensdauerverhalten bei Betriebsspannung: Extrapolation empirischer Ergebnisse aus Durchschlagversuchen............................22

Abbildung

2.6:

Theoretisches Prinzip einer Prognose der Lebensdauer auf Basis einer Bestimmung der Restfestigkeit [Schmi06] ................................23

Abbildung

2.7:

Statistische Unsicherheit der Lebensdauerprognose auf Basis der Restfestigkeitsbestimmung [Schmi06]................................................24

Abbildung

3.1:

Vergleich zwischen idealer Lebensdauergeraden und unter Betriebsbedingungen zu erwartendem realen Verlauf der Lebensdauerkurve .........................................................................25

Abbildung

3.2:

Messtechnische Zustandserfassung zum Zeitpunkt tM liefert Information über die aktuelle Isolationsfähigkeit bzw. Restfestigkeit UM ......27

Abbildung

3.3:

Informationsumfang über den Zustand zum Erfassungs-Zeitpunkt tM ......................................................................28

Abbildung

3.4:

Ableitung eines Prognosefensters aus der Bestimmung der momentanen Isolationsfähigkeit .........................................................28

Abbildung

3.5:

Kenntnis und Bewertbarkeit des Verschlechterungsmechanismus ermöglichen die Eingrenzung des Prognosefensters...........................31

Abbildung

3.6:

Gemessene Isolationsreserven betriebsgealterter Mittelspannungskabel in Abhängigkeit ihrer individuellen Betriebsdauer [Meure95, Hoff02a] .....................................................32

Abbildung

3.7:

Zusammenhang zwischen Isolationsfähigkeit, Verschlechterungsmechanismen und betriebliches Risiko ...............................................33

XIV

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Abbildung

3.8:

Zustandsdiagnose am Betriebsmittel stützt die technische und wirtschaftliche Entscheidung zwischen Austausch, Reparatur oder Betrieb ohne Maßnahme .............................................................36

Abbildung

3.9:

Ausprägungen von „Reversibilität“ einer Verschlechterung des Isolationssystems.................................................................................37

Abbildung

3.10:

Zusammenhang zwischen global und lokal wirkenden Versagensmechanismen und Austausch und Reparatur ......................................39

Abbildung

3.11:

Differenzierung zwischen Alterung und Schädigung .........................40

Abbildung

3.12:

Alterung und Schädigung im idealen und realen Verlauf der Lebensdauerkurve als Erweiterung der Abbildung 3.1.......................42

Abbildung

3.13:

Konzept zur zielgerichteten Instandhaltung auf der Grundlage der Differenzierung der Versagensmechanismen .....................................43

Abbildung

4.1:

Schichtenmodell eines Mittelspannungskabels [Quelle: Siemens].....46

Abbildung

4.2:

Segmentschnitt eines Silikon-Aufschiebe-Endverschlusses mit eingearbeitetem leitfähigen Feldsteuertrichter ....................................48

Abbildung

4.3:

Fehleranteile in Mittelspannungskabelanlagen [Weck06a] ................50

Abbildung

4.4:

Isolationssystem „Mittelspannungskabel“ und seine Komponenten ..51

Abbildung

4.5:

Zuordnung von globaler Alterung im Mittelspannungskabel .............52

Abbildung

4.6:

Energiebändermodell für teilkristallines Polyethylen technischer Reinheit [Német03]..........................................................54

Abbildung

4.7:

Zuordnung von lokaler Schädigung im Mittelspannungskabel ..........56

Abbildung

4.8:

Differenzierung von Versagensmechanismen zur zielgerichteten Instandhaltung von polymerisolierten Mittelspannungskabeln ..........60

Abbildung

4.9:

Zeitverlauf der Prüfspannung im FGH-Stufentest [Weck89, Schmi06].............................................................................61

Abbildung

4.10:

Prinzipieller Ablauf einer IRC-Messung [Hoff02a] ...........................64

Abbildung

4.11:

Gemessener Relaxationsstrom in unterschiedlichen Darstellungen ...65

Abbildung

4.12:

Bestimmung des globalen Alterungszustandes in der IRC-Analyse [Schmi06]......................................................................66

Abbildung

4.13:

Ersatzschaltbild eines polymeren Dielektrikums [Gocke04a] ............67

Abbildung

4.14:

Resultierendes Ersatzschaltbild eines polyethylenisolierten Kabels in der Messphase der IRC-Analyse.........................................68

Abbildung

4.15:

Approximation im IRC-Plot [Schmi05]..............................................68

Abbildung

4.16:

Prognose der elektrischen Restfestigkeit mit der IRC-Analyse [Schmi06] ............................................................................................69

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

XV

Abbildung

4.17:

Ersatzschaltbilder einer TE-behafteten lokalen Schädigung im Feststoffisoliervolumen [König93] .....................................................71

Abbildung

4.18:

Klemmenspannung U und φqn-Entladungsmuster .............................73

Abbildung

4.19:

Zulässige Zeitverläufe der Spannung bei der 3U0-0,1Hz-VLF-Prüfung mit identischen Effektivwerten für 12/20kV-Mittelspannungskabel ....................................................76

Abbildung

4.20:

Relative Durchschlagspannungen von Modellkabeln in Abhängigkeit des lokalen Schädigungsbildes und der Frequenz [Schil96] ..............................................................................78

Abbildung

4.21:

Zuordnung der Verfahren zur Erfassung des Isolationszustandes ......80

Abbildung

4.22:

Potenzielle Beeinflussung der Alterungs- und Schädigungsdiagnose ..........................................................................82

Abbildung

4.23:

Schematische mögliche Rückwirkung lokaler Schädigung auf die Erfassung des globalen Alterungszustandes [Schmi05] .....................83

Abbildung

5.1:

Defekt „G“: abgesetztes Leitschichtende...........................................87

Abbildung

5.2:

Defekt „K“: Detailansicht und Querschnitt der Kegelbohrung..........88

Abbildung

5.3:

Defekt „B“: Bohrung als Senkloch mit 5mm Durchmesser..............88

Abbildung

5.4:

Defekt „E“: gesägte Kerbe in der Isolierung......................................89

Abbildung

5.5:

Defekt „N“: freigelegte äußere Leitschicht mit geerdeter Nadel fixiert in der Isolierung .............................................................89

Abbildung

5.6:

Defekt „N“: montierte optimierte Vorrichtung zur Fixierung von Nadeln in der Isolierung und Detailansicht.........................................90

Abbildung

5.7:

Defekt „Q“: montierte Quetschvorrichtung und Detailansicht ..........91

Abbildung

5.8:

Silikonendverschluss, TE-frei bis 18kV .............................................92

Abbildung

5.9:

Ölisolierter Endverschluss...................................................................92

Abbildung

5.10:

Wasser-Endverschlüsse mit eingebautem Kabelprüfling....................93

Abbildung

5.11:

Schematische Belastungs-, Mess- und Kurzschlussbeschaltung für einen mit Schädigungen präparierten Prüfling ..............................94

Abbildung

5.12:

Mess-, Belastungs- und Kurzschlusssequenz pro Prüfling [Schmi05]........................................................................95

Abbildung

5.13:

Defekt G: relative Ladungsanteile [Schmi05].....................................98

Abbildung

5.14:

Relative Ladungsanteile für vier Defekttypen [Schmi05] ..................99

Abbildung

5.15:

Relative Ladungsanteile für Referenzprüflinge ohne Defekte [Schmi05]....................................................................101

Abbildung

5.16:

Zerlegung des IRC-Plots in Teilstromkomponenten [Schmi05].......102

Abbildung

5.17:

IRC-Messungen an 15m-Prüfling mit Defekt B ...............................103

XVI

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Abbildung

5.18:

Teilentladungsaktivität am Anfang und am Ende der Wechselspannungsbelastung bei 1,25U0=15kV................................104

Abbildung

5.19:

Restfestigkeiten im FGH-Stufentest für ausgewählte Defekte: Weibull-Nennwerte mit 90%-Vertrauensbereichen: B: Senkloch, K: Kegelbohrung, N: Nadeln, Q: Quetschung ............106

Abbildung

5.20:

Mess- und Belastungszyklus zur Detektion des TE-Verhaltens .......108

Abbildung

5.21:

Scheinbare Ladungen aller präparierten Prüflinge: 1. Minute bei Belastung mit Wechselspannung ......................................................108

Abbildung

5.22:

Teilentladungsaktivität als φqn-Pattern jeweils während der 1. Minute ......................................................................110

Abbildung

5.23:

Teilergebnis im FGH-Stufentest für Defekt B und Defekt K (Weibull-Nennwerte mit 90%-Vertrauensbereichen) .......................110

Abbildung

5.24:

Stündlich gemessene scheinbare Ladungen aller Prüflinge bei 1,7U0 ....................................................................111

Abbildung

5.25:

Trends der relativen scheinbaren Ladung bezogen auf den Anfangszustand bei t=0h...................................................................112

Abbildung

5.26:

Zeitabhängigkeit der Teilentladungsaktivität [Schmi07]..................113

Abbildung

5.27:

Ölisolierter Umschalter im Detail und im Prüfaufbau ......................115

Abbildung

5.28:

Spannungstest am Umschalter unter Luft .........................................115

Abbildung

5.29:

Gemessene Verläufe der 0,1Hz-VLF-Prüfspannungen.....................116

Abbildung

5.30:

Beziehung zwischen 0,1Hz-VLF-Prüfspannung und Ergebnissen aus dem FGH-Stufentest...............................................118

Abbildung

5.31:

Signifikanz von TE-Messungen schematisiert in Abhängigkeit der Spannungsbelastung .............................................123

Abbildung

5.32:

Signifikanz und Schädigungspotenzial bei Variation der VLF-Prüfparameter ...........................................................................126

Tabelle

1.1:

Zusammenhang von stochastischen Störungsanlässen und Fehlerorten im Mittelspannungsnetz im Jahr 2006: prozentuale Anteile an der Nichtverfügbarkeit [VDN07a].....................................10

Tabelle

5.1:

Zusammensetzung der Prüflingskollektive kurzer Prüflinge..............94

Tabelle

5.2:

Erläuterung der Symbole aus Abbildung 5.11 und Abbildung 5.12...95

Tabelle

5.3:

Beobachtete Maximalwerte der scheinbaren Ladung während der Wechselspannungs-belastung mit 12kV ...........................................100

Tabelle

5.4:

Zusammensetzung der Prüflingskollektive für den FGH-Stufentest..................................................................................105

Tabelle

5.5:

Zusammensetzung der Prüflingskollektive für TE-Messungen........107

Tabelle

5.6:

Aufteilung und Anzahl der VLF-Prüfungen mit Gesamtergebnis ....117

Liste verwendeter Abkürzungen CBM

condition based maintenance, zustandsorientierte Instandhaltung

CM

corrective maintenance, ereignisorientierte Instandhaltung

DB

Datenbank

DISQUAL Expertengruppe der UNIPEDE ESB

Ersatzschaltbild

EIS

elektrisches Isoliersystem

ET

electrical tree, electrical treeing, elektrisches Bäumchen

FGH

Forschungsgemeinschaft für Hochstrom- und Hochspannungstechnik

GIS

gas insulated switchgear, gasisolierte Schaltanlage

HDPE

high density polyethylene, Polyethylen hoher Dichte

IRC

isothermal relaxation current, isothermer Relaxationsstrom

LCC

life cycle costs, Lebenszykluskosten

LDPE

low density polyethylene, Polyethylen niedriger Dichte

LSA

Leitschicht außen

LSI

Leitschicht innen

MS

Mittelspannung

PD

partial discharge

PE

Polyethylen

PR

phase resolved, phasenaufgelöst

RCM

reliability centered maintenance, zuverlässigkeitsorientierte Instandhaltung

TBM

time based maintenance, zeitlich-periodische Instandhaltung

TE

Teilentladung

TR

time resolved, zeitaufgelöst

UNIPEDE Union Internationale des Producteurs et Distributeurs d’Energie Electrique (Internationaler Fachverband für Stromerzeuger und -verteiler) VDN

Verband der Netzbetreiber

VLF

very low frequency, Niedrigfrequenz-Spannungsprüfung

VPE

vernetztes Polyethylen

WT

water tree, water treeing, Wasserbäumchen

1

Einleitung

Die Versorgung mit Energie ist ein elementares Bedürfnis des Menschen. Diese stellt nicht nur das Überleben des Individuums sicher, sie bildet mit ihren vielfältigen Erscheinungs- und Nutzungsformen das Fundament für ein funktionierendes Gemeinwesen und eine handlungsfähige Wirtschaft. Die Leistungs- und Entwicklungsfähigkeit einer Wirtschaft wird durch die Qualität der Versorgung mit Energie maßgeblich mitbestimmt. So ist hohe Qualität eine Voraussetzung für positive Entwicklungen im Sinne eines technischen Fortschritts und materiellen Wachstums und daraus erwachsenden Wohlstands. Diese Qualität ist im Kontext Energieversorgung anhand unterschiedlicher Merkmale zu bewerten. So zeichnet sich eine „gute Versorgung“ dadurch aus, dass zu jedem Zeitpunkt jedem Verbraucher die Energie in der benötigten Form und Menge zu einem vertretbaren Gegenwert zur Verfügung steht. Entscheidenden Anteil am technologischen und damit wirtschaftlichen Fortschritt und letztlich sozialen Absicherung hat die elektrische Energie, da sie vielfältige Nutzungspotenziale bietet. So basieren die Informations- und Kommunikationstechnik auf der Verarbeitung elektrischer Signale und eine industrielle Produktion ist ohne elektrische Antriebstechnik heute nicht mehr denkbar [Stame03]. Nicht zuletzt sind es die privaten Haushalte, deren Funktionieren wesentlich durch die Nutzung von elektrischer Energie geprägt ist. Mit diesen Beispielen fokussiert sich die Betrachtung der Qualität einer Versorgung mit Energie auf die Qualität der elektrischen Energieversorgung. Ausgehend von den systematischen Zusammenhängen im elektrischen Energieversorgungssystem lassen sich die oben genannten Qualitätsmerkmale präzisieren. Für den Verbraucher nimmt etwa die zeitlich möglichst kontinuierliche Bedarfsdeckung an elektrischer Energie eine herausragende Stellung ein [Schwa06]. Diese Fähigkeit eines Versorgungssystems wird heutzutage mit der „Versorgungszuverlässigkeit“ beschrieben, welche durch die Ausprägungen „Häufigkeit“, „Dauer“ und „Ausmaß“ von Versorgungsunterbrechungen und daraus generierten Kenngrößen quantifizierbar wird [VDE06a]. Zum einen wird das System dadurch erst bewertbar und zum anderen ermöglicht die statistische Auswertung und ursächliche Eingrenzung von derartigen Ereignissen die Grundlage zur Optimierung des Systems [Schwa06]. Der abstrakte Begriff „Optimierung“ beschreibt eine Vorgehensweise, nach welcher ein definiertes Ziel angestrebt wird. Im elektrischen Energieversorgungssystem wird diese Zielsetzung im Rahmen des Asset-Management formuliert [Neuma06a, Claud02]. Dieses übernimmt die Verwaltung und Steuerung der Assets (also der Anlagen und Vermögenswerte und des Personals) und bewegt sich damit im Spannungsfeld zwischen technischer Möglichkeit, qualitativem Anspruch, ökonomischer Unternehmensführung, politischen regulatorischen © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2009 G. Schmidt, Differenzierte Schädigungs- und Alterungsdiagnose als Grundlage für ein zielgerichtetes Asset-Management im polymerisolierten Mittelspannungskabelnetz, Edition KWV, https://doi.org/10.1007/978-3-658-24684-6_1

2

Kapitel 1

Einleitung

Zwängen und zunehmend auch sozialen und ökologischen Verpflichtungen [Quak03a, Stame03, Paetz04, Frijm05, Balze06]. Die Herausforderung besteht für das Asset-Management in der Anpassung seiner Strategien an die Dynamik dieses Spannungsfeldes [Porba05, Ganse07]. Gerade in den letzten Jahren wurden die Gewichtungen neu verteilt [Stame03, Benz02]. Zu nennen ist neben der fortlaufenden Liberalisierung des Energiemarktes die eingeläutete Anreizregulierung, durch welche die Erlöse der Netzbetreiber nicht mehr durch den Markt bestimmt werden, sondern durch die Bundesnetzagentur reguliert werden [Kinde99, Krogi07, Schoc07]. Die damit verbundene (mittelfristig geplante völlige) Entkopplung von Erlös und Netzkosten lässt den Kostendruck weiter steigen, zumal nicht nur die jetzt schon vorhandenen Kosten zu minimieren sind, sondern auch hinzukommende Kostenverursacher zu bewältigen sind [Ganse07, Engle06]. So schreibt das Energiewirtschaftsgesetz die Melde- und Dokumentationspflicht von Versorgungsstörungen vor. Die Bundesnetzagentur führt einen Qualitätsfaktor ein, wodurch die Versorgungsqualität mit einem Bonus-Malus-System direkt auf die Erlöse zurückwirkt. Des Weiteren ist eine Pönalisierung ähnlich der in anderen Ländern geplant [Hellm07, Schoc07]. Zum einen bedeutet dies für viele Netzbetreiber die organisatorische Einführung neuer und damit Kosten verursachender Vorgänge und zum anderen wird die Qualität der Versorgung dadurch öffentlich und zu einer Beurteilungsgröße für den Gesetzgeber, der mit der Anreizregulierung auch die Sicherstellung der Versorgungsqualität reguliert [Krogi07]. Vor diesem Hintergrund kristallisiert sich die grundlegende Zielsetzung im Netzbetrieb heraus, welche als die Maximierung der Versorgungszuverlässigkeit bei Minimierung der Netzkosten zu formulieren ist [Stame03, Wellß04]. In ihrer Grundsätzlichkeit kann diese auf die elektrische Energieversorgung als Ganzes zur Maximierung der Versorgungsqualität bei Minimierung der Kosten erweitert werden [Birkn01, Gocke02a, Holze03]. Abbildung 1.1 visualisiert das sich ausbildende Spannungsfeld, welches vom Asset-Management beherrscht werden muss. Die Intentionen der Zielsetzung sind diametral, denn eine Minimierung der Investitions- und Betriebskosten darf nicht durch eine sinkende Versorgungszuverlässigkeit erkauft werden. Der Betreiber ist also zur Lösung eines Optimierungsproblems aufgefordert [Schmi04]. Diese ist aus heutiger Sicht in der Entwicklung neuer oder in Anpassung vorhandener Instandhaltungskonzepte zu finden, welche noch stärker als bisher auf eine Maximierung der Nutzungsdauern der Betriebsmittel ausgerichtet sind [Balze06]. Verschärft wird diese Herausforderung durch die Erkenntnis, dass ein erheblicher Teil der Komponenten im Netz ihre ursprünglich vorgesehene Nutzungsdauer bereits erreicht hat und eigentlich zum Austausch ansteht [Birkn01, Neuma02, Weck06a].

Kapitel 1

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Abbildung 1.1:

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Asset-Management im Spannungsfeld gegenläufiger Ansprüche

Aus energiewirtschaftlicher Sicht können vier grundlegende Instandhaltungsstrategien unterschieden werden, welche in Reinform oder Kombination zur Anwendung kommen [VDN04, VDN06a, Wellß04, Schor05]. Die ereignisorientierte Instandhaltung (Corrective Maintenance, CM) verzichtet auf jegliche vorbeugende Instandhaltung, indem die Komponente solange in Betrieb bleibt, bis sie durch Störung ausfällt. Diese Strategie untergräbt offensichtlich eine Maximierung der Versorgungszuverlässigkeit und die Kosten durch Störung und Ausfall können erheblich sein [Birkn01, Balze05]. Die zeitlich-periodische Instandhaltung (Time Based Maintenance, TBM) sieht definierte Maßnahmen nach festen Zeitintervallen vor, welche durch Betriebsmittel-Hersteller empfohlen werden oder aus Betriebserfahrung resultieren. Eine solche Strategie verbessert die Versorgungszuverlässigkeit durch Ergreifung rein prophylaktischer Maßnahmen, führt aber zu großer finanzieller Aufwendung, da die Betriebsmittel prinzipiell nicht bis zum Ende ihrer Lebensdauer eingesetzt werden [Balze06]. Die vorgenannten Nachteile werden mit einer zustandsorientierten Instandhaltung (Condition Based Maintenance, CBM) abgefangen, indem das Ergreifen von Maßnahmen in Abhängigkeit des technischen Zustands des Betriebsmittels erfolgt [Zaeng03a, Kraus06b, Asche06a]. Damit fallen die Kosten für Wartung, Reparatur oder Austausch erst bei Bedarf an, wenn der ermittelte Zustand eine zu definierende Qualität unterschreitet. Wird ein Instandhaltungsprozess orientiert an der Wichtigkeit eines Betriebsmittels und an den Folgen seines Ausfalls auf das Gesamtsystem initiiert, so bezeichnet man dies als zuverlässigkeitsorientierte Instandhaltung (Reliability Centered Maintenance, RCM) [Venne03, Benz02].

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Kapitel 1

Einleitung

Diese Strategie integriert die drei genannten, indem anhand der erweiternden Kriterien Wichtigkeit und Zuverlässigkeit erarbeitet wird, inwieweit ein Betriebsmittel ereignisorientiert, zeitlich-periodisch oder zustandsorientiert zu behandeln ist [Kraus06b]. Ein Asset-Management mit der oben formulierten Zielsetzung führt mit diesen Hilfsmitteln dann zum Erfolg, wenn der Zustand der Betriebsmittel bekannt ist und als eine zentrale Kenngröße die Entscheidungsprozesse im Rahmen von Instandhaltung mitbestimmt [Gocke04a, Paetz04, Ganse07].

1.1

Zustandsdiagnose im Asset-Management

Mit der Kenngröße Zustand qualifiziert der Betreiber die Betriebsmittel hinsichtlich ihrer momentanen und zukünftigen Betriebsfähigkeit. Er soll im Idealfall daraus ableiten können, wie groß die Gefahr eines Versagens ist bzw. welche Restlebensdauer dem Betriebsmittel noch zur Verfügung steht [Gocke03, Gocke04a]. Mit diesem Wissen könnte im Asset-Management theoretisch der bestmögliche Zeitpunkt zum Durchführen der am besten geeigneten Instandhaltungsmaßnahme bestimmt werden, wodurch das Betriebsmittel technisch und wirtschaftlich maximal ausgenutzt würde. Tatsächlich ist aber, wie später ausführlich gezeigt wird, das Versagensverhalten von energietechnischen Isolationssystemen so komplex, dass die Abschätzung des Betriebsrisikos und eine Prognose der Restlebensdauer mit einer großen Unsicherheit behaftet sind [Schmi06, Paetz04, Zimme02]. Unter Wahrung einer geforderten Versorgungszuverlässigkeit erfolgt eine Instandhaltungsmaßnahme – gemessen an der effizientesten Ausnutzung des Betriebsmittels – dadurch prinzipiell zu früh. Somit steigt der Anspruch, den Zustand möglichst genau bestimmen und interpretieren zu können. Der Zustand ist eine integrierende Beschreibung und Beurteilung derjenigen Eigenschaften eines Isolationssystems, welche zu einer Erhöhung des Betriebsrisikos führen. Das Risiko ist als die Verknüpfung aus Durchschlagwahrscheinlichkeit und dem Schadensausmaß zu werten [Dreis06, Korna07]. Generell wird der Zustand begrifflich im Singular gebraucht. Diese verbale Vereinfachung überdeckt zunächst die Komplexität einer Zustandsbestimmung. Eine Aufschlüsselung offenbart jedoch, dass es viele separate elektrische, physikalische und chemische Eigenschaften sind, die durch ihre Überlagerung und Interaktion zum Zeitpunkt der messtechnischen Erfassung auf die Größe Zustand reduziert werden. In einem MehrstoffIsolationssystem, wie praktisch jedes energietechnische Betriebsmittel (z.B. Transformator, Generator, Energiekabel) eines darstellt, resultieren solche separaten Eigenschaften allein aus der Menge der Konstruktionselemente. Jedes für sich bildet zum Beispiel als Folge der durch Betriebsbelastung veränderten Eigenschaften einen individuellen Zustand aus, der sich in der Regel in einer Verschlechterung der

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Belastungsfähigkeit, also in Erhöhung des betrieblichen Risikos zeigt. Das Versagensrisiko des gesamten Isolationssystems resultiert also aus der Überlagerung von einzelnen Risikoanteilen. Abbildung 1.2 zeigt schematisiert diese Zusammenführung. Die eingesetzte messtechnische Erfassung und Aufbereitung der Eigenschaften wirken durch individuelle Gewichtung selektierend und komprimierend. Schließlich führt eine subjektive Bewertung der so verbliebenen Informationen zur charakterisierenden Größe Zustand.

Abbildung 1.2:

Prinzip der Reduktion von Betriebsmitteleigenschaften auf die Größe „Zustand“ durch eine selektive Erfassung und Bewertung

Entscheidend für den Erfolg eines auf dem Zustand basierenden Asset-Managements ist die Existenz einer Korrelation zwischen ermitteltem Zustand und Betriebsrisiko und eine solche Korrelation muss quantifizierbar und interpretierbar sein [Gocke04a, Plath04]. Mit der fundierten Kenntnis der chemisch-physikalischen Veränderungen können die messtechnisch erfassten Kenngrößen in eine Aussage zum Betriebsrisiko übersetzt und damit „veredelt“ werden. Mit dieser Risikobeurteilung unter Berücksichtigung des Zustandes wird eine messtechnische Erfassung zu einer Zustandsdiagnose. Die Anwendung von Zustandsdiagnose hat für den Netzbetreiber dann seine Berechtigung, wenn die daraus gewonnenen Informationen zweckmäßig weiter-

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Kapitel 1

Einleitung

verarbeitet werden. Dies bedeutet aus Sicht des Asset-Managements, dass diese Informationen notwendig sein müssen, um seiner Zielsetzung folgen zu können [Claud02]. Der Kostenaufwand für eine Zustandsdiagnose muss also durch diese Notwendigkeit gerechtfertigt sein [Gocke04a]. Insbesondere muss der Zustand beobachtbar und er muss im Bedarfsfall verbesserbar sein. Damit qualifiziert sich eine Zustandsdiagnose durch ihre Signifikanz und ihre Kosten. Die Signifikanz wird wesentlich von der Wahl der ermittelten Zustandsgrößen bestimmt [Plath04]. In der Diagnostik hochspannungstechnischer Betriebsmittel herrscht eine rege wissenschaftliche Diskussion, welche Diagnoseverfahren angewendet an welchem Betriebsmittel das beste Ergebnis liefern [Nilge06]. Dabei konzentriert sich diese Fragestellung auf den Zustand der Isolierung hinsichtlich seiner elektrischen Festigkeit [Hoff02a, Kraus06a]. Diese sinkt aufgrund der Betriebsbelastung zumindest in festen und flüssigen Isolierstoffen ab, das Risiko des Versagens steigt an [Lemke02]. Wie oben beschrieben, reagieren die unterschiedlichen konstruktiven Komponenten eines Betriebsmittels mit ihren verschiedenen Materialien individuell auf Belastung. Das technische Risiko eines Betriebsmittels hängt also von den Ursachen der Verschlechterung seiner Eigenschaften ab und von dem Ort, an welchem diese Vorgänge innerhalb des Betriebsmittels ablaufen. Diese Überlagerung lässt erkennen, dass eine signifikante Zustandsdiagnose in der Lage sein muss, den oder die risikorelevanten Versagensmechanismen zu identifizieren und den betroffenen Komponenten zuzuordnen. Das Diagnoseresultat (Art, Ort, Ausmaß und Bewertung der Verschlechterung von Eigenschaften) fließt als ein Informationspaket in den Asset-Management-Prozess ein, in welchem, orientiert an der übergeordneten Zielsetzung, die passende Instandhaltungsmaßnahme erfolgt. Insbesondere muss eine Zustandsdiagnose genug Informationen liefern, um dem Asset-Management eine Entscheidung zwischen kostenintensivem Austausch des Betriebsmittels oder lediglich dessen Kosten sparender Wartung bzw. Reparatur zu ermöglichen [Storf01, Steen02, Schai03]. Diese Varianten werden wesentlich durch den dominierenden Degradationsmechanismus bestimmt, mit welchem das größte Risiko eines Versagens verknüpft ist. Es wird gezeigt, dass ein Schlüssel zu erfolgreicher Zustandsdiagnose die gezielte differenzierende Charakterisierung der möglichen Mechanismen darstellen kann [Schmi03]. Das langsame und stetige Absinken der elektrischen Festigkeit der Isolierung ist ein unvermeidlicher Vorgang, welcher sich in nahezu jedem Betriebsmittel nach der Inbetriebnahme in Gang setzt und durch die fortwährenden Belastungen während des Betriebes aufrechterhalten wird [VDN04]. Diese Verschlechterung der elektrischen Eigenschaften vollzieht sich im gesamten Isoliervolumen in der Regel gleichmäßig verteilt [Meure95]. Diese Attribute werden unter dem Begriff der globalen Alterung zusammengefasst [Schmi04]. Prognostische Betrachtungen zur Lebensdauer und

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Einleitung

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explizit zur Restlebensdauer eines Betriebsmittels sind wesentlich mit der so beschriebenen langsamen und homogenen Alterung verknüpft [Zimme02]. Dagegen werden solche Vorgänge, die nur räumlich eng begrenzt zu einer Schwächung der Isolationsfähigkeit führen, mit lokaler Schädigung beschrieben. Diese läuft – gemessen am Vorgang der Alterung – in der Regel schneller ab. Im Gegensatz zur Alterung ist Schädigung als ein prinzipiell vermeidbares Phänomen einzuordnen. Das qualitativ beste Betriebsmittel unterliegt zwar einer globalen Alterung, wäre im Idealfall aber frei von lokalen Schädigungen. Jedoch können im Realfall durch den Herstellungsprozess, die Montage oder durch den Betrieb unvorhersehbare Unregelmäßigkeiten entstehen, die durch die Vor-Ort-Belastungen zu technischen Schwachstellen auswachsen, welche zu unerwarteten Frühausfällen oder verschleißbedingten Ausfällen führen können [Kraus06b]. Werden die Mechanismen, die zur Verschlechterung der Isolationsqualität führen, in dieser Weise in lokale Schädigung oder globale Alterung klassifizierbar, liegt eine Grundlage zur plausiblen Wahl der Instandhaltungsmaßnahme vor [Schmi05]. Abbildung 1.3. schematisiert, wie sich das Isoliervermögen während der Betriebsdauer durch Schädigung und Alterung verschlechtern kann.

Abbildung 1.3:

Lokale Schädigung und globale Alterung während der Betriebsdauer eines energietechnischen Betriebsmittels [Schmi06]

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Kapitel 1

Einleitung

Ausgehend von der Anfangsfestigkeit sinkt die Isolationsfähigkeit während der Betriebsdauer aufgrund von globaler Alterung relativ langsam und stetig ab. Wird das Betriebsmittel durch Zustandsdiagnose bewertet, so würde zu den Diagnosezeitpunkten tD,S und tD,A das Unterschreiten einer betriebsgerechten Toleranz- oder Alarmschwelle bzw. eines Wartungslevels detektiert und eine Instandhaltungsmaßnahme wäre einzuleiten. Hier ist das Wissen um den dominierenden Verschlechterungsmechanismus entscheidend für die Wahl der passenden Maßnahme. Ist der Verlust des Isolationsvermögens wesentlich durch eine lokale Schädigung begründet (Zeitpunkt tD,S), kann die Reparatur des geschädigten Bereiches sinnvoll sein. Diese relativ kostengünstige Maßnahme würde das Betriebsmittel wieder in einen betriebsfähigen Gesamtzustand versetzen, der dem Zustand entspricht, welcher bis zu diesem Zeitpunkt durch globale Alterung bewirkt wurde. Das reparierte Betriebsmittel könnte um die Zeitdifferenz tD,A-tD,S länger bis zum Ende seiner Nutzungsdauer verwendet werden, welches erst dann erreicht wäre, wenn der Wartungslevel durch globale Alterung unterschritten wird. Wird der Gesamtzustand aber wesentlich durch globale Alterung geprägt (Zeitpunkt tD,A), so könnte eine lokale Reparaturmaßnahme keine Verbesserung des Zustands bewirken. Hier wäre der kostenintensive Austausch des Betriebsmittels die einzige Maßnahme, um ein akzeptierbares Niveau des Isoliervermögens wieder herzustellen. Wie dargestellt, würde dadurch theoretisch wieder der Anfangszustand erreicht werden. Neben der Wahl der ökonomisch sinnvolleren Instandhaltungsmaßnahme eröffnet erst eine derartige Zuordnung von Versagensmechanismen in lokale Schädigung oder globale Alterung den Zugang zur Bewertung hinsichtlich ihres Betriebsrisikos. Das Risiko aufgrund homogen verteilter Alterung wird über den Grad der Verschlechterung bzw. den Zustand und das resultierende Verhalten des Isoliervolumens bestimmt. Das Risiko einer lokal eng begrenzten Schädigung wird zusätzlich wesentlich durch den Ort der Verschlechterung im Isoliervolumen geprägt [Gocke03, Weste03a, Quak03b, Gustk06, Petzo06]. Entsprechend soll eine umfassende Zustandsdiagnose auf diese Weise zwischen Schädigung und Alterung differenzieren können, wobei eine Gewichtung zwischen diesen vom betrachteten Betriebsmittel abhängt. Die Anwendung von mindestens zwei Verfahren erscheint erforderlich, um diese prinzipiell unterschiedlichen Wirkungsweisen messtechnisch erfassen und separieren können [Schmi04].

Kapitel 1

1.2

Einleitung

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Situation der Versorgungszuverlässigkeit in Deutschland

Die Zuverlässigkeit der elektrischen Energieversorgung ist ein wesentlicher Faktor, der die Versorgungsqualität trägt, welche nach der Zielsetzung des Asset-Managements eine der zu optimierenden Ausgangsgrößen ist. Hierzu muss die Ausgangssituation skizziert werden, um diese hinsichtlich sinnvoller Instandhaltungsstrategien zu analysieren. Das elektrische Energieversorgungssystem gliedert sich in unterschiedliche Spannungsebenen, die durch ihre spezifischen Verteil- und Versorgungsaufgaben individuellen technischen Anforderungen genügen müssen [Kraus06b]. Die Aspekte Betriebsmittel, Konstruktion, Wichtigkeit, Wirtschaftlichkeit, Risiko sind in jeder Ebene anders gewichtet und bedingen dadurch prinzipiell unterschiedliche Ansätze für Instandhaltungsstrategien [VDN04]. Die Ausgangssituation zeigt beispielsweise, dass in Deutschland die Ursachen für Störungen mit Versorgungsunterbrechungen zum überwiegenden Teil in den Mittelspannungsnetzen mit Nennspannungen bis U0/UN=36/60kV zu finden sind (Abbildung 1.4). Aus HöS: 0,0%

Aus HöS: 2,3%

Aus NS: 17,1% Aus HS: 2,6%

Aus HS: 6,4%

Aus MS: 80,3%

Jahr 2005: Qu = 19,3 min/a Abbildung 1.4:

Aus NS: 16,0%

Aus MS: 75,3%

Jahr 2006: Qu = 21,8 min/a

Anteile der Spannungsbereiche an der Nichtverfügbarkeit in Deutschland in den Jahren 2005 und 2006 [VDN07a] NS: Niederspannung HS: Hochspannung

MS: Mittelspannung HöS: Höhstspannung

Diese statistische Auswertung des VDN für die Jahre 2005 und 2006 zeigt die relative Verteilung der DISQUAL-Kenngröße „Nichtverfügbarkeit Qu“ in den einzelnen Spannungsebenen des elektrischen Versorgungsnetzes [VDN06c, VDN07a]. Berücksichtigt sind hier die stochastischen Versorgungsunterbrechungen, die ihre Ursache in der entsprechenden Spannungsebene hatten und durch die jeweils niedrigeren Spannungsebenen bis zum Endkunden durchgereicht wurden. Mit den beachtlichen Anteilen der Mittelspannungsebene am Störungsgeschehen wird ersichtlich, dass dieser Teil des Versorgungsnetzes die größte Bedeutung für die Versorgungszuverlässigkeit hat [Schwa06, Hellm07].

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Kapitel 1

Einleitung

Die Sicherstellung einer Versorgungsqualität im Sinne der Minimierung von Versorgungsunterbrechungen bzw. Minimierung des Betriebsrisikos setzt die Kenntnis über die Ursachen voraus. Aufgrund der Bedeutung der Mittelspannungsebene ist es konsequent, die Ursachen gezielt in dieser zu analysieren. Hier ist einzugrenzen, welche Betriebsmittel wie stark am Störungsgeschehen beteiligt sind und welche Störungsanlässe dafür verantwortlich sind. Tabelle 1.1 schlüsselt den Anteil der Mittelspannung aus Abbildung 1.4 nach Störungsanlass und Fehlerort auf [VDN07a]. Diese Auswertung liefert den Hinweis, dass nahezu drei Viertel der Nichtverfügbarkeit durch Störungen im Freileitungs- und Kabelnetz zu erklären sind. Fehlerort Schaltanlage

Ortsnetzstation

sonstiges

alle Fehlerorte

fremde Einwirkung sonstige Einwirkung

Kabel

kein erkennbarer Anlass atmosphärische Einwirkung

Freileitung

Störungsanlass

4,4 23,0 9,4 0,7

26,4 1,1 8,6 0,8

1,0 0,3 0,4 0,5

2,7 2,8 0,8 0,7

2,1 1,4 0,3 0,2 0,5 7,6 2,5 1,7

36,6 28,6 19,6 2,9 0,5 7,6 2,5 1,7

37,4

37,0

2,2

7,0

16,4

100,0

Hilfseinrichtung Rückwirkung aus HS Rückwirkung aus HöS sonstige Rückwirkung Anteil

Tabelle 1.1:

Zusammenhang von stochastischen Störungsanlässen und Fehlerorten im Mittelspannungsnetz im Jahr 2006: prozentuale Anteile an der Nichtverfügbarkeit [VDN07a]

Das Freileitungsnetz zeigt sich dabei besonders anfällig für äußere Effekte wie atmosphärische Einwirkungen (Gewitter, Sturm, Schnee, usw.), was prinzipiell durch die räumliche Exposition bedingt ist [Zhang05a]. Die Komponente Kabel fällt durch einen erheblichen Anteil an der Nichtverfügbarkeit auf, welchem „kein erkennbarer Anlass“ zugeordnet werden kann. Hier verbergen sich die Fehlerprozesse, die dem Betriebsmittel immanent sind. Das bedeutet, dass das Kabelsystem ein Versagensverhalten aus sich heraus aufweist. Schwan ordnet diesem unter anderem das Versagen durch Alterung zu, wobei nach obiger Kategorisierung ebenfalls Schädigung diesen Versagensanlässen zuzuordnen ist [Schwa06]. Es ist genau diese innere Minderung der elektrischen Eigenschaften eines Kabelsystems, welche nur durch eine aussagefähige Zustandsdiagnose zu detektieren ist und durch zustandsorientierte Maßnahmen wie Austausch oder Reparatur zu verbessern wäre [VDN04].

Kapitel 1

Einleitung

11

Damit könnte die Nichtverfügbarkeit in Deutschland durch den Anteil des Mittelspannungsnetzes maßgeblich von der Anwendung und Qualität der Zustandsdiagnose im Kabelnetz beeinflusst werden [Storf01].

1.3

Zustandsdiagnose im Mittelspannungskabelnetz

Die grundsätzlichen Motivationen des Asset-Managements gelten in allen Spannungsebenen gleichermaßen, jedoch die entworfenen Instandhaltungsstrategien zeigen eine spannungsebenenabhängige Ausrichtung. So sind zustandsorientierte Instandhaltungsvarianten in der Übertragungsebene etabliert [Weck06a]. Auf Verteilungsebene, also im Mittelspannungsbereich, ist die Ausrichtung nicht eindeutig. Bisher verbreitet ist die ereignisorientierte oder zeitlich-periodische Instandhaltung [Weck06a], welche zum Teil durch Ausfallprognosen und Modellrechnungen unterstützt werden [Stürm03, Schwa03]. Letztlich hängt die Genauigkeit dieser Modelle auch von der Kenntnis über die zeit- und belastungsabhängige Versagenscharakteristik des Betriebsmittelkollektivs ab [Schne07]. Diese Kenntnis kann jedoch nur durch Zurückgreifen auf bekannte wahre Zustände erarbeitet werden, so dass auch hier letztlich Informationen aus einer Zustandserfassung als Parameter einfließen [Schwa03]. Dennoch scheint sich das Asset-Management im Mittelspannungsbereich zunehmend auf die Ergebnisse von Zustandsdiagnose als Datenquelle auszurichten [Nilge06]. Ausdrücklich wird dies auch für das Kabelnetz als notwendig erachtet [Benz06, Weck06a]. Einer zustandsorientierten Instandhaltung wird dabei der bessere Kosten-Nutzen-Faktor als einer zeit- oder ereignisorientierten Instandhaltung zugesprochen [Schai03]. Für polymerisolierte Mittelspannungskabel existieren Lösungsansätze, die den Erfolg in der kommerziellen Anwendung vor Ort unter Beweis stellen konnten [Hoff01a]. Bekannt sind die gehäuften Versagensprobleme aufgrund der Water-Tree-Belastung der Polymerkabel, die bis etwa 1985 gefertigt wurden [Weck06a, Hvids05]. Die Diskussion dieses Phänomens zeigt beispielhaft, dass das Versagen von Kabelisolierungen häufig einseitig betrachtet wird, eine Analyse im Sinne einer differenzierten Alterungs- und Schädigungsdiagnose aber weiter führen würde. Zwar sind Tendenzen in der Kabeldiagnose erkennbar, welche den Zustand nicht mehr nur über eine einzige Kenngröße definieren [Schuf03, Orten03, Gulsk05a, Smit05]. In vielen Fällen aber scheint die Komplexität der Versagenserscheinungen dadurch vernachlässigt, dass etwa begriffliche Zuordnungen nicht konsequent verfolgt werden oder sogar irreführend sind [Schmi04, Kraus06a].

12

Kapitel 1

Einleitung

Im polymerisolierten Kabelnetz und im Massekabelnetz werden weitgehend dieselben Diagnoseverfahren vor Ort angewendet, wobei die Ergebnisse wegen der grundsätzlich unterschiedlichen Isolierstoff-Eigenschaften hinsichtlich ihres Versagens individuell zu interpretieren und zu bewerten sind. Dielektrische Verfahren erfassen prinzipbedingt den Zustand des gesamten Isoliervolumens, sie sind als integrale Verfahren dem Bereich der Alterung zuzuordnen [Schmi03]. Dazu gehören die IRC-(Isothermal Relaxation Current)-Analyse, die Rückkehrspannungsmessung und die Verlustfaktormessung. Schädigung erfassende Methoden sind die Teilentladungsmessung und –diagnose und der VLF-(Very Low Frequency)-Test. Als Laborspannungsprüfung hat der FGH-(Forschungsgemeinschaft für Hochstrom- und Hochspannungstechnik)-Stufentest elementare Bedeutung, um die elektrische Restfestigkeit verifizieren zu können. Verlegte Kabelstrecken sind keine homogenen Anordnungen [Meure03]. Die Muffen als Verbindungsstücke zwischen Kabelteilstücken und die Kabelendverschlüsse stellen elektrisch-neuralgische Punkte dar. Die Betriebserfahrung belegt diese Bewertung dadurch, dass diese Komponenten des Kabelsystems ein eigenes charakteristisches Versagensverhalten aufweisen und deshalb einer gesonderten Aufmerksamkeit in der Zustandsdiagnose von Kabelnetzen bedürfen [Orten03, Neuma06b, Weck06a].

1.4

Motivation und Ziel der Arbeit

Die Zustandsdiagnose etabliert sich als Quelle von Entscheidungsgrößen für den Asset-Management-Prozess im Mittelspannungskabelnetz. Deshalb ist es essentiell, den weitläufigen Begriff „Zustand“ eines Isolationssystems zu präzisieren und die zu bewertenden Kenngrößen richtig auszuwählen. Richtig sind sie dann, wenn sie einen kausalen Rückschluss auf das Versagensrisiko zulassen. Dazu müssen die Versagensmechanismen verstanden werden und ihre Auswirkungen und ihr Zusammenspiel unter Betriebsbedingungen durchschaut werden. In dieser Arbeit wird eine grundsätzliche Kategorisierung von Versagensphänomenen in elektrischen Isoliersystemen vorgeschlagen, welche von den Begriffen lokale Schädigung und globale Alterung getragen wird. Es wird speziell für polymerisolierte Mittelspannungskabelsysteme gezeigt, auf welche Weise diese Differenzierung der Mechanismen hilft, eine plausible und problemorientierte Zustandsdiagnose zu erarbeiten. Dazu werden folgende wesentliche Punkte abgearbeitet:

Kapitel 1

Einleitung

13



Die Lebensdauer eines energietechnischen Betriebsmittels ist die zentrale Größe für die technisch-wirtschaftliche Ausrichtung des Asset-Managements. Es wird erläutert, wie der Begriff grundsätzlich das Verständnis über das Verhalten während der Betriebsdauer trägt.



Das reale Lebensdauerverhalten von Betriebsmitteln bestimmt die Anforderungen an eine Zustandsdiagnose. Hierzu wird ausgearbeitet, dass das Wissen über wirksame Versagensmechanismen essentiell ist, ein betriebliches Risiko abschätzen zu können und im Prinzip die Prognose von Restlebensdauer ermöglichen zu können.



Angemessen ist eine Instandhaltungsmaßnahme wie Reparatur oder Austausch, wenn sie ursachenorientiert und kostenoptimiert ergriffen wird. Es wird gezeigt, dass Zustandsdiagnose dann zielführende Entscheidungsgrößen liefern kann, wenn Versagensmechanismen einer lokalen Schädigung oder globalen Alterung zuzuordnen sind.



Im Mittelspannungsnetz gängige Mess-, Test- und Diagnoseverfahren zur Erfassung und Bewertung des Isolationszustandes werden vorgestellt und hinsichtlich ihrer Aussagekraft über das Ausmaß einer Schädigung oder Alterung analysiert.



Vor Ort können sich in der Kabelstrecke Alterungs- und Schädigungsmechanismen in einer unbekannten Größenordnung überlagern und zum Betriebsrisiko beitragen. Es werden mögliche Auswirkungen von Wechselwirkungen zwischen Mechanismen auf die Zustandserfassung und -diagnose diskutiert. Hier wird die Signifikanz der Verfahren dadurch bestimmt, inwieweit sie messtechnisch die Effekte von Schädigung und Alterung gegeneinander abgrenzen können und dadurch eine separate Risikoabschätzung zulassen.



Unter Laborbedingungen werden die zuvor betrachteten Verfahren, die auch vor Ort Anwendung finden, an Kabelprüflingen mit definierten Alterungs- und Schädigungsvoraussetzungen appliziert. Es werden künstliche Schwachstellen für das Isoliersystem Mittelspannungskabel entwickelt, welche sich an den Auswirkungen realer, betriebsbedingter lokaler Schädigung orientieren.



Die präparierten Kabelprüflinge werden verschiedenen elektrischen Beanspruchungen ausgesetzt, um die detektierbaren Konsequenzen durch den Grad der lokalen Schädigung und der globalen Alterung zu ermitteln.



Die Ergebnisse werden hinsichtlich ihrer Übertragbarkeit auf die letztlich relevanten Vor-Ort-Bedingungen diskutiert und es wird erläutert, wie die Resultate zu einer konzeptionellen Optimierung von Zustandsdiagnose beitragen können.

2

Lebensdauer elektrischer Isolationssysteme

Ein komplexes „elektrisches Isoliersystem (EIS)“, hier kurz als Isolationssystem bezeichnet, ist nach [Norm05] „eine isolierende Anordnung, die ein oder mehrere Isoliermaterialien (EIM) zusammen mit zugehörigen Teilen enthält, eingesetzt in einem elektrischen Betriebsmittel“. Das Funktionieren elektrischer Anlagen setzt die sichere Isolation elektrischer Potentiale gegeneinander voraus. Diese triviale Erkenntnis gewinnt an Komplexität, wenn die Isoliertechnik speziell von energietechnischen Betriebsmitteln betrachtet und beurteilt wird. Je höher die dauerhaft zu isolierende Betriebsspannung ist, desto höher ist im Allgemeinen der Aufwand der isoliertechnischen Konstruktion. In der Regel ist in einem Isolationssystem nicht die elektrische Spannung die kritische Größe, sondern es ist die tatsächlich existierende elektrische Feldstärke, durch welche Ladungsträger letztlich so viel Energie aufnehmen können, dass sie eine Zerstörung des Isoliermaterials und in der Folge ein Versagen des ganzen Isolationssystems bewirken können [Patsc02]. Deshalb ist die Konstruktion eines Isolationssystems darauf ausgerichtet, die geeigneten Materialien so zwischen den geometrisch optimal gestalteten Elektroden unterschiedlichen Potentials zu platzieren, dass die maximal auftretende elektrische Feldstärke während der angestrebten Nutzungsdauer des Betriebsmittels nach dem Stand des Wissens kein Versagen initiiert [Beyer96]. Das Attribut „geeignet“ qualifiziert zeitabhängig die realen elektrischen, mechanischen, chemischen und physikalischen Materialeigenschaften bezogen auf den spezifischen Einsatzbereich des Isolationssystems [Gocke03]. Entsprechend der unterschiedlichen Konstruktionen energietechnischer Betriebsmittel werden gasförmige, flüssige oder feste Isoliermaterialen mit sehr verschiedenen Eigenschaften verwendet [Bärsc08]. Energietechnische Betriebsmittel stellen Investitionsgüter dar, welche für Nutzungsdauern bis zu 55 Jahren konstruiert werden [Smit05, Meure02, Wellß04]. In dieser Zeit sollen sie eine fehlerfreie und kontinuierliche, also zuverlässige Versorgung mit elektrischer Energie sicherstellen. Deshalb ist es für den Hersteller wichtig zu verstehen, welche zeit- oder belastungsabhängigen Veränderungen die Eigenschaften der Isoliermaterialien zeigen können und wie diese Veränderungen die Verwendung eines Betriebsmittels während seiner Nutzungsdauer prägen können. Nachfolgend wird grundlegend erläutert, in welcher Weise die Nutzungsdauer als Lebenszyklus beschreibbar und fassbar wird.

2.1

Lebensdauer und Zustandsdiagnose

Der Zeitraum zwischen der Inbetriebnahme und dem Außerbetriebsetzen eines Betriebsmittels wird üblicherweise als Lebensdauer bezeichnet. Die darin enthaltene begriffliche Analogie zu lebenden Organismen hat sich als eingängige und allgemein © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2009 G. Schmidt, Differenzierte Schädigungs- und Alterungsdiagnose als Grundlage für ein zielgerichtetes Asset-Management im polymerisolierten Mittelspannungskabelnetz, Edition KWV, https://doi.org/10.1007/978-3-658-24684-6_2

Kapitel 2

Lebensdauer elektrischer Isolationssysteme

15

verständliche Basis zur Charakterisierung und Bewertung des Verhaltens von Betriebsmitteln während aller Phasen ihrer Nutzungsdauer durchgesetzt [Stein98]. Das Asset-Management der Betriebsmittel eines Energieversorgungsnetzes – also deren effiziente Verwaltung, Einsatzplanung, Investitionsplanung und Instandhaltung – kann dann erfolgreich sein, wenn das Betriebsverhalten während des Lebenszyklus ausreichend genau bekannt ist. Bei der Herstellung werden die konstruktiven Eckdaten umgesetzt, welche auf der Basis einer vom Kunden erwarteten Betriebszeit unter den voraussichtlichen Betriebsbedingungen festgesetzt wurden. Durch umfangreiche qualitätssichernde, zumeist genormte Prüfungen ist heute der Zustand des Betriebsmittels zum Anfang seines Lebens, also zum Zeitpunkt des Beginns seiner Nutzung, als bekannt anzusetzen. Während des Betriebes erfährt das Betriebsmittel die „irreversible Änderung von Eigenschaften eines EIS infolge der Einwirkung eines oder mehrerer Einflussfaktoren“, welche in [Norm05] als „Alterung“ beschrieben wird. Eine solche „Alterung führt zu einer Verschlechterung des EIS“, an deren Ende schließlich das Versagen der Isolierung steht [Norm05]. Die Einflussfaktoren werden aufgeschlüsselt als „Einwirkung elektrischer, thermischer, mechanischer oder umweltbedingter Natur, die Eigenschaftsänderungen hervorrufen kann“. Deren Auswirkungen auf das Betriebsmittel werden als „Alterungsbeanspruchung“ zusammengefasst [Norm05]. Der Verlauf der Alterung ist nach dem Stand des Wissens von den Eigenschaften des eingesetzten Materials und der Höhe der Belastung abhängig. Somit ist es die Verschlechterung von Eigenschaften, welche überhaupt erst zu einer zeitlich begrenzten Nutzbarkeit beziehungsweise zu einer nur endlichen Lebensdauer führt. Eine Zustandsdiagnose ist nur dann plausibel, wenn sie die Informationen liefern kann, ob und in welchem Ausmaß sich eine für das Funktionieren des Isolationssystems relevante Eigenschaft verschlechtert hat. Dem Asset-Manager muss damit also die Möglichkeit eröffnet werden, aus dem Maß einer Verschlechterung und der daraus resultierenden zukünftig zu erwartenden weiteren Qualitätsminderung ein Risiko für den Betrieb ableiten zu können. Wie oben diskutiert, ist die inhärente Aufgabe der elektrischen Isolation in energietechnischen Betriebsmitteln das Isolieren der elektrischen Potentiale gegeneinander und gegen das Erdpotential [Küchl04]. Ein Versagen der elektrischen Isolation ist die Folge des Überschreitens der elektrischen Festigkeit der gewählten Isolieranordnung. Im Gegensatz zur kritischen Feldstärke ist die elektrische Festigkeit von Betriebsmitteln messbar. Deshalb ist heute die elektrische Festigkeit eine für den Betrieb relevante Eigenschaft eines Isolationssystems [Gocke04a]. Deren Verschlechterung, also das Nachlassen der elektrischen Festigkeit, ist die Folge der Belastungen während des Betriebes [Hausc03].

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Kapitel 2

Lebensdauer elektrischer Isolationssysteme

Mit dem Absinken der Festigkeit steigt bei gleich bleibender Belastung die Wahrscheinlichkeit eines Versagens der Isolation. Ein Betriebsrisiko wird unter anderem unter Einfluss des Parameters Versagenswahrscheinlichkeit ermittelt – somit steigt dieses ebenfalls [Dreis06, Brand06]. Deshalb muss eine Zustandsdiagnose das aktuelle Maß der elektrischen Isolationsfähigkeit eines energie- bzw. hochspannungstechnischen Betriebsmittels bewerten können, um daraus eine Risikoabschätzung für den fortdauernden Betrieb herleitbar zu machen [Claud02]. Die zeitabhängige Verschlechterung der Isolationsfähigkeit unter Einwirkung der in [Norm05] genannten „Alterungsbeanspruchung“ muss dazu so genau bekannt sein, dass dem Betriebsmittel mit der Bestimmung des aktuellen Ist-Zustandes seine erreichte Phase in seinem Lebenszyklus – also sein Lebensalter – zugeordnet werden kann. Dieses bis zum Diagnosezeitpunkt erreichte reale Alter ergibt sich aus den akkumulierten Belastungen während des Betriebes und den damit verbundenen Verschlechterungen seiner Eigenschaften. Nach dem Stand des Wissens korreliert das reale Alter nicht mit dem nominellen Alter, also der reinen Zeitdauer des Betriebes bis zu diesem Zeitpunkt [Schmi03, Nilge06]. Somit liefert das reale Alter des Betriebsmittels die Information über die bereits verbrauchte Lebensdauer und kann auf Basis von Erfahrungswerten eine Prognose der noch verbleibenden Lebensdauer ermöglichen [Pesch98]. Eine Basis für prognostische Betrachtungen ist die so genannte Lebensdauerkurve [Patsc02]. In dieser ist die für den Betrieb risikorelevante Eigenschaft über der Dauer der Beanspruchung aufgetragen [Norm88a]. Die für energietechnische Betriebsmittel relevante Eigenschaft „elektrische Festigkeit“ lässt sich in passender Weise über eine Spannung beschreiben, da diese überall an der Hauptisolierung im Betriebsmittel anliegt. Eine möglicherweise zielführende Beschreibung über eine elektrische Feldstärke hat sich als unpraktisch erweisen, weil diese sich aus der anliegenden Spannung und der oft sehr komplexen Geometrie der Elektroden ergibt. Da technische Feldkonfigurationen nicht ideal homogen sind, liegen in realen Isoliervolumina Bereiche unterschiedlicher Feldstärke vor, so dass ein einzelner Wert nicht die gesamte Isolierung repräsentieren kann, wie es mit der Angabe der Spannung möglich ist [Weiße04]. In Abbildung 2.1 ist die prinzipielle Zeitabhängigkeit der elektrischen Festigkeit – ausgedrückt durch eine Durchschlagspannung Ud – dargestellt. In relativ homogenen Isolationssystemen wie den in dieser Arbeit betrachteten Energiekabeln ist diese Beschreibung heute üblich. Der Zustand einer Isolation ist am Anfang seiner Lebensdauer mit einer Anfangsfestigkeit Ud0 verknüpft. Davon ausgehend bewirkt die Verschlechterung des Isolationszustandes ein kontinuierliches Absinken der Festigkeit mit zunehmender Alterung und Betriebsdauer. Das Ende der Lebensdauer TL wird markiert durch das Unterschreiten eines kritischen Niveaus der elektrischen Festigkeit Ukr.

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Das Lebensdauerende ist kein intrinsisches Merkmal eines Betriebsmittels, vielmehr setzt das Asset-Management bei Erreichen einer Grenze der Nutzbarkeit dieses Ende fest [Gocke02a]. Diese Nutzbarkeitsgrenze ist frei definierbar und wird direkt durch die Zielsetzung des Asset-Management in der elektrischen Energieversorgung – die Maximierung der Versorgungsqualität und –sicherheit bei Minimierung der Versorgungskosten – gesteckt und resultiert in einer Optimierung des Schwellwertes Ukr.

Abbildung 2.1:

Abnahme der Isolationsfähigkeit mit der Zeit aufgrund von Alterungsbeanspruchung (lineare Achsenteilung)

Aus rein technischer Sicht erreicht ein Betriebsmittel das Ende seiner Nutzbarkeit spätestens dann, wenn seine Belastbarkeit, ausgedrückt durch seine abnehmende elektrische Festigkeit, das Niveau der Betriebsbelastung unterschreitet [Wellß04]. Der Schwellwert Ukr wäre dann mit der Betriebsspannung identisch. Das Ende der Nutzbarkeit entspräche damit dem physikalischen Lebensdauerende aufgrund des Ausfalls während des Betriebes. Eine durch den stochastischen Ausfall erzwungene ereignisorientierte Instandhaltung einer elektrischen Energieversorgung würde nur eine geringe Versorgungszuverlässigkeit bieten. Das Asset-Management wird bei zustandsorientierter Instandhaltung deshalb den Schwellwert Ukr so weit oberhalb der Betriebsbelastung ansetzen, dass die Isolierung vor Erreichen dieses Wertes unter normalen Betriebsbedingungen als ausfallsicher gilt [Gocke02a]. Wenn vor diesem Hintergrund der Versorgungsqualität und –sicherheit der Zeitpunkt, zu dem dieses Niveau unterschritten wird, als das Ende der Nutzbarkeit des Betriebsmittels anzusehen ist, erfolgt dessen Außerbetriebsetzen vor seinem physikalischen Lebensdauerende.

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Aus rein technischer Sicht erfolgt ein Austausch dadurch prinzipiell zu früh, denn es verfällt ein Rest an potenzieller Nutzungsdauer zu Gunsten einer höheren Betriebssicherheit. Die Suche nach der optimalen Nutzungsdauer unter Berücksichtigung der so genannten Life Cycle Costs ist heutzutage ein aktuelles Thema [Asche06a].

2.2

Idealisierte Beschreibung des Lebensdauerverhaltens

Gemeinhin wird die Maximierung der Lebensdauer schlagwortartig als wesentlicher Schlüssel zur wirtschaftlich optimierten Ausnutzung eines Betriebsmittels genannt [Roth02, Benz06]. Die vorhergehende Betrachtung zeigt aber, dass Lebensdauer differenzierte Ausprägungen zeigt, welche über eine bloße Betriebsdauer bis zum Durchschlag hinausgehen und dass die angestrebte Maximierung der Lebensdauer im Kern eine Definition des optimalen Kriteriums für das Lebensdauerende erfordert [Schne07]. Da das momentane bzw. reale Lebensalter eines Betriebsmittels aber nicht direkt bestimmbar ist, liefert die Lebensdauerkurve dessen Zuordnung zu einem Mittelwert der elektrischen Festigkeit als eine messbare Zustandsgröße. Damit erweist sich die Zielsetzung Maximierung der Lebensdauer als abstrakt, denn konkret wird die Minimierung des Schwellwertes Ukr angestrebt, welcher nach strategischen, technischen und wirtschaftlichen Kriterien einem Ende der Nutzbarkeit und damit einem Lebensdauerende des Betriebsmittels zugeordnet wird [Kuhne97, Norm88b]. Die Diskussion einer konkreten Kriterienfindung geht über den wissenschaftlichen Umfang dieser Arbeit hinaus. Entscheidend sind jedoch zwei Erkenntnisse: •

Die Interpretation einer Lebensdauer erfordert die möglichst genaue, direkte oder indirekte Bestimmbarkeit der Zustandsgröße „elektrische Festigkeit“, um das Erreichen oder Unterschreiten eines definierten Schwellwertes bewerten zu können.



Es muss ein Zusammenhang zwischen dem Alterungsmechanismus der Isolierung und der Zustandsgröße „elektrische Festigkeit“ vorhanden und beschreibbar sein, um von einem Ist-Zustand ausgehend eine Extrapolation in die Zukunft begründen zu können.

Der erste Punkt ist an die Auswahl und Aussagekraft von Verfahren zur messtechnischen Erfassung und Bewertung des Isolationszustandes und deren diagnostischem Potenzial adressiert. Der zweite Punkt unterstreicht die Notwendigkeit einer mathematischen Formulierbarkeit dieser Lebensdauercharakteristik, welche eine allgemeingültige Beschreibungs- und Bewertungsgrundlage bietet und die Anwendung statistischer Verfahren zur Eingrenzung von Aussagesicherheiten bei Prognosen ermöglicht.

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Es hat sich für Verschlechterungsphänomene, die wesentlich elektrisch und nicht thermisch bedingt sind, ein empirisch ermittelter, idealisierter mathematischer Zusammenhang gemäß Gleichung 2.1 etabliert [Heinh99, Gocke04b, Zhang05b]:

(Ud )

K

⋅ t = const.

Gleichung 2.1

Die Besonderheit dieser Formulierung liegt darin, dass sich diese Potenzial-Beziehung nach Transformation der linearen Achsen nach Abbildung 2.1 in logarithmisch geteilte Achsen als eine Gerade abbildet (Abbildung 2.2). Das Maß für das Absinken der elektrischen Festigkeit – also die Geschwindigkeit eines Verschlechterungsvorganges – liefert der so genannte Lebensdauerexponent K, der in der doppelt-logarithmischen Darstellung als die Steigung der Geraden zu interpretieren ist [Küchl04, Muhr05]. log Ud

-1/K

Ukr TL=f(Ukr)

Abbildung 2.2:

log t

Lebensdauergerade nach der Transformation der Achsen in eine logarithmische Teilung

Um das reale Lebensdauerverhalten von technischen Isolierungen wie z.B. Mittelspannungskabeln durch eine solche Lebensdauergerade beschreiben zu können, wird das zeitabhängige Durchschlagverhalten experimentell ermittelt. Dazu werden unter Labor- oder Prüffeldbedingungen gleichartige neuwertige Prüflinge mit einer jeweils konstanten Spannung so lange belastet, bis es zum Durchschlag kommt und die jeweiligen Zeiten bis zum Ausfall werden notiert [Klock95, Küchl04]. Abbildung 2.3 zeigt schematisch, wie sich bei Beanspruchung unterschiedlicher Prüflinge mit gleicher Spannung Ud,1 eine physikalisch bedingte Streuung der Durchschlagzeiten ergibt, welche statistisch beschrieben werden muss.

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Das statistische Durchschlagverhalten von festen und flüssigen Isolierstoffen in der Hochspannungstechnik wird im Allgemeinen durch eine Weibull-Verteilung besser beschrieben als durch eine Gauß’sche Normalverteilung, da eine Anpassung an die hier empirisch gewonnene Verteilungsfunktion durch einen zusätzlichen mathematischen Parameter grundsätzlich besser möglich ist [Kahle89, Dissa92, Schil96, Beyer96, Pesch98, Heinh99, Küchl04, Schne07]. In der Darstellung der Summenhäufigkeit über der Durchschlagzeit gemäß Abbildung 2.3 erhält man im Wahrscheinlichkeitsnetz der Weibull-Verteilung eine repräsentierende Ausgleichsgerade, welche zum 63,2%-Wert der Summenhäufigkeit der Durchschlagereignisse den Weibull-Nennwert beziehungsweise die charakteristische Durchschlagzeit td63,1 für die Prüfspannung Ud,1 ablesen lässt [Zhang05a].

Abbildung 2.3:

Konstantspannungsversuche und ihre statistische Beschreibung: links: Ermitteln der Durchschlagzeiten bei der Prüfspannung Ud,1 rechts: Ausgleichsgerade, charakteristische Durchschlagzeit td63,1

Die hier zur Wahrung der Überschaubarkeit zunächst in zurückhaltendem Grau dargestellten Ereignisse mit ihren Ausgleichsgeraden verweisen auf das Verhalten bei zwei niedrigeren Prüfspannungen Ud,2 und Ud,3, welche zu tendenziell späteren Zeitpunkten zu Durchschlägen führen. Wenn die äquivalenten Zeitachsen beider Diagramme nun übereinander gelegt werden, können die charakteristischen Durchschlagzeiten td63,x den Prüfspannungen Ud,x im log Ud-log td-Diagramm zugeordnet werden. Die Regressionsanalyse der unterschiedlichen Durchschlagzeiten liefert eine Regressionsgerade gemäß Abbildung 2.4, welche als Lebensdauerkennlinie bezeichnet wird und das betrachtete Betriebsmittelkollektiv repräsentieren und grundsätzlich charakterisieren kann [Zimme02, Weiße04].

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Die Qualität einer solchen statistisch ermittelten Lebensdauerkennlinie steigt mit der Anzahl der untersuchten Spannungspegel und der Zahl der jeweils absolvierten Durchschlagversuche. Für Energiekabel wird die Aussagegenauigkeit durch Einhaltung wirtschaftlicher Randbedingungen begrenzt, welche sowohl die Menge der untersuchten Prüflinge einschränkt als auch lange Prüfzeiten bei Dauerversuchen verbietet. Kennlinien langlebiger energietechnischer Betriebsmittel mit erwarteten Lebensdauern von bis zu 55 Jahren werden deshalb bei Verkürzung der Prüfzeiten ermittelt. Diese erreicht man, indem die Belastung, welche erwartungsgemäß im regulären Betrieb vor Ort zur Verschlechterung im Sinne eines Verbrauchs an Lebensdauer führt, erhöht wird [Weidn80, Kuhne97]. Ein solcher zeitlich konzentrierter Lebensdauerverbrauch unter Laborbedingungen wird als beschleunigte Alterung bezeichnet [Norm88a]. Üblicherweise wird dazu die elektrische Belastung durch Erhöhung der Prüfspannung forciert. Zur Nachbildung des realen Betriebes werden Temperatur- und Feuchtigkeitsbelastungen mit einbezogen [Norm88a, Norm05, Budde05].

Abbildung 2.4:

Lebensdauerkennlinie als Ergebnis der statistischen Auswertung von empirischen Konstantspannungsversuchen [Küchl04]

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Der Teil der Lebensdauerkennlinie, welcher im Zeitbereich oberhalb der größten im Versuch ermittelten Durchschlagzeit liegt, wird durch eine Extrapolation der Regressionsgeraden festgesetzt (Abbildung 2.5) [Kuhne97]. Damit bestimmt wesentlich die statistische Sicherheit der empirisch ermittelten kurzen Durchschlagzeiten bei erhöhten Pegeln der Prüfspannung die Genauigkeit der Aussage zur Lebensdauer bei Betriebsbelastung [Norm88b, Pesch98]. Es gibt jedoch erhebliche wissenschaftliche Vorbehalte gegen ein solches Vorgehen. Für eine Anwendung in der Praxis müsste vorher der Nachweis erbracht werden, dass sich der Verschlechterungsmechanismus für das betrachtete Isolationssystem über die gesamte Lebensdauer nicht ändert [Küchl04, Muhr05]. Gerade für polymere Energiekabel ist dieser Sachverhalt aber in Zweifel zu ziehen [Meure95, Patsc02].

Abbildung 2.5:

Lebensdauerverhalten bei Betriebsspannung: empirischer Ergebnisse aus Durchschlagversuchen

Extrapolation

Ausgehend von einer so entwickelten Lebensdauergeraden wird aber eine Restlebensdauer formal prognostizierbar [Schmi06]. Die messtechnische Erfassung der Isolationsfähigkeit als Zustandsgröße eines Isoliersystems liefert die Information, wie viel Isolationsreserve dem System, ausgedrückt durch seine Restfestigkeit UR, augenblicklich zur Verfügung steht bzw. wie viel es ausgehend von seinem Neuzustand mit einem Anfangswert Ud0 bereits verloren hat (Abbildung 2.6). Dieser Restfestigkeit UR ist entsprechend der Festigkeits-Zeit-Charakteristik der Lebensdauergeraden ein Zeitwert tR zuzuordnen.

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Die Zeitspanne zwischen tR und dem Zeitpunkt t0 der Inbetriebnahme ist als bereits verbrauchte Lebensdauer TV zu interpretieren. Entsprechend wäre die Restlebensdauer TR die noch verbleibende Zeit bis zum Unterschreiten des kritischen Schwellwertes Ukr, wenn die Lebensdauer TL,ideal erreicht würde.

Abbildung 2.6:

Theoretisches Prinzip einer Prognose der Lebensdauer auf Basis einer Bestimmung der Restfestigkeit [Schmi06]

Die Restfestigkeit UR zeigt unter realen Bedingungen ein stochastisches Verhalten, welches durch wiederholtes Prüfen ermittelbar ist. Man erhält dann den Weibull-Nennwert UR,63. Bei Energiekabeln sind Streuungen bis zum Dreifachen der Nennspannung U0 gemessen worden [Mersc94]. Der Streubereich der Restfestigkeiten bildet sich in der Lebensdauergeraden als Streubereich der prognostizierbaren Restlebensdauer TR ab (Abbildung 2.7). Es lässt sich im besten Fall lediglich ein Mittelwert bzw. Nennwert für TR angeben. Die doppelt-logarithmische Darstellung täuscht dabei visuell einen „überschaubaren“ Streubereich vor. In linearer Achsenteilung schneidet die Lebensdauerkurve die Schwelle Ukr in einem sehr spitzen Winkel. Es ergeben sich daher für die Restlebensdauer TR bzw. Lebensdauer TL sehr große Streubereiche [Pesch98]. Aus diesen Überlegungen wird klar, dass die Restlebensdauer nicht messbar ist, sondern einen mit erheblichen wissenschaftlichen Einschränkungen behafteten Prognosewert darstellt.

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Abbildung 2.7:

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Statistische Unsicherheit der Lebensdauerprognose auf Basis der Restfestigkeitsbestimmung [Schmi06]

Der Lebensdauerexponent K bestimmt die Steigung der Lebensdauergeraden. Übertragen auf das Isolationssystem charakterisiert der Wert K theoretisch die Geschwindigkeit des Verlustes an elektrischer Festigkeit. Unterschiedliche Mechanismen dieser zeitabhängigen Verschlechterung der Isolationsfähigkeit eines Isoliersystems sind dabei in der Regel mit verschiedenen charakteristischen Werten von K verknüpft. Ebenso werden verschiedene Isolationssysteme mit ihren angepassten Geometrien und Isoliermaterialien durch individuelle Werte für K repräsentiert [Patsc02]. So sind für Kabel mit Isolierungen aus Polyethylen (PE) oder vernetztem Polyethylen (VPE) je nach Spannungsbereich Werte im Bereich von 9